NOTIFAX 09.05.2014 bis 16.05.2014
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NOTIFAX 09.05.2014 bis 16.05.2014
NOTIFAX 09-05-2014 bis 16-05-2014 Im Dossier befindet sich ein Artikel von Sergio Ramirez über den Interozeanischen Kanal. Die nächste Notifax kommt erst in zwei Wochen. POLITIK Das Thema der Familie wird im Dialog Priorität haben Auszug aus La Prensa 10-05-14 Am 21.Mai wird der Dialog zwischen den katholischen Bischöfen und dem verfassungswidrigen Präsidenten Daniel Ortega in der Apostolischen Nuntiatur in Managua stattfinden. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Monseñor René Sándigo, erklärte, dass es in der katholischen Kirche große Sorgen um die Familien gebe, deshalb werde dieses Thema bei den Gesprächen Priorität erhalten. Die Stärkung der Familienwerte "müssen in dem Dialog behandelt werden, da diese Gesellschafr Familien mit Werten nötig hat, in denen Respekt herrscht und in denen man die Normen und Gesetze achtet", erklärte Sándigo, Bischof der Diözese Chontales und Río San Juan. Das Thema der Rechtstaatlichkeit sei jedoch auch Teil der Gesprächsthemen. “Die Frage der Rechtstaatlichkeit können wir zweifellos nicht außen vor lassen, aber wir wollen auch nicht, dass das Thema der Rechtstaatlichkeit, das sehr wichtig ist, uns die anderen Themen trübt, die auch sehr wichtig sind. Mich z.B. sorgt das Thema der Moral und der Ethik in den Institutionen, weil es z.B. ethisch ist, das Gesetz und die Normen zu respektieren. Es ist ethisch, das Glaubensbekenntnis der Individuen zu respektieren", meint Sándigo. Nach Meinung Sándigos ist das Treffen mit Ortega "kein Treffen konträrer Parteien", sondern “ein Treffen bei dem beide Seiten Ziele, Gemeinsamkeiten, gemeinsame Aufgaben haben und wir glauben, wenn wir uns in der einen oder anderen Sache abstimmen werden, können wir viel für unser Land erreichen". Bischof Sándigo berichtete auch, dass der emeritierte Bischof von Managua, Kardinal Miguel Obando y Bravo an den Gesprächen teilnehmen würde. Er sagte aber nicht in welcher Mission. Hierzu erklärte Kardinal Brenes, dass sich niemand als Mediator an dem Gespräch mit Ortega beteiligen würde. Kardinal Brenes bestätigte, dass es zwar verschiedene Themen gebe, dass aber die Frage der Familie Priorität habe. "Wir haben immer darauf gedrängt, dass die Frage der Familie uns alle interessieren muss und deshalb haben wir dieses Jahr der Familie gewidmet. Es unser aller Verantwortung, dass sich die Familien schützen und erziehen, weil wir nur so eine gute Gesellschaft sein können". Obwohl Monseñor René Sándigo nicht sehr gut über das Kanalprojekt und die Beteiligung Russlands informiert sei, so zeigte er sich doch sehr an diesem Projekt interessiert: “Das Thema des Kanals weckt große Hoffnung. Nicaragua braucht viel Beschäftigung, aber es wäre frustrierend, wenn man ein so großes Projekt, wie dieses, anpackt und danach nichts daraus wird. Das weckt falsche Erwartungen und desillusioniert das Volk", sagte Sándigo. Es sei unumgänglich, über das Kanalprojekt zu sprechen. "Ich bin einer der Bischöfe, die daran das größte Interesse haben, weil der Kanal meine ganze Diözese von Chontales und Río San Juan durchquert. Aber wir müssen die Machbarkeit des Projekts abwarten, damit wir uns darüber klar sein werden". Die Agenda für den Dialog wird nicht veröffentlicht Auszug aus La Prensa 14-05-14 Der Sekretär der Bischofskonferenz, Monseñor Silvio José Báez, gab bekannt, dass die Themen, über die die Kirche mit der Regierung sprechen möchte, nicht vor Beendigung des Dialogs bekannt gegeben werden, um mögliche Manipulationen zu vermeiden. "Wir gehen nicht als Diplomaten oder als Politiker, sondern als Männer Gottes und Hirten, die unser Volk lieben. Deswegen möchten wir, dass das ganze Volk Gottes mit uns an dem Treffen teilnimmt, damit es die Kirche ist, die durch uns mit denen spricht, die im Moment die Macht innehaben", sagte Báez. Der Pfarrer sagte, die Regierung habe ihre Bereitschaft gezeigt, diesen Dialog zu führen und sie anzuhören. POLITISCHE KULTUR Die Hand des Caudillo Aus Confidencial 12-05-14 Die neue Landschaft der Hauptstadt ist geprägt von riesigen Porträts und den von der Ersten Dame entworfenen "Lebensbäumen". Das alte 1972 vom Erdbeben zerstörte Zentrum von Managua hat gerade mit der überraschenden Zerstörung des Leuchtturm des Friedens, eines der Monumente verloren, das an das Ende des Bürgerkriegs erinnerte und von der ehemaligen Präsidentin Violeta Barrios Chamorro (1990-1997) errichtet wurde. Nicht einmal seine Ruine ist noch sichtbar, weil das Rathaus von Managua sofort angeordnet hatte, mit schwarzer Plane die Frontseite des Parks abzudecken, der über dem Grab der 15.000 Gewehre geschaffen wurde, die Chamorro dort fünf Monate nach ihrem Wahlsieg vergraben ließ. Eine ihre stärksten Gesten zur Konsolidierung des Friedens. Die Avenida Bolívar, die wenige Meter entfernt am See endet, mag als Spiegel für das dienen, was da die Hand des Caudillos in Managua hinterlässt: eine Anpflanzung von Bäumen aus gelbem Blech, die sich über einen Kilometer Länge ausstreckt und des Nachts auf Wunsch der Ersten Dame erstrahlen oder die paarweise aufgestellten Porträts der Helden des Vaterlands: Ortega mit Sandino, der Dichter Rubén Darío zusammen mit dem Begründer der Frente Sandinista, Carlos Fonseca Amador. Den Abbruch des Friedesturmes in der Nacht des 3.Mais hatte Ortega angeordnet, nachdem der Generalsekretär der Stadtverwaltung Managuas, Fidel Moreno, erklärt hatte, dass die Statue von dem vorhergegangen Erdbeben beschädigt worden sei. Die Glaubwürdigkeit dieser Rechtfertigung brach jedoch zusammen, als er gleichzeitig den Abbruch der Konzertmuschel ankündigte, die für künstlerische Darbietungen vom früheren sandinistischen Bürgermeister Herty Lewites gebaut wurde, der bis zu seinem Tode einer der schärfsten politischen Gegner Ortegas war. Fünf Tage hielt das Monument, das laut offizieller Darstellung vom Erdbeben zerstört war, den schweren Baumaschinen stand. Was die wahren Motive des Rathauses in einem zweifelhaften Licht erscheinen läßt. Alma Nubia Valle, 51 Jahre alt und Besitzerin einer Pulpería im Barrio Batahola Sur gefällt die Idee, das Monument abzureißen, überhaupt nicht. "Für uns war das der Park des Friedens. Wenn sie uns den wegnehmen, sagen sie uns, dass wir uns nicht mehr erinnern sollen". Ihre Familie hat ihm Krieg drei Angehörige verloren. Sie lebte in Terrabona, einer ländlichen Gemeinde Matagalpas, als sie im Fernsehen das Vergraben der Waffen am 14.Sept 1990 sah. An diesem Tag sah Präsidentin Chamorro zu, wie der Scheiterhaufen der Waffen vor dem Generalsekretär der OAS, Joao Baena Soares, brannte. Weil sie aufgrund der Entfernung nicht dabei sein konnte, versprach Valle, ihre Kinder einmal zu diesem Platz zu bringen und ihren Kindern zu erzählen, wie “Doña Violeta gewonnen hat”. Vor zwanzig Jahren hat sie dann Wort gehalten. Das ehemalige Mitglied der Generalstabs der Contra, Boanerges “Pepe” Matus, jener von der USA bezahlten Bande, die gegen das Sandinistische Volksheer kämpfte, meint, dass man sich an diesen Tag ebenso erinnern müsse, wie an die Übergabe der Waffen in San Pedro de Lóvago, als eines der wichtigsten Ereignisse für den Frieden. “Zu diesem unglaublichen Ereignis waren Menschen aus ganz Nicaragua zusammen gekommen. Nicht nur Familienangehörige der Kämpfer, sondern auch alle, die wir bewaffnet verwickelt waren. Hier haben wir alle unsere Waffen an Doña Violeta abgegeben. Die Waffen wurden zerstört und in das Denkmal des Friedens gelegt", erzählt Matus, der an diesem Tag Israel Galeano, den Comandante Franklin, begleitet hatte, woran er sich heute mit starken Gefühlen erinnert. Matus sagt, dass er damals eine große Freude empfunden habe, weil er sich wieder mit seiner Familie treffen konnte, anderseits schmerzt ihm die Erinnerung all die Freunde, die gestorben sind, ohne das Ende des Konflikts erleben zu können. Das Monument wurde seinerzeit vom Entwicklungsprogramm der UN in einem Wettbewerb ausgeschrieben und hatte 1,2 Millionen Dollar gekostet. Generalmajor i.R. Manuel Salvatierra, ehemaliger Chef der sandinistischen Luftwaffe ist der Meinung, dass das Denkmal keinerlei Relevanz gehabt habe, wenn er auch anerkennt, dass es den Willen Chamorros widerspiegelte, den Frieden herzustellen. Die Geschichte der wegen politischer Rivalität geschleiften Denkmäler hat schon einen Vorläufer in der Entfernung der tanzenden Springbrunnen durch Ortega, die von Aleman auf dem Platz gebaut wurden, der vorher Platz der Republik und später der Revolution genannt wurde.. Alemán, der wegen seiner Korruption besser bekannt ist, hatte schon zuvor all die Mauern abreißen lassen, die während der Revolutionsdekade mit künstlerischen Wandgemälden versehen worden waren. Die Anordnung, die Vergangenheit zu seinen eigenen Gunsten auszulöschen, ist ein Laster, das sich wiederholt. IWF Die Zentralbank verzichtet auf die Abkopplung vom Dollar Auszug aus La Prensa 15-05-14 ZentralbankPräsident, Ovidio Reyes, erklärte in einer Pressekonferenz, man verzichte auf die Abkoplung der nicaraguanischen Wirtschaft vom Dollar. Man respektiere dsie Präferenz, die verschiedene Teile der nicaraguanischen Wirtschaft dem Dollar geben. Man versuche aber die eigene Währung zu Stärken und suche dabei Hilfe beim IWF. Der Leiter der Delgation des IWFs, die sich derzeit in Nicaragua befindet, hob die Stabilität der nicaraguanischen Volkswirtschaft und die guten langfristigen Aussichten des Landes hervor. (Kurz vor dem Besuch der Delegation des IWFs hatte die Zentralbank noch die Abkopplung vom Dollar, als eines ihrer Hauptziele, erklärt. s.Notifax 2014-19) GEWALT GEGEN FRAUEN Fast 10.000 Anzeigen von Frauen Auszug aus La Prensa 12-05-14 Ca. 60 Anzeigen wegen innerfamiliärer Gewalt gehen durchschnittlich im Monat in jedem der 162 Frauenkommissariate des Landes ein. Das sind ca 9.720 Frauen. Wie viele davon aber vor Gericht kommen und wie viele der Täter straffrei bleiben, darüber wisse man nichts, klagte Reyna Rodríguez vom Frauennetzwerk gegen Gewalt RMCV. Ebenso wenig wisse man, wie viel Geld der Staat für den Kampf gegen Gewalt zur Verfügung stelle. Rodríguez berichtete, dass die Frauenorganisationen immer wieder darüber geklagt haben, dass viele Frauen erneut zum Opfer des Staates würden, weil dieser ihnen nicht den Schutz gebe, den sie verdienten und weil nicht in Übereinstimmung mit dem Gesetz 779 gehandelt werde. “Viele der Opfer verlassen das Frauenkommissariat ohne eine Kopie ihrer Anzeige erhalten zu haben, obwohl das Gesetz dies vorschreibt. Das kommt auf den Polizeistationen ständig vor und führt dazu, dass andere Frauen erst gar keine Anzeigen wegen ihrer Misshandlung aufgeben". Rodríguez berichtete, man habe sich diesbezüglich bereits an die Erste Kommissarin Aminta Granera gewandt, die um Informationen über die Einzelfälle bat. Die Menschenrechtsorganisationen hatten bereits diese Klagen in der vergangenen Woche bei der Überprüfung der Menschenrechtslage in Nicaragua durch die UN in Genf vorgetragen. Insbesondere kamen dabei die Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Gesetzes 779 zur Sprache, welches auch die Mediation erlaubt.Die von der Menschenrechtskommission gemachten Vorschläge hatte die nicaraguanische Regierung (mit Hinweis auf ihre Souveränitätsrechte M.R.) zurückgewiesen. Rodríguez klagte, dass fünf der 30 in diesem Jahr ermordeten Frauen zuvor eine Mediation mit ihrem Mörder durchgeführt hatten. Ein weiteres Problem sei, dass es keine Angaben darüber gibt, wie viel Geld der Staat zur Lösung dieses Problems bereit gestellt habe. So hätten z.B. die 162 Frauenkommissariate kein Budget für Erziehungsprogramme zur Prävention von Gewalt in den Gemeinschaften. “Das Gesetz mag ja gut sein, doch wenn man es nicht konsequent anwendet, dann fördert man die Straflosigkeit, macht die Frauen erneut zu Opfern und verhindert weitere Anzeigen, da man sieht, dass der Staat angesichts dieser Situation nachlässig ist." Nicht zu übersehen ist, dass alle bestehenden Frauenkommissariate durch ausländische Hilfe aufgebaut wurden, was zeigt, dass der Staat bisher nichts investiert hat, um die Gewalt in den nicaraguanischen Familien zu stoppen. Auch der Zugang zur Justiz ist weiterhin ein wichtiges Thema. Die Verhandlungen müssten mehr humanisiert werden, damit die Opfer dem Gerichtsprozess auch folgen könnten und nicht entmutigt werden. In einigen Fällen seien Polizisten die Täter, was manchmal dazu führe, dass sie sogar von ihren Arbeitskollegen geschützt werden würden. “Wenn sie den Mann kennen, verweigern sie der vergewaltigten Frau die Hilfe. Wegen dieser Fälle gibt es bereits Anzeigen beim Büro des Menschenrechtbeauftragten, dem Obersten Gerichtshof und den Frauenkommissariaten. Wir warten noch auf Antwort", sagte Rodríguez. SOZIALES Die Polizei vertrieb Händler, die vor der Zollverwaltung demonstrierten Auszug aus La Prensa 14-05-14 Über 100 Sonderbereitscaftspolizisten vertrieben Dutzende von Händlern, die vor der Zentrallverwaltung des Zolls demonstrierten, weil ihre Waren im Wert von 50 Millionen Cordobas noch immer im Zoll liegen. Der zweite Chef der Nationalpolizei in Managua, Subkommissar Pablo Emilio Ávalo, rechtfertigte die Aktion damit, dass man die Ordnung wieder habe herstellen müssen, nachdem die Straße fünf Stunden lang blockiert und zwei Wachtposten angegriffen worden seien. 15 Händler wurden zu verschiedenen Polizeirevieren gebracht, um dort verhört zu werden. DOSSIER Sergio Ramirez Ein chinesisches Märchen, erzählt von einem Kräuterhändler Wang Jing könnte man für einen gelassenen Meister der Kriegskunst Wushu halten, ein wenig korpulent mit rasierten Schläfen, wie er da im Glanz der Scheinwerfer der Regierungsmedien steht, die an jenem Abend des 14.Juni 2913 im Festsaal der Casa del Pueblo erstrahlten, die sich da an der Vorderseite der verlassenen Plaza de la Revolución in Managua erhebt. Mitten in der Regenzeit dringt der Gestank der Kloaken, die der lauwarme Wind vom benachbarten Lago Xolotlán herüberweht, in den die Abwässer der Stadt münden, nicht in die gekühlten Räume des Gebäudes, das so bunt bemalt ist, wie ein Spielzeug von Fisher Price. Auf einer der Seiten des selben Platzes befindet sich die hauptstädtische Kathedrale, die bei dem Erdbeben schwer beschädigt wurde, welches Weihnachten 1972 Managua dem Erboden gleichmachte. Und auf der anderen Seite der Nationalpalast, der 1978 von der sandinistischen Guerilla in einer spektakuläre Operation besetzt wurde, die die Diktatur des letzten Somoza in die die Knie zwang. Eigenartigerweise, hat er den gleichen Namen wie einer der Protagonisten des klassischen Romans des 19.Jahrhunderts Die Räuber vom Liang Schan Moor, einer Räubergeschichte aus der Songdynastie. In einer der Episoden fällt der gütige Song Jiang in die Hände von Wang Jing, einem lasziven, ungeduldigen und groben Menschen mit dem Namen "Zwergtiger", der den Befehl gab, ihm Leber und Herz herauszuschneiden, um damit eine Suppe zuzubereiten. Aber dann ließ er ihn laufen. Die Räuber vom Liang Schan Moor sind im Mandarin unter dem Titel Jianghu Haoke Zhuan bekannt, die Zeichen des Wassers. Und von Wasser und Moor sprechen wir. Weil der Wang Jing des 21. Jahrhunderts bereit zu sein scheint, einen der größten Seen der Welt, den großen Nicaraguasee, durch den Großen Kanal über eine Zeit hinaus in ein Moor zu verwandeln, die weit über sein eigenes Leben hinausgeht und der das Schicksal von Nicaraguanern bestimmt, die noch nicht einmal geboren sind. Es scheint ein tragisches Schicksal zu sein, dass das Geschick des Landes Jahrhundert auf Jahrhundert mit ausländischen Abenteuern verbunden ist. Betrug, Raub, Ruin, Zerstörung, und stets das gleiche Elend. Und wenn nicht, sehen wir nach, wie die Sterne stehen. Wang Ying kam 1972 in Beijing auf die Welt, dem gleichen Jahr in dem am Vorabend des Weihnachtsfestes ein Erdbeben innerhalb von 30 Sekunden dem Erdboden gleichmachte. Und heute vierzig Jahre später taucht diese Person einer neuen Generation chinesischer Konquistadoren aus der Anonymität auf, um Nicaragua mit einer noch größeren Tragödie zu bedrohen. Ein riesiges Porträt Mao Tse Tungs hängt im Sitzungssaal seiner Firma Xinwei Telecom Entreprise Group in Hong Kong, obwohl er sich veranlasst sah, den Journalisten Kathrin Hille und John Paul Rathbone von der Financial Times zu versichern, dass er nicht Mitglied der Kommunistischen Partei sei. Sein Kapital wird von Bloomberg auf 2,950 Milliarden Dollar geschätzt. Die Beteiligung von Wang an Xinwei wird auf 1,1 Milliarden Dollar geschätzt und der Rest der Aktien gehören der riesigen staatlichen Datang Group. Nicht genug, um ihn unter die mächtigen Multimilliardäre zu zählen, die unter dem fröhlichen von Xen Xiaoping 1992 ausgegeben Motto “Geht und bereichert euch” entstanden sind. Tatsächlich war Wang Jing schon ein Jahr zuvor im September an der Hand von Laureano Ortega in Managua aufgetaucht, der nicht nur als Operntenor mit aus Italien hergeholten Ensembles im Nationaltheater auftritt, sondern auch von seinem Vater beauftragt ist, die ausländische Investitionen zu fördern. In jenem Jahr gewann Xinwei eine Ausschreibung für den Ausbau eines Mobiltelefonnetzes mit der Lizenz von McWill, das das gesamte Territorium Nicaraguas mit einer Investition von 2 Milliarden Dollars innerhalb von drei Jahren versorgen sollte. Gegenangebote gab es keine, weil die ausgeschriebene Übertragungsfrequenz nur in China verwandt wird. Die Arbeiten am Netz, die den Bau von 500 Türmen beinhalten, haben nie begonnen und die Webseite von McWill ist ständig blockiert. Auch in der Ukraine wartet man noch darauf, dass Xinwei sich daran macht, die schon vor Jahren erteilte Konzession umzusetzen. Und jetzt taucht dieselbe Person plötzlich als Besitzer der Kanalkonzession auf, neben der der Chamorro-Bryan-Vertrag wie eine Kleinigkeit wirkt. Wang gefällt die hochtönende Rhetorik. Bloomberg zitiert ihn wie folgt: "Vereinen wir unsere Hände zum Klang der Selbstüberwindung der Menschen". ****** Zwei der am meisten verfluchten Figuren der nicaraguanischen Geschichte sind Adolfo Diaz, zweimaliger Präsident unter der militärischen Intervention der USA im ersten Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts und Emiliano Chamorro, der ebenfalls zweimal Präsident unter der selben Intervention war, beides Caudillos der konservativen Partei. Am 5.August 1914 unterschrieb Chamorro als Botschafter von Diaz in Washington einen Vertrag mit Staatssekretär William Jennings Bryan, nach dem die Vereinigten Staaten, "für alle Zeit gebühren- und steuerfrei das exklusive, notwendige und zweckmäßige Eigentumsrecht für den Bau, Operation und Unterhaltung eines Interozeanischen Kanals auf der Route Rio San Juan und der Nicaraguasee sowie jeder anderen Strecke über nicaraguanisches Territorium" erhielt. Durch diesen Vertrag wurde auch für 99 Jahre, die verlängert werden konnten, die beiden karibischen Inseln Great und Little Corn Island verpachtet und das Recht erteilt, im Golf von Fonseca an der Pazifikküste eine Marinebasis einzurichten. Als Gegenleistung erhielt Nicaragua 3 Millionen Dollars, die gegen eine Schuld aufgerechnet wurden, die das Land bei den USA hatte. Der Nationalkongress ratifizierte den Vertrag und diejenigen, die sich ihm widersetzten, konnten an der Sitzung nicht teilnehmen, weil die Zugverbindung mit León, wo die Mehrheit der liberalen Gegner lebte, an diesem Tag unterbrochen war. General Augusto C. Sandino, der sich 1927 gegen die bewaffnete Besetzung durch die USA erhob und mit seiner Armee zur Verteidigung der nationalen Souveränität einen Widerstandskrieg auslöste, der bis 1933 andauerte, schrieb: “Man hat uns unsere Rechte an den Kanal geraubt. Theoretisch bezahlte man uns drei Millionen Dollar. Nicaragua oder besser gesagt die Banditen, die die Regierung damals kontrollierten, erhielten mit Hilfe Washingtons einige Tausend Pesos, die unter alle nicaraguanischen Bürger aufgeteilt, nicht einmal ausgereicht hätten, sich eine Sodatablette und eine Sardine zu kaufen. Die Diskussionen über diesen Verkauf fanden hinter verschlossenen Türen in einem Bastardkongress statt, der von konservativen Soldaten bewacht wurden, die von Yanquibajonetten unterstützt wurden. Mein Vater wurde eingesperrt, weil er gegen den Chamorro– Bryan-Vertrag protestierte…” Der Name Bryans blieb Dank des Vertrags mit der nicaraguanischen Geschichte verbunden, aber in den USA erinnert man sich noch besser an ihn wegen des berühmten "Affenprozesses" der 1925 in Dayton, Tennessee, stattfand und in dem er als Ankläger des Schullehrers John Thomas Scopes auftrat, der seine Schüler gemäß der Evolutionstheorie Darwins unterrichtete, dass der Mensch vom Affen abstand. Der Chamorro-Bryan-Vertrag wurde nie umgesetzt, weil es der Regierung Woodrow Wilsons darum ging zu verhindern, dass irgendein anderes Land eine Konzession für die nicaraguanische Route bekomme, da der Panamakanal im gleichen Jahr eröffnet wurde. Aber er brachte seinen Protagonisten Diaz und Chamorro die verächtlichste Bezeichnung im nicaraguanischen Lexikon ein, den von Sandino geprägten Begriff des Vaterlandsverkäufers. ***** Auf dem Podium gibt es eine verschwenderische Fülle an Blumen, als handle es sich um einen Altar. Daniel Ortega erscheint lächelnd an der Seite Wang Jings im Scheinwerferlicht. Er glänzt in einer Wildlederjacke ohne Krawatte, aber die trägt er schon seit Jahren nicht mehr, nicht einmal bei noch feierlicheren Anlässen wie diesem. Zusammen mit seinem Gast unterzeichnet er den Kanalvertrag, der jetzt als Ortega-Wang-Vertrag bekannt ist. “Jetzt befindet er sich unter uns, mit Fleisch und Blut, unser Bruder Wang Jing. Hier ist das Phantom mit Fleisch und Blut zusammen mit einer Delegation, die auch aus Fleisch und Blut ist", sagte Ortega. So groß waren die Zweifel daran, dass sein Gesellschafter aus dem weit entfernten Hongkong tatsächlich existiert, denn wenige erinnerten sich an seinen ersten Besuch. Die Nicaragua Canal Development Investment Company (HKC), deren einziger Inhaber Wang Jing ist, wurde im August 2012 mit einem Kapital von 1,3 Milliarden Dollar gegründet und hat seinen Sitz im Kowlon Building in Hong Kong. Neun Monate später, im Mai 2013, und kurz vor dem Wiederauftauchen von Wang in Nicaragua kündigte die HKC ihren Umzug in einen der Türme des luxuriösen Two International Finance Center an. Eine weitere Parallelgesellschaft, die HKND Group Holding Limited, wurde im November 2012 auf den Caimáninseln eingetragen, einem der bequemsten Finanzparadiese der Karibik. Und im gleichen Monat wurde in Managua die Entwicklungsfirma für große Infrastrukturmaßnahmen im Anwaltsbüro Taboada und Partner eingetragen. Der absolute und einzige Inhaber dieser Papierfirmen war Wang Jing. Aber es fehlte noch der große Zauberakt, der für jenen Abend des 14. Junis reserviert war. Laut dem Ortega-Wang-Vertrag, tritt Nicaragua für die Dauer von hundert Jahren der HKND die totalen Rechte für Bau und Nutzung des großen interozeanischen Kanals ab, der durch Jahrhunderte in der Einbildung der Nation gefangen war, manchmal schlief sie begleitet von unruhigen Träumen, manchmal wachte sie auf. Im gleichen Packet. in durchsichtiges Zellophan eingehüllt. kommt eine Eisenbahnlinie von Küste zu Küste daher, internationale Flughäfen, Seehäfen auf jeder Seite und Freihandelszonen. Es ist ein unilateraler Vertrag, da es vonseiten des Konzessionärs Wang keine Verpflichtung gegenüber Nicaragua gibt, außer der ihm einmal im Jahr höchstens 10 Millionen Dollar zu zahlen und darüber hinaus noch jährlich 1% der Aktien zu übertragen, bis alles nach hundert Jahren übergeben ist. Als wäre es eine Kopie des Vertrags der Vergangenheit, gibt Nicaragua jede juristische, administrative, arbeits- und sicherheitsrechtliche, migratorische, fiskalische und monetäre Autorität in den vom Kanal genutzten Territorien ab und es verzichtet auf seine monetäre Souveränität, da die Finanzreserven der Zentralbank als Sicherheit für jede Nichterfüllung des Vertrags seitens des Staates gepfändet sind: Es ist die einzige Stelle des Vertragstextes, in der das Wort Souveränität erwähnt wird. Der Konzessionär kann auch Privatland, das er benötigt, zu einem Preis konfiszieren, mit dem es im Grundbuch steht und sich öffentliches Land nehmen, ohne etwas dafür zu zahlen. Bryan, der sich geweigert hatte, anzuerkennen, dass der Mensch vom Affen abstammt, hätte es nicht besser machen können. Der Jurist Alejandro Serrano listet 17 Verfassungsbrüche auf und meint, dass der Vertrag, der jetzt Gesetz ist, die Hoheit der Nation ersetze. Außerdem solle die Verfassung in kürzester Zeit den Erfordernissen des Vertrags angepasst werden. Bevor er unterschrieb, sagte Ortega mit der Feder in der Hand einige Worte, die in den Sockel seines Denkmals eingemeißelt werden sollten: "Die Souveränität ist verletzbar....Wenn es Armut gibt, wenn es extreme Armut gibt, wenn es wirtschaftliche Abhängigkeit gibt, gibt es keine Souveränität...für Sandino, für Darío, für dieses Volk voll so vieler Opfer und Schmerzen … Es ist der Tag gekommen, die Stunde das gelobte Land zu erreichen!” Nach Berechnungen des Wang betragen die Kosten für den Großen Kanal 40 Milliarden Dollar, das ist fünfmal mehr als das Bruttosozialprodukt Nicaraguas, welches nach Aussagen des Präsidentenamtsministers Paul Oquist alleine in den ersten Jahres des Kanalbaus um 10 bis 14% jährlich wachsen wird. Nicaragua wird sich nach Meinung des offiziellen Sprechers von Wang, des Bolivianers Ronald MacLean, ehemaliger Finanzminister des Generals Hugo Banzer, in "das reichste Land Mittelamerikas" verwandeln. Die Nationalversammlung verabschiedete pünktlich innerhalb von 72 Stunden den Vertrag, ohne dass es notwendig gewesen wäre, zur Verhinderung der Stimmabgabe der Dissidenten die Zugverbindung zu unterbrechen, da die Eisenbahn schon vor Jahren aus Nicaragua verschwunden ist. Und wenn er in irgendetwas den Chamorro-Bryan-Vertrag übertraf, dann war es, dass er in La Gaceta, dem offiziellen Gesetzesblatt, am 24.Juni 2013 in Englisch veröffentlicht wurde. Etwas, das seit William Walker, dem in Tennessee geborenen Filibuster nicht mehr geschehen war, der sich 1855 des Landes bemächtigte und den El Nicaragüense herausgab, in dem ebenfalls offiziell die Gesetze und Dekrete auf Englisch veröffentlicht wurden. ***** Niemand wusste, wer Mark Twain war, als er zwischen Weihnachten 1866 und Neujahr 1867 von San Francisco kommend auf dem Weg nach New York durch Nicaragua reiste. Er war 31 Jahre alt, hatte noch kein Buch geschrieben und reiste unter seinem wahren Namen Samuel Langhome Clemens. Er landete im Hafen von San Juan del Sur an der Pazifikküste, nahm sich eine von Mauleseln gezogene Kutsche, die ihn auf dem Landweg bis zum Hafen La Virgen am Westufer des Nicaraguasees brachte, um dann auf einem Raddampfer, wie die vom Mississippi, bis zum Hafen San Carlos zu reisen, wo die Wasser des Sees in den San Juan münden. Danach setzte er die Reise in einem kleineren Dampfschiff über den Fluss bis zum Hafen San Juan del Norte bzw Greytown in der Karibik fort, wo er sich nach New York einschiffte. An diese Überfahrt erinnert er in seinem Buch 'Reisen mit Mr. Brown', einem Buch, das seine Briefe enthält, die er in der Zeitschrift 'Alta California' in San Francisco geschickt hatte. Er war einer der tausenden von Passagieren, die auf der Transitroute reisten, die der Kommodore Cornelius Vanderbilt geschaffen hatte, nachdem man 1848 in Sutter´s Mill Gold entdeckt hatte. Über 300.000 Menschen brachen nach Kalifornien auf. Einige riskierten den kontinentalen Weg von Küste zu Küste durch die USA, andere machten den Weg über das Kap Horn oder andere mit der Transozeanischen Eisenbahn über den Isthmus von Panama, die 1855 ihren Betrieb aufgenommen hatte, und schließlich den schnellsten, billigsten und sichersten Route durch Nicaragua, die Vanderbilt noch reicher und mächtiger machte, als er eh schon war, da auf ihr über 100.000 Passagiere hin- und zurück reisten. Vanderbilt und seine Gesellschafter erhielten 1849 von der nicaraguanischen Regierung eine Konzession für die Transitroute und den Bau eines interozeanischen Kanals. Als Gegenleistung erhielt sie die Zusage einer Zahlung in Höhe von 10.000 Dollar jährlich und 1% des Erlöses, die nie gezahlt wurden. Es war einer der über 20 Versuche, gebrochenen Versprechen oder Projekte mit Firmen und Konsortien, die plötzlich aus dem Nichts auftauchten, US-amerikanische, holländische, französische, englische, deutsche und jetzt chinesische, die sich seit 1824 einander ablösten, als die Gesellschaft Barclay, Herring Richardson & Company den ersten Vorschlag machte. 1856 verlor Vanderbilt die Konzession, weil einer seiner Kompagnons, Charles Morgan, sich mit William Walker, dem Herrn des Landes, verbündete. Eine wahre Schlacht unter Haien, in der Walker am Ende verlor, weil Vanderbilt mit Waffen und Munition den mittelamerikanischen Armeen half, ihn aus Nicaragua hinauszuwerfen. Bei einem erneuten Invasionsversuch wurde er 1860 in Honduras hingerichtet. Bevor er erschossen wurde, rief er noch aus: "Ich bin der Präsident von Nicaragua”. Greytown, an der Mündung des Río San Juan, war jahrhundertelang zwischen Spanien und England und später zwischen England und den USA umstritten. Und ab den Zeiten Vanderbilts begann es sich mitten in der Einsamkeit des Urwaldes in eine kosmopolitische Stadt zu verwandeln mit Hotels mit blühenden Terrassen, kleinen Palästen mit dorischen Säulen, Bankfilialen mit Marmortreppen, einer von Pferden gezogenen Eisenbahn, Bordellen mit französischen Damen, Alleen und Avenidas, und englischen, jüdischen, deutschen und freimaurischen Friedhöfen, von denen heute nur noch die kaputten Grabsteinen übrig sind, die zwischen dem hohen Unkraut stehen. Bis vor kurzem ragte noch ein verrosteter Bagger aus dem Wasser der Flussmündung, Zeuge der Arbeiten, die die Maritime Canal Company 1891 begonnen hatte, um sie dann wieder einzustellen. ***** Mit dem Stolz dessen, der seinen Fuß auf die beste Jagdbeute setzt, stellte Wang Jing mit sicherer moderat erhobener Stimme auf chinesisch die bei der Feier in der Casa de los Pueblos anwesenden Mitglieder seines Gefolges vor, auch sie aus Fleisch und Blut, wie Ortega es ausgedrückt hatte: Alles strahlende Sterne aus der Welt der transnationalen Geschäfte, Anwaltsbüros der professionellen Lobby in Washington, mit denen man sich die Entscheidungen im Senat und Repräsentantenhaus gefügig macht, wie das Büro McLarty & Associates, das von Henry Kissinger und Thomas MacLarty gegründet wurde, dem Stabschefs Clintons im Weisen Haus, mit einer Klientel, die Dutzende der wichtigsten Gesellschaften der Welt umfasst, angefangen bei Paramount bis Nike, über Wallmart und General Electric. Unter seinen Sternen befindet sich die Gestalt von John Dimitri Negroponte, der in seiner Eigenschaft als Botschafter Reagans in Honduras in den 80er Jahren die Militäroperationen des CIA gegen Nicaragua koordiniert und seinen öffentlichen Dienst als Leiter des nationalen Sicherheitsrates beendet hatte. Der Australier Bill Wild von der Infin8 Resource Co., wurde von Wang als Chef des Projektes in Hongkong vorgestellt. Wild hat sich in den leeren Büros der HKC im Two International Finance Center eingerichtet, wo ihn Patrick Boehler von der South China Morning Post interviewte. Er berichtet, dass dort knapp 6 Personen arbeiten, obwohl Wild noch ein weiteres Dutzend in künftigen Zeiten erwartet. In Managua beschäftigt weder die HKC noch die HKND auch nur einen einzigen Angestellten. Der Politologe Arturo Cruz, ehemaliger Botschafter Ortegas in Washington, beurteilte in einem Interview mit Canal 4 in Managua, Eigentum der Familie Ortega, die Anwesenheit von so vielen Berühmtheiten bei der Feier wie folgt: “McLarty ist eine der wichtigsten Lobbygesellschaften der USA …aber wenn ich sehe, dass McKinsey ebenfalls bei der Initiative mitarbeitet und dass er für dieses Projekt verschiedene Gesellschafter hat ....es ist eine riesige Firma!...Alle, die auf den großen Schulen der Welt graduiert wurden, auf denen das Geschäft gelehrt wird, wollen für sie arbeiten ….Wir haben schon von McKinsey gesprochen, von McLarty, und jetzt sprechen wir auch noch von Kirkland, das bis vor ein paar Jahren das fünftgrößte Anwaltsbüro der USA und das neunt oder zehntgrößte der Welt war …” Wang Jing hatte in dem bereits erwähnten Interview mit der Financial Times erwähnt, dass über 4.000 Menschen an verschiedenen Machbarkeitstudien arbeiten, eine wahre Legion von Technikern und Experten, die unsichtbar außerhalb von Nicaragua arbeiten würden. Er sagte auch, dass diese Studien 900 Millionen Dollars kosten. Das ist die gleiche Summe, die sein Aktienkapital an Xinwei beträgt. Und in einer Pressekonferenz, die er bei seiner Rückkehr aus Managua in einem Hotel in Beijing gab, machte er genauere Angaben, wie einer der das Rechenbrett gut zu handhaben weiß: die Bauarbeiten werden 2014 beginnen und 2019 beendet sein. Ein Zeitraum von fünf Jahren, den man nur mit Zauberkräften einhalten kann. Die durch ein nationales Referendum beschlossene Erweiterung der Panamakanals begann im Jahr 2007 und wird acht Jahre danach im Jahr 2015 noch nicht beendet sein. Bedrängt von der großen Menge an Zweifeln, die das Projekt umgeben, versicherte Wang in Beijing, er wolle sich nicht in der Welt zur Lachnummer machen und daher werde er nicht versagen. Und obwohl er sich noch nicht für eine der vier möglichen Routen entschieden hatte, machte er schon exakte Angaben: Der Große Kanal habe eine Länge von 286 km, 520 m Breite und 27,6 Tiefe. Er wird die Durchfahrt von Schiffen mit einem Gewicht von 400.000 to und einer Ladung von 18.000 Containern erlauben. Bei voller Auslastung bringe er jährlich Einkünfte in Höhe von 5,5 Milliarden Dollar. In der Zwischenzeit wurde auf einem Bildschirm ein Ausschnitt aus einer Landkarte Nicaraguas mit der Route des Großen Kanals gezeigt. Nur dass die Karte verkehrt herumstand. Als man sie umdrehte, konnte man erkennen, dass die Route über den Rio San Juan, dem Grenzfluss zu Costa Rica verlief. Aber die Karte war auch so verkehrt, weil der Kanal anstatt in den Pazifik zu münden, in einem anderen See zu enden schien, der überhaupt nicht existiert. Bereits zuvor hatte Wang verkündet, dass man die Route über den San Juan verworfen habe, weil man keine Konflikte mit dem Nachbarland haben wolle. Er sprach so, als sei er der nicaraguanische Staatspräsident. Später zog er in einem anderen Gespräch mit dem Londoner Telegraph ein weiteres Kaninchen aus dem Zylinder und kündigte an, er habe bereits die Kanalroute ausgewählt, obwohl die Machbarkeitsstudien gerade mal begonnen hatten: ausgehend von der Bluefieldsbucht an der Karibik, geht sie durch die Regenwälder, mündet bei dem kleinen Hafen Morrito in den Nicaraguasee und geht dann bis Brito an den Pazifik. Ein Meer von Improvisationen und Widersprüchen. Der Comandante Bayardo Arce, Wirtschaftsberater Ortegas, anwortete etwas ironisch, dass er nicht glaube, dass dies die endgültige Route sei, denn dafür würden doch die Machbarkeitsstudien erstellt und alles beruhe auf einer schlechten Übersetzung vom Chinesischen ins Englische und er fügte noch hinzu, Wang ginge "zu schnell vor". In der armseligen Gemeinde El Zapote, in der ca 75 Familien leben und die in den Wassern des großen Kanals verschwinden würde, redet der Campesino Ronald González mit der Journalistin Amalia Morales von La Prensa über sein Leid: “Man hört den Lärm des Kanals. Und es gibt Leute, die sich darüber Sorgen machen. Einige wollen verkaufen und schauen, wo sie hingehen können ….” Und er fügt hinzu: “Wenn sie den Kanal hier bauen und wir weg gehen müssen, dann wäre dies, als würden wir einen zweiten Krieg erleben. Wir haben schon einmal im Krieg der 80er Jahre alles verloren und konnten nichts zurückbekommen...” ***** Im Jahr 1846, zwei Jahre bevor das Goldfieber in Kalifornien begann, veröffentlichte Prinz Luis Napoleón Bonaparte, der kurz zuvor aus dem Schloss Ham geflüchtet war, wo er eine Strafe wegen Konspiration verbüßt hatte, in seinem Exil in London eine Broschüre mit dem Titel “Der Kanal durch Nicaragua, ein Projekt zur Verbindung des Atlantischen Ozeans mit dem Pazifischen", in ihr schlug er "eine interozeanische Route vor, die in San Juan del Norte beginnt, in El Realejo endet und die beiden großen Seen Nicaraguas passiert”. 1844 erhielt der liberale Politiker Francisco Castellón, der sich gerade in einer diplomatischen Mission in Europa aufhielt, von Kaiser Luis Felipe die Erlaubnis, den Gefangenen zu besuchen. Castellón schlug ihm in diesem Gespräch vor, nach Nicaragua zu kommen, um das Kanalgeschäft aufzugreifen. Später korrespondierten sie noch über dieses Thema. Im Jahr 1846 schickte der nicaraguanische Außenminister einen Brief an den Prinzen, in dem er ihm die Vollmacht erteilte, in Europa eine Kanalgesellschaft zu gründen, die auf Geheiß der Regierung den offiziellen Namen “Canal Napoleón de Nicaragua” tragen sollte. Die Legende erzählt, Castellón habe ihn während des Gesprächs im Schloss eine Summe von Louis d'Or zur Finanzierung seiner Flucht gegeben. Ob es so war oder nicht, der Prinz blieb jedoch von der Kanalidee hingerissen. Während er seine Flucht vorbereitete, gelang es ihm den Entwurf seiner Broschüre zu vollenden. Es reichen einige Ausschnitte, um seine Begeisterung zu spüren: “Nicaragua….so wie Konstantinopel das Zentrum der alten Welt ist, so ist León das Zentrum der neuen Welt; und wenn ein Durchstich durch die Landzunge geführt werden würde, die die beiden Seen vom Pazifik trennt, würde es aufgrund ihrer zentralen Lage alle Küsten Nord- und Südamerikas dominieren....Mehr noch als Konstantinopel, kann sich der nicaraguanische Staat in die obligatorische Route des großen Handels der Welt verwandeln, da es für die Vereinigten Staaten nach China und Indien der kürteste Weg wäre und für England und dem übrigen Europa nach Neuholland, Polynesien und die ganze Westküste Amerikas...." Als Kaiser Napoleón III bemächtigte er sich dann 1862 Mexikos und entschlossen, den Vereinigten Staaten die Hegemonie über den Kontinent zu entreißen, setzte er Maximiliano auf den imperialen Thron. 1858 gelang es Félix Belly, der beschuldigt wurde, sein verdeckter Agent zu sein, von Tomás Martínez eine Konzession über 99 Jahre für den Bau des Kanals und Freihandelszonen an seinen beiden Enden und eine Eisenbahn zu erhalten, außerdem durfte er vier Kilometer angrenzendes Land enteignen. Zehn Jahre später und noch vor dem Sturz des Kaisers erhielt sein Freund, der Senator Michel Chevalier, vom konservativen Präsidenten Fernando Guzmán eine andere Konzession zu sehr ähnlichen Bedingungen, die die Befreiung von jeder Art von Steuern miteinschloss. Wang Jing könnte seine Rede in der Casa de los Pueblos am Abend des 14.Juni aus der Broschüre Luis Napoleóns abgeschrieben haben: “Seit Generationen hat die Menschheit unermüdlich nach besseren Routen für den Seehandel gesucht, die die Wege verkürzen, die Transportkosten verringern und die Effizienz und Sicherheit erhöhen …der Imperativ lautet, den interozeanischen Kanal zu entwickeln und zu bauen, der breiter und tiefer für Schiffe mit hoher Tonnage ist und höhere Effizienz herstellt. So entspringt der Jahrhunderte alte Traum des nicaraguanischen Volkes aus dieser Nachfrage ….wir sind verpflichtet, eine angemessene Ausführung und Operation des Großen Kanals sicherzustellen". ***** Am 10. Mai 2007 nach drei Wahlperioden in harter Opposition zu den jeweiligen Regierungen, die er stets als neoliberal und Verschwender der Naturressourcen Nicaraguas bezeichnet hatte, an die Macht zurückgekehrt, erklärte Ortega bei der Vorstellung seines Forstwirtschaftsplans: "Kein Gold der Welt wird uns davon abbringen, weil der Große See die größte Wasserreserve Mittelamerikas ist und wir werden ihn durch kein Großprojekt, wie einen Interozeanischen Kanal in Gefahr bringen". Jetzt haben die Winde, die aus dem fernen Osten herüberwehten, seine Worte mit sich fort getragen. Der Große See lag schon immer wegen seiner Ausdehnung und seiner engen Nachbarschaft zum Pazifik in der Route aller Kanalprojekte, die im Laufe der Geschichte entstanden sind, aber zu Beginn des 20.Jahrhunderts ergab eine Studie der US-Marine, dass er wegen seiner geringen Tiefe von knapp 10m im Mittel für die Durchfahrt großer Schiffe ungeeignet ist. Die Ökologen befürchten, dass durch das Ausbaggern sein großer Reichtum als Trinkwasserreserve in einer Welt verloren ginge, die immer mehr durstet. Dr. Salvador Montenegro, Direktor des Zentrums für die Wasserreserven Nicaraguas, warnt davor, dass "die künstliche Fahrrinne mindestens 810 Millionen Tonnen Sandschlamm bedeutet. Das sind 81 Millionen dreiachsige LKWs, von denen jeder 10to transportiert". Und der geachteste nicaraguanische Wissenschaftler Dr. Jaime Incer wies in einem Interview mit Carlos Fernando Chamorro im TVProgramm Esta Semana darauf hin, dass die Fahrrinne die wichtigste Wasserreserve des amerikanischen Kontinents in einen Sumpf verwandeln würde, die ohnehin schon durch Ablagerungen geschädigt ist, die durch die ständige Abholzung des Beckens verursacht werden. Die gegenteilige Behauptung lautet, dass die moderne Technologie in der Lage sei, den See als Trinkwasserquelle zu bewahren und gleichzeitig als Kanalroute zu nutzen. Und Wang selbst hat der englischen Tageszeitung The Telegraph feierlich erklärt: "Ich übernehme jede Verantwortung für die Umweltschäden. Ich habe meinen Angestellten gesagt, dass wir einen Fehler auf diesen Feld begingen und in den Geschichtsbüchern Nicaragua als ehrlos dastehen würden”. Die Liste dieser Unehrenhaften hört nicht auf, sich zu verlängern. Incer hat, noch bevor er die Umweltstudien gekannt hat, die Furcht vieler Nicaraguaner zum Ausdruck gebracht, als er erklärte, dass die verengte Flüsse des Karibikbeckens wegen der großen für den Kanalbetrieb verwendeten Wassers ein Ansteigen ihrer Wassermenge benötigten, was man nur durch die Wiederaufforstung von tausenden Hektar Lands erreichen kann. Das Problem ist nur, dass dieses Land durch Jahrhunderte für die Viehzucht, einer der wichtigsten Zweige der Exportwirtschaft des Landes verwendet wurden. Bäume statt Viehwirtschaft, dies würde für die schwache Wirtschaft Nicaraguas eine gewaltige Wende und den Ruin von tausenden von Fincabesitzern bedeuten, deren Land konfisziert werden würde. ***** Hernando Kolumbus, der seinen Vater auf dessen vierter und letzter Reise begleitete, erzählt, dass sie sich am 12.September 1502 vom Sturm überrascht auf das Kap retteten, das sie in Gedenken an das Ereignis Gracias a Dios nannten. Als sie ihre Reise nach Süden fortsetzten passierten sie, ohne es zu bemerken, die Mündung des Flusses, den man später San Juan nennen würde, Der Ausfluss des Nicaraguasees am anderen Ende, des Süßwassermeers, wie in der Konquistador Gil González Dávila nannte, als er ihn 1523 erblickte und dessen Westufer einige Meilen vom Pazifik trennten, dem Meer des Südens, die Verbindung zwischen den beiden Meeren auf dem Weg nach Catay, dem von Marco Polo beschriebenen Reich des Großkhans, was nichts anderes als China ist. Hier entstand dann später der Hafen von San Juan del Norte bzw Greytown. Also hat der ehrbare Kolumbus nichts von dem gefunden, was später das Territorium Nicaraguas sein sollte, außer einen Stamm von Großohren, Rohfleischfressern, deren Ohrläppchen so groß waren, dass man ein Hühnerei in ihnen einwickeln konnte und die sich mit ihren Ohren zudecken konnten, um sich vor Kälte zu schützen. So hat er es sehr glaubwürdig beschrieben. Es war Vasco Núñez de Balboa, der später von Pedrarias Dávila enthauptet wurde, weil die Konquista ein Kampf um Macht und Geld war, der 1513 im Namen der Krone von der Südsee Besitz ergriff. Um den Isthmus von Panama von der Karibikküste her zu durchqueren musste man trotz der Landenge zuerst einmal einen Durchgang zu Fuß und mit der Truppe durch den geschlossenen Urwald öffnen. Es war nicht diese Ungewisse Enge. Sie musste noch gefunden werden. Und 1523 drängte Karl V Hernán Cortés, sie von Mexiko aus zu suchen: “Und weil ich darüber informiert bin, dass es weiter unten von diesem Land an der Küste eine Strecke gibt, über die man vom Meer des Nordens in das Meer des Südens passieren kann und weil es uns dient, mehr zu wissen, beauftrage ich dich und befehle, dass ihr gleich mit großem Fleiß danach trachtet zu erfahren, ob diese Landenge existiert und ihr Leute schickt, die sie suchen und uns ausführliche und wahre Berichte über das bringt, was sich in ihr befindet...." José Coronel Urtecho, einer der großen nicaraguanischen Schriftsteller, sagt: “Diese mühsam gesuchte Verbindung, von der man glaubte, sie würde existieren oder könnte unter den Launen unserer Küsten existieren, nannte man deshalb die Ungewisse Enge. Und dieses Mysterium der Meerenge ist der Grund für unsere nationale Existenz und unser internationales Glücks und Unglück ….” ***** Die große Frage über den Großen Kanal, die nur durch Fakten beantwortet werden kann, geht darum, handelt es sich da um ein chinesisches Märchen, das von einem chinesischen Kräuterhändler erzählt wird, ein weitere Phantasie, wie schon so oft, oder gibt es im Gegenteil ein Phantom hinter einem Phantom, die chinesische Regierung, die ein geopolitisches Manöver durchzuführen, auch wenn das Projekt nicht rentabel ist. "Es ist eine vollständig private Firma und es gibt keine Verbindung zur chinesischen Regeierung", sagte Wang der Financial Times, “die Menschen können das Projekt mit der Politik und der Konkurrenz zwischen den Regierungen in Verbindung bringen, da es sehr groß und die Auswirkungen beträchtlich sind. Aber es ist nicht so. Geschäft ist Geschäft". Da er eine Person ohne Vergangenheit ist, bedient sich Wang der Legenden, wie dieser, dass er Sohn eines Generals der Nationalen Volksbefreiungsarmee Chinas ist. Tatsache aber ist, dass er bis jetzt noch keinen “guanxi” zu haben scheint, eine Verbindung zu jemandem an der Spitze der Macht. In den Veröffentlichungen auf der offiziellen Webseite von Xinwuei wird der Eindruck erweckt, als hätten hohe Politiker, wie Präsident Xi Jinping und Premierminister Li Keqiang die Büros der Gesellschaft besucht, während es sich da eher um Fotos handelt, die bei einem Rundgang an den Ständen der Telekommunikationsmesse gemacht wurden. Und mit distanzierten Höflichkeit betrachten sie die Produkte, die ihnen die Adjutanten von Xinwuei zeigen. So folgt z.B. Präsident Xu Jinping der Vorführung der Eigenschaften eines Handymodells, aber Wang taucht an seiner Seite nicht auf, weil er gerade nicht zur Hand war. Der Kanal durch Nicaragua war für die USA stets eine geopolitische Angelegenheit. Mit imperialen Krallen wurde das Diktum "Amerika den Amerikanern" verteidigt, welches 1823 als Monroedoktrin verkündet wurde, auch zum Preis des Sturzes von Regierungen, so wie es 1909 mit General José Santos Zelaya geschah, indem man militärisch intervenierte und diese Interventionen dann auch noch nutzte, um Verträge zu erzwingen, wie den Chamorro-Bryan-Vertrag von 1914. Ortega stellte die Initiative am 3.Mai Obama in San José, Costa Rica, vor und erzählte folgendes: “Wir mittelamerikanischen Präsidenten ....trafen uns mit dem Präsident der Vereinigten Staaten Barack Obama; und bei einem Meinungsaustausch, den wir hatten, sagte ich ihm …: 'Präsident, das Kanalprojekt durch China wird kommen und es ist eine chinesische Firma, die das Projekt organisiert' …Er hörte mir aufmerksam zu ”. Ebenso wie Obama hat auch seine Regierung angesichts der Eventualität geschwiegen, China in seinem Hinterhof zu haben, Besitzerin des interozeanischen Kanals, der durch einen Vertrag geschaffen wurde, der sich in keinem Artikel auf seine Neutralität in militärischen Konflikten bezieht oder auf die Durchfahrt bewaffneter Truppen. Der Unterstaatssekretär für Handel Walter Bastian gab aber bei einem Besuch in Nicaragua im Juli 2013 eine sybillinische Antwort: "Mich fasziniert das Kanalthema. Wir werden dieses Großprojekt verfolgen, wir werden mit den USamerikanischen Firmen sprechen, damit sie mit der Entwicklung des Projekts auf dem Laufenden sind. Es ist ein langfristiges Projekt und es sind viele Entscheidungen zu treffen, die Route natürlich, die Auswirkungen auf die Umwelt, aber man ist dabei die Machbarkeitsstudien zu erstellen...für die nordamerikanischen Firmen besteht vor allem einmal Interesse an der Transparenz der vielen Verträge, die diesbezüglich abgeschlossen werden, das ist für uns sehr wichtig, es ist ein interessantes Projekt …". Beijing hat seinerseits jede Verbindung mit dem Großen Kanal abgestritten. “China unterhält keine diplomatische Beziehungen zur nicaraguanischen Regierung. Das Handelsministerium hat im vergangenen Jahr davor gewarnt, dass der Kanal mit einem diplomatischen Konflikt zwischen Nicaragua und Costa Rica in Verbindung steht. Die chinesische Regierung warnt die privaten Firmen, sich am Kanal zu beteiligen", erklärt das Pressebüro der staatlichen Nachrichtenagentur China News im Mai 2012. Die Warnung wurde von Portal Stock Market Watch und von Global Times im Juni des selben Jahres bestätigt. Aber dies schließt einen nächsten Schachzug nicht aus. Wang ist der Alleininhaber der Aktien von HKC und könnte sie an den chinesischen Staat oder eine seiner riesigen Firmen übertragen. Dies ließ der Analyst des Institut für strategische Studien des US Army War College, Evan Ellis gegenüber der South China Morning Post durchblicken. Da es nach seiner Meinung für westliche Investoren hohe Risiken gibt, sehen diese sich außer Stande, sich daran zu beteiligen bzw wollen es nicht tun. “Wenn das Projekt voranschreitet, wird es von chinesischen Bank finanziert und von chinesischen Firmen ausgeführt. Die Tatsache, dass die China Railway mit den Studien in der ersten Phase bereits einen Fuß in der Türe hat, ist ein starkes Hinweis darauf, dass es eine feste Hand bei der Bauausführung gibt". Die riesige staatliche China Railway Construction Corporation (CRCC), die auch an den Arbeiten zu den Drei-Schluchten-Stauseen in Sezchuan beteiligt war, hat die Hälfte aller neuen Eisenbahnlinien in China gebaut. Aber keiner ihrer Vertreter tauchte bei der Feierlichkeit in Managua auf. Und auf ihrer offiziellen Webseite steht nichts über den Großen Kanal. Indem er sich der großen Unglaubwürdigkeit bewusst war, die da in der Luft herum schwirrt, erklärte Bill Wild gegenüber der South China Morning Post, dass "die Leute nicht sehen, was wir tun. Jetzt sind wir in der Phase, in der wir die Informationen sammeln". Der selben Zeitung gegenüber sagte er auch, dass die HKND alle Studien über den Umwelteinfluss den Investoren mitteilen werde, man würde sie aber nicht veröffentlichen. Wie man sieht, der Schleier bleibt dicht. ***** 1897 bildete Präsident William McKinley eine Kommission, damit sie wieder einmal eine Studie über die Kanalroute durch Nicaragua erstelle, wo es 1983 durch den revolutionären Sieg der Liberalen einen abrupten Regierungswechsel gegeben hatte, der von General José Santos Zelaya angeführt wurde, der nicht lange zögerte, sich in einen Diktator zu verwandeln. Die Regierung Zelayas gab 1901 mittels des Sánchez-Merry-Vertrags den Vereinigten Staaten eine Konzession für den Bau eines Kanals, wo zumindest auf dem Papier die Beibehaltung "der Souveränität, Unabhängigkeit und Integrität des gesamten nicaraguanischen Territoriums" garantiert wurde. Der US-Senat trat damals in die Diskussion ein, ob man die Route durch Nicaragua oder Panama ausführen solle und so entstand die "Schlacht der Kanäle", die dank einer kuriosen Episode 1902 zugunsten Panamas endete. Nicaragua hatte 1900 eine Briefmarke im Wert von einem Centavo herausgegeben, auf der der Vulkan Momotombo von einer großen Rauchwolke umgrenzt erschien. Der panamaische Agent Philippe Jean Bunau-Varilla, Überlebender des Konkurses der Compañía Universal del Canal Interoceánico de Panamá des Ferdinand de Lessep im Jahr 1891, beauftragte die Briefmarkenhändler von Washington, ihm die 90 Briefmarken zu beschaffen, die er für jeden Senator benötigte. Das reichte. Ein rauchender Vulkan, der fähig war, ein Erdbeben auszulösen, war der schlimmste Feind einer Kanalroute. Zelaya hörte mit seinen Bemühungen nicht auf und suchte die Unterstützung bei Deutschland und Japan, doch keine dieser Mächte wollte sich in die Vorhaben der Vereinigten Staaten einmischen. Es könnte sein, dass dies nun China ungestraft tut. ***** In dem Roman 'Verschling mir Erde' von Lizandro Chávez Alfaro aus dem Jahr 1969 ist der Kanal die große Allegorie der nicaraguanischen Geschichte, die ständig wiederkehrende Halluzination, die einfach nicht verschwinden möchte. Eine der Personen, Plutarco Pineda, Überlebender der chronischen Bürgerkriege zwischen Liberalen und Konservativen, gibt die Idee nicht auf, dass eines Tages der Kanal eröffnet und er reich werden würde, weil er einen Hektar Land am Ufer des Rio San Juan besitzt, dessen Verkauf er mit den ausländischen Baufirmen aushandeln könnte, die da kommen werden, seine Ufer zu erweitern und Schleusen zu bauen. Dann hat die Realität das Land eingeholt, aber es macht ihm nichts aus, wem der Kanal gehört. Heute hat Ortega in vielen Köpfen die unmöglichen Träume Plutarco Pinedas wieder aufgeweckt und die Einbildung des Volkes an den Anblick der großen Schiffe entfacht, die das in der Mitte geteilte aber reiche und prosperierende Land durchfahren. So wie man sich das jedes mal vorgestellt hat, wenn sich der Virus der Glückseeligkeit der Gehirne bemächtigte. Diese fixe stets wiederkehrende Idee setzt sich im Szenarium fest und wirkt jedes mal wie neu, wie etwas gerade erfundenes, auch wenn sie einen ganzen Schwanz von Wiederholungen und Frustrationen hinter sich her zieht. Eine starrköpfig mit der Geschichte des Landes fest verbundene Ausrede eines Landes, das so arm bleibt wie im 19. Jahrhundert, als die Schiffe des Transitunternehmens des Kommodore Vanderbilt über den Nicaraguasee und den Río San Juan fuhren und Mark Twain den grauen Regenvorhang sehen konnte, der an dem einen Ufer niederging und die blendende Sonne, das andere Ufer beleuchtete. ***** Der Journalist Fabián Medina schreibt in seiner Kolumne in der Tageszeitung La Prensa: “Manchmal glauben wir, dass Nicaragua angesichts zweier Hauptszenarien allein dasteht: eines, in dem man den Kanal baut und eine zweites, in dem er nicht gebaut wird. Es gibt jedoch noch ein drittes wahrhaft apokalyptisches für das Land: das man mitten drin aufhört." Das ist es. Das Szenarium einer ruinierten Bühne mit dem Bühnenbild in Fetzen. Das Land aufgerissen durch einen Kanal, in zwei geteilt durch angestaute Strecken, der Nicaraguasee in einen riesigen Sumpf mit toten Fischen verwandelt, über dem Truthahngeier kreisen, desolate Ufer, dichte Wolken von Mücken, verlassene Baulager, wie schlafend in den Himmel ragende verrottete Kräne, die blinden Becken der sumpfigen Schleusen, liegen gelassene Barkassen, heruntergerissene und vom Urin zerfressene Zäune, unendliche Hügel von ausgehobener Erde, Skelette von Gebäuden. Ein Geruch von Fäulnis und Verlassenheit, der sich über viele Kilometer ausbreitet.