XXL Gastronomie- Essen in anderen Dimensionen

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XXL Gastronomie- Essen in anderen Dimensionen
XXL Gastronomie- Essen in anderen Dimensionen
Ein ganz unscheinbares Restaurant mitten im Taunus, umgeben von Tennisplätzen und einem
Sportplatz. Hier liegt das XXL- Paradies „Waldgeist“. Wir statten diesem Restaurant einen Besuch
ab, um herauszufinden, wie diese ehemalige Tenniskneipe zu einer internationalen Berühmtheit
und zu einem der Auslöser des Hypes auf XXL- Speisen wurde.
Unser Besuch beginnt trist. Es regnet. Der
Biergarten ist unbesetzt. Es ist ein ungemütlicher Herbsttag. Wir haben Hunger.
Damit sind wir hier goldrichtig. Kaum betreten wir das Restaurant, empfängt uns
Wärme und Essensduft. Wir schauen uns
in Begleitung des Personals um.
Ankunft im XXL- Paradies
Das Restaurant hat 150 Sitzplätze innen
und nochmal so viele im Biergarten. Aufgeteilt sind die Plätze im Innenbereich in drei
Räume. Den kleinen ältesten Teil der Gaststätte sehen wir zuerst. Dieser Gastraum
wurde seit seiner Zeit als einziger Raum in
der ehemaligen Tenniskneipe kaum verändert. Die Gäste haben Einblick in die Tennishalle. Im Wintergarten gibt es Fenster
rundum. Wir können sowohl den kleinen
Gastraum, als auch den Biergarten von hier
sehen. Die Decke ist mit Vorhängen bedeckt. Sie wirken wie Baldachine und
schaffen eine gemütliche Atmosphäre. Der
interessanteste Teil des Restaurants erwartet uns im größeren Gastraum. Imitierte
Felswände an den Seiten und drei Bäume
dekorieren den Raum. Ein Fenster steht offen. Die Blätter der Kunstbäume bewegen
sich leicht durch den Luftzug. Sie wirken
echt. In der Mitte des Raumes steht eine
Hütte auf einem Podest. Die Aufmachung
erinnert an eine Skihütte. Wir fühlen uns in
die Alpen versetzt. Hier bekommen die
Gäste das Gefühl, als wären sie geradewegs hungrig vom Skihang gekommen. Sofort fühlen wir uns wohl. Sarah W., eine der
Angestellten, fragt uns, ob wir die Küche
sehen wollen. Wir folgen ihr zurück in den
kleineren der beiden Gasträume und betreten die Küche. Hier ist bereits viel los. Majid
B., der Küchenchef, schneidet Berge von
Fleisch in ca. 500g schwere Stücke. Danach werden sie geklopft und paniert. In
den überdimensional großen Pfannen braten Zwiebeln. Uns läuft das Wasser im
Mund zusammen. Die Küche ist in zwei Bereiche unterteilt. Die ‘warme‘ und die ‘kalte‘
Küche. Wir gehen in den hinteren Teil, zur
kalten Küche. Hier sind drei Mitarbeiter
damit beschäftigt Soßen vorzubereiten sowie Salat und Gemüse kleinzuschneiden.
Alle haben gute Laune. Die Arbeit scheint
Spaß zu machen. Bisher sind lediglich acht
Gäste anwesend. Noch wirkt alles ruhig.
Wir wundern uns: wozu diese Massen an
Speisen? Im Moment sieht es nicht danach
aus, als ob es bald voll werden würde. Sarah W. klärt uns auf: „Mittags ist nicht so
viel zu tun, aber da müssen wir dann alles
für den Abend vorbereiten.“ Wir sind gespannt.
Essen in anderen Dimensionen
Es ist Mittagszeit. Wir stehen vor einem
wahrhaft gewaltigen Problem. Die Karte. Was
sollen wir bestellen? Natürlich mindestens ein
Gericht XXL. Das Angebot ist sehr reichhaltig. Ob 1,2 kg Rumpsteak, 250g-2,25kg
Schnitzel, 600g Currywurst oder ein Cheeseburger von stolzen 1,2kg, alles ist vorhanden.
Aber nicht nur die Karte überrascht. Das
Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt ebenfalls.
Hier kostet ein XXXXXL- Hamburger mit
30cm Durchmesser 15,50€, das Wiener
Schnitzel vom ½ Schwein mit Beilagen
10,30€, Salatteller ab 8,10€. In einem normalen Restaurant zahlt man für die Hälfte der
Portionen bis zu 15,00€. Hinunterspülen kann
der Gast dann alles mit 2-Liter- Gläsern Apfelwein oder dem ‘Bembel des Todes‘ bestehend aus stolzen 8 Litern Barcardi Cola.
Bembel sind große Tonkrüge und in Hessen
normalerweise zum servieren des Apfelweins
gedacht.
einen extra Teller bräuchten. Brauchen wir.
Der Burger wird zerteilt und ist bereit für den
Verzehr. Jenny probiert und ist vom Geschmack begeistert: „Der schmeckt ja super!
Aber schaffen tu ich den niemals!“.
ein Kilo Schnitzel ist für die Teller deutlich zu groß
unbezwingbar- der XXXXXL- Cheeseburger
Zurück zu unserem Hunger. Dank der Warnung von Marcus R., einem der Angestellten,
bestellen wir einen XXL- Cheeseburger und
ein Kinderschnitzel. Glücklicherweise, wie
sich bald herausstellt.
Sarah W. wünscht: „Guten Appetit und viel
Erfolg“, als sie uns das Essen serviert. Wir
sind geschockt. Der Burger ist überdimensional. Das Kinderschnitzel eine ‘normale‘ Erwachsenenportion. Damit hätten wir nicht
gerechnet. Das Personal ist amüsiert, sie
kennen die Reaktion der Gäste auf ihre Gerichte bereits. Jenny möchte sich zuerst am
Burger probieren, während Amelie sich dem
Schnitzel zuwendet. Und schon gibt es ein
Problem. Wie soll man diesen gigantischen
Burger essen?
Mit einem Grinsen im Gesicht fragt Sarah W.
uns, ob wir vielleicht ein großes Messer und
Auch Amelie ist von dem Schnitzel sehr angetan: „Mmm, das schmeckt ja gut. Das ist so
schön dünn!“. Anfangs essen wir mit Genuss.
Am Schluss wird gekämpft. Der Burger siegt.
Wir schaffen lediglich die Hälfte. Aber auch
das ist ein bekanntes Problem im Restaurant
Waldgeist. Wir bekommen Alufolie und Pappteller. So können wir alles mitnehmen und
uns später noch einmal daran versuchen. Die
Reste reichen noch für mindestens zwei weitere Mittagessen.
Aus einem Scherz wurde Erfolg
Gut gesättigt gönnen wir uns erst mal eine
Verdauungspause. Dabei treffen wir auf Ramona J., die öfter als Gast den Waldgeist
besucht und auch das Personal gut kennt.
„Ich komme am liebsten im Sommer in den
Waldgeist, weil der Biergarten so schön ist
und das alles hier so schön in der Nähe vom
Wald liegt, die Natur so auf dich einwirkt und
am liebsten esse ich Schnitzel.“, erzählt sie
uns. Herrn Florian Orth, der Geschäftsführer,
gesellt sich zu uns. Er erzählt uns, wie das
Konzept XXL entstand: „Die eigentliche Idee
des Waldgeistes, die aus der einstigen Tenniskneipe ein beinah international bekanntes
Restaurant gemacht hat, entstand - wie so
viele erfolgreiche Ideen – aus einem Scherz
bzw. Spaß heraus. Die damaligen Besitzer
und Betreiber, also Christoph und Anja Hahl,
hatten immer donnerstags Stammgäste, das
war 1999. Diese hatten schon immer über die
kleinen Portionen gemeckert. Eines Tages
zauberte Christoph Hahl ihnen ein XXLSchnitzel. Dies kam gut an und wurde praktisch jeden Donnerstag wiederholt. Mit der
Zeit bestellten auch Nicht-Stammgäste die
XXL-Portionen und recht schnell wurde aus
der Idee ein Konzept: Übergroße Speisen in
guter Qualität zu Dumpingpreisen anbieten.
Wir wurden so also ziemlich schnell zum Begründer einer neuen Gastronomie-Sparte.
Der XXL Erlebnis-Gastronomie. “
Eine Idee die sich gut verkauft, wie wir feststellen. Sarah berichtet, dass es sehr schwer
ist hier einen Tisch zu bekommen: „Manchmal ist das schon wirklich voll. Und dann
muss man sich auch vorher schon überlegen,
wo man die Leute hinsetzt, besonders wenn
man große Gruppen hat und da macht man
sich schon einen Plan,
aber dann geht das meistens auch auf. Also es
kommt schon vor, dass wir
an einem Freitag- oder
Samstagabend halt unsere
20er, 30er bis hin zu 50er
und hunderter Gruppen
haben, oder halt auch
kleinere, aber in der Regel
spielt sich das so bei 1220 Leute ab.“
Ein geordnetes Chaos
Gegen 18.00Uhr wird es richtig voll. Immer
mehr Menschen strömen in das Restaurant.
Es ist faszinierend zu sehen, denn für die
Menge an Gästen scheint uns zu wenig Personal vorhanden zu sein. Doch es funktioniert. „Jeder hat seinen eigenen Aufgabenbereich und weiß immer ganz genau was er
machen muss.“ Sarah erklärt, dass es hier
hauptsächlich drei Aufgabenbereiche gibt.
Die ‘Aufnehmer‘, diese gehen von Tisch zu
Tisch und tippen die Bestellungen der Gäste
in einen sogenannten Orderman ein. Dieser
sendet die Daten direkt an die entsprechenden Stellen, also Theke oder Küche. Desweiteren sehen wir mehrere ‘Läufer‘ bei der Ar-
beit. Intern werden sie ‘Tellertaxis‘ genannt.
Das ist ihre Aufgabe. Sie holen fertige Getränke und Speisen ab und bringen sie den
Gästen an den Tisch. Das dritte Resort ist die
Theke. Es ist beeindruckend, wie schnell
auch die XXL-Getränke fertig auf den Tabletts stehen. Sarah W. ist heute Setzerin. Eine Aufgabe, die nur anfällt, wenn sehr viele
Reservierungen anstehen. Sie begrüßt die
Gäste, überprüft anhand einer Liste die Reservierung und geleitet sie zu ihrem Platz.
Um 18.15Uhr ist das Restaurant voll besetzt.
Viele Gäste kommen von weit her. Wir können ein paar Amerikaner oder Engländer
identifizieren und anhand der Dialekte mehrere nicht aus Hessen stammende Gruppen. Es
herrscht buntes Treiben. Musik läuft hier
nicht. Die würde eh keiner hören. Der Geräuschpegel ist enorm. Die Aufnehmer verschaffen sich Gehör, im Zweifelsfall auch
durch schreien. Sie rufen die jeweiligen Gästegruppen zur Ordnung,
damit die Bestellungen
aufgegeben
werden
können. Auch untereinander muss das Personal ein lautes Stimmorgan besitzen. Florian
T., der Thekenchef ruft
nach den Läufern, sobald sich zu viele Getränke
ansammeln.
„Tisch 3 muss raus!!!“. Keiner reagiert. Die
ersten Essen werden von der Küche rausgegeben und die Läufer sind vollauf damit beschäftigt Cheeseburger, Currywürste und
Schnitzel zu verteilen. Also wird gebrüllt.
„Tisch 3, die Getränke müssen raus!!!
JETZT!!!“. Das funktioniert.
Das Erfolgsgeheimnis
Es stellt sich die Frage warum es so einen
Hype auf das XXL Vergnügen gibt, wenn die
Gäste es sowieso nicht schaffen die Teller
leer zu essen. Was ist das Geheimnis? Was
steckt dahinter?
„Der Waldgeist und XXL waren ständig im
Gespräch und schnell wurde das Konzept
und das Restaurant von Presse und Internet
aufgegriffen. In wenigen Monaten vervielfachten sich die Besucher- und Umsatzzahlen.“,
erklärt Herr Orth. Das ist also das Geheimnis.
So viel Presse erregt natürlich Aufsehen.
Das Geschäft floriert. Herr Orth erzählt uns,
dass unter der Woche viele Einheimische und
Stammgäste das Restaurant besuchen. Dann
überrascht uns Herr Orth: „Hin und wieder hat
man auch mal spektakuläre Stammgäste von
weither, ich erinner mich da an ein paar Australier, Mexikaner und besonders auch Italiener, die dann doch alle paar Monate mal
kommen und wieder Freunde oder Bekannte
mitbringen.“
Inzwischen ist es so voll, das uns lediglich ein
Platz an der Theke bleibt. Jeder Tisch ist besetzt und die Mitarbeiter im Stress.
Im Minutentakt werden den Gästen 2Liter
Biergläser, Königsplatten und weitere Cheeseburger serviert. Ihnen steht dasselbe Erstaunen im Gesicht geschrieben wie uns am
Mittag.
Auch Cocktails werden nun verkauft. Das
Höchstmaß liegt hier bei 8 Litern. Wir können
nicht glauben, dass es Menschen gibt die so
etwas tatsächlich bestellen. Wir werden eines
Besseren belehrt. 8 Liter Long Island Ice Tea
gehen an einen Tisch mit 10 Personen. Jetzt
verstehen wir. 10 Strohhalme ragen aus dem
Glas, das eher einer gigantischen Blumenvase gleicht. Sarah W. erzählt, dass viele auch
nur für den Alkoholkonsum kommen.
Das sorgt natürlich für entsprechend Stimmung. Junggesellenabschiede sind an der
Tagesordnung. Diese grölen, tanzen durch
den Raum und bestellen mehr und mehr Alkohol.
Aber wie bewältigen die recht jungen Mitarbeiter diese tägliche Anstrengung mit den
alkoholisierten Gäste? „Im Großen und Ganzen ist das eigentlich immer eher lustig, weil
bisher haben sich alle recht gut benommen,
also es gibt natürlich Ausnahmen, aber allgemein klappt es immer ganz gut.“, antwortet
Sarah W. Das Alter des Personals scheint
sogar recht hilfreich. Alle werden geduzt und
hin und wieder trinkt auch das Personal mal
einen mit. „Wenn gar nichts mehr hilft, versuchen wir erst mal sie mit einer Runde
Schnaps aufs Haus zu bestechen. Im
schlimmsten Fall werden sie rausgeworfen,
aber das kam bisher erst einmal vor. Die haben sich damals aber auch echt daneben
benommen,
haben
die
Kellnerinnen
angegraben und zum Teil sogar angetatscht.“, schildert uns Sarah W.
Passt das Eis mit 18 Kugeln noch?
auch XXL-Getränke sind sehr beliebt
Heute ist ein Gesangsverein das Highlight.
Sie haben inzwischen den dritten ‘Bembel
des Todes‘ am Tisch und unterhalten die Anwesenden mit ihrem Gesang, der immer unverständlicher wird. Inzwischen ist es Mitternacht und für laut offizielle Öffnungszeiten
schließt der Waldgeist jetzt. Die meisten Gäste sind weg. „Manchmal lassen wir die Gäste
länger sitzen, wenn noch viel zu tun ist, oder
wir uns gut mit ihnen verstehen.“, erklärt Sa-
rah. Sie vermutet, dass die Jungs vom Verein
noch eine ganze Weile da sein werden.
Der Tag ist, zumindest für uns, zu Ende. Unser Ausflug ist beendet und wir sind uns sicher, dass es für uns ein nächstes Mal geben
wird.
Draußen ist es kalt. Von außen ist es wieder
das unscheinbare triste Restaurant an einem
nasskalten Herbsttag, das wir bei unserer
Ankunft vorgefunden haben. Es regnet. Der
Biergarten ist unbesetzt, aber wir sind satt.