Erfahrungsbericht PJ Innere Medizin am Northwestern Memorial

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Erfahrungsbericht PJ Innere Medizin am Northwestern Memorial
Erfahrungsbericht PJ Innere Medizin am Northwestern Memorial
Hospital, Chicago, Illinois vom 24. September bis zum 18.
November 2007
Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen,
ihr seid wahrscheinlich gerade dabei euch Gedanken darüber zu machen wohin ihr
euch für euer PJ abseilen sollt. Um die Sache nicht zu spannend zu machen schon
mal folgendes: Das NMH ist eine fantastische Wahl! Aber von Anfang an:
1. Planung: Von der Möglichkeit zu diesem Austausch habe ich schon zwei Jahre
bevor es losging gehört wobei für uns die Empfehlung einer Gast-faculty von
Northwestern nötig war (ein großer Dank an dieser Stelle schon mal an Dr. Regine
Tillmanns). Macht euch aber keine Sorgen, solange hat das organisatorisch dann
doch nicht gedauert; ich war für die erste Hälfte meines dritten Tertials dort und habe
im ersten Tertial so richtig mit dem organisieren angefangen. Das kann für euch
allerdings u.U. anders sein, da Northwestern die Bewerbungen nach einem Stichtag
im Frühling annimmt und bearbeitet (hier gilt wie bei vielem in diesem
Erfahrungsbericht: am besten northwestern visiting student googeln und aktuelle
Informationen von der aktuellen Seite einholen). Ihr solltet es auch am Besten so
einrichten, dass ihr eine Woche vorher in Chicago seid um einen PPD test machen
zu lassen (vermeidet es tunlichst den „prick test“ zu nennen); da ihr in einem
gesplitteten PJ-Tertial ohnehin keinen Urlaub nehmen dürft, bietet es sich also an
diesen vor dem Tertial zu nehmen.
2. Bewerbung: Für Eure Bewerbung müsst ihr das aktuelle Bewerbungsformular
ausfüllen und noch vom chic bestätigen lassen. Das ist der einfache Teil; kompliziert
wird es den Gesundheitscheck mit Titern ausgefüllt zu bekommen. Falls das zeitlich
bei Euch hinhaut könnt ihr versuchen den Betriebsarzt dazu zu bewegen das auch
noch schnell zu unterschreiben wenn er Euch sowieso Eure Titer abnimmt. Tipp:
Füllt alles was ihr könnt schon selbst aus (wann ihr gegen Röteln und Co. geimpft
wurdet, etc.) und bringt Euren Impfausweis mit. Fragt nett nach ob man das vielleicht
machen könnte, denn das ist ja nicht die Aufgabe des Betriebsarztes, also reine
Kulanz gegenüber angehenden Kollegen. Ihr müsst außerdem noch so ein „quiz“
über Vorsichtsmaßnahmen machen, aber wie so oft in den Vereinigten Staaten sind
die Antworten haargenau in dem Handbuch zu finden, wodurch das in 20 min zu
machen ist. Ein Empfehlungsschreiben von faculty gehörte auch dazu, also fleißig in
Famulatur oder bei Doktorvater/-mutter nachfragen.
3. Visum: Northwestern verlangt ein B-1 Visum und schickt Euch dafür sogar einen
Brief für die Botschaft. Wenn ihr noch für weitere PJ-Zeit in den USA seid sollte das
kein Problem sein, da die meisten anderen Unis auch ein B-1 wollen. Das einzig
blöde daran ist das ausfüllen des online-Antages auf der Seite der US-Botschaft
(insbesondere wenn ihr männlichen Geschlechts seid). Das interview selbst war
dann human. Ihr müsst halt darlegen das ihr genug Geld für die Zeit habt und dass
ihr auch wieder zurück nach Deutschland müsst, da es ja ein Hammerexamen zu
schreiben gibt. Der ganze Spaß kostet natürlich auch was (aktuelle Infos auf der
Seite der US-Botschaft). Bei mir waren es 80 Euro für das Visum, dazu kommt noch
das Geld für die 0190 Nummer bei der ihr den Termin macht (altenativ kann man den
Termin auch online machen, wobei dann eine per Kreditkarte zu entrichtende Gebühr
anfällt, ist für Nur-Handy-Besitzer aber trotzdem vorzuziehen). Ein weiterer Fallstrick
ist das Foto: Da tut es leider kein normales Passbild, sondern nur eines nach den
Vorgaben auf der Homepage (5x5 cm, etc.). Da heißt es entweder zum Fotografen
oder mit Digitalkamera und Photoshop selbst Hand anlegen.
4. Flug: Am Besten online ein bisschen suchen. Von Frankfurt aus gibt es auch
direkte Flüge nach Chicago. Wer noch für Urlaub oder weitere PJ-Zeit reisen muss,
sollte auch über einen Gabelflug nachdenken; das kommt erstens billiger und
zweitens kann man dann auch auf etwaigen domestic flights Gepäck wie auf
Interkontinentalflügen mitnehmen. Ich habe so 600 Euro gezahlt, aber das war auch
ein Gabelflug.
5. Wohnen: Wohnen kann in Chicago sehr teuer sein. Ich persönlich habe in der
Abbott hall auf dem Campus gelebt. Das hat fast 1000 $ im Monat gekostet, war aber
wunderschön am See und mitten in Chicago gelegen und man war morgens in 5
Minuten bei der Arbeit (sofern man alle rotations am NMH hatte). Würde wieder dort
einziehen, zumal die Wohnungen sehr gut waren mit eigener Küche/Bad.
6. Krankenversicherung: Bei der Krankenversicherung habt ihr mehrere
Möglichkeiten: Ihr könnt die bei Northwestern abschließen, was teuer ist, oder eine
aus
Deutschland
mitbringen,
wobei
soweit
ich
weiß
viele
Auslandskrankenversicherungen nicht gehen, weil die nur Urlaub abdecken. Ich
persönlich hab das PRO3 von der Allianz gehabt, wobei da auch noch ein bisschen
verhandelt werden musste, bis Northwestern das akzeptiert hat. Kam dafür aber
billiger, zumal ich noch für weitere Zeit im Ausland eine Versicherung brauchte. Falls
ihr Details wissen wollt schickt mir am besten eine mail.
7. Auswahl der rotations: An Northwestern rotiert man monatlich wobei die Daten
für alle fest vorgegeben sind. Ihr müsst also frühzeitig schauen wann das in euren
PJ-Kalender passt (die Zeiten ändern sich von Jahr zu Jahr nicht viel). Was die
Fächerauswahl angeht kann ich die Innere sehr empfehlen: Ich habe jeweils einen
Monat Kardiologie und Pulmonologie gemacht und war von beiden sehr begeistert.
Teaching ist hier fest im Plan verankert und auch eine Priorität. Außerdem werdet
keine Probleme haben zwei verschiedene rotations in einem kleinen Fach zu
bekommen wie u.U. in der HNO, Augenheilkunde, etc. (Ist übrigens ein bisschen
Spekulation meinerseits, vielleicht ist das auch kein Problem).
8. Zur Stadt: Chicago ist mit Sicherheit eine der schönsten Städte die ich in meinem
Leben gesehen habe; sowohl die Architektur als auch die Natur in der sie gelegen
ist, sind einfach nur atemberaubend. Einige Dinge solltet ihr auf jeden Fall sehen:
• Das Art Institute of Chicago
• Museum of Science and Industry
• Bootstour mit der Chicago architectural society
• Museumscampus mit Aquarium, Field museum und Planetarium
• Einige Campi der amerikanischen Universitäten, insbesondere der University of
Chicago und der Evanston Campus von Northwestern
• Das Northwestern Memorial Hospital (das werdet ihr sicher genug sehen, aber
man kann einfach nicht genug betonen wie unglaublich dieses Gebäude ist)
Ihr solltet auch unbedingt bedenken, dass Chicago im Winter wirklich bitter kalt ist.
Ich hatte allerdings extrem Glück mit dem Wetter, so dass man selbst im Herbst noch
lange Zeit in Shorts und T-Shirt rumlaufen konnte.
9. Zum Arbeit im Krankenhaus: Das NMH ist ein extrem reiches Haus und das
sieht man ihm auch an. Die Patienten sind alle in Einzelzimmern, die jedes Hotel
übertreffen in dem ich je übernachtet habe (bin aber auch noch auf
Studentenbudget). Die medizinische Ausstattung liegt auf einem ähnlichen Niveau,
so dass hier nicht ganz so oft der Pfennig für jeden Test umgedreht wird. Außerdem
ist die elektronische Patientenakte hier weitgehend Realität: In eurer ersten Woche
bekommt ihr eine Einführung in das System und dann dürft ihr nach Herzenslust
notes für Eure Patienten verfassen, wobei ich mit „dürfen“ natürlich „müssen“ meine.
Ihr müsst nämlich Eure Patienten interviewen, untersuchen und dann dem fellow
bzw. attending vorstellen, dafür natürlich schon EKG und Echo-Ergebnisse bereit
haben und euch auch schon ein paar Gedanken dazu gemacht haben was der
Patient eigentlich hat und was ihr mit ihm machen wollt. Ist eine gute Übung und man
lernt so echt eine Menge.
Die attendings erklären sehr viel, auch und gerade am Patienten, so habe ich auch
bei der körperlichen Untersuchung noch einiges mitnehmen können.
Die Arbeitszeiten hängen sehr stark vom Fach und auch vom attending ab, bei mir
war es meistens Montag bis Freitag, mit Frühbesprechung um 8:30 oder 9 und
abends dann irgendwas zwischen 16:30 und 19:30. Die Tatsache das
Frühbesprechung um 9 ist heißt aber nicht dass ihr erst dann zu kommen habt; davor
gibt es nämlich noch Weiterbildungen wie grand rounds und außerdem müsst ihr
schon vorher pre-rounds bei „euren“ Patienten machen und u.U. progress-notes
schreiben. Überhaupt werdet ihr eine Menge notes schreiben, was am Anfang etwas
schwer ist, aber ihr könnt um Hilfe bitten.
Zu meinen rotations kann ich spezifisch noch folgendes sagen:
Pulmonologie: Ist eine sehr feine rotation, bei der ihr viel über Physiologie, imaging
und natürlich Lungenerkrankungen lernen könnt . Außerdem könnt ihr
Bronchoskopien sehen und auch ein paar Schmankerl aus der Intensivmedizin
mitnehmen. Wer (wie ich) Radiologie mag wird hier auf seine Kosten kommen.
Kardiologie: Falls ihr EKGs bislang nur danach beurteilt habt ob die Zacken nach
oben oder unten zeigen, und bei der Auskultation damit zufrieden wart ein Klopfen zu
hören, dann möchte ich euch Cards echt ans Herz legen: Die Lernkurve ist sehr steil
und das Wissen kann man für später (mindestens fürs Examen) gut gebrauchen.
Es wird übrigens erwartet, dass man täglich mit guter Hose, Hemd und Krawatte
erscheint; ihr werdet vielleicht ein paar Leute sehen, die sich da nicht so streng dran
halten, aber hier gilt „Quod liquet Iovi...“. Für Frauen gibt es da ein bisschen mehr
Flexibilität, aber ein professionelles Auftreten wird erwartet.
10. Überlebenstipps: Bringt ein Handy ohne sim-lock aus Deutschland mit, dann
könnt ihr Euch bei T-Mobile eine prepaid-Karte kaufen. Achtet nur darauf dass Euer
Netzteil 110 V kann, dann reicht nämlich ein einfacher Umstecker (gilt im übrigen für
alle technischen Geräte).
Supermärkte haben zwar lange auf, sind downtown aber trotz des während unseren
Aufenthaltes sehr starken Euros sehr teuer. Maximiert was ihr an kostenlosem Essen
bei resident-lunches & Co rausholen könnt .
Die Investition in einen der vielen pocket guides mag bei nur zwei Monaten teuer
erscheinen, aber überlegt Euch trotzdem das kleine rote Ringbuch zu kaufen (hat
mindestens jeder zweite hier): Da stehen nämlich neben einer ganzen Menge
Abkürzungen genau die Informationen drinnen, nach denen „gepimpt“ wird.
Wer spezielle Informationen über die jüdische Infrastruktur Chicagos benötigt möge
sich vertrauensvoll an mich wenden.
Bedenkt immer: Auch in den USA wird nur mit Wasser gekocht, aber falls Ihr Euch
an den nerdigen Medizinstudenten in Eurer Seminargruppe erinnern könnt, der
immer noch eine Frage oder einen Einwand hatte: Das gehört hier zum guten Ton
dazu, also „when in Rome...“.
Internet gibt es an den vielen im Krankenhaus verteilten Computern oder im Apple
Store an der Michigan Ave (nur ein paar Minuten vom NMH) kostenlos.
Ich wünsche Euch viel Spaß in Chicago (so es denn klappt), wünschte ich wäre
selbst noch dort!