Komplettes Modul als PDF
Transcription
Komplettes Modul als PDF
Schule ohne Homophobie – Schule der Vielfalt Coming Out – was ist das, und wie fühlt sich das an? Fach Religion, Ethik, Sozialwissenschaften Stufe ab Klasse 7 Zeit 1 – 2 Schulstunden Schlagworte Coming-out, Akzeptanz, Familie, Jugend Überblick über Methode Es liegen zwei ausgewählte Coming-out - Beschreibungen vor. Diese können arbeitsteilig bearbeitet werden. Anschließend werden die Ergebnisse verglichen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede sollten dann in einem Unterrichtsgespräch herausgearbeitet werden. Ziele Die Schülerinnen und Schüler können verschiedene Coming-out-Erfahrungen kennen lernen. Sie erhalten die Möglichkeit sich in die Lage lesbischer und schwuler Jugendlicher zu versetzen. Sie finden Lösungsstrategien für Probleme, die unter Umständen mit dem Comingout einhergehen. Materialien Lesbische und schwule Coming-out-Geschichten Weitere Coming-Out-Geschichten finden Sie unter http://www.anywaykoeln.de/beratung/cos_19.shtml 1. Ulrikes Geschichte 2. Ulrikes Eltern Zwei Eltern berichten Schmetterlinge im Bauch, ein leicht entrücktes Dauergrinsen im Gesicht, die Welt in Rosa getaucht - Verliebtsein ist ja sooo schön! Josephine und Ulrike strahlen um die Wette, seit drei Monaten sind die beiden unzertrennlich. Ganz selbstverständlich gehört Ulrike schon mit zu Josephines Familie, die noch bei ihren Eltern lebt. Sie geht dort ein und aus, gemeinsam feierten sie auch Weihnachten. Ulrike (20) ist glücklich. Damals, mit 17, als sie zum ersten Mal merkte, dass sie auf Mädchen steht, malte sie sich die Zukunft weniger rosig aus. Da war Erschrecken, war quälende Angst - „das geht nicht, das kann nicht sein, ich doch nicht!“ erinnert sich Ulrike. Um nachdenken zu können, hörte sie viel Musik. „Manchmal wollte ich einfach nur schreien oder mich verkriechen in den Herbert: Ulrike, sie war damals gerade 17 geworden, kam eines Tages nach Hause und sagte, sie möchte mit uns etwas besprechen. Ohne große Umschweife knallte sie uns die Botschaft hin: „Mama, Papa: Ich bin lesbisch.“ Angelika: Wir waren beide baff. Ich war jedenfalls ganz still, zu viele Gedanken blitzten durch meinen Kopf, als dass ich hätte reagieren können. Herbert: Also für mich war das nicht so schlimm. Mein Gedanke war: Ich freue mich zwar nicht, aber ein Unglück ist es auch nicht. Angelika: Unglück wäre übertrieben, aber ich machte mir einerseits Sorgen um meine Tochter, andererseits fragte ich mich, was ich falsch gemacht habe. Herbert: Ja, dieser Gedanke kam auch bei Eine Initiative von: SchLAu NRW und der Landeskoordination Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben und Schwule in NRW www. schule der vielfalt.de Songs.“ Ihr Coming-out war ein großer Schritt. aber „ich wollte meine Freundin nicht verleugnen, also hab ich’s meinen Eltern gesagt“, erzählt Ulrike. Die sorgten sich vor allem um die Nachbarn und reagierten nicht besonders verständnisvoll, sie tolerierten es, akzeptierten es aber nicht. Wenn sie heute mit Josephine Hand in Hand über die Dorfstraße des brandenburgischen W. läuft, drehen sich die Nachbarn nach ihr um, grüßen freundlich und gehen weiter. Nicht mehr und nicht weniger - eben so, wie vorher auch. Ein Coming-out ist immer ein Abenteuer. Ein Aufbruch in eine neue, spannende Welt. Der Beginn eines Wegs, an dessen Anfang erstmal die Erkenntnis steht, anders zu sein als es vermeintlich der Rest der Menschheit ist. Trotz fortschreitender gesellschaftlicher Liberalisierung, trotz Homoehe und Lesben in Vorabendserien hat sich daran nichts geändert. Schule ohne Homophobie – Schule der Vielfalt mir auf, aber er ist bald verflogen, als ich gemerkt habe, wie natürlich Ulrike mit ihrer Homosexualität umging. Sie erzählte uns ja Einiges: wie sie „es“ bemerkt hat, wie schwer es für sie am Anfang war, und wie glücklich sie sei, dass sie nun auch uns gegenüber ehrlich sein könne. Angelika: Sie hat uns damals auch ein Buch gegeben zum Nachlesen. Das hat mir sehr geholfen. Ich wusste ja fast nichts über Homosexualität, und ich hätte mich sicher nicht getraut, alles zu fragen, was ich durch das Buch erfahren habe. Herbert: Ja, das stimmt. Wir haben zwar später noch manchmal mit Ulrike darüber gesprochen, aber irgendwie war das bald nicht mehr notwendig. Das Leben ist einfach normal weiter gegangen… Angelika: … wie in jeder anderen Familie auch. Nur die Frage, wie wir es unseren Verwandten und Freunden sagen, hat uns doch noch längere Zeit beschäftigt. aber die Stärke von Ulrike hat uns auch Mut gegeben und wir haben durchweg nur gute Rückmeldungen bekommen. Mittlerweile geht ja Josephine, Ulrikes Freundin, bei uns ein und aus und ich freue mich sehr, dass Ulrike einen Menschen gefunden hat, mit dem sie glücklich ist. Herbert (51) und Angelika (49), Ulrikes Eltern 3. Erics Geschichte Eigentlich habe ich mir über das Schwulsein noch nie den Kopf zerbrochen. Sicherlich guckt man immer mal so in der Umkleide beim Sport, wie die anderen Jungs so aussehen, aber das empfinde ich als normal. Schließlich gucken sich sogar erwachsene Männer beim Pinkeln gegenseitig auf ihr bestes Stück. Mit 15 begann ich mir erstmals vorzustellen, wie das wohl ist, mit einem anderen Jungen Sex zu haben und sich gegenseitig zu lieben. Immer wieder hatte ich mir Szenen mit zwei Männern, die sich gegenseitig anfassten, im Kopf ausgemalt. Ich achtete auch mehr auf süße Kerle, die auf der Straße rumliefen. Das war der Zeitpunkt, wo ich mir erstmals richtig Gedanken übers Schwulsein machte und merkte, dass ich es selber bin. Als ich das für mich klargemacht hatte, war nur das Problem, dass ich als pubertärer Jugendlicher natürlich auch Sex wollte. In meiner großen Euphorie und mit noch mehr Leichtsinn fragte ich drei Jungs aus meiner Klasse per SMS, ob sie darauf Lust hätten. Alle drei lehnten natürlich ab. Ich dachte, die Sache hätte sich damit erledigt, aber dem war nicht so. Nach ein paar Monaten fing einer der drei an, die SMS in der Klasse rumzuzeigen. Alle guckten mich blöd an, einige Eine Initiative von: SchLAu NRW und der Landeskoordination Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben und Schwule in NRW www. schule der vielfalt.de Schule ohne Homophobie – Schule der Vielfalt machten dumme Sprüche und die anderen lachten. Wenige kamen und fragten, ob es stimme, aber ich verneinte ihre Frage. Mir war das zu diesem Zeitpunkt schon peinlich genug. Mein „Nein“ klang aber nicht überzeugend und so wurde mein „Outing“ weiter verbreitet und ging auch durch andere Klassen. Also gestand ich schwul zu sein. In den nächsten Wochen musste ich mir so ziemlich viel Mist anhören, aber es interessierte mich nicht weiter. Wenn sie mich nicht akzeptieren, so wie ich bin, dann sollen sie mich eben in Ruhe lassen. Noch einen Monat und ich hörte fast nix mehr über Schwule von meinen Mitschülern, außer ein paar dummen Bemerkungen nebenbei. Dann kamen die Sommerferien und im nächsten Schuljahr sagte keiner mehr ein Wort darüber. Nun wurde ich auch schon 16. Meine Eltern trennten sich im Dezember 2005. Ich zog mit meiner Mutter und mit meinen Geschwistern in eine neue Wohnung und hatte nun so viel Freizeit, dass ich öfter im Internet surfte. Ich entdeckte ein paar Schwulenseiten für mich, wie zum Beispiel dbna. Als ich sah, wie viele Schwule es doch gibt, hatte ich noch weniger Probleme damit, selbst einer zu sein. An einem Montag im Juli habe ich meiner Mutter dann gesagt, dass ich schwul bin. Das kam eigentlich auch völlig unüberlegt. Sie guckte gerade fernsehen und ich fragte, wie lange sie noch gucken wolle. Sie wusste es nicht. Dann sagte ich nur, dass ich als schwuler Junge gerne um 23.45 Uhr eine Schwulenserie gucken möchte: "Queer as Folk". Sie sagte, dass es okay sei, rief mich, als es los ging, und guckte sogar kurz mit, ging dann aber schlafen und sagte kein Wort mehr zu dem Thema. Ich weiß nicht, ob sie es akzeptiert oder nur verdrängt. Anderen Verwandten habe ich noch nichts erzählt. Sie werden es dann spätestens erfahren, wenn ich irgendwann meinen Freund vorstelle. Ich empfand mein Outing als eine Erleichterung. Jetzt kann ich Erfahrungen sammeln und mich so geben wie ich bin. Sexuellen Kontakt hatte ich zwar immer noch nicht, aber ich werde ja auch diesen Monat erst 17. Und warte jetzt auch, bis ich einen netten Boy gefunden habe. Anleitung Arbeitsauftrag: 1. Lies dir die beiden Texte aufmerksam durch. 2. Was bedeutet der Begriff Coming-out? 3. Vergleiche die jetzige Lebenssituation mit derjenigen vor dem Coming-out. 4. Welche Probleme hatten bzw. haben die Eltern mit dem Lesbischsein ihrer Tochter? 5. Tausche dich mit deinem Nachbarn/deiner Nachbarin über eure Ergebnisse zu 2. - 4. aus. 6. Verfasst gemeinsam einen Leserbrief an die BRAVO aus Sicht des Schwulen Jungen/ des Lesbischen Mädchens . Wie könnte eine Antwort der Redaktion darauf lauten? Nachbereitung Rechercheaufgabe: Wo können sich junge Lesben, Schwule und Bisexuelle bei ihrem Coming-out in deiner Stadt/ Region Unterstützung holen? Link:http://www.lambda-online.de/ (Lesbisch-schwules Jugendnetzwerk mit Jugendgruppensuchtool) Eine Initiative von: SchLAu NRW und der Landeskoordination Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben und Schwule in NRW www. schule der vielfalt.de Schule ohne Homophobie – Schule der Vielfalt Rollenspiel ( für zwei SchülerInnen, geeignet ab Klasse 7): Du triffst seit Jahren zum ersten Mal einen guten Freund/eine gute Freundin wieder, die du lange nicht gesehen hast und der/die nicht weiß, dass du lesbisch/schwul bist. Erzählst du es ihm/ihr? Und wie? Weiterführende Literatur Coming - out – Beschreibungen: http://www.anyway-koeln.de/beratung/cos.shtml Heterosexuell? Homosexuell? Broschüre der BZgA zum Thema Coming – out: http://www.bzga.de/botmed_13080000.html Quelle Quelle: Lesbische und schwule Lebensweisen. Handreichung für die weiterführenden Schulen (2. Auflage 2008): Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) (Hg.), S. 41 – 43. http://www.berlin.de/imperia/md/content/lb_ads/gglw/veroeffentlichungen/lesbische_und _schwule_lebensweisen_2008.pdf Eine Initiative von: SchLAu NRW und der Landeskoordination Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben und Schwule in NRW www. schule der vielfalt.de