Hamburg Alevi Kültür Merkezi - Frankfurt Alevi Kültür Merkezi

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Hamburg Alevi Kültür Merkezi - Frankfurt Alevi Kültür Merkezi
Alevitische Jugend Frankfurt e.V.
An der Steinmühle 16, 65934 Frankfurt am Main
Tel.: 069 - 41 91 16
Fax: 069 - 66 96 10 44
[email protected]
Friedliche Massendemonstration war ein voller Erfolg: Kein Preis für
Erdoğan
Die von der Alevitischen Gemeinde Deutschland e. V. (AABF) organisierte friedliche
Massendemonstration in Bochum gegen die Verleihung des Steiger Awards an den
türkischen Premierminister Erdoğan hat einen fulminanten Erfolg gezeigt. Erdoğan ist
nicht nach Deutschland gekommen! Es gibt keinen Steiger Award für Erdoğan!
Der Vorsitzende der Alevitischen Gemeinde Deutschland Hüseyin Mat:
„Mit über 30.000 Aleviten haben wir in Bochum Geschichte geschrieben. Wir konnten
innerhalb von 3 Tagen durch unseren friedlichen Protest einen großen Fehler verhindern. Nun
ist klar geworden: In Deutschland gibt es keine Preise für Antidemokraten! Jemand, der die
Mörder von Sivas auf freien Fuß lässt, ist nicht würdig, die deutsch-türkische Freundschaft zu
repräsentieren. Erdoğan steht genau für das Gegenteil. Er soll erst einmal in der Türkei
Minderheitenrechte achten, bevor er in Europa solche einfordert. Wir werden solange
protestieren, bis die 35-fachen Mörder von Sivas ihre gerechte Strafe erhalten.“
Die AABF hat mit Unterstützung der Alevitischen Gemeinden aus den europäischen
Nachbarländern (u.a. Frankreich, Belgien, Schweiz, Österreich) innerhalb kürzester Zeit zwei
große Kundgebungen und einen Protestmarsch in Bochum organisiert. Die erste Kundgebung
startete um 14:00 Uhr im rewirpowerSTADION. Anschließend sind ab 16:00 Uhr ca. 30.000
Menschen vom Stadion zum 2 km entfernten Europaplatz marschiert. Dort gab es ab 17:00
Uhr die zweite Kundgebung. Um Punkt 18:30 Uhr wurde die Demonstration beendet, ohne
dass es einen Zwischenfall gab.
Das Organisationskomitee der AABF erklärte:
„Es war ein organisatorisches Meisterwerk. Wir danken allen Teilnehmerinnen und
Teilnehmern, der Stadt Bochum sowie den Polizeibehörden für die reibungslose
Zusammenarbeit. Unser Ziel, friedlich zu protestieren und die Ehrung Erdoğans zu
verhindern, haben wir voll und ganz erreicht.“
Quelle: http://alevi.com/de/friedliche-massendemonstration-war-ein-voller-erfolg-keinpreis-fur-erdogan/
Steiger-Award Jury zieht Preis für Erdoğan zurück
Der türkische Regierungschef ist doch nicht mit dem Steiger-Preis geehrt worden.
Grund sei seine kurzfristige Absage des Besuchs. Zehntausende hatten zuvor protestiert.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan erhält nun doch nicht den Steiger
Award. Der Veranstalter verwies zur Begründung auf die kurzfristige Absage seines Besuchs
der Bochumer Preisverleihung. Erdoğan hatte dies mit dem Absturz eines türkischen
Militärhubschraubers in Afghanistan begründet.
Erdoğan sollte den Preis für Menschlichkeit und Toleranz in der Kategorie Europa
stellvertretend für das türkische Volk erhalten. Die Laudatio sollte Altbundeskanzler Gerhard
Schröder (SPD) halten. Der ebenfalls für einen der Preise vorgesehene Musiker Lou Reed
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hatte zuvor auch abgesagt – aus gesundheitlichen Problemen. Die Kategorie wurde deshalb
komplett aus dem Programm für die diesjährige Preisvergabe gestrichen.
In der Kategorie Toleranz ging die Auszeichnung an den ehemaligen Bundespräsidenten
Horst Köhler. Königin Silvia von Schweden wurde in der Kategorie Charity für ihr soziales
Engagement ausgezeichnet. Geehrt wurden auch der Designer Wolfgang Joop, der Journalist
Peter Kloeppel, die Musiker Steven Sloane und Tim Bendzko sowie die Schauspieler Hannes
Jaenicke und Christine Neubauer. Der nicht dotierte Preis ist nach der traditionellen
Aufsichtsperson im Bergbau, dem Steiger, benannt.
Proteste gegen Auszeichnung für Erdoğan
Am Samstagnachmittag hatten in Bochum Zehntausende Menschen gegen Erdoğan und seine
Politik demonstriert. Nach Angaben der Polizei beteiligten sich etwa 22.000 Menschen an
einem Protestmarsch, zu dem eine alevitische Organisation aufgerufen hatte. In der Innenstadt
demonstrierten zudem kleinere Gruppen von Kurden und Armeniern.
"Wir fühlen uns nicht von Erdoğan repräsentiert. Er ist ein lupenreiner Antidemokrat, der
keinen Preis für Humanismus und Geradlinigkeit bekommen darf", sagte der Generalsekretär
der Alevitischen Gemeinde, Ali Dogan. Die Begründung für die Absage Erdoğans sei für ihn
eine "Schutzbehauptung".
Kritik kam auch vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV). Erdoğan trage "die politische
Verantwortung für permanente Verstöße gegen die Pressefreiheit in der Türkei, für
Repressalien gegen regierungskritische Journalisten und für willkürliche Verhaftungen von
Berichterstattern", sagte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken. Eine Ehrung Erdoğans
komme einer Missachtung des Grundrechts der Meinungsfreiheit gleich.
Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-03/steiger-award-erdogan-absage
Kolumne
Lieber Tayyip Erdogan!
Aleviten hören genau hin, wenn es um Menschlichkeit und Toleranz geht. Sie haben ein
gutes Gedächtnis
Am Samstag bekommen Sie in Bochum einen Preis. Den „Steiger Award“. Nie gehört. Auf
der Homepage steht, es handele sich um eine Privatinitiative. „Wir ehren Persönlichkeiten, die
sich durch Geradlinigkeit, Offenheit, Menschlichkeit und Toleranz auszeichnen.“ Geehrt
werden auch der Modemacher Wolfgang Joop, der Musiker Tim Bendzko und Königin Silvia
von Schweden. Merkwürdige Runde.
Als türkischer Premierminister nehmen Sie den Preis „stellvertretend für das türkische Volk
für 50 Jahre deutsch-türkische Freundschaft“ in Empfang. Gerhard Schröder wird laudieren.
Vor 50 Jahren begann die Arbeitsmigration von Türken nach Deutschland. Ein
Gastarbeiterpreis? Für das türkische Volk?
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Die ehemaligen Arbeiter haben doch schon Kinder in Deutschland geboren, die auch wieder
Kinder bekommen haben. Warum nimmt kein Arbeiter den Preis in Empfang? Stellvertretend
für das deutsche Volk? An derlei Ungereimtheiten sieht man schon die Hohlheit solcher
Veranstaltungen, die lediglich dazu dienen, Gastgeber und Sponsoren glänzen zu lassen.
Beispielsweise die Sparkasse Bochum oder Joska Kristall, die den Menschenrechtspokal
mundgeschliffen haben. Beide Unternehmen verband man bislang nicht mit deutschtürkischer Happiness.
Blöd nur, dass die alevitische Gemeinde in Deutschland die ganze Glitzersause zu verderben
droht. Man schätzt, dass ein Drittel der türkischen Bevölkerung Aleviten sind. In Deutschland
leben ungefähr 800 000 Aleviten. Ob im Verband organisiert oder nicht, Aleviten hören genau
hin, wenn es um Geradlinigkeit, Menschlichkeit und Toleranz geht.
Aleviten in der Türkei leiden oder litten unter staatlich organisierten oder geduldeten
Pogromen in der Türkei. Vertreibung, Vergewaltigung, Verbrennen, Massaker – alles
Ereignisse, die allein im letzten Jahrhundert stattfanden. Deshalb reagiert die alevitische
Gemeinde besonders sensibel, wenn das höchste türkische Regierungsmitglied in der gleichen
Woche einen Preis bekommt, in der die alevitische Protestbewegung eben erst in der Türkei
frisch gedemütigt wurde.
Als 1993 während eines alevitischen Kongresses in Sivas die Tagungsteilnehmer im Hotel
Madimak verbrannt und die volksfestartige Stimmung ohne Eingreifen der Polizei
stundenlang live im Fernsehen übertragen wurde, hat das eine neue Generation von Aleviten
gegen den türkischen Staat munitioniert. Seitdem demonstrieren Bürgerrechtler für die
strafrechtliche Verfolgung der Täter und eine würdige Gedenkstätte am Tatort. Die türkische
Justiz hat die Tat am Dienstag verjähren lassen.
Alle 28 Strafverteidiger sind Mandatsträger der Regierungspartei AKP. Diese Woche haben
Aleviten dagegen protestiert und sind von der Polizei verprügelt und mit Gas attackiert
worden. Das ist der Grund, weshalb manche Aleviten vor Verzweiflung schier ausflippen, seit
sie von der Preisvergabe erfahren haben.
Herzlichen Glückwunsch wünscht
Ihre Mely Kiyak.
P.S. Auf den Bürgersteigen von Berlin-Neukölln kam mir zu Ohren, dass ein Täter von Sivas
dort einige Wettbüros betreibt. Die Türkei stellte bis heute keinen Auslieferungsantrag. Der
Brandstifter ist Asylbewerber. Hoffentlich alles Gerüchte! Falls nicht, nehmen Sie ihn auf
dem Rückweg in die Türkei gleich mit! Dank Verjährung hat er doch nichts mehr zu
befürchten.
Quelle: http://www.fr-online.de/meinung/kolumne-lieber-tayyip--erdogan,1472602,11915050.html
Aleviten gegen Preisverleihung an Erdogan
"Steiger-Award" für Erdogan - Proteste erwartet
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von Gülseren Sengezer
Eine Würdigung für Toleranz soll der "Steiger Award" sein. Mit dem Preis sollte heute auch
der türkische Premier Erdogan ausgezeichnet werden, nun hat er abgesagt. Nichtsdestotrotz
erwartet die Polizei Tausende Demonstranten, vor allem von Aleviten.
Erdogan bemühe sich "seit Jahren um einen demokratischen Wandel in seinem Land", so die
Veranstalter. Personen wie Roman Herzog, Wolfgang Niedecken und Schimon Peres sind
schon damit ausgezeichnet worden, in diesem Jahr sollen neben Erdogan auch Königin Silvia
von Schweden und Ex-Bundespräsident Horst Köhler ausgezeichnet werden. Doch kaum
einer hat eine derart große Protestwelle ausgelöst wie Erdogan. Rund 30.000 Demonstranten
haben sich angekündigt.
Es sind armenische Verbände, die es nicht ertragen können, einen Politiker gewürdigt zu
sehen, der den Genozid an ihrem Volk leugnet. Es sind Linke und Journalisten die gegen die
Inhaftierung von rund 100 Journalisten protestieren. Es sind Kurden, die seit Jahrzehnten in
der Türkei unterdrückt werden.
Aleviten protestieren
Besonders für die Religionsgemeinschaft der Aleviten ist Erdogan ein rotes Tuch, sie
bestimmt auch den Protest. Etwa 20 Millionen Aleviten leben in der Türkei. Sie müssen um
ihre Existenz und Anerkennung kämpfen. Von der sunnitischen Mehrheit, zu der auch
Erdogan gehört, werden sie als Ungläubige diffamiert, weil sie größtenteils nicht in die
Moschee gehen.
In der jüngeren Geschichte der Türkei kam es in mehreren Städten zu Pogromen gegen
Aleviten, viele üben deshalb bis heute ihre Religion im Verborgenen aus. Der letzte tragische
Höhepunkt der Repressionen: 1993 wurden bei einem Brandanschlag in Sivas 35 Menschen,
zumeist alevitischer Herkunft, getötet. Das ist auch der Grund, warum es die Aleviten zu
Tausenden zum Protest nach Bochum treibt. Es sind die Nachwehen eines Prozesses, der vor
wenigen Tagen in der Türkei sein Ende gefunden hat - ein Prozess, der seinen Anfang im
Jahre 1993 hatte und als das Massaker von Sivas bekannt ist.
Auszeichnung "Salz auf den Wunden"
Eine unter den Protestierenden ist Yeter Gültekin. Sie lebt schon seit ihrer Jugend in Köln.
Dass Erdogan bald mit dem Steiger Award ausgezeichnet werden soll, ist wie Salz auf ihre
Wunden. "Als Ehefrau eines Opfers machte es mir Angst, dass solche Preise an solche
Menschen wie Erdogan verliehen werden können", sagt sie.
Wenn man ihren Schmerz, ihre Wut verstehen will, muss man 19 Jahre zurückgehen. Die
heute 48-Jährige wurde am 2. Juli 1993 mit 29 Jahren zur Witwe. Ihr Mann, Hasret Gültekin,
war ein beachteter kurdisch-alevitischer Musiker und einer von 35 Menschen, die bei dem
Brandanschlag in Sivas ums Leben kamen. Weil Yeter Gültekin schwanger war, blieb sie in
Deutschland. Ihr Kind hat seinen Vater nie gesehen.
Der Brandanschlag von Sivas
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Hasret Gültekin hat damals mit anderen alevitische Geistlichen, Intellektuellen und Künstlern
an einer Tagung in einem Hotel in Sivas teilgenommen. Darunter auch der türkische
Schriftsteller Aziz Nesin. Er hatte sich zuvor für die auszugsweise Veröffentlichung von
Salman Rushdies Roman "Die Satanischen Verse" auf Türkisch eingesetzt. Der 2. Juli war ein
Freitag. Nach dem Freitagsgebet belagern Tausende von Fundamentalisten getrieben von
Zorn das Hotel. Die Tagungsmitglieder trauen sich nicht raus, haben Angst gelyncht zu
werden.
Was dann passiert, ist auf Video aufgezeichnet und heute noch auf Youtube zu
sehen(Externer Link - Öffnet in neuem Fenster) . Die Polizei hat es gedreht. Doch sie steht
nur dabei und lässt den Mob gewähren - stundenlang. Dann stecken die Islamisten das Hotel
an. Unter der Menge auch der damalige Stadtrat von Sivas, er ruft: "Sie sollen alle
verbrennen, die Ungläubigen". Die Feuerwehr löscht erst, nachdem das Hotel abgebrannt ist.
35 Menschen sterben.
Nach nun 19 Jahren hat ein türkisches Gericht am 13. März 2012 in Ankara entschieden, dass
einige der Brandstifter nicht verurteilt werden können, da die Tat verjährt sei. Der türkische
Ministerpräsident Erdogan reagierte auf das Gerichtsurteil mit den Worten: "Möge dies (die
Gerichtsentscheidung) segensreich für unser Volk und unser Land sein." Ein Schlag ins
Gesicht für alle Aleviten.
Aleviten: Preis nicht verleihen
Ali Dogan, Generalsekretär der Alevitischen Gemeinde Deutschland, verlangt daher, Erdogan
den Steiger Award nicht zu verleihen: "Vergleichbar wäre dieser Fall damit, als wenn das
Verfahren der Zwickauer Terrorzelle soweit in die Länge gezogen würde, bis der Fall verjährt
wäre und keine Verurteilung mehr erfolgte. Während Morde in keinem Rechtsstaat der Welt
verjähren, scheint dieses aber unter der Regierung von Tayyip Erdogan möglich zu sein. Die
Liste dieser undemokratischen Urteile gegenüber Minderheiten in der Türkei ließe sich
unbegrenzt fortsetzen."
Für Yeter Gültekin klingt es wie blanker Hohn, wenn sie an Erdogans Äußerungen während
seines Deutschland-Besuchs im Jahre 2008 denkt. Damals hat er den Versuch, die Türken in
Deutschland assimilieren zu wollen, als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnet.
Denn jedes Jahr nimmt sie am Jahrestag des Brandanschlags an einer Gedenkfeier in Sivas
teil. Von Toleranz und Offenheit, sagt sie, hat sie auch vergangenes Jahr kaum etwas gespürt.
Ihre Kundgebung wurde verboten.
Kritik an Ungleichbehandlung der Justiz
"Den Teilnehmern wird vorgeworfen eine 'unerlaubte Demonstration' durchgeführt zu haben.
Die Klage, die höchstwahrscheinlich schon vor der Demonstration am 2. Juli (Samstag)
vorbereitet wurde und am 4. Juli (Montag) beim Gericht eingereicht wurde, zeigt, wie
willkürlich 'das Rechtverständnis und die Sicherheitsmaßnahmen' angewendet werden. Gegen
die Brandstifter damals ging man leider nicht so konsequent vor", erzählt Gültekin. "Es ist
einfach traurig, wenn ich sehen muss, wie man die Mörder von Sivas nicht fassen konnte,
aber die Verfahren gegen die Teilnehmer an der Gedenkveranstaltung sofort eingeleitet
wurden."
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Seit Jahren will die alevitische Gemeinde auf dem Gelände des ehemaligen Hotels eine
Gedenkstätte errichten. Eine Genehmigung verweigern die Behörden aber bis heute.
Quelle: http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/23/0,3672,8492983,00.html
Hintergrund der Proteste in Bochum
Erdogan und die Last von Sivas
Neun mutmaßliche Mittäter des Pogroms von Sivas genießen Asyl in Deutschland.
Strafrechtliche Verfolgung müssen sie nicht mehr fürchten. Ihre Taten sind nun
verjährt. von Deniz Yücel
Gedenkmarsch in Istanbul 2010 für die 1993 in Sivas ermordeten Menschen. Bild: dapd
BERLIN taz | „Mit Gottes Segen“, kommentierte der türkische Ministerpräsident Recep
Tayyip Erdogan vorige Woche die Entscheidung des 11. Strafgerichtshofs in Ankara. Dieser
hatte am Dienstag die Anklagen gegen die noch flüchtigen mutmaßlichen Beteiligten des
Pogroms von Sivas für verjährt erklärt. Nach Protesten korrigierte sich Erdogan und sagte:
Verjährung gebe es nicht, aber es gehe ja nur um wenige Verdächtige.
1993 hatte im zentralanatolischen Sivas ein islamistischer Mob Brandsätze in ein Hotel
geworfen, in dem Teilnehmer eines alevitischen Kulturfestivals untergebracht waren. 35
Menschen, darunter etliche Künstler und Intellektuelle sowie zwei Angestellte des Hotels,
verbrannten oder erstickten. Obwohl frühzeitig alarmiert, unternahmen Polizei, Armee und
Feuerwehr stundenlang nichts, um die im Hotel festgesetzten Menschen zu retten.
Pogrome gegen Aleviten hatte es zuvor schon gegeben – 1978 im südostanatolischen Maras,
wo über hundert Menschen starben; 1980 im zentralanatolischen Çorum, wo 57 Menschen
ums Leben kamen. Wo in den siebziger Jahren der konfessionelle Konflikt zwischen Sunniten
und Aleviten durch politische Auseinandersetzungen überlagert wurde – die Aleviten
sympathisierten mehrheitlich mit der Linken, die Verantwortlichen von Maras und Çorum
kamen aus den Reihen der rechtsradikalen Grauen Wölfe – kam in den neunziger Jahren der
Konflikt zwischen Laizismus und der gerade erstarkenden islamistischen Bewegung hinzu.
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Denn auf diesem Kulturfestival in Sivas war auch Aziz Nesin zugegen, ein prominenter
Schriftsteller, der als Herausgeber einer Tageszeitung Auszüge aus Salman Rushdies Buch
„Die satanischen Verse“ gedruckt und damit den Zorn der Islamisten auf sich gezogen hatte.
Tatenlos zugesehen
Am 2. Juli 1993 zogen etwa 20.000 Menschen nach dem Freitagsgebet erst durch die Stadt
und schließlich vor das Madimak-Hotel und begannen, das Gebäude zu attackieren. Steine
und Brandsätze flogen. Temel Karamollaoglu, damals Bürgermeister von Sivas, sprach
mehrmals zu der Menge – nicht, um sie zu beschwichtigen, sondern sie in ihrem
mörderischen Tun zu ermutigen. Karamollaoglu gehörte ebenso zur islamistischen
Wohlfahrspratei wie der heutige Ministerpräsident Erdogan und der Staatspräsident Abdullah
Gül. Sie und mit ihnen der gemäßigte Flügel der islamistischen Bewegung spaltete sich erst
im Jahr 2001 ab.
Die Gäste versuchten verzweifelt, Hilfe zu holen. Einer telefonierte mit Erdal Inönü, damals
Vorsitzender der sozialdemokratischen CHP, die als Juniorpartner an der Regierung von
Tansu Çiller beteiligt war. Inönü sagte später, er hätte die Armee um Hilfe gebeten, aber seine
Aufforderung sei ignoriert worden.
Journalisten in Istanbul, die ebenfalls aus dem Hotel angerufen worden waren, erreichten den
Staatspräsidenten Süleyman Demriel. Dessen Antwort: „Übertreibt nicht. Polizei und Militär
haben alles unter Kontrolle. Wir möchten die Sicherheitskräfte und das Volk nicht
gegeneinander aufbringen.“ Der Lynchmob gehörte für Demirel offenbar zum „Volk“, die
eingeschlossenen linken Künstler und Aleviten nicht.
Aziz Nesin und 50 weitere Menschen konnten sich schließlich über das Dach des Hotels auf
ein Nachbargebäude retten. Viele von ihnen waren schwer verletzt. Und viele wurden noch
bei ihrer Flucht aus der Menge heraus attackiert. Teile der türkischen Öffentlichkeit
beschuldigten Nesin hinterher, er habe das Volk provoziert.
Ende der neunziger Jahre wurden hundert Beteiligte zu Haftstrafen zwischen zwei Jahren und
lebenslänglich verurteilt. In 33 Fällen erging die Todesstrafe, die nach deren Abschaffung in
der Türkei zu lebenslangen Haftstrafen umgewandelt wurden.
Asyl in Deutschland
Neun Beschuldigte flohen nach Deutschland, wo sie Asyl erhielten. Die Auslieferungsanträge
der türkischen Behörden wurden von deutschen Behörden abgelehnt. Der mutmaßliche
Hauptverantwortliche Cafer Erçakmak hingegen, auch er ein Mitglied der Wohlfahrtspatei
und während der Pogroms Stadtrat, erlag im Juli 2011 in Sivas einem Herzinfarkt. Wie erst
nach seinem Tod bekannt wurde, hatte er trotz eines internationalen Haftbefehles unbehelligt
in seiner Heimatstadt leben können. Viele Kritiker werten dies als Indiz dafür, das staatliche
Stellen in das Pogrom involviert waren.
Die – freilich nie bewiesene – These, die bereits damals im Raum stand: Im Sinne einer
„Strategie der Spannung“ wollte man unter den Aleviten Angst vor einer islamistischen
Gefahr schüren. Die Aleviten hätten sich hilfesuchend an den Garanten des Laizismus
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gewandt, nämlich der Armee. So wäre die Loyalität der Aleviten gewährleistet gewesen – ein
wichtiger Faktor im Konflikt zwischen dem Militär und der kurdischen PKK, der ersten
Hälfte der neunziger Jahre auf seinen Höhepunkt erlebte. Ähnlich wurden die Übergriffe auf
Aleviten im Istanbuler Armenviertel Gazi im März 1995 gedeutet, bei denen 19 Menschen
ums Leben kamen.
Das Pogrom von Sivas ist einer der wichtigsten Gründe, weshalb viele Aleviten die ErdoganRegierung immer noch ablehnen. Auf der Demonstration am Samstag in Bochum wurde
Sivas in Reden und auf Transparent immer wieder thematisiert.
Quelle: http://www.taz.de/!89872/
Religionsfreiheit
Zehntausende demonstrieren in Bochum gegen Erdoğan
Mehr als 20.000 Aleviten protestierten gegen die Auszeichnung des türkischen
Ministerpräsidenten mit einem Preis für Toleranz. Erdoğan kam nicht zur
Preisverleihung.
Mehr als 20.000 Menschen haben in Bochum gegen den türkischen Ministerpräsidenten
Recep Tayyip Erdoğan und dessen Politik demonstriert. Sie wandten sich dagegen, dass
Erdoğan mit dem Steiger Award – einer Auszeichnung für Menschlichkeit und Toleranz –
geehrt werden sollte.
© Marcus Simaitis/dpa
Erdoğan hatte seine Teilnahme an der für den Abend geplanten Verleihung zwar wegen des
Absturzes eines türkischen Militärhubschraubers in Afghanistan abgesagt. Mehrere aus
Protest gegen die Ehrung angemeldete Kundgebungen fanden dennoch statt.
Allein dem Aufruf der Alevitischen Gemeinde in Deutschland folgten mehr als 20.000
Menschen, sie nahmen an einer Kundgebung im Bochumer Fußballstadion teil. Die Aleviten
werfen Erdoğan die Unterdrückung ihres Glaubens vor. Auch Armenier und Kurden hatten zu
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Kundgebungen gegen Unterdrückung in der Türkei aufgerufen, ihnen folgten nach
Polizeiangaben deutlich weniger Menschen.
Insgesamt ging die Polizei am Nachmittag von etwa 22.000 Demonstranten aus. Vor
Erdoğans Absage waren bis zu 30.000 Teilnehmer erwartet worden.
Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-03/demonstration-bochum-erdogan
Steiger-Award
23.000 Menschen demonstrieren in Bochum gegen Erdogan
Bochum. Rund 23.000 Menschen haben in Bochum friedlich gegen den türkischen
Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan demonstriert. Aleviten, Kurden und
Armenier protestierten am Samstag dagegen, dass Erdogan für 50 Jahre deutschtürkische Freundschaft mit dem Steiger-Award geehrt werden sollte.
Trotz der kurzfristigen Absage von Tayyip Erdogan an einer Preisverleihung in Bochum
haben am Samstag Zehntausende gegen die Auszeichnung des türkischen Ministerpräsidenten
demonstriert.
Foto: Ingo Otto / WAZ FotoPool
Nach Angaben der Polizei beteiligten sich etwa 23.000 Menschen an einem Protestmarsch, zu
dem eine allevitische Organisation aufgerufen hatte. In der Innenstadt demonstrierten zudem
kleinere Gruppen von Kurden und Armeniern gegen Erdogan, der am Abend eigentlich einen
„Steiger Award“ für 50 Jahre deutsch-türkische Freundschaft stellvertretend für das türkische
Volk in Empfang nehmen sollte. Kurden und Aleviten werfen der türkischen Regierung vor,
Minderheiten zu unterdrücken.
Die Polizei zog am frühen Abend eine positive Bilanz. Es sei alles friedlich verlaufen.
Als Grund für die kurzfristige Absage Erdogans wurde der Absturz eines türkischen
Militärhubschraubers in Afghanistan mit 17 Toten genannt. Veranstalter Sascha Hellen sagte:
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„Wir hätten Erdogan gerne bei uns begrüßt.“ Man habe aber Verständnis für die Absage. Die
Veranstaltung in Bochum werde wie geplant stattfinden, da es noch zehn weitere Preisträger
gebe. Unter anderem wurden die schwedische Königin Silvia und der frühere
Bundespräsident Horst Köhler erwartet.
An der geplanten Preisverleihung hatte sich bereits im Vorfeld heftige Kritik entzündet. CSUGeneralsekretär Alexander Dobrindt sagte, einen Toleranz-Preis ausgerechnet an Erdogan zu
vergeben, sei eine bizarre und geschmacklose Fehlleistung. In der Türkei herrsche
Unterdrückung von religiösen und ethnischen Minderheiten, mangelnde Pressefreiheit und
fehlende Gleichberechtigung von Frauen.
Quelle: http://www.derwesten.de/region/23-000-menschen-demonstrieren-in-bochumgegen-erdogan-id6468541.html
Polizei Bochum dankt der AABF für die “absolut friedlich” verlaufene
Demo
POL-BO: Bochum
25.000 Demonstranten und ein glückliches Kind – Friedlicher Protest in Bochum
Bochum (ots) – Aus Anlass der Preisverleihung “Steiger Award” in der Bochumer
Jahrhunderthalle kam es am heutigen 17. März zu mehreren Gegendemonstrationen in der
Innenstadt. Insgesamt zählte die Polizei ca. 25.000 Teilnehmer. Die zahlenmäßig größte
Gruppe stellte die Alevitische Gemeinde Deutschland, die einen Demonstrationszug vom
“rewierpowerSTADION” bis zum Bergbaumuseum durchführte. Dabei handelte es sich um
einen der größten Demonstrationszüge, den Bochum in den letzten Jahrzehnten erlebt hat.
Alle Veranstaltungen verliefen absolut friedlich und in einem sehr geordneten Rahmen. An
dieser Stelle ein Dank der Polizei an die Veranstalter für die gute Zusammenarbeit und das
vorbildliche Verhalten. Eine kleine Geschichte am Rande: Weit vor der Jahrhunderthalle
bemerkte ein Polizeibeamter an der Absperrung ein junges Mädchen, das in einem Rollstuhl
saß und einen Blick auf das Fahrzeug von Königin Silvia von Schweden werfen wollte. Als
der Hauptkommissar von der Bochumerin erfuhr, dass sie ein leidenschaftlicher Fan der
Königin sei, führte er einige Funkgespräche und wurde tätig. Wie? Er hob die Schülerin samt
Rollstuhl in den VW-Bus, fuhr mit ihr zum roten Teppich und traf dort zeitgleich mit Königin
Silvia ein. Diese ging sofort auf das Mädchen zu, drückte ihr herzlich die Hand und bedankte
sich für das Geschenk der Schülerin – eine kleine Rose. Danach brachte der Beamte das
sprachlose aber glückliche Mädchen zurück zur Absperrung. Ein schöner Abschluss eines
langen Polizeieinsatzes!
Nachzulesen unter
http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/11530/2218223/pol-bo-bochum-25-000demonstranten-und-ein-glueckliches-kind-friedlicher-protest-in-bochum
Auch die Alevitische Gemeinde Deutschland bedankt sich bei der Polizei Bochum für die
gute und zuverlässige Zusammenarbeit.
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Quelle: http://alevi.com/de/polizei-bochum-dankt-der-aabf-fur-die-absolut-friedlichund-inem-sehr-geordnetem-rahmen-verlaufene-demo/
Massenproteste in Bochum
Erdogan sagt Preisverleihung ab
Eigentlich sollte der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan heute in Bochum einen
Toleranzpreis entgegen nehmen. Doch daraus wird nichts. Erdogan hat abgesagt.
Massenproteste gegen den Premier soll es trotzdem geben.
Bochum - Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan habe seine geplante
Teilnahme an der Verleihung des Bochumer "Steiger Awards" abgesagt, teilte der
Veranstalter mit. Grund sei der Absturz eines türkischen Militärhubschraubers in Afghanistan,
hieß es.
Erdogan sollte am Samstag einen Preis für 50 Jahre deutsch-türkische Freundschaft in
Empfang nehmen. Für die Laudatio war Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD)
vorgesehen. Beim Absturz des türkischen Militärhubschraubers in ein Wohnhaus in der
afghanischen Hauptstadt Kabul waren am Freitag mindestens 14 Menschen getötet worden.
Auch nach der Absage rechnet die Polizei mit Protestkundgebungen. "Die Demonstrationen
stehen noch so wie sie angemeldet worden sind", sagte ein Polizeisprecher. Mehrere
zehntausend Demonstranten werden in Bochum erwartet. Armenier, Kurden und Aleviten
haben zu Protesten aufgerufen. Sie sehen in dem Preis für Erdogan einen "Schlag ins Gesicht
aller Minderheiten in der Türkei", hieß es in einer Mitteilung der Alevitischen Gemeinde
Deutschlands.
Nach Polizeiangaben sind sieben Kundgebungen angemeldet. Die Bochumer Polizei forderte
Unterstützung an, um für die Demonstrationen gewappnet zu sein. Allein der Dachverband
der alevitischen Gemeinden kündigte 20.000 Protest-Teilnehmer an.
"Geschmacklose Fehlleistung"
Die Verleihung an Erdogan hatte auch in der Union für Unverständnis gesorgt. CSUGeneralsekretär Alexander Dobrindt sagte: "Einen Toleranz-Preis ausgerechnet an Erdogan
zu vergeben, ist eine bizarre und geschmacklose Fehlleistung. Erdogan hätte einen Preis für
Intoleranz verdient." In der Türkei herrsche Unterdrückung von religiösen und ethnischen
Minderheiten, mangelnde Pressefreiheit und fehlende Gleichberechtigung von Frauen.
Die Firma des Bochumer Medienberaters Sascha Hellen, die den "Steiger Award" verleiht,
teilte auf ihrer Internetseite mit, Erdogans Auszeichnung sei mit der Hoffnung auf Umsetzung
weiterer demokratischer Strukturen und Entwicklungen in der Türkei verbunden. "Manche
Kritik an Premierminister Erdogan ist berechtigt", hieß es. Veränderung könne aber nur durch
Dialog erfolgen. Die zahlreichen Proteste gegen die Verleihung würden als Grundrecht der
freien Meinungsäußerung respektiert. "Und genau deswegen werben wir dafür, dem
türkischen Premierminister Erdogan das Recht zu geben, sich während der Preisverleihung
am Samstag in Bochum zu erklären."
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Erika Steinbach, Vorsitzende der Arbeitsgruppe Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sprach sich, auch angesichts der Proteste, dafür aus, die
Verleihung abzusagen. Armeniern, Kurden und Aleviten würden Menschlichkeit und
Toleranz in der Türkei nicht zuteil. Es sei die Frage, wem Erdogan und Ex-Bundeskanzler
Gerhard Schröder, der die Laudatio halten soll, diese Werte entgegenbrächten.
Zu den weiteren Preisträgern zählen in diesem Jahr unter anderem Königin Silvia von
Schweden, Ex-Bundespräsident Horst Köhler, Modedesigner Wolfgang Joop und die
Schauspieler Hannes Jaenicke und Christine Neubauer. In der Vergangenheit ging der
"Steiger Award" bereits an Israels Präsident Schimon Peres, den afghanischen Präsidenten
Hamid Karsai, Ex-Bundesaußenminister Dietrich Genscher und an Prominente wie Franz
Beckenbauer, Boris Becker oder die Band Tokio Hotel. Auch der einstige CSU-Chef Edmund
Stoiber erhielt die Auszeichnung.
Quelle: http://www.manager-magazin.de/politik/deutschland/0,2828,821904,00.html
Umstrittene Auszeichnung für Menschlichkeit und Toleranz
Erdogan sagt Deutschlandbesuch ab
Recep Erdogan sollte in Bochum mit einem Preis für Toleranz ausgezeichnet werden. Eine
umstrittene Entscheidung, gegen die Kurden, Armenier und Aleviten Proteste angekündigt
hatten. Nun sagte der türkische Premier den Besuch ab – aus anderem Grund.
Wie der Veranstalter der Preisverleihung am Freitag auf seiner Internetseite mitteilte,
begründete Recep Erdogan die Absage mit dem Absturz eines türkischen
Militärhubschraubers in Afghanistan. Bei dem Unglück kamen 14 Menschen ums Leben.
Der türkische Regierungschef sollte am Samstagabend in Bochum mit dem Steiger Award
2012 ausgezeichnet werden. Der Preis sollte ihm „für 50 Jahre deutsch-türkische Freundschaft
stellvertretend für das türkische Volk“ übergeben werden, wie die Veranstalter mitteilten. Mit
dem aus einer Privatinitiative entstandenen Preis sollen laut den Initiatoren Persönlichkeiten
gewürdigt werden, „die sich durch Geradlinigkeit, Offenheit, Menschlichkeit und Toleranz
auszeichnen“.
Demonstrationen angekündigt
Die geplante Auszeichnung Erdogans war heftig kritisiert worden. Gegen die Preisverleihung
wollen nach Polizeiangaben ab Samstagmittag Tausende Menschen in der Bochumer
Innenstadt protestieren. Demonstrationen hatten unter anderem alevitische, armenische und
kurdische Organisationen angemeldet. Sie sehen in dem Preis für Erdogan einen „Schlag ins
Gesicht aller Minderheiten in der Türkei“, wie es in einer Mitteilung der Alevitischen
Gemeinde Deutschlands hieß. Allein diese Gemeinde kündigte 20 000 Protestteilnehmer an.
Beim dem Absturz des türkischen Nato-Hubschraubers wurden in Afghanistan zwölf Soldaten
und zwei Zivilisten getötet. Der Helikopter war nach Polizeiangaben am Freitagvormittag aus
noch ungeklärter Ursache in ein Haus nahe der Hauptstadt Kabul gestürzt und hatte Feuer
gefangen. Die Türkei ist mit 1850 Soldaten am internationalen Afghanistan-Einsatz beteiligt.
Alevitische Jugend Frankfurt e.V.
An der Steinmühle 16, 65934 Frankfurt am Main
Tel.: 069 - 41 91 16
Fax: 069 - 66 96 10 44
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Quelle: http://www.focus.de/politik/ausland/umstrittene-auszeichnung-fuermenschlichkeit-und-toleranz-erdogan-sagt-preisverleihung-in-bochumab_aid_724927.html
"Kein Preis für Humanismus"
25.000 protestieren gegen Erdogan
Erdogan sagt seinen Bochum-Besuch ab, die angekündigte Massen-Demonstration
findet trotzdem statt: Etwa 25.000 Menschen sind gegen die Unterdrückung von
Minderheiten in der Türkei auf die Straße gegangen. Dabei sollte Erdogan bei einer
Gala für Menschlichkeit geehrt werden.
Mehr als 25.000 Menschen haben in Bochum friedlich gegen den türkischen
Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und dessen Politik demonstriert. Anlass war die
geplante Auszeichnung Erdogans mit dem "Steiger Award" – eine Auszeichnung für
Menschlichkeit und Toleranz. Der Regierungschef hatte seine Teilnahme an der Verleihung
zwar wegen des Absturzes eines türkischen Militärhubschraubers in Afghanistan kurzfristig
abgesagt. Die aus Protest gegen die Ehrung angemeldeten Kundgebungen fanden dennoch
statt.
Der Ministerpräsident leugnet unter anderem die Verantwortung der Türkei für den
Massenmord an den Armeniern im frühen 20. Jahrhundert. Lange Zeit durften Christen in der
Türkei keine Kirchen besitzen. Kurden kein kurdisch sprechen. Zuletzt fiel Erdogan aber vor
allem auf, weil er sich den Interessen von Minderheiten in der Türkei öffnete. So erlaubte er
etwa kurdische Fernsehsender und entschuldigte sich für Massaker an den Aleviten in den
30er Jahren. Erdogan-Kritiker halten diese Zugeständnisse aber nur für Blendwerk für
Erdogans Partner im Westen.
Allein dem Aufruf der Alevitischen Gemeinde in Deutschland folgten Polizeiangaben zufolge
über 20.000 Menschen. "Wir fühlen uns nicht von Erdogan repräsentiert. Er ist ein
lupenreiner Antidemokrat, der keinen Preis für Humanismus und Geradlinigkeit bekommen
darf", sagte der Generalsekretär der Alevitischen Gemeinde, Ali Dogan. Die Begründung für
die Absage Erdogans sei für ihn eine "Schutzbehauptung".
Die Aleviten nahmen erst an einer Kundgebung im Bochumer Fußballstadion teil und zogen
dann zum Bergbaumuseum. Auf den Plakaten der Demonstranten standen Sprüche wie: "Hier
werden die Menschenrechte verSTEIGERt" oder "Erdogan, du Absteiger".
Demonstranten aus ganz Deutschland reisen an
Außerdem hatten Kurden und Armenier zu Kundgebungen gegen Unterdrückung in der
Türkei aufgerufen, an ihren Veranstaltungen beteiligten sich nach Polizeiangaben jedoch nur
400 beziehungsweise 80 Menschen. Insgesamt ging die Polizei am späten Nachmittag von
etwas mehr als 22.000 Demonstranten aus. Vor Erdogans Absage waren bis zu 30.000
Teilnehmer erwartet worden. Busse kamen aus ganz Deutschland und auch aus europäischen
Nachbarländern.
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Die Aleviten warfen Erdogan die Unterdrückung ihres Glaubens vor. In dem Preis für
Erdogan sahen die Protestierenden einen "Schlag ins Gesicht aller Minderheiten in der
Türkei".
Den "Steiger Award" erhielten am Abend Königin Silvia von Schweden, Altbundespräsident
Horst Köhler, Designer Wolfgang Joop, Journalist Peter Kloeppel, die Musiker Steven Sloane
und Tim Bendzko sowie die Schauspieler Hannes Jaenicke und Christine Neubauer. Der Preis
ist nach der traditionellen Aufsichtsperson im Bergbau, dem Steiger, benannt.
Quelle: http://www.n-tv.de/politik/25-000-protestieren-gegen-Erdoganarticle5791251.html
Verleihung des "Steiger Awards": Demo gegen Erdogan
Von David Ohrndorf
Rund 25.000 Menschen haben am Samstag (17.03.2012) friedlich gegen den türkischen
Ministerpräsidenten Erdogan in Bochum protestiert. Auslöser war die geplante Ehrung
des Politikers mit dem "Steiger Award". Zu dieser kam es jedoch nicht. Erst sagte
Erdogan ab, dann der Veranstalter.
Die Plakate sind eindeutig: "Keine Auszeichnung für den Gasbomber vom Bosporus" oder
"Erdogan bestraft Aleviten, belohnt Mörder" steht darauf. Die Demonstranten, die sich im
Bochumer Fußballstadion zur Kundgebung versammelt haben, verteilen Flugblätter. Darauf
zu sehen: Erdogan neben Adolf Hitler. Sie machen den türkischen Ministerpräsidenten für
Menschenrechtsverletzungen und wenig Engagement der türkischen Justiz bei der Aufklärung
von Morden an ethnischen und religiösen Minderheiten in der Türkei verantwortlich.
Protestplakat der Aleviten
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Über 20.000 Menschen sind dem Aufruf der Alevitischen Gemeinde in Deutschland gefolgt
und sind ins Fußballstadion gekommen. Dazu kommen Armenier und Kurden, die ebenfalls
zu Kundgebungen aufgerufen hatten. Insgesamt schätzt die Polizei, dass am Samstag rund
25.000 Menschen in Bochum gegen Erdogan auf die Straße gegangen sind.
Kneift Erdogan vor dem Demonstranten?
Erdogan sollte denn Preis in der Kategorie "Europa" für 50 Jahre deutsch-türkische
Freundschaft stellvertretend für das türkische Volk in Empfang nehmen. Mit dem aus einer
Privatinitiative entstandenen Preis sollen laut den Initiatoren Persönlichkeiten gewürdigt
werden, "die sich durch Geradlinigkeit, Offenheit, Menschlichkeit und Toleranz
auszeichnen". Die Ankündigung Erdogans, nicht zur Preisverleihung zu erscheinen, wertet
Ali Dogan, der Generalsekretär der Alevitischen Gemeinden in Deutschland, als Erfolg. Die
Erklärung, dass der Ministerpräsident wegen des Absturzes eines türkischen
Militärhubschraubers in Afghanistan abgesagt hätte, sei eine Ausrede. In Wirklichkeit meide
er die Proteste.
Zeichen für Minderheiten in Türkei
Bei den Demonstranten kursiert am Nachmittag noch eine andere Vermutung: Vielleicht
kommt er doch und nimmt den Preis entgegen. "Es könnte eine Finte gewesen sein", sagt
Onur Dikisci, "zuzutrauen wäre es ihm." Dikisci ist Mitglied des alevitischen Kulturvereins in
Düsseldorf. Egal, ob Erdogan kommt oder nicht. Es sei auch wichtig, den Minderheiten in der
Türkei zu signalisieren, dass sie nicht allein gelassen werden. "Und 20.000 Leute, das ist doch
schon was."
Proteste auch von CSU und DJV
Kurden und Aleviten hatten im Vorfeld Unterstützung aus der Politik bekommen: "Einen
Toleranz-Preis ausgerechnet an Erdogan zu vergeben, ist eine bizarre und geschmacklose
Fehlleistung. Erdogan hätte einen Preis für Intoleranz verdient", sagte beispielsweise CSUGeneralsekretär Alexander Dobrindt. Auch der Deutsche Journalistenverband (DJV)
kritisierte die Preisverleihung. "Wer Journalisten drangsaliert und kritische Berichterstattung
behindert, steht weder für Menschlichkeit noch für Toleranz", sagte der DJVBundesvorsitzende Michael Konken.
Polizei: Demonstranten haben sich vorbildlich verhalten
Am Abend zieht die Polizei eine außerordentlich positive Bilanz. Der Umzug der ErdoganGegner sei eine der größten Demonstration gewesen, die die Stadt Bochum je erlebt hätte,
sagt ein Sprecher WDR.de. Gleichzeitig sei sie aber auch außergewöhnlich friedlich
verlaufen. "Wir haben sogar Menschen gesehen, die extra aus der Gruppe ausgeschert sind,
um ihre Pappbecher in den Mülleimer zu werfen", lobt der Sprecher. Die Veranstalter hätten
sich an alle Absprachen gehalten und die Demonstranten sich vorbildlich verhalten.
Der Veranstalter der Bochumer Preisverleihung teilt am Samstagabend schließlich mit, dass
Erdogan nun doch nicht mit dem "Steiger Award" geehrt werde. Als Grund nennt er dessen
kurzfristige Absage. Die Kategorie "Europa" wird aus dem Programm der diesjährigen
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Preisvergabe gestrichen. In der Kategorie "Toleranz" geht die Auszeichnung an den
ehemaligen Bundespräsdidenten Horst Köhler. Königin Silvia von Schweden wird in der
Kategorie "Charity" für ihr soziales Engagement ausgezeichnet. Insgesamt wird der nicht
dotierte Preis in neun verschiedenen Kategorien vergeben.
Quelle: http://www1.wdr.de/themen/panorama/steigeraward102_ga-1_pic-2.html
Kein Toleranzpreis für Erdogan
Bochum: Großdemonstration gegen Auszeichnung des türkischen Ministerpräsidenten
Von Nick Brauns
Die massiven Proteste gegen die geplante Auszeichnung des türkischen Ministerpräsidenten
Recep Tayyip Erdogan mit dem Ruhrpottpreis »Steiger-Award« haben zum Erfolg geführt.
Die Jury zog am Samstag den Preis an Erdogan zurück und begründete dies mit dessen
Abwesenheit. Erdogan hatte am Freitag seinen Deutschlandbesuch kurzfristig aufgrund des
Absturzes eines türkischen Militärhubschraubers mit 17 Todesopfern in Afghanistan
abgesagt. Der Generalsekretär der Alevitischen Gemeinde Deutschlands, Ali Dogan, sieht
darin nur eine Schutzbehauptung. »Wir fühlen uns nicht von Erdogan repräsentiert. Er ist ein
lupenreiner Antidemokrat«, erklärte Dogan am Samstag vor rund 22000 Teilnehmern einer
Protestkundgebung der in der Türkei diskriminierten Glaubensgemeinschaft der Aleviten im
Bochumer Fußballstadion. Für besondere Empörung unter den Aleviten sorgte die vergangene
Woche von einem Gericht in Ankara verkündete Verfahrenseinstellung wegen »Verjährung«
gegen Teilnehmer eines Pogroms von Faschisten und Islamisten gegen alevitische Künstler
und Intellektuelle, bei dem 1993 in der Stadt Sivas 34 Menschen getötet wurden. »Hier
werden Menschenrechte verSteigert« hieß es auf einem schwarzen Trauerkranz an der Spitze
der alevitischen Großdemonstration. Auch mehrere hundert Mitglieder kurdischer und
armenischer Verbände und linker Organisationen demonstrierten gegen Erdogan.
Der vom Bochumer Medienunternehmer Sascha Hellen initiierte Prominentenpreis SteigerAward soll Menschen ehren, die sich durch Offenheit, Menschlichkeit und Toleranz
auszeichnen. Die Preisvergabe an Erdogan wurde mit dessen angeblichem Engagement für
die Demokratisierung der Türkei und mit deren wirtschaftlicher Bedeutung begründet.
Migrantenverbände, Menschenrechtsorganisationen und der Journalistenverband verwiesen
dagegen auf die Verdoppelung der Zahl politischer Gefangener, die andauernde
Diskriminierung und Unterdrückung von Kurden und Aleviten, massive Angriffe auf die
Pressefreiheit und die Leugnung des Genozids an den Armeniern durch Erdogans islamischkonservative AKP-Regierung. Neben Politikern von Linkspartei und Grünen kritisierte auch
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt die Preisvergabe an Erdogan, der keinen Toleranzsondern einen Intoleranzpreis verdiene.
Quelle: http://www.jungewelt.de/2012/03-19/047.php
Umstrittene Ehrung
Toleranz-Preis für Erdogan provoziert wütende Proteste
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Von Roland Preuß
Die Alevitische Gemeinde Deutschland empfindet die Verleihung des Steiger-Awards an
den türkischen Premier Erdogan als "Schlag ins Gesicht aller Minderheiten in der
Türkei". 20.000 Demonstranten werden zur Protestaktion in Bochum erwartet. Auch
aus den Reihen der Politik äußert sich Empörung.
Es war ein warmer Empfang für Tayyip Erdogan in Köln. "Die Türkei ist stolz auf dich",
schallte es vor vier Jahren aus den Reihen von gut 15.000 Deutsch-Türken. "Überall, wo wir
hinkommen, gibt es nur Liebe und Freundschaft", säuselte der türkische Premier in der KölnArena zurück. An diesem Samstag will Erdogan 60 Kilometer weiter nördlich auftreten, in
Bochum - und dort wird seine Liebe nicht so sehr erwidert.
Die Alevitische Gemeinde Deutschland hat zur Großdemonstration aufgerufen, sie erwartet
20.000 Protestierer, die Polizei hat Hilfe aus anderen Städten angefordert. Erdogans Auftritt
sei "ein Schlag ins Gesicht aller Minderheiten in der Türkei", sagen sie - und nicht nur sie.
Am Freitag rollte eine Protestwelle an von der Linken bis zu CSU-Generalsekretär Alexander
Dobrindt.
Der türkische Premier soll in der Bochumer Jahrhunderthalle den Steiger Award 2012 zum
Thema Europa erhalten. Eigentlich ist dies keine herausragende Auszeichnung, sie wird vom
Medienunternehmer Sascha Hellen organisiert, doch die weiteren Preisträger wie ExBundespräsident Horst Köhler verleihen ihm Aufmerksamkeit - und Erdogans Laudator,
Altbundeskanzler Gerhard Schröder.
Der Preis ist nach dem Steiger benannt, der nach Bergbautradition für Geradlinigkeit,
Menschlichkeit und Toleranz steht. Und genau dies entfacht die Wut vieler Migranten. Sie
machen Erdogan für Verfolgung und Vertreibung in der Türkei verantwortlich, einige von
ihnen waren deshalb nach Deutschland geflohen. Aleviten, Armenier und andere seien
"täglich staatlich organisierter Intoleranz und Unmenschlichkeit ausgesetzt", sagt der
Generalsekretär der Alevitischen Gemeinde, Ali Dogan. Erdogan leugne den Völkermord an
den Armeniern und verweigere Christen elementare Rechte, fügt der Zentralrat der Armenier
in Deutschland hinzu.
Fanal für den staatlich geduldeten Hass auf Aleviten
Besonders erzürnt die Aleviten eine Gerichtsentscheidung von dieser Woche. Das Strafgericht
in Ankara stellte ein Verfahren gegen mutmaßliche Täter eines Massakers 1993 in der Stadt
Sivas ein - nach 19 Jahren. Der Fall sei verjährt, hieß es. Damals verbrannten 35 Menschen,
unter ihnen alevitische Künstler und Intellektuelle, als ein wütender Mob ihr Hotel anzündete.
Der Fall gilt als Fanal für staatlich geduldeten Hass auf die Aleviten.
Der muslimisch-konservative Erdogan hat durchaus Minderheiten in der Türkei umworben. In
seiner Amtszeit wurde kurdischsprachiges Fernsehen eingeführt, religiöse Minderheiten wie
etwa orthodoxe Christen haben mehr Rechtssicherheit und dürfen wieder Kirchen besitzen.
Dogan hält dies alles für Fassade. "Wir sehen sogar eine Verschlechterung, das ist eine andere
Art der Assimilation." Die hatte Erdogan in Köln als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit"
gegeißelt. Da hatte er aber seine türkischen Landsleute in Deutschland gemeint.
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Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/umstrittene-ehrung-toleranz-preis-fuererdogan-provoziert-wuetende-proteste-1.1311363
Trotz Erdogans AbsageTausende protestieren für Menschenrechte
In Bochum haben mehr als 22 000 Menschen gegen den türkischen Ministerpräsidenten
Erdogan demonstriert, obwohl er seinen Besuch abgesagt hatte. Erdogan sollte mit dem
„Steiger Award“ für Menschlichkeit geehrt werden.
Bochum Anlass war die geplante Auszeichnung Recep Tayyip Erdogans mit dem „Steiger
Award“ – eine Auszeichnung für Menschlichkeit und Toleranz. Der Regierungschef hatte
seine Teilnahme an der für den Samstagabend geplanten Verleihung zwar wegen des
Absturzes eines türkischen Militärhubschraubers am Freitag in Afghanistan kurzfristig
abgesagt. Die aus Protest gegen die Ehrung angemeldeten Kundgebungen fanden dennoch
statt.
Allein dem Aufruf der Alevitischen Gemeinde in Deutschland folgten Polizeiangaben zufolge
22 000 Menschen. „Wir fühlen uns nicht von Erdogan repräsentiert. Er ist ein lupenreiner
Antidemokrat, der keinen Preis für Humanismus und Geradlinigkeit bekommen darf“, sagte
der Generalsekretär der Alevitischen Gemeinde, Ali Dogan. Die Begründung für die Absage
Erdogans sei für ihn eine „Schutzbehauptung“.
Die Aleviten nahmen erst an einer Kundgebung im Bochumer Fußballstadion teil und zogen
dann zum Bergbaumuseum. Auf den Plakaten der Demonstranten standen Sprüche wie: „Hier
werden die Menschenrechte versteigert“ oder „Erdogan, du Absteiger“.
Außerdem hatten Kurden und Armenier zu Kundgebungen gegen Unterdrückung in der
Türkei aufgerufen, an ihren Veranstaltungen beteiligten sich nach Polizeiangaben jedoch nur
400 beziehungsweise 80 Menschen. Insgesamt ging die Polizei am späten Nachmittag von
etwas mehr als 22 000 Demonstranten aus. Vor Erdogans Absage waren bis zu 30 000
Teilnehmer erwartet worden. Busse kamen aus ganz Deutschland und auch aus europäischen
Nachbarländern.
Die Aleviten warfen Erdogan die Unterdrückung ihres Glaubens vor. In dem Preis für
Erdogan sahen die Protestierenden einen „Schlag ins Gesicht aller Minderheiten in der
Türkei“.
Mit dem „Steiger Award“ sollten am Abend Königin Silvia von Schweden,
Altbundespräsident Horst Köhler, Designer Wolfgang Joop, Journalist Peter Kloeppel, die
Musiker Steven Sloane und Tim Bendzko sowie die Schauspieler Hannes Jaenicke und
Christine Neubauer ausgezeichnet werden. Der Preis ist nach der traditionellen
Aufsichtsperson im Bergbau, dem Steiger, benannt.
Quelle: http://www.handelsblatt.com/politik/international/trotz-erdogans-absagetausende-protestieren-fuer-menschenrechte/6340818.html
Steiger-Award
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30.000 Aleviten wollen gegen Erdogan-Preis demonstrieren
Bochum/Köln. Erst waren 20.000 Demonstranten angekündigt, jetzt sollen es schon
30.000 sein. Der Protest gegen die Vergabe des Steiger-Awards an den türkischen
Ministerpräsidenten Erdogan in Bochum wächst. Die Aleviten in Deutschland sind die
treibende Kraft - und sie nennen ihre Gründe.
Erdogan ist eine Reizfigur für viele Minderheiten in und außerhalb der Türkei, die vom
türkischen Staat verfolgt wurden oder werden: für Armenier, Kurden und Aleviten, um die
wichtigsten zu nennen. Alle haben sie Demonstrationen gegen die Vergabe des SteigerAwards für Toleranz an Erdogan am Samstag angekündigt, das ist nicht überraschend.
30.000 Aleviten sollen sich angekündigt haben für morgen in Bochum, 300 Busse, Stand
Freitagmorgen. Einige sollen auch aus Frankreich, Österreich, der Schweiz und Dänemark
kommen. In Holland sei sogar eine Paralleldemonstration geplant mit 4000 bis 5000
Teilnehmern, erklärt Ali Dogan, Generalsekretär der deutschen Aleviten. Um 14 Uhr soll es
in Bochum am Revierpower-Stadion mit einer Kundgebung losgehen. Der Protestmarsch soll
über 1,8 Kilometer am Bergbaumuseum vorbei zum Europaplatz führen und um 19 Uhr mit
einer weiteren Kundgebung friedlich enden. Die Proteste der Armenier und weiterer Gruppen
fänden separat statt, erklärt Dogan. Dies solle der Protest der Aleviten sein.
Symbolkräftiger Gerichtsprozess entschieden
30.000 Demonstranten aus mehreren Ländern - damit hat wohl niemand gerechnet. Am
wenigsten wohl Veranstalter Sascha Hellen. Doch die Dynamik ist erklärbar: Weitgehend
unbeachtet von der deutschen Öffentlichkeit wurde am Dienstag in der Türkei ein
symbolkräftiger Gerichtsprozess entschieden. Es ging um das "Massaker von Sivas". Wie die
Aleviten es nennen.
1993 wurden 35 Teilnehmer einer regierungskritischen Versammlung in Sivas von einer
wütenden Menge gelyncht. Hauptsächlich Aleviten. Sie verbrannten in ihrem Tagungshotel,
der Mob verhinderte ihre Flucht vor dem Feuer. "Ein Wendepunkt in unserer Geschichte",
sagt Hidir Temel, Vorstandsmitglied der Alevitischen Gemeinde Deutschland. "Vorher haben
wir uns versteckt, nach Sivar standen wir zu unserer Identität." Am Dienstag nun schritten die
mutmaßlichen Rädelsführer als freie Männer aus dem Gericht. Verjährung. 19 Jahre hatte die
türkische Justiz für den Prozess gebraucht. Ohne Ergebnis.
"Es geht hier um einen deutschen Preis für Toleranz"
"Die türkische Justiz hat den Prozess bewusst verschleppt", sagt Dogan. Erdogan habe das
Ergebnis öffentlich mit den Worten kommentiert: Das ist ein segensreiches Ereignis für unser
Land." Gegen die alevitischen Demonstranten vor dem Gericht Sei Tränengas eingesetzt
worden, auch zwei deutsche Vorstandsmitglieder der alevitischen Geneinde wurden verletzt.
Dies war live im Fernsehen zu beobachten - auch in Deutschland.
"Wir wollen nicht den Eindruck erwecken", sagt Dogan, "dass wir Herkunftsland-Probleme
importieren. Es geht hier um einen deutschen Preis für Toleranz." Dies sei nicht akzeptabel.
Man wolle aufzeigen, dass Erdogan das Gegenteil verkörpert.
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Steiger-Veranstalter Sascha Hellen hatte auf Anwürfe reagiert: Der Preis ginge nur
stellvertretend an Erdogan , gelte aber dem gesamten türkischen Volk im 50. Jubiläumsjahr
des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens. Die Aleviten halten dies für eine
Schutzbehauptung. "Gerade unter den ersten Bergarbeitern, die nach Deutschland kamen,
befanden sich viele Aleviten, Kurden, Armenier, die sich nicht durch Herrn Erdogan vertreten
fühlen", so Dogan. "Uns wäre es lieb gewesen, wenn zum Beispiel ein Vertreter dieser
Generation stellvertretend den Preis bekommen hätte.
Quelle: http://www.derwesten.de/staedte/bochum/30-000-aleviten-wollen-gegen-erdoganpreis-demonstrieren-id6463903.html
Bochum
Empörung über Toleranz-Preis für Erdogan
Von Anna Reimann und Oliver Trenkamp
Sein Land schikaniert die Medien und unterdrückt Minderheiten - doch der türkische
Premier Erdogan soll in Bochum einen Preis für Toleranz und Menschlichkeit verliehen
bekommen. Politiker der Grünen sind empört, Armenier, Kurden und Aleviten haben
zu Massenprotesten aufgerufen.
Berlin - Es hätte ein angenehmer Abend werden können für Recep Tayyip Erdogan. Am
kommenden Samstag wird der türkische Premier in der Bochumer Jahrhunderthalle stehen, es
ist seine erste Auslandsreise nach einer mehrwöchigen Auszeit.
Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder wird Erdogan einen Preis überreichen, den "SteigerAward", mit dem "Toleranz" und "Offenheit" gewürdigt werden sollen. Erdogan bemühe sich
"seit Jahren um einen demokratischen Wandel in seinem Land", so die Veranstalter. Längst
sei die Türkei ein wichtiger Partner Deutschlands und Europas geworden. "Für diese
Bemühungen, aber auch als deutliches Zeichen für gelebte deutsch-türkische Freundschaft"
erhalte der türkische Regierungschef den Preis in der Kategorie Europa. Erdogan nehme die
Auszeichnung stellvertretend für das türkische Volk in Empfang.
Den Preis hat der Bochumer Unternehmer Sascha Hellen 2005 ins Leben gerufen. Neben
Erdogan werden am Samstag die anderen Preisträger stehen, Königin Silvia von Schweden,
Alt-Bundespräsident Horst Köhler, die Schauspielerin Christiane Hörbinger, der
Modeschöpfer Wolfgang Joop. Die regierungsnahe türkische "Zaman" jubelt wegen der
Ehrung bereits über Erdogans "internationale Führungqualitäten".
Tatsächlich aber wächst die Empörung darüber, dass Erdogan den Preis bekommt.
Ausgerechnet der Politiker, der seine Landsleute in Deutschland regelmäßig vor zu viel
Anpassung warnt, soll jetzt für seine Verdienste um die deutsch-türkischen Beziehungen
ausgezeichnet werden? Der Mann hat sein Land zwar zu neuem Wohlstand geführt - aber
unter seiner Regierung werden kritische Journalisten inhaftiert. Und nun soll er einen Preis für
seine "Menschlichkeit" bekommen?
Aufruf zu Großdemonstrationen
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Wenn der Preis 50 Jahre nach Vereinbarung des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens
stellvertretend für die guten Beziehungen der beiden Länder verliehen werde, "ist die Vergabe
akzeptabel", sagt Cem Özdemir zu SPIEGEL ONLINE. Wenn der Preis aber "persönlich an
den Ministerpräsidenten zur Würdigung von Menschlichkeit und Toleranz gehen soll, dann
wirft das zurecht kritische Fragen auf", so der Grünen-Chef. Er räumt ein, dass in der Türkei
zwar inzwischen offener "über die armenische Frage" diskutiert werde als noch vor zehn
Jahren. Jedoch sei die "eingeschränkte Meinungs- und Pressefreiheit sowie die Willkür und
mangelnde Sensibilität im Umgang mit ethnischen und religiösen Minderheiten, wie wir es
zuletzt bei den Aleviten gesehen haben, weder als menschlich noch als tolerant zu
bezeichnen." Die Preisvergabe sei vor diesem Hintergrund "mehr als bedenklich", so
Özdemir.
Kritik übte auch die türkischstämmige Grünen-Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz: "Ich
finde die Preisverleihung nicht richtig. Erdogan hat in seinen Reden nicht dazu beigetragen,
dass die Menschen, deren Lebensmittelpunkt hier ist, sich stärker mit Deutschland
identifizieren", so Deligöz zu SPIEGEL ONLINE.
In den vergangenen Tagen hat sich bereits heftiger Widerstand formiert: Armenier, Kurden
und Aleviten rufen zu Großdemonstrationen gegen die Preisverleihung auf. Mehr als 20.000
Demonstranten sollen bereits angemeldet sein. Die Verleihung sei ein "Schlag ins Gesicht
aller Minderheiten in der Türkei, die tagtäglich staatlich organisierter 'Intoleranz und
Unmenschlichkeit' ausgesetzt sind", so die Alevitische Gemeinde in Deutschland. Der
Zentralrat der Armenier erklärte: "Wir protestieren dagegen, dass Erdogan ein Preis verliehen
wird, der für Toleranz und Menschlichkeit wirbt und Verdienste um das Zusammenwachsen
Europas würdigt. Der türkische Ministerpräsident steht in allen Punkten für genau das
Gegenteil." Erdogan besitze unter keinem Umstand die Tugenden Toleranz, Offenheit,
Menschlichkeit und Gradlinigkeit. "Im Gegenteil: Er konterkariert sie", heißt es in einer
Erklärung des Bundesverbands der Migrantinnen.
Schriftsteller Giordano übt scharfe Kritik an Laudator Gerhard Schröder
Tatsächlich steht es in der Türkei beim Thema Menschenrechte und freie Meinungsäußerung
nicht zum Besten. Erst vor wenigen Wochen sackte das Land im Index für Pressefreiheit der
Organisation "Reporter ohne Grenzen" weiter ab - und rangiert jetzt auf dem 148. von 179
Plätzen, kurz vor Pakistan. Der Konflikt mit den Kurden ist längst nicht beigelegt. In den
vergangenen Monaten eskalierte er immer wieder, es gab Anschläge und Bombardements.
Zudem jagen die Islamisten in Erdogans Regierung ihre Gegner mit der gleichen
Unerbittlichkeit, mit der sie einst selbst verfolgt wurden. Sie schikanieren Künstler und
Intellektuelle, sie knebeln Medienhäuser, sie lassen Kritiker verhaften. Und zuletzt nannte
Erdogan den französischen Gesetzentwurf, der die Leugnung des Völkermords an den
Armeniern im Osmanischen Reich unter Strafe stellt, ein "Massaker an der Meinungsfreiheit".
Die Laudatio auf Erdogan hält Gerhard Schröder - auch daran gibt es massive Kritik. Der
Schriftsteller Ralph Giordano hat einen offenen Brief an den Altbundeskanzler verfasst, in
dem er gegen die Preisverleihung protestiert. "Sie, Herr Altbundeskanzler, haben einmal Putin
einen lupenreinen Demokraten genannt. Lob und Ehrung eines Politikers der einen
überwältigenden Völkermord leugnet, wiegen noch schwerer."
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Die Dortmunder SPD-Ratsfrau Marita Hetmeier erklärte: "Der Herr Bundeskanzler a.D.
scheint Gefallen daran zu finden, sich Potentaten mit zweifelhafter demokratischer Gesinnung
als Lobhudler anzudienen. Herr Erdogan und 'der lupenreine Demokrat' Putin passen
allerdings auch zusammen wie Pat und Patachon."
Bei den Preisverleihern herrscht ob der Proteste offenbar Nervosität. Die Organisatoren haben
mittlerweile auf ihrer Internetseite eine neue Erklärung veröffentlicht. Die Auszeichnung sei
"ausdrücklich keine Bewertung der innen- und außenpolitischen Aktivitäten des türkischen
Ministerpräsidenten". Stattdessen solle die Auszeichnung das "Miteinander von Deutschen
und Türken ehren, welches gerade im Ruhrgebiet besonders gelungen ist."
Mitarbeit: Florian Gathmann
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,821498,00.html#ref=rss