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Der Sound der ukrainischen Revolution —
der neue Sound Europas
Wladimir Kaminer
In meiner Heimat, der Sowjetunion klang die
sei eine Falle, eine permanente Herausforderung,
staatlich geförderte Musik, die aus dem Radio kam,
der man sich jeden Tag aufs Neue stellen muss. Alle
stets hoffnungsfroh und optimistisch. Sie sollte den
Lebensgewinne sind nicht von Dauer, die Niederla-
vom Staat gewollten Eindruck der Einigkeit zwischen
gen dagegen werden als wertvolle Erfahrungen an
den Bürgern und ihren Hirten vermitteln. Ganz
die nächsten Generationen weitergegeben. Vieles
anders hörten sich dagegen die Lieder an, die die
im Leben, was uns wichtig und teuer ist, hängt von
Bürger selbst in ihren kleinen Küchen, in den Zügen,
dem schwarzen Raben oder noch schlimmer, von
auf langen Reisen oder im Wald am Lagerfeuer
der schwarzen Katze des Zufalls ab. Die Deutschen,
sangen: Es waren melancholische, leise Lieder, die
weltbekannte Optimisten, glauben zum Beispiel
alles andere als optimistisch klangen. Oft ging es in
die Laufrichtung der Katze bestimme ihre Zukunft.
diesen Liedern um die Sinnlosigkeit des Daseins, um
Läuft sie nach rechts dann pecht‘s, läuft sie nach
das schwere Los des Menschen, um sein Leiden und
links – das bringt‘s. Dagegen gehen die Russen als
seinen Tod. Die berühmtesten Lieder hießen: „Wenn
überzeugte Fatalisten davon aus, dass es scheißegal
ich sterbe“, „Weine nicht nach mir“ oder „Schwarzer
ist wie die Katze läuft, die Begegnung mit ihr bringt
Rabe“, wobei es nicht um einen vom Aussterben
in jedem Fall Unglück und Leid und vergiftet somit
bedrohten Vogel ging, sondern um den Raben als
das ohnehin komplizierte, nicht lenkbare Leben. Der
Symbol des baldigen Todes des Sängers. Wenn
Tod dagegen lässt sich weitaus besser lenken, man
Menschen beim Projektieren ihres Lebens nicht
hat mehr Freiheiten bei seiner Gestaltung, deswegen
vorankommen, schalten sie aus Verzweiflung auf das
wird in meiner Heimat gern und oft vom Freitod und
Projektieren des Todes um. Sie glauben, das Leben
nur selten vom freien Leben gesprochen. In Diktatu3
ren, in denen die Lebensplanung zusätzlich durch Staat
Nach Stalins Tod wurden seine Verbrechen öffentlich
und Führer erschwert wird, bekommt die Gestaltung
gegeißelt und zwar von den gleichen Menschen, die
des Todes eine übergroße Bedeutung. In totalitären
an diesen Verbrechen maßgeblich beteiligt waren.
Regimen ist es gefährlich, darüber zu reden, wie man
Niemand aus der Nomenklatura wurde verletzt, keiner
leben möchte, also reden die Menschen stets darüber,
von ihnen kam zu schaden. Der nächste Herrscher
wie sie gerne sterben würden, als Opfer oder Helden,
des Landes wurde ebenfalls problemlos entsorgt, vor
im Stehen oder im Liegen, für eine bessere Zukunft
den Augen des Volkes konnte das System sich immer
oder für eine schönere Vergangenheit. Das Blöde am
wieder neu erfinden. Wenn es in dem alten Anzug
Sterben ist, es ist eine einmalige Gelegenheit, die man
nicht mehr klappte, legten sie sich einen neuen zu.
später weder bereuen noch korrigieren kann. Eine
Nichts anderes geschah in den Neunzigerjahren, alle
fatalistische russische Volksweisheit lautet: „Man kann
Erneuerungen kamen von oben, der Sozialismus wurde
einmal Gehacktes nicht rückwärts drehen, aus einer
in Kapitalismus unbenannt, die Betriebe und Fabriken
Bulette wird kein Rind entstehen“. Doch auch Buletten
von ihren Direktoren privatisiert, die Parteisekretäre
haben Hoffnungen und Träume. In ihrer Verzweif-
verwandelten sich in Oligarchen, ansonsten blieb
lung drehen sie manchmal durch. Sie machen eine
alles so wie es war, es hieß nur anderes. Nirgends (mit
Revolution. Das ist in der Ukraine in der sogenannten
Ausnahme der baltischen Länder) gelang es dem Volk,
„postsowjetischen Überbrückungszeit“ passiert. Kaum
bürgerliche demokratische Institutionen einzurichten
jemand hat das von dieser ehemaligen sowjetischen
und ihre Führungskräfte unter Kontrolle zu bringen.
Republik erwartet. Das System in der sozialistischen
Unabhängige Gerichte, sozial wirksame Medien, poli-
Diktatur hatte sich erstaunlich wandlungsfähig
tische Opposition, all das ist ein Traum geblieben. Die
gezeigt, bei jeder Schwierigkeit konnte es sich immer
politische Kaste dient in den postsowjetischen Gesell-
wieder selbst verbrennen, einen Umbau, eine „Peres-
schaften als eine Art Airbag zwischen dem Kapital und
troika“ ankündigen und wie der Phönix aus der Asche
dem Volk, kassiert für ihre Vermittlungsleistungen von
neu erheben, mit den gleichen Passagieren am Bord.
beiden Seiten und korrumpiert sich ohne Ende. Gleich4
zeitig wurde den Menschen ein falsches Bild von De-
nie etwas anderes im Sinn hatten, als Russen und Uk-
mokratie vermittelt. Als wäre sie genau dieses feste
rainer auseinander zu bringen. Der Amerikaner war
Gebilde, eine Ansammlung von unausgesprochenen
schon immer in jeder Situation ein perfekter Feind,
Regeln und ungeschriebenen Gesetzen, die jeder
weit genug weg, aber immer zur Hand, wenn man
Bürger beachten, respektieren, „verinnerlichen“ soll,
ihn brauchte. Um die Revolution im eigenen Land zu
wie ein Fisch den Hacken verinnerlicht. Eine andere
verhindern überfiel Russland die Krim, begann einen
Demokratie würde es nirgendwo auf der Welt geben.
hinterhältigen inoffiziellen Krieg in der Ostukraine
Die Geschichte lehrt uns, man kann nicht auf Dauer so
um die eigene Bevölkerung zu desorientieren und
viele Menschen für so blöd halten. Irgendwann platzt
die ukrainische Revolution als eine plötzlich ausge-
ihnen der Kragen. Das ist in der Ukraine passiert.
brochene Epidemie des Nationalismus zu blamieren.
Zigtausende gingen auf die Straße und blieben den
Doch die Ukrainer hielten stand, sie gaben nicht auf,
ganzen harten Winter dort stehen, sie kehrten nicht
sie haben ihren schwarzen Raben verjagt und sangen
um. Zuerst dachte man, es seien Unruhen, Hooligans,
neue Lieder. Das System ist unglaublich zäh, auch
möglicherweise ein Putschversuch? Aber nein, es
heute sind in der Ukraine in den Führungsetagen
war die Revolution. Die Ukrainer wendeten sich auch
viele Funktionäre von damals, die wie gute Surfer
an ihre russischen Nachbarn „Russen steht auf!“ rief
auch die Welle der Revolution für sich nutzten. Es ist
die Menge auf dem Maidan. Das hat der russischen
noch zu früh, den Sieg des Volkes über ihre korrupte
Führung überhaupt nicht gefallen. Die Ex-Offiziere
Macht zu feiern. Die Revolution hat trotzdem bereits
der Staatssicherheit, die ganz nach der Tradition
einiges vollbracht, man erkennt das Land nicht mehr
dieses gequälten und geschundenen Landes niemals
wieder. Die Ukraine ist wirtschaftlich arm und vom
in ihre Ämter gewählt, sondern durch die Hintertür
Krieg gebeutelt, aber in seinem Geist ganz und gar
reingeschubst wurden, witterten Gefahr. Sie holten
Europa geworden. Ein Traum, den kein Präsident
ihre alten KGB- Lehrbücher und zitierten daraus: der
bisher verwirklichen konnte, wurde vom Volk aus
freie Wille der Ukrainer sei bloß von den feindlichen
eigener Kraft bewältigt. Die Politiker und Wirtschafts-
Amerikanern inszeniert und finanziert worden, die
bosse sind keine alleinigen Entscheidungsträger
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mehr, die öffentliche Meinung ist in der Ukraine
gewachsen, das zeigt die gute Musik, die die neue
sehr laut und stark und mischt sich kräftig überall
Ukraine macht, und die mein Freund Yuriy Gurzhy
ein. Die Menschen haben es geschafft, gehört zu
jetzt auf dieser Platte versammelt: Sie hat ganz
werden. Sie können durch unabhängige Medien und
neue Töne. Hören Sie den Sound der ukrainischen
bürgerliche Institutionen ihre Politiker kontrollieren.
Revolution - der neue Sound Europas.
Das Selbstbewusstsein des Volkes ist unglaublich
The Sound of the Ukrainian revolution —
the new Sound of Europe
Wladimir Kaminer
Where I come from, the music played by the govern-
imminent death. When people don’t get the chance
ment-owned radio stations always sounded hopeful
to evolve their lives they start configuring their death
and optimistic. It was the state’s attempt to create
out of desperation. They believe that life is a trap, an
the impression that their citizens and pastors lived
exhausting challenge every one of us must face and
together in harmony. Yet, the songs which the Soviet
that all life benefits won’t last. As a result, defeats
citizens sang in their small kitchens, on trains, on long
are passed on as valuable experiences to future
trips or in the forest around the campfire sounded
generations. Many important and precious things in
pretty different, they were melancholic and fragile
our life depend on the Black Raven, or worse, on the
and anything but optimistic. They were about the
black cat of fate. For example Germans, the world’s
senselessness of life, about misfortune, suffering and
famous optimists, believe that the cat’s way of crossing
death. The most famous ones are entitled ‘When I
their path determines their future: great if it’s from left
Die’ or ‘Don’t Cry for Me’. Or ‘Black Raven’ which isn’t
to right but heaven forbid if it’s the other way round!
about an endangered bird but symbolizes the singer’s
By contrast, Russians, being convinced fatalists, don’t
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give a damn in which direction the cat walks, it is the
announce a reconstruction, a ‘perestroika’, to rise like
encounter that brings misfortune and suffering and
Phoenix from the ashes with the same passengers on
poisons the already complicated and unmanageable
board. Actually, after Stalin‘s death his crimes were
life. Death, however, is much easier to handle, you’re
pilloried by the people who where heavily involved
free to choose its layout. That’s the reason why in my
in them. Nobody from the nomenklatura got ever
country people prefer talking about taking lives than
injured, was held accountable. The following leader
about flourishing lives. Dictatorships mess up your
of the country was easily removed, the system could
personal plans for the future, therefore, designing
repeatedly reinvent itself right before the people’s
your death becomes of great importance. In a
eyes. If it didn’t work out in the old suit, they just
totalitarian regime it is dangerous to talk about how
put a new one. The same happened in the nineties,
you want to live, that’s why people constantly talk
all changes were directed from above, socialism was
about how they’d like to die, either you die a victim
renamed capitalism, farms and factories got privat-
or a hero, in upright or lying position, for a better
ized by its directors, the Party Secretaries turned
future, for a more beautiful past. Too bad that dying is
into oligarchs, everything remained as it was, it just
a unique opportunity that can neither be repent nor
got renamed. Except in the Baltic countries, it was
corrected in hindsight. A fatalistic russian wisdom
impossible to establish civic democratic institutions
says: ‘Grounded meat can’t be reversed, a meatball
and bring their leaders under control. People could
will never be a cow again.’ But meatballs have hopes
only dream of independent courts, the effectiveness
and dreams, too. In sheer despair they freak out.
of social media, or a political opposition. In the
They start a revolution. This happened in the Ukraine
post-Soviet societies the political caste is like an
during the so-called ‘Post-Soviet transitional period’
airbag between the capital and the people, accepting
and hardly anyone had expected the former Soviet
kickbacks for their ‘services’ from both sides and
republic to do so. The totalitarian socialist system has
corrupts itself continuously while harbouring a false
proven itself to be surprisingly versatile, and, with
image of democracy. A democracy with a solid struc-
any problem appearing it was ready to burn itself, to
ture and a book of unspoken rules and unwritten laws
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to be respected and ‘internalized’ by every citizen, just
people and to stultify the Ukrainian revolution as a
like a fish internalizes its gaff, acting like no other type
sudden outbreak of nationalism. But the Ukrainians
of democracy exists in the whole world. History teaches
withstood, they didn’t give up, they chased away
us, that it’s impossible to fool so many people for such
their black raven and sang new songs. The system is
a long time. One day they explode. And that happened
incredibly stiff, even today the upper echelons of the
in the Ukraine. Thousands took to the streets, remained
Ukrainian leadership consist of functionaries of that
there throughout the harsh winter and didn’t give
time who managed to ride the tide of revolution in their
up. At first it was thought that this would cause riots,
favor. It’s still too early to celebrate the victory over
hooliganism, even an attempted coup. Wrong! This was
their corrupt power. Nevertheless, the revolution has
the revolution. The Ukrainians appealed even to their
already accomplished a lot, the country has changed
russian neighbors. ‘Russians, stand up!’ the crowd
significantly. The Ukraine is economically poor and
shouted on the Maidan. The Russian leadership did not
battered by the war but it is breathing in the spririt of
like that at all. The ex-State Security officers who, as it
Europe. A dream fulfilled by the people by relying on
is customary in this tormented and maltreated country,
their own strength and that hasn’t been achieved by
were of course never elected but shoved into their offic-
any president so far. Politicians and business leaders
es through the back door. They smelled danger. Again
are no longer the sole decision makers, the public
they started quoting from their old KGB textbooks: the
opinion in the Ukraine is strong and spoken aloud and
free will of the Ukrainian people was merely staged
contributed anywhere. The people have managed to be
and financed by the hostile Americans who clearly
heard. Independent media and civic institutions help
have never had other plans than to separate Russians
them to control their politicians. The self-confidence of
and Ukrainians. No matter what, the Americans have
the people got boosted. It is now expressed in the good
always been the perfect enemy, far away enough but
music produced in the new Ukraine and compiled on
handy if necessary. To prevent a revolution in their own
this record by my friend Yuriy Gurzhy: he presents us
country, Russia invaded Crimea and started a devious
brand new soundscapes. Here comes the Sound of the
unofficial war in eastern Ukraine to disorient its own
Ukrainian revolution — the new Sound of Europe.
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„Ethno-Chaos“ nennt die Kiewer Band DakhaBrakha ihre Musik. Es ist zwar schwer sich etwas
Konkretes darunter vorzustellen, aber sobald man sie für sich entdeckt, stellt man zwei Sachen fest
- erstens, nie im Leben hat man etwas Ähnliches gehört und zweitens… EthnoChaos? Doch, das trifft
zu! Authentisch auf ihre ganz eigene Art, einfach wie genial und mehr Groove als eine ganze Armee
von Techno-DJs - DakhaBrakha ist ohne Zweifel die erfolgreichste ukrainische Band außerhalb der
Ukraine. Mehrere Welttourneen, ausverkaufte Clubs und Theater von Paris bis nach Albuquerque,
begeisterte Fans, die oft kein Wort von den Songtexten verstehen – ein absoluter Triumph!
www.dakhabrakha.com.ua
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Gutsul Calipso gibt es seit 15 Jahren. Die Band kommt aus Czernowitz, der Hauptstadt der Bukowina. Czernowitz ist ein besonders magischer Ort im Karpatenvorland, in dem man bis vor dem
Zweiten Weltkrieg sowohl Ukrainisch, Deutsch, Rumänisch, Jiddisch als auch Russisch gesprochen
hat. Hier sind weltbekannte Autoren wie etwa Paul Celan, Rose Ausländer oder Itzig Manger, um
nur ein paar zu nennen, zur Welt gekommen. Eine multikulturelle, facettenreiche Stadt, zu der
Gutsul Calipsos Mix aus Funk, Reggae, Hip Hop und Folkmelodien wie die Faust aufs Auge passt.
Bis heute ist nur ein Album von Gutsul Calipso mit dem Titel „Racket Gangstera“ im Jahr 2007
erschienen. Der hier vorgestellte Song über die Abenteuer vom Onkel Pizza, ist eine Single von
2013. Hoffentlich beglücken uns die Jungs aus Czernowitz bald mit einem neuen Album!
https://www.facebook.com/GutsulCalips
10
Obwohl das Kozak System gerade erst ihr zweites Album rausgebracht hat, sind diese Herren keine
Newcomer. In der Ukraine kennt man sie nämlich als 6/7 der Band Haydamaky, die 15 Jahre lang
ihren kompromisslosen Ethnorock zum Besten gab. Nachdem der Sänger die Kollegen im Jahr 2012
verlassen hat, um mit anderen Musikern unter dem gleichen Namen zu spielen, entschloss sich der
Rest der Band weiter zu machen - als Kozak System. Der Akkordeonist Ivan Lenyo erwies sich als
charismatischer Frontmann, und die Songtexte lieferten die besten Dichter des Landes. Ihr nächstes
Album nahm Kozak System mit Taras Chubay auf, dem Kopf der Lemberger Band „Plach Yeremii“,
die bereits in den frühen Neunzigern Gedichte zeitgenössischer ukrainischer Autoren vertonte.
Zusammen machen Kozak System und Chubay militanten Reggaerock, der in vielen Aspekten an
die jamaikanischen Klassiker wie Burning Spear oder Culture erinnert.
http://www.kozaksystem.com/
https://www.facebook.com/TarasChubai
11
Würde man im Westen nach einer bekannten Band suchen, die Zhadan und Sobaki aus Charkiw
ähnelt, man würde wahrscheinlich nicht fündig werden. Die Band ist eine sonderbare Kombination
aus dem erfolgreichsten Dichter und Schriftsteller seiner Generation und einer Ska-Punk-New
Wave- Combo. Aus dem Experiment, ein paar Gedichte zu vertonen entstand ein spannendes Projekt, das sich bald zu einer richtigen Band entwickeln sollte. Hatte man beim Hören der ersten Platte noch das Gefühl, Literatur und Musik kämpften gegeneinander, so entdeckte man als geneigter
Hörer auf weiteren Veröffentlichungen immer mehr richtige Songs, mit Melodien und Refrains.
Aus einem musikalisch-literarischen Monster erwuchs eine Rockband, die Hymnen schreibt, deren
Refrains das Publikum im Westen wie auch im Osten des Landes im Chor mitsingt.
https://www.facebook.com/JadanDogs/
12
„The Night Songs From A Neighboring Village“ von Julian Kytasty & Michael Alpert ist eine ganz
besondere Platte. Ihr Thema sind die Gemeinsamkeiten der ukrainischen und der jüdischen Musik.
Die Recherche dazu wurde von zwei wahren Spezialisten geführt – Michael ist einer der wichtigsten
Protagonisten des amerikanischen Klezmer-Revivals der Siebziger, Julian ist der Vertreter einer
Banduristen-Dynastie. Bandura, das ist das nationale ukrainische Saiteninstrument, welches mit
seinem Klang an Domra oder Mandoline erinnert. Zur Bandura spielt Michael Alpert noch Geige
und Gitarre, und beide singen in ihrer Muttersprache, Ukrainisch und Jiddisch. Sanft und leise, und
plötzlich stellt man fest, wie schwierig es ist eine Kolomiyka aus den Karpaten von einem chassidischen Niggun zu unterscheiden. Bald ist es ohnehin egal, woher was kommt. Die absolute Harmonie
und die Magie sind überall zu Hause.
http://oriente.de/en/alpert-kytasty-en
13
Hört man das Duo 5nizza, könnte man auf die Idee kommen, Bob Marley und Manu Chao stammten eigentlich aus der Ukraine, aus Charkiw, wie die beiden Jungs selbst. Auch Erykah Badu,
Fugees, Nina Simone, Marvin Gay und eigentlich alles Schöne, was die internationale Pop- und
Rockmusik der letzten 40 Jahren hervorgebracht hat, wird sanft in den Songs dieser Band zitiert,
integriert und überarbeitet. Vor 10 Jahren gelang es diesem Duo, die Welt zu erobern - mit nur
einer Akustikgitarre und dem unfassbaren Charme ihrer Songs. Nach ein paar gemeinsamen
Jahren sind die Beiden schließlich getrennte Wege gegangen um mit verschiedenen Besetzungen
zu experimentieren und neue Platten zu veröffentlichen. 2015 jedoch, zur Freude Tausender Fans,
fanden die beiden wieder zueinander. Alles blieb beim Alten - absoluter Minimalismus, und diese
Glückseligkeit verleihenden Songs… Welcome back!
http://www.5nizza.com/
(Zaporozhets/Babkin) © & ℗ 5’nizza 2015 © & ℗ Lavina Music 2015
14
Der Sänger und Gitarrist Alexander Remez kommt aus Charkiw. Vor neun Jahren zog er nach
Kiew und gründete Ruki’v Bryuki, eine Band, die hundertprozentigen Retro-Sound macht. Das
ist Musik aus den Fünfzigerjahren, gespielt auf den Originalinstrumenten und mit viel Liebe zu
Eddie Cochran und Gene Vincent, Jump Blues und Swing. Aber in der Sowjetischen Ukraine gab
es diese damals nicht, also erfinden Ruki’v Bryuki klassischen Rockabilly neu, und ergänzen ihn
mit Texten auf Ukrainisch und Russisch.
http://www.ruki-v-bryuki.com/
15
Ganz oft haben Künstler, die in der Diaspora leben, kaum Kontakt zu ihrer Heimat. Die aus Lwiw
kommende Mariana Sadovska ist das absolute Gegenteil. Zwar lebt die diplomierte Pianistin und
Schauspielerin schon seit vielen Jahren in Deutschland, aber in der Ukraine ist sie nach wie vor
präsent, tritt dort oft auf und ist sehr beliebt und respektiert. Selten ist ein Künstler so vielseitig
wie sie, und noch seltener wirkt einer in allen seinen Facetten so überzeugend. Heute singt Mariana Volkslieder, während dazu New Yorker Jazz-Avantgarde-Götter wie Anthony Coleman und Frank
London spielen. Morgen tritt sie ganz allein vor den Soldaten im ostukrainischen Kampfgebiet
auf. Und wenige Tage später taucht dann im Netz ein Video auf, in dem man sie in Begleitung von
Kozak System sehen kann.
http://marianasadovska.com/
16
Vivienne Mort gibt es seit 2007. Es hat seine Zeit gebraucht, bis die Sängerin Danielle Zayushkina ihre Traumbesetzung gefunden und die erste EP herausgebracht hat. Das war im Jahr 2010.
Drei Jahre später folgte das Debütalbum. Seitdem sind Danielle und ihre Begleitband aber nicht
mehr zu bremsen, 2014 veröffentlichten sie das Album „Gotika“, eine starke Platte, die Vivienne
Mort zu Stars machte. Musikalisch balanciert die Band irgendwo zwischen Indie-Rock und
Barokko-Pop. 2015 brachte für Vivienne Mort eine ausverkaufte Tour durch 12 Städte der Ukraine, sowie die Titel „Album des Jahres“ und „Sängerin des Jahres“.
http://www.viviennemort.com.ua
17
Die Musiker dieser Band sagen über sich: „Hycz Orkestr spielt exotische Musik auf eigene aufdringliche Art.“ Eine extravagante Formulierung, aber sie trifft zu. Es fällt schwer, den Sound, den diese
acht Dandys aus Lwiw produzieren, zu beschreiben. Diese ungewöhnliche Musik spielen sie auf
Instrumenten, die für eine Rock-Combo eher untypisch sind. Cello, Geige, Trompete, Dudelsack.
Oft vertonen sie Texte von weniger bekannten ukrainischen Autoren. Das durchaus überzeugende
Ergebnis dieser Experimente hört man auf „Tselyi“, dem bis jetzt einzigen Album vom Hycz Orkestr,
das 2013 erschien.
18
Hudaki sind waschechte Dorfmusiker, deren Ruhm sich weit über die Dorfgrenzen verbreitet
hat. Ihre Heimat ist Transkarpatien, der westlichste, gebirgige Zipfel der Ukraine. Dort wird
nicht nur Ukrainisch, sondern auch Ungarisch und Rumänisch gesprochen, und so findet man
im Repertoire der Hudaki Songs in all diesen Sprachen. Nachdem ihnen Hochzeiten in den
umliegenden Dörfern zu klein geworden waren, reisen Hudaki seit 2004 in der ganzen Welt
herum. Überall wo sie aufspielen, wird das Publikum von Authentizität, Groove und Virtuosität
mitgerissen, die jedes Konzert zu einer großartigen Feier machen.
www.hudaki.org
19
Nach fünf Alben und hunderten Konzerten in der Ukraine, Polen, Russland, Israel und Westeuropa
genießt Perkalaba aus Iwano-Frankivsk den Status einer Legende – ihr Mix aus westukrainischer
Folklore, Reggae und Rock ist umwerfend und absolut einmalig. Trotz der Besetzungsänderungen
in den letzten 16 Jahren sind sie live nach wie vor ein EthnoPunk-Tornado. Diese karpatischen
Schamanen mit Cymbalom und Bläsern erzeugen auf der Bühne eine Energie, die jedes Publikum
verblüfft. Das Album „Dido“, auf dem „Tikhobivi“ zu finden ist, stellt einen Meilenstein in der
Diskographie der modernen ukrainischen Musik dar, der Sound ist stark und perfekt balanciert,
die Band ist ganz in ihrem Element.
http://perkalaba.com.ua/
20
Reggae mit allen seinen Subgenres, ist trotz des hypnotischen Rhythmus und den oft zarten
Stimmen, schon immer eine militante Musik mit klaren Botschaften gewesen. Die Reggae-Szene
der Ukraine ist nicht so groß und bunt wie zum Beispiel im Nachbarland Polen, aber es ist nicht
zu übersehen, dass immer mehr Reggae produziert wird. Raggasapiens ist ein Kollektiv, das
mit ihrem Konzept an Wu-Tang Clan erinnert. Unter der Raggasapiens-Flagge dürfen mehrere
Musiker mitmachen. Es ist nie ganz klar, wer heute auftritt, wer nicht. Alle sind gleichberechtigt
und spontan. Gerade ist das erste Raggasapiens-Album „Palaye Sontse“ erschienen. Im Song
„Maidan“ berichtet der MC Ned von seinen Erfahrungen und Eindrücken während den Unruhen
in seiner Heimatstadt Kiew im Winter 2013/2014.
https://www.facebook.com/Raggasapiens-1659077064380126
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Die Abkürzung OMFO steht für Our Man From Odessa. „Our Man“ kommt tatsächlich aus der Stadt
am Schwarzen Meer, lebt aber seit vielen Jahren in Amsterdam und hat sich schon immer für die
Musik exotischer Länder interessiert. Sein Musikgeschmack ist eklektisch und vereint Kraftwerk
mit tuvinischen Kehlgesängen und arabischem Pop der Sechzigerjahre. Alle diese Inspirationen
kann man auf den drei Alben, die er für Essay Recordings produziert hat, heraushören. Seine Vision
der ukrainischen elektronischen Musik, zwischen Folklore und Kosmos, ist einzigartig und heute
noch genauso aktuell wie vor 12 Jahren, als sein erstes Album erschien.
www.omfo.net
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Derbastler, der Veteran der Kiewer DJ-Szene und sein serbischer Kollege Ingvo sind ein Produzentenduo, das mit verschiedenen Sängern arbeitet. Ganz am Anfang ihrer Karriere hatten
sie noch keinen Masterplan und produzierten einfach aus Spaß und Liebe zu Balkanmusik und
House tolle instrumentale Tracks, die sie dann bei eigenen DJ-Sets auflegten. 2012 erschien ihr
erstes Album. Ihr neues Material vereint viele Stimmen, unter anderem die von Ruslana Khazipova, eine der Sängerinnen des angesagtesten Freak-Cabaret-Acts des Landes, Dakh Daughters.
https://www.facebook.com/MAMADIASPORA/
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feat. The Berlin Diaspora All Stars (Evgenia Kondratyuk,
Boris Gurzhy, Anton Berman, Kostia Rapoport)
Yuriy Gurzhy ist in Charkiw aufgewachsen und lebt seit 1995 in Berlin. Zusammen mit Wladimir
Kaminer fing er 1999 an, osteuropäische Musik in Berliner Clubs aufzulegen. 2003 erschien die
erste CD aus der Reihe „Russendisko Hits“, es folgten fünf weitere, unter anderem auch „Ukraine
Do America“ (2008). Wenn er nicht auflegt, singt Yuriy in der Band RotFront und schreibt Musicals.
Sein brandneuer Song „Born in UA“ ist von Uroš Petković produziert. Uroš ist eine Hälfte des Duos
Shazalakazoo, einer der angesagtesten Formationen der Balkan-Electro-Szene.
https://www.facebook.com/borninua
24
Weitere ausführliche Infos unter www.trikont.de/borshinfo
Zusammenstellung: Yuriy Gurzhy | Bandinfos: Yuriy Gurzhy
Mastering: Michael Heilrath | Artwork: Alexej Tchernyi
Danke schön: Evgenia Kondratyuk, Boris Gurzhy, Eva & Achim, Kirill Protsenko, Ruslana Khazipova, Pavlo Pushkar, Gleb
Palych, Serhiy Zhadan, Born in UA, Yurek Yakubov, Volodymyr Sherstiuk, Iryna Gorban, Mox Perkalaba, Denys Ned Kashei,
Mariana Sadovska, Alexandr Tall Guy Remez, Yuri Shutko, Pavlo Myhal, Andriy Rudik, Sania Thiry, Roman Matytschak, Julia
Marushko, Till Andreas Dunkel, Kostia Rapoport, Anton Berman, Vera Bagaliantz, Irakli Megre
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EthnoChaos, MaidanReggae,Ukrobilly
& OstBalkanPunk aus der Ukraine,
zusammengestellt von Yuriy Gurzhy
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TRIKONT Unsere Stimme – Our Own Voice
Kistlerstrasse 1 • Postfach 901055 • D 81510 München
℗ 2016 • © & ℗ TRIKONT • LC 04270 • US-0478
www.trikont.de • trikont @ trikont.de
CD 124702
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