Von den Sopranos zu den Mad Men

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Von den Sopranos zu den Mad Men
tv diskurs 62
TITEL
Von den Sopranos zu den
Mad Men
Die Faszination amerikanischer Fernsehserien
Lothar Mikos
Die Sopranos
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Seit Beginn des 21. Jahrhunderts sind hochwertige,
Deutsche Serien haben es dagegen bei einem jungen
komplex erzählte Fernsehserien aus den USA zu einem
Publikum schwer, sie sprechen eher ältere Menschen an
Massenphänomen geworden. Sie haben einen Großteil
und werden nur selten in andere Länder verkauft. In dem
ihres Erfolgs der Faszination zu verdanken, die sie welt-
Beitrag geht es um die Besonderheit von amerikanischen
weit auslösen. Vor allem ein junges, gebildetes Publikum
Dramaserien im Fernsehen. Betrachtet werden die Erzähl-
goutiert deren Erzählweise und Inszenierungsstil.
weisen und Produktionsbedingungen.
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Das neue Jahrtausend begann mit einem Se-
Komplexe Erzählungen
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dass potenziell auch immer wieder neue Charaktere eingebaut werden können (vgl. Polan
rienknaller, von dem die deutschen Zuschauer
jedoch kaum etwas mitbekamen. Bereits im
Vor 25 Jahren war die Serienwelt noch in ein-
2009, S. 40). In jeder einzelnen Episode gibt
Januar 1999 war auf dem amerikanischen Pay-
facher Ordnung. Es wurde zwischen Serien,
es mindestens vier Handlungsstränge, von de-
TV-Sender HBO die Mafiaserie Die Sopranos
Reihen und Mehrteilern unterschieden (vgl.
nen zwei gleichberechtigt sind und jeweils ei-
gestartet. Im Frühjahr 2000 durften dann die
Mikos 1987, S. 8). Serien erzählten eine offene,
nen Konflikt aufbauen. „Der dritte Strang (C-
deutschen Zuschauer einen Einblick in das Le-
zukunftsorientierte Geschichte, die Charaktere
Strang) kann einen Wesenszug einer Figur er-
ben der Familie von Tony Soprano gewinnen,
entwickelten sich über die Zeit weiter, mehrere
zählen, der in den darauffolgenden Episoden
allerdings zu später Stunde nach 23.00 Uhr –
Handlungsstränge waren miteinander verwo-
in einem der A- oder B-Stränge zum Tragen
zunächst samstags, dann sonntags, auf dem
ben. Dallas und Denver-Clan galten damals als
kommt. […] In manchen Episoden gibt es auch
ZDF –, zu einer Sendezeit also, zu der jüngere
prototypische Beispiele solcher Serien im
einen vierten, den sogenannten D-Strang, der
Zuschauer bestimmt nicht diesen Seniorensen-
Abendprogramm. Reihen erzählten mit immer
komödiantisch zur Auflockerung eingebaut
der einschalteten. So kam es, wie es kommen
dem gleichen Personal in sich abgeschlossene
ist“ (Kraus 2011, S. 37). Da es zwei gleichbe-
musste: Nach drei Staffeln war im Herbst 2002
Geschichten pro Folge. Derrick und der Tatort
rechtigte Handlungsstränge gibt, kann die
beim ZDF Schluss mit der Serie. Während
dienten hier als Beispiele. Mehrteiler hingegen
Spannung anders als in klassischen Serien, in
HBO in den USA im Durchschnitt etwa 8 Mio.
erzählten eine abgeschlossene Geschichte
denen ein Handlungsstrang dominiert, verteilt
Zuschauer pro Folge verzeichnen konnte (vgl.
über zwei bis zwölf Folgen hinweg. In den Te-
werden und führt so zu einer Verdichtung der
Blanchet 2011, S. 55) und die Serie eine Aus-
lenovelas konnte dies auch 150 oder mehr
Erzählung. Die Handlung ist für die einzelnen
zeichnung nach der anderen gewann, versen-
Folgen dauern. Allerdings kam es in den
Folgen zentral, denn Konflikte werden inner-
dete sie sich gewissermaßen in Deutschland.
1990er-Jahren schnell zu einer Vermischung
halb einer Episode aufgebaut und beendet.
Auf der Veranstaltung „TV Drama Vision“ des
der Formen, seitdem ist von sogenannten
Was die Serie vorantreibt, sind die Charaktere,
Nordic Film Market während des Internationa-
„flexi-narratives“ (Nelson 1997, S. 30 ff.) oder
ihre Routinen und ihre Entwicklung. „Auf der
len Filmfestivals in Göteborg im Februar 2012
von hybriden Serienformen (vgl. Creeber
Grundlage der physischen und psychischen
sagte David Madden, Präsident des amerika-
2004, S. 11) die Rede. Serien- und Reihenele-
Konstruktion der Figuren entstehen die Kon-
nischen Fernsehstudios Fox, den weittragen-
mente (im angloamerikanischen Raum stehen
fliktlinien“ (ebd.). Die Charaktere sind nicht
den Satz: „Die Sopranos haben das Fernsehen
Serials für Serien und Series für Reihen) vermi-
einfach gestrickt, sondern sehr komplex und
verändert. Die Erzählweise von Serien ist eine
schen sich. Mit dem Begriff „flexi-narrative“
voller Widersprüche. Da sie eng an die Hand-
andere geworden.“ Diese Aussage macht
wird ein „Mix vieler Narrationsebenen und
lung gebunden sind, führt das zu einer äußerst
mehr als deutlich, wie sehr sich die Landschaft
eine Kombination von Formatformen“ be-
komplexen Erzählweise, die die Mitarbeit der
der Fernsehserien, vor allem der Dramaserien,
zeichnet (Piepiorka 2011, S. 47). In den klassi-
Zuschauer bei der Geschichte herausfordert.
in den USA verändert hat. Während einige die-
schen Reihen entwickeln sich die Charaktere
Das gilt für jede einzelne Folge wie für die ge-
ser neuen Serien in Deutschland vor allem auf
zunehmend über mehrere Folgen hinweg,
samte Serie. „Der Zuschauer muss also die
den privaten Fernsehsendern mit mehr oder
während in den Serien mit abgeschlossenen
Verbindungen zwischen dem Geschehen der
minder großem Erfolg liefen, hat sich die ver-
Handlungssträngen gearbeitet wird. Als Bei-
einzelnen Episode und dem umfassenderen
änderte Erzählweise nicht auf die deutsche
spiele für diese neuen Formen des Erzählens,
fiktionalen Universum erkennen und aktiv Be-
Serienproduktion ausgewirkt.
die zugleich das sogenannte Quality-TV aus-
züge herstellen“ (Winter 2011, S. 165). Diese
machen, gelten Hill Street Blues und vor allem
Aktivierung des Zuschauers ist für die neueren
Twin Peaks. Mit anderen Worten: „Quality-TV
US-Serien typisch. Daher streben sie auch
ist die Fernsehvariante des Kunstfilms“
nach wiederholtem Konsum, z. B. auf DVD
(Thompson 1996, S. 16).
oder per Video-on-Demand. Auf diese Weise
Mit den Sopranos wurde die Hybridität der
Serienformen auf die Spitze getrieben, was
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können die Zuschauer immer wieder Neues
entdecken.
seitdem die Produktion von Primetime-Serien
Prototypisch für eine Rätselserie ist sicher
nachhaltig beeinflusst hat. In der Serie werden
Lost, eine Serie, die auch in der deutschen
Strukturen des Gangsterfilms, der Soap Opera,
Medien- und Kommunikationswissenschaft
der Sitcom, der Familienserie und der Psycho-
große Aufmerksamkeit erregt hat (vgl. Grawe
therapie im Film verarbeitet (vgl. Winter 2011,
2010, S. 66 ff.; Olek 2011; Piepiorka 2011;
S. 163 f.). In der Serie „entsteht durch Anknüp-
Schabacher 2010; Schmöller 2011; Ziegen-
fung und Verwendung verschiedener themati-
hagen 2009). Hier werden bis zu zehn Hand-
scher Strukturen ein vielschichtiges fiktionales
lungsstränge pro Episode erzählt. Wie in den
Universum, in dem immer wieder neue Ge-
Sopranos stehen auch hier die Charaktere im
schichten entwickelt werden, Charaktere sich
Mittelpunkt. Ihre Geschichte nach dem Flug-
verändern und neue Situationen entstehen“
zeugabsturz auf der Insel wird bis zum Ende
(ebd., S. 164). Die Erzählung ist so gebaut,
der dritten Staffel mit Rückblenden angerei-
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chert, ab dann kommen auch Vorausblenden
alle Mysterien aufgelöst. Die Konflikte der
Dichte aus. Sie sind in der Regel ebenso dyna-
hinzu. Es gibt also drei Zeitebenen für das En-
Handlungsstränge werden auch nicht in einer
misch wie punktgenau geschnitten. Eine Serie
semble von Figuren. Das führt zu großer Kom-
Episode aufgelöst, sondern erstrecken sich
wie Mad Men orientiert sich in der Ausstattung
plexität der Charaktere (vgl. Piepiorka 2011,
über mehrere Episoden hinweg. „Manche rei-
und visuell an den 1960er-Jahren, bleibt so auf
S. 62 ff.), die Zuschauer müssen mit den Unge-
chen nicht nur über mehrere Episoden, sie
der ästhetischen Ebene historisch genau und
reimtheiten zwischen den Ebenen leben oder
reichen sogar bis in die nächste Staffel. Das
kann dabei auch an nostalgische Emotionen
können versuchen, diese im Austausch mit
rührt daher, dass die Handlungsstränge aus-
der Zuschauer anknüpfen. In der Serie 24 z. B.
anderen Zuschauern zu lösen. Die Fanaktivitä-
setzen, zurückgestellt werden und viel später
werden eine Vielzahl von narrativen und ästhe-
ten spielen daher bei Lost eine große Rolle
erst wieder aufgegriffen und weitergeführt
tischen Spannungselementen (Parallelmonta-
(vgl. Ziegenhagen 2009, S. 101 ff.). Ein wesent-
werden. Viele narrative Stränge laufen ins
ge, Splitscreen) eingesetzt, sodass eine äu-
liches Merkmal der Serie ist das Vorenthalten
Leere und bleiben offen“ (Ziegenhagen 2009,
ßerst spannende, dichte Erzählung entsteht
von Informationen: „Lost erzählt zwar eine
S. 36). Dadurch entstehen „Konfusionen der
(vgl. Mikos 2008, S. 339 ff.). Die narrative Kom-
komplexe Geschichte, doch bleibt sie in erster
Handlungsebenen“ (Piepiorka 2011, S. 74).
plexität wird durch den visuellen Stil und die
Linie auch deshalb so mysteriös, weil kontinu-
Hinzu kommen durch die Flashbacks und
ästhetischen Gestaltungsmittel unterstützt.
ierlich Informationen zurückgehalten werden,
Flashforwards Konfusionen auf der Zeitebene
Ein weiteres Merkmal, das US-Serien von
also komplex erzählt wird, und weil viele Me-
(vgl. ebd., S. 88 ff.). Die Serie stellt damit eine
deutschen unterscheidet, ist eine ungewöhn-
chanismen des dargestellten Universums nur
große Herausforderung für die Zuschauer dar,
liche Story mit außergewöhnlichen Charakte-
angedeutet werden, das dargestellte Univer-
die so gebunden werden – oder aber schnell
ren in Szenerien, in denen keine bürgerliche
sum also selbst als komplex und letztendlich
aussteigen.
Normalbiografie gedeihen könnte. So spielt
nicht vollständig durchschaubar modelliert
Neben der komplexen Erzählweise ste-
Sons of Anarchy in der Bikerszene, in Six Feet
wird“ (Schmöller 2011, S. 38). Da die Zuschau-
chen die neueren US-amerikanischen Serien
Under steht ein Bestattungsunternehmen im
er genauso viel oder wenig wissen wie die Fi-
durch ihre Ästhetik heraus. Die Szenen sind
Mittelpunkt, ein Polizist ist als sympathischer
guren, bekommt die Serie einen mysteriösen
filmisch aufgelöst. Die Serien zeichnen sich
Serienmörder aktiv (Dexter), ein todkranker
Charakter. Bis zum Ende werden auch nicht
durch visuellen Reichtum und ästhetische
Lehrer wird unter Mithilfe eines ehemaligen
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Schülers zum Crystal-Meth-Produzenten, um
Produktionsbedingungen
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die großen Networks ABC und Fox produziert.
Diese Serien haben auch ein großes Publikum
seine Familie finanziell abzusichern (Breaking
Bad), um nur einige Beispiele zu nennen. Eini-
Häufig wird als einer der Gründe für die höhe-
erreicht. Dagegen nimmt sich die Zuschauer-
ge Serien orientieren sich am Fantasy- oder
re Qualität US-amerikanischer Serien das grö-
schaft der von HBO, Showtime oder AMC pro-
Vampirgenre (Game of Thrones, True Blood,
ßere Budget genannt. 3 bis 4 Mio. Dollar pro
duzierten Serien eher dürftig aus. So kommt
The Vampire Diaries). In anderen wird das
Episode à ca. 46 bis 48 Min. (60 Min. inklusive
Dexter (Showtime) im Schnitt auf etwas mehr
Leben in heruntergekommenen Stadtvierteln
Werbung) sind keine Seltenheit. Da können
als 2 Mio. Zuschauer, Mad Men (AMC) und
ziemlich realistisch geschildert (The Wire) oder
deutsche Serienproduktionen nicht mithalten.
Breaking Bad (AMC) liegen ebenfalls bei etwa
ein multikulturelles Ensemble von Personen
Aber Geld ist nicht alles. Als weiterer Grund für
2 Mio. Zuschauern im Schnitt, True Blood
setzt seine besonderen Fähigkeiten ein
die besondere Qualität der amerikanischen
(HBO) und die Sopranos (HBO) konnten mehr
(Heroes). Die einzige Serie im deutschen Fern-
Serien wird gern die Besonderheit des ameri-
als 3 bzw. etwa 8 Mio. Zuschauer verzeichnen
sehen, die mit einer ungewöhnlichen Konstel-
kanischen Fernsehmarktes hervorgehoben.
(vgl. auch Blanchet 2011, S. 54 f.). Richtig ist
lation aufwartet, ist Danni Lowinski, die sich
Pay-TV- und Kabelsender seien durch genau-
sicherlich, dass die US-Serien hier in Deutsch-
dann auch prompt in andere Länder, u. a. in die
ere Kenntnis ihres Zielpublikums in der Lage,
land mehrheitlich ein junges, gebildetes Publi-
USA, verkaufte.
speziell auf diese Zuschauer zugeschnittene
kum ansprechen, zumal die meisten dieser
Serien zu produzieren. Vor allem ein besser
Serien auf den Sendern mit einem jungen Pu-
gebildetes, ökonomisch situiertes, junges Pu-
blikum wie ProSieben, kabel eins oder RTL II
blikum werde so erreicht: „Die neuen Serien
gezeigt werden. Die Produktion der Serien für
sprechen kein Massenpublikum an, sie richten
das Nischenpublikum der Pay-TV- und Kabel-
sich an eine privilegierte Elite“ (Ritzer 2011,
sender mag sicher die eine oder andere The-
S. 25; vgl. auch Thompson 1996, S. 14). Das
matik und außergewöhnliche Geschichte er-
trifft jedoch nur z. T. zu. Innovative Serien wie
klären, nicht aber die Qualität der US-Serien
Desperate Housewives, Grey’s Anatomy, Dr.
schlechthin.
V. l. n. r.:
Lost, Mad Men
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House, Lost, The X-Files oder 24 wurden für
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Ein wichtiges Element der Produktion ist
sind oft auch als Produzenten der Serien tätig.
nen verwirklicht. Frank Spotnitz wies zudem
die Art des Schreibens. Die amerikanischen
Sie verfolgen die kreative Vision, der ihre Ar-
darauf hin, dass in Europa die Rolle des Regis-
Serien werden im sogenannten Writers’ Room
beit untergeordnet ist. Zwar sind sie diejeni-
seurs sehr hoch geschätzt wird. Dadurch (und
entwickelt und geschrieben. In so einer
gen, die letztlich entscheiden, wie die Ge-
durch den Einfluss von Fernsehredakteuren)
„Schreibwerkstatt“ arbeiten bei Dramaserien
schichte der Serie verläuft und wie die einzel-
wird die Serienproduktion eher schwierig. In
etwa vier bis sechs Autoren, bei Sitcoms kön-
nen Charaktere gezeichnet sind, doch müssen
den USA sind die Regisseure z. B. beim Schnitt
nen es bis zu acht Autoren sein. Diese Gruppe
sie offen für die Vorschläge der Autoren im
der Serie gar nicht mehr dabei. Das liegt in der
der Schreibenden, die alle ihr Bestes geben je
Writers’ Room sein, denn die können besser
Hand der Showrunner und Cutter. Die gesam-
nach Fähigkeit, wird durch den sogenannten
sein als ihre eigenen. Die Arbeit der Showrun-
te Produktion der Serie wird vom Showrunner
Showrunner oder Creator zusammengehalten.
ner ist also dem Produkt, der Serie, unterge-
beaufsichtigt. In Deutschland werden lediglich
Diese Personen werden inzwischen als „Auto-
ordnet, nicht umgekehrt. In der Produktion
Daily Soaps und Telenovelas von mehreren
renfilmer des Fernsehens“ gehandelt, weil
gehe es vor allem um Kollektivität und Zusam-
Autoren geschrieben. Ansonsten ist das Prin-
Serien wie die Sopranos, Dexter oder The Wire
menarbeit, so James Manos am 26. April 2012
zip des Writers’ Room zwar bekannt, wird aber
ihre Qualität deren individuellem Stil verdan-
auf dem „European TV Drama Series Lab“.
nur selten praktiziert. Die Serie Unschuldig mit
ken (vgl. Dreher 2010; Lavery 2010). Doch das
Das widerspricht ebenso dem Autorenideal
Alexandra Neldel wurde für ProSieben so pro-
ist ein eher cineastischer Blick, der sich am
wie die Aussagen von Frank Spotnitz einen
duziert, mit Frank Weiss als Showrunner. Aber
Ideal des Autorenfilmers orientiert. Die Reali-
Tag später, dass es für den Showrunner darum
durchgesetzt hat sich das nicht, u. a. weil die
tät sieht etwas anders aus, wie die Teilnehmer
gehe, das Beste aus den Autoren im Writers’
vermeintlich höheren Kosten gescheut werden
des „European TV Drama Series Lab“ des
Room herauszuholen. Die Rolle des Showrun-
– zulasten der Qualität. Vom Showrunner als
Erich Pommer Instituts von Showrunnern wie
ners ist bei amerikanischen Serien so zentral,
kreativem Kopf auf einem kreativen Körper
James Manos Jr. (Sopranos, The Shield, Dex-
weil sie zwischen Sender, Produzent und Auto-
wird viel verlangt, dennoch ist es „der beste
ter), Simon Mirren (Criminal Minds, Spooks,
ren vermittelt und dabei die Idee bzw. das
Job der Welt“, wie Vince Gilligan (Breaking
Waking the Dead) und Frank Spotnitz (The X-
Konzept einer Serie verfolgt und nicht, weil
Bad) es genannt hat (zitiert bei Lavery 2010,
der Showrunner seine künstlerischen Ambitio-
S. 81).
Files, Hunted) erfahren
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konnten.1
Showrunner
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Literatur:
Schlussbemerkungen
Jenseits aller Produktionsbedingungen sind
für eine qualitative Serie immer noch eine gute Geschichte und komplexe Charaktere wichtig. Ein Dr. House ist einfach ein bisschen komplexer als ein Dr. Heilmann (In aller Freundschaft), ein Dexter ist mit Sicherheit komplexer
als ein Balko. Deutsche Serien wie In aller
Freundschaft oder Um Himmels Willen sind
sicher professionell und gut produziert. Doch
sind sie sehr einfach gestrickt, weil sie ein
Blanchet, R.:
Quality-TV: Eine kurze
Einführung in die Geschichte und Ästhetik neuer amerikanischer TV-Serien. In:
Ders./K. Köhler/T. Smid/
J. Zutavern (Hrsg.): Serielle
Formen. Von den frühen
Film-Serials zu aktuellen
Quality-TV- und OnlineSerien. Marburg 2011,
S. 37 – 70
Creeber, G.:
Serial Television. Big
Drama on the Small Screen.
London 2004
größtmögliches Publikum ansprechen wollen.
Ihnen fehlen komplexe Erzählstrukturen und
Charaktere. Auch in der amerikanischen Serienproduktion ist sicher nicht alles Gold, was
glänzt. Es ist schließlich nur eine kleine Zahl
von Serien, die international erfolgreich sind.
Allerdings sind die Bedingungen dafür durch
neue Vertriebswege und neue Player wie Hulu
und Netflix besser denn je. So lässt sich einfacher nicht nur auf das eigene Zielpublikum
Dreher, C.:
Autorenserien. Die Neuerfindung des Fernsehens.
In: Ders. (Hrsg.): Autorenserien. Die Neuerfindung
des Fernsehens. Stuttgart
2010, S. 23 – 61
Eichner, S./Mikos, L./
Winter, R. (Hrsg.):
Transnationale Serienkultur.
Theorie, Ästhetik, Narration
und Rezeption neuerer Fernsehserien. Wiesbaden 2013
schielen, sondern auch für ein weltweites Nischenpublikum produzieren (vgl. auch die Beiträge in Eichner/Mikos/Winter 2013 sowie
Weber 2012). Von diesem Verständnis des internationalen, globalen Fernsehmarktes im
Hinblick auf Produktion, Vertrieb und Zielpublikum sind deutsche Produzenten und Sender
leider noch weit entfernt.
Grawe, T.:
Neue Erzählstrategien in
US-amerikanischen Fernsehserien. Von der Prime-TimeSoap zum Quality-TV.
München 2010
Kraus, J.:
Amerikanische und deutsche
Mafiaserien im Fernsehen.
Eine vergleichende Analyse
von Innovation im Seriellen
anhand von The Sopranos
und Im Angesicht des Verbrechens (Masterarbeit im
Studiengang Medienwissenschaft der Hochschule für
Film und Fernsehen [HFF]
„Konrad Wolf“). PotsdamBabelsberg 2011
Lavery, D.:
The Imagination Will BeTelevised: Die Rolle des Showrunners und die Wiederbelebung der Autorschaft im
amerikanischen Fernsehen
des 21. Jahrhunderts. In: C.
Dreher (Hrsg.): Autorenserien. Die Neuerfindung des
Fernsehens. Stuttgart 2010,
S. 63 – 111
Mikos, L.:
Fernsehserien. Ihre Geschichte, Erzählweise und
Themen. In: medien + erziehung, 31/1987/1, S. 2 – 16
Olek, D.:
Lost und die Zukunft des
Fernsehens. Die Veränderung des seriellen Erzählens
im Zeitalter von Media Convergence. Stuttgart 2011
TITEL
Anmerkung:
1
Vgl. den Beitrag von
Christine Otto in dieser
Ausgabe, S. 114 f.
Piepiorka, C.:
Lost in Narration. Narrativ
komplexe Serienformate
in einem transmedialen
Umfeld. Stuttgart 2011
Polan, D.:
The Sopranos. Durham/
London 2009
Ritzer, I.:
Fernsehen wider die Tabus.
Sex, Gewalt, Zensur und
die neuen US-Serien.
Berlin 2011
Schabacher, G.:
„When am I?“ Zeitlichkeit in
der US-Serie Lost. In:
A. Meteling/I. Otto/Dies.
(Hrsg.): „Previously on …“.
Zur Ästhetik der Zeitlichkeit
neuerer TV-Serien. München
2010, S. 207 – 229 und
S. 259 – 276
Schmöller, V.:
Further Instructions: Zum
seriellen Erzählen in Lost. In:
Dies./M. Kühn (Hrsg.): Durch
das Labyrinth von Lost. Die
US-Fernsehserie aus kulturund medienwissenschaftlicher Perspektive. Marburg
2011, S. 19 – 41
Thompson, R.:
Television’s Second Golden
Age. From Hill Street Blues
to ER. Syracuse 1996
Weber, T.:
Kultivierung in Serie. Kulturelle Adaptionsstrategien
von fiktionalen Fernsehserien. Marburg 2012
Winter, R.:
„All Happy Families“: The
Sopranos und die Kultur
des Fernsehens im 21. Jahrhundert. In: R. Blanchet/
K. Köhler/T. Smid/J. Zutavern
(Hrsg.): Serielle Formen.
Von den frühen Film-Serials
zu aktuellen Quality-TV- und
Online-Serien. Marburg
2011, S. 153 – 174
Ziegenhagen, S.:
Zuschauer-Engagement.
Die neue Währung der
Fernsehindustrie am
Beispiel der Serie Lost.
Konstanz 2009
Dr. Lothar Mikos ist
Professor für Fernsehwissenschaft an der
Hochschule für Film und
Fernsehen (HFF) „Konrad
Wolf“ in Potsdam-Babelsberg und geschäftsführender Direktor des
Erich Pommer Instituts.
Mikos, L.:
Film- und Fernsehanalyse.
Konstanz 2008
(2., erweiterte Aufl.)
Um Himmels Willen
4 | 2012 | 16. Jg.
Nelson, R.:
TV Drama in Transition.
Forms, Values, and Cultural
Change. Basingstoke 1997
51