Roman`s »Appropriance Fiction«: Wie ein fiktiver SF-Held
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Roman`s »Appropriance Fiction«: Wie ein fiktiver SF-Held
Matze Schmidt Roman's »Appropriance Fiction«: Wie ein fiktiver SF-Held sich sein Klischee Perry Rhodan aneignet Es begann alles mit einer E-Mail meines Freundes und Kollegen in der n0name newsletter Redaktion, Ali Emas, kurz vor dem wirklichen Millenium bzw. dem Kalendergrechten Jahrtausenwechsel: Date: Fr, 15 Dec 2000 10:44:27 +0100 From: Ali Emas <[email protected]> To: [email protected] Subject: was fuer noname? hi, guck mal, das war vorgestern in meiner Mailbox ali >Roman wacht auf und laezst sich aus dem Plasma-Bett hieven. Der Muskel>Aktivator setzt ein, viel zu frueh heute abend. Der harte Sex, der >jetzt auf ihn wartet, macht ihn wach. >"Mh", denkt er. "Kant soll ja auch vor der Arbeit onaniert haben, um den >Kopf frei zu kriegen." >Roman ist Selbstbeauftragter fuer Anschluszluecken und Leerstellen: >Bindestriche, Fehlerzeichen, Software, alles was trennt und deshalb >konnektiert. Ohne effektive Funktion keine Future-Zukunft. Wir fanden den obszönen Stil nicht besonders originell wegen der Schreibe, sondern wegen seines Ansatzes auf Science-Fiction zu verweisen, um dann aber anekdotenhaft in einer Ultrakurzform etwas anzusprechen, was sich offensichtlich mit der Philosophie des Risses beschäftigete, was darüberhinaus auf einen Konflikt mit der SF verwies − das erschien uns ausbaufähig ... Die nicht gleich erkennbare Schwierigkeit der Koinzidenz von Form und Inhalt gefiel uns, die gespielte Direktheit schockte uns, denn diesem kleinen Text würde bald die Funktion eines Urtextes zukommen. Sehr bald, im n0name newsletter #33, der am 28.02.2001 in diversen Mailinglisten und per Direktmail erschien, verarbeiteten wir dann den 8-Zeiler der anonymen E-Mail zur ersten Folge des Fortsetzungsromans Roman: Nick Roman Er wacht auf und laezst sich aus dem Plasma-Bett hieven. Der MuskelAktivator setzt ein, viel zu frueh heute abend. Der harte Sex, der jetzt auf ihn wartet, macht ihn wach. "Mh", denkt er. "Kant soll ja auch vor der Arbeit onaniert haben, um den Kopf frei zu kriegen." Roman ist Selbstbeauftragter fuer Systemluecken und Leerstellen: Bindestriche, Fehlerzeichen, Software, alles was trennt und deshalb konnektiert. Ohne effektive Funktion keine Future-Zukunft. Der Telepator meldet sich. Fortsetzungsroman, Teil 2 im n0name newsletter #34 1 Der Bezug zu Perry Rhodan und der Selbstmystifizierung wurde von uns erst realisiert, als wir aus einer Laune auf einem Flohmarkt in Berlin-Kreuzberg zwei Kisten Perry RhodanHefte kauften, das „Kapital" für eine erfolgreiche Gegen-Mythologisierung, dachten wir. Ein symbolisches Wechselspiel. Zwei Jahre später schickte ich meine Idee für einen Beitrag auf das CALL FOR PAPERS zu einer Tagung zur SF-Serie Perry Rhodan an Ali: Date: Tue, 10 Dec 2002 15:33:47 +0100 From: Matze Schmidt <[email protected]> To: Ali Emas <[email protected]> Subject: Beitrag zur Perry Rhodan Tagung hallo ali, [...] Roman's "Appropriance Fiction": Wie ein fiktiver SF-Held sich sein Klischee Perry Rhodan aneignet "Roman" ist ein fiktiver SF-Held, der seit ca. 1 1/2 Jahren als serielle Submessage in Mailinglisten, auf Weblogs und verschiedenen Printformaten auftaucht. Seine Fiktivitaet ist das doppelte Spiel einer Art De-Identitaet mit solitaeren Figuren der ScienceFiction-Welten und deren manchmal bewuszten, manchmal unbeswuszten Demontage (Dekonstruktion?). Roman IST eine Figur, die in kurzen und kuerzesten Plots vorkommt, als Fusznote, als Ultrakurzgeschichte getarnter Aphorismus. Und er ist KEINE FIGUR, weil er das Phaenomen, alles sei wie "camp", alles sei wie intertextuelle/intermediale Referenz, nocheinmal durchmacht. Insofern oszilliert er zwischen fiktiv, imaginaer und real. Oder ist er blosz gestohlen? An verschiedenen Passagen und Folgen von Roman, ihren Orten und moeglichen Stellen wird das vielleicht nachpruefbar. [...] grusz matze In einem improvisierten Definitionsversuch nenne ich das, was Roman macht, respektive was die Figuration, Welt oder Diegese (d.h. die erfundene Wirklichkeit) „Roman" veranstaltet, nicht „Fan-Fiction". Mit einem schön holprigen Wortspiel möchte ich es als „Appropriance Fiction" begreifen, Aneignungs Fiktion. Denn die Strategie der Aneignung treibt ein bestimmtes Moment, das in der Fan-Fiction latent vorhanden ist ins Extrem. Auf der Webseite www.sternenkratzer.de wird ein Charlie Brown Comicstrip gezeigt, in dem Snoopy exakt das Verhältnis zu bestimmen ein wenig verfehlt, das später als das wichtigste Erklärungsmodell für Roman herausgestellt wird, den „symbolischen Mehrwert". Snoopy, der sich bekanntermaßen als Hobby-Autor betätigt, erklärt in einem Antwortschreiben auf den Ablehnungsbescheid des Verlags, daß der doch bloß Ruhm und Geld wollte, Inhalt und Form spielen dafür keine Rolle, die semantische Qualität ist irrelevant, einzig Andy Warhol's hier zumwasweißichwievieltenmale kolportierte Jeder-für-15-Minuten-berühmt-Theorie zählt, das ins Geld-Zeit-Verhältnis verschobene Klassenverhältnis eines Lohnarbeiters mit künstlerischen Ambitionen zum Kapitalisten. Was ein Lohnarbeiter ist, ist klar, der Künstler steht für den nichtentfremdeten Arbeiter, der Kapitalist ist das Medium für Erfolg. Genau diese Relation zum Medium des Erfolgs wird in der Fan-Fiction durch die Simulation der Distributionswege bzw. die Simulation des Zugangs des Kapitals zum Markt erreicht, durch 2 Medialisierung in der dafür schnellsten und globalsten Umgebung, dem (nicht ganz) transnationalen elektronischen digtalen Datennetzwerk mit zugleich Individual- und Massenmediumcharakter, dem WWW. In etwa der Öffentlichkeits-Traum der alternativen New Economy der Peer-to-peer-Netzwerke, denn Snoopy erklärt auch, daß sein „Buch" (das ja noch gar keines sein kann, weil es ja noch nicht gedruckt wurde, also nur ein antizipiertes sein kann) veröffentlicht werden soll. Date: Tue, 10 Dec 2002 16:14:20 +0100 From: Ali Emas <[email protected]> To: Matze Schmidt <[email protected]> Subject: Re: Beitrag zur Perry Rhodan Tagung hi matze, Tuesday, December 10, 2002, 16:14:20 PM, you wrote: >Roman IST eine Figur, die in kurzen und kuerzesten Plots vorkommt, als Fusznote, als >Ultrakurzgeschichte getarnter Aphorismus. >blosz gestohlen? An verschiedenen Passagen und Folgen von Roman, ihren Orten und >moeglichen Stellen wird das vielleicht nachpruefbar. gibts endlich mal echte URLs, oder wieder nur gefakte Webseiten? ali 3 In seinem Reply stellt Ali konsequent die Frage nach der Produkt-Authentizität dieses Triples aus Geld, Zeit und Prestige, letzteres wird von der Informationsökologie verwechselnd „Ressource Aufmerksamkeit" genannt. Wir hatten uns auf ein Spiel eingelassen, das uns mit dem für die Kommunikationsguerilla − der wir uns heldenhaft zuordneten − so typischen Phänomen des „fake" oder „hoax" konfrontierte, also der ambivalent und paradox gewußten/ungewußten Fälschung mit kalkuiertem symbolischen Impact, deren Urheber und Opfer man zugleich ist. Die Symbiose aus „Perry Rhodan" und unserem doppelt fiktiven, weil erfundenen, Held-Held „Roman" wird ganz gesetzmäßig in der Manier des „Rhymin & Stealin" (Beasty Boys) des Hip-Hop zum Pseudonym des Rappers PerryRoman. Oder sie wird zur Bastardisierung in einem Mix aus Stilverweis, philosophischem Kommentar und Zitat − in diesem Fall einem Sample aus Neal Stephenson's Vision des göttlichkosmischen Betriebsystems aus seinem aufklärischen Essay Die Diktatur des schönen Scheins, wie auf dem folgenden HTML, das uns als Attachment einer E-Mail erreichte, deren Autor wir nicht identifizieren konnten. 4 Diese Versuche maskierter Herkunft, parodistisch etwas in die Heldenlegende einzuschreiben, zeigen die uneigentümliche Ökonomie von Original und verzerrender Nachahmung an. Die manufakturelle Produktion pseudoserieller Textware kann analog zur Praxis des Homerecording der Wohnzimmerproduzenten gelesen werden, die ihr Privatleben mit dem Erwerbsleben verquicken. Die post-industrielle Figur des schrifstellernden Subunternehmers fantasiert sich aus der Lohnarbeiterrolle in die Künstlerautonomie des Austoßes von immerpermutierenden Neuauflagen und Rewrites (Remixes): Er trug eine von diesen Solar-Digital-Uhren, wie sie frueher in biligen Romanheftchen angboten wurden. Sein Erbe war das Chaos, das er ordnen wuerde. Er der einsame Wanderer zwischen den Universen. Silver Surfer, Clark Kent im Weltenraum, Captain der Zukunft, Unsterblicher. In diesem permanenten Krieg gegen den Terror. Die lethalen Waffen kamen von oben, die Schwerkraft trug sie heran, ein Grossangriff der Zukunft auf den Rest der Zeit: 2001 2010 2999 JETZT Harte Gammastrahlung riss ein Stueck vom DNS-Strang ab. Ein Flackern. 5 Nick. _Roman_ (Fortsetzungsroman) Folge Atari Sie kamen in 5er-Reihen auf die Bodenstation zu! Sie kamen in 5er-Reihen auf die Bodenstation zu! Sie kamen in 5er-Reihen auf die Bodenstation zu! Das Geschuetz feuerte. Sie kamen in 5er-Reihen auf die Bodenstation zu! Sie kommen in 5er-Reihen auf die Bodenstation zu! Diese spacige Loop-Poesie scheint das Programm aber nicht zu beeindrucken. "Invaders", ruft Roman noch. Dann zersplittern die animierten Pixel und alles wird schwarz. Der Spieler uebt sich wie in Techno-Zen, die Verschmelzung von Koerper und Geist. Nick. _Roman_ (Fortsetzungsroman) Heroe Roman liest das Dossier und konzentriert sich wie immer auf das Wesentliche. Seit 1961 ein Volk ohne Weltraum, 42 Real- und fast 2900 Handlungsjahre. Allein in Terraland eine Milliarde Exemplare gedruckt. Perry Rhodan ist die »Fünfte Macht« im Staat. Er verhindert den Dritten Weltkrieg und eint die Menschheit. Unabhängig von Hautfarbe, Nationalität oder Religion gibt es nur noch »Leser«, die neue Hauptstadt heißt entsprechend Literrania. Roman, der feststehende Held, versucht daraus einen möglichen Weg der Menschheit in die Zukunft zu lesen. Noch gelingt es ihm nicht. Wann wird es ihm gelingen? Wird es ihm je gelingen? Nick. _Roman_ (Fortsetzungsroman) Sony-Teil Endlich sasz Roman in seinem interaktiven Sessel - beige, fast weisz, geschwungenen. "Der beste Tag in meinem Leben", dachte er laechelnd bei sich. Dabei trug er unverkennbar die Zuege eines bekannten SF-Helden. Niemand im Phantomatik-Team konnte sich jedoch dazu durchringen, einen eindeutigen Vergleich herzustellen. Die riesige Glaskuppel lies wegen der automatischen Verdunklung nur wenig Licht hinein. Es herrschte eine angenehme Temperatur. Roman betaetigte schliezlich die START-Taste der alten PlayStation. Nick. _Roman_ (Fortsetzungsroman) Teiltraum Roman traeumte, er verliebte sich in eine schoene Frau, dunkle Haare, warm, tanzend. Er visionierte die vorauseilenden Schatten von vielleicht uralten B-52 und Hubschraubern - - - - - - - - - dann kamen die echten Maschinen mit Satellitenschuesseln, die dazwischen flogen. Der Himmel war schwarz. Alles stand genau so in einer dieser raubkopierten CD-ROMs aus China, mit der Riszzeichnung eines kugelfoermigen Raumschiffs. 6 Nick. _Roman_ (Fortsetzungsroman) Triebwerke Roman zog das Manual ins Centerfenster mit der grünen Aura, und las: technisch/historische Fehler im Perry Rhodan "Überlichttriebwerke Die EX-313 und die IN.-DAY besitzen bereits ein Lineartriebwerk. Da der Testflug der FANTASY erst im Jahre 2102, also knapp 4 Jahre vor dem Beginn der Romanhandlung stattgefunden hat, ist es sehr unwahrscheinlich, daß im Jahre 2106 das Lineartriebwerk zu diesem Zeitpunkt schon in den kleineren Einheiten der SOLAREN FLOTTE Standard ist. Laut den Romanen sind zu diesem Zeitpunkt nur erst wenige Großkampfschiffe mit diesem neuen Triebwerk ausgerüstet, in allen anderen Schiffen ist noch immer das von den Arkoniden seit Jahrtausenden verwendete Transitionstriebwerk in Betrieb. Nick. _Roman_ (Fortsetzungsroman) Triebwerke II Galaxienzuender? An dem Wochenende, bevor dieser Roman erschienen ist, haben auf der indonesischen Tropen-Insel Bali irgendwelche Terroristen 182 Touristen in die Luft gesprengt. Während ich in meiner Freizeit friedlich ein Weltraum-Abenteuer lese, soll ich mir vorstellen, dass plötzlich eine ganze Galaxis in die Luft gesprengt wird. Nick. _Roman_ (Fortsetzungsroman) Imperium Teil II Die multi tude Inc. risz in den letzten drei Jahren, als demokratisierte globale Firma das gesamte Empire an sich. Keiner entkam. Bestverkaufter Artikel: Plueschmonsterborgs mit billiger KI. Roman starrte auf diese Zeilen, die ihm noch glimmend auf dem bruechigen Display seines alten PDA erschienen, nachdem er die 156 Tastenanschlaege mit zarter Geste geloescht hatte. Er war einen Moment voellig ruhig. Dann ludt er sich das "Making of ... Manual" zur politischen Oekonomie. Sie lebten in einer Kommune. "Roman" waren jeweils die, welche die Kommune wählte, um wichtige Aufgaben zu erfüllen. Eines Tages kam der Anti-Roman aus Anti-Materie aus dem Anti-Universum. Er war ein Solitär, der in Büchern beschrieben wird wie ein Halbgott, der zufrieden das Heer der Experimentatoren ueberflog und dabei denkt, daß sich hier etwas vollzieht, was früheren Menschheitsgeneratioen versagt gewesen war. Die Erzeugung von Energie aus der Verschmelzung von Materie und Antimaterie und so weiter. Die Idee, diese Differenz aufzuheben, ist, das Story-Telling erst garnicht nicht anzuerkennen. Die simplifizierte Polarisierung, die "Totale" als Einstellung aller Verhältnisse wird als ideologisches Geschichtenerzählen erkannt. Dennoch wird etwas 'entgegengesetzt', nämlich die Praxis eines anders strukurisierten Geschichtenerzählens, mithilfe dessen der "Symbolische Code", verstanden als Terrain, 'reclaimt' werden könnte. Dem Massenphänomen der Perry-Rhodanisierung verbreiteter Science-Fiction wird eine telematische Distribution, eine Verbreitung in "perfiden Spielen" mit dem Original so lange entgegengehalten, bis der Hegemon nicht mehr zu erkennen ist. Es wird so lange und soviel produziert, bis die Produzenten des Originals, deren Erfindung das "Geistwesen ES", respektive das "geistige Eigentum" ist, nicht mehr mithalten können. Am Schluß steht dann die logische Aneignung und Verkollektivierung auch der High-Tech Produktionsmittel. 7 8 Bis hin zur direkten Aufforderung des Marktboykotts in einem Eintrag in das in Deutschland bekannte Weblog Der Schockwellenreiter, der jedoch vermutlich ebenso gefälscht ist wie der Eintrag in das berühmte USamerikanische Weblog Slashdot mit der politischen Anspielung auf John Perry Barlow, den wichtigen kommunitaristischen Vertreter des Cyberismus. Beide Einträge sind auf den wirklichen Webseiten dieser Portale nicht zu finden. Diese „perfiden Spiele", die Michel de Certeau's „Wildern" im Besitz des Besitzenden entsprechen, die Codes und Metaphoriken des Politischen der Symbolischen Ordnung besetzen, offen getarnt als poetisch-lyrisch-essayistische Science-Fiction, wie Stanislaw Lem es als publikatorische Strategie für seine Geheimerkenntnisse über Waffensysteme des 21. Jahrhunderts vorschlug, leisten nicht nur, was die Instituionen nicht mehr zu leisten vermögen, indem sie als Projektion eines Underground kulturelles Gedächtnis produzieren. Sie trainieren als rebellische Camouflage ein paar Diskurs(ver)drehungen und outen ein bißchen desillusionierte Utopie. Auch wenn schlußendlich alles wie aus dem „Grammatisator" von Roald Dahl zu stammen scheint, der Maschine, die automatisch und in letzter Konsequenz selbststeuernd Texte auswirft, deren Adressat des Semantischen oder der „Tiefe des Textes" ein Konsument des Superman vom Planeten Krypton ist, dessen Funktion die säkularisierte Religion zum Beispiel Comic hervorbringt, oder wiederum eine falsche Fan-Fiction Webseite, die ein Crossover aus Roman und Superman bringt. Die Figur „Roman" scheint hier bereits voll akzeptiert, und wird in einer Adaption irgendwo an Tastaturen gebastelt. Um es nocheinmal zu verdeutlichen: es handelt sich um eine Parodie, die zum eigenständigen Motor für ein Subgenre wird. Die Webseiten-Dateien und E-Mails, die Roman zum Protagonisten machen, wurden alle zwischen Anfang 2001 und 2003 der Redaktion von n0name zugespielt, was mehr als Reaktion auf eine Serie im Mikromedium eines E-Mail newsletters zu interpretieren ist. Wir glauben das heißt: „der ethnologische Blick" der „Perry Rhodan Studies", wie Dierk Spreen ironisch-prospektiv auf der Perry Rhodan Tagung 2003 in Berlin bemerkte, und den Ali Emas attackiert sieht, kehrt sich um. Aber nicht nur 1:1, indem nun die Wissenschaftler diskursanalytisch erforscht werden, sondern indem alle Vergleichsmomente und strukturellen Merkmale und sogar die Rollenverteilung, Macher hier − Hermeneutiker da, neu ausgespielt werden. 9 Die Unterscheidung in Literatur und szientistischem Text wird, ganz nach einem halbrezipierten Derrida, unmöglich, bzw. nur durch eine Positionsbestimmung möglich. Mailinglistenmitglieder behaupten schon immer, daß sie an einem gemeinsamen Metatext arbeiten würden. Der Diskurs kommentiert 'sich selbst' und bedarf keiner Leitwissenschaft (mehr), deren objektivistischer Anspruch die Schönheit des Schreibenlesens stören würde. In allen Bereichen, z. B. Film und Fernsehserie, Heftroman, stößt Roman auf größten Widerstand, wenn er als "Fan Fiction" eigene Werke mit eigentlich geschützten Figuren im Internet zur Verfügung gestellt wird. Die lange Tradition des Kontakts zwischen Autor, Verleger und Fan, die das komplexe Netzwerk eines kulturellen Phänomens offenlegt, könnte hier als Vorbild für eine angemessene Praxis im Umgang mit Fan Fiction dienen. Populärkultur entsteht nicht nur über die Schöpfung eines Szenarios oder einer Figur durch einen Autor, auch nicht durch ihre Veröffentlichung durch einen Verlag, sondern nur im Zusammenwirken mit der Phantasie und der Leidenschaft der Leser oder "Konsumenten". Date: Mon, 7 Jul 2002 15:15:49 -0700 Subject: Fwd: Roman as a Product From: John Pamc <[email protected]> >I just finished writing a text entitled "Roman as a Product: >How we can beat Perry Rhodan" a sort of history of sci-fi groups making >their own stories and movies. It begins in the 1860's and concludes with >a new initiative by Open Content in developing countries. As someone who >has been engaged in these types of Fan-Fiction I thought this would be a >good time to reflect on the trade-offs and expectations about this >kind of corporate giving and whether you should be suspicious of nerds >bearing gifts. > >Would be cool, huh? Okay, but this is just a fake, an idea. > >I'll be offline and camping in Canada for a week or so, but your >comments are welcome. > >John Pamc Date: Tue, 8 Jul 2002 10:23:12 -0100 From: Ali Emas <[email protected]> To: Matze Schmidt <[email protected]> Subject: PR-Porno Weißt du, der Witz ist, daß die kategorialen Fragestellungen, mit denen man das Phänomen bearbeiten könnte - also: wer ist der Autor?, hat die Autorenschaft sich nicht längst aufgelöst?, welche Tabubrüche sind im Autorenlosen Texten möglich (Pornografie usw.) - in den Zirkulierungen des Netzes, also den Performanzen des/der Postings selbst aufgestellt werden. Das bedeutet, daß, wenn z.B. John Pamc auf die Idee kommt, es müsse doch eine wissenschaftliche Arbeit geben, die das Thema der produktiven Aneignung von Sci-Fi seit der Setzung des Beginns des Genres "SF" überhaupt bearbeitet, sich der ethnologische Blick des Forschers mit einem Feedback aus dem zu observierenden Feld selbst kontern läßt, wie es als Taktik von Burroughs in "Die Elektronische Revolution" vorgeschlagen wird, nämlich zu samplen und Cut-up zu machen, um dann alles wieder zu Rekontextualisieren. ali 10 Date: Tue, 8 Jul 2002 17:38:42 -0100 From: Matze Schmidt <[email protected]> To: Ali Emas <[email protected]> Subject: Re: PR-Porno >Weißt du, der Witz ist, daß die kategorialen Fragestellungen, >mit denen man das Phänomen bearbeiten könnte - also: wer ist der Autor?, >hat die Autorenschaft sich nicht längst aufgelöst?, welche Tabubrüche >sind im Autorenlosen Texten möglich (Pornografie usw.) - in den >Zirkulierungen des Netzes, also den Performanzen des/der Postings selbst >aufgestellt werden. ich gebe dir recht. allerdings bleibt der inhalt referenzlos und damit ist er nicht richtig verifizierbar. eben erreicht mich eine anonyme mail, eine art Spam, mit dem attachment eines Perry Rhodan Kopfes, klassisches detournement a la Magritte wuerde ich sagen. der inhalt im body der e-mail hat mit dem gif jedoch nicht das geringste zu tun! sieh (attachment: cen-estpasroman.gif und lies selbst ... Date: Tue, 8 Jul 2002 15:16:35 -0100 From: [email protected] To: Matze Schmidt <[email protected]>> Subject: Up To $5000 Per Week/FREE Laptop/No Phone Sales Hello Matze Schmidt Accepting 10,000 Web Entrepeneurs WORLD-WIDE For New Company Launch See How Our Multi-Million Dollar WORLD Marketing & Educational Campaign Could Put THOUSANDS Of Dollars In Your Pocket EVERY Month. PC-4-CashFlow Forecasted To Reach 35 Million Dollars In 2 Years Help Us Introduce The PC That EVERY Business Will Need, Now AND In The Future! Many Of Our Affiliates Will Earn Up To $5000 PER WEEK== Many Benefits, Just To Name A Few: WEEKLY BONUS CHECKS FOR ONLINE SALES MADE! FREE USE OUR 183 MILLION EMAIL DATABASE TO SELL OUR NEW P.CP.CTECHNOLOGY Make 10 Sales And Earn A FREE Laptop & $7000 U.S Dollars! FREE Website To Promote The HOTTEST P.C On The Market (SIMPLE TO SELL) FREE Use Of Our MILLION DOLLAR Email Ads That Will Do The SELLING For YOU! FREE Enrollment As A WEB AFFILIATE! 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Die Kunstwissenschaft nennt soetwas „Appropriation Art", wobei sich geschichtlich zeigen ließe, daß sämtliche Kunst auf Appropriation, Nachahmung und 'Verlinkung' beruht; die Hypertexttheorie um George P. Landow spricht nicht nur vom aktiven Leser, dem produtiven Konsumenten, sie geht soweit, das Machtgefälle Autor-Leser in den Wreader zu verwandeln, die Romaner wären demnach alle in der deutschen Übersetzung Schreser, was zwar die ästhetische Ästhetik der Aura, des Autorverlusts usw. ändert, die politische Ästhetik jedoch unberührt läßt, denn Büchermarkt und Lohnschreiben bleiben bestehen; Richard Dawkins Meme-Theorie würde die Romans der Seite des Sieges der kulturellen Evolution über die natürliche Evolution zuzählen, virenartige Textbausteine, die sich selbstreproduktiv im Wirt genannt Sprache fortsetzten; William S. Burroughs hätte zugestimmt, nur den Virus der Sprache selbst zugeordnet und auf das Konzept der elektronischen Revolution Verwiesen, die nichts weiter vorschlägt als die Umwälzung der medialen Verhältnisse per Reproduktion 13 gespeicherten Materials, der Rhetorik, und mit Feedback auf das System; Negativeland und andere klassische Plagiaristen, die das Anticopyright pflegen, schlagen vor, die Macht anzuerkennen, sie aber zu brechen, sie also nicht voraussetzungslos durch das Subjekt Foucault's hindurchgehen zu lassen; die Wunschmaschinen von Deleuze/Guattari projektieren die Ineinssetzung von Produktion und Produkt, alles was die Erfindung des Mangels, der künstlichen Verknappung und das Produktionsmonopol ausmacht, ent-fällt dabei in die Flucht(?)idee einer Selbstvalorisierung jenseits der Vermarktung ohne Limits im Machen und Tun; Spider und bots, die kleinen Programme, die für Suchmaschinen und --das Internet nicht immer als Agenten des Auftraggebers nach Content absuchen und Spam zur Massenware macht, funktionieren als „tactical media" garnicht political correct, denn sie graben an Manpower und Machinepower die Rentabilität der Firmen an deren Funktionabilitäts-Schnittstellen zum Öffentlichen ab; die Netzwerktheorie stellt die Verteilung der Produktion vor, wobei ein Zentrum nicht auszumachen ist und das Netz von „strukturellen Löchern" nicht durchzogen ist, sondern diese Löcher Netz strukturell erst ermöglichen, sonst wäre das Netz eine Fläche. Jack und Jim sind nicht direkt miteinander verknüpft, Roman und Perry Rhodan sind nur indirekt verknotet, das reicht jedoch, um Stabilität und Destabilität zu sichern und die Dynamik der Schreibe nicht nur den üblichen Stellen wie Verlag und Feuilleton zuweisen zu müssen. Denn der Vorschlag, den die Strategie der Aneignung der Texte macht, ist der, die Paraliteratur der Paraliteratur, Fan-Fiction und mehr noch Textsampling, nicht reduktionistisch als pluralistische Egalisierung festzustellen, als hobbyistisch orientiertes und demokratisiertes Schreibfeld etwa, auf dem paraphrasierend alles zum Thema gemacht werden könne. Appropriation ist immer eine Attacke auf die Fest-Stellung, denn die Zirkulation der Romans und Romane ist schneller und flexibler. Die Dramatisierungen um die Harry Potter-Kopien 2003 führt die Verdrängung exakt vor: daß man die Aneignungen des Originals durch den schreibenden Mob nur als „spin offs", die „symbolischen Mehrwert" abschöpfen zu situieren vermag, anstatt sie als basale Infragestellung des Gefälles von Urheber und Heber und der damit verbundenen realen nicht bloß symbolischen Kapitalmacht zu erkennen. Copyleft (c) © n0name 2003 14