Auer, Manuel, 2013, Musikverwertung im Internet. Diplomarbeit, Karl

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Auer, Manuel, 2013, Musikverwertung im Internet. Diplomarbeit, Karl
Diplomarbeit
Zur Erlangung des akademischen Grades
eines Magisters der Rechtswissenschaftlichen Fakultät
an der Karl-Franzens-Universität Graz
über das Thema
Musikverwertung im Internet
eingereicht bei
Univ.-Prof. Mag. Dr. iur. Elisabeth Staudegger
am Institut für Rechtsphilosophie, Rechtssoziologie und Rechtsinformatik
vorgelegt von
Manuel Auer, BA
Graz, im Juni 2013
Ehrenwörtliche Erklärung
Ich versichere, dass ich die eingereichte Diplomarbeit selbstständig verfasst, andere als die
angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten
Hilfsmittel bedient habe. Ich versichere ferner, dass ich diese Diplomarbeit bisher weder im
In- noch im Ausland in irgendeiner Form als wissenschaftliche Arbeit vorgelegt habe.
Graz, am 06.06.2013
Unterschrift: ...………………….........…………
Vorwort
Vorwort
Für beide Themen – Musik und IT – habe ich mich schon seit früher Jugend sehr
interessiert. Diese Themenbereiche faszinieren mich auch nach wie vor außerordentlich. Die
Liebe zur Musik führte mich zudem zu einem zweiten Studium der Musikologie an der
Kunstuniversität Graz. Es schien für mich daher nur folgerichtig, auch meine Diplomarbeit im
Schnittpunkt dieser zwei Materien zu verfassen. Sie beschäftigt sich mit dem sehr aktuellen
und höchstinteressanten Thema „Musikverwertung im Internet“. Die Arbeit verfolgt das Ziel,
Online-Musikdienste sowohl verwertungsrechtlich einzuordnen als auch diese vom
Standpunkt des Nutzers aus zu betrachten, indem zB ein aktueller Überblick zur Zulässigkeit
der Privatkopie gegeben wird.
In der vorliegenden Arbeit wurde auf geschlechterspezifische Formulierungen
zugunsten einer einfacheren Lesbarkeit verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen
beziehen sich dennoch gleichermaßen auf beide Geschlechter. Die angegebenen
Internetadressen sind auf dem Stand von Juni 2013.
Die Zitierweise richtet sich nach den Zitierregeln des Instituts für Rechtsphilosophie,
Rechtssoziologie und Rechtsinformatik der Karl-Franzens-Universität Graz. Sie können
online unter http://www.ridaonline.at/zitiermaster/ eingesehen werden. In der Arbeit werden
vorrangig die wissenschaftlich gebräuchlichen Termini verwendet. Wo in der Praxis aber
auch andere Begriffe verwendet werden, wird darauf gesondert hingewiesen.
In dieser Arbeit habe ich Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur bis Juni 2013
berücksichtigt. Bestehen Unklarheiten bei der rechtlichen Einordnung eines Problems in der
Rechtsprechung und Literatur, so ist meine persönliche Meinung wiedergegeben.
An dieser Stelle bedanke ich mich ganz herzlich bei Frau Univ.-Prof. Mag. Dr. iur.
Elisabeth Staudegger für ihre Betreuung beim Verfassen der Arbeit! Ebenfalls bedanke ich
mich bei Mitarbeitern der Verwertungsgesellschaften, namentlich bei Siegfried Samer
(Lizenzbereich Online AKM), Georg Flenreisz (Lizenzbereich Sendung AKM) und Claudia
Grabensteiner von der austromechana.
Ganz besonders danke ich meinen Eltern, Norbert und Andrea Auer, die mir während
der gesamten Studienzeit in allen Belangen unterstützend zur Seite standen! Vielen Dank!
Graz, im Juni 2013
Manuel Auer
I
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
VORWORT ............................................................................................................................................................ I
INHALTSVERZEICHNIS .................................................................................................................................. II
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS....................................................................................................................... IV
EINLEITUNG ............................................................................................................................................................. 1
TEIL I: RECHTSGRUNDLAGEN ..................................................................................................................... 3
WERKE DER TONKUNST .............................................................................................................................. 3
EUROPÄISCHER URHEBER- UND LEISTUNGSSCHUTZ ................................................................................... 3
1. Urheberschutz........................................................................................................................................ 4
2. Leistungsschutz ...................................................................................................................................... 5
C. URHEBER- UND LEISTUNGSSCHUTZ IN ÖSTERREICH ................................................................................... 6
1. Urheberschutz........................................................................................................................................ 6
A.
B.
a.
Die Verwertungsrechte in der Online-Musik ..................................................................................................... 8
aa. Das Vervielfältigungsrecht .................................................................................................................................... 8
ab. Das Senderecht.................................................................................................................................................... 10
ac. Das Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung............................................................................................... 12
b.
Die Musikverlage ............................................................................................................................................. 13
Leistungsschutz .................................................................................................................................... 16
2.
a.
b.
D.
E.
F.
G.
Leistungsschutz der Tonträgerhersteller ........................................................................................................... 16
Leistungsschutz der ausübenden Künstler ........................................................................................................ 22
WERKNUTZUNGSRECHT VS WERKNUTZUNGSBEWILLIGUNG..................................................................... 25
DER ERSCHÖPFUNGSGRUNDSATZ ............................................................................................................. 27
DIE VERWERTUNGSGESELLSCHAFTEN IM MUSIKBEREICH ........................................................................ 29
KOLLEKTIVE ODER INDIVIDUELLE RECHTEWAHRNEHMUNG? ................................................................... 32
TEIL II: MUSIKDIENSTE IM INTERNET .................................................................................................... 35
A.
B.
C.
D.
DOWNLOAD-DIENSTE ............................................................................................................................... 38
ABONNEMENTDIENSTE ............................................................................................................................. 42
FILESHARING ............................................................................................................................................ 44
INTERNETRADIO ....................................................................................................................................... 49
TEIL III: RECHTLICHE ANALYSE DER MUSIKDIENSTE IM INTERNET ......................................... 52
A.
B.
EINLEITUNG .............................................................................................................................................. 52
ALLGEMEINE TECHNISCHE VORGÄNGE UND RECHTLICHE ANALYSE ........................................................ 53
1.Upload und Download .............................................................................................................................. 53
a. Upload.................................................................................................................................................................... 53
b. Download............................................................................................................................................................... 61
2.Die Streamingtechnologie ......................................................................................................................... 61
a.Simulcasting und Webcasting ................................................................................................................................. 64
b.Streaming-On-Demand ........................................................................................................................................... 66
C.
ONLINE-MUSIKDIENSTE ........................................................................................................................... 67
1. Download-Dienste .................................................................................................................................... 67
a. Betroffene Verwertungsrechte ............................................................................................................................... 67
b. Freie Werknutzungen iZm Download-Diensten: Vervielfältigung zum privaten Gebrauch – § 42 Abs 4 UrhG ... 70
c. Schutz technischer Maßnahmen – § 90c UrhG ...................................................................................................... 72
d. Schutz von Kennzeichnungen – § 90d UrhG ......................................................................................................... 75
2. Abonnementdienste ................................................................................................................................... 80
a. Betroffene Verwertungsrechte ............................................................................................................................... 80
b. Freie Werknutzungen iZm Abodiensten ................................................................................................................ 83
ba. Flüchtige und begleitende Vervielfältigungen – § 41a UrhG .............................................................................. 83
II
Inhaltsverzeichnis
bb. Vervielfältigung zum privaten Gebrauch – § 42 Abs 4 UrhG ............................................................................. 84
3. Filesharing ............................................................................................................................................... 87
a. Betroffene Verwertungsrechte .............................................................................................................................. 88
b. Freie Werknutzungen iZm Filesharing: Vervielfältigung zum privaten Gebrauch – § 42 Abs 4 UrhG ................ 91
4. Internetradio............................................................................................................................................. 97
a. Betroffene Verwertungsrechte ............................................................................................................................... 98
aa. Das Sendeprivileg ............................................................................................................................................... 98
ab. Simulcasting und Webcasting ........................................................................................................................... 100
ac. Personalisierte Webradios ................................................................................................................................. 104
aca. Art der technischen Übermittlung ........................................................................................................... 107
acb. Möglichkeit der Einflussnahme in die Programmstruktur durch den Nutzer .......................................... 108
acc. Wirtschaftliche Substituierbarkeit ........................................................................................................... 113
acd. Ergebnis .................................................................................................................................................. 115
b. Freie Werknutzungen iZm Internetradio .............................................................................................................. 116
ba. Flüchtige und begleitende Vervielfältigungen – § 41a UrhG ............................................................................ 116
bb. Vervielfältigung zum privaten Gebrauch – § 42 Abs 4 UrhG ........................................................................... 117
TEIL IV: ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE UND RESÜMEE ............................................... 118
LITERATURVERZEICHNIS ......................................................................................................................... 121
JUDIKATURVERZEICHNIS ......................................................................................................................... 124
SONSTIGES ...................................................................................................................................................... 126
ANHANG ........................................................................................................................................................... 131
III
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Für
allgemeine
Abkürzungen
wird
auf
das
Abkürzungsverzeichnis
in
Friedl/Loebenstein, Abkürzungs- und Zitierregeln der österreichischen Rechtssprache und
europarechtlicher Rechtsquellen (AZR)8 verwiesen.
AAC
Advanced Audio Coding
AKM
Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und
Musikverleger registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung
BGH
Bundesgerichtshof (Deutschland)
CD
CompactDisc
DMR
Digital Music Report der IFPI
DRM
Digitales Rechtemanagement
dUrhG
deutsches Urheberrechtsgesetz
DVD
Digital Versatile Disc
EMI
Electric and Musical Industries Ltd
E-Musik
Ernste Musik
EWR
Europäischer Wirtschaftsraum
FN
Fußnote
GfK
Gesellschaft für Konsumforschung
GVL
Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (Deutschland)
IFPI
International Federation of the Phonographic Industries (Internationale
Vereinigung der Tonträgerhersteller)
IKT
Informations- und Kommunikationstechnik
IP
Internet Protocol
ISDN
Integrated Services Digital Network
ISRC
International Standard Recording Code
KommAustria Kommunikationsbehörde Austria
LSG
LSG Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten GmbH
MC
MusiCassette
IV
MD
MiniDisc
MP3
MPEG-2 Audio Layer III
ÖSGRUM
Österreichische Schriftenreihe zum gewerblichen Rechtsschutz, Urheber- und
Medienrechte
OESTIG
Österreichische Interpretengesellschaft
P2P
Peer to Peer
RAM
Random Access Memory
U-Musik
Unterhaltungsmusik
USB
Universal Serial Bus
UPC
Universal Product Code
VerwGesG
Verwertungsgesellschaftengesetz
VBK
Verwertungsgesellschaft Bildende Kunst, Fotografie und Choreographie
GmbH
VBT
Verwertungsgesellschaft für Bild und Ton
VG BILD-KUNST
Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst (Deutschland)
WAV
Waveform Audio File Format
WCT
WIPO Copyright Treaty
WIPO
World Intellectual Property Organization
WMA
Windows Media Audio
WPPT
WIPO Performances and Phonograms Treaty
WSK
Wertschöpfungskette
V
: Einleitung
Einleitung
“Demand for music is driving
the digital world“
Plácido Domingo, Vorsitzender IFPI International
Digital Music Report 2013, Vorwort
Heute wird so viel Musik gehört wie noch nie zuvor. Die aktuellen Musik-Charts
gehören zum „Lifestyle“ vor allem junger Menschen. Zur selben Zeit befindet sich die
Musikindustrie in grundlegendem Wandel. Sie muss auf die technologischen
Veränderungen, die der Computer und das Internet mit sich gebracht haben, angemessen
reagieren, um „überleben“ zu können. Spätestens mit der Erfindung des MP3-Formats
Mitte der 1990er Jahre wurde die Musik von ihrem physischen Trägermedium entkoppelt.
Mit Hilfe dieses neuen komprimierten hochqualitativen Standards ist es möglich
geworden, Musik über Download oder Streaming im Internet leicht zugänglich zu machen.
Spätestens mit dem Aufkommen von Napster, einer Peer-to-Peer-Tauschbörse, die
Internetnutzern erlaubte, gratis, schnell und auf einfache Weise an Millionen von
Musiktracks zu gelangen, erkannte man die Gefahr innerhalb der Musikindustrie. Diese
„Gefahr“ als neue „Chance“ zu begreifen, dauerte einige Jahre. Die Sorgen der
Musikwirtschaft galten den Verletzungen des Urheberrechts oder der Tatsache, dass
Künstler nicht mehr unbedingt ein Tonträgerunternehmen benötigen, um von einer
Vielzahl von Menschen wahrgenommen zu werden. Nach wie vor beklagt die
Musikindustrie sinkende Absatzzahlen im Tonträgergeschäft. Um dagegen zu steuern,
wurden legale Online-Dienste von privaten Unternehmen gestartet sowie vermehrt
Schadenersatzklagen gegen Nutzer vor allem in den USA eingebracht. Auch in Europa,
insb in Deutschland, kam es und kommt es immer noch zu Massenabmahnungen, die an
Nutzer von Filesharingbörsen verschickt werden. Auf lange Sicht scheinen – wie aktuelle
Statistiken des Musikwirtschaftsverbandes IFPI zeigen – legale Musikdienste im Internet
aber eine gute Alternative zu sein. Private Unternehmen versuchen, mit den Möglichkeiten
des Internets neue Vertriebswege zu erschließen – digitale Vertriebswege. Diese neuen
Dienste sollen in der vorliegenden Arbeit vorgestellt werden und rechtlich genauer „unter
die Lupe genommen“ werden. Die Arbeit ist in 4 große Teile unterteilt. Der erste Teil will
die rechtlichen Grundlagen näher erläutern. Bevor der Urheber- und Leistungsschutz in
Österreich behandelt wird, werden die europarechtlichen Vorgaben in diesem Bereich
erklärt. Weiters wird die Relevanz der Abgrenzung zwischen einem Werknutzungsrecht
und
einer
Werknutzungsbewilligung
dargelegt,
bevor
der
urheberrechtliche
Erschöpfungsgrundsatz und die Bedeutsamkeit der Verwertungsgesellschaften im
1
: Einleitung
Musikbereich erklärt werden. Der zweite Teil beschreibt die Musikdienste im Internet. Die
Dienste werden in vier Arten unterteilt: Downloaddienste, Abonnementdienste, Filesharing
und Internetradio. Jeder Dienst wird separat vorgestellt. Der dritte Teil beschäftigt sich
mit der rechtlichen Analyse dieser vier Dienste. Zuerst sollen allgemeine technische
Vorgänge (Up- und Download, Streaming), die mehreren der Musikdienste gemeinsam
sind, analysiert werden. Sodann werden die vier Online-Musikdienste einzeln sowohl aus
Sicht des Diensteanbieters als auch aus Sicht des Nutzers rechtlich analysiert. Aus Sicht
des Diensteanbieters ist dabei vor allem die Frage relevant, in welche Verwertungsrechte
durch Betreiben des Dienstes eingegriffen wird. Aus Sicht des Nutzers ist vor allem die
Frage von Relevanz, inwiefern freie Werknutzungen zur Anwendung kommen können.
Der vierte Teil gibt eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse und zieht Schlüsse, wie
eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen aussehen könnte.
2
Teil I: Rechtsgrundlagen: Werke der Tonkunst
Teil I: Rechtsgrundlagen
Der erste Teil dieser Arbeit soll einen Überblick über die rechtlichen Grundlagen
der Musikverwertung geben und die aktuelle Rechtslage anhand von Rechtsprechung und
Literatur erläutern. Zentrales Augenmerk soll auf den Urheber- und Leistungsschutz gelegt
werden. Der nächste Abschnitt soll eine Abgrenzung zwischen der Einräumung eines
Werknutzungsrechtes und der Erteilung einer Werknutzungsbewilligung vorgenommen
werden. Da Online-Musikdienste heute üblicherweise international verfügbar sind, wird
sodann der urheberrechtliche Erschöpfungsgrundsatz erläutert, bevor die Bedeutung der
Verwertungsgesellschaften im Musikbereich nähergebracht und die Frage der kollektiven
oder individuellen Rechtewahrnehmung geklärt wird.
A. Werke der Tonkunst
Das österreichische Urheberrecht schützt neben Werken der Literatur, der
bildenden Kunst und Filmkunst auch Werke der Tonkunst (§ 1 Abs 1 UrhG) und deren
Schöpfer. § 1 Abs 1 UrhG ist die Grundlage für den Schutz von Musik. Aber nicht jedes
Erzeugnis ist geschützt. Das Urheberrechtsgesetz schützt nur solche Erzeugnisse, die eine
„eigentümliche
geistige
Schöpfung“1
in
den
genannten
taxativ2
aufgezählten
Werkkategorien darstellen und somit als urheberrechtliches Werk gelten.
B. Europäischer Urheber- und Leistungsschutz
Das europäische Urheberrecht ist geprägt von Verordnungen, Richtlinien und der Rsp
des EuGH. Von besonderer Relevanz ist im gegebenen Zusammenhang die Richtlinie
2001/29/EG3, mit der das Urheberrecht in den Mitgliedstaaten weitgehend harmonisiert
wurde. Mit dieser Richtlinie sollte das europäische Urheberrecht an die neuen technischen
Rahmenbedingungen (Computer und Internet) angepasst werden. Mit der zunehmenden
Verbreitung von IKT wurde das Urheberrecht nämlich vor die Herausforderung gestellt,
die neu aufkommenden Tatbestände rechtlich zu fassen. Ziel der Richtlinie 2001/29/EG ist
also vor allem die Anpassung des europäischen Urheberrechts an neue technische Arten
1
Die einzelnen Merkmale finden sich gut erläutert in der Entscheidung OGH 12.3.1996, 4 Ob 9/96 = MR
1996, 111 (Walter) = ÖBl 1996, 251 – Happy Birthday II.
2
Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2 § 1 Rz 3 (2004).
3
Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung
bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft,
ABl L 2001/167, 10.
3
Teil I: Rechtsgrundlagen: Europäischer Urheber- und Leistungsschutz
der Verwertung. Mit der Richtlinie sollten auch die beiden WIPO-Verträge (WPPT4,
WCT5) umgesetzt werden, denn diese wurden ebenfalls von der Europäischen Union
unterzeichnet.6
Gegenstand der Richtlinie ist laut dem sehr allgemein formulierten Art 1 der
rechtliche Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte im Rahmen des
Binnenmarkts, insbesondere in Bezug auf die Informationsgesellschaft.
Harmonisiert werden das Vervielfältigungsrecht, das Verbreitungsrecht, das Recht der
öffentlichen Wiedergabe7 und der Rechtsschutz. Insbesondere die Einführung des Rechts
der interaktiven öffentlichen Zugänglichmachung in Bezug auf Werke im Internet ist
bedeutungsvoll. An weiterer Stelle schafft die Richtlinie Möglichkeiten für zahlreiche
fakultative Ausnahmen (freie Werknutzungen). Eine der freien Werknutzungen, nämlich
jene betreffend die aus technischen Gründen vorübergehenden Vervielfältigungen, wird
jedoch bindend vorgeschrieben. Außerdem harmonisiert die Richtlinie den Rechtsschutz
gegen die Umgehung technischer Maßnahmen („Kopierschutz“), die Rechtsverletzungen
hintanhalten sollte sowie den Schutz von elektronischen Kennzeichnungen. Am Ende
schreibt die Richtlinie den Mitgliedstaaten die Schaffung angemessener Sanktionen und
Rechtsbehelfe für Verletzungen der in der Richtlinie festgelegten Rechte und Pflichten vor.
Mit der Richtlinie ist daher sichergestellt, dass Urheber in anderen EU-Mitgliedstaaten in
ähnlicher Weise wie in Österreich Schutz genießen.
1. Urheberschutz
Art 2 RL 2001/29/EG normiert das Vervielfältigungsrecht. Art 2 lit a gewährt den
Urhebern das ausschließliche Recht, die Vervielfältigung ihrer Werke zu erlauben oder zu
verbieten. Ausgenommen sind gem Art 5 Abs 1 RL 2001/29/EG bloß vorübergehende
Vervielfältigungen wie das „Browsing“ oder „Caching“.8
4
WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT) Genf (1996) BGBl III 28/2010.
WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) Genf (1996) BGBl III 22/2010.
6
Beschluss 2000/278/EG des Rates vom 16. März 2000 über die Zustimmung – im Namen der
Europäischen Gemeinschaft – zum WIPO-Urheberrechtsvertrag und zum WIPO-Vertrag über
Darbietungen und Tonträger, ABl L 2000/89, 6.
7
Diesem ist auch das österreichische Senderecht iSd § 17 UrhG zuzuordnen.
8
Diese freigestellten Vervielfältigungen werden noch genauer iZm der „Streamingtechnologie“ auf Seite 62
ff behandelt.
5
4
Teil I: Rechtsgrundlagen: Europäischer Urheber- und Leistungsschutz
Art 3 RL 2001/29/EG sieht vor, dass die Urheber das ausschließliche Recht haben
sollen, die öffentliche Wiedergabe und öffentliche Zugänglichmachung9 ihrer Werke zu
erlauben oder zu verbieten. Erwägungsgrund 23 macht klar, dass unter der öffentlichen
Wiedergabe auch die Rundfunkübertragung gemeint ist, also das Senderecht iSd § 17
UrhG einbezogen ist.
2. Leistungsschutz
Tonträgerhersteller und ausübende Künstler genießen ebenso Schutz nach dem
Unionsrecht. Art 2 lit b RL 2001/29/EG sichert den ausübenden Künstlern das
ausschließliche Recht, die Vervielfältigung ihrer Darbietungen und Aufzeichnungen zu
erlauben oder zu verbieten. Art 2 lit c sichert wiederum den Tonträgerherstellern das
ausschließliche Recht, die Vervielfältigung ihrer Tonträger zu erlauben oder zu verbieten.
Ein ausschließliches Recht für die ausübenden Künstler betreffend die öffentliche
Zugänglichmachung ihrer aufgezeichneten Darbietungen ist in Art 3 Abs 2 lit a statuiert
und Art 3 Abs 2 lit b gewährt den Tonträgerherstellern das ausschließliche Recht der
öffentlichen Zugänglichmachung ihrer Tonträger.
Bemerkenswert ist hier, dass den ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern
anders als den Urhebern nur ein Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gewährt
wird, jedoch kein öffentliches Wiedergaberecht (Art 3 Abs 2 lit a und lit b iVm Art 3 Abs
1).
Die
RL
2001/29/EG
gewährt
den
Leistungsschutzberechtigten
ausschließliches Senderecht. RL 92/100/EWG
10
auch
kein
schreibt den Mitgliedstaaten der Union
in Art 8 Abs 2 nur vor, für die Leistungsschutzberechtigten eine „angemessene Vergütung“
durch den Nutzer sicherzustellen. Daraus ergibt sich, dass die Tonträgerhersteller und
ausübenden Künstler in den Mitgliedstaaten der EU im Bereich des Senderechts keine
einheitlichen Ansprüche haben.11 In manchen Ländern wird Tonträgerherstellern und
ausübenden Künstlern ein ausschließliches Senderecht zugestanden. In anderen (wie zB in
Österreich) haben sie nur einen Anspruch auf angemessene Vergütung.12 Es kann bezogen
9
Die öffentliche Zugänglichmachung wurde in Österreich durch das öffentliche Zurverfügungstellungsrecht
§ 18a UrhG umgesetzt.
10
Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu
bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums ABl L 346
vom 27. November 1992, 61–66.
11
Heine, Wahrnehmung von Online-Musikrechten durch Verwertungsgesellschaften im Binnenmarkt (2008)
30.
12
Vgl Bortloff, GRUR Int 2003, 669 (675).
5
Teil I: Rechtsgrundlagen: Urheber- und Leistungsschutz in Österreich
auf den Leistungsschutz also entscheidend sein, nach welcher nationalen Rechtsordnung
das Senden über Internet zu beurteilen ist.
C. Urheber- und Leistungsschutz in Österreich
Das österreichische Urheberrecht ist zweigleisig aufgebaut. Zum einen besteht es
aus dem Urheberschutz, Urheberrecht ieS (I. Hauptstück, §§ 1–65 UrhG) und zum
anderen aus dem Leistungsschutz (II. Hauptstück, „Verwandte Schutzrechte“, §§ 66–80
UrhG). Urheberschutz können im Bereich der Musik Komponisten, Texter und Bearbeiter
genießen. Aber auch Erben, ohne selbst eine eigentümliche geistige Schöpfung erbracht zu
haben, können in den Genuss dieses Schutzes kommen (§ 23 Abs 1 UrhG).
Leistungsschutz
besteht
hingegen
Tonträgerhersteller/Produzenten.
Urheber
idR
für
haben
ausübende
Rechte
aus
Künstler
ihrer
und
Schöpfung.
Leistungsschutzberechtigte haben Rechte aus ihrer Darbietung des Werkes. Wie diese
beiden Schutzeinrichtungen genauer beschaffen sind, ist Gegenstand der nächsten beiden
Abschnitte.
1. Urheberschutz
Als Urheber der Werke gelten deren Schöpfer (Schöpferprinzip). Diese sind nach § 10
UrhG geschützt. IZm Musik treten als Urheber Komponist und Texter auf. Mit der
Schaffung des Werkes entsteht das Urheberrecht automatisch (Realakt). Falls die Musik
mit Text arbeitet, bestehen hier separate Urheberrechte an Text und Musik. § 11 Abs 3
UrhG statuiert demgemäß ausdrücklich, dass eine Werkverbindung – wie etwa jene eines
Werkes der Tonkunst mit einem Sprach- oder Filmwerk – keine Miturheberschaft
begründet, sondern in diesem Fall separate Urheberrechte bestehen. Man spricht hier von
einer Teilurheberschaft. Haben hingegen mehrere gemeinsam ein Werk geschaffen, bei
dem am Ende eine untrennbare Einheit steht, so kommt das Urheberrecht allen
Miturhebern gemeinschaftlich zu (§ 11 Abs 1 UrhG). Hier spricht man von
Miturheberschaft oder auch einem „Einheitswerk“. Soll das Werk in der Folge auf eine
bestimmte Art verwertet werden, so wäre in diesem Fall die Zustimmung aller Miturheber
notwendig. Auch Bearbeiter von Werken genießen Schutz, wenn ihre Bearbeitung den
Grad einer eigentümlichen geistigen Schöpfung erreicht (§ 5 Abs 1 UrhG). Am Schutz des
ursprünglichen Werkes ändert dies selbstverständlich nichts. Bearbeitungen sind gerade in
der Musik besonders häufig anzutreffen (zB eventuell als sog „Covers“, „Remixes“ und
„Mashups“). Inwieweit ein Cover schon eine Bearbeitung (zB durch Veränderung des
6
Teil I: Rechtsgrundlagen: Urheber- und Leistungsschutz in Österreich
Textes oder der Harmonien) darstellt oder gar schon ein neues Werk (§ 5 Abs 2 UrhG), ist
im Einzelfall zu beurteilen und in praxi oft gar nicht leicht festzustellen. Selbstverständlich
können auch die Rechtsnachfolger als Urheberberechtigte auftreten (§ 23 Abs 1 UrhG).
Die Urheber bedienen sich oft der Musikverlage, die wichtige Aufgaben für sie
wahrnehmen.13
Urheberberechtigte sind Komponist, Texter, Bearbeiter, Rechtsnachfolger und häufig Musikverlage.
Der Schöpfer eines Werkes ist die einzige Person, die das Recht hat, das Werk zu
verwerten (§ 14 Abs 1 UrhG). Alle anderen Personen brauchen dafür eine Genehmigung
(Werknutzungsbewilligung oder Werknutzungsrecht)14 des Urhebers, die idR entgeltlich
erfolgt. Der Urheber kann die Verwertung aber auch verweigern. Beschränkungen
bestehen nur in den „gesetzlichen Lizenzen“15 und im Rahmen des verfassungsrechtlich
gewährleisteten Rechts der freien Meinungsäußerung (Art 13 StGG, Art 10 EMRK),
wonach Eingriffe aufgrund höherer Interessen gerechtfertigt sein können. Wird das fremde
Werk ohne Lizenz genutzt, begeht die Person eine Urheberrechtsverletzung und macht sich
uU sogar strafbar. Diese Rechte, einem anderen die Nutzung des Werkes zu untersagen,
nennt man Ausschließungs- oder Verbotsrechte. Alle Verwertungsrechte sind
Ausschließungsrechte, denn der Urheber „hat mit den vom Gesetz bestimmten
Beschränkungen das ausschließliche Recht, das Werk […] zu verwerten“ (§ 14 Abs 1
UrhG). Er kann daher anderen die Nutzung seiner Werke verbieten.
Das österreichische Urheberrechtsgesetz regelt im dritten Abschnitt des ersten
Hauptstückes die taxativ aufgezählten Verwertungsrechte (§§ 14–18a UrhG).
Verwertungsrechte sind Rechte, die die wirtschaftliche Nutzung des Werkes betreffen.
Unter „Verwerten“ ist das Nutzbarmachen eines urheberrechtlichen Werkes zu verstehen.
Dieser Katalog umfasst folgende Rechte:
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
Bearbeitungsrecht (§ 14 Abs 2 UrhG),
Recht der ersten Inhaltsangabe (§ 14 Abs 3 UrhG),
Vervielfältigungsrecht (§ 15 UrhG),
Verbreitungsrecht (§ 16 UrhG),
Vermiet- und Verleihrecht (§ 16a UrhG),
Folgerecht (§ 16b UrhG),
13
Näheres siehe unten Seite 14 ff.
Siehe zu diesen Begriffen Seite 26 ff.
15
Mit „gesetzlichen Lizenzen“ sind die freien Werknutzungsarten gemeint, da hier die Erlaubnis von Gesetz
wegen erteilt wird (§§ 41 ff UrhG), bzgl Werken der Tonkunst insb § 51 UrhG.
14
7
Teil I: Rechtsgrundlagen: Urheber- und Leistungsschutz in Österreich
(7) Senderecht (§ 17 UrhG),
(8) öffentliches Wiedergaberecht (§ 18 UrhG) und das
(9) Zurverfügungstellungsrecht (§ 18a UrhG).
Wird bei einer Nutzung des Werkes eine gesetzliche Verwertungsart nicht berührt,
kann der Urheber bzw Berechtigte diese Nutzung nicht verbieten und bekommt auch keine
Vergütung dafür.
a. Die Verwertungsrechte in der Online-Musik
Die für Online-Musik relevanten Verwertungsrechte sind das Vervielfältigungsrecht,
das Senderecht und das Zurverfügungstellungsrecht. Diese drei Verwertungsarten sollen
nun näher erläutert werden. Bei Verwertungshandlungen im Internet ist idR das
Vervielfältigungsrecht gemeinsam mit einem anderen Verwertungsrecht (Senderecht
oder Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung) betroffen. Die Verwertungsarten
sind dabei immer getrennt voneinander zu betrachten.
Verwertungsart
mögliche Verwertungshandlungen
§ 15 Vervielfältigungsrecht
§ 17 Senderecht
Kopieren auf Speichermedien (zB Pressen
von CDs), Digitalisieren, Konvertieren,
Kopieren von Noten
Sendung durch Radio, Fernsehen
§ 18a Recht d. öff. Zurverfügungstellung
Anbieten von Musik im Internet auf Abruf
Abbildung 1: Die bei Online-Musikdiensten tangierten Verwertungsrechte.
aa. Das Vervielfältigungsrecht
Das Vervielfältigungsrecht bedeutet einen rechtlichen Kopierschutz („Copyright“)
gegenüber jeden Dritten. Nach § 15 UrhG ist es ausschließlich dem Urheber vorbehalten,
sein
Werk
zu
vervielfältigen.
Das
Vervielfältigen
stellt
oftmals
eine
Vorbereitungshandlung für andere danach folgende Verwertungsarten dar. Mit der
Zuordnung des Vervielfältigungsrechts zum Urheber behält dieser die Macht über die
weitere Nutzung seines Werkes. Der Begriff der urheberrechtlichen Vervielfältigung ist
sehr weit zu verstehen.16 Unter Vervielfältigen fällt jedenfalls das Herstellen eines weiteren
körperlichen Werkexemplars.17 Er umfasst somit das schlichte Kopieren von Musiknoten
ebenso wie das Pressen oder Brennen von CDs oder das Abspeichern von Werken auf
16
17
Anderl in Kucsko (Hrsg), urheber.recht2 § 15, 2.2. (2008).
Anderl in urheber.recht2 § 15, 2.1.
8
Teil I: Rechtsgrundlagen: Urheber- und Leistungsschutz in Österreich
sonstigen Speichermedien. Radiosendeanstalten erhalten ihre Musiktracks heutzutage idR
entweder direkt von den Tonträgerherstellern oder digitalisieren die CDs selbst. So stellt
insb die Digitalisierung eines Musikstückes und Speicherung auf einer Festplatte eine
Vervielfältigung dar.18
Diese Digitalisierung erfolgt
meist
durch
Umwandlung
(„Konvertierung“) des jeweiligen Musiktracks zB in das MP3- oder WMA-Format.
Dadurch wird die Datenmenge auf ca ein Zehntel reduziert. Dennoch haben die Dateien
annähernd die gleiche Klangqualität wie die unkomprimierte Datei. Genau genommen ist
die Digitalisierung also eine Art der Konvertierung, da heute Tonträger ja von Anfang an
Musik in digitalisierter Form in sich tragen. Bei der Konvertierung kann auch die
Kompressionsrate geändert werden, was der Regelfall ist, da WAV-Dateien sehr
speicherintensiv sind. Mit der Wiedergabe im Radio wird die Musik für den Konsumenten
dann wahrnehmbar. Hier liegt in einem ersten Schritt also eine Vervielfältigung (§ 15
UrhG) vor und in der Folge auch eine Sendung (§ 17 UrhG) der musikalischen Werke.19
Selbiges gilt, wenn ein Song auf eine Website hochgeladen wird. Auch hier wurde zuerst
das Werk vervielfältigt und dann öffentlich zur Verfügung gestellt (§ 18a UrhG).20
Die Rechte der Übertragung (also
Vervielfältigung) von Werken auf
Vorrichtungen zur wiederholbaren Wiedergabe des Werkes für Gesicht und Gehör (etwa
auf Tonträger) und der Verbreitung dieser Werkstücke werden als „mechanische
Rechte“ bezeichnet.21 Für die Wahrung mechanischer Rechte ist in Österreich die
Verwertungsgesellschaft austromechana zuständig. Diese kontrolliert die Vervielfältigung
(und auch die Verbreitung) von Werken. Sie hat ihrerseits aber die AKM beauftragt, für
alle Online-Verwertungsarten den Rechteerwerb durchzuführen. Ein Tonträgerhersteller
zahlt einen Betrag und erhält dafür von der austromechana die Werknutzungsbewilligung,
das Werk zu vervielfältigen. Dieser Betrag ergibt sich aus den Tarifen für
Audioproduktion.22
Der Upload (Datenübertragung auf den Server des Providers) in das Internet sowie
der Download stellen nach hM Vervielfältigungshandlungen iSd § 15 UrhG dar. Durch
den Download wird die Datei auf die Festplatte des Abnehmers gespeichert, wodurch eine
18
OGH 26.1.1999, 4 Ob 345/98h = ÖJZ 1999, 471 = ÖBl 2000, 86 = RdW 1999, 409 = MR 1999, 94 –
Radio Melody III.
19
OGH 26.1.1999, 4 Ob 345/98h – Radio Melody III.
20
OGH 21.11.2006, 4 Ob 178/06i = ÖJZ 2007/44 = MR 2007, 84 (Walter).
21
<akm.at/Service/Glossar/letter=M/>. Davon zu unterscheiden sind die „graphischen Rechte“ (Notendruck,
Kopieren von Noten). Diese werden von den Musikverlagen oder den Urhebern selbst wahrgenommen.
22
<aume.at/rte/upload/audio_produktionen/tarife_audioproduktion.pdf>.
9
Teil I: Rechtsgrundlagen: Urheber- und Leistungsschutz in Österreich
weitere Kopie entsteht. Der Download ist eine Vervielfältigungshandlung des Kunden,
nicht jedoch des Anbieters, der den Download erst möglich macht. Bei Auslegung des
Vervielfältigungsbegriffes
Vervielfältigungsrechtes
sind
zu
selbstverständlich
berücksichtigen;
von
Sinn
und
Bedeutung
Zweck
sind
nur
des
jene
Vervielfältigungen, die die Möglichkeiten der Verwertung des Urhebers beeinträchtigen.23
Bei der Digitalisierung ist dies in quantitativer und qualitativer Hinsicht der Fall. Die
Umwandlung in ein anderes digitales Format bewirkt eine quantitative und qualitative
Erweiterung. Die qualitative Erweiterung ist gegeben, da die digitale Kopie aufgrund der
geringen Speichergröße leichter, schneller und ggf auch länger nutzbar ist. Die quantitative
Erweiterung äußert sich durch die Einfachheit der Weitergabe dieser Dateien.24
ab. Das Senderecht
§ 17 UrhG stellt eine allgemeine Grundlage für das Senderecht dar. Dieses gibt
dem Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk „durch Rundfunk oder auf ähnliche Art
zu senden“. Unter Rundfunk versteht der Gesetzgeber sowohl Radio als auch Fernsehen.25
Damit ist nicht nur drahtgebundenes Senden einbegriffen, sondern auch drahtloses Senden.
„Drahtgebundenes Senden“ meint ein Senden über Leitungen (etwa Kabelsendung).
„Drahtloses Senden“ meint terrestrisches Senden mithilfe von Hertz‘scher Wellen oder das
Senden über Satellit. § 17 Abs 2 UrhG stellt das Wahrnehmbarmachen mithilfe von
Leitungen der Rundfunksendung gleich. Der Gesetzgeber bezeichnet dieses Senden
„ähnlich“ dem Rundfunk.
Die Sendung ist eine technische Übertragung urheberrechtlich geschützter
Inhalte.26 Das Senderecht ist das Recht, das es ermöglicht, Rundfunksendungen zu einer
bestimmten Zeit, innerhalb eines bestimmten Gebietes, für eine entfernte Öffentlichkeit
wahrnehmbar zu machen.27 Die Rundfunkbetreiber müssen einen gewissen Prozentsatz
ihrer jährlichen Einkünfte als Nutzungsentgelt an die AKM überweisen. Der genaue
Prozentsatz ergibt sich aus dem jeweiligen sog „Gesamtvertrag“ (§ 23 VerwGesG). Die
AKM schließt diese Art von Verträgen mit den Rundfunkbetreibern ab. So bestehen ein
Gesamtvertrag mit dem ORF und mehrere mit den Fachverbänden der Wirtschaftskammer.
Greift kein Gesamtvertrag, gelten sog „autonome Tarife“. Im Jahr 2011 betrugen die
23
Anderl in urheber.recht2 § 15, 2.2.
OGH 26.1.1999, 4 Ob 345/98h = ÖJZ 1999, 471 = ÖBl 2000, 86 = RdW 1999, 409 = MR 1999, 94 –
Radio Melody III.
25
Lusser/Krassnigg-Kulhavy in Kucsko (Hrsg), urheber.recht2 § 17, 3.5 (2008).
26
Lusser/Krassnigg-Kulhavy in urheber.recht2 § 17, 1.
27
Lusser/Krassnigg-Kulhavy in urheber.recht2 § 17, 1.
24
10
Teil I: Rechtsgrundlagen: Urheber- und Leistungsschutz in Österreich
Lizenzerträge im Bereich der Sendung (ohne Kabelweitersendung) insgesamt € 27,365
Millionen.28
Eine urheberrechtliche Zuordnung der neuen Übertragungsarten durch das Internet
ist größtenteils durch Judikatur und Literatur noch nicht erfolgt.29 Heute gibt es eine
Vielzahl neuer Technologien, die auf Basis des Internet-Protokolls (IP) basieren. Jeder
Diensteanbieter einer unter § 17 UrhG zuzuordnenden Sendung ist Rundfunkunternehmer
nach § 76a Abs 1 UrhG.30 Bei den Arten der Sendung über das Internet kann man zwei
unterscheiden, nämlich „Simulcasting“ und „Webcasting“.31 Wichtig dabei ist, dass der
Nutzer keine Möglichkeit haben darf, in die Programmabfolge einzugreifen. Wenn der
Nutzer also einen bestimmten Track hören will, muss er warten, bis dieser gespielt wird.
Der Dienst darf also nicht derart interaktiv beschaffen sein, dass dem Nutzer die konkrete
Song-Auswahl
zusteht,
Zurverfügungstellungsrecht
da
ansonsten
betroffen
nicht
wäre.
das
Senderecht,
Simulcasting
sondern
bezeichnet
das
jenes
Sendephänomen, wenn eine Radiosendung zur gleichen Zeit auch im Internet übertragen
wird. Webcasting ist hingegen jene Art der Sendung, bei der die Sendung exklusiv für das
Internet kreiert wird. Bei beiden Diensten hat der Nutzer idR keinen Einfluss auf die
Programmabfolge. Der Begriff „Webradio“ ist hingegen kein Synonym zu Webcasting,
sondern bildet den Überbegriff von Simulcasting- und Webcastingdiensten. Statt des
Begriffs „Webradio“ wird oft auch einfach „Internetradio“ verwendet.32
Die Sendung ist eine unkörperliche Verwertungsart. Sie wird folglich von der
AKM wahrgenommen und kontrolliert. Die Rundfunkbetreiber bezahlen der AKM für die
Sendung geschützter Werke jährlich einen Prozentsatz ihrer Erträge. Der Urheber des
Werkes erteilt seine Zustimmung zur Sendung regelmäßig gegen Entgelt. Ein Senderecht
steht unter gewissen Voraussetzungen aber auch den Leistungsschutzberechtigten zur
Verfügung. Leistungsschutzberechtigter im Bereich der Musik kann grundsätzlich der
Künstler bezüglich seiner Live-Auftritte (§§ 70 iVm 66 Abs 1 UrhG), der Veranstalter
(§§ 70 iVm 66 Abs 5 UrhG), der Schallträgerhersteller (§ 76 UrhG) oder der
Rundfunkunternehmer (§ 76a UrhG) sein. In diesen Bestimmungen wird jeweils der
Aufnahme künstlerischer Leistungen (§ 70 Abs 1 UrhG), zu Handelszwecken hergestellten
28
AKM, Jahresbericht 2011, 8, online unter: <akm.at/Ueber_uns/Jahresberichte>.
Lusser/Krassnigg-Kulhavy in urheber.recht2 § 17, 3.5.5.1.
30
Lusser/Krassnigg-Kulhavy in urheber.recht2 § 76a, 3.3.
31
Lusser/Krassnigg-Kulhavy in urheber.recht2 § 17, 3.5.5.1, ohne den Begriff des „Webcasting“ zu bemühen.
32
Das Internet und das World Wide Web meint eigentlich nicht dasselbe. Das World Wide Web ist wie zB
E-Mail ein Dienst des Internets. Quelle: <de.wikipedia.org/wiki/Internet>.
29
11
Teil I: Rechtsgrundlagen: Urheber- und Leistungsschutz in Österreich
Schallträgern (§ 76 Abs 3 UrhG) und dem Sendesignal eines Rundfunkunternehmers
(§ 76a UrhG) Schutz gewährt.
ac. Das Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung
Die Entwicklung des Internets brachte es mit sich, dass viele Sachverhalte nicht
ohne Weiteres unter eine der traditionellen gesetzlichen Verwertungsarten subsumiert
werden konnten. So gibt es zB Judikatur über das Hochladen von Sprachwerken und
Bildern auf eine Website, wonach dieser Akt eine Vervielfältigung und Verbreitung
darstelle.33 Einen speziellen Tatbestand für Sachverhalte iZm dem Internet gab es vor
Inkrafttreten des § 18a UrhG, also vor 1.7.2003, aber nicht. Mit § 18a UrhG wurde das der
Nutzungshandlung entsprechende Verwertungsrecht in das österreichische Urheberrecht
eingefügt. Damit hat der Urheber das ausschließliche Recht, „das Werk der Öffentlichkeit
drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise zur Verfügung zu stellen, dass es Mitgliedern
der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist“ (§ 18a Abs 1 UrhG).
Der Nutzer kann sich also aussuchen, wann und wo er das Werk abruft.
§ 18a UrhG ist die österreichische Umsetzung des Art 3 Abs 1 RL 2001/29/EG34.
RL 2001/29/EG diente dazu, das Urheberrecht an die rechtlichen Herausforderungen des
Internets anzupassen. Die Vorgaben dieser Richtlinie waren Art 8 WCT (WIPO Copyright
Treaty) und Art 10 WPPT (WIPO Performances and Phonograms Treaty). Die Umsetzung
in österreichisches Recht erfolgte mit der UrhG-Nov 2003 durch BGBl I 2003/32. Die
erläuternden Bemerkungen zu § 18a UrhG führen aus, dass Art 3 Abs 1 RL 2001/29/EG
ein Recht der öffentlichen Wiedergabe einschließlich des näher definierten Rechtes der
öffentlichen Zugänglichmachung vorsehe. Erwägungsgrund 23 gibt Aufschluss, dass unter
„Wiedergabe“ in dieser Bestimmung nur eine „Wiedergabe an die Öffentlichkeit, die an
dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist“ zu verstehen
sei.
Weiters
würden
die
von
Art 3 Abs 1
erfassten
nicht-interaktiven
Verwertungshandlungen durch das weitgefasste Senderecht des § 17 UrhG sowie durch
33
OGH 12.6.2001, 4 Ob127/01g = MR 2001, 304 = GRUR Int 2002, 341 = ZUM-RD 2002, 225 –
Medienprofessor.
34
Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung
bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft,
ABl L 2001/167, 10–19.
12
Teil I: Rechtsgrundlagen: Urheber- und Leistungsschutz in Österreich
§ 18 Abs 3 2. Fall abgedeckt. Eine Umsetzung erfordere daher nur das Recht der
Zugänglichmachung.35
§ 18a UrhG ist für die Öffentlichkeit des Internets anwendbar und auch für jede
vergleichbare Öffentlichkeit, bei denen die Mitglieder dieser Öffentlichkeit nicht durch ein
persönliches Band miteinander verbunden sind.36 Durch den Umstand, dass der Nutzer
selbst Ort und Zeit des Abrufs des Werkes festlegen kann, handelt es sich dabei um einen
sog „interaktiven Abruf“. Sowohl die Schaffung der Möglichkeit des Abrufs eines
Musikstückes als Download als auch der „On-Demand-Stream“ fallen unter den
Tatbestand des § 18a UrhG.37 Der Anbieter dieser Musik greift somit in das Recht der
öffentlichen Zurverfügungstellung ein. Das Recht zur öffentlichen Zurverfügungstellung
wird von der AKM verwaltet. Sofern aber bei einem Dienst keine Möglichkeit zu einem
interaktiven Abruf von Seiten des Nutzers geschaffen wird, ist für das Recht der
öffentlichen Zurverfügungstellung kein Platz. Hier greift dann das Senderecht iSd § 17
UrhG wie zB beim nicht-interaktiven Internetradio und generell überall, wo ein LiveStream gesendet wird. Besonders die Lizenzerträge im Online-Bereich steigerten sich 2011
beträchtlich.38 Jedoch machten die Lizenzerträge nur € 0,677 Mio aus und trugen folglich
weniger als 1 % zu den gesamten Lizenzerträgen bei.39 Da durch den Download
Musiktracks vervielfältigt werden, sind auch die Lizenzerträge aus der Gewährung des
Vervielfältigungsrechts der austromechana mitzurechnen, die im Jahr 2011 € 0,414 Mio
betrugen.40 Die Unterscheidung zwischen Senderecht und Recht der öffentlichen
Zurverfügungstellung ist besonders im Hinblick auf das sog „Sendeprivileg“ bedeutsam. 41
b. Die Musikverlage
In praxi nehmen die Urheber die Verwertung ihrer Werke nicht selbst vor. Das
wäre aufgrund der potenziellen Vielzahl an Nutzungen zu aufwendig. Die Urheber
bedienen sich deshalb Musikverlage, die den Großteil der Verwertung neben den
35
ErlRV 40 BlgNR XXII. GP, 9.
Gaderer in Kucsko (Hrsg), urheber.recht2 § 18a, 4.1. (2008).
37
Gaderer in urheber.recht2 § 18a, 4.4.
38
Der AKM-Jahresbericht 2011 spricht von einer Steigerung von rund 90 % innerhalb des letzten Jahres,
AKM, Jahresbericht 2011, 9. Laut Auskunft der AKM umfassen die Online-Lizenzerträge sowohl das
Senderecht als auch das Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung.
39
AKM, Jahresbericht 2011, 9.
40
austromechana, annual report 2011, 2, online unter:
<aume.at/rte/upload/annual_reports/annual_report_2011.pdf>.
41
Siehe unten Seite 24.
36
13
Teil I: Rechtsgrundlagen: Urheber- und Leistungsschutz in Österreich
Verwertungsgesellschaften übernehmen. Die Komponisten und Texter geben dem
Musikverlag idR die Berechtigung, Lizenzen für die Musikverwertung im Internet zu
erteilen. Dem Verlag wird hierzu idR ein ausschließliches Recht durch einen
Musikverlagsvertrag eingeräumt.42
Musikverlage verfügen über die Kontakte und das Wissen zur Verwertung der
Werke. Sie versuchen, die Werke zu vermarkten. Die Musikverlage stellen also KnowHow zur Verfügung, welches die Urheber nicht haben. Früher sorgten sie vor allem für die
Verbreitung von Musiknoten. Das ist auch heute noch va in der E-Musik43 der Fall. Ein
Orchester benötigt zB gedruckte Noten, um das jeweilige Stück spielen zu können. In der
U-Musik hat das Drucken und Verbreiten von Noten jedoch an Bedeutung verloren. Der
Verkauf von Noten („Papiergeschäft“) ist hier durch den technologischen Wandel stark
zurückgegangen, sodass die Tätigkeiten eines Musikverlages („publisher“) sich im Laufe
der Zeit massiv verändert haben. Der Notendruck spielt nur mehr eine untergeordnete
Rolle. In der U-Musik sind die Musikverlage hauptsächlich im A&R-Bereich („Artist and
Repertoire“) aktiv. Dieser Bereich umfasst das Auffinden neuer Künstler und das
Anbahnen von Tonträgerproduktionen. Besonders in der U-Musik sind Public Relations
sehr wichtig, um Verträge mit Fernsehen, Radio oder etwa Tonträgerherstellern
anzubahnen und so die Werke zu vermitteln. Im Musikverlagsvertrag finden sich zudem
üblicherweise
Klauseln
über
die
Beteiligung
an
den
Einnahmen
der
Verwertungsgesellschaften. Diese Einnahmen werden zwischen Urheber und Verlag
aufgeteilt. Bei den sog „mechanischen Rechten“44 beträgt der Verteilungsschlüssel der
austromechana 60:40 für den Urheber (Komponist/Textdichter).45
Die Produktion von U-Musik sieht heute etwa so aus: Eine Gruppe komponiert UMusik und spielt gleichzeitig ihre Werke ein („Selbstspieler“). Ein Label46 entdeckt die
Gruppe und bahnt folgende Verträge an: Die Gruppe schließt mit einem Produzenten einen
„Künstlervertrag“ ab, mit dem sich die ausübenden Künstler verpflichten, Darbietungen für
eine bestimmte Anzahl von Tonträgern zu erbringen. Dabei ist es üblich, dass dem
42
Siehe genauer zur Unterscheidung Werknutzungsrecht – Werknutzungsbewilligung auf den Seiten 22 ff.
Mit dem unsauberen aber doch in der Praxis gebräuchlichen Begriff der E-Musik bezeichnet man die
Ernste Musik (auch oft einfach „Klassische Musik“ genannt). Der Gegensatz zur E-Musik ist die U-Musik
(Unterhaltungsmusik), diese umfasst zB Pop- und Rockmusik. Zum Begriff: Ballstaedt, Unterhaltungsmusik,
in Finscher (Hrsg), Die Musik in Geschichte und Gegenwart2, Sachteil Bd 9 (1998) 1186–1199; Böhle, UMusik, in Sjurts (Hrsg) Gabler Lexikon Medienwirtschaft2 (2011) 616 f.
44
Mit dem Ausdruck der „mechanischen Rechte“ bezeichnet man das Vervielfältigungs- und
Verbreitungsrecht von Werken der Musik auf Tonträgern, also die „körperlichen Rechte“.
45
Walter, Handbuch des österreichischen Urheberrechts (2008) Rz 1851.
46
Zum Begriff siehe Seite 20.
43
14
Teil I: Rechtsgrundlagen: Urheber- und Leistungsschutz in Österreich
Produzenten exklusiv Nutzungsrechte eingeräumt werden.47 Da die ausübenden Künstler
gleichzeitig
Komponisten
sind,
schließen
sie
einen
ebenfalls
exklusiven
Musikverlagsvertrag (§ 1172 ABGB) mit einem Musikverlag, der zum selben Konzern
gehört wie das Label, das die Künstler entdeckt hat.48 Der Verleger hat dabei idR auch das
Recht, selbst Unterlizenzen (Subverlagsverträge) für andere Märkte zu vergeben.49
Der Urheber kann Werknutzungsrechte nach § 26 UrhG frei vergeben. Mit dem
Verlagsvertrag
wird
dem
Verlag
ein
Werknutzungsrecht
eingeräumt.
Die
Hauptverpflichtung des Verlegers stellt die Vervielfältigung und Verbreitung des Werks
dar, jene des Urhebers ist, das von ihm geschaffene Werk dem Verleger zu überlassen.
Weiters bestehen meist sog „Nebenrechte“, wie die Rechte an der Sendung des Werkes
(einschließlich über Kabel und Satellit) und etwa am Merchandising. Diese Nebenrechte
stellen oft den Großteil der Einnahmen aus dem Musikverlagsvertrag dar. Die Tantiemen
aus der Tonträgernutzung (austromechana) und der Aufführung und Sendung (AKM)
machen heute mehr als 90 % der Einnahmen des Urhebers (Komponist, Textdichter) und
des Musikverlegers aus.50
Es
gibt
weit
mehr
Musikverlage
als
Tonträgerhersteller.
Die
großen
Musikkonzerne haben ihre eigenen Verlage. Zu den Majors der Musikverlage gehören:
Warner Chappell, Universal und Sony/ATV.51 Aber es gibt auch Künstler, die ihr eigener
Verleger sind („Selbstverlag“).52 Werden einem Musikverlag Werknutzungsrechte
eingeräumt, so ist dieser bei gewissen Nutzungen, die individuell lizenziert werden, zu
fragen.
Diese
sog
„Verlagsrechte“
sind
jene
Rechte,
die
nicht
von
den
Verwertungsgesellschaften wahrgenommen werden.53 Im Einzelnen handelt es sich um
folgende Nutzungen:
1) Aufführung und Sendung musikdramatischer Werke (Oper, Operette, Musical)
und die Aufnahme dieser auf einen Tonträger,
2) Verkauf und Vermietung von Noten,
3) Genehmigung von Abdrucken eines geschützten Textes,
47
Vgl dazu Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2 § 26 Rz 37 ff.
Czychowski, in Löwenheim (Hrsg), Handbuch des Urheberrechts2 (2010) § 68 Musikverlagsverträge Rn
23.
49
Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2 § 26 Rz 13; Näheres: Dokalik, Musik-Urheberrecht (2007) Rz 181
ff.
50
Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2 § 26 Rz 10f.
51
Passman, Alles, was Sie über das Musikbusiness wissen müssen2 (2011) 230.
52
Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2 § 26 Rz 16.
53
Dokalik, Musik-Urheberrecht, Rz 162.
48
15
Teil I: Rechtsgrundlagen: Urheber- und Leistungsschutz in Österreich
4) Bewilligung von Synchronisationsrechten54 und
5) Bearbeitungen des Werkes.
2. Leistungsschutz
In der Terminologie des österreichischen UrhG werden im II. Hauptstück die
Leistungsschutzrechte „verwandte Schutzrechte“ genannt. Dadurch wird zum Ausdruck
gebracht, dass sie den Urheberrechten ähnlich und somit „verwandt“ sind. Gegenstand des
Schutzes der in §§ 66 ff UrhG statuierten Leistungsschutzrechte ist die Darbietung des
Werkes.
Leistungsschutzberechtigte
ausübenden
Künstler,
im
Produzenten
Online-Musikbereich
und
die
sind
vorrangig
Tonträgerhersteller.
die
Die
Tonträgerhersteller und ausübenden Künstler haben bei der Aufnahme der Musik
mitgewirkt. Zwar spricht man beim Anbieten von Online-Musik nicht davon, dass
Tonträger angeboten werden, jedoch wurden die Audiodateien idR zuvor von den
Tonträgerherstellern produziert und auf einen Tonträger gepresst. Damit umfasst der
Begriff „Tonträger“ auch Audiodateien. Bei der Musikverwertung im Internet liegen also
idR geschützte Tonaufnahmen vor, deshalb sind auch beim Anbieten von Musik im
Internet die Rechte der Tonträgerhersteller vorab einzuholen. Bei diesen Tonaufnahmen
haben die Künstler mitgewirkt, indem sie die Musik eingespielt haben.
Leistungsschutzberechtigte sind ausübende Künstler, Produzenten und Tonträgerhersteller.
a. Leistungsschutz der Tonträgerhersteller
Der Begriff des Schallträgers wird in § 15 Abs 2 UrhG legaldefiniert. Danach ist
er ein Mittel zur wiederholbaren Wiedergabe für das Gehör. Selbstverständlich fallen unter
den Begriff des Schallträgers die CD (CompactDisc), MC (MusiCassette), MD (MiniDisc),
Festplatte oder DVD (Digital Versatile Disc). § 76 UrhG statuiert den Leistungsschutz für
Schallträgerhersteller und stellt auf die Aufzeichnung akustischer Vorgänge ab. Das
öffentliche Zurverfügungstellungsrecht steht daher auch den Schallträgerherstellern nach
§ 76 Abs 1 UrhG zu. Es ist irrelevant, welches Speichermedium verwendet wird, oder wie
54
Das „Synch-Right“ ist das Recht, Musik mit bewegten Bildern zu verbinden (Film, Fernsehen, Video-Clips
uÄ), Dokalik Rz 518.
16
Teil I: Rechtsgrundlagen: Urheber- und Leistungsschutz in Österreich
(durch welchen Code) die Musik gespeichert wird. Schon die Erläuternden Bemerkungen
zur Regierungsvorlage hielten fest, dass unter Schallträgern Medien gemeint sind, die
Geräusche aller Art wiedergeben, sowie jene, auf denen menschliche Stimmen – zB für
Zwecke der Sprachforschung oder des Sprachunterrichtes – oder Tierlaute festgehalten
sind.55 In der Praxis wird statt des Begriffs des Schallträgers jener des Tonträgers
verwendet. Schutz wird nur dem gewährt, der die Aufnahme als Erster fixiert. Diese erste
Aufnahme wird „Master“ genannt. Die Masteraufnahme dient dann als Grundlage für die
darauf folgenden Vervielfältigungen.
Tonträgerhersteller werden im UrhG als „Schallträgerhersteller“ bezeichnet. Der
Tonträgerhersteller ist jene natürliche oder juristische Person, die „akustische Vorgänge
zu ihrer wiederholbaren Wiedergabe auf einem Schallträger festhält“ (§ 76 Abs 1 UrhG).
Meist ist der Tonträgerhersteller identisch mit der Plattenfirma. Aber eine Plattenfirma
muss nicht unbedingt Tonträgerhersteller iSd § 76 UrhG sein, wenngleich dies möglich ist.
Die Plattenfirma entdeckt neue Künstler und nimmt sie unter Vertrag, sie betreut sie auch,
indem sie für Produktion, Marketing und Vertrieb von Tonträgern sorgt. Sie ist also für den
A & R-Bereich (Artist and Repertoire) zuständig. Da zunehmend Umsatzeinbußen zu
bemerken
sind,
übernehmen
immer
mehr
Plattenfirmen
zunehmend
Managementtätigkeiten und verdienen so etwa bei Gagen für Auftritte, Fernsehshows
und Werbung mit.
Der Schutz der Tonträgerhersteller ist in § 76 UrhG verankert. Diese Bestimmung gibt
dem
Schallträgerhersteller
ein
Leistungsschutzrecht
für
den
finanziellen
und
organisatorischen Aufwand, den dieser betrieben hat. Um einen Tonträger auf den Markt
zu bringen, werden ausreichend finanzielle Ressourcen benötigt. Der organisatorische
Aufwand ergibt sich aus dem Abschließen der Verträge mit den ausübenden Künstlern und
der Aufsicht über die Aufnahme im Tonstudio. Der finanzielle Aufwand besteht im
eventuellen Anmieten eines Tonstudios oder in der Bezahlung des Produzenten und der
technischen Mitarbeiter wie zB dem Tonmeister. Der Schutz der Leistungen der
Tonträgerhersteller ist insoweit gerechtfertigt, als sie hohe Summen investieren. Dieser
Schutz ist daher eine Art Investitionsschutz.56 § 76 Abs 1 UrhG gewährt dem
Schallträgerhersteller das „ausschließliche Recht, den [von ihm produzierten] Schallträger
zu vervielfältigen, zu verbreiten und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen“.
55
Erläuterungen des Gesetzgebers zum UrhG 1936 abgedruckt in Dillenz, Materialien zum österreichischen
Urheberrecht, ÖSGRUM Band 3 (1986) 155.
56
Mayer in Kucsko (Hrsg), urheber.recht2 § 76, 3. (2008).
17
Teil I: Rechtsgrundlagen: Urheber- und Leistungsschutz in Österreich
Diese Rechte entsprechen den ausschließlichen Rechten der Urheber (§§ 15, 16, 18a
UrhG), welche zur Auslegung heranzuziehen sind. Schutzgegenstand ist daher die im
Schallträger verkörperte unternehmerische Herstellerleistung als immaterielles Gut.
§ 76 Abs 1 Satz 2 UrhG hält außerdem ausdrücklich fest, dass unter einer Vervielfältigung
auch die Benutzung einer mithilfe eines Schallträgers bewirkten Wiedergabe zur
Übertragung auf einen anderen Schallträger verstanden wird. Ob der Tonträger unter
Verletzung der Urheberrechte oder anderer Leistungsschutzrechte entstanden ist, ändert
nichts an der Schutzwürdigkeit, denn es kommt allein auf die Herstellerleistung an. Dies
bedeutet, dass der Produzent, der Rechte anderer verletzt, von diesen zwar auf
Unterlassung oder Schadenersatz
geklagt werden kann. Dieser kann aber dennoch
seinerseits gegen die unbefugte Vervielfältigung und Verbreitung seiner Schallträger aus
seinem Leistungsschutzrecht vorgehen kann, egal ob er berechtigt war, diese Aufnahmen
zu machen oder nicht.57
Der Tonträgermarkt wurde weltweit über Jahrzehnte von den sog „vier Majors“
beherrscht. Diese sind internationale weltweit tätige Medienkonzerne. Zu diesen vier
Majors gehörten die Universal Music Group (UMG), Sony Music Entertainment, die
Warner Music Group (WMG) und die EMI Group. Sie beherrschten gemeinsam über 80 %
des Tonträgermarktes. Die EMI Group wurde im November 2011 zerschlagen und von der
Universal Music Group und Sony Music Entertainment aufgekauft.58 Seither bestehen nur
noch drei Majors. Daneben finden sich weitere kleinere Tonträgerunternehmen, die als
„Independents“
bezeichnet
Leistungsschutzrechte
idR
werden.
in
einem
Die
sog
ausübenden
Künstler
treten
„Bandübernahmevertrag“
an
ihre
die
Tonträgerunternehmen ab. Es ist üblich, dass ausübende Künstler oder der Produzent der
Aufnahme mit einem Tonträgerhersteller entweder einen sog „Bandübernahmevertrag“
oder einen „Künstlervertrag“ abschließen.59 Mit dem Bandübernahmevertrag räumt der
Produzent oder die ausübenden Künstler dem Tonträgerhersteller Rechte an der
Aufnahme ein. Da bei einem Bandübernahmevertrag, die ausübenden Künstler die
Aufnahme selbst organisiert haben, ist die Umsatzbeteiligung für die Künstler hier idR
höher. Der ausübende Künstler oder Produzent ist hier prozentuell am Verkauf seiner
Tonträger beteiligt. Die Höhe der prozentuellen Vergütung orientiert sich am Marktwert
57
Mayer in urheber.recht2 § 76, 3.; OGH 9. 8. 2006, 4 Ob 135/06s – Gruppe D – MR 2006, 387.
Meldung von Reuters vom 12.11.2011: „Musiklabel EMI wird zerschlagen – Sony kauft Musikrechte“,
<de.reuters.com/article/companiesNews/idDEBEE7AB06220111112>.
59
Vertragsmuster finden sich zB auf der Website des mica: <musicaustria.at/sites/default/files/bilder/2010/banduebernahmevertrag2.pdf> und <musicaustria.at/sites/default/files/bilder/2010/kuenstlerexklusivvertrag_1.pdf>.
58
18
Teil I: Rechtsgrundlagen: Urheber- und Leistungsschutz in Österreich
des Künstlers. In der Praxis beträgt sie zwischen 10 % und 50 %.60 Mit dem
Künstlervertrag (oft auch „Künstlerexklusivvertrag“), den der Tonträgerhersteller mit den
ausübenden Künstlern schließt, bieten die ausübenden Künstler ihre Tätigkeit dem
Tonträgerhersteller an. Es liegt in der Folge am Tonträgerhersteller, die Tonaufnahmen zu
organisieren. Diesem werden auch die Werknutzungsrechte an den zukünftigen
Aufnahmen, die während des im Vertrag näher beschriebenen Zeitraums entstehen,
eingeräumt. Beteiligen sich Studiomusiker an der Aufnahme, so werden deren Rechte
durch sog „Künstlerquittungen“ exklusiv dem Produzenten übertragen.
Für die Anbieter von Musik im Internet bedeutet dies eine Vereinfachung, da sie
so nur um Zustimmung bei den Tonträgerunternehmen anfragen müssen und nicht jede
Künstlergruppe selbst. Der Tonträgerhersteller organisiert entweder die Aufnahme selbst,
sodass das Herstellerrecht originär bei ihm entsteht, oder er erwirbt das Herstellerrecht
durch einen „Bandübernahmevertrag“ vom Produzenten.61 Durch diesen Vertrag werden
dem Tonträgerhersteller die Rechte am sog „Masterband“62 eingeräumt. Der Begriff des
Labels wird manchmal synonym zur Plattenfirma gebraucht. Manchmal dient ein Label
auch dazu, einzelne Musikrichtungen zusammenzufassen, die zur selben Plattenfirma
gehören. Aber auch selbständige Produzenten können eigene Labels gegründet haben. So
gehören zB die Labels „Deutsche Grammophon“ für Klassische Musik oder „Motown“ für
Soulmusik zur Plattenfirma Universal Music Group.63 Leider werden die Begriffe
„Tonträgerhersteller“, ‚Plattenfirma“, „Produzent“ und „Label“ in der Praxis oft synonym
verwendet, was unsauber ist.
Produzenten sorgen für die Herstellung des Tonträgers, womit sie als
„Tonträgerhersteller“ fungieren. Sie tun dies auf eigenes Risiko und eigene Rechnung.
Viele große Plattenfirmen lagern heutzutage die Tonträgerherstellung aus Kostengründen
aus. Die Produzenten schließen dabei mit den ausübenden Künstlern Künstlerverträge ab.
Die
Verwertung
erfolgt
sodann
über
die
Plattenfirma
über
einen
sog
„Bandübernahmevertrag“, wobei der Produzent prozentuell an der Verwertung beteiligt
wird.64 Bei Produzenten unterscheidet man künstlerische Produzenten und wirtschaftliche
60
Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2 § 26 Rz 39.
Dokalik, Musik-Urheberrecht, Rz 409.
62
Mit dem „Masterband“, das freilich heutzutage eine CD ist und kein Band mehr, bezeichnet man die
Originalaufzeichnung im Tonstudio. Das „Master“ bildet die Grundlage für die anschließenden
Vervielfältigungen.
63
Dokalik, Musik-Urheberrecht, Rz 417.
64
Mayer in urheber.recht2 § 76, 4.4.
61
19
Teil I: Rechtsgrundlagen: Urheber- und Leistungsschutz in Österreich
Produzenten. Ein Schallträgerhersteller iSd UrhG ist nur der wirtschaftliche Produzent.65
Ein künstlerischer Produzent wird oft mit einem Regisseur beim Film verglichen,
obwohl dieser Vergleich insofern irreführend ist, weil der Regisseur Urheberrechte und
keine Leistungsschutzrechte hat.66 Er ist kein Tonträgerhersteller iSd Gesetzes. Wenn er
aber künstlerisch derart Einfluss auf die Aufnahme nimmt, können ihm uU Rechte als
ausübender Künstler oder sogar Miturheber (§ 11 UrhG) zustehen. Berühmte künstlerische
Produzenten sind zB George Martin (Beatles), Phil Spector (Beatles, John Lennon,
Ramones) oder im deutschsprachigen Bereich Dieter Bohlen. Die Abgrenzung ist
angesichts der Ausschüttung der Lizenzgebühren durch die LSG wichtig. Für
wirtschaftliche
Produzenten
ist
die
LSG-Produzentenverrechnung
zuständig,
für
künstlerische Produzenten ist hingegen die LSG-Interpretenverrechnung zuständig bzw bei
Miturheberschaft besteht Zuständigkeit der AKM.
Bezeichnung Beteiligte
Leistung
Tonträgerhersteller
„Schallträgerhersteller“ (§ 76 UrhG): „wer
akustische Vorgänge zu ihrer
wiederholbaren Wiedergabe auf einem
Schallträger festhält“;
nP oder jP, die die Aufnahme organisiert;
der wirtschaftliche Produzent des
“Masterbandes“.
Muss nicht, kann aber, Tonträgerhersteller
sein (je nachdem, ob sie die Produktion
auslagert oder nicht);
erfüllt Managementtätigkeiten, A & R.
Englisch für „Etikett“;
bezeichnet eine Zusammenfassung von
Musikrichtungen, die zur selben Plattenfirma
gehören (zB „Motown“ für Soulmusik der
Universal Music Group).
Ist Tonträgerhersteller nach § 76 UrhG; stellt
Tonträger (das „Masterband“) auf eigenes
Risiko und eigene Rechnung her.
Ist nicht Tonträgerhersteller nach § 76 UrhG,
sondern ausübender Künstler (§ 66 UrhG) oder
sogar Miturheber (§ 11 UrhG).
Plattenfirma
Label
wirtschaftlicher Produzent
künstlerischer Produzent
Abbildung 2: Gegenüberstellung der Begriffe „Tonträgerhersteller“, „Plattenfirma“, „Label“,
„wirtschaftlicher Produzent“ und „künstlerischer Produzent“.
65
Mayer in urheber.recht2 § 76, 4.4.
Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2 § 66 Rz 15; Noll, MR 2003, 98 (99f); Walter in Dittrich, ÖSGRUM
17, 106 (119f).
66
20
Teil I: Rechtsgrundlagen: Urheber- und Leistungsschutz in Österreich
Der Tonträgerhersteller braucht für die Vervielfältigung und Verbreitung des
Tonträgers sowohl das Recht des Urhebers als auch der ausübenden Künstler. Die
Leistungsschutzrechte werden von der LSG verwaltet. Die Urheberrechte werden in diesem
Fall von der austromechana verwaltet. Diese gewährt dem Produzenten des Tonträgers
das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht für ihr Musikrepertoire. Sie hat mit den
wichtigsten
ausländischen
Gesellschaften
–
ähnlich
wie
die
AKM
–
sog
„Gegenseitigkeitsverträge“ abgeschlossen, wonach sie dem Produzenten des Tonträgers
praktisch das Weltrepertoire anbieten muss. Die austromechana ist für die Einräumung
dieser Rechte prozentuell mit idR 10 % oder 11 % am Einzelhandelsverkaufspreis des
Tonträgers beteiligt. 67
Der Urheber oder sonstige Berechtigte kann nicht nach Belieben die
Vervielfältigung gestatten oder untersagen. Wenn die Vervielfältigung einmal einem
Tonträgerhersteller gestattet wurde, kann jeder andere Produzent verlangen, dass auch ihm
„die gleiche Werknutzung gegen angemessenes Geld bewilligt wird“ („Zwangslizenz“,
§ 58 UrhG). Ebenso besteht für die Verwertungsgesellschaften ein Kontrahierungszwang
nach § 3 Abs 2 VerwGesG.68
Den Tonträgerherstellern gebührt eine Vergütung für ihre Leistung (§ 76 Abs 3
UrhG).
Diese
Vergütungsregelung
beruht
auf
Art
12
des
Römer
Leistungsschutzabkommens.69 Sie gilt auch für interaktiv abrufbare Musikstücke, denn die
öffentliche Zurverfügungstellung wird in § 76 Abs 1 UrhG ausdrücklich erwähnt.
Tonträgerhersteller verfügen nicht über ein ausschließliches Senderecht. Art 12 Römer
Leistungsschutzabkommen statuiert nur, dass den Tonträgerherstellern eine angemessene
Vergütung zu zahlen ist. Der Tonträgerhersteller hat also kein ausschließliches
Verbotsrecht. Dieses hat nur der Urheber. Der Tonträgerhersteller kann sich daher weder
gegen eine Sendung iSd § 17 UrhG noch gegen eine öffentliche Wiedergabe iSd § 18
UrhG zur Wehr setzen (§ 76 Abs 3 UrhG). Dies ist nur möglich, sofern es sich um
Raubkopien handelt (§ 76 Abs 2 UrhG).
Als sog „Sendeprivileg“ (§§ 70 Abs 2, 76 Abs 3 UrhG) wird das Recht der
Sendeanstalten, Tonträger gegen angemessenes Entgelt senden zu dürfen, ohne eine
67
Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2 § 26 Rz 36f.
Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2 § 26 Rz 38.
69
Internationales Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und
der Sendeunternehmen vom 26. Oktober 1961, von Österreich ratifiziert am 12. Februar 1973 und
kundgemacht mit BGBl Nr 413/1973.
68
21
Teil I: Rechtsgrundlagen: Urheber- und Leistungsschutz in Österreich
Genehmigung der Tonträgerhersteller oder ausübenden Künstler einholen zu müssen,
bezeichnet.70 Nach § 76 Abs 3 UrhG ist dem Tonträgerhersteller eine angemessene
Vergütung für die Sendung seines Tonträgers zu entrichten. Die ausübenden Künstler
müssen immer bestimmen können, in welcher Gestalt ihre Darbietung an die Öffentlichkeit
dringen soll. Wurde ihre Darbietung schon auf einem Tonträger fixiert, konnten sie schon
bei der Musikaufnahme über die Verwertung verfügen. Die „angemessene Vergütung“
wird von der LSG eingenommen. Der Tonträgerhersteller und die ausübenden Künstler
haben in der Praxis mit der LSG jeweils einen Wahrnehmungsvertrag geschlossen. Diese
teilt dann die Beträge zwischen Interpret (LSG Interpretenverrechnung) und Plattenfirma
(LSG Produzentenverrechnung) auf. Mangels anderer vertraglicher Festlegungen beträgt
der Schlüssel 50:50 (§ 76 Abs 3 Satz 3). In der Praxis wird bei dieser Regelung meist
verblieben.71
b. Leistungsschutz der ausübenden Künstler
Neben den Tonträgerherstellern und Produzenten stehen auch den ausübenden
Künstlern Leistungsschutzrechte zur Verfügung. Das betrifft vorrangig die Sänger und
Musiker, aber auch uU den (künstlerischen) Produzenten, sofern sein Einfluss auf die
Aufnahme künstlerisch von Relevanz ist. Bei ausübenden Künstlern wird keine
Werkhöhe verlangt. Das bedeutet, dass jegliche Leistung ohne Rücksicht auf den
künstlerischen Wert geschützt ist.72 Schutzgegenstand ist dabei die Darbietung der
Leistung. Gleichgültig ist jedoch, ob das Werk tatsächlich urheberrechtlichen Schutz
genießt.73
In praxi nehmen die Leistungsschutzberechtigten jedoch wegen des hohen Aufwands
die Verwertung ihrer Darbietungen nicht selbst vor. Die ausübenden Künstler bedienen
sich dazu der Tonträgerhersteller, die den Großteil der Verwertung neben den
Verwertungsgesellschaften wahrnehmen.
Die Befugnisse der ausübenden Künstler sind im Vergleich zu den Urhebern
eingeschränkter. Sie haben ein Verwertungsrecht auf Bild- oder Schallträgern (§ 66
Abs 1 UrhG), ein Verwertungsrecht iZm der Rundfunksendung (§ 70 UrhG) und
Verwertungsrechte sowohl zur öffentlichen Wiedergabe (§ 71 UrhG) als auch zur
70
Siehe genauer unten Seite 99 ff.
Dokalik, Musik-Urheberrecht Rz 290.
72
ErlRV 1936 in Dillenz, ÖSGRUM 3, 143.
73
ErlRV 1936 in Dillenz, ÖSGRUM 3, 144.
71
22
Teil I: Rechtsgrundlagen: Urheber- und Leistungsschutz in Österreich
öffentlichen Zurverfügungstellung (§ 71a UrhG). Diese Befugnisse sollen kurz erläutert
werden. Da die Verwertung der öffentlichen Wiedergabe (§ 18 UrhG) iZm OnlineMusikdiensten nicht anwendbar ist, können diesbezügliche Ausführungen unterbleiben.74
Nach § 66 Abs 1 UrhG ist es den ausübenden Künstlern vorbehalten, ihre
Leistungen „auf einem Bild- oder Schallträger festzuhalten, diesen zu vervielfältigen
und zu verbreiten“. Der Schutz knüpft also an einer Festlegung auf einem Bild- oder
Schallträger an. Da nach § 67 Abs 2 UrhG das ausschließliche Vervielfältigungsrecht des
Urhebers (§ 15 Abs 1 UrhG) entsprechend gilt, kann in diesem Zusammenhang auf die
Ausführungen beim Urheberschutz verwiesen werden kann.75 § 66 Abs 1 letzter Satz
macht deutlich, dass unter der Vervielfältigung auch die Benutzung einer mithilfe eines
Bild- oder Schallträgers bewirkten Wiedergabe der Darbietung zur Übertragung auf einen
anderen Bild- oder Schallträger verstanden wird. Damit ist eine Anfertigung einer Kopie in
Echtzeit gemeint.76
§ 70 UrhG regelt die Verwertung im Rundfunk. Eine Darbietung darf nach Abs 1
nur mit Einwilligung der Personen, deren Einwilligung nach § 66 Abs 1 und 5 zur
Festhaltung auf Bild- oder Schallträgern erforderlich ist, durch Rundfunk gesendet werden
(§ 17 UrhG). Damit darf eine Verwertung im Rundfunk nur mit Einwilligung der
ausübenden Künstler oder Veranstalter erfolgen. Eine unmittelbare Sendung darf also stets
nur mit der Einwilligung der Verwertungsberechtigten erfolgen.
Die große Ausnahme hierbei ist in Abs 2 zu finden. Diese Ausnahme wird das
„Sendeprivileg“ genannt. Dieses besagt, dass die Einwilligung der ausübenden Künstler
(oder Veranstalter) nicht erforderlich ist, wenn die Rundfunksendung mithilfe von Bildoder Schallträgern vorgenommen wird. Haben die ausübenden Künstler ihre Leistung
schon auf einem Tonträger festgehalten, so kann der Rundfunkunternehmer ihre
Aufnahmen senden. Die ausübenden Künstler haben demnach kein ausschließliches
Verwertungsrecht, die mit ihrer Einwilligung hergestellten Bild- oder Schallträger zu einer
Rundfunksendung zu verwenden.77 Die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage
74
Siehe schon oben Seite 9 ff.
Siehe Seite 5 ff.
76
Eine solche Vervielfältigung ist regelmäßig bei der Benutzung von sog „Mitschneidesoftware“ gegeben,
siehe unten Seite 86.
77
Schumacher in Kucsko (Hrsg), urheber.recht2 § 70, 3. (2008).
75
23
Teil I: Rechtsgrundlagen: Urheber- und Leistungsschutz in Österreich
betonen dies und heben auch hervor, dass die Anerkennung eines solchen ausschließlichen
Rechts international strittig war.78
§ 70 Abs 2 UrhG sieht noch eine Ausnahme von der Ausnahme vor. Demnach ist
die Einwilligung „für eine Rundfunksendung mithilfe von Bild- oder Schallträgern nicht
erforderlich, es sei denn, dass diese [Bild- oder Schallträger] nach § 66 Abs 7 oder § 69
Abs 2 zu einer Rundfunksendung nicht benutzt werden dürfen.“ § 66 Abs 7 besagt, dass
ohne Einwilligung durch die ausübenden Künstler hergestellte oder verbreitete Tonträger
zu einer Rundfunksendung oder öffentlichen Wiedergabe nicht benutzt werden dürfen.
Damit wird die Sendung von Raubkopien verboten. Der Verweis auf § 69 Abs 2 macht
klar, dass private Mitschnitte von Aufnahmen, die zB durch andere Radiosender gesendet
wurden, nicht gesendet werden dürfen. Bei der Sendung von handelsüblichen Tonträgern
haben die ausübenden Künstler nach § 76 Abs 3 UrhG quasi als Ausgleich für das
Nichtbestehen eines Verbotsrechts einen Beteiligungsanspruch auf die angemessene
Vergütung gegen den Tonträgerhersteller, die diesem von der LSG für eine öffentliche
Wiedergabe oder Sendung ausgeschüttet wurde.
Mit § 71a UrhG wurden Art 10 WPPT und Art 3 Abs 2 lit a RL 2001/29/EG in
nationales Recht umgesetzt. Nach dieser Vorschrift darf die Darbietung eines Werkes der
Tonkunst nur mit Erlaubnis des ausübenden Künstlers und des Veranstalters nach § 66 Abs
1 und 5 UrhG der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Diese Bestimmung gibt
den ausübenden Künstlern also ein ausschließliches Recht zur Verwertung ihrer
Darbietungen durch die öffentliche Zurverfügungstellung. Die Bedeutung des Begriffs „der
Öffentlichkeit zur Verfügung stellen“ ergibt sich nach § 18a Abs 2 UrhG aus § 18a Abs 1
UrhG.79 Damit ist gemeint, dass die Darbietung der Öffentlichkeit drahtgebunden oder
drahtlos in einer Weise zur Verfügung gestellt wird, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit
von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist. Den Nutzern wird also eine interaktive
Möglichkeit gegeben auf bestimmte Musik zuzugreifen. Hier kann auf die Ausführungen
iZm dem Urheberschutz verwiesen werden.80
Da der ausübende Künstler seine Rechte in Rahmen eines Künstlervertrages oder
Bandübernahmevertrags dem Tonträgerhersteller ausschließlich überträgt, muss dieser
beim Erwerb der Rechte gefragt werden. Der Tonträgerhersteller kann also einen
78
ErlRV 1936 in Dillenz, ÖSGRUM 3, 145.
ErlRV 40 BlgNR XXII. GP, 9. Dittrich, UrhR5, 326.
80
Siehe Seite 7 ff.
79
24
Teil I: Rechtsgrundlagen: Werknutzungsrecht vs Werknutzungsbewilligung
individuellen Betrag verlangen, und der Künstler kann sich seine Einwilligung vom
Tonträgerhersteller „abkaufen“ lassen.81
D. Werknutzungsrecht vs Werknutzungsbewilligung
Das österreichische Urheberrecht ist vererblich, es ist aber nicht unter Lebenden
übertragbar (§ 23 Abs 1 und 3 UrhG). Es bestehen jedoch zwei Arten, einem anderen die
Verwertung zu erlauben. Beide sind in § 24 UrhG geregelt. Das ist zum einen die
Einräumung eines sog „Werknutzungsrechts“ (§ 24 Abs 1 Satz 2) und zum anderen die sog
„Werknutzungsbewilligung“ (§ 24 Abs 1 Satz 1). Diese Bestimmung bildet das Zentrum
des gesamten Urhebervertragsrechts. Bei der wirtschaftlichen Verwertung sind
Einräumungen
von
Werknutzungsrechten
bzw
das
Erteilen
von
Werknutzungsbewilligungen unerlässlich. Dadurch wird dem Urheber ermöglicht,
wirtschaftlich an der Verwertung seiner Werke teilzuhaben. Werknutzungsbewilligungen
bzw Werknutzungsrechte können sowohl an natürliche als auch an juristische Personen
erteilt bzw eingeräumt werden.82
Die Einräumung eines Werknutzungsrechts wird auch als „Exklusivlizenz“ oder
fälschlich mit „Rechteübertragung“ bezeichnet. Dies bedeutet, dass nur mehr der Inhaber
der Exklusivlizenz Verwertungsarten erlauben kann. Der Urheber hat dieses Recht nicht
mehr, er muss sich der Ausübung dieses Rechts enthalten. Deswegen spricht man von
absolut wirkenden Werknutzungsrechten. Die Eigenschaft des Werknutzungsrechts als
Exklusivlizenz bringt es mit sich, dass diese nur einmal erteilt werden kann. Dh ab der
ersten Vergabe einer Exklusivlizenz liegt es am Lizenznehmer, die Verwertung des Werks
zu erlauben. Werknutzungsrechte sind absolute, gegen jedermann wirkende Rechte. Jeder,
der nicht Inhaber eines Werknutzungsrechtes ist, hat sich einer weiteren Verwertung zu
enthalten. Dies gilt für Dritte und den Urheber selbst. Diese Enthaltungspflicht reicht so
weit, wie die eingeräumten Werknutzungsrechte reichen (§ 26 Satz 2 iVm Satz 1 UrhG).83
Dem Urheber selbst ist es aber noch möglich, Urheberrechtsverletzungen im eigenen
Namen zu verfolgen (§ 26 Satz 2 UrhG). Dieses Verfolgungsrecht behält er neben dem
Werknutzungsberechtigten. Ebenso behält er seine Urheberpersönlichkeitsrechte (§§ 1921, 80 UrhG). Beispiele für die Einräumung eines Werknutzungsrechts sind der
81
Dokalik, Musik-Urheberrecht Rz 287.
Guggenbichler in Ciresa/Büchele/Guggenbichler, UrhG Vor § 24 Rz 4.
83
Büchele in Kucsko (Hrsg), urheber.recht2 § 24, 3. (2008).
82
25
Teil I: Rechtsgrundlagen: Werknutzungsrecht vs Werknutzungsbewilligung
Wahrnehmungsvertrag84
oder
der
Verlagsvertrag85.
Der
Urheberberechtigte
(Komponist, Texter) schließt idR einen Musikverlagsvertrag mit einem Musikverlag ab.
Dieser Musikverlag sollte wiederum einen Wahrnehmungsvertrag mit der AKM und
austromechana abschließen, die die Verwertungsrechte kollektiv wahrnehmen. Ist der
Urheberberechtigte noch mit keinem Musikverlag vertraglich verbunden, so sollte er mE
selbst einen Wahrnehmungsvertrag mit den Verwertungsgesellschaften abschließen. Die
ausübenden Künstler als Leistungsschutzberechtigte räumen idR dem Tonträgerhersteller
oder dem Produzenten mittels Bandübernahmevertrag oder Künstlervertrag exklusiv
Rechte an ihren Darbietungen ein. Diese haben wiederum – wie die ausübenden Künstler
selbst – einen Wahrnehmungsvertrag mit der LSG abgeschlossen.
Urheberberechtigte
Musikverlag
AKM,
austromechana
Abbildung 3: Die Urheberberechtigten
(hier: Komponist und Texter) schließen
idR einen Musikverlagsvertrag und einen
Wahrnehmungsvertrag mit den
Verwertungsgesellschaften ab.
Leistungsschutzberechtigte
Tonträgerhersteller,
Produzent
LSG
Abbildung 4: Die Leistungsschutzberechtigten
(hier: ausübende Künstler) schließen einen
Künstlervertrag oder Bandübernahmevertrag
mit dem Tonträgerhersteller oder dem
Produzenten ab und einen
Wahrnehmungsvertrag mit der LSG.
Eine „Werknutzungsbewilligung“ ist eine „einfache Lizenz“. Oft wird auch nur
der Begriff der Lizenz verwendet, wenn eine Werknutzungsbewilligung gemeint ist.86 Mit
dieser wird eine Verwertungsart bewilligt. Das Verwertungsrecht steht aber nach wie vor
84
So zB Punkt 2.1. des Wahrnehmungsvertrags der AKM, online unter:
<akm.at/Mitglieder/Interne_Regelwerke>. Der Wahrnehmungsvertrag der austromechana findet sich unter:
<aume.at/rte/upload/mitglieder/wahrnehmungsvertrag.pdf>.
85
Ein Muster für einen Musikverlagsvertrag findet sich unter:
<musicaustria.at/sites/default/files/bilder/dokumente/verlagsvertrag.pdf>.
86
Der Begriff der Lizenz wird zu einem großen Teil nicht einheitlich verwendet. Zum Begriff: Schönherr,
Gewerblicher Rechtschutz, Rz 410.3; Hodik, ÖSGRUM 2, 92 (93).
26
Teil I: Rechtsgrundlagen: Der Erschöpfungsgrundsatz
dem Rechteinhaber zu. Werknutzungsbewilligungen haben also relative Wirkung. Dh der
Lizenznehmer kann eine weitere Verwertung des Werks nicht erlauben. Die
Vertragspartner können sich nicht an den Lizenznehmer, sondern müssen sich direkt an
den Rechteinhaber wenden. Werknutzungsbewilligungen sind Genehmigungen, das Werk
auf die vereinbarte Art und Weise zu nutzen. Der Inhaber einer Werknutzungsbewilligung
ist nicht befugt, gegen Dritte vorzugehen. Er hat keine aktive Klagelegitimation, denn
Werknutzungsbewilligungen haben keine Außenwirkung.87 Beispiele für die Erteilung von
Werknutzungsbewilligungen sind die von der AKM zB an Online-Musikdiensteanbieter
erteilten Genehmigungen (§ 17 Abs 1 VerwGesG).88 Aber auch die OnlineDiensteanbieter erteilen dem Nutzer eine Lizenz, ihren Dienst zu verwenden (Abbildung
5). Hat man beim Kauf einer CD das Eigentum über den Tonträger erworben, so bekommt
man von Online-Musikdiensteanbietern nur ein Recht, den Dienst unter Berücksichtigung
der Nutzungsbedingungen zu nutzen.
WNB
Online-Musikdienst
Nutzer
Abbildung 5: Die Online-Musikdienste erteilen dem Nutzer eine Werknutzungsbewilligung.
E. Der Erschöpfungsgrundsatz
Der Erschöpfungsgrundsatz besagt, dass nur solche Werkstücke vom Verbreitungsrecht
ausgenommen sind, die mit Zustimmung des Rechteinhabers in einem Mitgliedstaat der
EU oder des EWR in Verkehr gebracht wurden (§ 16 Abs 3 UrhG). Der
Erschöpfungsgrundsatz gilt also für das Verbreitungsrecht. Nach dem Verbreitungsrecht
hat der Urheber das „ausschließliche Recht, Werkstücke zu verbreiten. Kraft dieses
Rechtes dürfen Werkstücke ohne seine Einwilligung weder feilgehalten noch auf eine Art,
die das Werk der Öffentlichkeit zugänglich macht, in Verkehr gebracht werden“ (§ 16 Abs
1 UrhG).
87
Büchele in urheber.recht2 § 24, 3.
Für viele Nutzungsarten kann schon eine Lizenz über den sog „Lizenzshop“ der AKM und austromechana
erstellt werden: <lizenzshop.akm.co.at/Lizenzshop/>.
88
27
Teil I: Rechtsgrundlagen: Der Erschöpfungsgrundsatz
Der Urheber oder Leistungsschutzberechtigte kann also die Weiterverbreitung nicht
verbieten, wenn er schon einmal seine Zustimmung für das Inverkehrbringen erklärt hat.
Sein Recht ist dann „erschöpft“. Unter „Inverkehrbringen“ versteht man das erste
Verbreiten. Diese Bestimmung dient der Verwirklichung der Freiheit des Warenverkehrs.
Mit Art 4 Abs 2 der RL 2001/29/EG wurde der Erschöpfungsgrundsatz für die EUMitgliedstaaten
fixiert.89
Für
das
Verbreiten
von
Tonträgern
ist
der
Erschöpfungsgrundsatz maßgeblich.
Auf die Sendung und öffentliche Zurverfügungstellung sowie generell allen
unkörperlichen Verwertungsarten ist der Erschöpfungsgrundsatz prinzipiell nicht
anzuwenden.90 Das gilt ausdrücklich für das Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung
(Art 3 Abs 3 RL 2001/29/EG), sodass jegliche Weiterverwertung der Zustimmung der
Rechteinhaber bedarf. Diese können durchaus innerhalb des EWR unterschiedliche
„Lizenzen“ erteilen. Damit sind unterschiedliche Preise für Tonträger in den
Mitgliedstaaten
möglich.91
Jedoch
wurde
die
Nichtanwendbarkeit
des
Erschöpfungsgrundsatzes grundlegend durch die Entscheidung UsedSoft des EuGH
aufgeweicht.92 Die Große Kammer des EuGH lässt im gegebenen Zusammenhang die
Erschöpfung des Verbreitungsrechtes beim Handel mit sog „Gebrauchtsoftware“ gelten.
Ob diese unterschiedliche Behandlung von körperlicher und unkörperlicher
Vervielfältigung sachgerecht ist, scheint zunächst fraglich, denn beide Arten der
Vervielfältigung erfüllen ja den gleichen Zweck. Der Gesetzeswortlaut ist jedoch klar.93
Unkörperliche Kopien können viel einfacher, schneller und ohne Qualitätsverlust verbreitet
werden.94 Außerdem kann man das digitale Original nicht von der digitalen Kopie
unterscheiden. Zu beachten ist, dass sich der Erschöpfungsgrundsatz nur auf das
Verbreitungsrecht bezieht. Die Vervielfältigung bleibt beispielsweise immer dem Urheber
vorbehalten. Im Online-Bereich ist es immer der Fall, dass eine Verbreitung gleichzeitig
mit einer Vervielfältigung auftritt, denn um am Computer des Empfängers abgerufen
werden zu können, muss die Datei dupliziert werden. Bezüglich Computerprogrammen gilt
89
Zur Auslegung von Art 4 Abs 2 der RL 2001/29/EG: EuGH 12. 9. 2006, C-479/04 = wbl 2006/210.
EuGH 18.3.1980, Rs 62/79, GRUR Int 1980, 602 (607) – Coditel I; Anderl in urheber.recht2 § 16, 4.5.;
Burgstaller, Keine Erschöpfung des Verbreitungsrechtes beim Online-Vertrieb, lex:itec 2009 H 3, 18.
91
Anderl in urheber.recht2 § 16, 4.5.
92
EuGH 3.07.2012, C-128/11 (UsedSoft).
93
Der Wortlaut der Datenbankrichtlinie und Urheberrichtlinie sowie der Gesetzestext deuten nicht auf eine
Erschöpfung hin, Burgstaller, lexi:tec 2007, 1.
94
Zur höheren Qualität von digitalen Kopien siehe schon OGH 26. 1. 1999, 4 Ob 345/98h – Radio Melody
III – ÖJZ 1999, 471 = ÖBl 2000, 86 = RdW 1999, 409 = MR 1999, 94; Anderl in urheber.recht2 § 15, 2.2.
Auf die vereinfachte Verwendung von digitalen Dokumenten hinweisend Schanda, ecolex 1996, 105.
90
28
Teil I: Rechtsgrundlagen: Die Verwertungsgesellschaften im Musikbereich
hier die freie Werknutzung nach § 40d UrhG. In Hinblick auf Musikdateien fehlt eine
solche Bestimmung. Die Problematik des Erschöpfungsgrundsatzes (sowie die Rechtslage
nach der UsedSoft-Entscheidung) wird bei der rechtlichen Qualifizierung des Uploads noch
genauer behandelt werden.95
F. Die Verwertungsgesellschaften im Musikbereich
Das österreichische Verwertungsgesellschaftenrecht stammt aus dem Jahr 1936. Es
wurde aber im Jahr 2006 umfassend novelliert.96 Regelungen in Bezug auf den
Tätigkeitsbereich der Verwertungsgesellschaften befinden sich neben dem VerwGesG
2006 auch im UrhG. Das VerwGesG regelt den Tätigkeitsbereich der inländischen
Verwertungsgesellschaften. Die Verwertungsgesellschaft nimmt die Rechte, Beteiligungsund Vergütungsansprüche ihrer Mitglieder treuhändig wahr. Gem § 1 VerwGesG obliegt
ua das Nutzbarmachen von Werken der Tonkunst den Verwertungsgesellschaften, indem
sie den Benutzern die zur Nutzung erforderlichen Bewilligungen gegen Entgelt erteilen.
Die Verwertungsgesellschaften nehmen aber nur die sog „kleinen Rechte“ wahr, dh etwa
nicht die Rechte an musikdramatischen Werken wie einer Bühnenaufführung, die als
„große Rechte“ bezeichnet werden.97 Die Wahrnehmung dieser Rechte erfolgt durch
Verlage.98
Der Urheber hat bekanntlich das ausschließliche Recht, die Verwertung seiner
Werke zu verbieten (§ 14 Abs 1 UrhG). Er kann jede einzelne der Verwertungsarten
kontrollieren. Da es aber praktisch sehr beschwerlich wäre, jedes Mal den Urheber oder
Leistungsschutzberechtigten zu fragen, wann immer eines seiner Werke bzw Darbietungen
verwertet werden soll, schließt (fast) jeder Urheber und Leistungsschutzberechtigte mit den
jeweils zuständigen Verwertungsgesellschaften einen sog „Wahrnehmungsvertrag“ ab.99
Durch diese Art von Vertrag werden der Verwertungsgesellschaft an den Werken des
Urhebers bzw Darbietungen des Leistungsschutzberechtigten Werknutzungsrechte
eingeräumt und es ihnen ermöglicht, wieder „Werknutzungsbewilligungen“ an Verwerter
wie den Diensteanbieter von Online-Musikdiensten zu erteilen und dafür Lizenzerträge
(sog „Tantiemen“) einzuheben. Damit muss der Urheber oder Leistungsschutzberechtigte
nicht jedes Mal bei Nutzung eines seiner Werke oder Darbietungen persönlich um
95
Siehe Seite 54 ff.
BGBl I Nr 9/2006.
97
Siehe Betriebsgenehmigung der AKM Punkt I.1.lit b und I.3.lit a; Betriebsgenehmigung der austromechana
Punkt I.2.; Betriebsgenehmigung der LSG Punkt II.2.
98
Siehe schon oben Seite 14 ff.
99
Siehe schon oben Seite 26.
96
29
Teil I: Rechtsgrundlagen: Die Verwertungsgesellschaften im Musikbereich
Zustimmung gefragt werden, sondern die Verwertungsgesellschaft erteilt als zentrale
Instanz
die
entsprechenden
Lizenzen.
Auch
muss
der
Urheber
oder
Leistungsschutzberechtigte nicht selbst überwachen, ob jemand eines seiner Werke oder
Darbietungen ohne Lizenz verwertet, denn auch eine solche Kontrolle wird von den
Verwertungsgesellschaften durchgeführt.
Eine Verwertungsgesellschaft ist Fürsprecherin ihrer Mitglieder als auch der
Nutzer, denn sie schüttet Vergütungen an ihre Mitglieder aus, gewährt aber auch den
Nutzern
Werknutzungsbewilligungen
gegen
angemessenes
Entgelt.
Die
Verwertungsgesellschaften haben in Österreich (und den meisten anderen Ländern) eine
Monopolstellung inne, denn gem § 3 Abs 2 VerwGesG darf für die Wahrnehmung eines
bestimmten
Rechts
jeweils
nur
einer
einzigen
Verwertungsgesellschaft
eine
Betriebsgenehmigung erteilt werden. Für die Vervielfältigung und Verbreitung ist die
austromechana zuständig. Für die anderen drei Verwertungsarten (Sendung, öffentliche
Wiedergabe, öffentliche Zurverfügungstellung) ist hingegen die AKM zuständig.
An Verwertungsgesellschaften im Musikbereich sind zu unterscheiden: die AKM,
die austromechana, die LSG. Die AKM ist die „staatlich genehmigte Gesellschaft der
Autoren, Komponisten und Musikverleger registrierte Genossenschaft mit beschränkter
Haftung“. Sie verfügt über die Betriebsgenehmigung für Werke der Tonkunst und mit
Werken der Tonkunst verbundene Sprachwerke (Musikwerke mit und ohne Text) zur
Wahrnehmung bzw Geltendmachung der Aufführungs-, Vortrags-, Sende- und
Zurverfügungstellungsrechte an Vorträgen, konzertmäßigen Aufführungen und Sendungen
sowie entsprechender Beteiligungs- und/oder Vergütungsansprüche.100
Die austromechana ist die „Gesellschaft zur Wahrnehmung mechanischmusikalischer
Urheberrechte
Gesellschaft
m.b.H.“.
Sie
verfügt
über
die
Betriebsgenehmigung für Werke der Tonkunst und mit Werken der Tonkunst verbundene
Sprachwerken (Musikwerke mit und ohne Text) zur Wahrnehmung bzw Geltendmachung
der Rechte der Vervielfältigung und Verbreitung sowie entsprechender Beteiligungsund/oder Vergütungsansprüche.101 Die austromechana ist also für die körperlichen
Verwertungsarten zuständig.
100
Siehe konsolidierte Version der Betriebsgenehmigung in der Fassung des Bescheids der KommAustria,
KOA 9.102/08-015 vom 30.6.2008 und des Bescheids des Urheberrechtssenats, UrhRS 5/08-4 vom
29.10.2008, einsehbar unter: <verwges-aufsicht.justiz.gv.at>.
101
Siehe Bescheid der KommAustria, KOA 9.102/08-016 vom 30.6.2008.
30
Teil I: Rechtsgrundlagen: Die Verwertungsgesellschaften im Musikbereich
Die LSG ist die „LSG Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten GmbH“. Sie
verfügt über die Betriebsgenehmigung für die Rechte der Schallträgerhersteller für zu
Handelszwecken
hergestellte
Bild-
oder
Schallträger
zur
Wahrnehmung
bzw
Geltendmachung von Rechten, Beteiligungs- und Vergütungsansprüchen.102 Gesellschafter
der LSG sind die Österreichische Interpretengesellschaft (ÖSTIG) und die IFPI Austria
(Verband der österreichischen Musikwirtschaft). Beide haben Geschäftsanteile zu jeweils
50 %. Organisatorisch kann man die LSG einteilen in die LSG Interpretenverrechnung und
die LSG Produzentenverrechnung, die ihrerseits für die Verrechnung der Lizenzgebühren
und deren Ausschüttung an ihre Mitglieder zuständig sind. Die LSG ist für ihre Mitglieder
jedoch nur im Bereich der Zweitverwertung zuständig.
§ 26 UrhG ist die Rechtsgrundlage für den Wahrnehmungsvertrag. Mit diesem
werden der Verwertungsgesellschaft Werknutzungsrechte (§ 24 Abs 1 Satz 2) eingeräumt,
nämlich die Rechte des Urhebers bezüglich seiner Werke bzw die Rechte der
Leistungsschutzberechtigten
Abschluss
des
bezüglich
ihrer
Wahrnehmungsvertrages
Darbietungen
wird
der
wahrzunehmen.
Urheber
zum
Durch
Mitglied
der
Verwertungsgesellschaft.103 Soweit die Werknutzungsrechte nach dem abgeschlossenen
Wahrnehmungsvertrag reichen, hat sich der Urheber gleich einem Dritten der Benutzung
seines Werkes zu enthalten (§ 26 Satz 2 UrhG). Das Recht, Verletzungen seines
Urheberrechts zu verfolgen, bleibt ihm jedoch weiterhin. Die Verwertungsgesellschaften
dürfen für die Erteilung der Werknutzungsbewilligungen aber nicht beliebige Beträge
verlangen. Sie stehen diesbezüglich unter der Aufsicht der Regulierungsbehörde
KommAustria. Für die Verwertung ihrer Werke bzw der Darbietungen soll den Urhebern
bzw Leistungsberechtigten eine „angemessene Vergütung“ zukommen (§ 17 Abs 1
VerwGesG). Diese angemessene Vergütung ist in der Praxis nach Tarifen entsprechend der
jeweiligen Nutzungsart gestaffelt.104
Für die Online-Nutzung finden sich die Tarife der AKM und austromechana
gesammelt auf der Homepage der AKM.105 Die Verwertungsgesellschaft hat mit den
Nutzerorganisationen Gesamtverträge verhandelt, in denen die geltenden Tarife für die
102
Siehe konsolidierte Version in der Fassung des Bescheids der KommAustria, KOA 9.102/08-016 vom
30.6.2008, der Berufungsvorentscheidung der KommAustria, KOA 9.102/08-31 vom 14.8.2008 und des
Berichtigungsbescheids der KommAustria, KOA 9.102/08-36 vom 27.8.2008.
103
Der Wahrnehmungsvertrag der AKM findet sich unter: <akm.at/Mitglieder/Interne_Regelwerke>, jener
der austromechana unter: <aume.at/show_content2.php?s2id=193>.
104
Siehe zB <akm.at/Musiknutzer/Online-Nutzung/Tarifinfo/>.
105
<akm.at/Musiknutzer/Online-Nutzung/Tarifinfo>.
31
Teil I: Rechtsgrundlagen: Kollektive oder individuelle Rechtewahrnehmung?
Erteilung der Werknutzungsbewilligungen sowie die Art der Abrechnung festgelegt
werden (§ 20 VerwGesG).106 Eine solche Nutzerorganisation iSd § 21 VerwGesG ist zB
der
Veranstalterverband
oder
der
Fachverband
für
Telekommunikations-
und
Rundfunkunternehmungen, der einen Gesamtvertrag in Hinblick auf Musikdownloads und
Ringtones abgeschlossen hat. Sofern ein Diensteanbieter die Möglichkeit zum Download
in Österreich eröffnet, ist für diesen dieser Gesamtvertrag einschlägig. Der Gesamtvertrag
regelt aber nicht die Einzelnutzung, sondern bildet lediglich einen „Rahmen“. Der
individuelle Betrag vom Verwerter der an die Verwertungsgesellschaft gezahlt werden
muss, wird in Einzelverträgen konkretisiert.107
G. Kollektive oder individuelle Rechtewahrnehmung?
Die Vergabe von Lizenzen kann entweder auf individueller oder kollektiver Basis
geschehen. Wahrnehmungsverträge sind Verträge, die ein Werknutzungsrecht einräumen.
Vertragspartner
sind
die
Urheber
bzw
Leistungsschutzberechtigten
und
die
Verwertungsgesellschaften. Ob die Rechtewahrnehmung nun individuell oder kollektiv
geschieht, hat weiter keine Auswirkung auf die Qualität der Lizenz. Die Unterscheidung
ergibt sich nur aus praktischen Überlegungen. Wo eine individuelle Rechtewahrnehmung
wegen der Masse an Lizenznehmern praktisch unmöglich ist, erfolgt sie kollektiv.
Die Verwertungsgesellschaften erteilen den Verwertern (etwa den Anbietern von
Online-Musikdiensten, Radiosendern, Tonträgerherstellern, Veranstaltern) kollektiv
Werknutzungsbewilligungen. Die jeweilige Verwertungsgesellschaft bekommt dafür
pauschalierte Summen, die sie wiederum an ihre Mitglieder ausschüttet. Mitglieder sind
dabei all jene Personen, die einen Wahrnehmungsvertrag abgeschlossen haben.
Eine kollektive Wahrnehmung durch die Verwertungsgesellschaften erfolgt aber
nur bei unveränderten Massennutzungen, wie der Sendung, öffentlichen Wiedergabe
oder öffentlichen Zurverfügungstellung.108 Aus verständlichen Gründen ist es dem Urheber
oder Verleger nicht möglich, die vielen tausenden Nutzungen individuell zu genehmigen.
Dies
kann
nur
durch
eine
Verwertungsgesellschaft
erfolgen.
Die
Verwertungsgesellschaften setzen dabei die Bedingungen für die Verwertung fest,
kontrollieren diese, nehmen die Vergütungen ein und verteilen sie nach einem Schlüssel an
106
Die zurzeit bestehenden Gesamtverträge (GV) können unter <akm.at/Musiknutzer/Gesamtvertraege/>
eingesehen werden.
107
Hüttner, Der Gesamtvertrag, in Dittrich/Hüttner (Hrsg), Das Recht der Verwertungsgesellschaften (2006)
305.
108
Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2, § 1 VerwGesG Rz 3.
32
Teil I: Rechtsgrundlagen: Kollektive oder individuelle Rechtewahrnehmung?
ihre Mitglieder.109 Der Vorteil für die Urheber bzw Leistungsschutzberechtigten ist dabei,
dass die Verwertungsgesellschaften die Kontrolle der Verwertung für sie übernehmen. Für
die Nutzer besteht der Vorteil darin, dass sie die Rechte der Nutzung von zentraler Stelle
erwerben können.
In manchen Bereichen ist hingegen die individuelle Rechtewahrnehmung
möglich und sinnvoll. Diese bedeutet, dass die Vergabe der Lizenz unmittelbar durch den
Rechteinhaber (Komponist, Textdichter oder Verlag) erfolgt. Dies geschieht nur bei
Verwertungen, die keine „unveränderte Massennutzung“ des Werkes darstellen. In diesen
Bereichen ist sie der kollektiven vorzuziehen, weil die individuelle Rechtewahrnehmung es
dem Rechteinhaber ermöglicht, die Bedingungen für die Vergabe der Lizenz selbst zu
bestimmen. Kann er das Erfüllen dieser Bedingungen auch selbst kontrollieren, so ist die
individuelle Rechtewahrnehmung die bessere Variante. Sie erfolgt idR über Lizenzen, die
ausschließlicher oder nichtausschließlicher Natur sein können und die Verwertung des
Werkes in einer oder allen der in §§ 14–18a UrhG aufgezählten Verwertungsarten
genehmigen.
Wird ein Werk verändert, dh „bearbeitet“ (§ 5 UrhG), so liegt keine
„unveränderte“ Massenutzung vor. Folglich hat die Lizenzierung individuell zu erfolgen,
entweder durch den Urheber selbst oder dessen Verlag. Dabei ist zu bemerken, dass nicht
jegliche Änderung eine Bearbeitung im urheberrechtlichen Sinne darstellen muss, denn
auch dem ausübenden Künstler soll Raum für seine künstlerische Freiheit gegeben werden.
§ 21 Abs 1 Satz 2 UrhG besagt, dass insb jene Änderungen zulässig sind, die der Urheber
„nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen nicht
untersagen kann“. Der Urheber muss aber keine „Entstellungen“ seines Werkes dulden.
Dies gilt nur, wenn das Werk benutzt wird, wodurch es der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht wird oder zum Zweck der Verbreitung vervielfältigt wird (§ 21 Abs 1 Satz 1
UrhG).
Mittels
des
Verlagsvertrages
räumt
der
Urheber
dem
Verlag
idR
Werknutzungsrechte ein. Der Verlagsvertrag ist in den §§ 1172 und 1173 ABGB geregelt.
In praktisch jedem Verlagsvertrag räumt der Urheber dem Verlag die Druckrechte
(graphische Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte) ein. Damit wird dem Verlag
gestattet, die Noten der Werke zu drucken. Aber auch die Wahrnehmung der sog „großen
109
Popp, Verwertungsgesellschaften (2001), 15f. (=ÖSGRUM 25).
33
Teil I: Rechtsgrundlagen: Kollektive oder individuelle Rechtewahrnehmung?
Rechte“ erfolgt durch Verlage, da diese so besser wahrgenommen werden können. Diese
„großen Rechte“ betreffen Fälle der bühnenmäßigen Aufführung (Oper, Musicals), aber
auch zB das Bearbeitungsrecht oder das „Synch-Right“ (Verfilmungsrecht) gehören
dazu.110
110
Siehe schon die Aufzählung auf Seite 16 f., Dokalik, Musik-Urheberrecht, Rz 162.
34
Teil II: Musikdienste im Internet: Kollektive oder individuelle Rechtewahrnehmung?
Teil II: Musikdienste im Internet
Seit das Internet Mitte der 1990er Jahre in breiteren Bevölkerungsschichten populär
wurde, entwickelten sich mehrere Online-Musikdienste, mit deren Hilfe die Nutzer von
ihnen gewünschte Musik anhören konnten. In dieser Zeit wurde das MP3-Format vom
deutschen Fraunhofer-Institut veröffentlicht.111 Dieses Dateiformat beschleunigte die
Nachfrage nach Musik rasant. Die Besonderheit daran ist, dass nur jene Schallereignisse
gespeichert werden, die für den Menschen bewusst wahrnehmbar sind, wodurch sich die
Dateigröße deutlich reduziert.112 Das MP3-Format gilt nach wie vor als das StandardFormat im Musikbereich, obwohl mittlerweile schon viele Alternativen wie das WMAFormat oder Ogg-Vorbis entwickelt wurden. Durch diese Innovation und deren explosive
Verbreitung wurden die Schritte der Produktion und Distribution in der klassischen
Wertschöpfungskette ersetzt.113 Abbildung 6 (B) zeigt, wie sich die klassische
Wertschöpfungskette (WSK) durch das digitale Format MP3 verändert hat. Die Produktion
körperlicher Datenträger wie der CD wäre demnach nicht mehr nötig. Damit fällt auch die
Distribution dieser Tonträger weg, sodass diese nie in den Einzelhandel kommen.
111
<mp3-geschichte.de/de/vermarktung.html>.
Zur genaueren Geschichte: Musmann, Genesis of the MP3 Audio Coding Standard, IEEE Transactions on
Consumer Electronics, August 2006, 1043, online: <users.ipfw.edu/reddpv01/mp3Genesis.pdf>.
113
Neef/Blömer, Konvergenztechnologie und Musikverwertung, in Moser/Scheuermann (Hrsg), Handbuch
der Musikwirtschaft (2003) 105.
112
35
Teil II: Musikdienste im Internet: Kollektive oder individuelle Rechtewahrnehmung?
Abbildung 6: Veränderung der Wertschöpfungskette (WSK) in der Musikbranche114
Anfangs beachtete die Musikindustrie den Internetvertrieb von digitaler Musik
nicht, sie betrieb weiterhin das Tonträgergeschäft mit dem Verkauf von CDs. Die CD ist
auch in der Gegenwart noch im Handel verfügbar, wenngleich sich deren Produktion
aufgrund der hohen Kosten oft nicht mehr auszahlt. Sie erfährt heute durch die neuen
Online-Dienste eine Entwertung wie seinerzeit die Musikkassette (MC) durch die
Entwicklung der CD. Spätestens mit dem Aufkommen der Filesharing-Software Napster
wurde die Musikindustrie unsanft wachgerüttelt. Napster war 1998 gestartet und erfreute
sich schnell großen Zulaufs. Es handelte sich dabei um eine Peer-to-Peer-Tauschbörse115.
Sie war zentral serverbasiert angelegt und erlaubte den Clients116, Dateien online zu
tauschen, alles umsonst und unbegrenzt. Durch diese Entwicklung wird die
Wertschöpfungskette (bei Nichtbeachtung der Rechte) völlig ad absurdum geführt (vgl
oben Abbildung 6 Punkt E). Jeder Napster-User hatte Zugriff auf die MP3-Sammlung der
anderen User. Die Tauschbörse funktionierte einfach und schnell, was erfreulich für die
zahlreichen Nutzer war. Jedoch gab es ein Problem: Napster kümmerte sich nicht um die
114
Die Abbildung stammt aus Neef/Blömer in Moser/Scheuermann, Handbuch der Musikwirtschaft 105
(105).
115
Dazu später im Abschnitt über Filesharing mehr, Seite 45 ff.
116
Ein Client ist im Gegensatz zum Server ein Nutzercomputer, der auf die Dateien des Servers zugreifen
kann. Der Server stellt ein Programm dar, das mit dem Client kommuniziert, um diesem Zugang zu einem
Dienst (hier: Napster) zu gewährleisten.
36
Teil II: Musikdienste im Internet: Kollektive oder individuelle Rechtewahrnehmung?
Beachtung der Urheber- oder Leistungsschutzrechte. Die Reaktion der Musikindustrie ließ
nicht lange auf sich warten. Im Juli 2001 wurde der Dienst nach gerichtlichem Rechtsstreit
eingestellt.117 Napster ist aber nach wie vor eine bekannte Marke und ist nun schon seit
Ende 2005 ein legaler Abonnementdienst118, der den Abonnenten gegen monatliche
Entrichtung einer Gebühr Musik anbietet. Der Dienst wurde im November 2011 vom
amerikanischen Unternehmen Rhapsody gekauft.
Der Wandel weg vom physischen Tonträger hin zur digitalen Musik ist nun im Jahr
2013 längst vollzogen. Es werden nach wie vor immer weniger physische Tonträger
verkauft, der Musikkonsum ist aber so hoch wie noch nie zuvor. Grundsätzlich ist zu
konstatieren,
dass
der
digitale
Musikkonsum
im
Gegensatz
Tonträgermarkt weltweit nach wie vor stark ansteigend ist.
119
zum
physischen
Der Verkauf von digitalen
Musikalben steigerte sich im Jahr 2011 weltweit um geschätzte 23 %, auch
Musikabonnement-Dienste sind im Jahr 2011 um geschätzte 65 % gestiegen.120 Damit gibt
es weltweit rund 13 Millionen Nutzer, die Musik online konsumieren. 121 Die Nutzer waren
anfangs noch skeptisch, sich bei Musikabonnementdiensten anzumelden, jetzt verstehen
sie, wie diese Dienste funktionieren, und sehen die großen Vorteile.122 Laut der neuesten
Fallstudie über Österreich ist der österreichische Online-Musikmarkt im Jahr 2012 um
10 % gewachsen und machte 26,5 Mio € Umsatz.123 2012 war für die Musikindustrie das
Jahr mit den meisten Umsätzen seit 1998.124 Der Umsatz auf dem digitalen Musikmarkt
wird für das Jahr 2013 auf 5,6 Mrd US$ geschätzt und macht 34 % aller Umsätze der
Musikindustrie aus.125
Der folgende Teil gibt einen Überblick über die bereits etablierten Formen von
Musikdiensten im Internet. Pro-Music ist eine Vereinigung von Personen und
Organisationen, die im Musikbereich tätig sind. Deren Website www.pro-music.org gibt
anhand einer Liste Aufschluss über die in den jeweiligen Ländern der Welt bestehenden
117
Strasser, A&M Records v Napster. Eine Analyse vor dem Hintergrund des amerikanischen Urheberrechts,
MR 2001, 6.
118
Siehe Seite 43 ff.
119
Der Wert des physischen Tonträgermarktes hat sich seit 2004 um 31 % verkleinert, wohingegen der Wert
des digitalen Musikmarktes seit 2004 um mehr als 1.000 % gestiegen ist, IFPI, Digital Music Report 2011, 5;
online unter <ifpi.org/content/library/DMR2011.pdf>.
120
IFPI, Digital Music Report 2012, 10; online unter: <ifpi.org/content/library/DMR2012.pdf>.
121
IFPI, Digital Music Report 2012, 10.
122
Vgl Edgar Berger von Sony Music, IFPI, Digital Music Report 2012, 10.
123
IFPI, Digital Music Report Austria 2013, 18, online unter: <ifpi.org/content/library/DMR2013Austria.pdf>.
124
IFPI, Digital Music Report 2013, 5.
125
IFPI, Digital Music Report 2013, 6.
37
Teil II: Musikdienste im Internet: Download-Dienste
legalen Musikdienste. Die Liste ist nicht umfassend, gibt aber einen guten Überblick über
die bekanntesten Online-Musikdienste. Weltweit bestehen zurzeit rund 500 legale
Musikdienste, die rund 20 Millionen verschiedene Tracks anbieten.126 Mittlerweile
existieren ganz unterschiedliche Online-Musikdienste, durch die Musik auf verschiedene
Art und Weise verwertet wird. Online-Musikdienste sind meist kommerzielle Angebote
der Musikwirtschaft, über welche die Nutzer Titel streamen oder herunterladen können.
Allen Musikdiensten ist gemeinsam, dass sie hochgeladene Musikstücke in einer
Datenbank zum Anhören anbieten. Dabei lassen sich folgende vier Online-Dienste
grundsätzlich unterscheiden: Download-Dienste, Abonnement-Dienste, Internetradio
und Filesharing-Dienste. Download-Dienste, Abonnement-Dienste und FilesharingDienste sind wirtschaftlich dem Bereich der Erstverwertung zuzurechnen. Das bedeutet,
dass diese Dienste den physischen Tonträgermarkt zu substituieren vermögen und so direkt
in Konkurrenz zu diesem stehen. Heutzutage wird nach wie vor das Tonträgergeschäft als
Primärmarkt angesehen. Der digitale Musikkonsum hat in den letzten Jahren so drastisch
zugenommen, dass dieser mE in naher Zukunft als neuer Primärmarkt gelten wird. Das
Internetradio ist idR der Zweitverwertung zuzurechnen, da es aufgrund des Fehlens einer
interaktiven Eingriffsmöglichkeit vonseiten des Nutzers den Tonträgermarkt nicht zu
substituieren vermag.
A. Download-Dienste
Die erste zu beschreibende Kategorie von Online-Musikdiensten ist jene der
Download-Dienste. Bei diesen werden Musikdateien auf einem Server zur Verfügung
gestellt. Der Server dient als zentrale Schnittstelle. Er stellt seine Dienste den Clients über
das Internet zur Verfügung. Die Geschichte der Download-Dienste beginnt etwa Mitte der
1990er Jahre. Zu jener Zeit bestanden schon ausreichend leistungsstarke Verbindungen
über das Telefonnetz (ISDN), die einen Dateienaustausch ermöglichten. Die Nutzer
können bei Download-Diensten in der Datenbank des Diensteanbieters nach den
gewünschten Tracks oder Alben selbst suchen. Vorab muss der Diensteanbieter demnach
sämtliche anzubietende Musikdateien hochgeladen haben. Die Nutzer bestimmen
interaktiv, welche Dateien sie herunterladen wollen. Die Download-Dienste zählen daher
zu den sog „Music-On-Demand“-Diensten.127 Dieser Begriff erfasst jene Dienste, bei
denen der Nutzer selbst auswählt, welches Musikstück er wann hören möchte. Durch den
126
127
IFPI, Digital Music Report 2012, 10.
Zum Begriff vgl Haller, Music on demand (2001) 1 ff.
38
Teil II: Musikdienste im Internet: Download-Dienste
Download werden die Dateien dem Nutzer dauerhaft zur Verfügung gestellt. 128 Die
Dateien werden auf der Festplatte des Nutzers gespeichert und die Nutzer können diese in
der Folge nach Belieben Kopieren, es sei denn es besteht ein DRM-System129, das gewisse
Nutzungsarten unterbindet.
In den letzten Jahren gab es geradezu einen Boom der Download-Dienste. Auch im
Jahr 2011 stieg die Anzahl der Nutzer von Download-Diensten deutlich.130 Die Preise für
einen Track liegen bei allen Download-Shops meist zwischen € 0,69 und € 1,59. Der Preis
für ein aktuelles Album liegt bei rund € 10. Zudem sind die Downloadshops allesamt von
der Bedienung her einfach aufgebaut. Nach und nach steigen immer mehr Anbieter in das
Geschäft der Download-Dienste ein. So sind vor kurzem Saturn und Mediamarkt ebenfalls
auf dem österreichischen Markt aktiv. Die in Österreich zur Verfügung stehenden größten
und bekanntesten Download-Shops weisen von ihrem Angebot keine großen Unterschiede
mehr auf. Neben Musik bieten diese Musikportale meist auch Hörbücher, Videos und
Klingeltöne an. Die in Österreich am häufigsten genutzten Portale sind der iTunes Store
und Amazon MP3.131 800.000 Nutzer von Online-Musikshops werden in Österreich
gezählt. Eine aktuelle GfK-Studie132 hält als Ergebnis fest, dass 94 % der downloadenden
Nutzer mit den online bestehenden Musikangeboten zufrieden sind. Als Gründe werden die
Bequemlichkeit des Kaufvorganges angegeben (65 %) sowie das Angebot (58 %), für
deutlich weniger (47 %) ist der Preis ausschlaggebendes Kriterium. Ein durchschnittlicher
Online-Musikkäufer erwirbt in Österreich durchschnittlich 7,77 Musiktracks im Monat. Er
gibt dabei durchschnittlich 3,46 € im Monat aus. Im Jahr 2012 ist die Anzahl an
heruntergeladenen Einzelsongs um rund 25 % auf 11,5 Mio € Umsatz gestiegen, der
Download gesamter Alben ist um 6,5 % auf einen Umsatz von 12,5 Mio € gestiegen.
Der iTunes Store wird von Apple betrieben. Dieser Dienst ging im April 2003 das
erste Mal online. Der iTunes Store ist die weltweit führende Online-Musikplattform.133 Er
128
Manche Dienste führen in ihren Nutzungsbedingungen extra den Hinweis „dauerhaft“ an, denn im
Gegensatz dazu sind bei Abodiensten die Downloads mit der Kündigung des Abos unbrauchbar.
129
Unter DRM (Digitales Rechtemanagement) versteht man die Implementierung von technischen
Schutzmaßnahmen in Dateien oder Datenträgern. So sollte verhindert werden, dass die erworbenen Dateien
schrankenlos weitergegeben werden.
130
Zul APA-Meldung <derstandard.at/1343744169999/Downloads-bekommen-wachsende-Bedeutung-fuerMusikindustrie>. Der Single-Track-Download ist in den USA im Jahr 2011 um 10 % gestiegen, in
Großbritannien um 8 % und in Frankreich gar um 23 %, IFPI, Digital Music Report 2012, 10.
131
IFPI, Digital Music Report 2013 Austria, 18.
132
IFPI, Digital Music Report 2013 Austria, 18.
133
IFPI, Musikmarktbericht Österreich 2011, 16, online unter: <ifpi.at/uploads/IFPI_Musikmarkt2011.pdf>.
39
Teil II: Musikdienste im Internet: Download-Dienste
bietet von allen Downloadshops das größte Angebot.134 Bis vor September 2006 hieß der
Dienst noch iTunes Music Store. Da aber nun auch Videos, Filme und Spiele angeboten
werden, wurde er in iTunes Store umbenannt. Apple bietet seine iTunes mit DRM-Schutz
an. Das DRM-System von iTunes Store heißt FairPlay. Mittlerweile wurden auch iTunes
Plus eingeführt, diese haben eine bessere Klangqualität, sind etwas teurer, aber dafür
DRM-frei. Nur offene Standards erlaubten mE wohl eine Steigerung des Umsatzes im
digitalen Musikmarkt. Daher sind alle großen Downloadshop-Betreiber mittlerweile auf
DRM-freies MP3-Format umgestiegen. Diese Online-Shops können zwar noch nicht den
Verlust durch den Rückgang des Tonträgermarktes kompensieren, sie sind aber auf dem
Weg in diese Richtung. Die offenen Dateiformate sollen die Nutzer von diesen Diensten
überzeugen.135 Ende April 2009 wurde schließlich das gesamte Musikangebot des iTunes
Store DRM-frei.136 iTunes-Musikdateien sind neben dem Computer (wenn die iTunesSoftware installiert wurde) jedoch nur auf Apple-Geräten oder wenigen anderen
lizenzierten Geräten (das sind einige Sony- und Samsung-Player)137 abspielbar. Um den
iTunes Store nutzen zu können, muss der Nutzer eine spezielle Software herunterladen. Die
aktuelle Software iTunes 10.6 ist mehr als 70 Megabyte groß. Bei Amazon und Musicload
kann man einzelne Tracks downloaden, ohne vorab eine spezielle Software installieren zu
müssen. Will man bei Amazon aber ein ganzes Album herunterladen, benötigt der Nutzer
ein kleines Programm (3 Megabyte) namens Amazon MP3-Downloader. Bei Musicload
wird keine eigene Software benötigt, da die Musik direkt über den Browser geladen wird.
Musicload ist ein weiterer großer Musikdownloadshop in Österreich. Er wird von
der Deutschen Telekom betrieben und ging das erste Mal im Oktober 2003 online. Neben
einem Downloadshop bietet Musicload mit Musicload Nonstop seit 2006 auch einen
Musikabonnementdienst an. Seit März 2009 bietet Musicload seine Musikstücke im
kopierschutzfreien MP3-Format ohne Wasserzeichen138 mit einer Bitrate139 von 256 kbit/s
an. Auch DRM-geschützt sind die Tracks nicht. Bei Musicload kann man den
134
Dies ergibt sich aus Tests, wie zB jenem des Computermagazins Chip.de: Rößler, Musik-Download: Die
besten Portale im Test (3.1.2010): <chip.de/artikel/Musik-Download-Die-besten-Portale-im-Test6_39324152.html>.
135
Gerrit Pohl/Jochen Strube, Umfrage „Zukunft der Musik“. Die Musikbranche verdirbt sich das Geschäft
<spiegel.de/netzwelt/spielzeug/umfrage-zukunft-der-musik-die-musikbranche-verdirbt-sich-das-geschaeft-a465090.html>.
136
<heise.de/newsticker/meldung/Macworld-iTunes-Musik-wird-vom-Kopierschutz-befreit-194183.html>.
137
<chip.de/artikel/Musik-Download-Die-besten-Portale-im-Test-5_39324054.html>.
138
<heise.de/newsticker/meldung/Musicload-will-DRM-loswerden-158433.html>; Zur Relevanz und
Anwendbarkeit von Audio-Wasserzeichen: <musictrace.de/technologies/watermarking.de.htm>; Ulbricht,
Digital Rights Management, in Moser/Scheuermann (Hrsg), Handbuch der Musikwirtschaft (2003) 134.
139
Die Bitrate gibt Auskunft über die übertragene Datenmenge, je höher sie ist, desto besser ist idR die
Qualität der Aufnahme, <de.wikipedia.org/wiki/Bitrate>.
40
Teil II: Musikdienste im Internet: Download-Dienste
entsprechenden Track als MP3 oder WMA downloaden.140 Früher stellten DownloadDiensteanbieter, und zT tun sie dies auch heute noch, die Musiktracks im WMA-Format
zur Verfügung. Diese Dateien waren durch DRM geschützt, was dazu führte, dass sie nicht
weitergegeben, dh kopiert werden konnten.141
Jeder der Download-Dienste erlaubt darüber hinaus das probeweise Anhören aller
Stücke, das sog „Prelistening“. Durch das Prelistening kann man idR 30 Sekunden142 lang
einen Track anhören. Im Pop-Rock-Bereich gibt es bezogen auf die Angebotsvielfalt
weniger Unterschiede zwischen den einzelnen Downloadshops. Unterschiede tun sich im
Klassik- und auch Jazzbereich auf. Auch die Bezahlarten variieren bei den DownloadDiensten, wobei Bezahlen mit Kreditkarte immer möglich ist. Eine der wichtigsten
Kriterien für den Kauf von Musik im Internet sind jene der Qualität. Sowohl iTunes als
auch Musicload und Amazon MP3 bieten ihre Tracks im MP3-Standard mit einer Bitrate
von 256 kbit/s an, die eine sehr gute Klangqualität gewährleistet. iTunes werden genauer
gesagt mit einer Bitrate von 256 kbit/s im etwas besseren AAC-Format (Advanced Audio
Coding) zur Verfügung gestellt. Da nun alle Dienste ihre Tracks im MP3-Format anbieten,
ist das Dateiformat kein Kriterium für die Auswahl eines Musikdienstes mehr. Die Qualität
der Dateien ist im Vergleich zwischen den Diensten annähernd gleich. Natürlich findet die
Codierung bei sämtlichen Diensten mit variablen Bitraten statt, sodass komplexere Stellen
höhere Bitraten vorweisen und weniger komplexe niedrigere. Damit wird die
Speichergröße möglichst niedrig und so der Download kurz gehalten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Download-Dienste durch
interaktiven Abruf und dauerhafte Speicherung auszeichnen. Der Nutzer kann also
selbst entscheiden, wann er welches Musikstück herunterlädt. Indem er das Musikstück
herunterlädt, ist es ein für alle Mal auf seinem Computer gespeichert, und kann von ihm
jederzeit angehört werden. Durch diese Eigenschaften vermögen die Download-Dienste
den traditionellen Tonträgermarkt zu substituieren, da sie das anbieten, was man auch beim
Kauf eines Tonträgers als Leistung erhält, einmal abgesehen von der Zugabe des
Booklets.143
140
Musicload AGB, 7, online unter: <static.musicload-shop.de/file/agb_legal/at/agb_musicload_at.pdf>.
Mehr dazu unter: <musicload.de/hilfe/musik/dateiformatewmaundmp3.ml>.
142
Der iTunes Store erlaubt zT sogar ein 1 Minute und 30 Sekunden langes Prelistening.
143
Haller, Music on demand (2001) 31 ff; Unter einem „Booklet” versteht man das gedruckte „Beiheft” zu
einem Tonträger.
141
41
Teil II: Musikdienste im Internet: Abonnementdienste
B. Abonnementdienste
Musikabonnementdienste bieten den Nutzern gegen Entrichtung eines monatlichen
Entgelts unbeschränkten Zugang zu ihrem Musikbestand an. Bei den AbonnementDiensten kann man wiederum jene unterscheiden, die es dem Nutzer ermöglichen, Titel
herunterzuladen, und jene, die es dem Nutzer ermöglichen, die Musik nur als AudioStream anzuhören. Beide Arten stellen ebenfalls eine Art von „Music On Demand“ dar,
da der Nutzer interaktiv bestimmen kann, was er sich wann anhört. Die
Abonnementdienste präsentieren sich als interessante Alternative zum klassischen
Tonträgermarkt. Alle diese Dienste haben gemeinsam, dass die Musik nur während der
Zeit, in der das Abonnement aufrecht ist, angehört werden kann. Kündigt man sein
Abonnement,
sind
sämtliche
heruntergeladenen
Musikdateien
unbrauchbar.
Die
Musikdateien können dann also nicht mehr angehört werden, außer das Abonnement wird
erneut verlängert.
Auch Abonnementdienste haben einen Substitutionseffekt auf den Tonträgermarkt,
denn die Nutzer können ja selbst bestimmen, welchen Track sie herunterladen und wann
sie diesen abspielen. Besonders die Abo-Streaming-Dienste werden als äußerst
zukunftsträchtig angesehen.144 Dies ist auch daran zu erkennen, dass neben Google und
Apple neuerdings auch Amazon einen solchen Dienst starten möchte.145 Als Vorteil ist zu
nennen, dass diese Dienste dem Nutzer die Verwaltung der Audiodateien ersparen. Bei
Downloadprogrammen muss der Nutzer die Dateien selbst in einem Ordner auf der
Festplatte speichern und wiederfinden, um die gewünschte Datei abspielen zu können. Er
muss also seine gespeicherten Dateien selbst verwalten. Dies entfällt bei StreamingDiensten. Die Abonnementdienste versuchen ihre Nutzerzahlen zu steigern, indem sie mit
Social Networks wie va Facebook zusammenarbeiten. Um zB Spotify überhaupt nutzen zu
können, musste man früher einen Account bei Facebook haben („Spotify-Social“). Mit
November 2012 ist ein Facebook-Account nun nicht mehr Zugangsvoraussetzung.146 Die
Facebook-Nutzer wurden so zunehmend auf Spotify aufmerksam gemacht. Durch diese
Integration können auch die angehörten Tracks via Facebook geteilt werden, sodass die
Freunde informiert werden, was der Nutzer gerade hört. Ebenfalls muss die Musikindustrie
nicht befürchten, dass diese Stücke illegal in Tauschbörsen getauscht werden, denn dies ist
aufgrund des bloßen Streamings nicht möglich. Ein weiterer Vorteil ist schlichtweg die
144
IFPI, Musikmarktbericht Österreich 2011, 16.
<futurezone.at/produkte/14757-auch-amazon-will-musikabos-starten.php>.
146
<futurezone.at/produkte/12332-oesterreich-spotify-laesst-facebook-zwang-fallen.php>.
145
42
Teil II: Musikdienste im Internet: Abonnementdienste
Einfachheit, Zugriff auf ganz unterschiedliche Stile von Musik zu haben. So sind AboStreamingdienste gerade für Jugendliche mit schnell wechselndem Musikgeschmack
besonders geeignet.147 Die wohl bekanntesten Abo-Dienste in Österreich sind der
ursprünglich schwedische Dienst Spotify, der französische Dienst Deezer und der deutsche
Dienst Simfy. Im Jahr 2012 erzielten Streamingdienste mit 50 % und einem Umsatz von
rund 1,5 Mio € die größten Zuwächse aller Online-Musikdienste in Österreich.148 Alle
erwähnten Dienste bieten rund 20 Millionen Songs an.
Spotify wurde 2006 in Stockholm gegründet und ging im Oktober 2008 das erste
Mal online. In Österreich ist Spotify seit 15. November 2011 verfügbar.149 Dieser Dienst
mag
als
Musterbeispiel
eines
Abonnementdienstes
stehen.
Alle
anderen
Abonnementdienste funktionieren ähnlich. Spotifiy ist in Europa hinter iTunes Store der
zweitgrößte Digitalmusikdienst überhaupt.150
Die Abonnementdienste ziehen Nutzer zunächst an, indem sie vorab beschränkten
freien Zugang gewähren. Bei Spotifiy gibt es vier unterschiedliche Service-Varianten
(„Free Service“, „Unlimited Service“, „Premium Service“ und „mobile Service“).
Finanziert wird der Dienst durch Nutzergebühren und Werbung. Bei der „Free-Variante“
müssen die Nutzer idR Werbung in Kauf nehmen oder eine Zeit lang warten, bis sie den
nächsten Song abspielen können, zudem ist nicht das gesamte Musikrepertoire abrufbar.
Dies ist auch bei der „Unlimited-Variante“ von Spotify der Fall.151 In den ersten 6 Monaten
gibt es hierbei keine Beschränkung bezüglich Spieldauer oder Anzahl der Wiedergaben
eines Stückes. Nach dieser Zeit wird die Spieldauer auf 10 Stunden monatlich beschränkt
und ein Track kann maximal 5 Mal abgespielt werden. Kosten fallen keine an. Beim
„Premium Service“ kann wahlweise jährlich oder monatlich gezahlt werden. Dieser Modus
ist werbefrei. Der „mobile Service“ ist für Handsets (zB Mobiltelefone oder Tablets), die
Spotify unterstützen, gedacht. Mit der Spotify-App für Smartphones kann man maximal
3.333 Songs auch offline anhören. Nach spätestens 30 Tagen muss man sich wieder online
anmelden, damit die Songs weiterhin offline wiedergegeben werden können.
Auf Spotify kann man nicht nur Musik streamen, sondern auch als Download
erwerben. Bei den Download-Varianten unterscheidet man „à la carte-Downloads“ von
147
OECD, Digital Broadband Content: Music, 57 f, online unter: <oecd.org/sti/ieconomy/34579763.pdf>.
IFPI, Digital Music Report 2013 Austria, 18.
149
<spotify.com/at/blog/archives/2011/11/15/hello-austria-spotify-here/>.
150
IFPI, Musikmarktbericht Österreich 2011, 16.
151
Vgl Spotify Österreich Nutzungsbedingungen 1., online: <spotify.com/at/legal/end-user-agreement/>.
148
43
Teil II: Musikdienste im Internet: Filesharing
„Download-Paketen“. Beim Erwerb eines Download-Paketes erhält man Credits auf sein
Spotify-Konto, die man für Downloads einlösen kann. Ein Credit entspricht dabei einem
(dauerhaften) Download. Bei „à la carte-Downloads“ wird jeder Download einzeln
abgerechnet. Auch Spotify bietet also einen integrierten Downloaddienst an, ist aber va
bekannt für seinen Abonnement-Streaming-Dienst. Viele Dienste kombinieren wie Spotify
Abonnement- und Downloaddienst.
Jeder Abo-Dienst bietet idR eine „Free-Variante“ an. Der Nutzer kann also anfangs
den Dienst erst einmal ausprobieren. Die Nutzer von einem Wechsel von der Free-Variante
zu einer kostenpflichtigen Variante zu motivieren, ist also das Wichtigste für diese
Dienste-Anbieter. Die Vorteile der Premium-Variante sind: keine Werbung, bessere
Soundqualität und die Möglichkeit, seine Musiksammlung auf portablen Geräten oder
sogar offline abzuspielen. Daneben gibt es Schnupperangebote wie eine 30 Tage lange
kostenlose Testphase. Dieses Geschäftsmodell ist in den letzten Jahren stark expandiert.
Besonders die Nutzung von Abo-Diensten über das Mobiltelefon wird immer beliebter.
Man geht davon aus, dass allein im Jahr 2011 der Nutzeranstieg dieser Dienste um 65 %
zugelegt hat, sodass die Nutzeranzahl weltweit rund 13 Millionen beträgt.152 In Österreich
verzeichneten Streamingdienste im Jahr 2012 mit über 50 % den größten Zuwachs.153
C. Filesharing
Der amerikanische Student Shawn Fanning hat Napster im Jahr 1998 programmiert.154
Damit schuf er ein Programm, das den Nutzern die Möglichkeit gab, Dateien untereinander
im Internet auszutauschen, unbeschränkt und völlig kostenlos. Musik war damals schon in
MP3-Format komprimierbar, was aufgrund der geringen Dateigröße einen Austausch mit
relativ geringen Wartezeiten möglich machte. Einfach und schnell war der Dienst und für
jedermann nutzbar. Die großen Vorteile für die Nutzer und der damit verbundene
Aufschrei der Musikindustrie machten Napster schnell in der Öffentlichkeit bekannt. Die
Musikindustrie begann Napster rechtlich zu bekämpfen. Im Jahr 2001 wurde der Dienst
nach einem Rechtsstreit eingestellt und in einen legalen Abonnementdienst mit zentralem
Server umgeformt.155 Trotz des Wissens um die Illegalität dieser Programme wird die
Musikpiraterie auch heute noch als das größte Problem der Musikindustrie angesehen. Eine
152
IFPI, Digital Music Report 2012, 10.
IFPI, Digital Music Report 2013 Austria, 18, <ifpi.org/content/library/DMR2013-Austria.pdf>.
154
Siehe zum Entstehen von Napster: Röttgers, Mix, Burn & R.I.P., 17 ff, online unter:
<mixburnrip.de/download.php>.
155
Strasser, A&M Records v Napster. Eine Analyse vor dem Hintergrund des amerikanischen Urheberrechts,
MR 2001, 6.
153
44
Teil II: Musikdienste im Internet: Filesharing
aktuelle Studie der Europäischen Kommission kommt jedoch zu dem Schluss, dass illegale
Musikdownloads aus Tauschbörsen gerade positive Auswirkungen auf den digitalen
Erwerb von Musikstücken hätten.156 Abgesehen von unterschiedlichen Studien157 über den
Einfluss solcher Tauschbörsen auf das Kaufverhalten, funktioniert Musikpiraterie im
großen Stil vor allem durch Filesharing-Programme.
Filesharing ist der englische Begriff für „Dateien teilen”. Der deutsche Begriff für
Filesharing ist jener der „Tauschbörse“, was mE ein wenig irreführend ist, da es ja nicht
auf einen Austausch („do ut des“) ankommt. „Peer to Peer – P2P“ bezeichnet ein Merkmal
der Nutzercomputer. P2P besagt, dass die Nutzercomputer untereinander gleichrangig sind.
Es gibt also keine Über- und Unterordnung (Server-Client), sondern jeder Nutzercomputer
ist gleichzeitig Server und Client. Die Client-Server-Struktur stellt im Gegensatz dazu
die traditionelle Art der Kommunikation im Internet dar. Dabei kommunizieren die Clients
mit einem zentralen Server, auf dem die angefragten Dateien lagern. Der Server hat dabei
Kenntnis, welcher Client auf welche Dateien zugreift. Ebenfalls kann er den Zugriff auf
seine Dateien sperren (Abbildung 7).158
Abbildung 7: Mike steht in direkter Verbindung mit dem Server, über den er die Dateien A, B und C
159
abrufen kann. John wurde der Zugriff auf den Server gesperrt.
156
<netzpolitik.org/2013/studie-der-eu-kommission-urheberrechtsverletzungen-von-musik-haben-positiveauswirkung-auf-kaufverhalten/>, die Studie ist online abrufbar unter:
<pts.jrc.ec.europa.eu/publications/pub.cfm?id=6084>.
157
Eine Zusammenstellung dieser Studien findet man zB unter
<laquadrature.net/wiki/Studies_on_file_sharing_eng>.
158
Mayrhofer, Technische Hintergründe für das rechtliche Handeln im Internet, in Mayrhofer/Plöckinger
(Hrsg), Aktuelles zum Internetrecht (2006) 1 (12).
159
Abbildung aus: Mayrhofer in Mayrhofer/Plöckinger, Aktuelles zum Internetrecht, 1 (12).
45
Teil II: Musikdienste im Internet: Filesharing
Um einen Filesharing-Dienst in Anspruch nehmen zu können, muss eine entsprechende
Software auf dem Nutzercomputer installiert sein. Die zu tauschenden Dateien befinden
sich auf den Festplatten der Nutzer, die jeweils voneinander diese Dateien herunterladen
können. Es handelt sich beim P2P-Filesharing nicht um einen zentralen Server, auf dem
die Dateien bereitgehalten werden, sondern um ein dezentrales System. Möchte ein Nutzer
also einen Track herunterladen, gibt er den entsprechenden Musiktitel in eine Suchmaske
ein und die Software sucht nach Computern, die gerade online sind und diese Titel
freigegeben haben. Die Software verbindet diese zwei Computer und ermöglicht so das
Herunterladen der Dateien. Jeder Nutzer ist daher zugleich Nachfrager und Anbieter.
Es lassen sich grundsätzlich zwei verschiedene P2P-Systeme voneinander
unterscheiden. Diese sind:
1) jene mit zentralem Server und
2) reine P2P-Systeme ohne zentrale Instanz.
Die erste Art von Peer-to-Peer-Systemen ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die
Dateien zwar nicht mehr auf einem zentralen Server befinden, sondern auf die Peers
zerstreut sind, der Server stellt jedoch zentral die Suchfunktion nach diesen Dateien
bereit. Damit der Server weiß, welche Dateien sich auf den Peers befinden, müssen sich
diese bei ihm anmelden. Wird nach einem Begriff gesucht, gibt der Server die Adresse des
die Datei anbietenden Peer bekannt. Napster war nach diesem Prinzip, also zentral,
aufgebaut. Dh es bestand ein zentraler Ausgangsserver. Nach der Installation der Software
registriert sich der Nutzer am Server. Auf diesem werden die IP-Adresse des
Nutzercomputers gespeichert und der Ort auf der Festplatte jener Dateien, die der Nutzer
zum Download freigegeben hat (im sog „Shared Folder“) bzw automatisch freigegeben
werden. Sucht ein anderer Nutzer nun nach bestimmten Titeln, wird eine Suchanfrage an
den Server gesendet und diese Suchanfrage mit den freigegebenen Dateien verglichen.
Wird dann die gefundene Datei angeklickt, wird eine Verbindung zum jeweiligen Client
hergestellt und die Datei direkt heruntergeladen. Voraussetzung dafür ist, dass der
jeweilige Client online ist, denn nur dann kann der andere Nutzercomputer auf die Datei
zugreifen. Der Server dient lediglich als Schnittstelle zur Verbindung der Clients. Wird der
Server abgeschaltet, funktioniert das Filesharing nicht mehr (Abbildung 8).160
160
Huber, Internet-Tauschbörsen. Piraterie oder freie Werknutzung? (2006) 7.
46
Teil II: Musikdienste im Internet: Filesharing
Abbildung 8: Mike schickt eine Suchanfrage nach der Datei A ab, der Server liefert die Adresse von John
als Suchergebnis, da dieser die Datei A hat. Die Übertragung der Datei A findet direkt zwischen den Peers
161
John und Mike statt.
Bei dieser Konstruktion ist der Server in Besitz aller Informationen. Er kann den
Zugriff auf einzelne Dateien der Peers so leicht sperren. Ebenso beruhen Instant Messenger
(„Chatprogramme“) wie ICQ und Skype, Internet-Telefonie oder Bittorrent auf dieser
Struktur.162
Die nächste Filesharing-Generation (Abbildung 9) ist gekennzeichnet durch das
Fehlen eines zentralen Servers. Neben den Dateien ist nun auch die Suche dezentral
organisiert. Jeder Peer ist dabei nur mit in seiner Nähe befindlichen Peers verbunden.
Dieses System abzuschalten, ist daher tatsächlich viel schwieriger bis unmöglich, denn
jeder einzelne Nutzer hält das System aufrecht. Musterbeispiel für ein System mit
dezentraler Struktur ist das Gnutella- oder Kazaa-Netzwerk. Die Nutzer können über
verschiedene Clients auf dieses Netzwerk zugreifen. Diese Client-Programme heißen zB
LimeWire, Bearshare oder Morpheus. Sendet der Nutzer eine Suchanfrage, werden in der
Folge alle Clients durchsucht.
161
162
Abbildung aus: Mayrhofer in Mayrhofer/Plöckinger, Aktuelles zum Internetrecht, 1 (13).
Mayrhofer in Mayrhofer/Plöckinger, Aktuelles zum Internetrecht, 1 (13).
47
Teil II: Musikdienste im Internet: Filesharing
Abbildung 9: Mike sucht nach Datei A. Jane und Joe sind naheliegende Peers. Joe ist ein Peer, der die
Suche wiederum an ihm naheliegende Peers übermittelt. Joe erhält von John eine positive Antwort, dass
dieser die Datei gespeichert hat. John sendet die Antwort über Joe zurück an Mike, weshalb Mike nun
Kenntnis von der Adresse der Datei A hat. Die Übertragung der Datei erfolgt wieder direkt zwischen Mike
163
und John.
Jeder Peer sieht dabei nur, welche Suchanfragen an ihn gerichtet werden und mit
welchem Peer er in direkter Verbindung steht, dh von wem er Dateien bezieht oder wem er
Dateien bereitstellt.
Eine noch um eine Stufe weiter entwickelte Version von P2P-Netzwerken arbeitet
mit Verschlüsselungstechniken. Das führt dazu, dass nur unter größerer Anstrengung die
Identität der Peers festgestellt werden kann. Bekannteste Filesharing-Software in diesem
Bereich ist Freenet.
Tauschbörsen sind nach wie vor beliebte Plattformen zum illegalen Austausch von
Musikdateien und das illegale Filesharing ist nach wie vor eines der größten Probleme der
Musikindustrie.164 Mittlerweile werden Filesharing-Systeme auch verwendet, um Musik
legal anzubieten.165 Beispiele dafür sind Mashboxx oder iMesh. Die Filesharing-Systeme
gehören ebenfalls zum Bereich der „Music On Demand“, da die Nutzer interaktiv Musik
163
Abbildung aus: Mayrhofer in Mayrhofer/Plöckinger, Aktuelles zum Internetrecht, 1 (14).
IFPI, Digital Music Report 2011, 14.
165
OECD, Digital Broadband Content: Music, 78 f.
164
48
Teil II: Musikdienste im Internet: Internetradio
nachfragen. In Österreich beziehen laut einer aktuellen Studie 1,1 Mio Personen Musik
gratis über Filesharing-Programme.166
D. Internetradio
Internetradio ist ein Dienst, der Radiosendungen im Internet anbietet. In den letzten
Jahren hat sich das Internetradio zu einem sehr beliebten Online-Musikdienst entwickelt.
Die Nutzung von Internetradio ist zwar bei Weitem (noch) nicht so beliebt, wie die
Nutzung des „normalen“ UKW-Radios, die Nutzerzahlen sind jedoch stetig am Steigen.
Der Markt für Internetradios ergibt sich daraus, dass viele Nutzer ihre Songs nicht immer
einzeln anwählen möchten, sondern es angenehm finden, dass ein automatisches System
Musiktracks nach ihrem Musikgeschmack abspielt, ohne dass der Nutzer viel eingreifen
muss. In Studien lässt sich va ablesen, dass Nutzer von Internetradios diese präferieren, da
diese ihren Musikgeschmack besser einbeziehen, zum einen wegen der Vielfalt an
Spartenradios und zum anderen wegen der Möglichkeit, Einfluss auf den Programmablauf
gemäß ihrem Musikgeschmack nehmen zu können.167 Darüber hinaus erlauben sie es, auf
eine einfache Weise neue bisher unbekannte Musik nach ihrem Geschmack zu entdecken.
Mittlerweile gibt es auch „Radiowebcaster“, die die vom Computer über das Internet
empfangenen Signale über Antenne an eine herkömmliche Stereoanlage senden können. 168
Internetradios lassen sich vergleichsweise mit geringem Aufwand betreiben. Das ist
auch ein Grund, warum viele derartige Dienste existieren. Viele Dienste sind zudem über
Applikationen auf Smartphones zugänglich. Beim Internetradio hat sich für die
Übertragung die Streamingtechnologie durchgesetzt. Die gehörten Programme werden
also nicht dauerhaft auf der Festplatte des Nutzers gespeichert. Die interaktive
Abrufbarkeit von einzelnen Musiktracks oder Audioprogrammen ist dabei idR nicht
gegeben. Damit handelt es sich folglich auch nicht um einen „Music On Demand“-Dienst.
Neben Musik werden auch andere Programmarten wie zB Hörspiele, Lesungen oder
Nachrichten gesendet. Da aber Musik besonders beliebt ist, wird von den Radioanbietern
vorrangig Musik gesendet.
166
IFPI, Digital Music Report 2013 Austria, 18.
Vgl die Studien Windgasse, Media Perspektiven 2009, 129 ff und Rose/Rosin, Internet VII, 15,
<arbitron.com/downloads/internet7.pdf>.
168
Siehe auch den ausführlichen Test von Internetradios der Zeitschrift STEREO auf
<stereo.de/index.php?id=628>.
167
49
Teil II: Musikdienste im Internet: Internetradio
Viele Sendeunternehmen übertragen ihre Radiosendungen zeitgleich auch im Internet,
um mehr Hörer erreichen zu können.169 Dabei handelt es sich um das sog „Simulcasting“.
Diese Übertragungsart setzt sich begrifflich zusammen aus den Wörtern „simultaneous“
(gleichzeitig) und „broadcast“ (senden, übertragen). Sie meint man also eine zeitgleiche,
vollständige und unveränderte Übertragung eines terrestrisch oder via Satellit
ausgestrahlten Programms im Internet.170 Fast alle UKW-Radiostationen senden auch im
Simulcast.171 „Simulcasting“ ist zu unterscheiden vom sog „Webcasting“. Dieser Begriff
setzt sich zusammen aus „web“ (World Wide Web) und „broadcast“. Dieses Verfahren
beschreibt jenen Sachverhalt, wenn der Radioanbieter seine Inhalte einzig und allein über
das Internet überträgt.172
Auch die Nutzung von sog „personalisierten Webradios“ nimmt zu. In den USA ist
der größte, bekannteste und erfolgreichste Internetradioanbieter Pandora. Anfang April
2013 erreichte dieser rund 200 Millionen Hörer in den USA, Australien und Neuseeland.
Das ist eine Verdoppelung innerhalb weniger als 2 Jahre.173 Pandora ist ein
personalisiertes Internetradio, was bedeutet, dass der Hörer in gewissem Ausmaß Einfluss
auf die zu spielenden Titel nehmen kann. In Österreich ist Pandora nicht verfügbar. Eines
der bekanntesten personalisierten Webradios in Österreich war Last.fm. Das in
Großbritannien
gegründete
Unternehmen,
das
mittlerweile
im
Eigentum
des
amerikanischen Medienkonzerns CBS steht, hat jedoch seinen Radiodienst mit 15. Jänner
2013 in Österreich eingestellt. Mit dem deutschen Dienst Aupeo.com174, dem gerade neu
auf den Markt gekommenen amerikanischen Dienst Rdio175 und den Radiodiensten von
Spotify und Deezer stehen aber genügend gute Alternativen im Bereich personalisierter
Webradios zur Verfügung. Apple arbeitet ebenfalls an einem Radiodienst, der ab Sommer
2013 starten soll.176 Diese Dienste arbeiten mit einem Empfehlungssystem, das dem Nutzer
Musik empfiehlt sowie ermöglicht, Verbindungen mit anderen Fans herzustellen. Künstler
oder Tonträgerhersteller können zudem ihre geschaffene oder produzierte Musik
169
Siehe etwa die Angebote des ORF unter <radio.orf.at>.
Siehe dazu die Definition von Simulcasting als „die gleichzeitige Verbreitung über das Internet von
Tonaufzeichnungen mit der Übertragung der Rundfunksignale“ in EK 8. 8. 2002, COMP/C2/38.014 - IFPI
"Simulcasting", ABl 2003 L 107/57 (58). „Rundfunk“ umfasst hier ebenfalls das Fernsehen.
171
Eine Übersicht von Simulcasting- und Webcasting-Diensten findet sich zB unter <radio.at>.
172
Eine umfassende Zusammenstellung von Webcasting- und Simulcastingdiensten findet sich zB unter
<radio.at>.
173
<futurezone.at/produkte/15134-internetradio-pandora-hat-200-millionen-user.php>.
174
Aupeo wurde im April 2013 vom japanischen Elektronik-Konzern Panasonic übernommen,
<heise.de/newsticker/meldung/Panasonic-uebernimmt-deutschen-Streamingdienst-Aupeo-1837148.html>.
175
<futurezone.at/produkte/14599-musik-dienst-rdio-startet-in-oesterreich.php>.
176
<heise.de/newsticker/meldung/Apple-Radiodienst-angeblich-ab-Sommer-1833569.html>.
170
50
Teil II: Musikdienste im Internet: Internetradio
hochladen und so Lizenzgebühren lukrieren. Die Radiodienste kann man auch kostenlos
benutzen. Ein Upgrade auf ein kostenpflichtiges Abo wird um ca € 3-5,- pro Monat
angeboten. Dadurch hat man als Nutzer die Möglichkeit, stärker in das spielende
Programm einzugreifen, da man zB unbegrenzt einen Song überspringen kann
(„Skippen“). Auch muss man so nicht Audio-Werbeunterbrechungen hören. Ebenfalls hört
man die Musiktracks in einer besseren Klangqualität und man kann sein Benutzerkonto mit
mehreren Geräten (zB Smartphone) verbinden.
Das Internetradio ist, wie das herkömmliche Radio eine Art der Zweitverwertung
von Musik. Zweitverwertung bedeutet, dass diese Form der Verwertung den
Tonträgervertrieb nicht vollständig substituieren kann. IdR ergänzen Internetradios nur den
Tonträgervertrieb, weil sie eben nicht vollkommen interaktiv funktionieren. In den letzten
Jahren haben sich jedoch Formen des Internetradios entwickelt, die sehr wohl interaktive
Elemente vonseiten des Nutzers in sich tragen, denn unter den Internetradioanbietern gibt
es auch Abrufarten, die es dem Hörer in gewissem Maße erlauben, Eingriff in das zu
hörende Programm zu geben (zB den gehörten Track noch einmal zu hören). Manche
Radioanbieter senden ihre Programmteile innerhalb gewisser Abstände erneut, sodass der
Nutzer mit einem bestimmten Stück innerhalb gewisser Zeit rechnen kann. Andere
Radioanbieter bieten eine Funktion an, Programmtitel zu überspringen. Diese Formen
werden dann dem Bereich des „Near On Demand“ zugeordnet.177 Wieder andere Dienste
stellen schon gesendete Programme als Programmarchive in das Internet. Der ORF bietet
etwa auch im Internet Archive seines Programmes an. Damit wird den Nutzern ein
interaktiver Abruf ermöglicht. Je mehr der Nutzer in die Programmstruktur eingreifen
kann, desto mehr rückt der Internetradiodienst in die Nähe des „Music On Demand“ und
damit der Erstverwertung von Musik.
177
Haller, Music on demand (2001) 20.
51
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Einleitung
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet
A. Einleitung
In diesem Teil der Arbeit sollen die in Teil II beschriebenen Musikdienste nun
rechtlich analysiert werden. Betreiber von Online-Musikdiensten bieten Musik zum
Anhören an. Sie müssen daher vor dem öffentlichen Anbieten eine Erlaubnis der
Rechteinhaber einholen. Rechteinhaber sind zum einen die Urheber des betreffenden
Werkes und zum anderen die Leistungsschutzberechtigten der betreffenden Darbietung des
Werkes und sonstige Berechtigte (Gestalter des Covers178). Die Rechte der Urheber
befinden sich vertraglich meist in Händen der Verwertungsgesellschaften, die Rechte der
Leistungsschutzberechtigten sind in der Hand des jeweiligen ausübenden Künstlers, des
Tonträgerherstellers oder der Verwertungsgesellschaften.
Bei der nun folgenden Analyse wird chronologisch vorgegangen. Zuerst werden
allgemeine technische Vorgänge mit ihren rechtlichen Implikationen und betroffene
Rechteinhaber dargestellt, die allen oder mehreren in der Folge erläuterten OnlineMusikdiensten gemein sind: der Up- und Download, ausgewählte Beschränkungen der
Verwertungsrechte
Streamingtechnologie
(va
Vervielfältigung
(betrifft
zum
eigenen/privaten
Abonnementdienste,
Internetradio,
Gebrauch),
nicht
die
jedoch
Download-Dienste). Anschließend werden die Online-Musikdienste in Bezug auf die
betroffenen Verwertungsrechte der Reihe nach rechtlich erläutert. Am Anfang werden die
Download-Dienste analysiert, sodann die Abonnement-Dienste, gefolgt von FilesharingDiensten und vom Internetradio. Bei Download-Diensten ist es dem Nutzer erlaubt,
Musik dauerhaft auf seiner Festplatte abspeichern, Abonnement-Dienste gestatten ihm, die
Musik zu streamen und zT auch dauerhaft abzuspeichern, bei Filesharing-Diensten kann
der Nutzer die gewünschte Musik dauerhaft abspeichern, wohingegen Internetradios
wiederum nur das Streamen erlauben.
Die Subsumtion eines Online-Musikdienstes unter die jeweilige Verwertungsart ist
von erheblicher rechtlicher Bedeutung. Daran knüpfen sich nämlich die Rechte der
Rechteinhaber bzw ein bloßer Vergütungsanspruch. In praxi stellt sich iZm OnlineMusikdiensten die Frage, ob sie noch dem Senderecht (§ 17 UrhG) oder schon dem Recht
der öffentlichen Zurverfügungstellung (§ 18a UrhG) zuzuordnen sind. Die Zuordnung
hängt von der Möglichkeit der Einflussnahme in den Programmablauf durch den Nutzer
178
Unter „Cover“ versteht man in diesem Zusammenhang das oft künstlerisch gestaltete Deckblatt eines
Tonträgers.
52
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Allgemeine technische Vorgänge und
rechtliche Analyse
ab. Bei den Online-Nutzungen handelt es sich um komplizierte Nutzungen, die nicht ohne
Weiteres eingeordnet werden können. Kann der Nutzer derart Einfluss nehmen, so dass
man von einem interaktiven Abruf sprechen kann, wird in das Zurverfügungstellungsrecht
eingegriffen. Ist die Einflussnahme in den Programmablauf dem Nutzer weitgehend
entzogen, so wird bloß in das Senderecht eingegriffen. Aufgrund des Sendeprivileges
können ausübende Künstler und Tonträgerhersteller eine Sendung nicht verbieten (§§ 70
Abs 2 und 76 Abs 3 UrhG). Ihnen steht dann kein Verbotsrecht zu, sondern gebührt bloß
eine „angemessene Vergütung“. Die Erteilung der Werknutzungsbewilligung erfolgt in
diesem Fall über die LSG, die auch die Vergütungen kassiert und verteilt. Ist das Recht der
öffentlichen Zurverfügungstellung betroffen, kann die Nutzung von den ausübenden
Künstlern und den Tonträgerherstellern sehr wohl verboten werden (§§ 71a iVm 66 Abs 1
UrhG, § 76 Abs 1 UrhG). Besonders Internetradio-Dienste befinden sich oft in einem
Grenzbereich zwischen Senderecht und Zurverfügungstellungsrecht. Der vorliegende
Teil der Arbeit soll bezogen auf bestimmte beliebte Online-Musikdienste Klarheit über die
verwertungsrechtliche Zuordnung in Österreich schaffen.
B. Allgemeine technische Vorgänge und rechtliche Analyse
1. Upload und Download
a. Upload
Mit jedem Betreiben eines Online-Musikdienstes gehen mehrere urheberrechtlich
relevante Tatbestände einher. Zu Beginn steht immer der sog „Upload“ („Hochladen“).
Damit das musikalische Werk im Internet durch einen Online-Musikdienst den Kunden
angeboten werden kann, muss es zuerst in digitaler Form zur Verfügung stehen. Dies
geschieht durch den Upload. Damit ist das Hochladen von Daten auf einen
Serverrechner zu verstehen. Es ist technisch mit dem Speichern einer Datei auf einer
Festplatte gleichzusetzen, nur dass die Daten eben auf der Festplatte des mit dem Internet
in Verbindung stehenden Webservers gespeichert werden. Der Upload ist sowohl der Akt
des Hochladens auf den Serverrechner als auch das Ergebnis des Hochladens, also die nun
auf dem Server bereitstehende Datei. Um ein Musikstück hochladen zu können, muss
dieses zunächst in digitaler Form vorliegen. Eine handelsübliche Audio-CD liegt zwar
auch in digitaler Form vor. Um aber via Internet angeboten werden zu können, muss diese
noch in ein Format mit geringer Dateigröße, etwa in das MP3-Format, konvertiert
(„gerippt“) werden. Bei Upload, Digitalisierung und Konvertierung von Dateien handelt es
53
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Allgemeine technische Vorgänge und
rechtliche Analyse
sich unbestritten jeweils um eine urheberrechtliche Vervielfältigung.179 Auch der OGH
hat in seiner Entscheidung Radio Melody III die Speicherung von auf Tonträgern
verkörperten Musikdarbietungen auf einer Computerfestplatte als Eingriff in das
Vervielfältigungsrecht angesehen.180 Dabei ist es ausreichend, wenn das kopierte Material
selbst nicht wahrnehmbar ist, sondern erst nach Umsetzung auf ein Vervielfältigungsstück
oder Wiedergabegerät wahrnehmbar wird.181 Die mittelbare Wahrnehmbarkeit ist also
bereits ausreichend.182 Durch den Upload werden Daten der Öffentlichkeit in der Weise
zur Verfügung gestellt, dass das Werk dem Nutzer von Orten und zu Zeiten seiner Wahl
zugänglich ist (§ 18a UrhG).183
Der Upload ist auch im Hinblick auf das Verbreitungsrecht zu prüfen. Wirtschaftlich
gesehen ist das Anbieten einer Datei im Internet nichts anderes als das Anbieten einer CD
zum Verkauf im physischen Warenhandel. Das Verbreitungsrecht des § 16 UrhG räumt
dem Urheber das ausschließliche Recht ein, „Werkstücke zu verbreiten“. Kraft dieses
Verbreitungsrechts dürfen Werkstücke ohne seine Einwilligung weder feilgehalten noch
auf eine Art, die das Werk der Öffentlichkeit zugänglich macht, in Verkehr gebracht
werden. „In Verkehr bringen“ bedeutet dabei, dass ein anderer das zivilrechtliche
Eigentum über die Sache erwirbt. Nur wenn mit Einwilligung des Urhebers oder eines
anderen Rechteinhabers das Eigentum eines Werkstückes übertragen wird, erlischt das
Verbreitungsrecht des Urhebers.184 Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage aus dem Jahr
1936 sagen: „Das Verbreitungsrecht bildet […] sowohl bei veröffentlichten als auch bei
noch
nicht
veröffentlichten
Werken
eine
notwendige
Ergänzung
des
Vervielfältigungsrechts. Der Urheber soll durch das Verbreitungsrecht davor geschützt
werden, dass unbefugt hergestellte Vervielfältigungsstücke von anderen verbreitet werden
und dass dadurch sein Vervielfältigungsrecht mehr oder weniger wertlos gemacht wird.“185
Hat jemand das Werkstück ohne Einwilligung des Urhebers in Verkehr gebracht, so wird
das Verbreitungsrecht auch bei jeder weiteren nicht genehmigten Verbreitungshandlung
verletzt. Wird aber ein Werkstück mit der Einwilligung des Urhebers oder Berechtigten in
179
Büchele, Urheberrecht im WWW (2002) 54.
OGH 26.1.1999, 4 Ob 345/98h – Radio Melody III – EvBl 1999/108 = GRUR-Int 1999, 968 = MMR
1999, 352 (Haller) = MR 1999, 94 (Walter) = ÖBl 2000, 86 = RdW 1999, 409.
181
Büchele, Urheberrecht im WWW, 56.
182
Siehe dazu ausführlich Vock, Gedanken zur digitalen Vervielfältigung, in FS Dittrich (2000) 343.
183
Gaderer in urheber.recht2 § 18a, 4.8. jedoch in Bezug auf P2P-Tauschbörsen.
184
Anderl in urheber.recht2 § 16, 4.2.
185
ErlRV 1936 in Dillenz, ÖSGRUM 3, 69.
180
54
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Allgemeine technische Vorgänge und
rechtliche Analyse
Verkehr gebracht, so soll dieses Werkstück dem Verbreitungsrecht nicht mehr unterliegen.
Das Verbreitungsrecht ist dann erschöpft (Erschöpfungsprinzip, § 16 Abs 3 UrhG).
Im Internet werden Musikstücke durch Online-Musikdienste digital verfügbar gemacht.
Das
Anbieten
zum
Download
ist
die
öffentliche
Verbreitung
eines
Vervielfältigungsstückes. § 16 Abs 1 UrhG begreift das Anbieten („Feilhalten“, „in
Verkehr bringen“) als Vorbereitungshandlung.186 Das Verbreitungsrecht ist nach hM aber
nicht auf Internetsachverhalte anzuwenden. Es bezieht sich nur auf das Anbieten von
körperlichen Werkstücken und nicht auf das Anbieten von digitalen Dateien im Internet.187
Der OGH hat, um den Sachverhalten mit Internetbezug einigermaßen gerecht zu werden,
den körperlichen Werkbegriff immer mehr aufgeweicht. So hat er die Übermittlung eines
Fotos über das APA-Bildfunknetz an Medienunternehmen, bei denen es gleichzeitig
ausgedruckt
wurde,
als
Verbreitung angesehen.188
Auch in
der
Entscheidung
„Medienprofessor“ hat der OGH die Aufnahme von Bildern und Texten auf eine
Homepage als Verbreitungshandlung qualifiziert.189 Seit 1.7.2003 werden solche
unkörperlichen Verbreitungsakte unter das Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung
des § 18a UrhG subsumiert.
Wie schon in Teil I der Arbeit dargelegt, war der Erschöpfungsgrundsatz auf
Online-Sachverhalte bis zur noch zu behandelnden UsedSoft-Entscheidung nicht
anzuwenden,190 dh bei der Online-Zurverfügungstellung war immer wieder eine Erlaubnis
der Rechteinhaber einzuholen, denn das Verbreitungsrecht war auf unkörperliche Sachen
(zB Musikdateien) nicht anzuwenden. Es ist zu fragen, ob das Anknüpfen an
unterschiedliche Rechtsfolgen, je nachdem, ob Körperlichkeit gegeben ist oder nicht,
zweckhaft ist. Stellt man auf die wirtschaftliche Bedeutung von körperlichen Tonträgern
und digitalen MP3-Dateien im Internet ab, so dienen beide demselben Zweck. Daher
spricht sich Handig191 aus praktischen und wirtschaftlichen Gründen für eine Erstreckung
des
Erschöpfungsgrundsatzes
bei
Online-Erwerb
aus.
Er
nimmt
Bezug
auf
heruntergeladene Musikstücke, die seines Erachtens dazu bestimmt sind, auf einem
186
Büchele, Urheberrecht im WWW, 61.
ErlRV 1936 in Dillenz, ÖSGRUM 3, 69.
188
OGH 4.10.1994, 4 Ob 1091/94 – APA-Bildfunknetz; zustimmend Walter, MR 1995, 125; krit Dittrich,
ecolex 1997, 367.
189
OGH 12.6.2001, 4 Ob 127/01g – Medienprofessor – MR 2001, 304.
190
Siehe Seite 28 ff.
191
Handig, Urheberrechtliche Erschöpfung von Downloads im World Wide Web, RdW 2003, 2 (3).
187
55
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Allgemeine technische Vorgänge und
rechtliche Analyse
Datenträger (zB Festplatte) verkörpert zu werden und dauerhaft zu Verfügung zu stehen. 192
Auch Berger vertritt die Idee der Ausweitung auf die Weiterveräußerung in unkörperlicher
Form aus.193 Dennoch widerspricht dies dem Wortlaut des Gesetzgebers, wenn er in § 16
Abs 1 UrhG ausdrücklich auf (körperliche) Werkstücke abstellt. Die Materialien führen
dies explizit aus, wenn sie sagen: „Das Verbreitungsrecht bezieht sich daher nur auf die
Verwertung körperlicher Festlegungen des Werks, also auf Werkstücke, mag es sich um
Urstücke oder um Vervielfältigungsstücke handeln.“194 Zu betonen ist, dass die
Erschöpfungsproblematik nur das Verbreitungsrecht berührt. Das Vervielfältigungsrecht
bleibt davon unberührt. Dieses bleibt nach wie vor dem Urheber exklusiv zugeordnet.
Das Problem ist Folgendes: Der Downloaddiensteanbieter stellt eine Datei zum
„Kauf“ zur Verfügung. Diese Datei ist kein Werkstück, da eine Datei keine körperliche
Eigenschaft hat. Damit läge eigentlich keine Verbreitung vor, weil diese Körperlichkeit
voraussetzt. Als Konsequenz kommt auch nicht der Erschöpfungsgrundsatz zur
Anwendung. Da wirtschaftlich gesehen aber kein Unterschied zwischen körperlichen
Tonträgern und unkörperlichen Dateien besteht, da beide denselben Zweck erfüllen, wollen
einige Autoren wie Handig und Berger den Erschöpfungsgrundsatz entgegen dem
Gesetzeswortlaut zur Anwendung bringen und damit dem Downloaddiensteanbieter nicht
mehr Schutzrechte zugestehen als einem Händler physischer Tonträger.195
Der EuGH sprach in seiner Entscheidung UsedSoft196 iZm Gebrauchtsoftware
bemerkenswerterweise aus, dass es für die Erschöpfung des Verbreitungsrechts nicht von
Relevanz ist, ob der Hersteller die Kopie auf einem physischen Datenträger oder per
Download in Verkehr bringt.197 Zum Sachverhalt: Die UsedSoft GmbH handelte mit
Lizenzen von Usern der Oracle-Software. Der Erwerber dieser gebrauchten „ClientServer-Software“ konnte diese von der Website von Oracle herunterladen. Oracle vertrieb
85 % der Software per Download über das Internet. Auf Kundenwunsch werden die
Programme auch als CD-ROM oder DVD geliefert. Der Kunde erwarb durch einen
Lizenzvertrag, das Recht, die Software dauerhaft auf einem Server zu speichern und so
einer bestimmten Anzahl von Nutzern Zugriff zu gewähren. Durch einen SoftwarePflegevertrag konnte der Kunde auch „Updates“ (Aktualisierungen der Software) und
192
Handig, Urheberrechtliche Erschöpfung von Downloads im World Wide Web, RdW 2003, 2 (2).
Berger, Urheberrechtliche Erschöpfungslehre und digitale Informationstechnologie, GRUR 2002, 198.
194
ErlRV 1936 in Dillenz, ÖSGRUM 3, 69.
195
Anderl in urheber.recht2 § 16, 4.5.
196
EuGH 3.07.2012, C-128/11 (UsedSoft).
197
Vgl. Staudegger, Zulässigkeit und Grenzen des Handels mit „Gebrauchtsoftware“, jusIT 2012/57, 127.
193
56
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Allgemeine technische Vorgänge und
rechtliche Analyse
„Patches“ (fehlerbehebende Programme) herunterladen. UsedSoft erwarb von OracleKunden diese Lizenzen und verkaufte sie als „Gebrauchtsoftware“ weiter. Nach den
Lizenzverträgen
ist
die
Weitergabe
jedoch
nicht
gestattet.
Die
Computerprogrammeherstellerin Oracle International Corp. erhob daraufhin Klage gegen
die mit ihrer Software handelnden UsedSoft GmbH. Das Landgericht München I verurteilte
UsedSoft daraufhin. Die Berufung wurde zurückgewiesen, woraufhin UsedSoft Revision
beim BGH einlegte, der wiederum dem EuGH 3 Fragen zur Vorabentscheidung vorlegte.
Diese beschäftigen sich mit dem Begriff des „rechtmäßigen Erwerbers“ iSd RL
91/250/EWG198 und mit dem Erschöpfungsgrundsatz. Im Zentrum der Entscheidung steht
die Frage, ob der Erschöpfungsgrundsatz auch bei Downloads greift.
Zunächst klärt der EuGH die Frage, wann das Herunterladen einer Programmkopie
aus dem Internet mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers zu einer Erschöpfung des
Verbreitungsrechts nach Art 4 Abs 2 RL 2009/24/EG führen kann. Art 4 Abs 2 RL
2009/24/EG bestimmt, dass sich das Verbreitungsrecht der bestimmten Kopie mit dem
Erstverkauf in der Union oder mit Zustimmung des Urhebers erschöpft. Es ist daher zu
prüfen, ob die lizenzvertragliche Beziehung zwischen Oracle und den Kunden als
Erstverkauf betrachtet werden kann. Der „Verkauf“ wird nach „einer allgemein
anerkannten Definition“ als eine Vereinbarung verstanden, „nach der eine Person ihre
Eigentumsrechte an einem ihr gehörenden körperlichen oder nichtkörperlichen Gegenstand
gegen Zahlung eines Entgelts an eine andere Person abtritt“ (Rz 42). Der EuGH verzichtet
allerdings darauf, eine Quelle für diese Definition anzugeben. Durch das entsprechende
Rechtsgeschäft muss also das Eigentum an der Kopie übertragen worden sein. Der EuGH
stellt klar, dass das Herunterladen der Kopie des Programmes und der Abschluss des
Lizenzvertrags über die Nutzung ein „unteilbares Ganzes“ bilden (Rz 44). Durch das
öffentliche Zugänglichmachen und den Lizenzvertrag soll den Kunden gegen Zahlung
eines Entgelts die Programmkopie dauerhaft nutzbar gemacht werden. Durch das Entgelt
wird dem Urheberrechtsinhaber ermöglicht, eine dem wirtschaftlichen Wert entsprechende
Vergütung zu erzielen.
198
Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von
Computerprogrammen, ABl L 1991/122, 42, kodifiziert durch Richtlinie 2009/24/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über den Rechtsschutz von
Computerprogrammen, ABl L 2009/111, 16.
57
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Allgemeine technische Vorgänge und
rechtliche Analyse
Da dem Nutzer die Programmkopie dauerhaft nutzbar gemacht wird und er dafür
ein Entgelt zahlt, die eine dem wirtschaftlichen Wert der Kopie entsprechende Vergütung
für den Urheberrechtsinhaber darstellt, betrachtet der EuGH die Geschäfte als solche, die
das Eigentum an der Kopie übertragen (Rz 45 f). Als Konsequenz stellen die Geschäfte
einen „Erstverkauf einer Programmkopie“ nach Art 4 Abs 2 RL 2009/24/EG dar (Rz 48).
Ob die Kopie über einen materiellen Datenträger wie CD-ROM zur Verfügung gestellt
wird oder über das Herunterladen spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle (Rz 47).
Oracle wendete ein, dass durch die Lizenzverträge dem Kunden bloß Nutzungen
eingeräumt werden und deshalb kein „Verkauf“ iSd Art 4 Abs 2 RL 2009/24/EG vorliegen
soll. Auf diesen Einwand entgegnet der EuGH, der Ansicht des Generalanwaltes folgend,
dass eine engere Auslegung es ermöglichen würde, den Erschöpfungsgrundsatz zu
umgehen, indem die Lieferer den Vertrag lediglich als „Lizenzvertrag“ anstatt als
„Kaufvertrag“ einstufen müssten (Rz 49). Weiters handelt es sich nicht um eine öffentliche
Zugänglichmachung nach Art 3 Abs 1 RL 2001/29/EG, die nach Abs 3 nicht die
Erschöpfung des Verbreitungsrechts bewirkt. Denn Art 4 Abs 2 RL 2009/24/EG sei nach
Art 1 Abs 2 lit a RL 2001/29/EG als lex specialis zu Art 3 Abs 1 RL 2001/29/EG zu
begreifen
(Rz
51).
Eine
öffentliche
Zugänglichmachung
werde
durch
eine
Eigentumsübertragung zu einer Verbreitungshandlung im Sinne von Art 4 RL
2001/29/EG, die zu einer Erschöpfung führen kann (Rz 52). Da Art 4 Abs 2 RL
2009/24/EG allein auf eine „Programmkopie“ abstelle, sei es also irrelevant, ob diese
Kopie in körperlicher oder nichtkörperlicher Form vorliege (Rz 55). Wirtschaftlich und
funktionell gesehen sind die Veräußerung eines Computerprogramms auf CD-ROM und
die Veräußerung durch Download über das Internet miteinander vergleichbar (Rz 61).
Würde man die Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes auf körperliche Kopien
beschränken, könnte der Urheberrechtsinhaber den Wiederverkauf über das Internet
kontrollieren und erneut ein Entgelt verlangen, obwohl dieser durch den Erstverkauf schon
die Möglichkeit hatte, eine angemessene Vergütung zu erzielen. Eine verbesserte
Rechtsposition des Urheberrechtsinhabers „ginge über das zur Wahrung des spezifischen
Gegenstands des fraglichen geistigen Eigentums Erforderliche hinaus“ (Rz 63). Oracle
argumentierte zudem, dass der vom Ersterwerber geschlossene Wartungsvertrag die
Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach Art 4 Abs 2 RL 2009/24 verhindert, da die an
den Zweiterwerber verkaufte Programmkopie nicht mehr der ursprünglichen entspricht,
sondern eine neue Kopie darstellt. Der EuGH sieht jedoch die durch Patches oder Updates
veränderten Funktionen als zur ursprünglichen heruntergeladenen Kopie gehörend an, die
58
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Allgemeine technische Vorgänge und
rechtliche Analyse
von den Erwerbern ohne zeitliche Begrenzung genutzt werden können. Die Erschöpfung
des Verbreitungsrechts erstreckt sich damit auch auf die verbesserte und aktualisierte
Version der Programmkopie (Rz 68). Der EuGH weist jedoch darauf hin, dass die
Erschöpfung des Verbreitungsrechts den Ersterwerber nicht berechtigt, die erworbene
Lizenz aufzuspalten und das Nutzungsrecht nur für eine von ihm bestimmte Nutzerzahl
weiterzuverkaufen (Rz 69). Der Ersterwerber, der eine Kopie, an der das Verbreitungsrecht
erschöpft ist, weiterverkauft, müsste mit dem Verkauf seine eigene Kopie unbrauchbar
machen. Dies ergibt sich aus dem ausschließlichen Vervielfältigungsrecht des Urhebers
nach Art 4 Abs 1 lit a RL 2009/24/EG (Rz 70). Bezieht sich der Erwerb zusätzlicher
Nutzungsrechte nicht auf die Kopie, für die das Verbreitungsrecht erschöpft ist, so erfolgt
der Erwerb nur, um den Kreis der Nutzer ausweiten zu können. Die Wirkung der
Erschöpfung erstreckt sich jedenfalls nicht auf den Erwerb zusätzlicher Nutzungsrechte
(Rz 71). Keineswegs verbietet der EuGH jedoch die Implementierung von technischen
Schutzmaßnahmen (§ 90c UrhG) wie zB Produktschlüssel zur Verhinderung der
Weitergabe von Software (Rz 79, 87).
Es stellt sich die Frage, ob die Entscheidung UsedSoft, die sich ja mit der
Erschöpfung von im Internet zur Verfügung gestellter Computerprogramme beschäftigt,
mit dem Download oder Streaming von Musikdateien aus dem Internet vergleichbar ist.
In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass in einem solchen Fall die RL 2009/24/EG
nicht anzuwenden wäre, da Schutzgegenstand der Richtlinie nach Art 1 Abs 1
Computerprogramme sind und nicht Dateien schlechthin. Voraussetzung für einen „Kauf“
ist, dass eine dauerhafte Nutzung eingeräumt wird. Eine dauerhafte Nutzung wird bei
Online-Musikdiensten nur bei Download-Diensten (und legalen Filesharingdiensten)
eingeräumt. Eine Erschöpfung wäre – wenn überhaupt – nur für solche Downloads
denkbar, nicht jedoch für Streams, da diese dem Nutzer nur in der Zeit des aufrechten
Abonnements zur Verfügung stehen. In letzterem Fall liegt also bloß eine Miete
(Nutzungsüberlassung
gegen
Entgelt)
vor.
Auf
der
anderen
Seite
gilt
der
Erschöpfungsgrundsatz für den körperlichen Vertrieb von Tonträgern. Da dieser Vertrieb
mit
dem
Online-Vertrieb
wirtschaftlich
gesehen
vergleichbar
ist,
würde
aus
wirtschaftlicher Sicht einiges für die Geltung der Erschöpfung der Verbreitungsregel
sprechen. Eine Geltung für zB MP3-Files ist daher von vorneherein mE nicht gänzlich
auszuschließen. Die Entscheidung könnte also Auswirkungen auf den Umgang mit MP3s
haben. Der EuGH spricht in Rz 60 aus, dass die in RL 2001/29/EG und RL 2009/24/EG
59
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Allgemeine technische Vorgänge und
rechtliche Analyse
verwendeten Begriffe grundsätzlich dieselbe Bedeutung haben. Inwieweit er damit meint,
dass der Erschöpfungsgrundsatz etwa für heruntergeladene Musik oder Filme in gleichem
Maße ausgelegt werden muss wie jener für Software-Downloads, ist noch fraglich. Da der
EuGH aber technische Schutzmaßnahmen ausdrücklich erlaubt, könnte eine stärkere
Implementierung von DRM-Systemen von den Diensteanbietern zum Schutz vor dem
Weiterverkauf stattfinden. Dieser Schritt wäre mE nicht zukunftsträchtig, weil er nur die
Kunden erneut abschrecken würde. Wenn eine Geltung der UsedSoft-Entscheidung auch
für heruntergeladene Dateien zu bejahen wäre, könnten vielmehr ganz neue Marktnischen
entstehen, Online-Plattformen wie zB www.redigi.com (Recycled Digital Media) könnten
auch in Europa tätig werden.
Das Anbieten unkörperlicher Dateien im Internet bringt freilich ein erhöhtes
Missbrauchspotenzial mit sich.199 Dies ergibt sich daraus, dass Dateien viel leichter und
schneller ohne Qualitätsverlust weitergegeben werden können als körperliche Tonträger.
Wird dieses Werk in Form einer Datei wieder verbreitet, so wird es fast immer zuvor
erneut vervielfältigt. Bei Computerprogrammen würde § 40d Abs 2 UrhG greifen, wonach
Computerprogramme
vervielfältigt
werden
dürfen,
„soweit
dies
für
ihre
bestimmungsgemäße Benutzung durch den zur Benutzung Berechtigten notwendig ist“.
Für Musikstücke existiert solch eine Bestimmung nicht. Es ist daher nur § 42 UrhG
(Vervielfältigung zum eigenen und zum privaten Gebrauch) relevant. Die Weitergabe wäre
bei Erstreckung des Erschöpfungsprinzips auf Online-Sachverhalte (abgesehen von
Gebrauchtsoftware) nur möglich, wenn dem herunterladenden Nutzer gleichzeitig auch ein
gesetzliches Vervielfältigungsrecht zugesprochen würde, was freilich nicht der Fall ist.
Damit gehen die Vorschläge für eine Ausweitung des Erschöpfungsgrundsatzes über das
eigentliche Verbreitungsrecht hinaus.200
Auch wenn durch die UsedSoft-Entscheidung noch viele weitere Fragen offen
bleiben, ist sie doch ein starkes Zeichen dafür, dass Rechte, die offline gelten, auch in der
Online-Welt ihre Legitimation haben. Vielleicht wird sie helfen, das Internet nicht
weiterhin als Gefahr, sondern als neue Chance zu sehen.
199
200
Anderl in urheber.recht2 § 16, 4.5.
So auch Anderl in urheber.recht2 § 16, 4.5.
60
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Allgemeine technische Vorgänge und
rechtliche Analyse
b. Download
Der Download, also das Herunterladen, ist der gegengleiche Vorgang zum Upload. Die
hochgeladenen Daten können von den Nutzern heruntergeladen werden. Unter Download
sind in einem weiteren Sinn alle technischen Vorgänge von der ersten Anfrage an den
Serverrechner
bis
zum
Einlangen
der
Daten
Wahrnehmbarmachen auf dem Clientrechner zu verstehen.
inklusive
201
anschließendem
Der Download bezeichnet
demnach jede dauerhafte Speicherung auf der Festplatte (Download im engeren Sinn),
aber auch die bloß vorübergehende Speicherung im Zuge der Benutzung eines StreamingDienstes (das „Streamen“) ist als Download im weiteren Sinn zu bezeichnen. Beide Arten
sind als urheberrechtliche Vervielfältigung iSd § 15 UrhG anzusehen. In der Literatur gibt
es
Meinungen,
den
Übertragungsvorgang
der
Datei
unter
einem
separaten
Verwertungsrecht zu subsumieren.202 ME muss der Übertragungsvorgang rechtlich als
untrennbar mit dem Download angesehen werden, weil dieser logische Voraussetzung ist.
2. Die Streamingtechnologie
Der Begriff des „Streamens“ kommt aus dem Englischen (to stream) und bedeutet
schlichtweg „strömen“, „fließen“. In der Informationstechnologie wird darunter ein
bestimmtes
technisches
Verfahren
verstanden,
nämlich
die
Übertragung
von
Multimediadaten ohne gleichzeitige dauerhafte Speicherung. Neben dem Video-Streaming
gibt es auch das Audio-Streaming. Die verschiedenen Arten des Streamings werden unter
den Oberbegriff „Streaming Media“ zusammengefasst.
Streaming Media bildet demnach das Internet-Äquivalent zum Hörfunk oder Fernsehen
(Rundfunk), das über die Vermittlungstechnik des Broadcast gesendet wird.203
„Broadcast“ ist eine spezielle Art der Mehrpunktverbindung. Dabei wird ein Signal
gesendet, das alle Empfänger (Clients) aufnehmen können, daher auch der deutsche
Begriff „Rund“-funk. Das Signal wird jedenfalls ausgestrahlt, egal ob die Empfänger ihre
Empfangsgeräte
eingeschaltet
haben
oder
nicht.
Rechtlich
Verbindungsart dem Senderecht des § 17 UrhG unterzuordnen.
gesehen
ist
diese
204
201
Büchele, Urheberrecht im WWW, 84.
Vgl die Standpunkte bei Quoy, GRUR Int 1998, 273 (276), insb FN 25.
203
<de.wikipedia.org/wiki/Streaming_Media>.
204
Lusser/Krassnigg-Kulhavy in urheber.recht2 § 17, 3.5.4.
202
61
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Allgemeine technische Vorgänge und
rechtliche Analyse
Abbildung 10: Broadcast.
205
Bei Musikdiensten wie Internetradios und Abonnementdiensten wird die
Streamingtechnologie benutzt. Besonders die Abo-Streaming-Dienste werden als äußerst
zukunftsträchtig angesehen.206 Beim Streaming werden die Daten schubweise in einem
„Store-and-Forward-Verfahren“ gespeichert. Mithilfe dieses Verfahrens werden
Datenpakete
von
einem
Netzknoten
zum
nächsten
weitergeleitet,
wo
sie
zwischengespeichert werden, bevor die Übertragung an den Endempfänger stattfindet.207
Dieser Datenstrom wird von einem Server gesendet und von seinem Client empfangen. Die
gesendeten Datenpakete werden durch die in der Folge angeforderten überschrieben,
sodass keine vollständige Vervielfältigung auf der Festplatte entsteht. Durch eine
bestimmte Software (zB Real Player, Windows Media Player) wird die Datei in Echtzeit
wiedergegeben.208 Beim dauerhaften Download hingegen wird die Datei auf der Festplatte
des Clients dauerhaft gespeichert und kann jederzeit wiedergegeben werden. Die Daten
werden beim Streaming also nicht dauerhaft auf der Festplatte gespeichert. Dies ist zum
einen ein Vorteil, da kein Festplattenspeicherplatz belegt wird, zum anderen kann gerade
dies als Nachteil angesehen werden, da zum erneuten Anhören die Datei erneut gestreamt
werden muss und damit Download-Volumen beansprucht.
Streaming wird technisch durch nicht dauerhafte Speicherungen im Cache erreicht. Bei
diesen Speicherungen handelt es sich zweifelsohne um Vervielfältigungen. Der
Gesetzgeber stellt das sog „Caching“ aber sinnvollerweise gem § 41a UrhG frei. Diese
Bestimmung wurde mit der UrhG-Nov 2003 eingefügt (in Kraft seit 1.7.2003) und beruht
auf Art 5 Abs 1 RL 2001/29/EG. Sie stellt die einzige zwingende Ausnahme vom
205
Der rote Punkt repräsentiert den Sender. Die grünen Punkte sind die Teilnehmer des Netzes, Quelle:
<de.wikipedia.org/wiki/Broadcast>.
206
IFPI, Musikmarktbericht Österreich 2011, 16.
207
<itwissen.info/definition/lexikon/Store-and-Forward-Verfahren-SF-store-and-forward.html>.
208
<itwissen.info/definition/lexikon/Streaming-Media-streaming-media.html>.
62
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Allgemeine technische Vorgänge und
rechtliche Analyse
Vervielfältigungsrecht dar. Durch die Rsp209 des EuGH wurde Art 5 Abs 1 RL 2001/29/EG
näher konkretisiert. Demnach ergeben sich schlussendlich 5 Voraussetzungen, die es zu
prüfen gilt, damit die Vervielfältigung vom Vervielfältigungsrecht ausgenommen werden
kann. Diese müssen kumulativ vorliegen. Die als Vervielfältigung einzustufende
Handlung muss folgende Eigenschaften besitzen:
1) Sie muss vorübergehend sein. Das bedeutet, dass die Vervielfältigung nicht über
das Maß hinausgehen darf, das für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens
nötig ist.
2) Sie muss flüchtig sein. Mit Flüchtigkeit ist gemeint, dass die Vervielfältigung nur
insoweit besteht, als sie für das Funktionieren des Verfahrens nötig ist. Sobald die
Vervielfältigung nicht mehr wegen des Verfahrens benötigt wird, wird sie gelöscht
(zB spätestens mit dem Abschalten des Computers).
3) Die Vervielfältigung muss integraler und wesentlicher Teil eines technischen
Verfahrens sein. Mit dieser Formulierung ist gemeint, dass – sobald das technische
Verfahren in Gang gesetzt ist – die Vervielfältigung ein zwingendes Erfordernis für
das Funktionieren des Verfahrens darstellt.
4) Diese Vervielfältigungen sind auf zwei Anwendungsfälle beschränkt. Der
ausschließliche Zweck der Vervielfältigungen darf nur
a. eine Übertragung im Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler
oder
b. eine rechtmäßige Nutzung des Werks oder sonstigen Schutzgegenstands
sein.
5) Die Vervielfältigungen dürfen keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung
haben. Hier kommt es darauf an, dass mit dem Vervielfältigungsstück keine
weitere Verwertung möglich ist, an der der Rechteinhaber zu beteiligen wäre.210
Anwendungsfälle in der Praxis sind das Browsing und Caching. IZm dem
Musikstreaming ist das Caching relevant. Mit „Caching“ bezeichnet man flüchtige
Speicherungen im Arbeitsspeicher (RAM) des Computers. Eine flüchtige Speicherung ist
aber nicht nur im Arbeitsspeicher möglich, sondern auch auf der Festplatte im sog „ProxyCache“ oder „Festplatten-Cache“. Dabei ist nicht ausschlaggebend, wie lange die
Vervielfältigung dauert. Wesentlich für das Vorliegen einer Vervielfältigung ist hingegen,
209
EuGH 16.7.2009, C-5/08 (Infopaq), EuGH 4.10.2011, verb Rs C-403/08, C-429/08 (FAPL), EuGH
17.1.2012, C-302/10 (Infopaq 2); siehe dazu gut zusammenfassend Staudegger, jusIT 2012/19, 45.
210
Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2 § 41a Rz 7.
63
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Allgemeine technische Vorgänge und
rechtliche Analyse
dass diese geeignet ist, das urheberrechtliche Werk vom Menschen durch seine Sinne
mittelbar oder unmittelbar wahrnehmbar zu machen.211 Das Streamen durch den Nutzer
zieht keine dauerhafte Speicherung auf der Festplatte nach sich. Die Vervielfältigung
erfolgt im Arbeitsspeicher und am Bildschirm des Nutzers. Da diese nicht dauerhaft sind,
sind sie als vorübergehend und flüchtig einzustufen. „Vorübergehend“ ist die
Vervielfältigung, weil die Speicherung nicht vom Willen des Nutzers abhängig ist.212
„Flüchtig“ ist sie, da die Vervielfältigung nur erfolgt, um die Funktion des
Streamingverfahrens zu gewährleisten. Die Vervielfältigung ist ebenfalls integraler und
wesentlicher Bestandteil des Streamingverfahrens. Ohne diese wäre das Streamen nicht
möglich. Der Zweck der Vervielfältigung muss weiters das „rechtmäßige Nutzen“ des
Angebotes sein. Von den Betreibern der besprochenen Streamingdienste (Abo-Dienste,
Internetradio) wurden Werknutzungsbewilligungen von den Rechteinhabern erworben.
Damit ist von einer rechtmäßigen Nutzung auszugehen. Und schließlich darf die
Vervielfältigung auch keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben. Da eine
solche für den Nutzer nicht ersichtlich ist, ist die letzte Voraussetzung ebenso erfüllt,
sodass alle Voraussetzungen für eine Freistellung der Vervielfältigungen nach § 41a UrhG
vorliegen. Damit ist das Streamen aus Nutzersicht urheberrechtlich unbedenklich, dh die
Vervielfältigungen im Rahmen des Streamens sind zulässig. Da beim Streaming nur
jeweils schubweise einzelne Datenpakete zwischengespeichert werden, gibt es Stimmen,
die den Werkcharakter eines solchen Datenpaketes in Zweifel ziehen.213 Dazu hat der
EuGH in seiner Entscheidung Football Association Premier League eindeutig festgehalten,
dass das zusammengesetzte Ganze Werkcharakter aufweisen muss und nicht jedes
Fragment – also Datenpaket – für sich.214
a. Simulcasting und Webcasting
Beim „Simulcasting“ und „Webcasting“ werden die Daten in Echtzeit übertragen.
Simul- und (nicht-interaktives) Webcasting sind mE als Sendung iSd § 17 UrhG zu
qualifizieren. Die Dienste werden – im Gegensatz zum herkömmlichen Radio, das in der
Form des Broadcast sendet – in der Form des „Unicast“ gesendet.215 Bei diesem existiert
211
Anderl in urheber.recht2 § 15, 2.2.
EuGH 16.07.2009, C-5/08 (Infopaq) Rz 61f.
213
Vogel, urheber.recht2 § 41a, 4.4.; Graninger, Von Kunst und Kant zu Bit und Byte – Überlegungen zum
urheberrechtlichen Werkbegriff, in FS Dittrich (2000) 133 (147).
214
EuGH 4.10.2011, C-403/08, C-429/08 (Football Association Premier League) Rz 157.
215
<de.wikipedia.org/wiki/Multicast>.
212
64
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Allgemeine technische Vorgänge und
rechtliche Analyse
ein Sender, der an mehrere Empfänger sendet. Jeder Empfänger, der die Daten abruft,
empfängt sie auch. Eine Beschränkung liegt aufgrund der Datenübertragungsrate vor, dh es
besteht eine maximale Anzahl von Nutzern, die gleichzeitig den Dienst nutzen können. Um
die Daten empfangen zu können, muss sich der Nutzer zuvor beim Sender anmelden,
indem er den Dienst startet.
Beim Simul- und Webcasting ist meist kein interaktiver Abruf möglich. Aber auch
Streaming-on-Demand wird über Unicast übertragen. Diese Unterarten von Diensten sind
den passenden Verwertungsarten zuzuordnen. Bei Simulcasting und Webcasting wird
meist in das Senderecht (§ 17 UrhG) eingegriffen werden. Bei Streaming-On-Demand wird
hingegen in das öffentliche Zurverfügungstellungsrecht (§ 18a UrhG) eingegriffen. Die
Zuordnung zur jeweiligen Verwertungsart ist von entscheidender Bedeutung, denn dadurch
entscheidet sich, ob Urheber und Leistungsschutzberechtigte ein Exklusivrecht haben oder
ob der Leistungsschutzberechtigte bloß einen Vergütungsanspruch hat.216 Die Form der
technischen Übertragung – Unicast oder Multicast – kann aber mE keinen Unterschied für
die verwertungsrechtliche Differenzierung machen. Einige Autoren wie Handig, Bortloff
oder
Eustacchio
wollen
Simul-
und
Webcastingdienste
gerade
wegen
der
Übertragungsform des Unicast dem Zurverfügungstellungsrecht zuordnen.217 Bei der
Übertragungsform des Multicast hingegen wird für eine willkürlich große Gruppe von
Nutzern ein Stream gesendet. Mülleder ordnet Simul- und Webcasting dem Senderecht und
Streaming-on-Demand dem Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung unter.218 Eine
Zuordnung durch die Judikatur fand in Österreich bislang nicht statt.
Die meisten Internetradios – egal ob Simulcasting, Webcasting oder personalisierte
Webradios – übertragen im Unicast. Unicast erfordert weitaus mehr Ressourcen als
Multicast, da jedem Client sein eigenes Signal gesendet werden muss. Daher ist Multicast
nur möglich, wenn der Dienst dem Nutzer keinen Eingriff in die Programmabfolge nehmen
kann, da ansonsten das Signal verändert würde. Im Internet ist der Unicast vorherrschend,
da viele Router219 noch nicht multicasting-kompatibel sind. In Zukunft wird sich das wohl
ändern. Bei einer Sendung über Multicast ist die Anzahl der Nutzer hingegen begrenzt. Es
216
Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2 § 14, Rz 14.
Handig, Downloads aus dem Internetradio, ecolex 2005, 921 (922); Bortloff, GRUR Int 2003, 669 (675);
Eustacchio, Raubkopien aus dem Internet, lex:itec 04/06, 26 (33); aA Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2
§ 90c Rz 73.
218
Mülleder, Streaming – eine rechtliche Einordnung, lex:itec 04/09, 24 (25).
219
Router sind Netzwerkgeräte, die Datenpakete zwischen mehreren Rechnernetzen weiterleiten können,
<de.wikipedia.org/wiki/Router>.
217
65
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Allgemeine technische Vorgänge und
rechtliche Analyse
wird dasselbe Signal an mehrere Empfänger gleichzeitig geschickt. Daher ist diese Form
der Übertragung theoretisch ressourcen-schonender. Es wird heutzutage meist in lokalen
Netzen wie Kabelnetzen verwendet. In Zukunft wird IP Multicast im Internet mE öfters zu
finden sein.
Abbildung 11: Multicast.
220
b. Streaming-On-Demand
Beim „Streaming-On-Demand“ kann der Nutzer interaktiv in das Programm
eingreifen. Der Nutzer kann festlegen, wann er den Musiktrack hört. Er kann das
Abspielen starten, beenden, pausieren, vorspulen, zurückspulen oder einfach einen anderen
Track anwählen. Hier ist dem Nutzer also nicht nur das bloße Starten und Beenden des
Dienstes möglich, sondern er hat umfassende Steuerungsmöglichkeiten. Damit sind
Streaming-On-Demand-Dienste quasi einer Tonträgeraufnahme gleichzusetzen und somit
der Primärverwertung zuzurechnen. Technisch realisiert werden diese Dienste meist über
die Routing-Methode des Unicast.221 Dabei überträgt der Sender Nachrichten an nur einen
Empfänger, der die individuelle Sendung angefordert hat.
Abbildung 12: Unicast.
220
Der rote Punkt repräsentiert den Sender. Die grünen Punkte sind die zurzeit angemeldeten Nutzer, die
gelben Punkte hingegen nicht angemeldete Dritte, <de.wikipedia.org/wiki/Multicast>.
221
<de.wikipedia.org/wiki/Unicast>.
66
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
C. Online-Musikdienste
1. Download-Dienste
a. Betroffene Verwertungsrechte
Download-Dienste bieten Musikdateien zum Download an. Diese Diensteanbieter
müssen also vorab auf ihrem Serverrechner die musikalischen Werke digital gespeichert
haben, um sie auch den Kunden anbieten zu können. Der Nutzer erhält mit dem „Kauf“
eine dauerhafte Werknutzungsbewilligung, die Musiktracks für den privaten Gebrauch zu
nutzen.222 Unter Download-Diensten in dem hier verwendeten Sinn sind jene Dienste zu
verstehen, die es ermöglichen, Musiktitel auf der Festplatte dauerhaft zu speichern. Reine
Streamingdienste sind darunter nicht zu verstehen, denn diese speichern Musiktitel nicht
dauerhaft.223 Der Download stellt eine Vervielfältigung iSd § 15 UrhG dar. Durch den
Upload wird die Musikdatei öffentlich in einer Weise zur Verfügung gestellt, dass sie
Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist (§ 18a
UrhG). Der Nutzer hat die Möglichkeit, die Datei dann von seiner Festplatte oder seinem
MP3-Player abzurufen. Die in Österreich am häufigsten genutzten Download-Dienste sind
iTunes und Amazon MP3.224 Aus praktischen Gründen erfolgt im Folgenden eine
Konzentration auf diese beiden Diensteanbieter. Die Ausführungen sind aber auch auf
ähnliche Diensteanbieter anwendbar, sofern sie nicht das DRM-System225 betreffen. Der
Diensteanbieter muss zuvor neben dem Vervielfältigungsrecht auch das Recht der
öffentlichen Zurverfügungstellung erworben haben, denn zuerst wird das Werk in Form
einer Datei im Internet angeboten. Das Recht zur öffentlichen Zurverfügungstellung ist von
der AKM zu erwerben, weil es sich bei der öffentlichen Zurverfügungstellung um eine
unveränderte
Massennutzung
handelt.
Deswegen
erfolgt
hier
eine
kollektive
Rechtewahrnehmung durch die Verwertungsgesellschaft und keine individuelle durch die
Urheber
persönlich.
Bei
der
AKM
können
die
Urheberrechte
betreffenden
Werknutzungsbewilligungen eingeholt werden. Dies ergibt sich aus Punkt I.1. lit d der
Betriebsgenehmigung und des Punktes 2.2. lit h des Wahrnehmungsvertrages der AKM. Im
zweiten Schritt lädt der Nutzer die Datei herunter. Dieser Akt stellt eine Vervielfältigung
dar. Das Vervielfältigungsrecht ist als mechanisches Recht von der austromechana zu
222
Nutzungsbedingungen des iTunes Store, Nutzungsregelungen (i), Nutzungsbedingungen des Amazon
MP3 Shops, 2.1.
223
Siehe oben Seite 62.
224
DMR 2013 Austria, 18.
225
DRM steht für „Digital Rights Management“ und bezeichnet Maßnahmen zur digitalen Rechteverwaltung
wie zB technische Schutzmaßnahmen iSd § 90c UrhG; siehe dazu weiter unten Seite 69.
67
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
erwerben. Bei einem Download-Dienst handelt es sich um eine Form der Online-Nutzung.
Die austromechana hat die AKM beauftragt, den Rechteerwerb für alle Formen der OnlineNutzung zu erledigen, da hier zwangsläufig immer das Vervielfältigungsrecht erworben
werden muss. Als Download-Diensteanbieter muss man sich demnach nur an die AKM
wenden.
Im Regelfall werden schon bestehende Musikaufnahmen in die Datenbank des
Download-Dienstes eingespeist. Deshalb ist auch die Zustimmung des Tonträgerherstellers
(oder des Interpreten, wenn diese – was äußerst selten vorkommt – nicht bei einem
Tonträgerhersteller unter Vertrag stehen) bezogen auf die Leistungsschutzrechte
einzuholen.
Hier
muss
zwischen
interaktiven
und
nicht-interaktiven
Diensten
unterschieden werden. Bei interaktiven Diensten, zu denen der Download-Dienst gehört,
sind die Leistungsschutzrechte (Tonträgerhersteller, ausübende Künstler) vom jeweiligen
Tonträgerhersteller zu erwerben (§ 76 Abs 1 Satz 1 UrhG), da Download-Dienste dem
Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung zuzuordnen sind. Da bei den meisten
Aufnahmen ein Tonträgerhersteller tätig ist und diesem vertraglich durch einen
„Künstlervertrag“ die Rechte der Interpreten eingeräumt werden, hat dieser nämlich auch
das Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung der ausübenden Künstler (§ 71a UrhG).
Der Tonträgerhersteller kann für seine Lizenz einen individuellen Preis vom
Diensteanbieter verlangen.
Bei den meisten Download-Diensten werden zudem die Album-Covers beim
Abspielen eines Musiktracks aus einem bestimmten Album angezeigt. Auch diese Rechte
müssten bei einer solchen Funktion zuerst durch den Diensteanbieter vom Fotografen nach
§ 3 iVm § 10 Abs 1 UrhG, sofern der Werkcharakter erfüllt ist, oder nach § 74 Abs 1
UrhG, sofern die Voraussetzungen für ein Werk nicht vorliegen, erworben werden. Falls
das Cover nicht aus einem Foto besteht, sondern aus einer Grafik, müssen die Rechte vom
Designer des Covers gem § 3 iVm § 10 Abs 1 UrhG erworben werden.
In Abbildung 13 sind die Rechteinhaber zusammengefasst dargestellt. Demnach
muss sich der Diensteanbieter bezüglich der Urheberrechte an die AKM wenden. Da die
austromechana die AKM mit der Einräumung von Online-Rechten beauftragt hat, genügt
es, sich bloß an die AKM zu wenden.226 Für die Werknutzungsbewilligung von der AKM
und austromechana müssen zusammen 8 % der Einnahmen (ohne USt) bezahlt werden.
226
<akm.at/Musiknutzer/Online-Nutzung/Fragen_und_Antworten>.
68
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Pro Download muss der Diensteanbieter aber mindestens 0,076 € zahlen.227 Bezogen auf
die Leistungsschutzrechte ist idR der Tonträgerhersteller zu fragen, da es sich beim
Download-Dienst um einen interaktiven Dienst handelt. Dieser kann dabei einen
individuellen Betrag verlangen. Der Tonträgerhersteller bekommt hier idR eine
prozentuelle Beteiligung am Umsatz des Musikdienstes, die je nach Verhandlungsmacht
unterschiedlich hoch ist. iTunes kann mit seiner Marktmacht die Prozentsätze fast
diktieren. Auch im Jahr 2013 kann noch nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden,
dass die ausübenden Künstler ihre Rechte zur Online-Auswertung vertraglich schon dem
Tonträgerhersteller übertragen haben. Dies wäre deshalb vorab zu prüfen. Die Rechte am
Cover sind vom Fotografen und/oder Designer bzw VBK228 zu erwerben. Die
einzuholenden Rechte sind jeweils das Vervielfältigungsrecht (§ 15 UrhG) und das Recht
der öffentlichen Zurverfügungstellung (§ 18a UrhG).
Urheberrechte
Sonstige Rechte
Leistungsschutzrechte
Individuell:
Kollektiv:
Individuell:
Kollektiv:
Individuell:
Kollektiv:
●Komponist
und Texter
●AKM
●Fotograf
●VBK
●LSG
●austromechana
●Grafiker
●Tonträgerhersteller
●Musikverlag
●ausübende
Künstler
Abbildung 13: Rechteerwerb bei Download-Diensten. Bei Download-Diensten sind die Rechte idR von
AKM und dem Tonträgerhersteller zu erwerben, bei Anzeigen eines Covers ebenfalls von der VBK. Dabei
sind jeweils das Vervielfältigungsrecht und das Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung zu erwerben.
227
Tarife für Music und Video On Demand – Download-Dienste, <akm.at/Musiknutzer/OnlineNutzung/Tarifinfo>.
228
Wenn der Grafiker/Designer Mitglied der VBK (Verwertungsgesellschaft Bildende Kunst, Fotografie und
Choreographie GmbH) ist, ist mE wegen Vorliegens einer unveränderten Massennutzung eine
Werknutzungsbewilligung von dieser einzuholen. Wohl mangels vieler Praxisfälle existieren in Österreich
aber derzeit keine Tarife, wenngleich die Betriebsgenehmigung (<verwges-aufsicht.justiz.gv.at>) in I 1. lit a
die digitale Vervielfältigung und in I 1. lit f die öffentliche Zurverfügungstellung umfassen und der
Wahrnehmungsvertrag („Beitrittsformular“) in § 1 Z 1. lit a Unterabs 2 (<vbk.at>) die digitale Nutzung
ebenso umfasst. Nach Abklärung mit der VBK sollte in einem solchen Fall separat verhandelt werden.
69
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
b. Freie Werknutzungen iZm Download-Diensten: Vervielfältigung zum privaten
Gebrauch – § 42 Abs 4 UrhG
Freie Werknutzungen stellen eine Ausnahme von den Ausschließlichkeitsrechten
der Urheber oder sonstigen Rechteinhaber dar. Durch freie Werknutzungen sollen die
Interessen der Allgemeinheit und Rechteinhaber in einen Ausgleich gebracht werden. Das
bedeutendste Rechtsinstitut der freien Werknutzungen findet sich in § 42 UrhG. Diese
Bestimmung regelt die Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch und zum privaten
Gebrauch.
§ 42 Abs 4 UrhG regelt die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch. Danach
darf jede natürliche Person „von einem Werk einzelne Vervielfältigungsstücke auf anderen
als den in Abs. 1 genannten Trägern zum privaten Gebrauch“ anfertigen, sofern dies weder
für unmittelbare noch mittelbare kommerzielle Zwecke geschieht. Damit ist eine
Vervielfältigung auf beliebigem Trägermaterial zulässig, wenn die 4 Voraussetzungen
(einzelne Vervielfältigungsstücke, privater Gebrauch, keine kommerziellen Zwecke, keine
anschließende öffentliche Zurverfügungstellung) kumulativ gegeben
sind. Diese
Bestimmung wurde in Umsetzung von Art 5 Abs 2 lit b RL 2001/29/EG neu gefasst. Sie
umfasst im Gegensatz zur Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch auch die digitale
Privatkopie auf USB-Stick, CDs oder Festplatten oder Ähnlichem. Die Vervielfältigung
zum eigenen Gebrauch (§ 42 Abs 1 UrhG) ist hier nicht anwendbar, da die Bestimmung
besagt, dass jedermann (jede natürliche und juristische Person) „von einem Werk einzelne
Vervielfältigungsstücke auf Papier oder einem ähnlichen Träger zum eigenen Gebrauch
herstellen“ darf. Elektronische Trägermedien wie CDs, USB-Sticks oder Festplatten sind
nämlich keine „dem Papier ähnlichen Träger“.229 Berechtigter des § 42 Abs 4 UrhG ist nur
die natürliche Person, denn juristische Personen haben keine Privatsphäre. Sie können
daher auch keinen privaten Gebrauch haben.
Mit der Formulierung „einzelne Vervielfältigungsstücke“ wird ausgedrückt, dass
nicht massenhaft kopiert werden darf. Der deutsche BGH hat in seiner Entscheidung über
Vervielfältigungsstücke die Zahl 7 als Obergrenze angesetzt.230 Walter bezeichnet diese
Anzahl als weitgehend akzeptiert und führt aus, dass man unter „einzelne“ etwa „einige
wenige“ verstehen müsse und legt die Obergrenze zwischen 5 bis 7 Werkstücke fest.231
229
Vgl Handig, ÖBl 2003/60, 212 (214); Thiele/Laimer, ÖBl 2004/17, 52 (56).
BGH 14.4.1978, I ZR 111/76 – Vervielfältigungsstücke.
231
Walter, MR 1989, 69.
230
70
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Auch Dittrich vertritt diese Meinung.232 Auch ist auf den Sinn und Zweck der Herstellung
der Kopien abzustellen. Mit § 42 UrhG soll ein gerechter Ausgleich zwischen Urheber und
Nutzern erwirkt werden. Dabei wird nicht starr auf der „magischen“ Zahl 7 verharrt,
sondern je nach Einzelfall abgewogen.233 So können auch 19 Vervielfältigungsstücke
gegebenenfalls noch unter „einzelne“ subsumiert werden, wie in der Entscheidung „NullNummer“, wo allen 19 Redakteuren für die Redaktionsbesprechung (also zum eigenen
Gebrauch und nicht öffentlich, § 42 Abs 5 UrhG) ein Vervielfältigungsstück gegeben
wurden. Die Interessen des Urhebers werden hier nämlich nicht beeinträchtigt, da es für
die Verwertung des Werkes des Urhebers keinen Unterschied gemacht hätte, wenn die
Redakteure nacheinander 7 Vervielfältigungsstücke ansehen oder jeder ein eigenes
bekommt. 19 Vervielfältigungsstücke sind nach der Diktion von Walter sicherlich nicht
„einige wenige“, jedoch in Bezug auf den Zweck, den sie erfüllen sollen, noch als
„einzelne“ iSd § 42 Abs 1 UrhG zu betrachten.234 Unter dem Begriff des „privaten
Gebrauchs“ ist ein beruflicher Gebrauch nicht umfasst. Kommerzielle Zwecke werden
verfolgt, wenn sie mit einer Gewinnerzielungsabsicht einhergehen. § 42 Abs 5 UrhG
statuiert, dass jedenfalls keine Vervielfältigung zum privaten Gebrauch vorliegt, wenn die
Vervielfältigung „zu dem Zweck vorgenommen wird, das Werk mit Hilfe des
Vervielfältigungsstückes der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“. Damit ist eine
öffentliche Zurverfügungstellung iSd § 18a UrhG gemeint.
Zu guter Letzt muss es sich bei der Kopiervorlage um eine rechtmäßige Vorlage
handeln. Dies ist zwar in Österreich nicht gesetzlich statuiert, ist aber hM235. Ist man auch
dieser Meinung – wofür mE gute Gründe sprechen –, wären bei der Prüfung der
Zulässigkeit der Vervielfältigung zum privaten Gebrauch 5 Voraussetzungen zu prüfen.236
IZm dem Internet ist dazu der folgende Sachverhalt oft einschlägig: Ein Provider stellt auf
seiner Website zB MP3-Musikdateien bereit. Dies tut er, ohne das Recht der öffentlichen
Zurverfügungstellung für den Upload bei den Rechteinhabern eingeholt zu haben. Durch
den erfolgten Upload vonseiten des Providers werden den Usern Downloads ermöglicht.
Die User fertigen so ebenfalls Vervielfältigungen an. Das derart angefertigte
Vervielfältigungsstück kann auf dem Computer abgespielt werden, unendlich oft wieder
232
Dittrich, Urheberrechtsfragen in der täglichen Arbeit des Notariats, in FS Wagner (1987), 63 (68).
Fiebinger, § 42 UrhG: Die magische Zahl 7 ist tot!, MR 1993, 43.
234
OGH 26.1.1993, 4 Ob 94/92 – Null-Nummer II – ÖBl 1993, 136.
235
Schachter in Kucsko (Hrsg), urheber.recht2 § 42, 6. (2008).
236
Da die Zulässigkeit einer rechtmäßigen Vorlage als Voraussetzung für eine Vervielfältigung zum privaten
Gebrauch va iZm der Nutzung von Filesharing-Systemen von großer Relevanz ist, kann auf die
ausführlichere Prüfung an späterer Stelle (Seite 86 ff) verwiesen werden.
233
71
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
kopiert werden und zB auf eine CD gespeichert und anschließend weitergegeben werden.
Die Vorlage (also der Upload) ist aber unrechtmäßig erfolgt. Sind aber die Downloads und
anschließenden Vervielfältigungen ebenfalls unrechtmäßig? In Deutschland legte man in
§ 53 Abs 1 dUrhG fest, dass eine digitale Privatkopie nur zulässig ist, soweit nicht „eine
offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage
verwendet wird“. Mit 1.1.2008 ist die Anfertigung einer digitalen Privatkopie unter
Zuhilfenahme einer offensichtlich unrechtmäßig zugänglich gemachten Vorlage wie zB
über eine P2P-Tauschbörse damit in Deutschland ausdrücklich untersagt.237
Als Zusammenfassung kann gesagt werden, dass die Anfertigung einer Privatkopie
jedenfalls zulässig ist, wenn sämtliche 5 Voraussetzungen erfüllt sind:
1)
2)
3)
4)
5)
einzelne Vervielfältigungsstücke,
privater Gebrauch,
keine kommerziellen Zwecke,
keine anschließende öffentliche Zurverfügungstellung und
das Vorliegen einer rechtmäßigen Quelle.
c. Schutz technischer Maßnahmen – § 90c UrhG
In diesem Zusammenhang ist § 90c UrhG zu erwähnen. Durch diese Bestimmung
wird die Vervielfältigung zum eigenen und zum privaten Gebrauch erheblich
eingeschränkt. § 90c UrhG statuiert den Schutz technischer Maßnahmen und setzt damit
Art 6 RL 2001/29/EG beinahe wörtlich um. § 90c Abs 1 UrhG bestimmt, dass „der Inhaber
eines auf dieses Gesetz gegründeten Ausschließungsrechts, der sich wirksamer technischer
Maßnahmen bedient, um eine Verletzung dieses Rechts zu verhindern oder
einzuschränken“, auf Unterlassung und Beseitigung des dem Gesetz widerstreitenden
Zustandes klagen kann. Dies ist ihm aber nur möglich, wenn eine oder mehrere der
folgenden 4 Voraussetzungen vorliegen:
„1. wenn diese Maßnahmen durch eine Person umgangen werden, der bekannt ist oder
den Umständen nach bekannt sein muss, dass sie dieses Ziel verfolgt,
2. wenn Umgehungsmittel hergestellt, eingeführt, verbreitet, verkauft, vermietet und
zu kommerziellen Zwecken besessen werden,
3. wenn für den Verkauf oder die Vermietung von Umgehungsmitteln geworben wird
oder
4. wenn Umgehungsdienstleistungen erbracht werden.“
237
Siehe Schachter in urheber.recht2 § 42, 6.
72
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Ein „Kopierschutz“ stellt eine solche technische Schutzmaßnahme dar. Durch § 90c
UrhG sollen die Verwertungsrechte im digitalen Zeitalter besser geschützt werden. Noch
vor der möglichen Verletzung eines Verwertungsrechts wird dadurch eine Handhabe
gegeben, auf Unterlassung und Beseitigung zu klagen.
Das „Cracken“238 eines Kopierschutzes ist jedenfalls unrechtmäßig, um eine
digitale Vervielfältigung zu erstellen. Insofern geht § 90c UrhG der Vervielfältigung zum
privaten Gebrauch nach § 42 Abs 4 UrhG vor. Vor diesem Hintergrund gibt das
österreichische Recht dem Nutzer kein Recht auf Privatkopie, sondern lediglich eine
gesetzlich
festgelegte
Erlaubnis
zur
Privatkopie
unter
den
gesetzlichen
Voraussetzungen.239 Dass mit der Implementierung eines Kopierschutzes die Möglichkeit
zur Vervielfältigung zum privaten Gebrauch erheblich eingeschränkt wird, ist
problematisch, jedoch iZm Online-Musikdiensten nicht so folgenschwer. Dies ist deshalb
der Fall, da die Download-Dienste ihre MP3s mittlerweile idR ohne Kopierschutz
anbieten. Einzig iTunes sind noch kopiergeschützt, und zwar derart, dass diese „nur“ fünf
Mal am Computer kopiert werden dürfen.240 Dh auch bei iTunes wird der Nutzer nicht
außergewöhnlich eingeschränkt.
Die Anfertigung einer digitalen Privatkopie ist also nur unter Nichtumgehung der
wirksamen technischen Schutzmaßnahmen zulässig. Das Tatbestandsmerkmal der
„Wirksamkeit“ soll dabei weit ausgelegt werden.241 Nach § 90c Abs 2 UrhG sind als
wirksame technische Schutzmaßnahmen „alle Technologien, Vorrichtungen und
Bestandteile zu verstehen, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, die in Abs. 1
bezeichneten Rechtsverletzungen zu verhindern oder einzuschränken, und die die
Erreichung des Schutzzieles sicherstellen“.
Diese Bedingungen sind nur erfüllt, soweit die Nutzung eines Werks oder sonstigen
Schutzgegenstandes kontrolliert wird
„1. durch eine Zugangskontrolle,
2. durch einen Schutzmechanismus wie Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige
Umwandlung des Werks oder sonstigen Schutzgegenstands oder
3. durch einen Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung.“
238
Unter einem „Crack“ versteht man eine Software, mit der man den Kopierschutz entfernen kann.
Büchele, Digitale Privatkopie und Kopierschutz, ecolex 2008, 651 (651).
240
iTunes Nutzungsbedingungen B. Automatische Lieferung und automatisches Herunterladen bereits
gekaufter Inhalte, (iv), online: <apple.com/legal/internet-services/itunes/at/terms.html>.
241
Stockinger/Nemetz in Kucsko (Hrsg), urheber.recht2 § 90c, 4.3. (2008).
239
73
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Erfasst
sind
etwa
Verzerrungstechniken,
Störsignale,
manipulierte
Inhaltsverzeichnisse (TOC242) oder auch versteckte digitale Signaturen.243 Wenn jedoch die
technische Schutzmaßnahme allein durch Drücken der Shift-Taste bei Einlegen der CD
unterdrückt werden kann, ist auch mE keine wirksame Schutzmaßnahme gegeben.244 In der
Praxis ist zurzeit eine außerordentlich große Anzahl von Kopierschutzmaßnahmen
vorzufinden. Kurz nachdem eine Kopierschutzmaßnahme den Markt erreicht hat, lassen
sich schon entsprechende „Cracks“ im Internet finden, um diese zu umgehen. Nur weil ein
Kopierschutz „geknackt“ werden kann, heißt das aber noch nicht, dass dieser „unwirksam“
ist. Gerade deswegen, weil ein Kopierschutz geknackt werden kann, wird diesem ja
gesetzlicher Schutz gewährt. Denn ein Kopierschutz, der nicht umgangen werden kann,
bedürfte keines rechtlichen Schutzes.245 Es ist wohl angemessen, bei der Frage, ob die
Wirksamkeit eines Kopierschutzes gegeben ist, auf einen „durchschnittlich gebildeten
Nutzer, der über keine besonderen technischen Kenntnisse verfügt“246, abzustellen. Vor
dem Benutzen einer „Mitschneidesoftware“ schützt ein Kopierschutz natürlich nicht.247
Aber der Kopierschutz zwingt den Nutzer, mehr Zeit für die Anfertigung der Kopie
aufzuwenden, da das Mitschneiden nur in Echtzeit funktioniert. Der Nutzer muss sich also
alle Songs, die er kopieren möchte, zuerst einmal in Echtzeit „durchhören“.
Als ein weiteres Erfordernis gibt Büchele an, dass ein wirksamer technischer Schutz
bei physischen Datenträgern erkennbar sein muss, um als Schutzmaßnahme nach § 90c
UrhG zu gelten.248 Diese Erkennbarkeit wird mit sog „Copy Control Logos“ erreicht, die
dem Nutzer Aufschluss darüber geben, dass ein Kopierschutz vorhanden ist.249 Der bloße
Hinweis „Dieses Medium ist kopiergeschützt!“ genügt laut Büchele nicht.250 Diese
Meinung ist mE überschießend, denn der Gesetzestext spricht niemals von einer
Erkennbarkeit des wirksamen technischen Schutzes.
Auf subjektiver Tatbestandsebene wird für die Haftung grobe Fahrlässigkeit
verlangt. Der Person, die die Umgehungshandlung setzt, ist bekannt oder müsste bekannt
242
„Table of Contents“.
Büchele, Digitale Privatkopie und Kopierschutz, ecolex 2008, 651 (651).
244
Büchele, Digitale Privatkopie und Kopierschutz, ecolex 2008, 651 (651).
245
Vgl Kauert, 7. Kapitel – Technische Schutzmaßnahmen, in Wandtke (Hrsg), Urheberrecht (2009) 273.
246
Neubauer, Technische Schutzmaßnahmen und Recht, in Wiebe (Hrsg), Internetrecht (2004) 113 (119)
mwN.
247
Siehe zur „Mitschneidesoftware“ unten genauer, Seite 85 ff.
248
Büchele, Digitale Privatkopie und Kopierschutz, ecolex 2008, 651 (652).
249
Büchele, Digitale Privatkopie und Kopierschutz, ecolex 2008, 651 (652); hier finden sich auch
beispielhafte Abbildungen von Copy Control Logos.
250
Büchele, Digitale Privatkopie und Kopierschutz, ecolex 2008, 651 (653).
243
74
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
sein, dass sie eine Umgehungshandlung begeht. Leichte Fahrlässigkeit reicht dabei nicht
aus.251
Im Hinblick auf iTunes sind die Nutzungsbedingungen des iTunes Store zu nennen.
iTunes sind mit einer Kopierschutztechnologie namens FairPlay gesichert. Diese
Sicherungstechnik („DRM-System“) schützt digitale Informationen und beschränkt die
Nutzung. FairPlay ist daher als Maßnahme nach § 90c Abs 2 Z 3 UrhG zu qualifizieren.
iTunes können hingegen auf maximal 5 Computern kopiert werden, die autorisiert (dh mit
dem iTunes-Nutzeraccount verbunden) werden müssen. Daneben können sie auf eine
beliebige Anzahl von iPods, iPads und iPhones, die demselben Nutzer gehören, kopiert
werden. Alle mit FairPlay heruntergeladenen Musiktracks können auf beliebig viele CDs
gebrannt werden.252 Audio-Playlists mit FairPlay geschützten Musikdateien können bis zu
sieben Mal gebrannt werden.253 Für iTunes Plus bestehen solche Beschränkungen nicht.
Diese unterliegen demnach nur den gesetzlichen Beschränkungen. Als Nutzer von iTunesProdukten steht einem die Möglichkeit frei, automatisch Kopien für weitere iOS-Geräte254
und iTunes autorisierte Computer zu erhalten. Dies gilt für 10 Geräte, von denen nicht
mehr als 5 Computer sein dürfen.255
Die angebotenen Musiktracks von Amazon MP3 sind hingegen vollkommen
DRM-frei. Diese können vom Nutzer so oft kopiert werden, wie dieser will. Die
Nutzungsbedingungen verweisen lediglich auf die in Österreich geltenden gesetzlichen
Bestimmungen.256
d. Schutz von Kennzeichnungen – § 90d UrhG
In Apples iTunes und Amazon MP3s sind Metadaten integriert, die darüber
Aufschluss geben, welcher Nutzer die Datei heruntergeladen hat.257 Diese „eindeutigen
Kennungen“ sind als Kennzeichnungen vom Schutzbereich des § 90d UrhG umfasst.
251
Büchele in Ciresa/Büchele/Guggenbichler, UrhG § 90c Rz 22.
iTunes Nutzungsbedingungen B. Automatische Lieferung und automatisches Herunterladen bereits
gekaufter Inhalte, (i)– (iv) sowie Nutzungsregeln (i)–(v), online: <apple.com/legal/internetservices/itunes/at/terms.html>.
253
Die Zahl Sieben leitet sich dabei wohl von der deutschen Rsp ab: BGH 14.4.1978 I ZR 111/76 –
Vervielfältigungsstücke, siehe schon Seite 71 ff.
254
iOS-Geräte sind Geräte, die das Apple-Betriebssystem („Operating System“) nutzen wie zB iPads.
255
<apple.com/legal/itunes/at/terms.html#SERVICE>, B. Nutzungsbedingungen des iTunes-Stores (iv).
256
Amazon MP3 Shop Nutzungsbedingungen, 2.2 Beschränkungen,
<amazon.de/gp/help/customer/display.html?ie=UTF8&nodeId=200317390>.
257
Siehe zB Amazon MP 3 Shop: Nutzungsbedingungen, 2.5 oder iTunes: Nutzungsbedingungen, B.
Sicherung des Inhalts, Sicherung des Dienstes.
252
75
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
§ 90d Abs 1 UrhG besagt: „Der Inhaber eines auf dieses Gesetz gegründeten
Ausschließungsrechts, der Kennzeichnungen im Sinne dieser Bestimmung anwendet, kann
auf Unterlassung und Beseitigung des dem Gesetz widerstreitenden Zustandes klagen,
1. wenn solche Kennzeichnungen entfernt oder geändert werden,
2. wenn Vervielfältigungsstücke von Werken oder sonstigen Schutzgegenständen,
von beziehungsweise auf denen Kennzeichnungen unbefugt entfernt oder geändert
worden sind, verbreitet oder zur Verbreitung eingeführt oder für eine Sendung, für
eine öffentliche Wiedergabe oder für eine öffentliche Zurverfügungstellung
verwendet werden.“
In § 90d UrhG wurde Art 7 RL 2001/29/EG fast wortwörtlich umgesetzt. Vom
Aufbau her ist er dem § 90c UrhG angeglichen. Die durch diese Bestimmung geschützten
Kennzeichnungen
dienen
der
Rückverfolgbarkeit
von
erfolgten
Urheberrechtsverletzungen. Die Kennzeichnungen werden in praxi fast immer mit
technischen Schutzmaßnahmen kombiniert. Dies geschieht im Rahmen eines sog „digital
object identifier system – DOI“, welches gegen Pirateriehandlungen eingesetzt wird.258 Mit
§ 90d UrhG wird die Entfernung oder Änderung solcher Kennzeichnungen als unzulässig
erklärt.
Die Tonträgerhersteller fügen solche Kennzeichnungen ihren Aufnahmen zu
und/oder verlangen von den Download-Diensteanbietern wie Amazon eindeutige
Kennungen in die Metadaten der Dateien einzufügen, denn diese erleichtern den
Tonträgerherstellern die Beweisführung vor Gericht bei Rechtsverletzungen. 259 Taucht
eine gekennzeichnete Datei in einer Filesharingbörse auf, so kann leicht die Person
festgestellt werden, die ursprünglich die Datei vom Download-Shop heruntergeladen hat.
Mithilfe dieser Kennungen kann der Nutzer als Inhaber der Musikinhalte also
eindeutig identifiziert werden. Hierbei ist zu sagen, dass nicht alle zum Download zur
Verfügung stehenden Dateien diese Kennungen aufweisen. Die Vielzahl der neueren
Aufnahmen weisen diese aber sehr wohl auf. Ein Hinweis auf das Bestehen solcher
Kennungen findet sich bei der jeweiligen Produktinformation. In praxi spricht man auch
von einem „Kauf-Identifikationsmerkmal“. Amazon zählt in den Nutzungsbedingungen
Beispiele für diese Kennungen auf: Diese Kennzeichen können etwa aus einer Zufallszahl
258
259
Nemetz in Kucsko (Hrsg), urheber.recht2 § 90d, 2. (2008).
Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2 § 90d Rz 1.
76
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
bestehen, die dem Kauf durch den Nutzer zugeordnet wird. Ebenfalls können Datum und
genaue Uhrzeit des Downloads festgehalten werden sowie spezielle Codes, mit deren Hilfe
das heruntergeladene Album oder der heruntergeladene Song identifiziert werden können.
Mit diesen Codes sind UPC und ISRC gemeint. UPC meint den Strichcode („Universal
Product Code“), der Produkte kennzeichnet. ISRC ist der „International Standard
Recording Code“, eine zwölfstellige Kennzeichnung für eine Audio-Aufnahme. ISRCErstvergabeschlüssel können in Österreich bei der LSG beantragt werden. Weiters kann
eine digitale Unterschrift von Amazon angebracht werden.260
Die „Kennzeichnungen“ werden in Abs 3 im Einzelnen definiert. Unter diesen sind
demnach Angaben zu verstehen, die die in den Z 1–3 dargelegten Voraussetzungen
kumulativ erfüllen:
„1. die in elektronischer Form festgehalten sind, auch wenn sie durch Zahlen oder
in anderer Form verschlüsselt sind,
2. die mit einem Vervielfältigungsstück des Werkes oder sonstigen
Schutzgegenstandes verbunden sind oder in Zusammenhang mit dem Werk
oder sonstigen Schutzgegenstand gesendet, öffentlich wiedergegeben oder der
Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden und
3. die folgenden Inhalt haben:
a) die Bezeichnung des Werks oder sonstigen Schutzgegenstandes, des
Urhebers oder jedes anderen Rechtsinhabers, sofern alle diese Angaben
vom Rechtsinhaber stammen, oder
b) die Modalitäten und Bedingungen für die Nutzung des Werkes oder
sonstigen Schutzgegenstands.“
Z 1 besagt, dass nur elektronische Kennzeichnungen durch § 90d UrhG geschützt
werden. Diese können völlig unverschlüsselt sein, oder durch Zahlen oder Buchstaben oder
eine Kombination von Zahlen und Buchstaben verschlüsselt sein. Mechanische Aufdrucke
von ISBN261 oder ISSN262 sind daher nicht geschützt.
Diese elektronischen Kennzeichnungen müssen mit einem Vervielfältigungsstück
oder sonstigen Schutzgegenstand verbunden sein (Z 2). Diese „Verbindung“ kann
dadurch bewerkstelligt werden, dass die elektronischen Kennzeichnungen in den
260
Die Beispiele sind aus: Amazon MP 3 Shop Nutzungsbedingungen, 2.5.
Die „International Standard Book Number“ gilt für Monographien.
262
Die „International Standard Serial Number“ gilt für Zeitschriften und Sammelwerke.
261
77
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Headern263 der Audiodateien integriert werden. Eine andere Möglichkeit besteht in der
Verwendung von digitalen Wasserzeichen („digital watermarking“). Diese werden nicht im
Header, sondern im Inhalt der Dateien integriert.264 Alternativ zur Verbindung können
elektronische Kennzeichnungen auch gesendet (§ 17 UrhG), öffentlich wiedergegeben
(§ 18 UrhG) oder der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt (§ 18a UrhG) werden.
In Z 3 wird dargelegt, welchen Inhalt diese elektronischen Kennzeichnungen
aufweisen können: eine Bezeichnung des Werks oder sonstigen Schutzgegenstandes, eine
Bezeichnung
des
Urhebers
oder
eines
anderen
Rechteinhabers
(zB
Leistungsschutzberechtigten). Diese Inhalte müssen stets vom Rechteinhaber selbst
stammen. Der Inhalt kann ergänzend oder alternativ zu Z 3 lit a auch Hinweise zu
Modalitäten
und
Bedingungen
für
die
Nutzung
des
Werkes
oder
sonstigen
Schutzgegenstands aufweisen (Z 3 lit b). Die Integration von Informationen über die
Modalitäten und Bedingungen der Nutzung hat vor allem jenes Ziel, dass der Nutzer nicht
vorbringen kann, er habe über die in den Nutzungsbedingungen verbotenen Handlungen
keine Kenntnis gehabt.265
Die elektronische Kennzeichnung muss jedoch nicht unmittelbar lesbar sein. Sie
kann auch in einem Verweis auf eine Datenbank bestehen, in der dann die betreffenden
Inhalte einsehbar sind. Die unter § 90d Abs 3 Z 3 lit a UrhG fallenden Informationen sind
zB Informationen über das Werk, einen Urheber oder sonstigen Rechteinhaber, Titel des
Werks, Werkkategorie oder Dateiformat. Die Informationen unter lit b können zB
Nutzungsbedingungen, FAQs266 oder Ähnliches sein.267 Die Veränderung oder Entfernung
solcher Metadaten kann daher für den Urheber auch eine Verletzung seiner
Persönlichkeitsrechte nach §§ 19, 20 und 21 UrhG darstellen.268
In § 90d Abs 1 UrhG werden in Z 1 und 2 die Verletzungshandlungen erläutert. Z 1
statuiert ein sog „Manipulationsverbot“. Dieses umfasst sowohl das Verändern als auch
das Entfernen von elektronischen Kennzeichnungen. Z 2 statuiert hingegen ein
„Nutzungsverbot“. Dieses Nutzungsverbot umfasst die Verbreitung, Einfuhr, öffentliche
263
Im Header („Dateikopf“) werden die Metadaten der Datei gespeichert.
Büchele in Ciresa/Büchele/Guggenbichler, UrhG § 90d Rz 6.
265
Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2 § 90d Rz 10.
266
„Frequently Asked Questions“ (Häufig gestellte Fragen).
267
Nemetz in urheber.recht2 § 90d, 3.
268
Büchele, RdW 2005, 677 (678).
264
78
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Sendung oder Zurverfügungstellung von Werkkopien oder sonstigen Schutzgegenständen,
bei denen elektronische Kennzeichnungen gelöscht oder verändert wurden.
Angewendet auf Download-Dienste ist festzuhalten, dass bei den Audiodateien –
sofern sie eine elektronische Kennzeichnung enthalten – diese nicht entfernt oder verändert
werden dürfen. Zusätzlich dürfen diese manipulierten Dateien nicht weiterverbreitet,
eingeführt, gesendet oder öffentlich zur Verfügung gestellt werden. Unwesentlich ist
hierbei, ob der Nutzer die Manipulationshandlung selbst gesetzt hat oder nicht. Insofern
ergänzt § 90d Abs 1 Z 2 UrhG die ausschließlichen Verwertungsrechte der
Rechteinhaber.269
Nicht
unzulässig
nach
Abs
1
ist
die
Vervielfältigung,
Veränderungen/Entfernungen von „unverbundenen“ Metadaten. Das sind zB Metadaten,
die in einer zentralen Datenbank liegen. Auch der Handel mit falschen Metadaten ist nicht
von Abs 1 erfasst.270
§ 90d Abs 2 UrhG hält zudem fest, dass der Anspruch auf Unterlassung und
Beseitigung nach Abs 1 nur gegen Personen besteht, die die Handlungen „unbefugt und
wissentlich vornehmen, wobei ihnen bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein
muss, dass sie dadurch die Verletzung eines auf dieses Gesetz gegründeten
Ausschließungsrechtes veranlassen, ermöglichen, erleichtern oder verschleiern“. Mit
diesem Absatz werden subjektive Tatbestandselemente festgelegt, die auf den
Rechtsverletzer
zutreffen
müssen.
Ausdrücklich
wird
Wissentlichkeit
verlangt.
Eventualvorsatz reicht demnach nicht. „Wissentlichkeit“ bedeutet, dass dem Verletzer
bekannt ist, dass er unbefugt eine Handlung nach Abs 1 vornimmt.271 Die Wissentlichkeit
bezieht sich ebenso auf die fehlende Befugnis. Dies ergibt sich zwar nicht expressis verbis
aus § 90d Abs 2 UrhG, ist aber dem Wortlaut von Art 7 Abs 1 RL 2001/29/EG zu
entnehmen.272 Außerdem muss dem Verletzer die Veranlassung, Ermöglichung oder
Verschleierung der Rechtsverletzung bekannt sein. Hierbei genügt grobe Fahrlässigkeit.273
Praxisnah betrachtet bedeutet dies, dass nach einer Handlung nach Abs 1 eine weitere
Rechtsverletzung wohl logisch nachfolgen wird. Wird also eine elektronische
Kennzeichnung durch Veränderung oder Entfernung manipuliert, und ist es absehbar, dass
das
Werk zB
unbefugt vervielfältigt und weiterverbreitet wird, so werden die
269
Büchele in Ciresa/Büchele/Guggenbichler, UrhG § 90d Rz 11; Büchele, RdW 2005, 677 (679);
Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2 § 90d Rz 15–17.
270
Nemetz in urheber.recht2 § 90d, 3.
271
Büchele in Ciresa/Büchele/Guggenbichler, UrhG § 90d Rz 14; Büchele, RdW 2005, 677 (679).
272
Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2 § 90d Rz 19.
273
Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2 § 90d Rz 19.
79
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
ausschließlichen Verwertungsrechte verletzt und der Inhaber dieser Rechte hat einen
Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung nach § 90d Abs 1 UrhG. Dem Rechteinhaber
stehen also ein Unterlassungsanspruch und ein Beseitigungsanspruch zu, sofern der
Rechtsverletzer Handlungen nach Abs 1 wissentlich begeht und ihm mindestens grobe
Fahrlässigkeit in Bezug auf die Veranlassung, Ermöglichung, Erleichterung oder
Verschleierung (§ 90d Abs 2 Z 2 UrhG) vorzuwerfen ist.
Durch Abs 4 wird die Anwendung der §§ 81 und 82 Abs 2-6 UrhG (allgemeine
Bestimmungen
zum
Beseitigungs-
und
Unterlassungsanspruch),
§
85
UrhG
(Urteilsveröffentlichung), §§ 87 Abs 1 und Abs 2 UrhG (Schadenersatz), § 87a Abs 1
UrhG (Rechnungslegung), § 88 Abs 2 UrhG (Haftung des Unternehmensinhabers), § 89
UrhG (Haftung mehrerer Verpflichteter) und § 90 UrhG (Verjährung) für anwendbar
erklärt. Gleich wie bei § 90c UrhG besteht kein Anspruch auf Gewinnherausgabe,
angemessenes Entgelt und Schadenspauschalierung iSd § 87 Abs 3 UrhG.274
Falls beide Bestimmungen – § 90c und 90d UrhG – auf den Sachverhalt anwendbar
sind, also wenn eine technische Schutzmaßnahme umgangen wird, indem die
Kennzeichnungen manipuliert werden, sind auch beide Bestimmungen nebeneinander
anwendbar.275 Die Rechtsverletzer der §§ 90c Abs 1 und 90d Abs 1 UrhG können auch
nach § 91 Abs 1 UrhG (Privatanklagedelikt) verfolgt werden.
2. Abonnementdienste
a. Betroffene Verwertungsrechte
Als Abonnement-Dienste bezeichnet man Musikdienste, die gegen monatliches Entgelt
das Anhören von Musikstücken anbieten. Dies trifft zwar ebenfalls auf manche
Internetradiodienste (nämlich personalisierte Webradios) zu. Abonnementdienste im
engeren Sinn sind aber nur Streaming-On-Demand-Dienste. Der in Österreich
bekannteste Abo-Dienst ist Spotify, gefolgt vom französischen Diensteanbieter Deezer und
dem deutschen Dienst Simfy.276 Spotify bietet neben dem Streamingdienst auch einen
Downloaddienst. Hier soll aber aus praktischen Gründen nur der Streamingdienst erläutert
werden.277 Bei Spotify handelt es sich nicht um einen Live-Streaming-Dienst, über den
Live-Konzerte übertragen werden, sondern um einen Streaming-On-Demand-Dienst. Der
274
Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2 § 90d Rz 24.
Büchele, RdW 2005, 677 (680).
276
DMR 2013 Austria, 18.
277
Bezüglich Downloaddienste siehe oben Seite 62 ff.
275
80
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Diensteanbieter muss die Dateien, die er dem Nutzer per Stream anbieten will, in seine
Datenbank auf dem Serverrechner einspeisen. Dies geschieht mittels Upload. Dieser
Upload stellt eine Vervielfältigungshandlung dar, die von den Urhebern der Werke und
den Leistungsschutzberechtigten der jeweiligen Darbietung genehmigt werden muss. Der
Nutzer erhält mit dem Abschluss eines Abonnements ein „beschränktes, nicht exklusives,
widerrufliches Recht zur persönlichen, nicht gewerblichen Nutzung des SpotifyServices“278
(„Werknutzungsbewilligung“).
Abo-Dienste
begrenzen
die
Werknutzungsbewilligung zeitlich. Wird das Abo gekündigt, erlöschen auch die
Werknutzungsbewilligungen zum Abspielen der Musiktracks in der Spotify-Datenbank.
Durch den Upload vonseiten des Abodiensteanbieters wird die Musikdatei öffentlich in
einer Weise zur Verfügung gestellt, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und
zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist (§ 18a UrhG). Der Nutzer hat die Möglichkeit, die
Datei dann interaktiv abzurufen. Er kann nämlich sowohl Ort als auch Zeit seines Abrufs
wählen. Der Nutzer kann andere Titel anwählen, wenn ihm das gerade wiedergegebene
Stück nicht gefällt, er kann vorspulen, zurückspulen oder pausieren. Damit ist die Art der
Nutzung eines Abo-Dienstes mit der Nutzung eines handelsüblichen Tonträgers
vergleichbar.
Der Diensteanbieter muss neben dem Vervielfältigungsrecht auch das Recht der
öffentlichen Zurverfügungstellung erworben haben, denn das musikalische Werk wird in
Form einer Datei im Internet zum Abruf (On Demand) angeboten. Das Recht der
öffentlichen Zurverfügungstellung ist dabei von der AKM zu erwerben, weil es sich bei der
öffentlichen Zurverfügungstellung um eine unveränderte Massennutzung handelt. Bei
dieser können die Urheberrechte eingeholt werden. Das ergibt sich aus Punkt I.1. lit d der
Betriebsgenehmigung und Punkt 2.2. lit h des Wahrnehmungsvertrages der AKM. Der
Abonnementdienst wird vom Nutzer verwendet, indem dieser die Datei streamt. Das
Streamen ist nach § 41a UrhG als „flüchtige und begleitende Vervielfältigung“
ausdrücklich freigestellt.
Auch bei Abodiensten werden schon bestehende Musikaufnahmen in die Datenbank
des Abo-Dienstes gespeist. Deshalb ist die Zustimmung ebenfalls vom Tonträgerhersteller
bezogen auf die Leistungsschutzrechte einzuholen. Bei interaktiven Diensten, zu denen
der Abo-Dienst gehört, sind die Leistungsschutzrechte (Tonträgerhersteller, ausübende
Künstler) vom jeweiligen Tonträgerhersteller zu erwerben (§ 76 Abs 1 UrhG), da bei den
278
Spotify Nutzungsbedingungen, 4.
81
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
meisten Aufnahmen ein Tonträgerhersteller tätig ist und diesem vertraglich (durch
Künstlervertrag oder Bandübernahmevertrag) die Rechte der Interpreten eingeräumt
werden, hat er auch das Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung der ausübenden
Künstler (§ 71a UrhG). Der Tonträgerhersteller kann für seine Einwilligung einen
individuellen Betrag vom Diensteanbieter verlangen.
Gleich wie bei Download-Diensten wird bei Abo-Diensten bei Anklicken des
jeweiligen Musiktracks das dazugehörige Album-Cover oder Single-Cover angezeigt. Hier
sind vom Diensteanbieter ebenfalls die Urheberrechte vom Fotografen oder Grafiker § 3
iVm § 10 Abs 1 UrhG bei Vorliegen eines Werkes oder ansonsten die
Leistungsschutzrechte (§ 74 Abs 1 UrhG) einzuholen. Wenn der Fotograf und/oder
Grafiker Mitglied der VBK ist, ist diese für die Lizenzerteilung zuständig.
In Abbildung 14 sind die Rechteinhaber zusammengefasst dargestellt. Der
Rechteerwerb erfolgt von den gleichen Rechteinhabern wie beim Lizenzerwerb für
Download-Dienste. Für die Werknutzungsbewilligung von der AKM und austromechana
müssen zusammen 12 % der Einnahmen (ohne USt) bezahlt werden. Pro registriertem
Nutzer muss der Diensteanbieter mindestens 1,20 € pro Monat bezahlen.279 Bezogen auf
die Leistungsschutzrechte ist idR der Tonträgerhersteller zu fragen, da es sich beim AboDienst um einen interaktiven Dienst handelt. Die Rechte am Cover sind vom Fotografen
und/oder Designer bzw VBK280 zu erwerben.
279
Tarife für Music und Video On Demand – On Demand Streaming-Dienste, <akm.at/Musiknutzer/OnlineNutzung/Tarifinfo>.
280
Siehe FN 228 auf Seite 70.
82
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Urheberrechte
Leistungsschutzrechte
Sonstige Rechte
Individuell:
Kollektiv:
Individuell:
Kollektiv:
Individuell:
Kollektiv:
●Komponist
und Texter
●AKM
●Fotograf
●VBK
●LSG
●austromechana
●Grafiker
●Tonträgerhersteller
●Musikverlag
●ausübende
Künstler
Abbildung 14: Rechteerwerb bei Abo-Diensten. Bei Abo-Diensten sind die Rechte idR von AKM und dem
Tonträgerhersteller zu erwerben, bei Anzeigen eines Covers ebenfalls von der VBK. Dabei sind jeweils das
Vervielfältigungsrecht und das Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung zu erwerben.
b. Freie Werknutzungen iZm Abodiensten
Abodienste sind grundsätzlich Streaming-on-Demand-Dienste. Das Nutzen von
Streaming-on-Demand-Diensten unterliegt den freien Werknutzungen nach §§ 41a und 42
UrhG.
ba. Flüchtige und begleitende Vervielfältigungen – § 41a UrhG
Durch das Streamen werden – wie schon oben beschrieben – flüchtige und
begleitende Vervielfältigungen im Pufferspeicher erstellt. Diese Vervielfältigungen sind
vom Urheberrecht freigestellt, da sie alle 5 Voraussetzungen für die Freistellung erfüllen:
1) Sie sind vorübergehend, 2) flüchtig, 3) integraler und wesentlicher Bestandteil des
Streamingverfahrens, 4) der Zweck der Vervielfältigungen ist die rechtmäßige Nutzung
des Werks und 5) die Vervielfältigungen haben auch keine eigenständige wirtschaftliche
Bedeutung.281
281
Siehe genauer schon auf den Seiten 63 f.
83
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
bb. Vervielfältigung zum privaten Gebrauch – § 42 Abs 4 UrhG
Die Zulässigkeit der Vervielfältigung zum privaten Gebrauch ist auch im Hinblick
auf Abonnement-Dienste zu prüfen. Die 5 Voraussetzungen sind erneut zu prüfen.
1)
2)
3)
4)
5)
einzelne Vervielfältigungsstücke,
privater Gebrauch,
keine kommerziellen Zwecke,
keine anschließende öffentliche Zurverfügungstellung und
das Vorliegen einer rechtmäßigen Quelle.
Da diese Prüfung schon iZm Download-Diensten durchgeführt wurde, kann auf
diese verwiesen werden und hier eine konzentrierte Darstellung der Problematik in
Hinsicht auf Abo-Dienste erfolgen.282
Da es sich um Streamingdienste handelt, ist ein Mitschnitt nicht ohne Weiteres
möglich, denn eine solche Möglichkeit wird vom Diensteanbieter durch das Programm
nicht angeboten. Daher kann eine dauerhafte Vervielfältigung nur mittels spezieller
Aufnahmesoftware erstellt werden. Derartige Programme lassen sich aber leicht im
Internet finden. Mithilfe einer solchen Software kann der Nutzer sodann eine vollständige
dauerhafte Kopie des gestreamten Werkes erstellen.283 Die Verwendung solcher
Programme ist meist durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeschlossen.284
Laut aktueller Studie benutzten in Österreich 1,9 Mio Personen im Jahr 2012 eine spezielle
Aufnahmesoftware285 oder einen MP3-Converter286. Diese luden durchschnittlich 9,64
Songs pro Monat herunter.287 Dies bedeutet, dass die Rechteinhaber aus diesen Nutzungen
keine Lizenzerträge erwirtschaften. Deswegen wird auch gefordert, dass der jeweilige
Streamingdiensteanbieter wie zB YouTube auch entsprechend bezahlen sollte.
Es stellt sich die Frage, ob das Anfertigen einer digitalen Kopie mittels einer
solchen Software zulässig ist. Dieses Mitschneiden wird auch als „Rippen“ bezeichnet.
Die Literatur hat sich damit vor allem im Hinblick auf Internetradios beschäftigt.
282
Zur Zulässigkeit der Vervielfältigung zum privaten Gebrauch in Hinsicht auf Download-Dienste, Seite 71
ff.
283
zB Handig, Downloads aus dem Internetradio, ecolex 2005, 921; Beispiele finden sich zB unter
<radiotracker.de> oder <mycyberradio.com/de/service/faq/aufnehmen.html>.
284
zB Spotify Nutzungsbedingungen 8., online: <spotify.com/at/legal/end-user-agreement/>; Simfy
Nutzungsbedingungen
5.5.,
online:
<corporate.simfy.de/info/terms_of_use/?locale=de>;
Rdio
Nutzungsbedingungen 4., online: <rdio.com/legal/terms-of-service/>.
285
Beispiele für Aufnahmesoftware sind der Wondershare Streaming Audio Recorder oder der No 23
Recorder.
286
Beispiele für MP 3 Converter sind der AVS Audioconverter und der sehr beliebte Youtube to MP3
Converter von Avangate.
287
IFPI, Digital Music Report 2013 Austria, 18.
84
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Gesonderte Literaturbesprechungen zu Abonnementdiensten wie Spotify fehlen. Die
Nutzungsbedingungen von Spotify schließen die Anfertigung einer solchen Aufnahme
explizit aus. Danach ist das Kopieren, Vervielfältigen, Rippen, Aufnehmen oder das
öffentlich-zugänglich-Machen eines Teils des Spotify-Services nicht erlaubt.288 Mit der
Registrierung bei Spotify werden die Nutzungsbedingungen akzeptiert und somit wirksam
einbezogen. Man kann nicht sagen, dass solche Klauseln ungewöhnlichen Inhalts wären,
sodass sie als überraschend für den Nutzer erscheinen. In Bezug auf Inhalt sowie auf das
Erscheinen im Gesamtzusammenhang der Nutzungsbedingungen ist ebenso nicht von einer
überraschenden Klausel für den Nutzer auszugehen. Damit besteht diese Klausel die
Geltungskontrolle des § 864a ABGB. Die Klausel ist zudem ebenfalls nicht unverständlich
formuliert. Gemäß der Inhaltskontrolle ist zu fragen, ob die Klausel den Nutzer gröblich
benachteiligt (§ 879 Abs 3 ABGB). Dies ist klar zu verneinen, da die Hauptleistung von
Spotify die ordnungsgemäße Nutzung des Dienstes darstellt. Ein Nutzer kann von diesem
Dienst nicht erwarten, dass ihm die Möglichkeit gewährt werden soll, vollständige Kopien
jedes Musiktracks anzufertigen. Damit wäre das Verbot der Anfertigung von Kopien
mittels Aufnahmesoftware in den Nutzungsbedingungen von Spotify gültig.
Ebenfalls muss nach hM als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Anfertigung
einer Kopie die Kopiervorlage eine rechtmäßige sein.289 In dieser Hinsicht ist aber zu
sagen, dass Spotify keineswegs eine offensichtlich rechtswidrige Quelle darstellt,
sondern ohne Zweifel legal ist, da Spotify die erforderlichen Lizenzen erworben hat.
Wenn ein Nutzer mittels eines speziellen kostenlosen Programms einen Stream
mitschneidet, umgeht er auch auf den ersten Blick keinen Kopierschutz, da die Streams ja
nicht kopiergeschützt sind. Damit würde auch § 90c UrhG nicht greifen. Demnach wäre
das Mitschneiden zum privaten Gebrauch (§ 42 Abs 4 UrhG) erlaubt. Da Spotify in seinen
Nutzungsbedingungen das Mitschneiden verbietet, bedeutet ein Zuwiderhandeln eine
Vertragsverletzung, die Spotify bei Kenntnis mit Löschen/Sperrung des Kontos ahnden
könnte.290 Zudem wären Schadenersatzansprüche denkbar. Nach Auskunft von Spotify
seien die Musiktracks, die auf der Spotify-Datenbank liegen, aber DRM-geschützt, da sie
auf geschützten Servern liegen. Diese Ansicht scheint mE jedenfalls fragwürdig. Ob die
Tatsache, dass Spotify nur das Streamen zulässt, als wirksame technische Maßnahme nach
§ 90c UrhG angesehen werden kann, ist ebenso anzuzweifeln. In diesem Falle müsste man
288
Spotify Nutzungsbedingungen, 13. Laufzeit und Kündigung, <spotify.com/at/legal/end-user-agreement/>.
Siehe oben Seite 72.
290
Spotify Nutzungsbedingungen, 8. Nutzerrichtlinien.
289
85
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
das Beschaffen und Verwenden der Aufnahmesoftware als Umgehung ansehen. Der
Durchschnittsnutzer kann sich eine solche Software allerdings leicht beschaffen, weshalb
auch die Wirksamkeit der technischen Maßnahme in Zweifel zu ziehen wäre. Das
Tatbestandsmerkmal der Wirksamkeit soll aber bekanntlich weit ausgelegt werden. Man
wird auf Rechtsprechung zu diesem Thema warten müssen, um letztlich Sicherheit zu
haben. ME müsste das Vorhandensein einer technischen Schutzmaßnahme nach § 90c
UrhG verneint werden, da keine Technologien, Vorrichtungen oder Bestandteile bei
Spotify verwendet werden, die Umgehungen iSd § 90c Abs 1 UrhG – sofern man das
Mitschneiden unter einer solchen Umgehung subsumieren will – verhindern oder
einschränken. Die bloße Entscheidung eines Anbieters seinen Dienst als Streamingdienst
zu betreiben, ist mE noch keine technische Schutzmaßnahme iSd § 90c Abs 2 UrhG.
Das Anfertigen einer Kopie mittels Mitschneidesoftware wird durch eine
Maßnahme von Spotify zwar nicht verhindert aber etwas eingeschränkt. Die deutsche
Verwertungsgesellschaft GVL291, die das Pendant zur österreichischen LSG darstellt, hat
solche Maßnahmen sogar in die Betriebsvoraussetzungen für Webcastingbetreiber
aufgenommen. Dabei muss ein Diensteanbieter mehrere Voraussetzungen erfüllen, um
eine Lizenz von der Verwertungsgesellschaft bekommen zu können. Punkt 6 der
Betriebsvoraussetzungen verlangt von den Diensteanbietern bemerkenswerterweise die
Implementierung von Maßnahmen zur Verhinderung des Scannens und Aufnehmens
des
Programms.292
Danach
muss
bei
aufeinanderfolgenden
Musikaufnahmen
übersprochen oder ineinander übergeblendet werden. Sollte das nicht möglich sein – wie
bei Spotify das der Fall ist, da keine „Moderation“ oder Überblendung stattfindet –, so darf
die Zeitspanne zwischen den Musiktiteln nicht länger als 0,25 Sekunden betragen. An
diese Zeitspanne hält sich auch Spotify. Dies bewirkt, dass ein Nutzer, der einen Track
mitschneiden möchte, nicht alle Songs eines ganzen Albums „durchlaufen“ lassen kann,
sondern nach jedem Track kurz auf Pause klicken muss. Würde er nämlich das Album von
Anfang bis Ende ohne Unterbrechung abspielen, würde er eine große Datei erzeugen, die
dann wieder mit spezieller Schneidesoftware in die einzelnen Tracks zerteilt werden
müsste. Im Ergebnis wird dadurch das Mitschneiden freilich nicht verhindert, aber für den
291
„GVL – Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten“.
GVL Betriebsvoraussetzungen Webcasting Punkt 6, online unter: <gvl.de/pdf/betriebsvoraussetzungenwebcasting.pdf>.
292
86
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Nutzer erschwert. Die Nutzungsbedingungen für Webcasting in Österreich sehen in Punkt
6 dieselben Voraussetzungen vor.293
3. Filesharing
Filesharing-Plattformen hebeln die gesamte klassische Wertschöpfungskette der
Musikindustrie aus. Sie ermöglichen es, den Nutzern komprimierte Musikdateien schnell,
einfach und praktisch kostenlos – sieht man einmal von den Elektrizitätskosten und
Internetkosten ab – miteinander zu teilen. Durch das Teilen urheberrechtlich geschützten
Materials wird nicht nur die Wertschöpfungskette, sondern damit zusammenhängend die
Rechteverwertung in Frage gestellt.294
Urheberrechtlich gesehen bereiten Filesharing-Portale große Probleme. Beim Anbieten
bzw Herunterladen von Inhalten über solche Portale werden mehrere urheberrechtlich
relevante Handlungen gesetzt. So stellen sich die Fragen, ob der Nutzer einer
Filesharingbörse mit seinem Download bzw Upload in eines der Verwertungsrechte
eingreift. Weiters stellt sich die Frage, ob der bloß herunterladende Nutzer sich – wenn ein
Eingriff zu bejahen ist – auf die Beschränkung der Vervielfältigung zum privaten
Gebrauch (§ 42 Abs 4 UrhG) stützen kann.
Eingriffe in die ausschließlich dem Urheber zugeordneten Verwertungsrechte ziehen
zivilrechtliche – oder sogar strafrechtliche – Ansprüche der Urheber- und
Leistungsschutzberechtigten nach sich. Als zivilrechtliche Ansprüche stehen etwa der
Unterlassungsanspruch (§ 81 UrhG), der Beseitigungsanspruch (§ 82 UrhG), Anspruch auf
angemessenes Entgelt (§ 86 UrhG), Anspruch auf Schadenersatz und auf Herausgabe des
Gewinns (§ 87 UrhG) zur Verfügung. Der Anspruch auf Schadenersatz und auf
Herausgabe des Gewinns setzt Verschulden des Täters voraus.
Auch strafrechtliche Regelungen sind im UrhG vorgesehen. Eine Bestrafung nach § 91
UrhG setzt aber das vorsätzliche Handeln des Täters voraus. 295 Es genügt dolus
eventualis, wonach der Täter den Eingriff in die Verwertungsrechte ernstlich für möglich
hält und sich damit abfindet (§ 5 Abs 1 StGB).
293
Die Nutzungsbedingungen Webcasting der LSG wurden leider nicht online veröffentlicht, Auskunft Hr.
Thomas Kaiser, LSG.
294
Neef/Blömer in Moser/Scheuermann, Handbuch der Musikwirtschaft, 106.
295
Spreitzer-Kropiunik/Mosing in Kucsko (Hrsg), urheber.recht2 § 91, 3.5. (2008).
87
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
a. Betroffene Verwertungsrechte
Da sowohl bei zentraler als auch bei dezentraler Struktur von Filesharingsystemen das
Mitglied des Portals gleichzeitig Client und Server sein kann, stellt jedes aktive296
Mitglied seine Dateien öffentlich zur Verfügung.297 Damit wird § 18a UrhG verletzt,
sofern urheberrechtlich geschützte Werke zur Verfügung gestellt werden, was der
Regelfall ist. Diese Bestimmung ist verletzt, da nur der Urheber das ausschließliche Recht
hat, sein Werk drahtgebunden oder drahtlos zur Verfügung zu stellen. Ebenso wird das
Werk in einer Weise zur Verfügung gestellt, die es den Mitgliedern der Öffentlichkeit (also
den über die Filesharing-Software im Netzwerk gerade angemeldeten Nutzern) erlaubt,
von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl darauf zuzugreifen. Der Nutzer einer Tauschbörse hat
die Wahl, zu welcher Zeit und von welchem Ort er auf das Angebot zugreift. Das Angebot
ist weltweit abrufbar, der Nutzer ist also örtlich nicht gebunden. Dass der Nutzer das Werk
zu Zeiten seiner Wahl abrufen können muss, bedeutet jedoch nicht, dass die Möglichkeit
des Abrufs 24 Stunden am Tag gegeben sein muss.298 Der Anbieter gewährt einen solchen
Abruf, auch wenn er das Werk innerhalb eines kurzen Zeitraumes zur Verfügung stellt.
Für eine solche Zurverfügungstellung bedürfte es der Zustimmung der AKM, da es sich
um eine unveränderte Massennutzung handelt. Ebenso verstößt der Anbieter gegen die
Leistungsschutzrechte der Interpreten und Tonträgerhersteller (§§ 71a, 76 Abs 1 UrhG), da
meist schon bestehende Tonträgeraufnahmen über Filesharing öffentlich zur Verfügung
gestellt werden. Bei Filesharing-Diensten werden grundsätzlich nur die Dateien zur
Verfügung gestellt, die anderen Nutzern freigegeben werden. Einige Dienste haben
standardmäßig den Upload aktiviert. Bei anderen ist der Upload gar nicht deaktivierbar.
Bei wieder anderen werden nur die Dateien freigegeben, die der Nutzer manuell in den
„Shared Folder“ transferiert hat. Einige Filesharing-Programme wiederum stellen die
heruntergeladenen Dateien automatisch zum Download für andere bereit. Stellt der Nutzer
des Dienstes keine Dateien in diesen Ordner, kann auch folglich keine öffentliche
Zurverfügungstellung erfolgen. Bei den meisten Programmen kann man die Anzahl der
herunterladenden
Mitglieder
reduzieren.
Durch
eine
Reduktion
auf
zB
einen
herunterladenden Nutzer, stellt der Anbieter seine Dateien aber ebenfalls öffentlich zur
Verfügung. Dies liegt daran, dass bei dem Öffentlichkeitsbegriff iSd § 18a UrhG eine
296
Unter einem aktiven Mitglied versteht man eines, das selbst Dateien für andere anbietet. Ein passives
Mitglied lädt hingegen Dateien nur herunter, ohne selbst welche anzubieten. Zu den Begriffen: Büchele,
Urheberrecht im WWW, 109.
297
Büchele, Urheberrecht im WWW, 109f.
298
Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2 § 18a Rz 2.
88
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
sukzessive Öffentlichkeit ausreicht. Bei der Feststellung einer sukzessiven Öffentlichkeit
wird die Quantität der Nutzer über einen längeren Zeitraum angesehen. Nicht alle
Teilnehmer der Öffentlichkeit müssen gleichzeitig und am selben Ort das Werk
konsumieren. Als Öffentlichkeit gilt ein Publikum, das untereinander nicht persönlich
verbunden ist.299 Dies ist beim Filesharing immer der Fall. Wenn der Nutzer gar keine
Dateien zum Download anbietet, wird oft die Downloadgeschwindigkeit für ihn
herabgesetzt oder es wird sogar nicht einmal ein Download ermöglicht. Das Anbieten von
urheberrechtlich geschützten Musikdateien verstößt daher gegen das Recht der
öffentlichen Zurverfügungstellung. Dies gilt selbstverständlich nicht, sofern freie Werke
(etwa unter einer bestimmten CC-Lizenz300 stehende Werke oder Werke, deren Schutzfrist
bereits abgelaufen ist), die praktisch gesehen aber (fast) nicht auf Filesharing-Portalen zu
finden sind.
Ebenfalls wird in das Vervielfältigungsrecht eingegriffen. § 15 UrhG gesteht dem
Urheber das ausschließliche Recht zu, „das Werk – gleichviel in welchem Verfahren, in
welcher Menge und ob vorübergehend oder dauerhaft – zu vervielfältigen.“ Das passive
Mitglied301 eines Filesharing-Netzwerks vervielfältigt das urheberrechtliche Werk durch
sein Herunterladen und greift so unzulässig in das Vervielfältigungsrecht ein, da das
Mitglied keine entsprechende Werknutzungsbewilligung erworben hat. Das aktive
Mitglied vervielfältigt das Werk durch seinen Upload. Die Vervielfältigung geht hier
einher mit der öffentlichen Zurverfügungstellung.
Manchen Nutzern von Tauschbörsen ist der Eingriff von Urheberrechten gar nicht
bewusst. So hat der OGH auch festgehalten, dass „die Funktionsweise von
Internettauschbörsen und Filesharing-Systemen bei Erwachsenen nicht als allgemein
bekannt vorausgesetzt werden könn[e]“ und damit das Bewusstsein fehlt, dass mithilfe
dieser Systeme Verletzungen von Verwertungsrechten begangen werden können.302 Dies
betraf jedoch nur das Bewusstsein Erwachsener. Einige Studien zeigen jedoch, dass
mittlerweile von einem hohen Bewusstsein der Unrechtmäßigkeit der Benutzung von
Filesharingbörsen unter Jugendlichen ausgegangen werden kann.303 Auch hat der deutsche
299
Gaderer in urheber.recht2 § 18a, 4.1.
Mehr zu Creative-Commons-Lizenzen unter: <creativecommons.org/licenses/>.
301
Dieses Mitglied lädt Dateien nur herunter, bietet aber selbst keine Dateien an.
302
OGH 22.01.2008, 4 Ob 194/07v, LimeWire, jusIT 2008/27, 65 = RdW 2008/354, 396 = ecolex 2008/165,
449.
303
Siehe etwa die deutsche Studie der GfK (Gesellschaft für Konsumforschung), nach der nur 6 % der 10- bis
19-Jährigen einen Download aus Tauschbörsen für legal halten, 31: <miz.org/artikel/DCN-Studie_2012.pdf>.
300
89
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
BGH eine Haftung der Eltern für ein minderjähriges Kind grundsätzlich abgelehnt, wenn
diese über die Illegalität der Tauschbörse aufgeklärt hatten.304
An dieser Stelle sei zur Vollständigkeit auch eine legale P2P-Tauschbörse erwähnt.
iMesh ist die bekannteste legale Tauschbörse. Diese bietet lizenzierte Musiktracks zum
Download und Streamen an. Sie ist zentral aufgebaut. Unter Entrichtung einer monatlichen
Gebühr kann man Dateien downloaden – daher ist iMesh als eine Mischung zwischen AboDienst und Tauschbörse anzusehen. iMesh bietet nach eigenen Angaben ca 15 Mio Songs
und Videos an. Der Dienst ist mit einem zentralen Server eingerichtet, über den die
Suchanfragen geschickt werden. Der erstmalige Download einer Datei erfolgt noch vom
Server. Die anschließenden Downloads erfolgen dann jedoch von den Clients (=Peers)
selbst. So kann der Dienst die Kosten für den Transfer an die Nutzer abgeben. Die
Abspiellizenzen müssen jedoch wieder über den zentralen Server aufgerufen werden.
Damit ähneln legale Tauschbörsen in ihrer Funktionsweise weitgehend der oben
beschriebenen ersten Generation von Tauschbörsen.305 Viele der Tracks der Datenbank
können auch gratis heruntergeladen werden. Dies umfasst jedoch nur weitgehend
unbekannte
freie
Werke.
Für
den
Download
von
lizenzierten
Songs
der
Tonträgerunternehmen muss der Nutzer ein kostenpflichtiges Abo abschließen. Ebenso
besteht die Möglichkeit, mit anderen Nutzern in Kontakt zu treten. In der Praxis werden
solche legalen Tauschbörsen jedoch nicht sehr häufig genutzt, eine andere legale
Tauschbörse namens Mashboxx musste deshalb ihren Dienst wieder einstellen.
Server
Erstmaliger Download
des Musiktracks
Client
Download der Lizenz
Client
Client
Abbildung 15: Bei legalen Tauschbörsen findet nach dem ersten Download der Austausch unter den
Nutzern statt. Die Lizenzen zum Abspielen müssen jedoch immer vom Server abgerufen werden.
304
305
BGH 15. 11. 2012, I ZR 74112, Morpheus, MR 2012, 274.
Siehe Abbildung 8 auf Seite 48.
90
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Urheberrechte
Leistungsschutzrechte
Sonstige Rechte
Individuell:
Kollektiv:
Individuell:
Kollektiv:
Individuell:
Kollektiv:
●Komponist
und Texter
●AKM
●Fotograf
●VBK
●LSG
●austromechana
●Grafiker
●Tonträgerhersteller
●Musikverlag
●ausübende
Künstler
Abbildung 16: Rechteerwerb beim Betrieb legaler Filesharingbörsen. Hier sind die Rechte idR von AKM
und den Tonträgerherstellern zu erwerben, bei Anzeigen eines Covers ist auch eine Lizenz von der VBK
einzuholen. Berührt sind jeweils Vervielfältigungs- und Zurverfügungstellungsrechte.
b. Freie Werknutzungen iZm Filesharing: Vervielfältigung zum privaten Gebrauch – §
42 Abs 4 UrhG
Als freie Werknutzungsart kommt insb die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch
(§ 42 Abs 4 UrhG) infrage. Die Zulässigkeit des bloßen Downloads aus einem
Filesharing-Netzwerk wurde höchstgerichtlich noch nicht behandelt.306 Ob der bloße
Download zulässig ist, hängt von der Zulässigkeit der Vervielfältigung zum privaten
Gebrauch ab. Es sind erneut die 5 Voraussetzungen für die Zulässigkeit zu prüfen:
1)
2)
3)
4)
5)
einzelne Vervielfältigungsstücke,
privater Gebrauch,
keine kommerziellen Zwecke,
keine anschließende öffentliche Zurverfügungstellung und
das Vorliegen einer rechtmäßigen Quelle.
Im Folgenden wird die Voraussetzung des Vorliegens einer rechtmäßigen Vorlage
genauer behandelt, da dies in der Praxis die Kernfrage darstellt. In Bezug auf die anderen
Voraussetzungen kann auf obige Ausführungen verwiesen werden.307 Nach dem Wortlaut
des § 42 Abs 4 UrhG wäre der Download jedenfalls zulässig, denn danach darf jede
natürliche Person einzelne Vervielfältigungsstücke zum privaten Gebrauch herstellen. Die
Bestimmung erwähnt nicht, ob die Vorlage rechtmäßig sein muss.
306
307
Schmidbauer, <internet4jurists.at/urh-marken/faq_urh1a.htm#tausch>.
Siehe iZm Download-Diensten Seite 71 ff.
91
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Ob die Vorlage für eine Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch308 eine
rechtmäßige sein muss, hat der OGH erstmals in der Entscheidung „Figur auf einem
Bein“309 aus dem Jahr 1998 festgehalten. Hierin sagt er, das Gesetz setze es
selbstverständlich voraus, „daß die Vervielfältigung mittels eines rechtmäßig erworbenen
Werkstückes geschieht“310. Der OGH verweist dabei bemerkenswerterweise auf den
deutschen Kommentar von Nordemann/Vinck/Hertin.
Hat also jemand ein Werk unrechtmäßig erworben, so darf er dieses nicht
vervielfältigen und sich dabei auf die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch stützen.
IZm Downloads von Musikstücken aus dem Internet ist aber zu sagen, dass das
ursprüngliche Werkstück („Original“) immer bei demjenigen verbleibt, der es zum
Download zur Verfügung gestellt hat, es also hochgeladen hat. Der herunterladende Nutzer
kann also durch seinen Download nur Vervielfältigungen der Kopiervorlage herstellen. Die
ganz überwiegende Lehre sagt dennoch, dass die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch
nur unter Zuhilfenahme eines rechtmäßig erworbenen Werkstücks oder einer rechtmäßig
hergestellten Vorlage geschehen kann.311
Medwenitsch/Schanda vertreten diese Meinung. Sie meinen, da der Gesetzgeber
das Erfordernis einer rechtmäßigen Vorlage nicht erwähnt, müsse man diese Bestimmung
unter Berücksichtigung von Art 9 Abs 2 RBÜ312 auslegen.313
Philapitsch meint, dass vom Gesetzgeber nicht verlangt werden kann, sämtliche
Sachverhalte zu regeln. Er sagt, dass Sinn und Zweck des Urheberrechts es sei, einen
Ausgleich zwischen Urhebern und Nutzern zu schaffen. Gerade deswegen dürfe die
Vervielfältigung zum privaten Gebrauch nicht zu einer Verbreitung von illegalen Kopien
urheberrechtlich geschützter Werke führen.314 Demzufolge sieht er eine rechtmäßige
Vorlage als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Vervielfältigung zum privaten
Gebrauch.
308
Zum relevanten Entscheidungszeitpunkt existierte noch keine „Vervielfältigung zum privaten Gebrauch“.
OGH 17.03.1998, 4 Ob 80/98p – Figur auf einem Bein.
310
Eigene Hervorhebung.
311
Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2 § 42 Rz 30; Kucsko, Geistiges Eigentum 1209f.; Dittrich, ecolex
2002, 186 (187); Stomper, RdW 2003, 368; Philapitsch, MR 2004, 111.
312
Siehe dazu weiter unten beim „Dreistufentest“ auf Seite 87.
313
Medwenitsch/Schanda, Download von MP3-Dateien aus dem Internet: Private Vervielfältigung und
rechtmäßig erstellte Vorlage, in FS Dittrich (2000) 219 (227).
314
Philapitsch, Zum Erfordernis einer legalen Quelle für die Digitale Privatkopie, MR 2004, 111 (114).
309
92
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Thiele/Laimer sind hingegen der Meinung, dass keine rechtmäßige Vorlage
vorliegen müsse. Sie begründen dies zum einen mit dem Gesetzeswortlaut, der das
Vorhandensein einer rechtmäßigen Vorlage nicht erwähnt. Zum anderen würde nach § 42
Abs 4 UrhG ein „Nutzungsrecht kraft Gesetzes“ vorliegen. Damit käme man zu dem
Schluss, dass jegliches Herunterladen im privaten Rahmen erlaubt sei. Die „Figur auf
einem Bein“-Entscheidung ist nach ihnen nicht vergleichbar, da es beim Download von
Filesharingbörsen um die Frage geht, ob die Vorlage rechtmäßig veröffentlicht wurde, und
nicht um den rechtmäßigen „Erwerb“. Der rechtmäßige Erwerb sei irrelevant, denn auch
das Aufnehmen von Musik vom Radio sei zulässig, ohne Eigentümer der CD zu sein, die
vom Radiobetreiber gespielt wird.315
Berücksichtigt man die „Figur auf einem Bein“-Entscheidung iZm § 42 Abs 4
UrhG, so muss man zu dem Ergebnis kommen, dass die Vervielfältigung zum privaten
Gebrauch ein rechtmäßig erworbenes Werkstück voraussetzt. Nach Walter müsste man
aber, wenn man die „Figur auf einem Bein“-Entscheidung hier beachtet, auch die
Entscheidung „Postwurfsendung“ in die Überlegungen mit einbeziehen.316 In dieser
Entscheidung hat der OGH ausgesprochen, dass die freie Werknutzung der
Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 42c UrhG) auch dann gegeben ist, wenn das
Werk von einem Dritten unzulässig bearbeitet wurde. Die Rechtsverletzung der
unzulässigen Bearbeitung bleibt demnach vom Rechtfertigungstatbestand des § 42c UrhG
unberührt. Da die freien Werknutzungen systematisch zusammengehören, sollte man
dieses Ergebnis auch für andere freie Werknutzungsarten anwenden können.317 Beachtet
man folglich beide Entscheidungen, bedeutet das für § 42 Abs 4 UrhG, dass die
Vervielfältigung zum privaten Gebrauch ein rechtmäßig erworbenes Werkstück
voraussetzt, jedoch die unrechtmäßige Bearbeitung oder Herstellung dieses
Werkstücks irrelevant ist.318
Da der OGH in der Entscheidung „Postwurfsendung“ ausspricht, dass die aus einer
unzulässigen Bearbeitung resultierende Rechtsverletzung vom Rechtfertigungstatbestand
des § 42c UrhG unberührt bleibt, müsste man auch annehmen, dass das Umgehen einer
geschützten technischen Maßnahme (§ 90c UrhG) als Rechtsverletzung vom
Rechtfertigungstatbestand des § 42 Abs 4 UrhG nicht berührt wird. Daraus kann man
315
Thiele/Laimer, ÖBl 2004/17, 52 (54).
OGH 23.5.2000, 4 Ob 134/00k – Postwurfsendung, MR 2000, 379 (Walter).
317
Thiele/Laimer, ÖBl 2004/17, 52 (54).
318
Kössler, Die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch im Zusammenhang mit der Internetnutzung, in
Jaksch-Ratajcak/Stadler (Hrsg), Aktuelle Rechtsfragen der Internetnutzung (2011) 163 (176f).
316
93
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
folgern, dass § 42 Abs 4 UrhG nicht das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal einer
rechtmäßigen Vorlage enthalten kann.
Nach Kössler darf gleichfalls die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch nicht als
unzulässig erachtet werden, wenn die Vorlage ein unrechtmäßig zur Verfügung gestelltes
Werkstück ist. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, hätte er eine Regelung iSd §§ 56–56c
UrhG erlassen, durch die bestimmte freie Werknutzungsarten für unzulässig erklärt
werden, wenn dafür „ein Bild- oder Schallträger benutzt wird, der mit Verletzung eines
ausschließlichen Rechtes, das darauf festgehaltene Werk zu vervielfältigen oder zu
verbreiten, hergestellt oder verbreitet worden ist.“319
In der Entscheidung ging es mE jedoch um ein andersgeartetes Problem, nämlich
darum, ob der Ersteller einer Vervielfältigung die Vorlage für die Vervielfältigung
rechtmäßig erworben hat. Bei der Frage der Zulässigkeit der Privatkopie iZm FilesharingDiensten geht es jedoch um die Frage, ob das Werk rechtmäßig öffentlich zur Verfügung
gestellt wurde oder ob die Anfertigung einer Privatkopie voraussetzt, dass man das
Original zuvor rechtmäßig erworben hat. 320
Mehrere Autoren, die die Notwendigkeit einer rechtmäßigen Vorlage in § 42 Abs 4
bejahen, lehnen die Anwendbarkeit der „Figur auf einem Bein“-Entscheidung bei dieser
Frage ab.321 Diese Autoren sprechen sich zur Beantwortung der Frage, ob eine rechtmäßige
Vorlage bestehen muss, für die Anwendbarkeit des Dreistufentests („Three Step Test“)
aus.322 Nach diesem ist zu messen, ob Urheberinteressen nicht zu sehr beeinträchtigt
werden, sodass eine Vervielfältigung für den Nutzer nicht rechtmäßig ist. Als rechtliche
Grundlage für den Dreistufentest sind drei Quellen anzugeben. Diese sind Art 9 Abs 2
RBÜ323, Art 13 TRIPS-Abkommen324 und Art 5 Abs 2 lit b iVm Art 5 Abs 5 RL
2001/29/EG. Danach kann eine Vervielfältigung zulässig sein, wenn gewisse
Voraussetzungen erfüllt werden. Eine Vervielfältigung ist zulässig, wenn
1) es sich um Sonderfälle handelt,
2) die normale kommerzielle Auswertung des Werkes nicht beeinträchtigt wird und
3) die berechtigten Interessen des Urhebers nicht unzumutbar verletzt werden.325
319
Kössler, in Jaksch-Ratajcak/Stadler, Aktuelle Rechtsfragen der Internetnutzung, 163 (176).
Schachter in urheber.recht2 § 42, 6.; Noll, ÖSGRUM 31, 8; Philapitsch, MR 2004, 111 (112).
321
zB Philapitsch, MR 2004, 111 (112); Schachter in urheber.recht2 § 42, 6.; aA Noll, MR 2004, 400 (404).
322
zB Noll, MR 2004, 400; Medwenitsch/Schanda in FS Dittrich, 219 (226).
323
Revidierte Berner Übereinkunft (Pariser Fassung) zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst vom
13. November 1908, idF BGBl Nr 319/1982.
324
Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Agreement on TradeRelated Aspects of Intellectual Property Rights), BGBl Nr 1/1995 Anhang 1C idF 1995/379.
325
Schachter in urheber.recht2 § 42, 6.
320
94
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Bei Prüfung der ersten Stufe ist zu sagen, dass bei der digitalen Privatkopie nicht
von einem „bestimmten Sonderfall“ gesprochen werden kann.326 Ein Sonderfall ist
gegeben, wenn eine solche Vervielfältigung die normale Auswertung des Werkes nicht
beeinträchtigt und auch keine berechtigten Interessen des Urhebers verletzt.327 Verträte
man diese Meinung, wäre die digitale Privatkopie bereits nach Prüfung der ersten Stufe
unzulässig. In völkerrechtlichen Verträgen wird der Dreistufentest jedoch reduziert auf
einen Zweistufentest. Diese Reduktion lässt die erste Stufe, dh die Prüfung des
Vorhandenseins eines Sonderfalles außer Acht.328
Die zweite Stufe fragt danach, ob die Zulässigkeit der Vervielfältigung von einer
rechtswidrig hergestellten Vorlage die „normale wirtschaftliche Auswertung des
Werkes“ beeinträchtigen würde.329 Hier ist zu sagen, dass eine Beeinträchtigung der
normalen wirtschaftlichen Auswertung durchaus als gegeben anzunehmen ist, da der
kostenlose Download einer unrechtmäßigen Vorlage in Konkurrenz zu den legalen
Märkten steht. Mittlerweile existieren legale Downloadportale, bei denen Musiktitel gegen
Entgelt heruntergeladen werden können. Gegenüber jenen Portalen kann es bei diesen
Portalen zu wirtschaftlichen Verschlechterungen kommen, wenngleich der Schaden nicht
1:1 umzulegen ist, da nicht jeder, der von einer unrechtmäßigen Quelle herunterlädt, den
Musiktrack andernfalls legal gekauft hätte. Eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen
Auswertung ist daher jedenfalls als gegeben anzusehen.330 Noll bekundet, dass mit der
„normalen Auswertung“ auch die der Norm entsprechende Auswertung gemeint sein soll.
Damit wäre eine unrechtmäßige Auswertung schon unter Betrachtung dieses Wortsinns
nicht zulässig.331 Die wirtschaftliche Auswertung wird jedoch eigentlich nicht nur durch
§ 42
Abs
4
UrhG
beeinträchtigt,
sondern
va
durch
die
unrechtmäßige
Zurverfügungstellung nach § 18a UrhG.332 Die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch
auf Grundlage einer unrechtmäßigen Vorlage scheitert also jedenfalls an der zweiten
Prüfstufe.
326
Noll, ÖSGRUM 31, 40; Noll, MR 2004, 400 (402).
Schachter in urheber.recht2 § 42, 6.
328
Walter, UrhG 2006, Vor §§ 41 ff 2.2.
329
Experten fordern nun, dem wirtschaftlichen Fokus nicht zu viel Gewicht zukommen zu lassen, im
Gegenzug
dazu
soll
dem
öffentlichen
Interesse
mehr
Beachtung
zukommen;
<heise.de/newsticker/meldung/Experten-fordern-mehr-Balance-im-Urheberrecht-189702.html>.
330
Noll, ÖSGRUM 31, 41; Noll, MR 2004, 400 (403); Medwenitsch/Schanda in FS Dittrich, 226.
331
Noll, ÖSGRUM 31, 42f; Noll, MR 2004, 400 (403); aA Dittrich, ÖSGRUM 33, 103f.
332
Schmidbauer, FAQ zum Urheberrecht – UrhG: 10.2. Darf ich Musik-Dateien von Tauschbörsen
herunterladen?, <internet4jurists.at/urh-marken/faq_urh1a.htm#tausch>.
327
95
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Die dritte Prüfstufe besagt, dass die Beschränkung oder Ausnahme den
„berechtigten Interessen des Rechteinhabers“ nicht zuwiderlaufen darf. Durch das
illegale Vervielfältigen erhält der Rechteinhaber keinerlei gesetzliche oder sonstige
Vergütung als gerechten Ausgleich.333 Dies verletzt zweifelsohne die Interessen des
Rechteinhabers. Somit würde die Prüfung auch auf der dritten Stufe scheitern.
3.Stufe
2.Stufe
1.Stufe
Ist die digitale
Privatkopie ein
Sonderfall?
Ist die normale
wirtschaftliche
Auswertung des
Werkes
beeinträchtigt?
Sind berechtigte
Interessen der
Rechteinhaber
verletzt?
Abbildung 17: Der Dreistufentest (Art 9 Abs 2 RBÜ, Art 13 TRIPS-Abkommen und Art 5 Abs 2 lit b
RL 2001/29/EG). Ist eine der Fragen mit ja zu beantworten, besteht eine Erlaubnis zur
Vervielfältigung zum privaten Gebrauch.
Von manchen wird die Meinung vertreten, dass der Dreistufentest nur bei
Verwendung einer rechtmäßigen bzw rechtmäßig hergestellten Vorlage, bestanden wird.334
Für diese Meinung wird als Argument die „Ludus tonalis“-Entscheidung335 angegeben.
Nach dieser Entscheidung stehe § 42 UrhG idF des BGBl Nr 612/1989 iZm Notenmaterial
mit dem Dreistufentest nicht im Einklang. Die Beklagte war Musiklehrerin und hat ihren
Schülern drei Kopien der gedruckten Noten des Werkes „Ludus tonalis“ von Paul
Hindemith zum Zwecke des Übens übergeben. Klägerin war der Verlag, der zur
ausschließlichen Werknutzung dieser Komposition von Hindemith berechtigt war. Dabei
hält der OGH fest, dass das Fotokopieren von Musiknoten mittlerweile so üblich geworden
ist, dass die Zahl der Kopien ebenfalls in Österreich in die Millionen gehen dürfte. Daraus
ergibt sich, dass das Kopieren von Noten die berechtigten Interessen des Urhebers
unzumutbar verletzt. Genau dies ist die Fragestellung auf der 3. Prüfstufe des
Dreistufentests. Irrelevant ist dabei, dass die Beklagte bloß drei Vervielfältigungstücke
angefertigt hat. Ebenfalls spricht der OGH aus, dass die „normale Auswertung des Werks“
333
Noll, ÖSGRUM 31, 43f; Noll, MR 2004, 400 (404); Medwenitsch/Schanda in FS Dittrich, 226.
So Noll, MR 2004, 400 (404); Schachter in urheber.recht2 § 42, 6.
335
OGH 31.01.1995, 4 Ob 143/94 – Ludus tonalis – ÖBl 1995, 184.
334
96
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
(2. Prüfstufe) beeinträchtigt ist, denn gerade in der E-Musik erfolgt der Vertrieb von
Notenmaterial durch einen Verlag, der damit einen angemessen Gewinn erzielen kann.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass eine unrechtmäßige Vorlage oder
unrechtmäßig hergestellte Vorlage dann gegeben ist, wenn
1)
ein Vervielfältigungsstück angefertigt wurde, um es dann
der
Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen (§ 42 Abs 5 UrhG)
oder
2)
eine wirksame technische Schutzmaßnahme iSd § 90c Abs 2 UrhG
umgangen wurde.
Ersteres ist idR bei Filesharing-Systemen der Fall. Die Person, die die Datei
anbietet, stellt sie öffentlich zur Verfügung. Damit werden (fast alle) hochgeladenen
Werke zu unrechtmäßig hergestellten Vorlagen. Die unrechtmäßige Vorlage wird von der
hochladenden Person erzeugt. Jemand der Kopien von dieser Vorlage herunterlädt, ist sehr
wohl vom Verbotsrecht des Vervielfältigungsrechtes erfasst, da er sich – folgt man den
obigen Ausführungen – nicht auf § 42 Abs 4 UrhG stützen kann.336 § 42 Abs 5 UrhG stellt
klar, dass eine Vervielfältigung zum privaten Gebrauch nicht vorliegt, „wenn sie zu dem
Zweck vorgenommen wird, das Werk mit Hilfe des Vervielfältigungsstückes der
Öffentlichkeit zugänglich zu machen“.
Eine Klarstellung durch den Gesetzgeber wäre angesichts der unterschiedlichen
Meinungen dennoch sehr zu begrüßen.
4. Internetradio
Internetradiodienste
lassen
sich
unterteilen
in
Simulcasting-
und
Webcastingdienste, welche vergleichbar sind mit dem herkömmlichen UKW-Radio, und
personalisierte Webradios.337 Webcastingdienste ließen sich noch unterteilen in nichtinteraktive und interaktive Webcastingdienste, wobei personalisierte Webradiodienste die
auf die „Spitze getriebenen“ interaktiven Webcastingdienste sind. Zuerst soll das sog
„Sendeprivileg“ genauer erklärt werden, da dieses von großer Relevanz für das
Verständnis des Problems der verwertungsrechtlichen Einordnung der Internetradiodienste
ist. Danach werden Simulcasting- und Webcastingdienste rechtlich analysiert. Im
Anschluss daran wird eine verwertungsrechtliche Einordnung der personalisierten
336
337
aA Dalus, Der Download aus Filesharingbörsen, ecolex 2009, 1066 (1068).
Siehe Teil II, Seite 50 ff.
97
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Webradios versucht, denen wegen der verschiedenen Literaturmeinungen und den
komplexen Funktionen („Präferenzfunktion“) besonderes Augenmerk zukommen soll. Am
Ende sollen noch mögliche freie Werknutzungen iZm diesen drei Arten von
Internetradiodiensten behandelt werden.
a. Betroffene Verwertungsrechte
aa. Das Sendeprivileg
Die Subsumtion unter das jeweilige Verwertungsrecht ist va für die Inhaber der
Leistungsschutzrechte von immenser Bedeutung. Den ausübenden Künstlern und
Tonträgerherstellern steht nur bei der öffentlichen Zurverfügungstellung ihrer Leistungen
ein ausschließliches Verbotsrecht in § 71a UrhG zu. Werden ihre Leistungen hingegen nur
iSd § 17 UrhG gesendet, so haben sie bloß einen Anspruch auf eine angemessene
Vergütung (§ 76 Abs 3 UrhG). Sie können aber das Senden nicht verbieten, da ihnen das
Gesetz kein ausschließliches Verbotsrecht zuerkennt (§ 70 Abs 2 UrhG). § 70 Abs 2
UrhG normiert nämlich, dass für eine Rundfunksendung mithilfe von Bild- oder
Schallträgern eine Einwilligung der Rechteinhaber nicht erforderlich ist. Dieser Absatz
spricht zwar nur von einer „Rundfunksendung“, da § 70 Abs 1 UrhG aber einen Verweis
auf § 17 UrhG enthält, wird angenommen, dass jegliche Übertragungsart, die unter § 17
UrhG fällt, auch unter § 70 Abs 2 UrhG fällt.338 Die ausübenden Künstler sowie der
Tonträgerhersteller müssen dabei nicht gefragt werden. Dies gilt jedoch nur für
handelsübliche Bild- und Schallträger, umschließt also etwa Demo-Bänder nicht.
Wird ein „zu Handelszwecken hergestellter Schallträger“ gesendet, was der
Regelfall ist, so bekommt der Tonträgerhersteller eine „angemessene Vergütung“ nach
§ 76 Abs 3 UrhG. Die ausübenden Künstler haben ihrerseits einen Anspruch auf
Beteiligung an dieser Vergütung. Diese wird von der LSG kassiert, welche die
eingenommenen Beträge den ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern mangels
anderer vertraglicher Vereinbarung zu einem Schlüssel von 50:50 zuteilt (§ 76 Abs 3
UrhG).
Als „Sendeprivileg“ bezeichnet man den Umstand, dass auf handelsüblichen
Tonträgern erschienene Musikstücke ohne Nachfrage bei den Tonträgerherstellern und
ausübenden Künstlern gesendet werden dürfen (§ 70 Abs 2 UrhG). Die Verwertungsart der
Sendung von handelsüblichen Tonträgern ist also gegenüber den übrigen Verwertungsarten
338
Schumacher in urheber.recht2 § 70. 2.
98
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
privilegiert. Dieses gilt auch für die Sendung öffentlich zur Verfügung gestellter
Audiodateien. Dabei wurde Musik zwar nicht auf Tonträger gepresst, sondern digital im
Internet zur Verfügung gestellt, der Gesetzgeber bezeichnet diese Musikdateien in § 76
Abs 3 1. Satz verwirrenderweise aber auch als „Schallträger“.
Immer wieder gibt es einzelne Rufe der Musikindustrie, das Sendeprivileg
abzuschaffen.339 Angeführte Argumente sind hierbei, dass die Radiobetreiber kein Geld
oder sonstigen Aufwand in den Aufbau der Künstler stecken, sondern nur die
aufgenommenen Musikstücke spielen. Historisch gesehen wurde das Sendeprivileg
geschaffen, um den damals neu entstehenden Radiostationen zu helfen, wirtschaftlich
überleben zu können. Würde das Sendeprivileg abgeschafft, so könnte die Musikindustrie
in das Programm der Radiobetreiber eingreifen, indem sie beliebte Stücke nur um eine
hohe Vergütung lizenziert und noch unbekannte zB unentgeltlich lizenziert. Einige
Vertreter der Musikindustrie möchten daher schon seit Jahren das Sendeprivileg auf den
traditionellen Hörfunk einschränken. Durch das jetzige Sendeprivileg sind nämlich
nicht
nur
klassische
Sendeunternehmen
bevorzugt,
sondern
auch
gewisse
Internetradiodienste.340
Diese gesetzliche Konstruktion bringt es mit sich, dass die Tonträgerhersteller
möglichst
viele
Online-Musikdienste
unter
das
Recht
der
öffentlichen
Zurverfügungstellung eingeordnet sehen wollen. Beweggrund ist nicht so sehr ein
finanzieller, sondern vielmehr ein strategischer. Die Tonträgerhersteller wollen mit dem
Diensteanbieter autonom verhandeln können und ihn so dazu bringen, nicht nur die Hits
in das Sortiment aufzunehmen, sondern auch andere weniger bekannte Titel zu spielen und
so bekannter zu machen.341 Auch der finanzielle Aspekt ist aber nicht außer Acht zu
lassen. Bei Anwendbarkeit des Sendeprivilegs werden sämtliche Musiktitel „über einen
Kamm geschoren“ – neue Musiktitel kosten so gleich viel wie ältere Hits, die ihr Geld
schon vor langer Zeit eingespielt haben. Bei einer individuellen Vereinbarung könnte
Rücksicht auf zB neuere Musiktitel genommen werden, indem diese teurer lizenziert
werden und ältere Titel hingegen günstiger. Die Betreiber personalisierter Webradios
möchten sich ihrerseits auf das Sendeprivileg stützen können. So müssen sie nicht in
autonome Verhandlungen mit den Tonträgerherstellern treten, die als Ergebnis nicht nur zu
339
Siehe zB <zdnet.de/39141369/musikindustrie-will-zahlreiche-online-radios-schliessen-lassen>.
<zdnet.de/39141369/musikindustrie-will-zahlreiche-online-radios-schliessen-lassen>.
341
Dokalik, Musik-Urheberrecht, Rz 294.
340
99
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
einer teureren Lizenz führen können, sondern von den Tonträgerherstellern auch an
eventuell nicht gewünschte Bedingungen geknüpft werden kann.
ab. Simulcasting und Webcasting
Simulcasting- und Webcastingbetreiber bieten Musik zum Streamen an. Diese
Diensteanbieter müssen also vorab auf ihren Webservern die musikalischen Werke digital
gespeichert haben, um sie auch den Kunden als Stream übermitteln können. Durch diese
Dienste werden die den Urhebern exklusiv zugeschriebenen Verwertungsrechte berührt.
Da „Internetradio“ schon vom Wortlaut her an Radio und damit das Senderecht (§ 17
UrhG) erinnert, ist es nicht verwunderlich, dass der Dienst meist auch dieser
Verwertungsart zugeordnet wird.
Simulcasting- und Webcastingdienste funktionieren idR unentgeltlich für den
Nutzer. Sie finanzieren sich durch Werbung und Sponsoring. Die Diensteanbieter müssen
zuerst die von ihnen zu spielenden Musiktitel in ihre Datenbank hochladen. Dies stellt
bekanntermaßen einen Eingriff in das Vervielfältigungsrecht nach § 15 UrhG dar.342
Da Simulcasting- und (nicht-interaktive) Webcastingdienste dem Nutzer die
gleichen Einflussmöglichkeiten wie herkömmliche Radios bieten, ist die Übermittlung der
Werke mE als Sendung iSd § 17 UrhG einzustufen, denn es werden urheberrechtlich
geschützte Inhalte übertragen, auf die der Nutzer keinen Einfluss hat. 343 Der Nutzer kann
nämlich nicht in den Beginn der Sendung, den Sendeablauf und den Inhalt der Sendung
eingreifen. Er kann zwar den Dienst nach Belieben starten und stoppen, mehr
Einflussmöglichkeiten kommen ihm jedoch nicht zu. Hat der Nutzer einmal den Dienst
gestartet, so bietet sich ihm ein fix vorgefertigtes Sendeprogramm. Mit der Wahl des
Radiodienstes kann der Nutzer lediglich uU das Musikgenre wählen, indem er zB einen
Radiodienst aufruft, der auf Reggae-Musik spezialisiert ist. Auch die Tatsache, dass der
Simulcastingdienst von Ö3 etwa eine Playlist anzeigt, die die nächsten 2 Musiktracks
anzeigen, ist für das Bestehen eines interaktiven Abrufs zu wenig, denn auch im Hörfunk
wird zT angekündigt, welche Songs in naher Zukunft gespielt werden.344
Das Senderecht ist in diesem Fall von der AKM zu erwerben, da es sich bei der
Sendung über das Internet um eine unveränderte Massennutzung handelt. Die AKM
342
Zur Einordnung des Uploads als Eingriff in das Vervielfältigungsrecht siehe schon Seite 54 ff.
Siehe genauer die Kriterien auf Seite 108 ff.
344
Vgl den Ö3-Simulcastingplayer unter <ms01.oe3.fm/oe3metafiles/Player/Player.html>.
343
100
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
übernimmt hier die kollektive Wahrnehmung der Urheberrechte. Dies ergibt sich aus Punkt
I.1. lit a der Betriebsgenehmigung und des Punktes 2.2. lit b des Wahrnehmungsvertrages
der AKM.
Zusätzlich
zum
Senderecht
ist
bei
Online-Diensten
immer
auch
das
Vervielfältigungsrecht zu erwerben. Das Vervielfältigungsrecht ist als mechanisches
Recht von der austromechana zu erwerben. Bei einem Internetradiodienst handelt es sich
um eine Form der Online-Nutzung. Die austromechana hat – wie schon bei den vorher
behandelten Musikdiensten erwähnt – die AKM beauftragt, den Rechteerwerb für alle
Formen
der
Online-Nutzung zu erledigen,
da hier zwangsläufig immer
das
Vervielfältigungsrecht ebenfalls lizenziert werden muss.345 Als Diensteanbieter muss man
sich demnach nur an die AKM wenden.
Auch bei Simulcasting- und Webcastingdiensten werden schon bestehende
Musikaufnahmen in die Datenbank des Diensteanbieters gespeist. Deshalb ist auch die
Zustimmung vom Tonträgerhersteller bezogen auf die Leistungsschutzrechte einzuholen.
Bei diesen beiden Diensten handelt es sich um nicht-interaktive Dienste. Bei solchen
Diensten sind die Leistungsschutzrechte mE von der Verwertungsgesellschaft zu erwerben
(§ 76 Abs 3 letzter Satz UrhG). Die Zuständigkeit der LSG ergibt sich mE für
Tonträgerhersteller aus Punkt I.1. lit d der Betriebsgenehmigung der LSG346 sowie Punkt
1.1. lit a des LSG-Wahrnehmungsvertrages für Schallträgerhersteller347, denn Punkt 1.6.
stellt klar, dass dem „Rundfunk“ eine Sendung mit Draht (Leiter) gleichgestellt ist. Für
ausübende Künstler ergibt sich ihre Zuständigkeit aus Punkt II.1. lit f der
Betriebsgenehmigung sowie 2.1. lit a des LSG-Wahrnehmungsvertrages für Interpreten348.
Da bei den meisten Aufnahmen ein Tonträgerhersteller tätig ist und diesem vertraglich die
Rechte der Interpreten eingeräumt werden, hat dieser auch das Senderecht der ausübenden
Künstler (§ 70 Abs 1 UrhG).
Wird bei Simulcasting- oder nicht-interaktiven Webcastingdiensten bei Start des
Programms das zum Musiktrack dazugehörige Album-Cover oder Single-Cover
angezeigt, was in der Praxis nur bei den Anbietern mit hoher Hörerzahl, va den öffentlichrechtlichen wie Ö3, vorkommt, sind hier ebenfalls die Urheberrechte vom Fotografen oder
345
<akm.at/Musiknutzer/Online-Nutzung/Fragen_und_Antworten>.
Abrufbar unter <verwges-aufsicht.justiz.gv.at>.
347
Abrufbar unter <lsg.at/lsgvertrag.pdf>.
348
Abrufbar unter <vipcc.at/files/32/Formular_LSGWNVertrag_f%C3%BCr_Interpreten,_weltweit,_7.3.2013.pdf>.
346
101
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Grafiker (§ 3 iVm § 10 Abs 1 UrhG) oder Leistungsschutzrechte bei Nichtvorliegen eines
Werks einzuholen (§ 74 Abs 1 UrhG). Wenn der Fotograf und/oder Grafiker Mitglied der
VBK ist, ist die Lizenz von dieser einzuholen, denn auch das Senderecht ist von der
Betriebsgenehmigung349 und vom Wahrnehmungsvertrag umfasst.
In Abbildung 18 sind die Rechteinhaber noch einmal zusammengefasst dargestellt.
Demnach muss sich der Diensteanbieter bezüglich der Urheberrechte an die AKM wenden.
Da die austromechana die AKM mit der Einräumung von Online-Rechten beauftragt hat,
genügt es, sich bloß an die AKM zu wenden. In Österreich fanden zwar Verhandlungen
zwischen der Vertretung der Radiobetreiber und den Verwertungsgesellschaften zur
Festlegung eines Gesamtvertrages statt, diese endeten aber ohne Ergebnis. 350 Deshalb
bestehen Einzelvereinbarungen mit den Betreibern. Für Privatradios, die ebenfalls im
Simulcast senden, gibt es aber eine Rahmenvereinbarung mit der Wirtschaftskammer
Österreich. In dieser Rahmenvereinbarung finden sich 3 Abstufungen, die nach der Größe
des terrestrischen Empfangsgebiets aufgeteilt sind: Bundesweite Simulcaster351 zahlen
einen Pauschalbetrag von € 300,- pro Monat, regionale Simulcaster, wie zB Antenne
Salzburg zahlen € 200,- pro Monat, lokale Simulcaster wie zB Radio Soundportal zahlen €
100,- pro Monat.352 Hier kommt es also nicht auf die konkrete Hörerzahl an, sondern auf
die Größe des Empfangsgebiets. Aufgrund dieser Rahmenvereinbarung müssen weitere
individuell zugeschnittene Vereinbarungen ausverhandelt werden. Für öffentlich-rechtliche
Sender
gibt
es
gesondert
ausverhandelte
Vereinbarungen.
Für
die
Werknutzungsbewilligung von der AKM und austromechana müssen bei nichtinteraktivem Webcasting zusammen 12 % der Einnahmen (ohne USt) bezahlt werden.
Es gelten ebenfalls Mindestsätze. Diese orientieren sich nach der maximalen Anzahl der
gleichzeitigen Hörer. Die maximal gleichzeitigen Hörer sind die Anzahl der Hörer, welche
pro Stunde maximal den Dienst bzw verschiedene Kanäle desselben Dienstes nutzen
können. Bis maximal 50 Hörer gilt der gesamte (AKM + austromechana) Mindestsatztarif
von € 30,- pro Monat. Bei 51 bis 100 Hörern gilt der Mindestsatztarif von € 75,- pro
Monat. Bei 101 bis 500 gilt der Mindestsatztarif von € 225,-. Bei 501 bis 1.000 Hörer gilt
der Tarif von € 375,-. Für je weitere angefangene 1.000 Hörer werden neben den € 375,-
349
Punkt I.1. lit d der konsolidierten Version der Betriebsgenehmigung in der Fassung des Bescheids der
KommAustria, KOA 9.117/10-018 vom 28.5.2010, online: <verwges-aufsicht.justiz.gv.at>, § 1 Z 1 lit d
Wahrnehmungsvertrag VBK: <vbk.at>.
350
Handig, ecolex 2005, 921 (922).
351
Das ist zurzeit nur Krone Hitradio.
352
Auskunft AKM, Hr. Flenreisz.
102
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
abermals € 150,- gefordert.353 Je mehr Hörer ein Sender hat, desto teurer wird es also für
den Diensteanbieter. Die LSG kassiert aufgrund des „Sendeprivileges“ (§ 70 Abs 2, § 76
Abs 3 UrhG) eine „angemessene Vergütung“. Die Rechte am Cover sind von Fotograf oder
Designer bzw VBK354 zu erwerben.
Urheberrechte
Sonstige Rechte
Leistungsschutzrechte
Individuell:
Kollektiv:
Individuell:
Kollektiv:
Individuell:
Kollektiv:
●Komponist
und Texter
●AKM
●Fotograf
●VBK
●LSG
●austromechana
●Grafiker
●Tonträgerhersteller
●Musikverlag
●ausübende
Künstler
Abbildung 18: Rechteerwerb bei Simulcasting- und nicht-interaktiven Webcasting-Diensten. Bei diesen
Diensten sind die Rechte von der AKM und mE von der LSG zu erwerben, bei Anzeigen eines Covers sind
ebenfalls Rechte von der VBK zu erwerben. Berührt sind jeweils Vervielfältigungs- und Senderechte.
Dabei ist zu betonen, dass dies nicht gänzlich der derzeitigen Praxis der AKM in
Österreich entspricht. Diese ordnet zwar Simulcasting-Dienste dem Senderecht zu, wollen
jedoch Webcastingdienste jedenfalls dem Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung
zuordnen – egal ob diese interaktiv funktionieren oder nicht. Diese Dienste werden
pauschal nach den Tarifen für Webcasting abgerechnet, wobei es unterschiedliche Tarife
gibt, je nachdem ob interaktive Elemente vorhanden sind oder nicht.355 In der Praxis spielt
es dabei für die AKM keine große Rolle, ob der Dienst § 17 oder § 18a UrhG
unterzuordnen ist, da die AKM ohnehin beide Verwertungsarten lizenziert. Eine Rolle
spielt die Zuordnung aber für die in der Folge anwendbaren Tarife sowie in ganz
entscheidendem Maße für die Leistungsschutzberechtigten. In diesem Zusammenhang
prüft die LSG nach den „Nutzungsbedingungen für Webcastingbetrieber“356. Kommt sie zu
dem Schluss, dass der Dienst diese Nutzungsbedingungen erfüllt, so ist der Dienst dem
Senderecht zuzuordnen und der LSG eine „angemessene Vergütung“ zu entrichten.
Werden die Nutzungsbedingungen nicht erfüllt, so greift der Dienst in das Recht der
353
Tarife für Webcasting, <akm.at/Musiknutzer/Online-Nutzung/Tarifinfo>.
Siehe FN 228 auf Seite 70.
355
Siehe Tarife für Webcasting, <akm.at/Musiknutzer/Online-Nutzung/Tarifinfo/>.
356
Siehe unten Seite 113.
354
103
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
öffentlichen Zurverfügungstellung ein und der Dienst hat mit den Tonträgerherstellern
autonom zu verhandeln. Eine pauschale Zuordnung sämtlicher Webcastingdienste unter
das Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung – wie es die AKM vornimmt – ist mE
abzulehnen. Vielmehr sollte auch hier eine Einzelfallentscheidung vorgenommen werden.
Eine
Unterordnung
von
nicht-interaktiven
Webcastingdiensten
unter
das
Zurverfügungstellungsrecht ist mE nicht richtig, denn diese Art von Webcastingdiensten
erlaubt keinerlei Eingriff durch den Nutzer.357 Die Tatsache allein, dass das Programm
über Internet übertragen wird, erlaubt mE dem Nutzer als Mitglied der Öffentlichkeit nicht,
das Werk von Orten und zu Zeiten seiner Wahl abzurufen. Hier müsste mE das Senderecht
greifen.
Simulcasting-Dienste sind dem Sendebereich zuzuordnen.
Nicht-interaktive Webcasting-Dienste sind mE ebenfalls dem Sendebereich
zuzuordnen.
ac. Personalisierte Webradios
Als personalisierte Webradios bezeichnet man Internetradiodienste, die einen
nutzerseitigen Eingriff in die Playlist erlauben. Sie sind also eine Variante der interaktiven
Webradiodienste mit Präferenzfunktion. Zu diesen zählen beispielsweise Aupeo.com, der
Radiodienst von Spotify oder Rdio. Weitere Bekanntheit hat vor allem der personalisierte
Webradiodienst Last.fm. Dieser hat zwar seinen Radiodienst in Österreich mit 15. Jänner
2013 eingestellt, dennoch ist es weiterhin möglich, die Last.fm-Software namens
„Scrobbler“ zu verwenden, die eine Personalisierung ermöglicht, da sie mit anderen
Radiodiensten
kompatibel
ist.
Personalisierte
Webradios
sind
interaktive
Webcastingdienste mit „Präferenzfunktion“. Aupeo, der Radiodienst von Spotify und Rdio
funktionieren sehr ähnlich. Da diese alle dieselbe Art von Präferenzfunktion integriert
haben, gelten die Ausführungen für alle Dienste gleichermaßen. Die Präferenzfunktion
erlaubt
es
dem
Nutzer,
das
Radioprogramm
gemäß
seinen
Vorstellungen
zurechtzuschneidern. Die Einflussmöglichkeiten sind mannigfaltig. Alle drei genannten
Dienste gewähren zB das Überspringen von gerade laufenden Titeln, oder die
Möglichkeit den Titel anzuhalten, manche Dienste haben ein Bewertungssystem
357
Siehe unten genauer Seite 109 ff. Nicht-interaktive Webcasting-Dienste sowie Simulcasting-Dienste
finden sich zB unter <radio.at>.
104
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
(„Lieben-Bannen-Funktion“) integriert. Der Nutzer kann hier die Songs bewerten und so
mit einer hohen Bewertung dafür sorgen, dass dieser Titel öfter gespielt wird und mit einer
niedrigen Bewertung dafür, dass dieser Titel weniger oft gespielt wird. Dann bestehen
noch ausgefeilte Dienste, die von sich sagen, den Musikgeschmack eines Nutzers
kennenzulernen, indem sie die schon gespielten Titel nach stilistischen Gemeinsamkeiten
analysieren. So kann der Online-Musikdienst gewisse Vorlieben erkennen und ähnliche
Musiktitel vorschlagen, von denen er annimmt, sie würden dem Nutzer ebenfalls zusagen.
Der Nutzer hat die Möglichkeit, von ihm nicht gemochte Musiktracks nicht mehr
vorgespielt zu bekommen (sie zu „bannen“) oder andere Stücke zu „lieben“. Dem Nutzer
ist jedoch bei allen personalisierten Webradiodiensten nicht gestattet, einzelne Tracks
individuell abrufen. Dh der Musikdienst bestimmt weiterhin, wann welcher Musiktrack
gespielt wird. Dies geschieht aber nach den Kriterien seines Musikgeschmacks, die die
Software über den Nutzer generiert hat. Diese Filtermethode wird „Content Based
Filtering“ genannt.
Da die Last.fm-Software namens „Scrobbler“ sehr bekannt ist und auch noch trotz
des Einstellens des Radiodienstes in Österreich benutzt werden kann, sei diese kurz
erläutert: Der „Scrobbler“ operiert mit sog „kollaborativen Filtern“. Diese Software
analysiert anhand der vom Nutzer ausgewählten Musik Hörmuster, die im individuellen
Nutzerprofil abgespeichert werden. Durch Vergleich des Nutzerprofils mit möglichst
vielen anderen Nutzerprofilen erstellt die Software Empfehlungen. Sie schlussfolgert, dass
Übereinstimmungen zwischen den Nutzerprofilen auf einen ähnlichen Musikgeschmack
hindeuten. Durch den Vergleich mit anderen Nutzerprofilen (= kollaboratives Element)
wird die Musikempfehlung herausgefiltert. Das kollaborative Filtern ist den meisten
Nutzern durch das Verwenden von Amazon ein Begriff. Wenn man zB ein Buch über
Amazon abruft, schlägt einem das Programm ähnliche Bücher vor und weist darauf hin,
dass Nutzer, die dieses Buch gekauft haben, auch jenes andere gekauft haben.
Die personalisierten Webradios entsprechen wegen der möglichen nutzerbezogenen
Einflussnahme nicht dem Musterbeispiel der Verwertungsart der bloßen Sendung. Aber
auch eine Unterordnung unter das Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung kann auf
den ersten Blick nicht völlig einwandfrei vertreten werden. Diese Dienste begreifen in sich
sowohl Merkmale des herkömmlichen Hörfunks als auch des interaktiven Abrufs. Ohne
Zweifel wird bei personalisierten Webradios eine Vervielfältigung erstellt. Diese erfolgt
durch Streamen des Songs auf dem Computer. Die Einspeisung (der „Upload“) von
105
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Werken in die Datenbank des Diensteanbieters stellt ebenfalls eine Vervielfältigung
dar.358Die Frage, ob personalisierte Webradios verwertungsrechtlich dem Sendebereich
oder unter das Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung einordnen sind, gestaltet sich
schwierig. Die AKM betrachtet sie als zu den Webcastingdiensten zugehörig und rechnet
deshalb nach den Tarifen für Webcasting ab. Sie ordnet jene Dienste also pauschal dem
Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung (§ 18a UrhG) unter. Eine pauschale
Unterordnung scheint aber mE bedenklich zu sein.
Als Kriterium für eine pauschale Zuweisung unter das Senderecht könnte man
vielleicht eine gewisse Ähnlichkeit bei der Rezeption eines Rundfunkprogrammes
vonseiten des Rezipienten anführen. Beim Rundfunk ist der Musikkonsument nämlich
ähnlich passiv wie beim Internetradio. Er schaltet das Internetradio ein und es bedarf zur
Musikwiedergabe keiner weiteren Handlung durch den Nutzer. Der Nutzer kann den
Dienst wieder ausschalten, wenn er möchte. Die Personalisierungsfunktionen könnte man
nach dieser Auffassung ähnlich begreifen wie die Wahl eines bestimmten UKWRadiosenders, denn ein bestimmter UKW-Radiobetreiber sendet eher Titel aus einem
gewissen Musikgenre als ein wiederum anderer Radiobetreiber. So überträgt zB Ö3 mehr
„Mainstream“-Musiktitel als FM4. Versteht man in der Wahl eines Radiobetreibers schon
eine Personalisierung, so blieben auch persönliche Webradios dem Senderecht zugeordnet.
Als
Grund
für
eine
pauschale
Unterordnung
unter
das
Zurverfügungstellungsrecht könnte man die technische Art der Übertragung anführen.
Wie bereits angemerkt übertragen sämtliche Webcastingdienste ihr Signal im sog
„Unicast“. Dh für jeden Nutzer wird ein eigenes Signal generiert. Es bedarf also einer
Handlung des Nutzers (das Einschalten des Dienstes), um die Übertragung zu starten.
Beim Rundfunk wird hingegen ein Signal für alle Nutzer ausgesendet. Dieses Signal wird
auch gesendet, wenn kein Nutzer die Frequenz durch Einschalten des Radios anwählt.
Bortloff meint, dass durch die Möglichkeit vonseiten des Nutzers, problemlos Mitschnitte
mittels spezieller Software anzufertigen eine Einordnung unter das „right of making
available“, also das Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung, gerechtfertigt sei.359
Dazu ist folgendes anzumerken: Die Art des Übertragungsvorganges – ob also über
Unicast gesendet wird oder nicht – kann mE kein Zuordnungskriterium für die
Anwendbarkeit
358
359
von
§ 18a
UrhG
sein.
Denn
bekanntlich
übertragen
auch
Zum Upload siehe schon Seite 54 ff, zum Streaming siehe schon Seite 62 ff.
Bortloff, GRUR Int 2003, 669 (671f).
106
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Simulcastingdienste ihr Programm im Unicast und Simulcastingdienste werden
unbestritten dem Sendebereich zugeordnet. Würde man die Übertragungsart als
konstitutives Merkmal anerkennen, müsste man diese Dienste auch § 18a UrhG
unterordnen. Dass mit der digitalen Technologie die Möglichkeiten auf der Seite des
Nutzers erweitert wurden, ein Programm aufzuzeichnen, ist richtig. Dass diese
Erweiterung aber als Argument für eine Einordnung unter § 18a UrhG gebraucht wird, ist
mE nicht gerechtfertigt. Denn auch UKW-Radiosendungen kann man sehr leicht mit
Kassette mitschneiden. Dass die Qualität des Mitschnitts hierbei eine andere ist, ist richtig.
Aber die rein potenzielle Möglichkeit, auf einfache Weise einen hochqualitativen
Mitschnitt erlangen zu können, kann mE nicht entscheidendes Kriterium für eine rechtliche
Zuordnung sein.
Unter Betrachtung der verschiedenen Argumente ist mE eine pauschale
Unterordnung
bei
Webcastingdiensten
abzulehnen.
Vielmehr
müsste
jeder
Diensteanbieter einzeln untersucht werden.
Als Kriterien für die Zuordnung von personalisierten Webradios unter § 17 oder § 18a
UrhG sind in der Literatur360 drei zu nennen:
1) Zum einen gibt es das Kriterium des technischen Übertragungsvorgangs.
2) Das zweite Kriterium ist die Möglichkeit der Einflussnahme in die
Programmstruktur durch den Nutzer.
3) Das dritte Kriterium ist die wirtschaftliche Substituierbarkeit im Verhältnis zu
Tonträgern oder MP3s.
aca. Art der technischen Übermittlung
Handig sieht als entscheidendes Kriterium die Art der technischen Übermittlung
des Signals an.361 Die herkömmliche Rundfunksendung wird über Broadcast gesendet.
Dabei werden die Signale einheitlich und andauernd an alle potenziellen Nutzer geleitet,
egal ob diese das Rundfunkgerät eingeschaltet haben oder nicht. Simulcasting- und
Webcastingbetreiber übertragen ihr Signal bekanntlich im Unicast. Sie stellen also ihr
Programm zum Abruf zur Verfügung, um einzelne Punkt-zu-Punkt-Verbindungen
360
Bortloff, GRUR Int 2003, 669. Handig, Downloads aus dem Internetradio, ecolex 2005, 921. Schwenzer,
GRUR Int 2001, 722. Malcher, Personalisierte Webradios – Sendung oder Abruf? (2011) 168 ff.
361
Die verschiedenen Arten der technischen Übermittlung des Signals (Broadcast, Multicast, Unicast)
wurden schon ausführlich unter Seite 62 ff behandelt.
107
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
herzustellen. Die Nutzer müssen diese Art der Übermittlung ihrerseits auslösen, sodass
jeder Nutzer sein individuelles Signal zugeschickt bekommt. Letztere Art bilde den
entscheidenden Unterschied zum Rundfunk und sei typisch für das Internet, weshalb auch
Simulcasting und Webcasting laut Handig unter das Recht der öffentlichen
Zurverfügungstellung zu subsumieren seien.362 Auch Bortloff betont diese technische
Eigenart.363
Dazu ist zu sagen, dass Simulcasting- und Webcastingbetreiber nicht unbedingt
Unicast zur Übermittlung verwenden müssen. Es gibt Betreiber, die ebenso über Multicast
senden.364 Dennoch wird eine Übertragung über Unicast bevorzugt, da im Internet noch zu
wenige multicasting-fähige Router bestehen.365 Die Ansicht, die Art der technischen
Übermittlung als entscheidendes Kriterium für die verwertungsrechtliche Zuordnung
anzusehen, geht aber mE zu weit. Denn für den Nutzer ergibt sich kein Unterschied. Es ist
stets dasselbe Programm, das er hört und er kann auch bei beiden denselben Einfluss auf
das Programm nehmen, nämlich nur an- oder abschalten. Die Problematik liegt hierbei
eigentlich im Wortlaut von § 17 UrhG, der von einer Übertragungsart über Rundfunk oder
„eine ähnliche Art“ spricht. Rundfunk sendet über Broadcast, ob Unicast oder Multicast
eine dem Broadcast ähnliche Übertragungsart darstellt, ist also die eigentliche Kernfrage
für Autoren, die eine Einordnung aus technischer Sicht vornehmen wollen. In der Literatur
geht man davon aus, dass Internetradio vom Senderecht aber jedenfalls potenziell erfasst
ist.366 Unter Rücksichtnahme dieses Umstands ist mE eine Einordnung nach der
technischen Übertragungsart strikt abzulehnen.
acb. Möglichkeit der Einflussnahme in die Programmstruktur durch den Nutzer
Als Möglichkeiten der Einflussnahme in die Programmstruktur durch den
Nutzer stehen bei Aupeo 4 Varianten für den Nutzer zur Verfügung:
1) Es besteht die Möglichkeit, den gerade gespielten Song zu „lieben“, indem man
auf den „Gefällt mir“-Button klickt.
2) Es besteht die Möglichkeit den Titel zu „bannen“, indem man auf den „Dieser
Song gefällt mir nicht“-Button klickt.
362
Handig, Downloads aus dem Internetradio, ecolex 2005, 921 (922).
Bortloff, GRUR Int 2003, 669 (675).
364
Siehe dazu: <itwissen.info/definition/lexikon/Multicast-multicast.html>; Gaderer in urheber.recht2, § 18a,
4.4.
365
Siehe schon oben Seite 66 ff.
366
Lusser/Krassnigg-Kulhavy in urheber.recht2 § 17, 3.5.2.
363
108
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
3) Weiters kann man den Song pausieren oder
4) den nächsten Titel abspielen lassen („Skippen“).
Neben
diesen
Einflussmöglichkeiten
ieS
stehen
dem
Nutzer
auch
Einflussmöglichkeiten iwS zur Verfügung. Diese sind:
1) eine Genreauswahl (inkl Subgenre),
2) Auswahl von „Musik nach Stimmung“ und
3) die Wahl sog „Artist Stations“.
Der Nutzer kann nämlich auch ein von ihm gewünschtes Musikgenre wählen und
aus diesem Genre anschließend noch ein Subgenre wählen. Als Genre steht beispielsweise
„Rock“ zur Verfügung. Mit einem Klick auf dieses Genre, kann man den Dienst gleich
starten oder noch ein spezielleres Subgenre wählen. Für „Rock“ stehen die Subgenres
Hard-Rock, Alternative, Rock & Roll, Indie-Rock, Heavy Metal, New Wave, Progressive,
Punk Rock und Industrial zur Verfügung. Alle diese Genres sowie Subgenres werden laut
Aupeo.com von Musikexperten redaktionell betreut. Alternativ zur Genreauswahl kann
man als Nutzer, auch „Musik nach Stimmung“ wählen. Hier stehen die Stimmungen
Happy, Relaxing, Calm, Danceable, Fun, Energetic, Melancholic, Aggressive, Stressful,
und Dramatic zur Verfügung. Entscheidet man sich für eine bestimmte Stimmung, so spielt
der Dienst Musik, die der Stimmung zugeordnet wurde. Dann stehen noch sog „Artist
Stations“ zur Verfügung. Bei diesen kann man die gewünschte Band, die man hören
möchte, auswählen. Es wird dann ein Song von genau dieser Band wiedergegeben. Die
weiteren Songs wählt der Dienst selbst aus, und zwar nach dem Stil der zuvor gewählten
Band. Wählt man zB die Rolling Stones, so wird man auf die Radiostation dieses
Interpreten geleitet, die auch andere ähnliche Interpreten zu den gesuchten spielt, wie zB
The Who, Aerosmith oder Led Zeppelin.
Die Radiodienste von Spotify und Rdio weisen ebensolche Funktionen auf. Sie
basieren auch auf zuvor gewählten Künstlern oder einem gewählten Genre. Bei ihnen kann
man ebenfalls einen Titel skippen oder pausieren oder den nächsten abspielen lassen.
Spotify-Radio und Rdio erlauben es zudem auch, innerhalb eines Songs vorzuspulen.
Aupeo erlaubt dies hingegen nicht. Eine „Musik nach Stimmung“ bieten sie jedoch nicht.
Schwenzer unterscheidet bei Webcasting-Diensten ebenfalls zwischen interaktiven
und nicht-interaktiven. Er verneint die Unterordnung unter das Senderecht bei jenen
109
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Diensten, die eine Möglichkeit der Einflussnahme zB durch Überspringen eines Titels
bereithalten.367
Bortloff meint, dass durch die Vielfalt an Angeboten von Webcastern, der
Unterschied „zwischen nicht-interaktiver Sendung und interaktiver Zugänglichmachung
über das Internet verwisch[e]“.368 Als Konsequenz will er daher alle Webcaster pauschal
dem Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung unterordnen. Eine pauschale
Unterordnung ist aber mE – aus schon erwähnten Gründen – aber abzulehnen.
Will man eine Zuordnung nach dem Einzelfall vornehmen, so ist aufzuzeigen,
welche Einflussmöglichkeiten für welches Verwertungsrecht sprechen würde.369 Für
die Einordnung unter das Verwertungsrecht der Sendung sprechen mE folgende
Merkmale:
1. Ein vorgefertigtes Programm wird dem Empfänger angeboten.
2. Der Nutzer kann nicht vorhersagen, welcher Titel gespielt werden wird.
3. Der Nutzer kann Musik hören, ohne tätig werden zu müssen.
4. Ein Skip-Button, mit Hilfe dessen man einzelne Titel überspringen kann, ohne
antizipieren zu können, welcher Musiktitel als nächster kommen wird.
5. Ein Stop-Button, mit dem man das Abspielen des Musiktitels stoppen kann.
Für
die
Einordnung
unter
das
Verwertungsrecht
der
öffentlichen
Zurverfügungstellung sprechen hingegen folgende Merkmale:
1. Dem Nutzer wird eine direkte Suche und Wahl eines Musiktitels erlaubt.
2. Das Programm verlangt ein Tätigwerden durch den Nutzer, ansonsten wird keine
Musik gespielt.
3. Der Nutzer kann sich sein eigenes Programm zusammenstellen, indem er die Abfolge
der Titel festlegt.
4. Ein Pause-Button, mit dem der Musiktitel nach Belieben wieder weiter angehört
werden kann.
5. Die Möglichkeit innerhalb eines Songs vorzuspulen, um so zB zum Refrain des Songs
zu springen.
367
Schwenzer, GRUR Int 2001, 722 (728f).
Bortloff, GRUR Int 2003, 669 (675).
369
Vgl Malcher, Personalisierte Webradios – Sendung oder Abruf? (2011) 168ff.
368
110
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
6. Ein Skip-Button zusammen mit einer Programmvorschau, die dem Nutzer erlaubt,
vorherzusehen, welcher Titel abgespielt werden wird, wenn er den Button betätigt.
Bei den personalisierten Webradios sind zwar nicht alle hier angegebenen Punkte
für die Subsumtion unter das Zurverfügungstellungsrecht erfüllt – dies würde auch den
Eigenschaften eines „Radiodienstes“ zuwiderlaufen –, dennoch ist zB Punkt 5 gegeben.
IdR ist auch ein Skip-Button (Punkt 6) integriert, jedoch ohne mögliche Vorausschau,
welcher Titel als nächster gespielt würde. Punkt 4 ist standardmäßig Bestandteil
personalisierter Webradios. Die Punkte 1 und 3 sind idR nicht gegeben. Ein sehr
entscheidendes Merkmal für die Zuordnung unter das Senderecht ist mE, dass ein
vorgefertigtes Programm abgespielt wird. Gerade dies ist bei personalisierten Webradios
nicht gegeben, denn der Dienst generiert den Programmablauf durch die Eingaben
vonseiten des Nutzers, konkret durch die Präferenzfunktion („lieben“, „bannen“). In
diesem Zusammenhang ist ein großer Unterschied zum herkömmlichen Radio anzuführen,
nämlich der Sprachanteil des Programms. Ein personalisierter Webradiodienst wird nicht
moderiert, auch finden keine Unterbrechungen aufgrund von Nachrichten oder
Verkehrsmeldungen statt. Insofern bekommt der Nutzer mehr Musik als beim
herkömmlichen Radio, das öfters unterbrochen wird.
§ 18a UrhG verlangt, dass den Mitgliedern der Öffentlichkeit das Werk „von Orten
und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist“. Danach müsste dem Hörer die Möglichkeit
gegeben werden, zu entscheiden, wann und wo dieser ein Werk abruft. Die
Webcastingdienste geben dem Nutzer die Möglichkeit, über den Ort seines Abrufs zu
entscheiden, denn dieser kann die Dienste an jedem Computer mit Internetzugang nutzen.
Sie gewähren ihm aber nicht über den Zeitpunkt zu verfügen, an dem ein bestimmtes Werk
gespielt wird. Der Nutzer muss warten, bis ein von ihm gewünschter Song zufällig gespielt
wird. Dieses Tatbestandselement fehlt damit. Für die Anwendbarkeit des § 18a UrhG
bliebe demnach kein Platz. Schwenzer ist der Meinung, dass es nicht darauf ankäme, ob
der Nutzer einen absolut bestimmbaren Zeitpunkt einen Musiktitel hört. Vielmehr genüge,
dass der Nutzer einen nicht gemochten Titel überspringen oder anhalten kann. Damit
genügt für ihn ein relativ bestimmbarer Zeitpunkt.370 Diese Meinung ist mE zutreffend,
denn auch die relative zeitliche Bestimmbarkeit führt wohl zu einer Bedarfsbefriedigung
vonseiten des Nutzers, gerade auch weil keine Unterbrechungen wie beim klassischen
370
Schwenzer, GRUR Int 2001, 722 (728).
111
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Hörfunk stattfinden. Aufgrund dieser mittelbaren Einflussnahme auf den Programmablauf
sehe ich eher das öffentliche Zurverfügungstellungsrecht als das Senderecht tangiert.
Dillenz/Gutman sind der Ansicht, dass § 18a UrhG nur bei einem interaktiven
Abruf („On-Demand“) anzuwenden sei. Es sei vielmehr relevant, dass der Nutzer selbst
entscheidet, wann und wo er das Werk abruft. Eine aktive Handlung vonseiten des
Diensteanbieters zum Zeitpunkt, wann der Nutzer zugreift, sei nicht nötig.371
In
diesem
Zusammenhang
ist
auch
zu
erwähnen,
dass
die
LSG
„Nutzungsbedingungen“ für Webcastingbetreiber festgelegt hat. Diese sind den
„Betriebsvoraussetzungen für Webcastingdienste“ der GVL entlehnt. In Punkt 10 der
Nutzungsbedingungen findet sich jedoch ein auffälliger und weitreichender Unterschied zu
den deutschen Betriebsvoraussetzungen. Dieser Punkt lautet:
„10. Automatische Senderwechsel und personalisierte Programme
Der Webcaster darf keine Vorrichtungen unterstützen, die das automatische Springen von einem ProgrammKanal zum anderen ermöglichen. Er soll ferner keine Skip-Funktionen zum Überspringen einzelner Titel,
Pause- oder „Play again“-Tasten in sein Angebot aufnehmen. Gleiches gilt für sämtliche Funktionen, die es
dem Empfänger ermöglichen, ein personalisiertes Programm (z.B. im Hinblick auf das Angebot bestimmter
Künstler oder Alben) zu erstellen.“372
Da der Webcaster also nicht einmal eine Pause-Taste integrieren darf, geschweige
denn eine Skip-Taste, werden Webcaster als Diensteanbieter angesehen, die strikt nur ein
vorgefertigtes
Programm
übertragen
dürfen.
Jegliche
Interaktionsmöglichkeit,
geschweige denn Personalisierung, ist ein Ausschlussgrund für die Einstufung als
„Webcaster“ in der Terminologie der LSG und somit ein Ausschlussgrund für die
Anwendbarkeit des Senderechts. Bietet ein Diensteanbieter – entgegen den Bedingungen
– solche Funktionen an, so ist nicht mehr das Senderecht betroffen, sondern das Recht der
öffentlichen Zurverfügungstellung. Jegliche Interaktivität bedeutet eine Subsumtion unter
§ 18a UrhG. Diese Auslegung ist somit sehr eng. Sie ist zweifelsohne durchaus
praktikabel aus Sicht der Verwertungsgesellschaften. Diese muss nur prüfen, ob eine
Möglichkeit der Einflussnahme durch den Nutzer besteht oder nicht. Besteht diese, so ist §
18a UrhG einschlägig. Besteht diese nicht, so handelt es sich um einen Fall des § 17 UrhG.
Die Nutzungsbedingungen Webcasting wurden nach Auskunft der LSG in Verhandlungen
zwischen der IFPI und den Verwertungsgesellschaften vereinbart. Ausgehend von den
371
Dillenz/Gutman, UrhG & VerwGesG2 § 18a Rz 2, 9 und § 90c Rz 73.
LSG Nutzungsbedingungen Webcasting, Auskunft Hr. Kaiser – vgl mit den Betriebsvoraussetzungen
Webcasting der GVL unter <gvl.de/pdf/betriebsvoraussetzungen-webcasting.pdf>, die eine Skip- und
Pausenfunktion ausdrücklich erlauben.
372
112
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
USA (im Zuge des „Digital Millennium Copyright Act“ – DMCA373), wurden die
Nutzungsbedingungen auch in anderen Ländern wie Österreich eingeführt. Durch die
Nutzungsbedingungen für Webcasting wird über die Anwendbarkeit des Sendeprivilegs
entschieden. Die Tonträgerunternehmen in Österreich haben eine starke Stellung
bekommen, denn ihnen wird ein ausschließliches Recht bezüglich der Übertragung ihrer
Tonträger zugestanden. Laut Auskunft der LSG ist jedoch zu erwarten, dass diese
österreichischen Nutzungsbedingungen den deutschen angepasst werden.
acc. Wirtschaftliche Substituierbarkeit
Mit den nutzerseitigen Einflussmöglichkeiten auf den Programmablauf geht eine
allfällige wirtschaftliche Substituierbarkeit im Verhältnis zu Handelstonträgern oder
MP3s einher. Manche Autoren begreifen dieses Kriterium als entscheidend für die
verwertungsrechtliche Zuordnung. Hier wird also gefragt, inwiefern das Nutzen
personalisierter Webradios einen Kauf von Handelstonträgern substituieren kann. Kriegt
der Nutzer also dasselbe oder weniger? Bortloff betrachtet die Substituierbarkeit als
entscheidendes Kriterium für die Subsumtion.374 Da Verwertungsrechten eine starke
wirtschaftliche Komponente anhaftet, ist der Gesichtspunkt der Substituierbarkeit mE nicht
von vorneherein von der Hand zu weisen. Durch die Verwertungsrechte soll ja der
Rechteinhaber am wirtschaftlichen Wert seiner Leistung beteiligt werden.375 Zweifelsohne
hängt die wirtschaftliche Substituierbarkeit mit dem Ausmaß der Möglichkeiten der
Einflussnahme in die Programmstruktur durch den Nutzer ab. „On-Demand-Dienste“
gelten als klassische Dienste von Musik als öffentliche Zurverfügungstellung. 376 OnDemand-Dienste können als ein Substitut für den Tonträgerhandel angesehen werden.
Als wichtige Frage für die Abgrenzung von Webradios zwischen Sendung und öffentlicher
Zurverfügungstellung kann demnach angesehen werden, wie sehr nun das Webradio als
Ersatz für Tonträger oder MP3s betrachtet werden kann.
Will man die wirtschaftliche Substituierbarkeit personalisierter Webradios
untersuchen, so ist zu fragen, ob diese substituierende Auswirkungen auf den
handelsüblichen Tonträgervertrieb haben. Schwenzer möchte ebenfalls eine Einordnung
373
Digital Millennium Copyright Act – DMCA, Public Law 105–304, 28.10.1998.
Bortloff GRUR Int 2003, 669.
375
Lusser/Krassnigg-Kulhavy in urheber.recht2 § 17, 3.2.
376
Gaderer in urheber.recht2 § 18a, 4.4.
374
113
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
nach der Substituierbarkeit vornehmen. Er fragt dabei, ob die Wiederholungsschleifen „zu
einer Bedarfsbefriedigung des Zuhörers […] führ[en] und somit der Verkauf physischer
Tonträger substituiert“ wird.377 Handig hält diese Argumentation zwar aus Sicht der
Tonträgerunternehmen für ökonomisch verständlich, sie biete aber keinen Ausgangspunkt
für eine pragmatische Anwendung und sei auch dogmatisch nicht überzeugend.378 Da aber
die Verwertungsrechte statuiert wurden, um den Rechteinhaber – wie oben erwähnt – am
wirtschaftlichen Wert seiner Leistung zu beteiligen und das Tonträgerunternehmen die
Rechte im Namen seiner ausübenden Künstler und Produzenten vertritt, ist die
Argumentation Schwenzers mE nicht unberechtigt.
Dabei ist zu fragen, ob die beiden Vertriebsarten wirtschaftlich ähnlich sind oder
ein durchschnittlicher Musikkäufer sogar aufgrund eines Vertrages mit einem
personalisierten Radiodienst auf einen Tonträgerkauf verzichten würde. Auch schon zur
Einführung des UKW-Radios gab es Befürchtungen, dass niemand mehr Tonträger einzeln
erwerben würde. Die Geschichte hat gezeigt, dass diese Befürchtungen zu Unrecht
bestanden haben. Beide Arten können heutzutage gut nebeneinander existieren. Aber in
Hinblick auf personalisierte Webradios ist eine Substituierbarkeit zumindest in
gewissem Ausmaß gegeben. Das schließe ich aus folgenden Überlegungen: Die Frage ist,
ob diese Funktionen vermögen, den Tonträgermarkt zu ersetzen, oder ob dies nicht der Fall
ist, sondern die Dienste vielmehr einen positiven Effekt auf den Tonträgermarkt oder die
Musikindustrie haben, indem sie als Marketing-Maßnahmen angesehen werden können.
Leider fehlen einschlägige Studien, die eine wirtschaftliche Substitution durch
Internetradiodienste belegen könnten. Jemand, der Musik vorgespielt bekommt, die er
mag, wird wahrscheinlich die Musik dauerhaft erwerben wollen, um sie jederzeit abspielen
zu können. Dies ist auch deshalb der Fall, da beim Internetradio Titel und Interpret der
Aufnahme angezeigt werden. Der Nutzer kann so die Musik schneller identifizieren. Dies
ist bei herkömmlichen Radiodiensten – wenn überhaupt – nur kurz vor oder kurz nach
Spielen des Musiktracks der Fall. Die Einflussnahme vonseiten des Nutzers bei
personalisierten Webradios ist im Vergleich zu On-Demand-Diensten geringer, sodass man
sicher nicht von einem „interaktiven Abruf“ sprechen kann. Der Nutzer kann zwar auf
das Spielen der Musik Einfluss nehmen. Dies ist möglich durch Skip-Button und StopButton sowie durch Auswahl der zu hörenden Station. Hierzu ist zu sagen, dass ein StopButton bei jedem Dienst gegeben ist. Der Skip-Button bietet schon eine weitergehende
377
378
Schwenzer, GRUR Int 2001, 722 (729).
Handig, GRUR Int 2007, 206 (209).
114
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Einflussmöglichkeit für den Nutzer. Aber da der nächste zu hörende Titel nicht
vorausgesehen werden kann, ist auch diese Funktion nicht wirklich etwas anderes als ein
Ausschalten mit anschließendem Wiedereinschalten derselben Radiostation. Auch die
Präferenzfunktion hat keinen Einfluss auf das Spielen der Titel. Die Macht über das
laufende Programm wird also vom Diensteanbieter ausgeübt anstatt vom Nutzer. Dieser
wählt nur Genres oder Interpreten mitsamt ähnlichen Interpreten. Damit ist der Dienst mit
einem UKW-Radio nach Genres zu vergleichen.
Demnach würde ein personalisiertes Webradio beim Nutzer das Bedürfnis erfüllen,
neue, noch unbekannte Musik zu entdecken und nicht selbst immer eingreifen zu müssen,
wenn ein Titel zu Ende gespielt wurde. Inwieweit dieses Bedürfnis vom Bedürfnis, einen
Song „auf Abruf“ zu hören, verschieden ist, ist schwierig zu sagen, da einschlägige
wirtschaftliche Studien fehlen. ME kann die Verwendung personalisierter Webradios bei
einem Nutzer durchaus zu einer Bedarfsbefriedigung führen. Je intensiver der Nutzer
seinen Dienst nutzt und die Präferenzfunktion verwendet, desto eher kommt es zu einer
Bedarfsbefriedigung. Diese Dienste sind daher eher dem Zurverfügungstellungsrecht
unterzuordnen als dem Senderecht, da die interaktiven Möglichkeiten, das Programm
derart zu beeinflussen, dass dieses die gewünschte Musik spielt, im Vergleich zu einem
rein vorgefertigten Programmablauf, überwiegen. Dass der Nutzer den Abruf eines
bestimmten Musiktracks nicht absolut bestimmen kann, schadet mE nicht.379
acd. Ergebnis
Unter Zusammenschau aller relevanten Kriterien sind mE personalisierte
Webradios wie die einzeln betrachteten (Aupeo, Spotify-Radio oder Rdio) nicht mehr unter
das
Senderecht
zu subsumieren, sondern
unter das
Recht der öffentlichen
Zurverfügungstellung. Die Einstufung von personalisierten Webradios unter das Recht
der öffentlichen Zurverfügungstellung entspricht auch der heutigen Praxis der
Verwertungsgesellschaften in Österreich. Will man die Meinung vertreten, dass das
Senderecht betroffen sei, so lässt sich mE eine sachgerechte Lösung durch eine
Festsetzung spezieller (höherer) Tarife erzielen.
379
Zum gleichen Ergebnis kommend: Schwenzer, GRUR Int 2001, 722 (728).
115
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
Eine – zumindest – europaweite Harmonisierung, inwieweit die verschiedenen
Formen des Internetradios einem Ausschließlichkeitsrecht zuzuordnen sind oder ein bloßer
Vergütungsanspruch besteht, wäre daher sehr wünschenswert.380
Urheberrechte
Leistungsschutzrechte
Sonstige Rechte
Individuell:
Kollektiv:
Individuell:
Kollektiv:
Individuell:
Kollektiv:
●Komponist
und Texter
●AKM
●Fotograf
●VBK
●LSG
●austromechana
●Grafiker
●Tonträgerhersteller
●Musikverlag
●ausübende
Künstler
Abbildung 19: Rechteerwerb bei interaktiven Webcasting-Diensten einschließlich persönlicher
Webradios. Bei diesen Diensten sind die Rechte idR von AKM und Tonträgerherstellern zu erwerben, bei
381
Anzeigen eines Covers ebenfalls von der VBK . Berührt sind jeweils Vervielfältigungs- und
Zurverfügungstellungsrechte.
Interaktive Webcasting-Dienste einschließlich personalisierter Webradios sind dem Recht
der öffentlichen Zurverfügungstellung unterzuordnen.
b. Freie Werknutzungen iZm Internetradio
ba. Flüchtige und begleitende Vervielfältigungen – § 41a UrhG
Internetradiodienste nutzen das Streamingverfahren. Im Zuge des Streamings
werden begleitende und flüchtige Vervielfältigungen erstellt, die durch § 41a UrhG
ausdrücklich freigestellt werden. Da sich das Streamingverfahren von Internetradios von
jenem von Abo-Diensten nicht unterscheidet, kann hier auf die obigen Ausführungen
verwiesen werden.382
380
So auch Bortloff, GRUR Int 2003, 669 (673).
Siehe FN 228 auf Seite 70.
382
Siehe Seite 84 ff.
381
116
Teil III: Rechtliche Analyse der Musikdienste im Internet: Online-Musikdienste
bb. Vervielfältigung zum privaten Gebrauch – § 42 Abs 4 UrhG
Bei der Zulässigkeit der Vervielfältigung zum privaten Gebrauch sind die 5
bekannten Voraussetzungen zu prüfen:383
1)
2)
3)
4)
5)
einzelne Vervielfältigungsstücke,
privater Gebrauch,
keine kommerziellen Zwecke,
keine anschließende öffentliche Zurverfügungstellung und
das Vorliegen einer rechtmäßigen Quelle.
Hier ist – wie schon oben beschrieben –va die Rechtmäßigkeit der Vorlage zu
prüfen. Folgt man den obigen Ausführungen, wonach eine Vervielfältigung zum privaten
Gebrauch nur bei rechtmäßiger Vorlage zulässig ist, ist eine solche nur zulässig, wenn der
Internetradioanbieter eine Lizenz erworben hat. Dies ist für den Nutzer idR nicht ohne
Weiteres feststellbar. Deswegen hat man zB in Deutschland in § 53 Abs 1 dUrhG
festgeschrieben, dass die Vorlage nicht offensichtlich rechtswidrig zugänglich gemacht
worden sein darf. Sofern der Diensteanbieter also vom äußeren Anschein seines Dienstes
her nicht Grund zum Zweifeln seiner Rechtmäßigkeit gibt, dürfte – folgt man der
deutschen Auffassung – eine Vervielfältigung zum privaten Gebrauch zulässig sein.
Da die Verhandlungen zur Festlegung eines Gesamtvertrages scheiterten, haben in
der Folge manche Radiobetreiber Lizenzen erworben und andere einfach ohne Lizenz
ihren Dienst fortgeführt. Daher haben lizenzierte Diensteanbieter mit einem ersichtlichen
Kennzeichen auf der Website darauf hingewiesen, dass es sich um einen rechtmäßigen
Dienst handelte. Diese Kennzeichen werden aber nicht mehr benutzt, da sie von vielen
Radiobetreibern nicht in ihre Website integriert wurden. Als Folge ist für einen Nutzer oft
nicht erkennbar, ob es sich um einen rechtmäßigen Dienst handelt. 384 Wenn auf der
Homepage ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Dienst legal ist,385 stellt ein solcher
Dienst mE sicherlich keine „offensichtlich“ rechtswidrige Quelle dar. In diesem
Zusammenhang kann im Übrigen auf die Ausführungen iZm Abo-Diensten verwiesen
werden.386
383
Siehe schon Seite 71 ff.
Handig, ecolex 2005, 921 (922).
385
Wie zB auf <aupeo.com>.
386
Siehe Seite 86 ff.
384
117
IV: Zusammenfassung der Ergebnisse und Resümee: Online-Musikdienste
IV: Zusammenfassung der Ergebnisse und Resümee
Online-Musikdienste erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Aufgrund dieses
Phänomens ist die verwertungsrechtliche Zuordnung für Diensteanbieter von großer
Bedeutung. Neben dem Vervielfältigungsrecht wird durch diese Musikdienste auch in das
Senderecht oder das Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung eingegriffen. Die
Bedeutung dieser Einordnung ergibt sich va aus dem Sendeprivileg. Ist nämlich das
Senderecht und nicht das Recht der öffentlichen Zurverfügungstellung tangiert, so muss
vom Diensteanbieter keine Lizenz von den Tonträgerherstellern eingeholt werden, sondern
lediglich eine „angemessene Vergütung“ an die Verwertungsgesellschaft LSG gezahlt
werden. Download-Dienste wie iTunes oder Amazon MP 3 greifen eindeutig in das
Zurverfügungstellungsrecht ein. Abo-Dienste wie Spotify oder Deezer bieten Musik „auf
Abruf“ an, weshalb sie ebenfalls – gleich wie Filesharing-Dienste – in dieses Recht
eingreifen. Internetradiodienste sind genauer zu betrachten: Während Simulcasting- und
mE auch nicht-interaktive Webcastingdienste nur in das Senderecht eingreifen, sind
interaktive
Webcastingdienste
einschließlich
personalisierte
Webradios
dem
Zurverfügungstellungsrecht zuzuordnen. Neben der LSG bzw den Tonträgerherstellern
müssen Werknutzungsbewilligungen für die Urheberrechte eingeholt werden. Das
Vervielfältigungsrecht wird dabei von der austromechana und das Senderecht bzw
Zurverfügungstellungsrecht von der AKM lizenziert. Da die AKM von der austromechana
beauftragt wurde auch das Vervielfältigungsrecht bei Online-Nutzungen zu lizenzieren,
genügt es, sich an die AKM zu wenden. Die Rechte am Cover sind mE stets von der VBK
zu erwerben, wenngleich in Österreich mangels einer Vielzahl an Praxisfällen noch kein
eigener Tarif existiert.
Aus Nutzersicht stellt sich insb die Frage, ob dieser eine Vervielfältigung zum
privaten Gebrauch herstellen darf. Manche Download-Dienste gewähren zB nach ihren
Nutzungsbedingungen 5 Vervielfältigungen pro Nutzer-Account. Eine Privatkopie bei der
Nutzung von Abo-Diensten ist nur unter Zuhilfenahme spezieller „Mitschneide-Software“
möglich. Die Nutzungsbedingungen schließen ein solches „Rippen“ regelmäßig aus. Das
Nutzen
von
„illegalen“
Filesharing-Diensten
ist
nur
durch
Verletzung
des
Vervielfältigungsrechts und/oder des Rechts der öffentlichen Zurverfügungstellung
möglich. Nimmt man das Vorhandensein einer rechtmäßigen Vorlage als Voraussetzung
für die Zulässigkeit einer Vervielfältigung zum privaten Gebrauch an, wofür mE gute
Gründe sprechen, so wird die Zulässigkeit der Erstellung einer Privatkopie hier idR zu
118
IV: Zusammenfassung der Ergebnisse und Resümee: Online-Musikdienste
verneinen sein. Bei Simulcasting- und nicht interaktiven Webcastingdiensten ist ebenfalls
die Rechtmäßigkeit der Vorlage zu prüfen. Sind diese nicht „offensichtlich unrechtmäßig“,
so ist die Zulässigkeit der Privatkopie mE zu bejahen. Personalisierte Webradios schließen
wiederum die Anfertigung einer solchen Kopie idR in ihren Nutzungsbedingungen aus.
Die Kunden werden aufgrund der steigenden Anzahl von Online-Musikdiensten
immer kritischer. Das Preis-/Leistungsverhältnis muss also sehr gut sein. Auch das
angebotene Musikrepertoire muss umfassend sein und die individuellen Bedürfnisse der
Nutzer befriedigen können, um diese als Kunden halten zu können. Die Nutzer von
illegalen Tauschbörsen sind sich der Unrechtmäßigkeit ihres Handelns meist durchaus
bewusst, aber sie handeln weiterhin ökonomisch und nutzen alle Möglichkeiten aus,
solange nicht bessere legale Angebote vorliegen. Der Großteil der Musiktitel, die in
Tauschbörsen kursieren, ist gut über legale Dienste für wenig Geld streambar. Die Anzahl
der zugreifbaren Titel wird in den nächsten Jahren noch steigen, da sich die
Diensteanbieter nach und nach auch um Lizenzen mit Independents bemühen. Wer
dauerhafte Downloads will, wird nach wie vor auf Tauschbörsen sein Unwesen treiben, da
die Preise von Downloaddienste-Anbietern mE (noch) zu hoch sind, wenn man sich als
Musikfan eine Sammlung anlegen möchte.
IZm der rechtlichen Bewertung von Online-Musikdiensten begegnet man noch
einigen
„juristischen
Baustellen“:
Den
Rechteerwerb
für
Online-Musikdienste
praktikabler zu gestalten, würde mE am besten durch einheitliche internationale
Voraussetzungen für den Betrieb von Webcastingdiensten erreicht werden. Eine solche
Vereinheitlichung
wird
sich
jedoch
aufgrund
der
unterschiedlichen
Urheberrechtstraditionen, von denen manche ein Sendeprivileg gar nicht kennen, äußerst
schwierig gestalten. Ebenfalls sollte die österreichische VBK einen Tarif für Covers von
digitaler Nutzung von Tonträgerhüllen festsetzen. Dieser könnte ähnlich dem schon
bestehenden Tarif der deutschen VG BILD-KUNST aussehen, die für je angefangene
100.000 Covers einen Pauschalbetrag von € 500,- vorsieht.387 Ö3 zeigt in seinem
Simulcast-Player388 Cover an, sodass auch schon Praxisfälle für die Anwendbarkeit dieses
Tarifs bestehen würden. Für den Nutzer ist aktuell wichtig, zu wissen, ob die Vorlage für
seine Privatkopie eine rechtmäßige sein muss. Dies sollte der Gesetzgeber in § 42 Abs 4
UrhG ausdrücklich regeln. In der Praxis betrifft dies neben Downloads aus
387
Siehe <bildkunst.de/fileadmin/User_upload/downloads/pdf/Tarife_2013_2014_deutsch.pdf>, 25 „Digitale
Produkte“.
388
Der Ö3-Simulcast-Player ist erreichbar unter: <ms01.oe3.fm/oe3metafiles/Player/Player.html>.
119
IV: Zusammenfassung der Ergebnisse und Resümee: Online-Musikdienste
Filesharingbörsen va auch die Anfertigung von Kopien aus der Nutzung von Webradios,
bei denen oft für den Nutzer die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit überhaupt nicht
feststellbar ist.
Aufgrund der weltweiten Erreichbarkeit des Internets plant die EU-Kommission die
kollektive internationale Wahrnehmung von Urheber- und Leistungsschutzrechten zu
vereinfachen. Denn auch dieser Bereich ist seit vielen Jahren durch Rechtsunsicherheit
gekennzeichnet, da es sich oft schwer gestaltet, festzustellen, wer welche Rechte an einem
Werk hat und als Folge von wem diese wie einzuholen sind. Eine Vereinfachung ist daher
sehr zu begrüßen. Zurzeit muss nämlich jeder Diensteanbieter für jedes Land, in dem der
Dienst erreichbar sein soll, eigene Lizenzen einholen.389 Die Rechte, die Anbieter von
Online-Musikdiensten vor Start ihres Dienstes einholen müssen, sind auf unterschiedliche
Rechteinhaber verteilt (Urheber, Leistungsschutzberechtigte, Sonstige Berechtigte).
Gerade im Online-Bereich wäre daher eine Konzentration der Rechtevergabe durch eine
Verwertungsgesellschaft oder eine Vereinfachung etwa durch länderübergreifende
Lizenzen sehr wünschenswert. Solch eine Vereinfachung soll durch die Richtlinie „über
die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die
Vergabe von Mehrgebietslizenzen für die Online-Nutzung von Rechten an
Musikwerken im Binnenmarkt“390 erreicht werden. Mit dieser Richtlinie wird die
Einrichtung eines multiterritorialen Lizenzierungssystems angestrebt, das den OnlineMusikdiensten
auch
gerecht
werden
kann.
Auch
sollen
die
nationalen
Verwertungsgesellschaften zu mehr Transparenz verpflichtet werden und die interne
Organisation verbessert werden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen, in denen sich die
internationale Musikwirtschaft bewegt, stehen also sicher vor spannenden Veränderungen.
Es bleibt zu hoffen, dass nicht nur Diensteanbieter, sondern auch die Nutzer, in den
nächsten Jahren von der Technologie rechtssicher profitieren können.
389
Für Simulcastingdienste besteht schon seit 2002 ein Simulcasting-Abkommen, das zurzeit 31 Länder
unterzeichnet haben, <ifpi.org/content/section_news/20021008b.html>.
390
Vorschlag für eine Richtlinie über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten
Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für die Online-Nutzung von Rechten an
Musikwerken im Binnenmarkt, KOM (2012) 372 endg.
120
Literaturverzeichnis: Monographien
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Walter, MR 1995, 125
Walter, ÖSGRUM 17, 106
Festschriften
Österreichische Notariatskammer (Hrsg), Festschrift für Kurt Wagner (Manz 1987)
Tades, Danzl, Graninger (Hrsg), Festschrift für Robert Dittrich zum 75.Geburtstag (Manz
2000)
Beiträge in Festschriften
Dittrich, Urheberrechtsfragen in der täglichen Arbeit des Notariats, in Österreichische
Notariatskammer (Hrsg), FS Wagner (1987), 63
Graninger, Von Kunst und Kant zu Bit und Byte – Überlegungen zum urheberrechtlichen
Werkbegriff, in Tades/Danzl/Graninger (Hrsg), FS Dittrich (2000) 133
Medwenitsch/Schanda in Tades/Danzl/Graninger (Hrsg), FS Dittrich, 226
Vock, Gedanken zur digitalen Vervielfältigung, in Tades/Danzl/Graninger (Hrsg), FS
Dittrich (2000) 343
Kommentare
Dillenz/Gutman (Hrsg), UrhG & VerwGesG2 (Springer 2008)
Kucsko (Hrsg), urheber.recht2 (Manz 2008)
Ciresa/Büchele/Guggenbichler (Hrsg), UrhG (LexisNexis 2006)
Walter, Urheberrechtsgesetz 2006 (Medien und Recht 2007)
Judikaturverzeichnis
Judikatur des OGH
OGH 26.1.1993, 4 Ob 94/92 – Null-Nummer II
124
Judikaturverzeichnis: Judikatur des BGH
OGH 4.10.1994, 4 Ob 1091/94 – APA-Bildfunknetz
OGH 31.01.1995, 4 Ob 143/94 – Ludus tonalis – ÖBl 1995, 184
OGH 12.3.1996, 4 Ob 9/96 = MR 1996, 111 (Walter) = ÖBl 1996, 251 – Happy Birthday
II
OGH 17.03.1998, 4 Ob 80/98p – Figur auf einem Bein
OGH 26.1.1999, 4 Ob 345/98h – Radio Melody III – EvBl 1999/108 = GRUR-Int 1999,
968 = MMR 1999, 352 (Haller) = MR 1999, 94 (Walter) = ÖBl 2000, 86 = RdW 1999,
409
OGH 26.1.1999, 4 Ob 345/98h – Radio Melody III – ÖJZ 1999, 471 = ÖBl 2000, 86 =
RdW 1999, 409 = MR 1999, 94
OGH 23.05.2000, 4 Ob 134/00k – Postwurfsendung, MR 2000, 379 (Walter)
OGH 12.6.2001, 4 Ob127/01g – Medienprofessor – MR 2001, 304 = GRUR Int 2002, 341
= ZUM-RD 2002, 225
OGH 9.8.2006, 4 Ob 135/06s – Gruppe D – MR 2006, 387
OGH 21.11.2006, 4 Ob 178/06i – St. Stephan – ÖJZ 2007/44 = MR 2007, 84 (Walter)
OGH 22.1.2008, 4 Ob 194/07v, LimeWire
Judikatur des BGH
BGH 14.4.1978, I ZR 111/76 – Vervielfältigungsstücke
BGH 15.11.2012, I ZR 74112 – Morpheus
Judikatur des EuGH
EuGH 18.3.1980, Rs 62/79, GRUR Int 1980, 602 – Coditel I
EuGH 12.9.2006, C-479/04 (Laserdisken)
125
Sonstiges: Materialien
EuGH 16.07.2009, C-5/08 (Infopaq)
EuGH 4.10.2011, C-403/08, C-429/08 (Football Association Premier League)
EuGH 17.1.2012, C-302/10 (Infopaq 2)
EuGH 3.07.2012, C-128/11 (UsedSoft)
Sonstiges
AKM: Konsolidierte Version der Betriebsgenehmigung in der Fassung des Bescheids der
KommAustria,
KOA
9.102/08-015
vom
30.6.2008
und
des
Bescheids
des
Urheberrechtssenats, UrhRS 5/08-4 vom 29.10.2008
austromechana: AKM: Konsolidierte Version der Betriebsgenehmigung in der Fassung des
Bescheids der KommAustria, KOA 9.102/08-016 vom 30.6.2008
LSG: Konsolidierte Version der Betriebsgenehmigung in der Fassung des Bescheids der
KommAustria, KOA 9.102/08-016 vom 30.6.2008, der Berufungsvorentscheidung der
KommAustria, KOA 9.102/08-31 vom 14.8.2008 und des Berichtigungsbescheids der
KommAustria, KOA 9.102/08-36 vom 27.8.2008
EU-Kommission:
EK 8. 8. 2002, COMP/C2/38.014 - IFPI „Simulcasting“, ABl 2003 L 107/57
Vorschlag für eine Richtlinie über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und
verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für die OnlineNutzung von Rechten an Musikwerken im Binnenmarkt, KOM (2012) 372 endg.
Materialien
Bundesgesetz über das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Kunst und über
verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz), BGBl I Nr 111/1936 idF 58/2010
Bundesgesetz über Verwertungsgesellschaften (Verwertungsgesellschaftengesetz 2006 –
VerwGesG 2006), BGBl I Nr 9/2006 idF 50/2010
126
Sonstiges: Unionsrecht
ErlRV 40 BlgNR XXII. GP, 9
Unionsrecht
Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und
Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im
Bereich des geistigen Eigentums ABl L 1992/346, 61
Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur
Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte
in der Informationsgesellschaft, ABl L 2001/167, 10
Völkerrecht
Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPSAbkommen), BGBl Nr 1/1995 Anhang 1C idF 1995/379
Internationales Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von
Tonträgern und der Sendeunternehmen vom 26. Oktober 1961 (Rom-Abkommen), von
Österreich ratifiziert am 12. Februar 1973 (BGBl Nr 413/1973)
Revidierte Berner Übereinkunft (Pariser Fassung) zum Schutze von Werken der Literatur
und Kunst vom 13. November 1908, idF BGBl Nr 319/1982
WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) Genf (1996) BGBl III 22/2010
WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT) Genf (1996) BGBl III 28/2010
Online-Ressourcen
<akm.at/Mitglieder/Interne_Regelwerke>
<akm.at/Musiknutzer/Online-Nutzung/Fragen_und_Antworten>
<akm.at/Musiknutzer/Online-Nutzung/Tarifinfo>
127
Sonstiges: Online-Ressourcen
<akm.at/Musiknutzer/Online-Nutzung/Tarifinfo>
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<futurezone.at/produkte/12332-oesterreich-spotify-laesst-facebook-zwang-fallen.php>
128
Sonstiges: Online-Ressourcen
<futurezone.at/produkte/14599-musik-dienst-rdio-startet-in-oesterreich.php>
<futurezone.at/produkte/14757-auch-amazon-will-musikabos-starten.php>
<futurezone.at/produkte/15134-internetradio-pandora-hat-200-millionen-user.php>
<gvl.de/pdf/betriebsvoraussetzungen-webcasting.pdf>
<heise.de/newsticker/meldung/Apple-Radiodienst-angeblich-ab-Sommer-1833569.html>
<heise.de/newsticker/meldung/Experten-fordern-mehr-Balance-im-Urheberrecht189702.html>
<heise.de/newsticker/meldung/Macworld-iTunes-Musik-wird-vom-Kopierschutz-befreit194183.html>.
<heise.de/newsticker/meldung/Musicload-will-DRM-loswerden-158433.html>
<heise.de/newsticker/meldung/Panasonic-uebernimmt-deutschen-Streamingdienst-Aupeo1837148.html>
<ifpi.org/content/library/dmr2011.pdf>
<ifpi.org/content/library/dmr2012.pdf>
<ifpi.org/content/section_resources/dmr2013.html>
<internet4jurists.at/urh-marken/faq_urh1a.htm#tausch>
<internet4jurists.at/urh-marken/faq_urh1a.htm#tausch>
<itwissen.info/definition/lexikon/Multicast-multicast.html>
<itwissen.info/definition/lexikon/Puffer-buffer.html>
<itwissen.info/definition/lexikon/Store-and-Forward-Verfahren-SF-store-andforward.html>
<itwissen.info/definition/lexikon/Streaming-Media-streaming-media.html>
<laquadrature.net/wiki/Studies_on_file_sharing_eng>
129
Sonstiges: Online-Ressourcen
<lizenzshop.akm.co.at/Lizenzshop/>
<lsg.at/lsgvertrag.pdf>
<miz.org/artikel/DCN-Studie_2012.pdf>
<mp3-geschichte.de/de/vermarktung.html>
<musicaustria.at/sites/default/files/bilder/2010/banduebernahmevertrag2.pdf>
<musicaustria.at/sites/default/files/bilder/2010/kuenstlerexklusivvertrag_1.pdf>
<musicaustria.at/sites/default/files/bilder/dokumente/verlagsvertrag.pdf>
<musicload.de/hilfe/musik/dateiformatewmaundmp3.ml>
<musictrace.de/technologies/watermarking.de.htm>
<mycyberradio.com/de/service/faq/aufnehmen.html>
<netzpolitik.org/2013/studie-der-eu-kommission-urheberrechtsverletzungen-von-musikhaben-positive-auswirkung-auf-kaufverhalten/>
<oecd.org/sti/ieconomy/34579763.pdf>
<pts.jrc.ec.europa.eu/publications/pub.cfm?id=6084>
<radio.at>
<radio.orf.at>
<radiotracker.de>
<rdio.com/legal/terms-of-service/>
<spiegel.de/netzwelt/spielzeug/umfrage-zukunft-der-musik-die-musikbranche-verdirbtsich-das-geschaeft-a-465090.html>.
<spotify.com/at/blog/archives/2011/11/15/hello-austria-spotify-here/>
<spotify.com/at/legal/end-user-agreement/>
130
Anhang: Abbildungsverzeichnis
<static.musicload-shop.de/file/agb_legal/at/agb_musicload_at.pdf>.
<stereo.de/index.php?id=628>
<users.ipfw.edu/reddpv01/mp3Genesis.pdf>
<vbk.at>
<verwges-aufsicht.justiz.gv.at>
<vipcc.at/files/32/Formular_LSGWNVertrag_f%C3%BCr_Interpreten,_weltweit,_7.3.2013.pdf>
<zdnet.de/39141369/musikindustrie-will-zahlreiche-online-radios-schliessen-lassen>
mediafire.com/download.php?b7d0pnatbcnt80n>
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die bei Online-Musikdiensten tangierten Verwertungsrechte, eigene
Darstellung
Abbildung 2: Gegenüberstellung der Begriffe „Tonträgerhersteller“, „Plattenfirma“,
„Label“, „wirtschaftlicher Produzent“ und „künstlerischer Produzent“, eigene Darstellung
Abbildung 3: Werknutzungsrechte Urheberberechtigte, eigene Darstellung
Abbildung 4: Werknutzungsrechte Leistungsschutzberechtigte, eigene Darstellung
Abbildung 5: Werknutzungsbewilligung von Online-Musikdienst an Nutzer, eigene
Darstellung
Abbildung 6: Veränderung der Wertschöpfungskette in der Musikbranche, Neef/Blömer,
Konvergenztechnologie und Musikverwertung, in Moser/Scheuermann (Hrsg), Handbuch
der Musikwirtschaft (2003) 105
Abbildung 7: Generation 0: Client –Server-Struktur, Mayrhofer in Mayrhofer/Plöckinger,
Aktuelles zum Internetrecht, 1 (12)
131
Anhang: Abbildungsverzeichnis
Abbildung 8: Generation 1: Zentrale Suche – Dezentrale Daten, Mayrhofer in
Mayrhofer/Plöckinger, Aktuelles zum Internetrecht, 1 (13)
Abbildung 9: Generation 2: Dezentrale Suche, Mayrhofer in Mayrhofer/Plöckinger,
Aktuelles zum Internetrecht, 1 (14)
Abbildung 10: Broadcast, <de.wikipedia.org/wiki/Broadcast>
Abbildung 11: Multicast, <de.wikipedia.org/wiki/Multicast>
Abbildung 12: Unicast, <de.wikipedia.org/wiki/Unicast>
Abbildung 13: Rechteerwerb bei Download-Diensten, eigene Darstellung
Abbildung 14: Rechteerwerb bei Abo-Diensten, eigene Darstellung
Abbildung 15: Struktur legaler Tauschbörsen, eigene Darstellung
Abbildung 16: Rechteerwerb bei legalen Tauschbörsen, eigene Darstellung
Abbildung 17: Dreistufentest, eigene Darstellung
Abbildung 18: Rechteerwerb bei Simulcasting- und nicht-interaktiven WebcastingDiensten, eigene Darstellung
Abbildung 19: Rechteerwerb bei Webcasting-Diensten einschließlich persönlicher
Webradios, eigene Darstellung
132