Karin Winkler/Schulleiterin des Eberhard-Ludwigs
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Karin Winkler/Schulleiterin des Eberhard-Ludwigs
Karin Winkler/Schulleiterin des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums Rede zur Schulleitereinführung am 27.7.2010 Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste und Freunde des Ebelu, zunächst einmal möchte ich meinen tiefen Dank ausdrücken für die überaus netten, wertschätzenden und aufmunternden Worte der Vorredner und -rednerinnen. Ich kann mir nun Ihre Freude lebhaft vorstellen über den letzten Redebeitrag an diesem Julinachmittag nach einer Perlenkette von gehaltvollen Vorträgen. Sie sind schon über zwei Stunden auf etwas unbequemen harten Stühlen gesessen, haben bisher nichts zu trinken bekommen und warten nun auf die Grundsatzrede der neuen Schulleiterin, die die bald 325 jährige Geschichte der Schule, ihren eigenen persönlichen und pädagogischen Werdegang und eine Zukunftsvision vom Ebelu auf das Ausführlichste und Tiefgründigste miteinander verknüpft. Nichts von diesem wird jetzt stattfinden! Vielmehr möchte ich Antwort geben auf eine Frage, die ich in dem langen Bewerbungsverfahren bei meiner Vorstellung auf der Schulkonferenz schuldig geblieben bin: Die Frage hier: Welches Bild ich mit dem Ebelu verbinde. Wenn Sie die Andeutungen auf Ihrer Einladungskarte richtig interpretiert haben, sind Sie der Antwort schon sehr nahe: mit einem Schiff. Nun besteht ja das Bestechende an Vergleichen und Metaphern in ihren überzeugenden Analogien und Sie haben recht, wenn Sie hier auch gänzlich unpassende Assoziationen haben. Ich habe dieses Bild nicht gewählt, weil hier irgend jemand ein sinkendes Schiff verlassen würde, auch nicht, obwohl das schon eher passt, unser Lotse von Bord geht. Auch sind wir hier beileibe kein Narrenschiff , keine Arche Noah, beileibe keine Sklavengaleere oder gar ein Traumschiff. Trotzdem drängt sich das Schiffsbild aus vielerlei vorder- und hintergründigen Überlegungen auf: Wenn Sie jemals mit unserem Hausmeister Hr. Schnell im Heizungskeller waren, wissen Sie, warum dieser auch „Titanic-Keller“ heißt. Auch unsere beiden, nun darf ich sagen ehemaligen Schulleiter, haben das Schiffsbild, ohne sich vielleicht direkt darüber im Klaren zu sein, schon in sich vorgelebt: Hr. Mommsen widmete einige Zeit seines Ruhestandes mit dem Bau von Segelmodellschiffen, die er auch erfolgreich zu Wasser gelassen hat. Hr. Kernen wird sich nun des öfteren zu seiner Tochter an die Ostsee nach Eckernförde absetzen und auch die legendären Segeltörns von Hr. Beck sprechen eine ebenso klare Sprache: die Sehnsucht süddeutscher Landratten nach Schiff und Meer! Vom Schiffstyp her sind wir nun weder ein Torpedoschnellboot, noch Raddampfer, sondern vielleicht am ehesten vergleichbar mit einem Segelschulschiff der traditionellen Bauart, ein Zwei- oder Dreimaster vielleicht, der auf seiner bald 325-jährigen Reise immer wieder neue Marineschüler, genannt Leichtmatrosen aufnimmt , öfters auch den Indischen Ozean kreuzt und nach Jahren ausgebildete Seemänner und -frauen entlässt. Das Schiff Ebelu besitzt auch eine Mannschaft mit Kapitän und Kommandobrücke „Rektorat“, Steuermänner und -frauen, Besatzung und sogar Kombüsencrew und segelt mit ihnen durch die Stürme und Untiefen der deutschen Bildungsmeeres. Gottseidank begleiten uns dabei mehrere Beiboote mit den Ehemaligen und den Eltern der Schule, die Rettungsringe, Notversorgung und andere Hilfsangebote bereit halten. Man erzählt sich sogar, dass hier noch eine Art Geisterschiff oder soll man sagen Geistesschiff die Gewässer kreuzt. Zu nächtlicher Stunde übernimmt eine ganz andere Crew unter Kapitän Weiss das Kommando, die unter der Flagge des Abendgymnasiums ihre Schützlinge ebenso zu sicheren Häfen bringt. Um durch die Stürme des Lebens zu kommen, lernt man hier tags oder abends das passende Rüstzeug. Mitunter allerdings segeln auch wir durch schwere See mit Pisa-Alarm oder anderen Schreckensmeldungen und bemühen uns die Vorgaben der Kurskorrektur durch unsere Leuchttürme des Kultusministeriums , Regierungspräsidiums und der Schulverwaltung einzuhalten. Doch wie heißt es so schön: Auf hoher See und vor Gericht, ist man in Gottes Hand! Das Schöne an dieser Analogie ist auch, dass ich Ihnen sozusagen in Marineart fünf wichtige Kursbestimmungen für meinen persönlichen Kompass geben kann, wohin denn in Zukunft dieses Schiff steuern mag: Ein Umstand wird Sie bei diesem Bild besonders überzeugen und ist auch für mich programmatisch für meine künftige Arbeit hier: Der Mannschaftsgedanke. Es mag zwar Politiker geben, die aktuell auch das Schiffsbild bemühen, so hieß es da vor kurzem: Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt es einen, der alles regelt und das bin ich!“ Dies halte ich aber nautisch und auch schulisch gesehen für den falschen Ansatz. Ohne Teamgeist, Mannschaftsdenken und gemeinsame Kursausrichtung erfolgt keine Fortbewegung, keine Entwicklung. Dies wird eine der Kursausrichtungen meiner Zeit als Kapitänin oder Kapitänsfrau sein. Keiner kann allein die Segel setzen, keiner kann alleine den Kurs halten oder Stürme durchstehen. Das wir hierzu die geeignete und hoch qualifizierte Mannschaft und Frauschaft dazu haben, besteht kein Zweifel. Diesen Team-Gedanken hat dieser Tage auch Joachim Löw treffend und beinahe beiläufig formuliert, nach dem Spiel um den 3. Platz der WM sagte er, in seiner Mannschaft spielt man nicht miteinander, sondern füreinander. Ein wesentlicher Unterschied, der wahrhaft erfolgreiche Teams ausmacht. Es geht nicht nur darum, möglichst geräuscharm nebeneinander zu arbeiten, sondern das Füreinander aller am Schulleben Beteiligter ist eine große Vision von Schule. In einer schönen Verwirklichung haben wir das letzte Woche bei den Aufführungen des „Sommernachtstraums“ erleben können. Eine zweite wichtige Ausrichtung ist die der Beweglichkeit. Ein Zitat von Ludwig Börne mag dies verdeutlichen: „In einem wankenden Schiff fällt um, wer stille steht und nicht, wer sich bewegt.“ In diesem unglaublich langen Zeitraum, den das Ebelu schon existiert, länger als jeder deutsche Staat, hat sich die Schule behauptet durch Tradition, aber auch durch Innovation, wie dies auch in unserem Leitbild ausgeführt ist. Das Schiff Schule“ ist insgesamt eine lernende Institution, die flexibel reagiert und dabei doch stabil und verlässlich ist, damit es die „Nase im Wind“ behält. Zukunftsweisende richtige Entscheidungen am Ebelu von einst, die uns heute wie Selbstverständlichkeiten vorkommen, waren dabei z.B. die Koedukation in den 50er Jahren, die Einführung von Französisch als 3. Fremdsprache, die Stärkung der Mathematik und Naturwissenschaften, die Einführung des Musikzugs, der parallele Beginn von Latein und Englisch in Kl.5, das damals so genannte „Biberacher Modell“ und vieles mehr. Für die anstehenden, zukünftigen Entscheidungen brauche ich alle Ihre guten Wünsche, die Sie vorhin so freundliche zum Ausdruck gebracht haben: Die Bewahrung der humanistischen Bildung in einem europäischen Gymnasium, die Weiterführung und Ausdehnung des Musikzuges um die Hochbegabtenförderung im Musikbereich, die Stärkung der Mathematik und Naturwissenschaften mitsamt der Öffnung in die Wissenschaft und Wirtschaft und der Wahrnehmung attraktiver Angebote von außen. Die Anpassung der Schule an veränderte gesellschaftliche und familiäre Rahmenbedingungen durch modifizierten verlässlichen Ganztagesbetrieb mit pädagogischer Betreuung, die Anpassung an eine globalisierte Welt mit Auslandskontakten nach Europa. USA und Indien, die Achtsamkeit in einer international vernetzten Welt mit dem Projekt eine „UNESCO-Schule“ mit, die Wichtigkeit sozialen Lernens mit Praktika und Projekten in sozialen Einrichtungen und Unterstützungsangebote sind solche Zukunftsoptionen. Die Umsetzung dieser neuen Kursausrichtungen auf einem manchmal auch schwerfällig zu manövrierenden Schiff geht allerdings nur gemeinsam wie vorhin ausgeführt, indem wir alle an einem Strang, einem Tau ziehen, die Segel setzen, anstatt sie zu streichen. Denn als dritte weitere Kursbestimmung muss v.a. das Ziel klar sein, es geht nicht nur darum, schützende Häfen der Didaktik und fachlicher Inhalte anzusteuern, sondern es geht um eine möglichst umfassende und qualitätvolle Ausbildung unserer kleinen und großen Segelschüler und ihre erzieherische, menschliche Begleitung, damit keiner sozusagen über Bord geht. Die Schülerinnen und Schüler, um das ganz klar zu sagen, sind der Antrieb unseren Handelns, Ziel und Sinn unseres Tuns. Ihnen gilt im Grunde diese ganze Feier hier, die Mühe der Suche nach geeigneter Besatzung und Leitung und dem richtigen Kurs. Von ganz großer Bedeutung dabei sind das stetige Gespräch und der Austausch mit den Eltern als Erziehungspartner, der hier an der Schule in vorbildlicher Weise stattfindet. Abgesehen von unserem hoffentlich Tradition und Schule machenden Tag der Gespräche zwischen Schülern, Eltern und Lehrern, geht es darum, miteinander Schule zu entwickeln. Allerdings arbeiten diese drei Gruppen v.a. für das Wohl einer Gruppe zusammen, die der Schülerinnen und Schüler. Von daher geht es nicht nur darum, sich auf den Weg zu machen, sondern man muss auch wissen, wohin d.h. v.a. für wen. Ein viertes Anliegen meiner Zeit auf dem Kommandodeck wird auch sein müssen, das in die Jahre gekommene Schiff Ebelu flott zu halten bzw. wieder flott zu machen, und damit meine ich auch baulich. Ich hoffe sehr, dass Sie nachher Zeit finden auch die stilleren Orte des Ebelus in Augenschein nehmen zu können, um die Dringlichkeit zu sehen, ein Schiff nicht abtakeln zu lassen. Auf Schiffen weiß man, wie wichtig regelmäßige Renovierung und Instandhaltung ist, um nicht beim nächsten Sturm große Schäden in Kauf nehmen zu müssen. Eindringendes Wasser mag auf See ein häufiger Zustand sein; in Schulen ist er eher unerwünscht. Unser großes Jubiläum nächstes Jahr, zu dessen Feier wir uns hoffentlich im nächsten Juli 2011 wiedersehen, ist ein hoffentlich willkommener und geeigneter Anlass mit der Wiederherstellung und evtl. Erweiterung des Ebelus zu beginnen. Ein letzter Grundsatz wird sein den Kurs zu halten, aber durchaus im maritimen Sinne. Wenn ich mir die ausufernde pädagogische Ratgeberliteratur der letzten Jahre anschaue, entbrennt darin ein andauernder Richtungsstreit zwischen Betonung von einerseits Härte, Konsequenz, Disziplin, starker Führung gegenüber Kindern, die als zunehmend haltlose „Tyrannen“ empfunden werden und auf der anderen Seite genauso berechtigt die Forderung nach Individualität, Rücksichtnahme, sanfter Förder- und Forderung dieser Vision von „Zukunft“, die wir in unseren Kindern haben. Wir haben in der Didaktik einerseits die Rückkehr zur Stoffvermittlung, Inhalten, Betonung des Wissens in Wettbewerben und internationalen Leistungstests und auf der anderen Seite die Förderung von Kreativität, nonkonformem Verhalten, Betonung von methodischen, personalen und sozialen Kompetenzen. Diese scheinbaren Widersprüche und Kontrapositionen sind jedoch alle richtig, denn natürlich braucht man in der Erziehung Strenge und Milde, braucht Wissen und Können, Geist und Herz, Regeln und Ausnahmen. Für die Kursbestimmung bedeutet das nicht einen „Zickzackkurs“ zu fahren, aber dennoch stark den Einzelfall zu sehen, wie Wedekind in „Frühlings Erwachen“ sagt: „Ich setze lieber mein Vertrauen in dich, als in irgendeine pädagogische Grundsatzentscheidung“ – eine wahrhaft humanistische Entscheidung! Bevor ich mein Schiffsbild und meine Ausführungen mit einem letzten wunderschönen und passenden Zitat beenden werde, möchte ich aber noch Dank sagen: zum einen an Hr. Kernen, der mich mit bewundernswerter Hartnäckigkeit, davon überzeugt hat, anzutreten und der mich ohne alle Eitelkeiten und großer Kollegialität eingelernt hat, als wäre dies seine schönste Lehrstunde. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Frau nun eine gesunde und erfüllte Zeit im Ruhestand - bleiben Sie uns gewogen. Ferner natürlich Hr. Beck, der in unnachahmlicher Weise Steuermann ist und bleibt und diese Feier in wunderbarer Weise vorbereitet und moderiert hat. Dank zu sagen ist auch an viele, viele andere Personen im Kollegium, Seminar und RP, die mir stets wohlwollen begegnet sind und die nötige Sicherheit und hohe Wertschätzung gegeben haben, und viele andere Personen, die mir bitte nicht böse sind, dass ich sie nicht namentlich erwähnen kann. Allen danke ich hiermit ausdrücklich. Und last but not least v.a. meine wunderbare Familie und mein Mann, der mich in selbstloser Weise unterstützt hat . Nun zum Schluss ein letztes Bild und Zitat zu Schiff und Meer von Antoine Saint-Exupery, mit dem ich mir eigentlich meine Ausführungen zu Schule und Zukunft hätte sparen können. „Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer.“ Ich freue mich auf diese neue große Aufgabe und bedanke mich sehr für Ihre Aufmerksamkeit!