Leseprobe - Residenz Verlag
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Helmut Brenner Reinhold Kubik Mahlers Menschen Freunde und Weggefährten Mit über 175 Abbildungen Residenz Verlag Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. www.residenzverlag.at © 2014 Residenz Verlag im Niederösterreichischen Pressehaus Druck- und Verlagsgesellschaft mbH St. Pölten – Salzburg – Wien Alle Rechte, insbesondere das des auszugsweisen Abdrucks und das der fotomechanischen Wiedergabe, vorbehalten. Umschlaggestaltung, grafische Gestaltung/Satz: BoutiqueBrutal.com Umschlagbilder: IMAGNO/Theatermuseum, Wien; Archiv IGMG, Sammlung Tschuppik (vorne); Privatsammlungen, Archiv IGMG, Reinhold Kubik (hinten). Gesetzt aus Adriane Text und Akzidenz Grotesk Gesamtherstellung: Gorenjski tisk storitve d.o.o. ISBN 978-3-7017-3322-4 Inhalt Vorwort Freunde und Weggefährten Von Apponyi bis Zinne 7 11 Anhang Dank Abkürzungen Literaturverzeichnis Personenregister 249 255 259 267 Addenda zu Mahlers Welt. die Orte seines Lebens 281 Vorwort I m Herbst 2009 fand eine Besprechung über das Buchprojekt Mahlers Welt mit dem damaligen Verlagsleiter des Residenz Verlages statt, der den Wunsch äußerte, auch die Persönlichkeiten, welche die dargestellten Örtlichkeiten bevölkerten, in das Buch aufzunehmen, biographisch zu skizzieren und wenn möglich abzubilden. Dieser Plan konnte jedoch damals nicht verwirklicht werden, da der Umfang der projektierten Publikation sonst ein Ausmaß erreicht hätte, das für einen Cicerone, als der sich das Buch letztlich verstehen wollte, nicht mehr praktikabel gewesen wäre. Umso erfreulicher ist es daher, dass sich der Residenz Verlag nach der guten Aufnahme dieser Monographie entschlossen hat, uns eine eigene neue Publikation anzuvertrauen, die nun Mahlers Menschen gewidmet ist. Wir danken allen Mitarbeitern des Verlages, insbesondere Stephan Gruber und dem Graphiker Joe Wannerer, für die angenehme und professionelle Betreuung während der Vorbereitung und die abermals ansprechende optische Gestaltung des Buches. Obwohl nunmehr beide Bücher gemeinsam eine reiche und vordem kaum verfügbare Materialiensammlung zu Mahlers Leben bieten, sind die Bände in wesentlichen Aspekten verschieden. Waren wir bei Mahlers Welt bestrebt, möglichst alle Orte zu erfassen, so war bei der vorliegenden Publikation von Anfang an klar, dass eine Präsentation der übergroßen Anzahl an Freunden und Weggefährten Mahlers die Ausmaße eines mehrbändigen Lexikons erreichen würde und daher nur eine relativ überschaubare Auswahl vorgenommen werden konnte. Sieht man von den Verwandten und den Berufs- und Künstlerkollegen ab, so rekrutiert sich der Freundes- und Bekanntenkreis Mahlers vornehmlich aus Persönlichkeiten, die für ihn während einer bestimmten Zeit – selten ein Leben lang – in irgendeiner Weise nützlich und hilfreich waren. Damit soll Mahler jedoch nicht als berechnender Egoist und keiner dauerhaften wirklichen Freundschaft fähig charakterisiert werden. Bei dem übermenschlichen Arbeitspensum, das er spätestens ab seinem Eintritt in den Opernbetrieb permanent zu leisten hatte, war es für ihn 7 Mahlers Menschen einfach unmöglich, die zahlreichen Kontakte dauerhaft zu pflegen, unabhängig von persönlichen Sympathien. Übrig blieben also die jeweils aktuellen Beziehungen, die oftmals bestimmte »praktische« Funktionen erfüllen mussten. Prominenz aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft war Mahler ebenso wichtig wie der Kontakt mit Kulturschaffenden, zu denen vor allem meinungsbildende und einflussreiche Journalisten zählten. Ein bedeutender Prozentsatz der Freunde und Weggefährten war Teil des jüdischen Geldadels, wobei insbesondere viele der Wiener Freunde zu den reichsten Familien der österreichischen Monarchie gehörten. Obwohl es Mahler selbst nicht zum Millionär brachte, war er in seinen letzten Lebensjahren gut situiert und wurde Teil jenes Netzwerkes, welches das Bild der »teuflisch eleganten« Donau stadt (Tschechow) formte. Seine Ehe mit Alma Schindler hatte daran gewiss Anteil. Auch wenn Mahler kein ständiger Gast in den Salons war, so zählten zu seinem Bekanntenkreis doch viele »Salonièren«, die sich gerne mit der Anwesenheit des berühmten Dirigenten und Komponisten schmückten. Wirkliche und lebenslange Freunde finden sich nur wenige in Mahlers Leben. Die meisten der skizzierten Persönlichkeiten spielten daher nur vorübergehend eine gewisse Rolle, um nach einer mehr oder weniger kurzen Zeit der Beziehung wieder spurlos zu verschwinden. Nun unterliegt eine Auswahl immer der Gefahr des Willkürlichen, stets ist sie der Kritik nach beiden Seiten ausgesetzt – Kritik an dem Aufgenommenen ebenso wie an dem Ausgeschiedenen. Wir fanden es besser, nicht alle Bereiche gleichmäßig zu reduzieren, sondern verzichteten stattdessen lieber auf ganze Personengruppen. Es gibt folglich keine Familienangehörigen, keine Musiker (Komponisten, Dirigenten, Instrumentalisten, Sänger), nur zwei Verleger, keine Kulturmanager (wie z. B. Agenten), nur wenige Journalisten und Musikschriftsteller. Mitglieder dieser Gruppierungen sind nur dann eingeschlossen, wenn ihr Kontakt mit Mahler über die berufliche Dimension wesentlich hinausreichte. Ein bedeutendes Auswahlkriterium war die Verfügbarkeit von Informationen für den Leser. Damit ist die Präsenz einer Person in der Literatur, auch der Fachliteratur, gemeint: Menschen, die Mahler etwas bedeutet haben, über die aber nichts oder nicht viel bekannt ist, waren sozusagen für uns die erste Wahl. Das trifft auf viele Personen zu, die beispielsweise in Briefen erwähnt werden oder ihrerseits über ihre Begegnung mit Mahler berichteten. Umgekehrt zählten zu Mahlers Kreis viele berühmte Menschen, deren Leben und Wirken in eigenen Publikationen bereits gewürdigt wurden – man denke nur an Personen wie Sigmund Freud, Richard Strauss, Gerhart Hauptmann, Gustav Klimt oder Bruno Walter, um unterschiedliche Berufe zu erwähnen. Sie bedürfen keiner verhältnis mäßig begrenzten lexikalischen Vorstellung. Verzichtet werden konnte auch auf Personen, die bereits im Orte-Buch relativ ausführlich Platz gefunden hatten, wie z. B. die Wiener Familie Conrat oder Albert und Toni Neisser in Breslau. Wir haben uns von dem Prinzip leiten lassen, die Fakten zu den Porträtierten möglichst anhand von Primärquellen zusammenzutragen. Dies waren vorrangig offizielle Personenstandsdokumente (von der Geburtsurkunde bis zur Verlassenschaftsabhandlung), Briefe, Tagebücher, Tageszeitungen und Zeitschriften. Eine enorme Hilfe waren dabei auch Datenbanken und Online-Publikationen, die im 8 Vorwort Literaturverzeichnis genannt sind. Die aufwendige Suche in öffentlichen und privaten Archiven, Bibliotheken, Museen, Sammlungen, Standesämtern und sonstigen Institutionen (siehe Anhang) war nicht immer erfolgreich, da die benötigten Archivalien aus den unterschiedlichsten Gründen (etwa durch kriegsbedingte Verluste) nicht mehr vorhanden sind. Auch wurden in einigen wenigen Fällen unsere Anfragen nicht oder unzureichend beantwortet. Ferner waren datenschutzrechtliche Bestimmungen zu beachten. Sekundärliteratur wurde nur ergänzend herangezogen. Da es ein Ziel dieses Buches ist, möglichst viele weiße Flecken auf der Landkarte von Mahlers Bio graphie zu tilgen, mussten auch jene Personen ausgeschieden werden, bei denen ausreichendes Material nicht erhältlich war, etwa bei Alois Przistaupinsky, Mahlers geschätztem Sekretär an der Hofoper. Ferner wurden Personen unberücksichtigt gelassen, bei denen eine erfolgreiche Recherche nur mit einem nicht zu vertretenden finanziellen und zeitlichen Aufwand möglich gewesen wäre. Als problematisch erwies sich gelegentlich auch die Bildbeschaffung. Es war leider nicht möglich, von allen Personen ein Porträt ausfindig zu machen. In diesen Fällen haben wir ein Substitut herangezogen – eine Unterschrift, ein Dokument oder das Foto der Grabstätte. Ein weiterer Unterschied zu Mahlers Welt ist die Anordnung. Konnten wir das Material dort in Kapiteln präsentieren, die chronologisch und geographisch determiniert und analog zu Mahlers Biographie angeordnet sind, was bei dem erwähnten Streben nach Vollständigkeit möglich war, so ließ die Beschränkung auf eine relativ kleine Auswahl von Personen im vorliegenden Band dieses Verfahren nicht zielführend erscheinen. Wir haben uns deshalb für eine alphabetische Reihung entschieden. Ein Anhang bietet Addenda zu Mahlers Welt. Diese Ergänzungen basieren teilweise auf Reaktionen unserer Leser, teilweise auf eigenen Forschungen. Nach langen Überlegungen und Diskussionen haben wir uns entschlossen, sie am Schluss der vorliegenden Monographie zu publizieren. Den Dank an unsere zahlreichen Helfer und Informanten bringen wir im Anhang zum Ausdruck. Helmut Brenner und Reinhold Kubik Düsseldorf / Wien, im Sommer 2014 9 Apponyi Freunde und Weggefährten Apponyi, Albert Graf von Der als Spross eines der ältesten ungarischen Adelsgeschlechter am 29. 5. 1846 in Wien geborene und am 30. 5. in der Schottenkirche1 getaufte Albert Georg Julius Maria Apponyi2 wuchs in Wien auf, da sein Vater, Georg Graf Apponyi, dort das Amt des k. k. Kämmerers und des königl. ungarischen Hofkanzlers bekleidete. Die Familie wohnte zu dieser Zeit in Wien I., Landhausgasse 34. Albert besuchte ab 1856 das soeben gegründete Jesuitenkollegium in Kalksburg bei Wien3 und entwickelte dort und im Privatunterricht ein großes Talent für Sprachen, was ihm später als Diplomat zugutekam. Nach der Matura 1863 und einem Jahr philosophischer Studien absolvierte Apponyi ab 1865 zunächst zwei Semester an der juridischen Fakultät der Universität Wien4 und wechselte anschlie- Albert Graf von Apponyi. Gemälde. (Aus Apponyi: ßend bis 1868 zur Universität nach Erlebnisse und Ergebnisse.) Pest5. Auch nach Beendigung seiner Universitätsjahre galten Apponyis Interessen lebenslang historischen, philosophischen, volkswirtschaftlichen und politischen Fragen. 11 Mahlers Menschen Bereits in Kalksburg machte der Gymnasiast erste musikalische Erfahrungen und lernte für den Hausgebrauch Klavier. Während seiner Studienjahre in Wien beschäftigte er sich bei häufigen Besuchen von Oper und Konzerten ausgiebig mit den großen Werken der Musikliteratur und wurde vor allem zu einem glühenden Verehrer Richard Wagners. Durch seinen Freund 6 Ödön von Mihalovich lernte er Franz Liszt kennen und unterstützte im ungarischen Parlament, dem er ab 1872 als Abgeordneter der konservativen Partei angehörte6, tatkräftig dessen Gründung der Budapester Musikakademie. Die Freundschaft zu Liszt festigte sich dadurch, worauf dieser den Grafen und Mihalovich mit Richard und Cosima Wagner in Bayreuth bekannt machte. Die Freunde besuchten im August 1876 bei den ersten Bayreuther Festspielen alle drei Ring-Zyklen7 und verkehrten während ihrer Festspiel-Besuche regelmäßig in Wahnfried.8 Wagner widmete Apponyi später einen Druck der Parsifal-Dichtung mit den Worten: »Seinem edlen Freunde, dem Grafen Apponyi«.9 Über sein Verhältnis zur Musik legte Apponyi in seinen Memoiren folgendes Bekenntnis ab: »Musik hat mein ganzes Leben mitbestimmt, und daß ich deren Heroen persönlich nahetreten durfte, hat die Wirkung dieser höchsten Kunst auf mein sonst vornehmlich praktischen Aufgaben gewidmetes Dasein unermeßlich gesteigert. Sie bewahrte mich vor Verflachung und ermutigte mein Streben nach hohen Zielen. Ich danke Gott, daß sie mir gegeben wurde, und den Künstlern, daß sie mir ihr Verständnis vermittelten.«10 Albert Graf Apponyi war während vieler Jahrzehnte neben István Tisza, Mihály Károlyi und Gyula Andrássy die beherrschende politische Persönlichkeit in der ungarischen Innen- und Außenpolitik. Er wechselte mehrmals die Partei, wurde zeitweise Unterrichtsminister und übernahm 1920 den Vorsitz der ungarischen Delegation, die den Friedensvertrag von Trianon11 aushandelte, der für Ungarn den I. Weltkrieg mit weitreichenden Folgen formal beendete. 1924 wurde Apponyi Vertreter Ungarns beim Völkerbund in Genf und setzte sich auch dort bis zu seinem Tod engagiert für die Belange seines Vaterlandes ein. Apponyi heiratete erst relativ spät – am 1. 3. 1897 – Chlothilde Gräfin von Dietrichstein-Mensdorff-Pouilly (1867–1942), mit der er einen Sohn und zwei Töchter hatte. Er starb am 7. 2. 1933 im hohen Alter von fast 87 Jahren in Genf. In einer ungewöhnlich ausführlichen, mehrtägigen Berichterstattung würdigte sowohl die österreichische als auch die ungarische Presse den über alle Parteigrenzen hinweg hochgeachteten Staatsmann, den die ungarische Regierung als »Toten der Nation« bezeichnete.12 Die Beisetzung Apponyis erfolgte am 15. 2. in der Budapester Matthiaskirche, der ungarischen Krönungskirche, was eine ungewöhnliche Ehrung bedeutete. Obwohl bisher keine persönliche Korrespondenz zwischen Mahler und Apponyi entdeckt wurde, ist letzterer in nahezu allen Briefen, die im Zusammenhang mit Mahlers Tätigkeit in Budapest geschrieben wurden, und auch danach gegenwärtig.13 Apponyi, der als Doyen des Budapester Freundeskreises um Mahler bezeichnet werden kann, war zweifellos aufgrund seiner heraus 12 Apponyi ragenden Persönlichkeit und einflussreichen politischen Ämter ein gewichtiger Befürworter von Mahlers Berufung an die Budapester Oper beim damaligen Intendanten 6 Ferenc von Beniczky.14 Dabei dürfte sich der kunstbegeisterte Aristokrat auch des Sachverstandes seines besten Freundes Ödön von Mihalovich, des Direktors der Königlich Ungarischen Musikakademie, bedient haben. Insofern ist dem Chronisten 6 Ludwig Karpath durchaus beizupflichten, der Apponyi und seinen »Intimus« Mihalovich als »die Hauptstützen des Mahlerischen Regimes« bezeichnete.15 Dass zwischen Mahler und Apponyi ein freundschaftliches Verhältnis bestanden hat, geht aus Mahlers wenigen Erwähnungen in Briefen an seine Schwester Justine hervor. Im Juni 1890 schrieb er ihr: »Zu Mittag war ich bei Singers geladen. Nachmittag gieng ich zu Mihalovich wo bereits Apponyi auf mich wartete. Beide erkundigten sich nach Dir.«16 Ende Januar 1892 lesen wir in einem Brief aus Hamburg: »Für Dein Autographenalbum beiliegenden Brief von Apponyi, dem ich zum Wahltag telegraphierte.«17 Selbstverständlich wurde Apponyi von Mahler gebeten, seine Bewerbung an die Wiener Hofoper zu unterstützen. Der Graf kam dieser Bitte am 10. 1. 1897 in einem diplomatisch geschickt formulierten und sehr persönlich gehaltenen Schreiben an 6 Josef Freiherr von Bezecny nach, in dem es nach ausführlicher Schilderung von Mahlers Wirken an der Budapester Oper heißt: »Indem ich hinzufüge, daß Mahler auch als Mensch ein hochachtbarer, eminent anständiger Charakter ist, so habe ich das Bild vervollständigt, aus welchem hervorgeht, daß die Oper ein großes Loos ziehen würde, wenn sie ihn gewänne. Entschuldigen E. E. diese vielleicht inkompetente Einmischung; es soll nur ein wahrheits getreues Zeugnis sein das ich für meinen Freund Mahler ablege ohne zu wissen in wie weit es in’s Gewicht fällt.«18 Befremdlich liest sich dagegen die Schilderung eines Vorfalls durch Ludwig Karpath im Zusammenhang mit einem denunzierenden Zeitungsartikel19 gegen Mahler, als dieser bereits drei Jahre an der Wiener Hofoper war. Hierin wurden dem Hofoperndirektor finanzielle Unregelmäßigkeiten beim Abgang aus Budapest vorgeworfen. Karpath wollte dem mit Hilfe von Graf Apponyi, der sich zu dieser Zeit mit einer Delegation gerade in Wien aufhielt, entgegentreten und bat diesen um Unterstützung: »Der Graf, bereits am Treppenabsatz, erwiderte mir brüsk: ›Kommen Sie mir nicht mit Mahler, für den habe ich nichts mehr übrig, ich gehe keinen Schritt‹ und ließ mich ganz verdutzt stehen. Mahler war sehr verstimmt, als ich ihm den Vorfall erzählte. Erklärend fügte er hinzu: ›Sie wissen, daß der ungarische Komponist Edmund von Mihalovich […] der unzertrennliche Freund des Grafen ist und ich habe ja auch mit beiden Herren in Budapest intim verkehrt. Nichtsdestoweniger bin ich nicht in der Lage, eine Oper Mihalovichs bei uns aufzuführen, es ist also wahrscheinlich, daß Graf Apponyi aus diesem Grund für mich jetzt nichts tun will.‹«20 Die Anschuldigungen gegen Mahler erwiesen sich dann als haltlos und wurden nicht weiter verfolgt. Einige Zeilen später zitiert Karpath eine nicht näher datierte Ausgabe der Neuen Freien Presse mit einer Passage aus einem »lang nach Mahlers 13 Mahlers Menschen Tod« erschienenenMemoirenbandApponyis, in dem der Graf Mahlers gedenkt: »Welche Resultate erzielte dieses Genie mit unseren oft mißachteten heimischen Kräften! Welche Festtage brachten die von ihm geleiteten Vorstellungen! Ihm danke ich das volle Verständnis für Mozart, denn er legte den Schlüssel in meine Hand, womit ich die Schatzkammer Mozarts öffnen konnte.«21 Merkwürdig ist jedoch, dass dieser Text und der Name Mahler in dem 1933 erschienenen Buch Erlebnisse und Ergebnisse nicht vorkommen. Zwar ist bei Karpaths Erinnerungsbuch eine gewisse Skepsis angebracht, indes scheint die geschilderte Begebenheit im Kern zutreffend zu sein. Mahler ließ nun einmal – auch ehemals enge – Freunde fallen, sobald sie ihm nicht mehr nützlich sein konnten. 1GbE und TfE, Schottenkirche, Wien, Geburtsbuch 1846 (o. Nr.). 2Sein vollständiger ungarischer Name lautet: Albert György Gyula Mária Nagyapponyi Gróf Apponyi. 3Schuldokumente haben sich leider nicht erhalten, da die Aufzeichnungen erst 1886 beginnen (freundliche Mitteilung vom 11. 6. 2013, Inge Lang, Kollegium Kalksburg). 4Am 12. 11. 1866 erhielt er ein Abgangszeugnis mit der Studienbestätigung für die beiden Semester (Protokoll der Absolutorien und Abgangszeugnisse, Sign. R 49. 4, Nr. 8517); freundliche Mitteilung vom 8. 8. 2013, Dr. Ulrike Denk, Archiv Universität Wien. 5Erst 1873 entstand aus Pest, Buda (Ofen) und Alt-Ofen (Óbuda) die Stadt Budapest. NR, Siehe Kapitel Mihalovich. 6 7Bayreuther Fremden-Listen Nr. 1 vom 14. 8. und Nr. 4 vom 17. 8. 1876. Beide Freunde wohnten in Bayreuth, Kanzleistraße155. 8 Dellin – Mack: Cosima Wagner, Bd. 2, S. 985; siehe auch Kapitel Mihalovich. 9 Apponyi: Erlebnisse, S. 95. 10 Ebda., S. 101. Vertragstext: http://www.versailler-vertrag.de/trianon/index.htm. 11 12 NR, NFP vom 8. 2., 9. 2., 12. 2., 13. 2., 14. 2. und 15. 2. 1933. 13 Hierzu ausführlich: RMU. 14 RMU, S. 170 f. Karpath, S. 23. 15 16 GMFB Nr. 89. 17 GMFB Nr. 219; am 28. 1. 1892 wurden allgemeine Wahlen zum Ungarischen Parlament abgehalten. 18 Zitiert nach RMU, S. 170 f., S. 7. 19 Deutsches Volksblatt vom 6. 1. 1900, S. 8 f. 20 Karpath: S. 119 f.; siehe auch Kapitel Mihalovich. 21 Ebda., S. 120. 14 Batka BATKA, RICHARD Der Musikschriftsteller Richard Batka wurde am 14. 12. 18681 als Sohn des kaiserlichen Rates Franz Batka (1839– 1907) und seiner Frau Hermine (1845– 1884)2 in Prag geboren. Er besuchte das renommierte k. k. Gymnasium in der Prager Neustadt und schloss mit der Matura ab. Vom Wintersemester 1888/89 bis zum Sommersemester 1892/93 studierte Batka an der k. k. deutschen Karl-Ferdinands-Universität zu Prag bei August Sauer klassische Philologie, Philosophie und Germanistik.3 Seine Dissertation verfasste er Über die altnordischen Stoffe der deutschen Literatur bis Herder. Nach bestandenen Rigorosen wurde er am 26. 3. 1897 zum Dr. phil. promoviert. 1900 ernannte man Batka zum Universitätsdozenten4 Richard Batka, 1907. (Aus Kopecký – Koptová: und 1904 wurde er von der General- Richard Batka. Mit freundlicher Erlaubnis der versammlung des Prager Konservato- Autoren.) riums zum »wirkenden Mitglied« gewählt.5 Richard Batka hat eine Reihe von Publikationen herausgegeben, wobei die zwischen 1905 und 1906 entstandenen Editionen Die Musik in Böhmen und Die Lieder Mülichs von Prag hervorzuheben sind. Später schrieb er auch mehrere Libretti, darunter (als Mitautor) dasjenige für die Oper Versiegelt von Leo Blech (Uraufführung 1908). Ferner betätigte sich Batka als Biograph von Robert Schumann, JohannSebastian Bach, Richard Wagner und Richard Strauss. In seiner Prager Zeit gab Batka zusammen mit Hermann Teibler die Neue Musikalische Rundschau heraus und schrieb Feuilletons für das Prager Tagblatt. Als Mitarbeiter des Kunstwarts gründete und leitete er 1903 die Österreichische Sektion des »Dürerbundes, der einen hervorragenden Anteil an der deutschen Kulturarbeit in Böhmen hatte«.6 Für eine »Rundfrage über das künstlerische Schaffen und das Problem, an welchem gemeinsamen Kulturwerke der Künstler schafft«7, wollte Batka auch Gustav Mahlers Meinung hören. Dessen nicht datierte Antwort8 war wenig konkret und ausweichend. Im Februar 1896 wandte sich Batka erneut an Mahler, um biographische Daten und eine Charakterisierung seiner bisherigen Werke von ihm zu erbitten; Mahler reagierte am 18. 2. auf diese Bitte mit der zusätzlichen Empfehlung, sich diesbezüglich auch an 6 Max Marschalkzu wenden.9 Wenngleich bisher keine schriftlichen Zeugnisse weitererKontakte zwischen Batka und Mahler aufgetaucht sind, kann man von 15 Mahlers Menschen einem nicht nachlassenden Interesse des Kritikers am Komponisten ausgehen. Am 20. 9. 1908 erschien eine ausführliche Rezension Batkas über die tags zuvor in Prag uraufgeführte VII. Symphonie. Der Kritiker beschloss seine wohlwollende und fundierte Besprechung mit dem Satz: »Das gehobene Gefühl, einem außerordentlichen künstlerischen Ereignis beigewohnt zu haben, beherrschte Alle.«10 Noch zu Lebzeiten Mahlers erschien Batkas kluge Betrachtung über Das Jüdische bei Gustav Mahler.11 Richard Batka war mit Růžena (Rosa) Brabencová (Brabenetz, 1868–1915) verheiratet.12 Das kinderlos gebliebene Ehepaar wohnte 1901 zunächst im Prager Vorort Königliche Weinberge (Královské Vinohrady) Nr. 686 (heute: Vocelova 4) und 1902 Nr. 1134 (heute: Budečská 45).13 1908 übersiedelte Richard Batka nach Wien XIII., Hügelgasse 714, und war in den Jahren 1908 bis 1919 Musikkritiker des Wiener Fremden-Blattes. Er erwarb sich aufgrund seiner Sachkenntnis, Objektivität, glänzenden Stilistik und Warmherzigkeit hohes Ansehen. Gemeinsam mit Richard Specht (1870–1932) gab er ab 1909 die Zeitschrift Der Merker heraus. 1909 bis 1914 lehrte Batka zudem an der k. k. Akademie für Musik und darstellende Kunst (heute: Universität für Musik und darstellende Kunst) Geschichte der Oper sowie Geschichte der Laute und Gitarre.15 Im Alter von nur 53 Jahren ist Richard Batka am 24. 4. 1922 »nach langem, qualvollen Siechtum« im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, Wien II., Große Mohrengasse 9, in unmittelbarer Nähe seiner letzten Wohnadresse Taborstraße 20, völlig mittellos gestorben.16 Er wurde auf dem Friedhof von Ober St. Veit bestattet.17 Wie die Neue Freie Presse in ihrem Nachruf schrieb, hielt es Batka mit dem altgriechischen Dichter Eupolis und dessen Diktum: »Eine tiefsinnige verwickelte Sache ist die Musik, und wer nachdenklichen Geistes ist, der findet dort immer was Neues.«18 1WStLA, Mitteilung vom 16. 8. 2012. 2EMK, Prag, Conskriptionsschein, Franz Batka (Národní archiv Praha). 3Nat, k. k. deutsche Karl-Ferdinands-Universität, Prag. 4Freundliche Mitteilung vom 18. 5. 2013, Prof. Dr. Vlasta Reittererová, die uns ferner darauf hinwies, dass es entgegen mancher Biographien über Richard Batka unzutreffend ist, dass er gleichzeitig bei Guido Adler in Prag Musikgeschichte studiert hat. Adler war bereits ab 1882 Dozent an der Universität Wien, ab 1885 Professor in Prag und neben seiner Lehrtätigkeit mit vielerlei anderen Aufgaben beschäftigt. Möglich ist, dass Batka Vorlesungen Adlers in Prag besucht hat, zweifelsohne ist er von ihm beeinflusst worden. 5Branberger: Das Konservatorium, S. 223. 6NR, NFP vom 26. 4. 1922, S. 7 und ausführlich Kratzsch: Kunstwart und Dürerbund. 7GMB Nr. 163. 8Ebda. 9GMB Nr. 195 und 197. 10PTB vom 20. 9. 1908, S. 16. 11Der Kunstwart, 2. Juliheft 1910, wiederveröffentlicht in: GMBA, S. 484 ff. 12EMK Prag, Conskriptionsschein, Richard Batka (Národní archiv Praha); »Brabenetz« in VLA (Anm. 16). 13Freundliche Mitteilung vom 3. 6. 2013, Milan Palák, Ostrava. 14Lehmann 1908–1922. 15Universität für Musik und darstellende Kunst, Archivmdw-134/Pr/1909 und Jahresberichte 1909/10–1913/14 der k. k. Akademie für Musik und darstellende Kunst. 16VLA, WStLA, BG Leopoldstadt I, A4/4, 4A 299/1922. 17Gruppe F, Reihe IV, Nr. 11; Mitteilung WStLA vom 10. 9. 2013. Das Grab ist 1946 aufgelassen und neu vergeben worden; tel. Auskunft Friedhof Ober St. Veit vom 17. 9. 2013. 18NR, NFP vom 26. 4. 1922, S. 7. 16 Bauer-lechner BAUER-LECHNER, NATALIE Natalie Lechner wurde am 9. 5. 1858 in Wien geboren und am 11. 5. 1858 getauft.1 Die Eltern waren der Universitätsbuchhändler und Verleger Rudolf Lechner (1822–1895) und Julie Lechner, geb. von Winiwarter (1831–1905).2 Das Geschäft ihrer Eltern in der Wollzeile, ab 1875 auf dem Graben, war eine der am besten sortierten Buchhandlungen Wiens. Das überaus vielseitige Verlagsprogramm wurde nach 1883 noch durch eine Fotografie-Abteilung ergänzt. Der Ehe entstammen fünf Kinder (Natalie, Ellen, Wilhelmine, Oskar und Auguste). Ihrer eigenen Schilderung zufolge wurde Natalie durch das im Elternhaus übliche Musizieren früh zur Musik gebracht.3 Schon in ihrem 5. Lebensjahr erhielt sie gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Ellen Geigen- und Eislaufunterricht. Beide Mädchen besuchten von 1866 bis 1872 das Konservatorium der Gesell schaft der Musikfreunde und erhielten im Hauptfach Violinunterricht, im Nebenfach Klavierbegleitung.4 Im Alter von 17 Jahren heiratete Natalie im Wiener Stephansdom am 27. 12. 1875 den um 22 Jahre älteren Witwer Hofrat Dr. Alexander Bauer (1836–1921).5 Er war Professor für chemische Technologie an der Technischen Hochschule Wien und hatte aus erster Ehe drei Töchter. Die Ehe wurde am 19. 6. 1885 »in beiderseitigem Einverständnis« geschieden.6 Bis 1913 spielte Natalie Bratsche im 1894 gegründeten Damen-Streichquartett von Marie Soldat-Röger (1. Violine), zusammen mit Elly Finger-Bailetti (2. Violine, ab Natalie Bauer-Lechner, 1903. (Aus NBL.) Alexander Bauer. (Technische Universität, Wien.) 17 Mahlers Menschen 1898 Elsa von Planck) und Lucy Herbert-Campbell (Violoncello, ab 1903 Leontine Gärtner). Danach brachte sie sich mit Privatstunden durch und war im Studienjahr 1919/20 als Hilfslehrerin für Violine am Salzburger Mozarteum angestellt.7 Als Wiener Adressen konnten ermittelt werden:8 I., Kärntner Straße 20 [1886] I., Jasomirgottstraße 3/3. Stock [1896] 9 III., Salesianergasse 23 und 18 [1900 bzw. 1902–1913] XIX., Sieveringer Straße 32/III/10 [1913–1921] XIX., Peter Jordanstraße 82 [= Sanatorium der Kaufmannschaft, bis 26. 2. 1921]10 XVIII., Colloredogasse 27 [= Haus des Bruders Oskar Lechner, ab 10. 3. 1921] Natalie Bauer-Lechner, »Hofratswitwe«, starb am 8. 6. 1921 um 4 Uhr im oben genannten Haus ihres Bruders Oskar im Cottage-Viertel.11 Im Toten beschauprotokoll wird als Todesur sache »Altersschwäche, Melancholie« angegeben. Sie wurde in der Gruft der Familie Lechner auf dem Zentralfriedhof begraben.12 In ihrem Testament vom 5. 8. 192013, das in der Villa von Heinrich 6 Spiegler (Pötzleinsdorfer Straße 34) geschrieben wurde14, setzte sie ihre Nichte Friederike Killian (1885–1952), eine Tochter ihrer Schwester Wilhelmine (»Minna«) Drexler, als Haupterbin ein. Bis zum 26. 2. 1921 hatte sie sich – ihrer Schwägerin Antonie Lechner, geb. Sterbehaus, Wien XVIII., Colloredogasse 27. Rissberger, zufolge15 – im Sanatorium (Aus Brunnbauer: Im Cottage, Bd. III. Mit freundder Wiener Kaufmannschaft aufgelicher Erlaubnis der Autorin.) halten. Danach nahm sie ihr Bruder Oskar in sein Haus auf, in welchem sie bei einem vereinbarten Tagespflegesatz von 300 Kronen versorgt wurde. Nach Tilgung aller Verbindlichkeiten wurde die Nachlass-Summe inklusive ihrer Geige mit 77 000 Kronen festgesetzt.16 Das war kein Vermögen, aber »verarmt«, wie oft zu lesen ist, starb sie nicht. Keine Rede ist in der Verlassenschaftsabhandlung von irgendwelchen »Mahleriana«, von denen sie aber eine ganze Menge besessen haben muss, vor allem auch Briefe und Manuskripte (z. B. die Partiturentwürfe zum Klagenden Lied). Es tauchen noch immer neue Quellen aus ihrem Besitz auf (so versteigerte Stargardt in Berlin im März 2006 einen autographen Partiturentwurf zum 2. Satz der II. Symphonie und ein auto 18 Bauer-lechner graphes Manuskript der Klavierfassung des 4. Kindertotenliedes). Kleinere Auszüge aus den Tagebüchern Natalie Bauer-Lechners erschienen 1912 anonym im Merker17 und 1920 im Anbruch.18 1907 veröffentlichte der väterliche Verlag das Buch Fragmente. Gelerntes und Gelebtes, eine 236 Seiten starke Sammlung von Aphorismen und kurzen Essays zu künstlerischen, politischen, philosophischen oder psychologischen Themen. Wie ein roter Faden zieht sich die »Frauenfrage« durch sämtliche Themenbereiche oder wird in Kapiteln wie »Beruf und Liebe«, »Sozialismus und Frauenfrage«, »Kindererziehung«, »Die Frauen – Sexuelle Fragen«, »Weiberkleidung« usw. speziell behandelt. Eine Schrift über den Grab, Zentralfriedhof Wien. (Foto Reinhold Kubik.) Krieg, für die sie laut Auskunft ihrer Familie in Wien wegen Hochverrat angeklagt wurde und eine Gefängnisstrafe verbüßte, erschien 1918. Ein handschriftliches Fragment soll sich früher im Familienarchiv des Großneffen Herbert Killian befunden haben, heute ist es verschollen.19 Die große Bedeutung von Natalie Bauer-Lechner liegt in ihren umfangreichen, peniblen und weitgehend verlässlichen Aufzeichnungen ihrer Begegnungen und Gespräche mit Mahler. Die Bekanntschaft mit ihm begann wahrscheinlich 1877, als eine »Symphonie« Mahlers vom Studentenorchester des Konservatoriums unter Josef Hellmesberger gespielt werden sollte. Die Schwestern Ellen und Natalie Lechner besuchten damals als Hospitantinnen die Orchesterübungen.20 Der zentrale Zeitraum der Kontakte zwischen Natalie Bauer-Lechner und Gustav Mahler erstreckte sich dann von 1890 bis 1901. Die gedruckten Erinnerungen (Leipzig 1923) sind nur ein Teil der gesamten Aufzeichnungen; weitere Teile (die meisten 6 Henriette von Mankiewicz gewidmet) befinden sich heute in Paris21, ferner gibt es eine Abschrift dieser Teile durch Hans Riehl in der Österreichischen Nationalbibliothek22 und einen Brief Natalies an Hans Riehl vom Februar 1917 zum Thema »Mahler und die Frauen«, der aber nur eine Zusammenfassung von Bekanntem bringt.23 Natalie änderte mehrmals ihre Stellung zu einer Veröffentlichung ihrer Erinnerungen; schließlich verfügte sie testamentarisch die Publikation durch ihre Nichte Friederike Killian. Die Meinung Mahlers zu Natalie Bauer-Lechner ist in mehreren Dokumentenüberliefert24 und würde eine eigene Publikation benötigen. Sie war gewiss vielschichtig und reichte von freundschaftlicher Bewunderung bis zur 19 Mahlers Menschen Abwehr von Belästigungen; zweifellos war die Beziehung von seiner Seite her frei von erotischen Komponenten, die sich Natalie sicherlich bis hin zu einer Heirat erhofft und erwünscht hatte.25 Mahlers Verlobung mit Alma beendete die Beziehung ganz abrupt. 1GbE und TfE, Dominikanerpfarre Maria Rotunda, I. Bezirk, Taufbuch 1858. 2GrSt, siehe Anm. 12. 3Bauer-Lechner: Fragmente, S. 3 f. 4»Berichte über das Conservatorium und die Schauspielschule der Ges. d. Mfr. in Wien« für die Jahre 1866/67 bis 1871/72, Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde, Wien. 5TrE, Katholische Kirche St. Stephan, Wien, Trauungsbuch 1875, Tom. 91, Fol. 174. – Hofrat Prof. Dr. Alexander Bauer starb am 12. 4. 1921, zwei Monate vor dem Tod seiner geschiedenen Frau. NR, WZ vom 14. 4. 1921, S. 2 und NFP vom 21. 4. 1921, S. 7. 6Eingabe der »k. k. nö. Statthalterei« vom 28. 5. 1904 an das »k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht« wegen der Verleihung eines Adelstitels, in dem die familiären und finanziellen Verhältnisse von Professor Bauer aufgelistet sind (Z. IX-2443, Kopie Archiv Helmut Brenner). Das in dem Dokument genannte Scheidungsdatum »1892« ist jedoch nach NBL, S. 10, Anm. 5, falsch. 7Freundliche Mitteilung vom 12. 11. 2012, MMag. Susanne Prucher, Archiv der Universität Mozarteum Salzburg. Die Anstellung wurde von Bernhard Paumgartner, dem Sohn von Rosa Papier, vermittelt, dem Natalie am 19. 9. 1919 in einem Brief, den sie im Gasthof Hesske in Salzburg-Parsch geschrieben hat, für seine Hilfe dankt. 8Lehmann 1886–1921. 9MWOL, S. 48 10VLA, WStLA, Döbling 1 A 363/21. 11Ebda., Totenschauprotokoll Nr. 191; StE, Pfarre Weinhaus (Wien XVIII., Gentzgasse 142), Sterbebuch 1921, Nr. 147. 12Grabstelle Gruppe 59B, Reihe G1, Nr. 21; auf dem Grabstein steht das folgende Gedicht: »Ich habe die Sonne des Tages gesehen, / jetzt ist es Zeit, um schlafen zu gehen. / Jetzt ist es Zeit, nach Sorgen und Wachen / die Augen in Frieden zuzumachen. / Und wem mein Schatten im Herzen lag, / der soll mich vergessen am dritten Tag. / Doch wem ich ein wenig Licht gegeben, / der lasse mich in seinem Herzen weiterleben.« 13Enthalten in VLA, a. a. O. 14Sie war 1891 Taufpatin von Franz Spiegler, dem Sohn von Heinrich Spiegler (siehe Kapitel Spiegler, Familie, Anm. 32). 15VLA, a. a. O. 16VLA, a. a. O. 17Nr. 3, S. 184–188. 18Nr. 2, Sonderheft Gustav Mahler, S. 306–309. 19Die Autoren haben versucht, weitere Details über diesen Vorgang in Erfahrung zu bringen. Der von uns für diese Spezialrecherche zugezogene Harald Stockhammer, dem wir herzlich danken, teilte uns hierzu Folgendes mit: »In den einschlägigen Archiven in Wien war nichts zu finden. Auch ließen sich Widersprüche nicht aufklären oder näher eingrenzen. Einerseits war NBL in Wien durchgängig gemeldet, andererseits hielt sie sich in Salzburg auf und unterrichtete dort. Der angeblich von ihr verfasste Artikel hätte aufgrund der damals bestehenden Vorzensur vor Veröffentlichung vorgelegt werden müssen. Vielleicht war es nur ein ›Pressevergehen‹, wenn überhaupt. Über die angebliche Haft gibt es keinen Hinweis, wo diese verbüßt worden ist. Ein erstaunlicher Vorgang, da normalerweise solche Ortsangaben gang und gäbe waren. Bei der behaupteten Strafverhandlung kann bei der ›Prominenz‹ von NBL mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass ›interveniert‹ worden wäre und der oder die Personen sich später der ›Hilfe für NBL rühmten‹ und sich ein bekannter Verteidiger dieser Causa angenommen hätte. Aufgrund dessen dürfte es sich um eine biographische Legende gehandelt haben, zumal es Anfang der 1920er Jahre ›en vogue‹ war, sich früher gegen das kaiserliche Regime gestellt zu haben.« 20NBL, S. 17. 21MMM. 22ÖNB, Musiksammlung, Mus. Hs. 38578. 23ÖNB, Musiksammlung, Mus. Hs. 44626. 24Vor allem in GMFB (z. B. Nr. 294, 300, 302, 303, 305, 307, 309, 317, 351, 358, 380, 381). 25In Mahler und die Frauen behauptet Natalie, in Berchtesgaden sei es im August 1892 zu einer kurzen Liebes beziehung gekommen (Bl. 21r–24r). Ob das von Alma im Typoskript zu Mein Leben kolportierte Streitgespräch zwischenMahler und Natalie (abgedruckt z. B. in GMBA, S. 32 f.) den Tatsachen entspricht, kann nicht geklärt werden. 20 Baumfeld BAUMFELD, MORIZ Moriz (Moritz, Morris, Maurice) Baum feld war für Mahler in den New Yorker Jahren ein geschätzter Gesprächspartner. Er wurde am 6. 10. 1868 in Wien geboren1, seine Eltern, Dr. jur. Josef Baumfeld (1840–1904) und Caroline, geb. Bryk (1842–1935), stammen jedoch aus Galizien. Sie hatten neben Moriz, dem Ältesten, noch einen Sohn (Fritz) und zwei Töchter (Friederike und Ella). Moriz arbeitete als Sekretär und danach als Geschäftsführer bei der Böhmischen Westbahn, die Prag mit dem Bayerischen Wald verband.2 1890 änderte er seine berufliche Orientierung und wurde Korrespondent und Redakteur bei einigen Wiener Zeitungen, etwa dem Neuen Wiener Journal und der Wiener Sonn- und Montagszeitung. 1895 heiratete er in einer Ziviltrauung die konfessionslose, 1872 im böhmischen Gitschin (Jičin/CZ) Moriz Baumfeld. (Privatsammlung.) geborene Angelika Dorothea Hanss, die ihm zwei Kinder schenkte: Angela Eleonore und Josef. Die Familie lebte in Wien IX., Liechtensteinstraße 61.3 Angelika (»Ange«) starb jedoch schon in ihrem 26. Lebensjahr, am 28. 11. 1898.4 Baumfeld zog sofort in eine andere Wohnung (VIII., Josefstädter Straße 405) und übersiedelte bereits 1899 nach Amerika. 1900 erscheint er bei einer Volkszählung in Manhattan als Morris Baumfeld, verwitwet, »Editor« (Redakteur), mit den beiden Kindern und einer Erzieherin. Er war als Korrespondent für mehrere deutsche und österreichische Blätter tätig, für die er mehr als 2600 Artikel verfasste. Auch seine Schwester Dipl.-Ing. Ella Baumfeld, eine der frühesten Architektinnen Österreichs, arbeitete mehrere Jahre in Amerika.6 Baumfeld heiratete im September 1901 in New York die in Saybusch (Zablocie, Bezirk Żywiecz/Polen) in Oberschlesien geborene Ida Hutter (1877–1955). Dieser Ehe entstammten zwei weitere Kinder, Theodore (1902–1981) und Beatrice (1905–1973).7 Und noch einmal änderte Baumfeld den Schwerpunkt seiner Berufstätigkeit: Er wurde Theaterdirektor. Gewiss hatte das Theater seit jeher sein Interesse besessen, als Journalist hatte er stets Theaterkritiken und ähnlich einschlägige Beiträge verfasst. Nun aber wurde das New Yorker Deutsche Theater zu seiner Bestimmung. Dieses ist keineswegs eine Gründung Baumfelds, sondern es hatte 21 Mahlers Menschen bereits ein halbes Jahrhundert erfolgreicher Geschichte hinter sich8, in dessen Verlauf ihm mehrere Theater bauten zur Verfügung standen. Seit 1888 war es das »Irving Place Theatre« (Corner Irving Place and 15th Street), dessen Leitung Baumfeld im April 1907 übernahm.9 Seine von ihm selbst inszenierte Eröffnungsvorstellung – Calderóns Der Richter von Zalamea – war ein großer Erfolg, an dem auch die Ausstattung durch Alphons Mucha (1860–1939), einen der herausragendsten Künstler des Jugendstils, Anteil hatte.10 Bereits im nächsten Jahr übersiedelte Baumfeld in das alte Lenox Lyceum (Madison Avenue und 59th Street), das er einer umfassenden Renovierung unterzog. Er benannte das Theater in »New German Theatre« um und beauftragte Mucha mit der InnenausstatIda Baumfeld (geb. Hutter). (Privatsammlung.) tung im »neuen« Jugendstil. Mucha schuf fünf große Wandgemälde, den Vorhang und dekorative Elemente in den wichtigsten Räumen.11 Später stattete er weitere Stücke aus und machte Programme und Plakate.12 Baumfeld versuchte auch, Alfred Roller (1864–1935) für Ausstattungen zu gewinnen.13 Das »New German Theatre« wurde nach dem Umbau im Oktober 1908 mit einer Gala wiedereröffnet. Es war jedoch nur ein kurzes Vergnügen: Nach Intrigen und finanziellem Misserfolg musste Baumfeld bereits im Februar 1909 das Theater wieder schließen.14 Er wechselte in das »Irving Place Theatre« zurück, dessen Direktion er – meist gemeinsam mit anderen Personen, ab 1912 wieder allein – bis zu seinem unerwarteten Tod im März 1913 innehatte.15 Baumfeld hat sich auch anderweitig für den Austausch zwischen Europa und Amerika engagiert. Er schrieb nach wie vor für europäische Zeitungen, ebenso wie für die deutschsprachige New Yorker Staats-Zeitung, und war Mitglied im German Press Club. Er war auch in der Österreichischen Gesellschaft von New York tätig; in ihrem Rahmen veranstaltete er am 10. 2. 1907 im Hotel Astor die wohl erste Kabarett-Vorstellung in Amerika, im Stil des Wiener Kabaretts.16 Die Beziehung zu Gustav Mahler gründete sich auf gemeinsame Interessen und Bekannte, aber auch auf die gemeinsame Herkunft aus der jüdischen Bevölkerung in den deutsch-slawischen Mischgebieten vom Sudetenland über Schlesienbis Galizien mit dem biographischen Fokus Wien. Berührend ist Baumfelds Schilderung der Vorbereitungen Mahlers auf dessen letzte Weihnachten.17 22 Baumfeld Baumfeld starb am 4. 3. 1913 im »Astor Sanitarium«, einige Tage nach einer zunächst erfolgreich verlaufenen Blinddarmoperation. Im Nachruf des New Yorker Dramatic Mirror vom 12. 3. heißt es, dass sich seine Frau und die vier Kinder gerade im Riesengebirge aufhielten (in der Heimat Ida Baumfelds, im schlesischen Saybusch), dass er verbrannt und die Urne an seine Witwe nach Österreich gesandt wurde. Am 7. 3. fand im »Irving Place Theatre« eine recht aufwendig gestaltete Trauerfeier statt.18 1GbE, IKG, Geburtsbuch 1868, Nr. 5126. 2Der in der Literatur, in Nachrufen und sonstigen Dokumenten aufgeführte Besuch des Wiener Theresianum-Gymnasiums konnte nicht nachgewiesen werden (freundliche Mitteilung vom 20. 11. 2012, Prof. Franz Geschwandtner, Theresianum, Wien). Auch das Studium und die Promotion an der Wiener Universität ließen sich nicht belegen. Baumfeld scheint weder in den Studentenverzeichnissen bis 1918 noch in den Promotionsprotokollen auf (freundlicheMitteilung vom 11. 6. 2013, Dr. Ulrike Denk, Archiv Universität Wien). Im Lehmann der Jahre 1898–1900 wird Baumfeld ohne akademischen Titel genannt. Möglicherweise hat er sich erst in den USA mit einem Doktortitel geschmückt. 3Lehmann bis 1899. 4TA, NFP vom 29. 11. 1898, S. 19. 5Lehmann 1900. 6Einen Teil dieser Daten verdanken wir den Mitteilungen (inkl. Stammbäumen) von Oliver Bryk, einem in San Francisco lebenden Nachfahren, der im November 2012 in freundlichster Weise diverse Anfragen beantwortete. 7Ebda. 8The German Theatre, New York, in: The Cambridge History of English and American Literature in 18 Volumes (1907–21), VOLUME XVIII. Later National Literature, Part III, Chapter XXXI. Non-English Writings I, § 23. 9NYT vom 14. 4. 1907. Zuerst hieß es »Amberg’s German Theatre« und wurde 1893–1907 (ab 1903 nur noch teilweise) von Heinrich Conried geleitet, der an die Met ging und etwas später Mahler nach New York brachte. Es war prächtig ausgestattet, der Vorhang stammte aus dem Wiener Carltheater. Im April 1907 begann Baumfeld mit den vorbereitenden Arbeiten, am 1. 10. 1907 wurde das Haus eröffnet und 30 Wochen lang bespielt. Es beherbergte 1918–1921 Maurice Schwartz’ »Yiddish Art Theatre Players« und wurde danach zu einem Kino umgebaut. 1962 machte man ein Lagerhaus aus dem Gebäude, das 1982 abgerissen wurde. Koegel: Music in German Immigrant Theater, S. 124–126. 10NYT vom 2. 10. 1907; New York Dramatic Mirror vom 28. 9. 1907. 11Mucha lebte damals in New York, war frisch verheiratet und bekam eine Tochter. Das Theater an der Madison Avenue wurde 1929 ohne jede Rücksicht abgerissen, von Muchas Arbeiten sind nur die Vorzeichnungen erhalten geblieben. Siehe dazu http://www.muchafoundation.org/timeline/alphonse-mucha-timeline. 12Programm: http://muchastyle.tumblr.com/post/40994482519/program-deutsches-theater-etude-1908. Plakat: http://poulwebb.blogspot.co.at/2013/04/alphonse-mucha-part-9.html. 13Brief vom 23. 9. 1908 (Theatermuseum, Wien, Nachlass Roller, Inv.-Nr. AM 47. 100 RO-3), in dem auch Mahler genannt und der Sorge Ausdruck gegeben wird, Baumfeld könnte im Folgejahr nicht mehr Direktor dieses Theaters sein. 14Es wurde von den Shubert Brothers übernommen, erhielt den Namen »Plaza« und man gab ausschließlich englische Stücke (NYT vom 19. 2. 1909). Wahrscheinlich bezieht sich Alma Mahlers Charakterisierung Baumfelds als »Schlehmihl mit seiner fixen Idee eines deutschen Theaters in New York« genau auf die geschilderten Schwierigkeiten (AME, S. 160). 15NR, NYT vom 5. 3. 1913. 16NYT vom 11. 2. 1907. 17»Erinnerungen an Gustav Mahler«, New Yorker Staats-Zeitung vom 21. 5. 1911; zitiert in MWOL, S. 332 f. 18NR, NYT vom 8. 3. 1913. 23