Mit der Sonne rechnen

Transcription

Mit der Sonne rechnen
Technik&Wissen
Mit der Sonne rechnen
INTERNET | Je mehr Daten durchs Web rauschen, desto mehr Strom saugen die
Rechenzentren. Nun starten Google, Facebook und Co. eine Ökooffensive:
Sie bauen Solarparks, kühlen ihre Computer in der Arktis oder verkaufen Hausbesitzern
Server als Heizung. Das Netz wird grüner – und treibt die Energiewende voran.
70
Grüne Datenflut
Weltmarkt für energiesparende
Rechenzentren
45,4
17,1
Mrd. $
Mrd. $
2012
2016
Quelle: Pike Research
auch den Betrieb der Datennetze mit ein,
ergibt sich laut der Umweltorganisation
Greenpeace ein Stromkonsum von 684 Terawattstunden. Im Länderranking der
Stromverbraucher käme das Internet auf
Platz sechs. Zwei Prozent der globalen
CO2-Emissionen verursacht der Betrieb
von Servern, Monitoren und PCs, schätzt
die IT-Nachhaltigkeitsinitiative Gesi.
STROMKOSTEN KAPPEN
Damit ist das Web schon so schmutzig wie
der Flugverkehr. Dabei hat die Vernetzung
des Planeten gerade erst begonnen: Zwischen 2012 und 2017, schätzt der US-Netzwerkkonzern Cisco, verdreifacht sich der
Datenverkehr zu den Rechenzentren.
Nicht nur für Umweltschützer, auch für
viele Akteure in der Branche steht fest: Es
ist höchste Zeit für eine Energiewende des
World Wide Web. Vor allem Google, Facebook und Apple, die drei Riesen aus dem
Silicon Valley, machen vor, wie es geht. Sie
investieren Milliarden Dollar in grüne
Kraftwerke. Das Ziel steht fest – 100 Prozent
Ökostrom. Nicht nur, weil es gut fürs Image
ist, sondern auf Dauer auch billiger, wenn
fossile Rohstoffe immer teurer werden.
Denn die Stromrechnung macht 40 Prozent der Betriebskosten eines Datenzentrums aus. Wer Strom spart, macht mehr
Gewinn. Ideen gibt es dazu genug: Clevere
Cloud-Anbieter verzichten auf Klimaanlagen und postieren ihre Server stattdessen
in der Arktis. In Stockholm speisen Datenzentren ihre Abwärme ins Fernwärmenetz
– gegen Bezahlung. Das Dresdner Start-up
Cloud&Heat verkauft Server gar an Hausbesitzer – als Heizung, die kein Öl benötigt.
Grüne Datenzentren, melden die Marktforscher von Pike Research, sind das neue
Boom-Business: Das weltweite Geschäft
wachse jährlich um rund 30 Prozent – auf
45 Milliarden Dollar im Jahr 2016.
Unternehmen wir eine Reise durch das
nachhaltige Internet – auf fünf Stationen
von Island über die USA bis nach Berlin.
1 | SERVER AM POLARKREIS
Schwefel liegt in der Luft, als Örn Orrason
seinen Wagen auf die Schnellstraße nach
Keflavik lenkt. Lava, die hier vor Tausenden
Jahren floss und dann erkaltete, hat die Gegend rund um die isländische Hafenstadt
in eine Mondlandschaft verwandelt. Und
tief unter dem Gestein, das verrät der Geruch, brodelt noch immer ein Höllenfeuer
aus den Urzeiten der Erdgeschichte.
Touristen lieben die Vulkanlandschaft,
weil sie hier in heißen Quellen baden können, in der berühmten Blauen Lagune, und
dabei einen Blick erhaschen in die feurige
Vergangenheit der Insel. Orrason liebt sie,
Nr. 24 7.6.2014 WirtschaftsWoche
© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].
FOTO: GETTY IMAGES/ETHAN MILLER
D
rei gleißende Lichter strahlen
über die Mojave-Wüste in der
Nähe von Las Vegas. Mancher
Autofahrer, der hier auf dem
Interstate Highway Nummer
15 in Kalifornien unterwegs ist, könnte sie
für eine Fata Morgana halten.
Es sind die Türme von Ivanpah, einem
gigantischen neuen Kraftwerk, das seinesgleichen sucht. Es erzeugt aus Sonnenwärme Dampf, der Turbinen antreibt. Die produzieren so viel Strom, wie 140 000 Haushalte verbrauchen. Die drei Kolosse, jeder
fast so hoch wie der Kölner Dom, sind getaucht in flirrende Sonnenstrahlen, gebündelt von 347 000 Spiegeln, die sich wie ein
See aus Quecksilber in die Wüste ergießen.
Das Kraftwerk ist das größte seiner Art
und hat einen ungewöhnlichen Investor:
Google. Der Internet-Konzern hat 170 Millionen Dollar in das Solarprojekt gesteckt.
Und das ist nur der kleine Teil einer gewaltigen Ökooffensive des SuchmaschinenRiesen: Für mehr als eine Milliarde Dollar
baut Google Windräder und Solarparks mit
der Leistung zweier Atomkraftwerke.
Nicht Gutmenschentum treibt die Nerds
aus Kalifornien ins Geschäft mit dem Ökostrom – sondern der Hunger nach Energie.
E-Mails, Videos und Bilder mögen nur aus
Bits und Bytes bestehen. Doch je mehr Daten wir um die Welt schicken, je mehr
Cloud-Dienste wir nutzen, desto größer
wird der ganz reale Stromverbrauch der
Datenzentren und Netzwerke.
Allein Googles Rechner-Heer schluckt
3,3 Terawattstunden im Jahr, so viel wie eine mittlere Großstadt. Addiert man den
Verbrauch aller anderen Netzdienste wie
Facebook oder Dropbox hinzu und rechnet
Strom für die Suchmaschine
Google investiert massiv in Solarenergie – wie
hier im kalifornischen Kraftwerk Ivanpah
3
684
2
weil er in ihr Islands Zukunft sieht – eine
Zukunft aus Siliziumchips, Glasfaserkabeln und Tausenden Festplatten. Lange
hat Island nur Fisch exportiert. „Jetzt“, sagt
Orrason, „exportieren wir Bits und Bytes.“
Der Isländer arbeitet bei Farice, einem
Betreiber zweier Seekabel, die die Insel seit
2004 und 2009 mit Schottland, Dänemark
und dem globalen Datennetz verbinden.
So einsam das Vulkan-Eiland im Nordatlantik liegt – in letzter Zeit erhält Orrason
oft Besuch von Firmenchefs, die seine Internet-Schnellstrecke nutzen möchten.
In der Branche spricht sich herum, dass
nah am Polarkreis ideale Bedingungen
herrschen, um energiehungrige Server aufzustellen. Selbst an heißen Sommertagen
wird es nicht wärmer als 25 Grad. Die ganzjährig kalte Luft macht Klimaanlagen überflüssig. Die verbrauchen 40 Prozent des
Stroms in einem Rechenzentrum. Gleichzeitig ist Ökostrom aus Wasserkraft und
Erdwärme im Überfluss vorhanden.
Die Nachbarn in Skandinavien erleben
dank dieser Vorzüge schon einen IT-Boom:
Google hat im finnischen Hamina ein Re-
chenzentrum gebaut, das mit Wasser aus
der Ostsee gekühlt wird, und investiert nun
weitere 600 Millionen Dollar in den Standort. Facebook errichtet im schwedischen
Luleå am Polarkreis bereits seinen zweiten
Serverpark. Microsoft zieht nach und stellt
für 250 Millionen Dollar einen Cloud-Speicher in Finnland auf.
Auch Island entwickelt sich nun zu einem grünen Daten-Eldorado. Weil der
Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull
vielen Geschäftskunden noch präsent ist,
muss Kabelbetreiber Orrason sie vor »
Mal mehr Daten als
heute strömen im Jahr
2017 durch die Netze
WirtschaftsWoche 7.6.2014 Nr. 24
Terawattstunden Strom
verbrauchen Datenzentren und -netze pro Jahr
Prozent der Kohlendioxid-Emissionen
verursachen Rechner
71
© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].
Technik&Wissen
» allem von einem überzeugen: dass ihre
72
Warme Quelle Ein Kraftwerk an Islands Blauer Lagune erzeugt sauberen Strom aus Erdwärme
sich die Fenster – und ein Wärmetauscher
kühlt die Luft für die Computer.
2 | GRÜNSTROM VON APPLE
Schweine, Mais, Kartoffeln: Iowa, der USBundesstaat im Mittleren Westen, ist bekannt für seine bodenständigen Exportwaren. Nun bietet der Mais-Staat ein weiteres
Naturprodukt feil – Strom aus Windkraft.
656 Windräder will der Energiekonzern
MidAmerican Energy aus Des Moines,
Hauptstadt des Bundesstaates, in der weiten Landschaft aufstellen – für 1,9 Milliarden Dollar. Es ist die größte Investition in
Iowas Geschichte. Und es ist ein offenes
Geheimnis, welcher Konzern die Entscheidung angestoßen hat: Facebook. Das soziale Netzwerk baut in Iowa ein 300 Millionen Dollar teures Datenzentrum, das
Strom aus den Windparks beziehen wird.
So werden die großen Internet-Konzerne, oft als Umweltsünder gescholten, nun
zu Treibern der Energiewende. Auch Google hat schon mehrere Energieversorger in
Oklahoma und North Carolina dazu gedrängt, in Ökokraftwerke zu investieren.
Und die IT-Konzerne bauen selbst gewaltige grüne Kraftwerke. Apple hat an seinem Rechnerpark in North Carolina zwei
Solarparks mit insgesamt 40 Megawatt
Leistung installiert. Nachts erzeugen
Brennstoffzellen Strom aus Biogas. Auch
Erdwärme und Windkraft nutzt der ApfelKonzern für seine vier Serverparks. iCloud,
Siri, Maps: Sämtliche Cloud-Dienste von
Apple saugen 100 Prozent Grünstrom.
Andere Internet-Konzerne interessieren
sich allerdings kaum für sauberen Strom.
Vor allem Amazon, inzwischen einer der
größten Cloud-Anbieter weltweit, bezieht
immer noch zum Großteil Energie aus
Kohle und Gas. Der Konzern ist vor allem
an geringen Strompreisen interessiert.
Doch das könnte ein strategischer Fehler
sein. Denn schon jetzt zeichnet sich ab,
dass künftig jene Datenzentren die besten
Preise bieten können, die nicht von steigenden Ressourcenkosten abhängig sind –
und jene, die wenig Strom verbrauchen.
3 | SCHWIMMENDE SERVER
Computer in Wasser zu tauchen, das weiß
selbst der Laie, ist weder für den Computer
noch für seinen Benutzer gut. Michael
Kopka schert sich nicht darum. Um sein
neues Kühlverfahren für Server zu demonstrieren, lässt der Manager beim USTechnologiekonzern 3M auf Messen in
Deutschland schon einmal ganze Server
bei laufendem Betrieb in einem Becken
voll Flüssigkeit baden gehen.
Der Kurzschluss bleibt aus – dank der geheimen Zusammensetzung der Flüssigkeit: Sie sieht wie Wasser aus, ist aber keines. Sie leitet keinen Strom, aber umso besser Wärme. Und sie lässt sensible Elektronik nicht korrodieren. „Gegenüber heutigen Kühlverfahren“, sagt Kopka, „spart die
Methode 97 Prozent Energiekosten.“
Grüne IT, das wird immer klarer, ist vor
allem gutes Wärmemanagement. Zum Beispiel, indem Ingenieure die kalte Luft gezielter durch die Serverschränke leiten.
Dazu stellen sie die Server so einander gegenüber, dass sich in den Gängen je die
kalten oder die warmen Seiten begegnen.
So strömt kalte Luft direkt zu den Prozessoren, ohne sich schon vorher zu erwärmen.
Aber auch die IT selbst wird effizienter.
Alle 18 Monate verdoppeln ComputerNr. 24 7.6.2014 WirtschaftsWoche
© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].
FOTOS: ACTION PRESS, LAIF/POLARIS/SPENCER MANDELL, PR
Server nicht von Lava verschluckt oder von
Erdbeben zerrüttet werden. Als ob im Silicon Valley keine Erdstöße drohten.
Vulkane hin oder her: Längst haben
zahlreiche Unternehmen ihre Server in Island postiert, viele auf einem ehemaligen
Militärgelände der Nato, in das Orrason
nun mit seinem Wagen einbiegt. In Lagerhallen, groß wie Fußballfelder, hat das britische IT-Unternehmen Verne Global Ende
2011 eines der modernsten Datenzentren
der Welt eröffnet – und eines der grünsten.
Auf dem Hof begrüßt Orrason den Deutschen Andreas Sturm. Der drahtige Netzwerkexperte betreut bei Verne Global das
Geschäft im deutschsprachigen Raum.
Sturm führt die Besucher durch mehrere
Sicherheitsschleusen, hinein in eine Halle
voller Serverschränke. Ventilatoren pressen kühle Außenluft durch die Schrankreihen, es brummt wie im Bienenstock.
„Die Computer hier brauchen fünf Megawatt elektrische Leistung“, sagt Sturm. So
viel wie 6000 Haushalte. Für Islands Energieversorger Landsvirkjun kein Problem.
Dieses Jahr nimmt er ein neues Wasserkraftwerk mit 95 Megawatt Leistung in
Betrieb. Der Strom kostet in Island für Industriekunden im Idealfall nur 3,2 Cent pro
Kilowattstunde – in Deutschland 8,6 Cent.
Mehr als ein Dutzend Kunden nutzen
Vernes Ökodatenzentrum. Etwa der Autobauer BMW, der hier die Aerodynamik seiner Fahrzeuge berechnet, Unfälle simuliert
und das Design optimiert – und damit so
viel CO2 spart, wie das Verbrennen von 1,5
Millionen Liter Benzin freisetzt. Und Climate Action, ein Klimaschutzprogramm
der Vereinten Nationen, speichert seine
E-Mails auf Verne-Servern.
In einem nahe gelegenen Serverpark des
isländischen IT-Dienstleisters Advania hat
der norwegische Web-Browser-Anbieter
Opera Dutzende Server in zwei blauen
Containern postiert. Ruft ein Handynutzer
irgendwo in Europa oder Afrika eine WebSeite auf, dann komprimieren die Computer auf Island sie zuvor auf ein Zehntel der
Datenmenge. 1,4 Milliarden Web-Seiten
rechnen die Opera-Computer auf Island
pro Tag klein. Surfen im Netz wird so
schneller und billiger.
Noch haben die beiden Datenleitungen
zur Eis-Insel reichlich Platz, dem IT-Boom
steht nichts entgegen. Aber wenn wieder
Vulkane ausbrechen? „Die sind Hunderte
Kilometer entfernt“, sagt Verne-Manager
Sturm. „Und Asche in der Luft erkennen
wir mit Laser-Sensoren.“ Dann schließen
Wärmequelle Server im Stockholmer Datenzentrum Prionen heizen Wohnungen und Büros
chips ihre Rechenleistung – bei gleichbleibendem Stromverbrauch. Sparsame SSDSpeicher ersetzen rotierende Festplatten.
Und Virtualisierungssoftware verschiebt
Daten so auf einzelne Geräte, dass diese
am effizientesten ausgelastet werden (siehe auch Seite 74).
Trotzdem: Datenzentren bleiben Heizkraftwerke. Der Strom, der in Computer
fließt, wird nahezu komplett in Wärme umgesetzt. „Die Abwärme lässt sich aber nutzen“, sagt Ralph Hintemann, IT-Experte
beim Berliner Borderstep Institut. „Darin
steckt ein Riesenpotenzial.“
4 | WOLKE IM KELLER
Daten seien das neue Öl, heißt es oft sprichwörtlich, aber für Matthias Kutschmar hat
dieser Satz eine handfeste Bedeutung. Der
Kaffeeunternehmer hat in seinem neuen
Einfamilienhaus am Stadtrand von Berlin
eine ungewöhnliche Heizung installiert.
Zwei brummende Stahlschränke, je zwei
Meter hoch: Computerserver.
Die Schränke in Kutschmars Haus sind
via Datenleitung mit dem Internet verbunden. Sie sind Teil einer Cloud, eines vernetzten Rechnerparks also. Aber zugleich
geben sie ihre Hitze über einen Wärmetauscher an einen großen Wassertank ab. Mit
dem Wasser kann Kutschmar auch an kalten Wintertagen das ganze Haus heizen
und nebenbei ein heißes Bad nehmen.
„Ich habe alles durchgerechnet“, sagt der
47-Jährige, „und das hier ist die preiswerteste Heizung, die ich auftreiben konnte.“
Die hat der Berliner beim Dresdner
Start-up Cloud&Heat gekauft. Preis: 12 000
Euro. Dafür garantiert der Anbieter 15 Jahre genug Warmwasser und Heizleistung für
WirtschaftsWoche 7.6.2014 Nr. 24
den Bedarf einer Familie. Er zahlt auch den
Strom, der zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammt, die Internet-Anbindung und die Wartung. „Um Öl- und Gaspreise“, sagt Ralf Knobloch, Technik-Chef
bei Cloud&Heat, „machen sich unsere
Kunden keine Gedanken mehr.“
Vor allem in gut isolierten Gebäuden mit
Passivhaus-Standard spielt die Datenheizung ihre Stärken aus. Ein Serverschrank
spart hier gegenüber Öl und Gas in 15 Jahren 30 Prozent Betriebskosten ein – sofern
Heizöl jährlich fünf Prozent teurer wird.
Auch die Cloud-Kunden sparen Geld:
Die Server für den Heizungskeller sind im
Vergleich zu zentralen Rechenzentren um
60 Prozent günstiger, da Klimatisierung,
Umhausung und Bewachung weniger kosten. Wer versucht, sie gewaltsam zu öffnen,
löst eine Zwangsabschaltung aus, die zugleich die virtuellen Schlüssel zu den Da-
12 000
Euro kostet ein
Serverschrank
als Heizung fürs
Einfamilienhaus
30
Prozent Kosten
spart das
System gegenüber Heizöl
ten löscht. Manchen mag das nicht sicher
genug sein. Aber mehrere Start-ups und
Mittelständler haben Cloud&Heat ihre Informationen schon anvertraut.
Und was im kleinen Heizkeller funktioniert, klappt auch im großen Datenzentrum: Der Stockholmer Cloud-Anbieter
ISP Bahnhof, bekannt geworden durch ein
architektonisch spektakuläres Datenzentrum in einem alten Atombunker, hat bereits zwei seiner fünf Rechenfabriken an
das Fernwärmenetz der schwedischen
Hauptstadt angeschlossen – und kassiert
sogar Geld dafür. „Die Hitze der Server hat
uns immer Geld gekostet“, sagt Gustav
Bergquist, Cloud-Chef bei ISP Bahnhof.
„Jetzt beschert sie uns Einnahmen.“
Nach spätestens fünf Jahren soll sich die
Investition bezahlt machen. Seine nächsten Datenzentren will ISP Bahnhof von
Grund auf für die optimale Nutzung der
Wärme konzipieren – und damit einen
neuen Effizienzrekord erreichen.
5 | ALGEN ZÜCHTEN
Seit in der schwedischen Kleinstadt Växjö
ein Datenzentrum den Betrieb aufgenommen hat, ist das ganze Jahr über Fußballsaison. Denn die Abwärme der Rechner
fließt in einen Wasserkreislauf direkt unter
ein Rasenfeld und hält es frei von Schnee.
Energiekreisläufe, wie die Schweden sie
nutzen, will auch Oliver Fronk anzapfen –
und für die Landwirtschaft einsetzen. Der
Datenzentren-Spezialist des IT-Dienstleisters Prior1 in St. Augustin bei Bonn hat ein
preisgekröntes Konzept mit entwickelt, das
die Wärme von Servern in Hochhausfarmen speist.
Dort heizen die Rechner
Treibhäuser, in denen Gemüse wächst; sie wärmen
Zuchttanks für Fische; und
sie spenden Reaktoren
Energie, in denen Algen
gedeihen – der Rohstoff
der Zukunft für Biogas,
Kosmetika, Tiernahrung
und Medikamente.
Schon in drei bis vier
Jahren, glaubt Fronk,
könnten solche Serverund Algenfarmen den Betrieb aufnehmen. Und sie
wären dann buchstäblich
grüne Datenzentren.
n
[email protected]
Lesen Sie weiter auf Seite 74
»
73
© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].