Erfahrungsbericht - des Bundesministerium des Innern
Transcription
Erfahrungsbericht - des Bundesministerium des Innern
Erfahrungsbericht über das Bund-/Länderprojekt zur Bekämpfung des Sextourismus mit Kindesmissbrauch durch deutsche Täter in den grenznahen Gebieten der Tschechischen Republik KARO Zielgruppenspezifische, grenzüberschreitende Sozialarbeit zur HIV/AIDS Prävention, unter besonderer Berücksichtigung der Schwerpunkte Kinderprostitution und Kinderpornographie in der Euroregion Egrensis Inhaltsverzeichnis 1 BEST PRACTICE................................................................................................ 3 2 LAGE................................................................................................................... 4 2.1 Allgemeine Lage ...................................................................................................................................... 4 2.2 Besondere Lage ....................................................................................................................................... 8 3 PROJEKTDESIGN ............................................................................................ 11 3.1 Auftraggeber.......................................................................................................................................... 11 3.2 Zielgruppe.............................................................................................................................................. 11 3.3 Ziel.......................................................................................................................................................... 12 3.4 Projektrahmen....................................................................................................................................... 12 3.5 Vorgaben/Rahmenbedingungen .......................................................................................................... 13 3.6 Kosten..................................................................................................................................................... 14 3.7 Ergebnisse/Produkte ............................................................................................................................. 14 3.8 Termine, Projektphasen und Zeitpläne............................................................................................... 15 3.9 Aufgaben und Zuständigkeiten............................................................................................................ 15 4 ZIELERREICHUNG........................................................................................... 16 4.1 Gespräche während der Aktionstage .................................................................................................. 17 4.2 Hinweis- und Anzeigeverhalten der Bürger........................................................................................ 18 4.3 Umfrage in den grenznahen Regionen ................................................................................................ 18 Seite - 1 - von 24 5 PROJEKTERFAHRUNGEN .............................................................................. 18 5.1 Öffentlichkeitsarbeit nach innen.......................................................................................................... 18 5.2 Öffentlichkeitsarbeit nach außen......................................................................................................... 19 6 FOLGEMAßNAHMEN....................................................................................... 19 6.1 Treffen auf Ministerebene .................................................................................................................... 19 6.2 Arbeitsgruppe Sachsen – Tschechische Republik .............................................................................. 20 6.3 Arbeitsgruppe Bayern, Sachsen und Tschechische Republik (Oktober 2000) ................................ 20 6.4 Monatsrunden ....................................................................................................................................... 20 6.5 Lokale Aktionstage ´KISS´................................................................................................................... 21 6.6 Ausbildungshilfe.................................................................................................................................... 21 6.7 ´KARO´ – Vor Ort ................................................................................................................................ 21 6.8 Offensive Öffentlichkeitsarbeit ............................................................................................................ 22 7 EMPFEHLUNGEN............................................................................................. 22 7.1 Neuauflage ............................................................................................................................................. 22 7.2 Dunkelfeldforschung............................................................................................................................. 23 Seite - 2 - von 24 1 Best practice ü Eine Enttabuisierung und die Problematisierung des Sextourismus mit Kindesmissbrauch leisten einen wichtigen Beitrag, Sensibilität sowohl in der Bevölkerung als auch bei Behörden zu erzeugen. ü Bei der Bekämpfung des kommerziellen sexuellen Missbrauchs von Kindern ist die Zusammenarbeit von sozialen Einrichtungen und Strafverfolgungsbehörden unerlässlich. ü Präventionsmaßnahmen müssen so dicht wie möglich ´vor Ort´, das heißt in diesem Falle im Grenzgebiet, ansetzen. ü Der Forschung nach den Ursachen des Anstiegs der registrierten Kriminalität und auch den Maßnahmen der Kriminalpolitik, die diese Entwicklung aufhalten sollten, sowie nicht zuletzt der Dunkelfeldforschung sind bislang zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet worden. ü In der Tschechischen Republik wie auch in anderen ehemaligen Ostblockstaaten scheint es ferner notwendig, die Mechanismen einer informellen sozialen Kontrolle wieder aufzubauen und dadurch neue Möglichkeiten, vor allem im Bereich der Kriminalitätsvorbeugung, zu schaffen. Nur unter dieser Voraussetzung kann man die moderne Idee der kommunalen Kriminalprävention erfolgreich vollziehen. ü Die Allianz von Nichtregierungsorganisationen und staatlichen Institutionen im Projekt ´KISS´1 hat sich bewährt. 1 Der Begriff ´KISS´ setzt sich zusammen aus vier markanten Buchstaben des in Rede stehenden Deliktes ´Kindesmissbrauch´; ´KISS´ will darüber hinaus ein Bild malen, das die Doppeldeutigkeit des Begriffs ´KISS´ angesichts dieses abscheulichen Verbrechens unterstreicht: Ein Kuss, der in diesem Fall weh tut! Seite - 3 - von 24 ü Die Aktion ´KISS´ stieß auf hohe Zustimmung in der Bevölkerung. Die Bürger forderten weitere Aktionen dieser Art zur Stärkung der Nachhaltigkeit, eine konsequentere Strafverfolgung und eine engere Zusammenarbeit deutscher und tschechischer Behörden. ü Projekte wie „KISS“ sind äußerst zeit-, personal- und logistikintensiv. 2 Lage 2.1 Allgemeine Lage Sextourismus mit Kindesmissbrauch ist eine besonders brutale Form der erwerbsmäßigen sexuellen Ausbeutung. Zu den wesentlichen Ursachen zählen die von den Tätern skrupellos ausgenutzten lebensbedrohenden Existenznöte der Kinder und ihrer Familien in den Zielländern. Die deutlichen Unterschiede im Lebensstandard sowie das krasse Wohlstandsgefälle zwischen den Herkunftsländern dieser ´Touristen´ und ihren Zielländern bieten dafür den Nährboden. In den betroffenen Staaten fallen immer mehr Kinder einer zunehmenden Nachfrage nicht nur pädosexueller, sondern auch ´aids-phobischer´ Freier, die meinen, bei Sex mit Kindern dem Risiko einer HIV-Infektion entgehen zu können, zum Opfer. Entgegen weitläufigen Annahmen gibt es Sextourismus mit Kindesmissbrauch nicht nur in die Ferne, wie beispielsweise nach Thailand, sondern auch unmittelbar vor unserer eigenen Haustür in Deutschland und unseren angrenzenden Nachbarstaaten. In den grenznahen Gebieten zu Polen und Tschechien etablierte sich nach den Grenzöffnungen ein Rotlichtmilieu, das auch von Deutschen besucht wird. Seite - 4 - von 24 Die Schwere und die Tragweite dieses Kriminalitätsphänomens verlangt ein über alle Grenzen hinweg geschärftes Bewusstsein. Diese Verbrechen müssen geächtet und energisch verfolgt werden. Gemeinsam mit Behörden und sozialen Organisationen drängt die Bundesregierung darauf, das Thema zu ´enttabuisieren´. Sexueller Missbrauch von Kindern ist ein abscheuliches Verbrechen. Schwere psychische und physische Schäden, wie z.B. Geschlechtskrankheiten, Infektionen mit dem HI-Virus, Drogenmissbrauch sowie Suizidversuche, zählen zu den Folgen sexueller Ausbeutung. Sexuelle Ausbeutung und die häufig mit ihr verbundenen persönlichkeitsverändernden Folgen rauben den Kindern ihre Würde, ihre Kindheit. In den meisten Fällen zerstört sie die Zukunft der Kinder auf Dauer. Vom 27. bis 31.08.1996 fand in Stockholm der Erste Weltkongress gegen die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern statt. Dort verpflichteten sich 122 Regierungen, nationale Aktionspläne zum Schutz der Kinder zu erarbeiten. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bereitet derzeit mit dem beim Deutschen Jugendinstitut in München angesiedelten Informationszentrum Kindesmisshandlung/Kindesvernachlässigung die Durchführung einer nationalen Nachfolgekonferenz am 14./15. März 2001 in Berlin vor. Der Zweite Weltkongress wird vom 17. bis 20. Dezember 2001 in Yokohama/Japan durch die japanische Regierung in Kooperation mit UNICEF und ECPAT2 veranstaltet. Die Bundesregierung fördert nachdrücklich die Umsetzung der Erklärung und des Aktionsplanes des Weltkongresses 1996 in Stockholm gegen die gewerbsmäßige und sexuelle Ausbeutung von Kindern. Ihr Arbeitsprogramm konzentriert sich auf die drei Eckpfeiler ´Aufklärung und Prävention´, ´Gesetzgebung´ und ´Internationale Strafverfolgung und Opferschutz´. 2 End child prostitution, child pornography and trafficking of children for sexual purposes Seite - 5 - von 24 In der Bundesrepublik Deutschland wurde durch das Erste und Vierte Gesetz zur Reform des Strafrechts (1969 und 1973) der Regelungsbereich der Sexualstraftaten auf den Schutz von Minderjährigen und das sexuelle Selbstbestimmungsrecht begrenzt. Die Straftaten werden nicht mehr wie bisher als ´Verbrechen und Vergehen gegen die Sittlichkeit´, sondern als ´Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung´ bezeichnet und im 13. Abschnitt des StGB, §§ 174 bis 184c, aufgeführt. Während die Sexualkriminalität seit Ende des zweiten Weltkrieges bis 1960 anhaltend gestiegen war, lässt sich in den letzten drei Jahrzehnten - ganz im Gegensatz zur übrigen Kriminalität - sowohl nach der Polizeilichen Kriminalstatistik als auch nach der Strafverfolgungsstatistik ein insgesamt ständiger Abwärtstrend feststellen. Eine Ausnahme besteht allerdings für die Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern, die seit Mitte der 80er Jahre bis 1997 auf der Ebene der polizeilichen Registrierung zugenommen haben. Seit 1998 sind die registrierten Fallzahlen wieder rückläufig. Eine Querschnittsbetrachtung anhand der Zahlen für das Jahr 1999 ergibt folgendes Bild: Der höchste Anteil an allen polizeilich registrierten Straftaten entfällt mit knapp einem Drittel auf den sexuellen Missbrauch von Kindern, gefolgt von den Tatbeständen der exhibitionistischen Handlungen und der Erregung öffentlichen Ärgernisses, der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung. Die Täter sind bei allen Sexualdelikten in der weit überwiegenden Mehrzahl männlichen Geschlechts. Beim Vergleich der Altersstruktur dominieren 21 Jahre alte und ältere Täter. Sexualkontakte mit Kindern, für die sich der Begriff ´sexueller Missbrauch von Kindern´ einbürgert hat, können je nach Tathandlung, Geschlecht von Täter und Opfer sowie Täter-Opfer-Verhältnis nach zahlreichen Sexualstraftatbeständen strafrechtlich von Belang sein. Die beiden zentralen Normen sind freilich der ´sexuelle Missbrauch von Kindern´ (§ 176 StGB) und der ´sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen´ (§ 174 StGB). Rein quantitativ überwiegt dabei mit 15.279 Fällen der sexuelle Miss- Seite - 6 - von 24 brauch von Kindern den sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen mit 2.138 Fällen (PKS 1999, 131) bei weitem. Ein wesentlicher Fortschritt bei der Bekämpfung dieser Verbrechen ist der Umstand, dass Deutschland bereits seit 1993 das Tatortprinzip für Kindesmissbrauch aufgehoben hat. Dadurch wird sexueller Missbrauch von Kindern durch Deutsche im Ausland auch in Deutschland strafrechtlich verfolgt. Das am 01. April 1998 in Kraft getretene Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts führte zu weiteren Strafverschärfungen: Besonders schwere Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern sind seitdem nicht mehr als Vergehen, sondern als Verbrechen eingestuft.3 Flankierend bietet das am 1. Dezember 1998 in Kraft getretene Gesetz zum Schutz von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren (Zeugenschutzgesetz) die Möglichkeit, Zeugen unter Einsatz audiovisueller Medien zu vernehmen. Gedacht ist dabei vor allem an schutzbedürftige Zeugen, insbesondere kindliche Opfer, um diesen besonders empfindsamen Opferzeugen eine weitgehend unbefangene und unbelastete Aussage im Verfahren zu ermöglichen und eine zusätzliche Schädigung durch eine sekundäre Traumatisierung während des Prozesses zu verhindern. Der Schutz der Kinder vor gefährlichen Sexualstraftätern hat jedoch nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die Europäische Union und die Vereinten Nationen zu zahlreichen Maßnahmen mit dem Ziel einer schärferen Bekämpfung des Kindesmissbrauchs veranlasst. Der Europäische Rat4 hat die Kommission und die Mitgliedstaaten aufgefordert, in Zusammenarbeit mit den maßgeblichen Organisationen bei der Bekämpfung des Sextourismus mit Kindesmissbrauch komplementär und koordiniert zusammenzuarbeiten. 3 Je nach dem Gewicht der einzelnen Straftat beläuft sich das Strafmass im Regelfall von mindestens einem Jahr oder mindestens zwei oder fünf Jahren bis zu jeweils fünfzehn Jahren. 4 Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften; KOM(1999) 262endg., vom 26. Mai 2000 Seite - 7 - von 24 Auch die Europäische Kommission äußerte sich im Oktober 2000 besorgt über Kinderprostitution und Sex-Tourismus an der deutsch-tschechischen Grenze. Die Brüsseler Behörde beabsichtigt deshalb, ein 1996 gestartetes STOP-Programm gegen Menschenhandel und die sexuelle Ausbeute von Kindern neu aufzulegen. 2.2 Besondere Lage Die polizeilichen Erkenntnisse zum sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch deutsche Täter in der Tschechischen Republik sind dürftig. Es besteht weder über die Polizeiliche Kriminalstatistik noch über die Verurteiltenstatistik der Justiz eine Möglichkeit zur Selektion von Auslandsstraftaten. Die statistischen Angaben sind durch die unterschiedliche Datenerfassung und -verarbeitung, dem Maß an Sorgfalt bei der statistischen Erfassung, den Veränderungen der strafrechtlichen Vorschriften und der Anwendungspraxis sowie der Professionalität der polizeilichen Arbeit bei der Annahme und Überprüfung von Strafanzeigen geprägt. Aufgrund von Befragungen deutscher heterosexueller Sextouristen wird offiziell der Umfang ihrer Prostitutionskontakte mit Minderjährigen (unter 16 Jahren) auf 2.400 bis 4.800 Fälle im Jahr geschätzt. Da sich in solchen Befragungen nicht alle Betroffenen offen zu diesem strafbaren Verhalten bekennen, ist von einem großen Dunkelfeld auszugehen5. Der Tatort liegt im Ausland! Weder der deutsche Täter, noch das tschechische Kind haben in den Fällen des Sextourismus ein Interesse, der deutschen Strafverfolgung dieses Verbrechen anzuzeigen. 5 Kleiber D. / Wilke M., ´Aids, Sex und Tourismus´, Ergebnisse einer Befragung deutscher Urlauber und Sextouristen, Schriftenreihe des Bundesministerium für Gesundheit, Baden-Baden, 1995, Seite 286 Seite - 8 - von 24 Für den unbeteiligten Bürger ist es oft schwer, dieses Verbrechen zu erkennen. Er ist verunsichert, weil er nicht weiß, ob seine Vermutung auch tatsächlich zutrifft. Außerdem weiß der Bürger in der Regel nicht, dass Kindesmissbrauch durch deutsche Täter im Ausland auch in Deutschland strafrechtlich verfolgt wird. Hoch ist das Dunkelfeld insbesondere bei solchen Straftaten, die von den Opfern und Zeugen – aus den verschiedensten Motiven – nicht angezeigt werden. Da allerdings bei über 95% von allen angezeigten Straftaten es nur deshalb zu einer polizeilichen Aufklärung der Straftat kommt, weil entweder ein Opferzeuge den Fall bei der Polizei anzeigt oder der Opferzeuge einen Verdächtigen benennt, ist ein professioneller Umgang der Polizei mit den Opfern und Zeugen dringend erforderlich. Der Bundesregierung liegen Informationen auch von Landesregierungen, der deutschen Auslandsvertretung in Prag, sozialen Einrichtungen und den Medien vor, nach denen die Tschechische Republik mittlerweile zu den Ländern zu zählen sei, die dem Sextourismus mit Kindesmissbrauch ausgesetzt sind, wenn auch nicht in dem Maß, wie das in den einschlägigen asiatischen Ländern der Fall ist. Sachsens Gesundheitsminister Dr. Hans Geisler erklärte am 27. April 20006, vor allem im Gebiet um die tschechische Stadt Cheb / Eger sei seit 1997 eine gravierende Zunahme von Kinderprostitution und Kinderpornographie zu beobachten. Polizeiliche Erkenntnisse zum Kindesmissbrauch durch deutsche Täter in der Tschechischen Republik sind hingegen nur wenig aussagekräftig. Die deutsche Botschaft in Prag betreute 1998 lediglich sechs Fälle mit Beteiligung deutscher Staatsangehöriger wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger (= unter 15 Jahre) gemäß § 242 des tschechischen Strafgesetzbuches. Dabei räumte die Deutsche Botschaft allerdings ein, dass von den Häftlingen, denen der sexuelle Missbrauch Minderjähriger vorgeworfen wird, in der Regel selten der 6 Tischvorlage zur Regierungspressekonferenz des Sächsisches Staatsministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie vom 27. April 2000 Seite - 9 - von 24 Wunsch nach einen Konsularbesuch oder engem Kontakt zur Deutschen Botschaft geäußert wird. Die Beobachtungen der Sozialarbeiterinnen der Organisation ´KARO´7 deuten an, dass diese Zahlen nicht annähernd die Situation vor Ort widerspiegeln. Nach Informationen von ´KARO´ werden die Jungen und Mädchen im Alter von „0“ bis 18 Jahren von den Sozialarbeiterinnen in ihrem Arbeitsbereich kontaktiert und betreut. Vielfach stammen diese aus sozial benachteiligten sowie verarmten Familien in den Regionen. In der Mehrzahl der Fälle sind es Eltern und/oder andere Familienangehörigen oder auch organisierte Zuhälterbanden, die die Kinder dem kommerziellen sexuellen Missbrauch zur Verfügung stellen. Die Einnahmen hieraus tragen häufig zur Ernährung der betroffenen Familien bei. Einem in der ersten Jahreshälfte 2000 der tschechischen Regierung vorgelegten Bericht über die Lage im Bereich des kommerziellen sexuellen Missbrauchs der Kinder in der Tschechischen Republik zufolge sind folgende wichtige Erkenntnisse zu entnehmen: Obwohl in den Vorjahren in der Tschechischen Republik die Anzahl der sich prostituierenden Personen mit einem bedeutenden Anteil an Mädchen und Jungen unter 18 Jahren (= Opfer des kommerziellen sexuellen Missbrauchs) enorm gestiegen ist, bestehen zu diesen Personen nahezu keine relevanten Auskünfte. Weder die polizeilichen Statistiken der Tschechischen Republik noch die Übersichten des Ministeriums für Arbeit und Sozialwesen und des Ministeriums für Gesundheitswesen beinhalten Angaben über Opfer des kommerziellen sexuellen Missbrauchs. Die Angaben der Nichtregierungsorganisationen, die sich auf Hilfe für die gefolterten und missbrauchten Kinder konzentrieren, sind sehr schwierig nachzuweisen. 7 ´ Zielgruppenspezifische grenzüberschreitende Sozialarbeit zur HIV/AIDS Prävention, unter besonderer Berücksichtigung der Schwerpunkte Kinderprostitution und Kinderpornographie, in der Euroregion Egrensis ´; Träger DRK Kreisverband Oelsnitz e.V. Seite - 10 - von 24 Der kommerzielle sexuelle Missbrauch von Kindern bis 15 Jahre ist eindeutig eine Straftat, aber die Aufdeckung dieser Straftaten bei den Minderjährigen (15 bis 18 Jahre) ist komplizierter. Die Anzahl der festgestellten Fälle des kommerziellen sexuellen Missbrauchs von Kindern ist niedrig. Die Frage, ob die Ursache dieser Lagen in der Ausnahmeerscheinung der Fälle bzw. in der Unfähigkeit der staatlichen Ämter liegt, diese Erscheinung zu erfassen, bleibt offen. 3 Projektdesign 3.1 Auftraggeber Das Bundesministerium des Innern signalisierte im Dezember 1999 seine Bereitschaft, unter Einbindung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und in Abstimmung mit dem Sächsischen Staatsministerium des Innern, dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium der Finanzen in dem von der Organisation ´KARO´ und ´Helsinki Citizens` Assembly´ angeregten Projekt zur ´Bekämpfung des Sextourismus mit Kindesmissbrauch durch deutsche Täter in den grenznahen Gebieten der Tschechischen Republik´ komplementär und koordiniert zusammenzuarbeiten8. 3.2 Zielgruppe Zielgruppe des Projektes sind alle Personen, die über die von den Projektpartnern ins Auge gefassten Grenzübergänge in die Tschechische Republik ein- und ausreisen. 8 vgl. hierzu die Schlussfolgerungen des Rates zur Umsetzung der Maßnahme zur Bekämpfung des Sextourismus mit Kindesmissbrauch vom 20. Dezember 1999, Dok.Nr. 14196/99, Empfehlung Nr. 11 Seite - 11 - von 24 3.3 Ziel Projektziel ist, den Kinderschutz insgesamt zu erhöhen und insbesondere dem Strom des Sextourismus mit Kindesmissbrauch aus der Bundesrepublik Deutschland in die Tschechische Republik Einhalt zu gebieten. Teilziele zur Erreichung dieses Gesamtziels sind § die Öffentlichkeit über den sexuellen Missbrauch von Kindern durch deutsche Täter in der Tschechischen Republik aufzuklären und für das Phänomen zu sensibilisieren § in der Öffentlichkeit für das durch deutsche Täter verursachte Leid dieser Kinder Betroffenheit zu erzeugen § an die Verantwortung jedes Einzelnen zu appellieren und dadurch seine Anzeigebereitschaft zu wecken § 3.4 potentielle Straftäter abzuschrecken. Projektrahmen 3.4.1 Projektorganisation Die Projektorganisation besteht aus einer Bund-Länder-Projektgruppe (BLPG) unter Federführung des Bundesministeriums des Innern und unter Einbindung der Organisationen ´KARO´ und ´Helsinki Citizens` Assembly´. Sie trägt den Namen Projekt zur ´Bekämpfung des Sextourismus mit Kindesmissbrauch durch deutsche Täter in den grenznahen Gebieten der Tschechischen Republik´. Ihr Arbeitsbegriff lautet PG ´KISS´ . Seite - 12 - von 24 3.4.2 Beteiligte Behörden / Dienststellen / Organisationen In die Projektarbeit sind das Bundesministerium des Innern mit dem Bundesgrenzschutz, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das Auswärtige Amt, das Bundesministerium der Finanzen mit der Bundeszollverwaltung, das Bayerische Staatsministerium des Innern und das Sächsische Staatsministerium des Innern mit ihren nachgeordneten Bereichen sowie die Organisationen ´KARO´ und ´Helsinki Citizens` Assembly´, eingebunden. 3.4.3 Lokale Schwerpunkte Die Projektarbeit legt ihren operativen Schwerpunkt auf den deutsch-tschechischen Grenzabschnitt, insbesondere auf die Grenzübergänge § Waidhaus/Roßhaupt (Rozvadov) § Waldsassen/Heiligenkreuz (Svaty Kríz) § Schirnding/Mühlbach (Pomezi nad Ohri) § Selb/Asch (As) § Schönberg/Voitersreuth (Vojtanov) § Oberwiesenthal / Bozi Dar. 3.5 Vorgaben/Rahmenbedingungen Die Projektpartner verständigen sich einvernehmlich auf die Ergebnisse/Produkte. Die Pressekonferenz findet im Einvernehmen mit allen Projektpartnern statt. Die beteiligten Behörden, Dienststellen und Organisationen stellen eine intensive Öffentlichkeitsarbeit nach innen sicher. Seite - 13 - von 24 Die in der Aktionsphase eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für die Problematik zu sensibilisieren und eingehend zu qualifizieren. Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit, das Sächsische Staatsministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie, die Verbindungsbeamten des BGS und des BKA, die Zollverwaltung, das BKA und die Projektleitung Polizeiliche Kriminalprävention (PLPK) sowie die Jugend- und Sozialeinrichtungen, die Abgeordneten und die Staatsanwaltschaften in den Regionen sind an dem Projekt informatorisch zu beteiligen. 3.6 Kosten Kostenfragen sind durch die Projektpartner einvernehmlich zu klären. 3.7 Ergebnisse/Produkte Produkte/Ergebnisse der Projektarbeit sind: § Zwischenbilanz, insbesondere auf Grundlage projektrelevanter Erkenntnisse § Plakate / Postkarten § Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter § Intensive Öffentlichkeitsarbeit nach innen bei den beteiligten Behörden, Dienststellen und Organisationen § Pressekonferenz § Erfahrungsberichte / Abschlussbericht Seite - 14 - von 24 3.8 Termine, Projektphasen und Zeitpläne Vorbereitungsphase bis Ende Mai 2000 § Erkenntniserhebung und Zwischenbilanz bis 07. April 2000 § Qualifizierung der Mitarbeiter bis Mitte Mai 2000 § Fertigstellung des Plakat- und Postkartenentwurfs bis Ende Mai 2000 § Öffentlichkeitsarbeit nach innen bis Ende Mai 2000 § Aktionsphase ab Anfang Juni 2000 § Pressekonferenz 28. Juni 2000 § Plakat- /Postkartenaktion 28. bis 30. Juni 2000 Nachbereitungsphase § Erfahrungsberichte / Abschlussbericht 3.9 bis Ende Nov. 2000 Aufgaben und Zuständigkeiten Die Schulungsmaßnahmen zur Qualifizierung des in der Aktionsphase eingesetzten Personals erfolgen unter Einbindung der Organisation ´KARO´ in Abstimmung mit aller beteiligten Behörden, Dienststellen und Organisationen in eigener Zuständigkeit. Zur Erhöhung der Akzeptanz stellen die beteiligten Behörden, Dienststellen und Organisationen in eigener Zuständigkeit unter Einbindung der Organisation ´KARO´ eine intensive Öffentlichkeitsarbeit nach innen sicher. Seite - 15 - von 24 Das Aushängen der Plakate und das Verteilen der Postkarten erfolgt nach enger Abstimmung in eigener Zuständigkeit durch den Bundesgrenzschutz, die Landespolizei Bayern und die Bundeszollverwaltung sowie die Organisationen ´KARO´ und ´Helsinki Citizens` Assembly´ mit Unterstützung von Vereinen, Institutionen sowie anderen interessierten Gruppen. Der Bundesgrenzschutz, die Landespolizei Bayern, die Landespolizei Sachsen und die Bundeszollverwaltung sowie die Organisation ´KARO´ übermitteln nach der Aktionsphase ihre Erfahrungsberichte an das Bundesministerium des Innern, Referat BGS II 2. 4 Zielerreichung In der Nachbereitungsphase galt es zu prüfen, ob die Projektpartner während der Aktionstage die unter Punkt 3.3 gesetzten Ziele erreichen konnten. Die Zielerreichung sollte durch die Auswertung § der unmittelbar mit dem Bürger durch die Beamten und Beamtinnen sowie die Mitarbeiter der Organisationen ´KARO´ und Helsinki Citizens´ Assembly während der Aktionstage geführten Gespräche § des Hinweis- und Anzeigeverhaltens der Bürger und § einer Umfrage in den grenznahen Regionen unter enger Einbindung der Bürgerkontaktbeamten bzw. der Beauftragten der Polizei für Frauen und Kinder und sozialer Einrichtungen überprüft werden. Seite - 16 - von 24 4.1 Gespräche während der Aktionstage Die Mehrheit der Reisenden war bereits vor der Ein- bzw. Ausreisekontrolle an den acht Grenzübergängen durch die Medien, insbesondere über den Rundfunk, über die Aktion ´KISS´ informiert. Viele Bürger aus der Grenzregion räumten gegenüber den Beamtinnen und Beamten und den zahlreichen freiwilligen Helfern ein, wenig über den sexuellen Missbrauch von Kindern durch deutsche Täter auf der anderen Seite der Grenze zu wissen. Hohes Interesse an der Aktion signalisierten an erster Stelle die Familien und in der Folge alleinreisende Frauen, danach alleinreisende Männer. Das Interesse an der Aktion war bei den als Familie Reisenden mit nahezu 90% am größten. Diese Zielgruppe stand der Aktion mit einer sehr hohen Aufgeschlossenheit gegenüber; ablehnende oder skeptische Äußerungen sind nicht gefallen. Die alleinreisenden Frauen zeigten sich mit ca. 85% an der Aktion interessiert. Nur jede 20ste äußerte sich skeptisch und nur jede 100ste ablehnend. Lediglich 70% der alleinreisenden Männer artikulierten ihr Interesse an der Aktion. Bei dieser Zielgruppe äußerte sich jedoch jeder Zehnte skeptisch und ca. 3% ablehnend. Die eingesetzten Kräfte gewannen im Dialog mit den Familien die Überzeugung, diese über die abscheulichen Verbrechen aufgeklärt und für den sexuellen Missbrauch durch deutsche Täter in der Tschechischen Republik sensibilisiert zu haben. Bei den Familien erzeugten sie ausnahmslos Betroffenheit und weckten eine hohe Anzeigebereitschaft. Die alleinreisenden Frauen vermittelten im Gespräch nach entsprechender Sensibilisierung im Vergleich zu den alleinreisenden Männern den Eindruck einer stärkeren Betroffenheit und einer höheren Anzeigebereitschaft. Seite - 17 - von 24 4.2 Hinweis- und Anzeigeverhalten der Bürger Ein vermehrtes Hinweisaufkommen bzw. eine gesteigerte Anzeigebereitschaft stellten weder die Landespolizeien Bayern und Sachsen noch der Bundesgrenzschutzschutz in den zwei der Aktion folgenden Monaten fest. Bei den Sozialarbeiterinnen der Organisation ´KARO´ gingen jedoch vermehrt Hinweise – teilweise anonym – zu Erkenntnissen über Kinder, die von deutschen Sextouristen missbraucht werden, ein. 4.3 Umfrage in den grenznahen Regionen Die Aktion ´KISS´ stieß auf hohe Zustimmung in der Bevölkerung. Die Bürger forderten weitere, grundsätzlich langfristig angelegte Aktionen dieser Art zur Stärkung der Nachhaltigkeit, eine konsequentere Strafverfolgung und eine engere Zusammenarbeit deutscher und tschechischer Behörden. Die Kernaussage der Aktion – auch der Postkarten und Plakate - , dass sexueller Missbrauch von Kindern durch Deutsche im Ausland auch in Deutschland strafrechtlich verfolgt wird, war einer Vielzahl der Bürger bis zu den Aktionstagen nicht bekannt. 5 Projekterfahrungen 5.1 Öffentlichkeitsarbeit nach innen Die Kooperation verschiedener Bundes- und Landesbehörden mit Nichtregierungsorganisationen hat sich als vorbildliche und nachahmenswerte Allianz bewährt. Die positiven Synergieeffekten setzen sich auch weiterhin in der Alltagsarbeit nachhaltig fort. Aufgrund der vorangegangenen Qualifizierung auch unter Einbindung der Organisation ´KARO´ und einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit nach innen waren die an den Aktionstagen an den acht Grenzübergängen eingesetzten Beamtinnen und Beamten umfassend sensibilisiert und hochmotiviert. Die speziell für diese Aktion geschulten Seite - 18 - von 24 Unterstützungskräfte aus den Ausbildungseinheiten des Bundesgrenzschutzes und der Bayerischen Polizei entlasteten das Stammpersonal bei der Gesprächsführung mit dem Reisenden und verhinderten dadurch nicht zuletzt unnötige Wartezeiten, also eine Behinderung des Reiseverkehrs, was wiederum auf eine hohe Akzeptanz beim Bürger stieß. 5.2 Öffentlichkeitsarbeit nach außen Die Projektpartner fanden während der Aktionstage breite Unterstützung durch zahlreiche Helfer anderer sozialer Organisationen und Einrichtungen sowie der Kommunalverwaltung und der Politik. Die Aktion ´KISS´ weckte nicht nur in ihrer Aktionsphase, sondern bereits im Vorfeld starkes Medieninteresse. Sowohl regionale als auch überregionale Medienvertreter sprachen sich in Artikeln und Fernsehbeiträgen gegen die Kinderprostitution aus und begrüßten die Kampagne als vorbildliche politische und soziale Zeichensetzung. Allerdings kamen auch aus ihrem Kreis Zweifel an der Effektivität einer einmaligen Aktion. Die Anfragen der Printmedien dauern auch weiterhin an. 6 Folgemaßnahmen 6.1 Treffen auf Ministerebene Herr Bundesinnenminister Schily und sein tschechischer Amtskollege, Herr Gross, waren sich am 19. September 2000 einig, dass die gemeinsame Entschlossenheit, mit Härte gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern vorzugehen, nach außen sichtbar werden muss. Sie stimmten in der Einschätzung überein, dass auch mit der Unterzeichung des Vertrages über die Zusammenarbeit Polizei und Grenzschutzbehörden zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik in den Grenzgebieten eine neue Qualität der bilateralen Kooperation erreicht worden sei. Seite - 19 - von 24 6.2 Arbeitsgruppe Sachsen – Tschechische Republik Als Forum zur Erörterung von Möglichkeiten einer engeren Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kinderprostitution richtete die Sächsische Landespolizei gemeinsam mit der Polizei Westböhmen eine Arbeitsgruppe ein. Ihre erste Sitzung fand am 14. August 2000 statt. Hierbei konnten folgende gemeinsame Maßnahmen verabredet werden: § Benennung von festen Ansprechpartnern und Verantwortlichen auf beiden Seiten § Regelmäßiger Informationsaustausch (ca. einmal pro Monat) § Austausch von Daten zu festgestellten Tatverdächtigen (Halterfeststellung etc.). 6.3 Arbeitsgruppe Bayern, Sachsen und Tschechische Republik (Oktober 2000) Bayern und Sachsen haben in einer gemeinsamen Kabinettssitzung am 10. Oktober 2000 beschlossen, eine Arbeitsgruppe zur wirksamen Bekämpfung der Kinderprostitution und Kinderpornografie im Grenzgebiet der Tschechischen Republik einzurichten. Der Arbeitsgruppe werden deutsche und tschechische Vertreterinnen und Vertreter der Polizei, der Staatsanwaltschaft, der Gesundheitsbehörden und der betroffenen Kommunen angehören. 6.4 Monatsrunden Die Leiter der Polizeidirektion Eger und der Grenzpolizeiinspektion Selb haben am 22. August 2000 vereinbart, dass bei den monatlichen Lagebesprechungen auf der Sachbearbeiterebene ihrer Kriminaldienststellen der Themenkreis im Rahmen der regionalen Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität auf die Deliktsfelder Prostitution, Menschenhandel und Kinderprostitution erweitert wird. Seite - 20 - von 24 6.5 Lokale Aktionstage ´KISS´ 6.5.1 Das Bundesgrenzschutzamt Chemnitz beteiligte sich mit einer lokalen Aktion ´KISS´ am 15./16. September 2000 in Schönberg an einer Aktion des Gesundheitsamtes Vogtlandkreis. 6.5.2 Die Bundesgrenzschutzämter Chemnitz und Pirna führen im Zeitraum vom 30. November bis 02. Dezember 2000 unter Einbindung der Organisation ´KARO´ lokale Aktionen ´KISS´ an den drei Grenzübergängen § Schönberg / Voitersreuth (Vojtanov) § Schmilka / Hrensko § Sebnitz / Dolvi Poustevna durch. 6.6 Ausbildungshilfe Bund und Länder bieten dem Nachbarland Tschechien die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen an. Das Bundeskriminalamt offeriert für tschechische Beamte die Möglichkeit zur Hospitation in den Fachdienststellen des BKA. 6.7 ´KARO´ – Vor Ort Die Mitarbeiterinnen der Organisation ´KARO´ stellen im Nachgang zu der Aktion ´KISS ´ eine höhere Unterstützungsbereitschaft durch die Kommunalverwaltung in Eger, insbesondere des Bürgermeisters und der hiesigen Fürsorgestelle, fest. Seite - 21 - von 24 6.8 Offensive Öffentlichkeitsarbeit 6.8.1 „Nachbarn treffen – Europa gestalten“ Unter diesem Motto beteiligten sich die BGSÄMTER Frankfurt/Oder und Pirna an den vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung initiierten Bürgerfesten an der deutsch-tschechischen und deutsch-polnischen Grenze. Ziel der Veranstaltung war, den Menschen diesseits und jenseits der Grenze vielfältige Begegnungen zu ermöglichen. Neben einem Programm aus Kultur, Kunst und Sport fanden auch unterschiedliche Gesprächsforen mit Experten statt, so unter anderem auch über das Projekt ´KISS´. 6.8.2 BKA-Infopool Prävention Es ist beabsichtigt, die Aktion ´KISS´ zeitnah im Infopool Prävention einzustellen. 6.8.3 Vorstellung insbesondere in den Medien sowie speziell in der Fachliteratur auf Bundes- und Landesebene Der Bundesgrenzschutz hat über das Projekt ´KISS´ in seiner Zeitschrift „Bundesgrenzschutz – Polizei des Bundes“, 27 Jahrgang, Nr. 7/8, berichtet. Das Polizeipräsidium Niederbayern/Oberpfalz wird das Projekt ´KISS ´ in der Bayern weiten Fachzeitschrift ´Bayerns Polizei´ vorstellen. 7 Empfehlungen 7.1 Neuauflage Da Präventionsarbeit auf Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit ausgerichtet sein soll, sprachen sich die Projektpartner nach den Aktionstagen für eine Neuauflage des Projektes in enger Kooperation mit den tschechischen Behörden unter lagebedingter Ausweitung auf andere Grenzübergänge und Einbindung neuer Projektpartner aus. Seite - 22 - von 24 Dabei ist wiederum sicherzustellen, dass § der grenzüberschreitende Waren- und Personenverkehr nicht behindert wird, § genügend qualifizierte Unterstützungskräfte für die Verteilung von Informationsmaterial und die zu erwartenden Bürgergespräche zur Verfügung stehen, § die rechtzeitige und umfassende Einbindung der Tschechischen Behörden, insbesondere der Tschechischen Polizei, und § nach Möglichkeit der Schwerpunkt der Aktion auf ein Wochenende mit zeitlicher Verschiebung auf die Abendstunden verlegt wird. 7.2 Dunkelfeldforschung Leider steckt in Deutschland die Forschung über den sexuellen Missbrauch – im Vergleich mit Ländern wie den USA, Großbritannien oder den Niederlanden - noch immer in den Kinderschuhen. Um auch dem Informationsbedarf für kriminalpolitische Planungen entsprechen zu können, ist eine professionelle Dunkelfeldforschung angezeigt. Seite - 23 - von 24 Anlagen: 1. Plakat- und Postkartenmuster 2. Geographische Übersicht (Kartenausschnitt) 3. Informationsschrift der Organisation ´KARO´ Weiterführende Informationen: 1. ECPAT Deutschland, Postfach 5328, 79020 Freiburg; Tel. 0761-7075124; www.ecpat.net 2. Deutsches Komitee für UNICEF e.V. Höninger Weg 104, 50969 Köln; Tel. 022193650-0; www.unicef.de 3. Zum Anzeigeverhalten: ´Kinder- und Jugendkriminalität in München´, Studie von Dr. Wiebke Steffen, Erich Elsner und Gehrad Stern, 1998 Seite - 24 - von 24 Grenzenloses Leid T H C RAU B S S MI UND TÖRT S R E Z Sexueller Missbrauch von Kindern durch Deutsche im Ausland wird auch in Deutschland strafrechtlich verfolgt! KARO DRK Kreisverband Oelsnitz e.V. Zielgruppenspezifische,grenzüberschreitende Sozialarbeit zur HIV/AIDS Prävention, unter besonderer Berücksichtigung der Schwerpunkte Kinderprostitution und Kinderpornographie in der Euroregion Egrensis Grenzenloses Leid T UCH A R B MISS UND TÖRT ZERS Sexueller Missbrauch von Kindern durch Deutsche im Ausland wird auch in Deutschland strafrechtlich verfolgt! KARO DRK Kreisverband Oelsnitz e.V. Zielgruppenspezifische,grenzüberschreitende Sozialarbeit zur HIV/AIDS Prävention, unter besonderer Berücksichtigung der Schwerpunkte Kinderprostitution und Kinderpornographie in der Euroregion Egrensis Auskünfte erteilt KARO Tel. 037423/ 4 02 99 Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen Verantwortlich i.S.d.P. KARO, Bürgermeister-Todt-Straße 17, 08626 Adorf Gemeinsam gegen Sextourismus mit Kindesmissbrauch Sehen – wahrnehmen – handeln. Jeder von uns kann helfen – auch Sie! gefördert durch das Bundesministerium des Innern und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dem Schweigen ein Ende setzen! Postkarte Kinderprostitution/ Kindesmissbrauch/ Kinderpornographie KARO Zielgruppenspezifische grenzüberschreitende Sozialarbeit zur HIV/AIDS Prävention, unter besonderer Berücksichtigung der Schwerpunkte Kinderprostitution und Kinderpornographie, in der Euroregion Egrensis ECPAT Deutschland Arbeitsgemeinschaft gegen kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern DRK Kreisverband Oelsnitz e. V. Altmarkt 3 08523 Plauen Tel. : 03741 / 27 68 51 Fax: 03741 / 27 68 53 Geschäftsführung: Sabine Wunderlich Projektleitung: Cathrin Schauer Gliederung 1. Präambel 2. Die Situation im Arbeitsbereich vom KARO 2.1 Allgemeine Ausgangslage 2.2 Soziale Hintergründe der Kinder 2.3 Altersstruktur und Angebotsorte 2.4 Nationalität und territoriale Gesichtspunkte 2.5 Täter 2.6 Polizei, Politiker und andere Institutionen 3. Originäre Aufgaben der Sozialarbeit im Bereich des Sextourismus mit Kindesmissbrauch 3.1 Die explizit notwendige Grundhaltung 3.2 Professionalität der Sozialarbeit 3.3 Probleme und Grenzen 4. Gesetzliche Rahmenbedingungen 4.1 Tschechische Republik 4.2 Bundesrepublik Deutschland 1. Präambel Die Problematiken Kinderprostitution/ Kindesmissbrauch/ Kinderpornographie sind in allen gesellschaftlichen Bereichen angesiedelt. Der Markt ist weltweit verzweigt. Kleinst- und Kleinkinder werden zum Zwecke von pornographischen Aufnahmen unter Drogen gesetzt, sexuell missbraucht, misshandelt und manchmal zu Tode gequält. Die Aufnahmen und Videos werden zu teilweise horrenden Preisen auf den Markt gebracht bzw. ins Internet gestellt. Der Schwerpunkt Kinderprostitution jedoch gestaltet sich noch diffiziler. Die EUKinderrechtskonvention legt fest: „Ein Kind ist jeder Mensch, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat“. Somit ist auch die Bundesrepublik von dieser Problematik betroffen, denn in den Straßenstrichbereichen der Großstädte werden nicht selten minderjährige Mädchen bzw. Jungen angetroffen. Folglich passt sich das Angebot der Nachfrage an, denn auch deutsche Prostitutionskunden verlangen nach immer jüngeren Prostituierten. Offene Grenzen und die verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit ließen die Menschen der Tschechischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland immer enger zusammenrücken. Die teilweise gravierenden Unterschiede auf wirtschaftlichem, sozialem und politischem Gebiet schaffen an den EU- Außengrenzen Probleme, die sich unter anderem in einem signifikanten Anstieg von Kinderprostitution und Kinderpornographie in der tschechischen Republik niederschlagen. Armut, zerrüttete Familienverhältnisse sowie skrupellose Menschenhändler zwingen Kinder in die Prostitution. Ein stark ausgeprägtes Wohlstandsgefälle, unzureichende Informationen und Aufklärung der Öffentlichkeit, subjektives Empfinden für straffreie Räume, Tabuisierung des Themas in der Öffentlichkeit und Verleugnungsstrategien von politischen Entscheidungsträgern sind unter anderem als begünstigende Aspekte des kommerziellen sexuellen Missbrauchs von Kindern durch deutsche Täter in der Tschechischen Republik anzusehen. Durch sexuelle Ausbeutung wird einem Kind die Würde geraubt, das Recht auf die Kindheit und auf ein stabiles Leben verwehrt. Schwere physische und psychische Schäden der Kinder, wie z.Bsp. Geschlechtskrankheiten, Infektionen mit dem HI-Virus, Drogenmissbrauch sowie Suizidversuche sind unter anderem als Folgen sexueller Ausbeutung zu beobachten. Sexueller Missbrauch an Kindern ist als eines der schwersten Verbrechen anzusehen. 2. 2.1 Die Situation im Arbeitsbereich von KARO Allgemeine Ausgangslage Die Realität in der Euregio Egrensis (speziell Cheb und Umgebung) ist von besonderer Härte und Grausamkeit geprägt. Hier werden zum Teil Säuglinge, Kleinkinder sowie immer häufiger minderjährige Mädchen und Jungen direkt auf der Straße angeboten. Zuhälter-/innen und Kuppler-/innen, nicht selten Familienangehörige, vermitteln die Kinder direkt an den interessierten Prostitutionskunden. Oft fallen die Kinder durch ihr verwahrlostes Äußeres auf, sie besuchen keine Schule, sondern sind täglich damit beschäftigt, den Lebensunterhalt für ihre Familie zu verdienen. Vor einiger Zeit wurde darüber berichtet, dass Kinder auch im Rahmen anderer krimineller Handlungen benutzt werden; z.Bsp.: dienen sie als „Lockvögel“ für potentielle Kunden, wobei die „Kunden“ in diesen Fällen von Zuhältern ausgeraubt werden. Das alles zeigt, in welch hohem Maße die Kinder in dieser Region ihren „Peinigern“ ausgeliefert sind. Aber auch in der breiten Öffentlichkeit haben diese Kinder keine Lobby. Als Nachkommen der, in der Region in Cheb nach 1945 angesiedelten Sinti und Roma gehören sie einer Randgruppe an, für die bis heute niemand Verständnis hat. Obwohl alle tschechische Staatsbürger sind, sieht sich die Tschechische Republik nicht in der Lage die sozialen Strukturen, die das Elend begünstigen, zu verbessern. Dem Schwerpunkt Kinderhandel liegen ähnliche Strukturen wie dem Frauenhandel zu Grunde. Die Herkunftsfamilien der betroffenen Kinder, die wir in unserem Arbeitsbereich vorfinden, sind ebenfalls in den Ländern des östlichen Mitteleuropas sowie Osteuropas zu suchen. Es ist vor allem die wirtschaftliche Not, welche die Familien dort zwingt, ihre Kinder zu verkaufen. Sie sind als Handelsware der Willkür derer ausgeliefert bei denen sie schließlich landen. Ihr Schicksal ist es ein Leben ohne Würde und Entwicklungsmöglichkeiten zu führen. Im grenznahen Raum der Tschechischen Republik werden sie vorrangig zu pornographischen Aufnahmen und Prostitutionszwecken missbraucht. Der ihnen vorbestimmte Weg ist gesät mit Gewalt, Lieblosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Sehr früh beginnen sie damit Drogen zu konsumieren, die ihnen helfen sollen, die schlimmen Erfahrungen zu kompensieren. Selbst wenn es gelingt, ein solches Kind aus dem Milieu zu holen, ist der Schaden den es erlitten hat, irreparabel. Die psychischen Folgen der Erlebnisse werden ein ganzes Leben lang bleiben. Die gehandelten Kinder in den Straßenstrichbereichen unseres Arbeitsgebietes stellen lediglich eine Ware dar, mit der viel Geld verdient werden kann. Auf Grund diesen Stellenwertes sind sie zum größten Teil auf sich allein gestellt. Der schlechte Ernährungszustand, ein verwahrlostes Äußeres sowie gesundheitliche Defizite belegen diesen Sachverhalt. Genau wie die Kinder, welche von den eigenen Angehörigen zu sexuellen Dienstleistungen angeboten werden, stellen sie eine Randgruppe dar, für die keinerlei Perspektive in Sicht ist. 2.2 • Soziale Hintergründe der Kinder Die Kleinst- und Kleinkinder werden in vielen Fällen von Eltern und/oder anderen Familienangehörigen zum Zweck des kommerziellen sexuellen Missbrauchs zur Verfügung gestellt • Vielfach stammen die Kinder aus sozial benachteiligten sowie verarmten Familien und müssen mit den Einnahmen die gesamte Familie ernähren • Alkoholismus, Drogenabhängigkeit sowie kriminelle Strukturen prägen größtenteils die Herkunftsfamilien • Viele Kinder haben bereits innerhalb von Familie Gewalterfahrungen und/ oder sexuellen Missbrauch erfahren. • Häufig waren die Kinder in Heimen untergebracht, wurden von dort entführt, verkauft oder sind weggelaufen • Einige Kinder und Jugendliche leben auf der Strasse, bei Zuhältern oder Freunden 2.3 Altersstruktur und Angebotsorte Die Recherchen der Sozialarbeiterinnen von KARO haben ergeben, dass Mädchen und Jungen im Alter von 0 - 18 Jahren zum Zweck des sexuellen Missbrauches sowie für kinderpornographische Aufnahmen angeboten werden. Kinder ab dem zweiten Lebensjahr werden in verschiedenen Straßenstrichbereichen, Parkanlagen oder vor Hauseingängen und in Wohnungen angepriesen. Ältere Kinder findet man häufig in Bordellen oder bordellähnlichen Einrichtungen wie z.Bsp. Spielhallen, Bars, Diskotheken, Raststätten Des weiteren wurde beobachtet, dass auch Säuglinge und Kleinstkinder deutschen Sextouristen angeboten wurden. 2.4 • Nationalität und territoriale Gesichtspunkte In den Straßenstrichbereichen unseres Arbeitsgebietes haben die Opfer überwiegend tschechische, vereinzelt jedoch auch slowakische Staatsbürgerschaft • Die meisten Kinder stammen aus den grenznahen Regionen um Cheb, As, Kynsperk, Karlovy Vary sowie Jachymov, vereinzelt auch aus anderen Städten der tschechischen Republik • In Bordellen werden häufig Kinder im Alter von 12 - 18 Jahren, überwiegend aus den GUS- Staaten angeboten 2.5 Täter Deutsche Sextouristen, die zum Zweck des sexuellen Missbrauches von Kindern in die grenznahen Regionen der Tschechischen Republik einreisen, stammen zum großen Teil aus den angrenzenden Gebieten Sachsens und Bayerns. In letzter Zeit wurde eine Zunahme von Sextouristen aus dem übrigen Deutschland beobachtet. Unsere Erfahrung zeigt, dass die Männer überwiegend der mittleren und höheren Gesellschaftsschicht entstammen. Die Täter setzen alle sexuellen Praktiken bei den Opfern durch. 2.6. Polizei, Politiker und andere Institutionen Der Kontakt zu speziellen Ermittlungsbehörden im Bereich Kindersextourismus hat sich in den letzten Jahren intensiviert. So ist es uns gelungen, Möglichkeiten zu finden, um entsprechende Kennzeichen, die wir von den betroffenen Kindern erhalten oder selbst feststellen, an spezielle Kontaktpersonen zu Bearbeitung weiterzuleiten. Weiterhin ist es uns gelungen, in diesem Bereich stabile Kooperationen mit europäischen und außereuropäischen NGO`s aufzubauen, welche ebenfalls zum Thema kommerzieller sexueller Missbrauch von Kindern arbeiten. Seit 1998 sind wir als Projekt Mitglied von ECPAT, einer weltweiten Organisation gegen kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern. Durch Intensivierung dieser Kooperation haben wir seit Anfang diesen Jahres eine Koordinationsstelle der ECPAT Arbeitsgruppe Ost- West Kinderhandel in unsere Projektarbeit integriert. Durch intensive Öffentlichkeitsarbeit konnten wir auch Politiker und staatliche Organisationen gewinnen, die an der Bekämpfung des Kindersextourismus in die Tschechische Republik mitwirken. So haben wir eine Aktion angeregt, welche Ende Juni 2000 unter Federführung des Bundesministerium des Inneren stattfand. Eine Kooperation mit der Polizei der Tschechischen Republik speziell in der Region Cheb sowie mit entsprechenden Politikern erweist sich für uns als sehr schwierig. Seit einigen Jahren zeigen wir die, in unserem Arbeitsbereich vorherrschende Situation im Bereich des kommerziellen sexuellen Missbrauches von Kindern auf. Dabei wird uns häufig unterstellt, diese Tatsachen entsprächen nicht der Realität und würden von uns benutzt, um die Tschechische Republik zu diffamieren oder um unsere Arbeitsplätze zu rechtfertigen. Die Kontakte mit Angehörigen der Polizei der Tschechischen Republik während der Streetwork und bei speziellen Vorfällen im Bereich der Kinderprostitution gestalten sich sehr unterschiedlich; beispielsweise haben wir Polizeibeamte angesprochen, nachdem wir unmittelbar Kenntnis über einen sexuellen Missbrauch an zwei Mädchen in den Nachtstunden erlangt haben. Diese Beamten erklärten uns jedoch, dass sie nicht einschreiten könnten, mit dem Wortlaut: „...sie kennen wohl die Gesetze nicht...“. Andere Polizeibeamte wiederum kontaktierten uns während der Streetwork und wiesen uns daraufhin, an welchen Stellen wir Kinder finden könnten, die der Prostitution nachgehen. Grundsätzlich können wir jedoch in den Zeiten, in denen wir auf der Straße unterwegs sind feststellen, dass die Polizeiorgane der Tschechischen Republik auch an den Orten, an denen Kinder der Prostitution nachgehen, präsent sind. Wir haben jedoch nie gesehen, dass sie einschritten oder überhaupt in irgendeiner Form handelten. Kommunalpolitiker der Stadt Cheb baten uns vor nicht allzu langer Zeit um eine Situationsdarstellung zum kommerziellen sexuellen Missbrauch an Kindern. Gleichzeitig sicherten sie uns Unterstützung zu. Des weiteren nahmen wir Kontakt mit einer Fürsorgestelle beim Sozialamt Cheb auf. Dort werden seit dem 1.4.00 Entscheidungen zum Kinderschutz getroffen. Die Leiterin dieser Abteilung führte ein Wochenendcamp für sozial gefährdete Kinder aus auffälligen Familien durch. Dabei fanden mit den betroffenen Kindern unter anderem psychosoziale Gespräche statt. Involviert waren 13 Kinder aus den Regionen, As, Cheb und Marienbad im Alter von acht bis 11 Jahren. Diese Frau berichtete uns über folgende Begebenheiten und Inhalte der Gespräche: • 11 von 13 Kindern hatten bereits verschiedene Praktiken des kommerziellen sexuellen Missbrauches erfahren. • Beispielsweise hatte ein achtjähriges Mädchen blondgefärbte Haare und erzählte, der Freund ihrer Mutter wünsche es so, da sie so hübscher aussieht und den deutschen Gästen, die mehrmals in der Woche kommen, besser gefiele. Sie muss die Gäste bewirten und als Belohnung wird sie an verschiedenen Körperteilen gestreichelt, darf auf dem Schoß „ reiten „ ( eigene Worte des Kindes), etc. • einige Jungen hatten Angst, allein auf die Toilette zu gehen und äußerten, dass Deutsche auf der Toilette sein können und ihnen an den Penis greifen würden • Die Kinder konnten gut deutsche Zahlen benennen und kannten viele Ausdrücke aus dem Sexualbereich Auch andere Mitarbeiter-/innen aus sozialen und psychologischen Bereichen der Tschechischen Republik sprachen mit uns über ihre Kenntnisse zum kommerziellen sexuellen Missbrauch von Kindern. 3. Originäre Aufgaben der Sozialarbeit im Bereich des Sextourismus mit Kindesmissbrauch 3.1 Die explizit notwendige Grundhaltung Minderjährige Prostituierte die im Rahmen des Sextourismus anzutreffen sind, kommen zu 95% aus Herkunftsfamilien, in denen sie sich unterwerfen und anpassen müssen. Die Schädigung dieser Kinder entsteht in den meisten Fällen nicht erst beim kommerziellen sexuellen Missbrauch, sondern bereits vorher. Sozialarbeit in diesem Bereich muss daher mit Akzeptanz dieser jeweiligen individuellen Situation der betroffenen Kinder einhergehen. 3.2 Professionalität der Sozialarbeit Kinder die im Rahmen des Sextourismus angetroffen werden, sind keine Zielgruppe mit universellen Problemen und typisierten Lebensläufen. Höchste Priorität hat der kontinuierliche Kontakt zu ihnen. Das umfasst unter anderem sie mit den notwendigen Präventions- und Grundversorgungsangeboten vertraut zu machen, den Aufbau einer flächendeckenden Infrastruktur an kompetenten zielgruppenspezifischen Beratungs- und Betreuungsangeboten zu initiieren, aber auch ihnen Hilfestellung zum Arbeiten im Prostitutionsmilieu zu geben, solange die oben genannten Einrichtungen noch nicht arbeiten, um weitere Schäden abzuwenden und die Möglichkeit des Überlebens zu bewahren. Von großer Bedeutsamkeit ist die Schaffung von Resozialisierungsmaßnahmen für betroffene Kinder und sowie deren Angehörige. Auch ist die Sensibilisierung von Mitarbeitern der medizinischen, sozialen und juristischen Bereiche, sowie eine Förderung der Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden unerlässlich. Professionelle Hilfe und Handlungskompetenz erfordert die Fähigkeit und Notwendigkeit, eigene Gefühle und Handlungsmuster zu reflektieren um bewusster die Bedürfnisse Minderjähriger im Bereich des kommerziellen sexuellen Missbrauchs zu erkennen und gezielte Angebote unterbreiten zu können. An dieser Stelle müssen Sozialarbeiter-/innen das leisten, was für die Gesellschaft oftmals eine Überforderung bedeutet; auszuhalten, abgelehnt zu werden. Der Handlungsbedarf ist riesig und wir sehen es als unsere Aufgabe an, dort zu intervenieren wo Moral und Menschenrechte noch immer mit Füßen getreten werden. 3.3 Probleme und Grenzen Die Sozialarbeit mit minderjährigen Prostituierten im Bereich des Sextourismus basiert auf spezifischen Prozessen, die komplexe Arbeitsweisen voraussetzen. Gefordert werden schnelle Resultate, die selbstverständlich auch zu nachhaltigen Erfolgen führen sollen. Der derzeitige Sparkurs hat zur Folge, dass wenig finanzielle Mittel in strukturell verankerte, kontinuierliche Angebote fließen. 4. Gesetzliche Rahmenbedingungen 4.1 Tschechische Republik Nach § 216 b Strafgesetzbuch ist Kinderhandel, nach § 205 Strafgesetzbuch ist Kinderprostitution und nach §§ 242, 243 Strafgesetzbuch sind Kinderpornographie sowie sexueller Missbrauch strafbar. Prostitution stellt in der tschechischen Republik keine Straftat dar. In der Region Cheb jedoch ist die Prostitution in Form einer sogenannten Kundmachung seit dem 01.01.2000 verboten 4.2 Bundesrepublik Deutschland Die im Ausland begangene Straftaten finden im deutschen Strafrecht nach Maßgabe der Regeln des internationalen Strafrechtes gemäß §§ 3 bis 7 Strafgesetzbuch Anwendung. Unabhängig von der Rechtslage am Tatort machen sich Deutsche auch im Ausland wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern nach den §§ 176, 176 a, 176 b Strafgesetzbuch und von Jugendlichen nach § 182 Strafgesetzbuch strafbar.