Michael Herberger - Berliner Fußball

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Michael Herberger - Berliner Fußball
Michael Herberger
Michael Herberger, Jahrgang 1971, geboren und aufgewachsen in Mannheim.
Er ist Diplom-Biologe mit Hauptfach Molekularbiologie und studierte an
der Universität Heidelberg. Herberger ist Mitbegründer der »Söhne Mannheims« sowie deren Produzent, Musikalischer Leiter, Komponist und bis 2012
Keyboarder der SM-Liveband. Weiterhin ist Michael Herberger Geschäftsführender Gesellschafter der Firma »Naidoo-Herberger-Produktion«, die in
Mannheim einen Komplex mit zehn Tonstudios betreibt und den Großteil der
Musik rund um Xavier Naidoo produziert. Er ist zweifacher Echo-Gewinner
und erhielt mehrfache Gold- und Platinauszeichnungen für verschiedene CDProduktionen. Der von ihm mitgegründete Mannheimer Verein »Aufwind«
unterstützt und fördert seit Jahren Grundschulkinder im sozialen Brennpunkt Mannheim Neckarstadt-West. Michael Herberger ist Urgroßneffe des
ehemaligen Bundestrainers Sepp Herberger und Mitglied im Kuratorium der
gleichnamigen DFB-Stiftung sowie Aufsichtsratmitglied der Pop­akademie
Baden-Württemberg.
Weiterführende Informationen: www.naidoo-herberger.de,
www.aufwind-mannheim.de
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Nachhaltigkeit als Lebenseinstellung
Warum braucht Nachhaltigkeit Kultur?
Ich denke, dass es gar keinen Lebensbereich gibt,
der keine Kultur braucht. Kultur ist als breit gefasster Begriff in jedem Lebensbereich nicht nur
wichtig, sondern essentiell. Welcher Lebensbereich braucht keine Kultur? Sogar beim Essen
braucht man Kultur, Esskultur.
Was bedeutet für Sie Nachhaltigkeit in der Musikbranche?
Sie bedeutet für mich, dass Zusagen eingehalten
werden, auch wenn es mal Visionen und Beharrlichkeit braucht, um an einem Projekt festzuhalten. Unsere Branche ist sehr kurzlebig geworden,
nicht erst seit den Casting-Shows, sondern auch
durch den steigenden Druck. Die Abverkaufszahlen sinken stetig, dadurch ist der Druck höher,
und umso schwieriger ist es dann auch, an Projekten festzuhalten, obwohl sie anfangs erst mal Geld
kosten. Nachhaltigkeit ist gefragt, weil textlich
und musikalisch gehaltvolle Projekte in aller Regel nicht sofort funktionieren. Sie brauchen eine
gewisse Beharrlichkeit – nur dann funktioniert es.
Wann ist Musik für Sie »unaufrichtig«?
Wenn sie nicht mehr authentisch ist.
Gibt es für Sie in der Musik moralische oder geschmackliche Grenzen?
Die moralischen Grenzen definieren sich automatisch, indem ich die Freiheit des anderen einschränke (Anmerkung der Redaktion: Zitat Rosa
Luxemburg). Da ist Musik nicht anders als das
respektvolle Verhalten, von dem wir im menschlichen Umgang ausgehen sollten. Weshalb ist
Kreativität ein wesentlicher Faktor für die Weiterentwicklung der Gesellschaft? Weil sich diese
Ressource nicht verbraucht? Die Gesellschaft entwickelt sich meiner Meinung nach ausschließlich
durch Kreativität weiter. Durch monotone Stagnation sicher nicht.
Gehört das Zweifeln dazu, um die eigenen Talente
zu entdecken und zu fördern?
Nein. Im künstlerischen Bereich ist es eine Mischung aus dem Bewusstsein zu wissen, wer man
als Person und wer man musikalisch ist. Das ist
wichtig, um sich authentisch ausdrücken zu können. Trotzdem sollte man ein gewisses Maß an
»Nicht-Beratungsresistenz« besitzen. Dies gibt jemandem wie mir, der ja produziert, die Möglichkeit, einen Künstler doch noch die letzten 10 Prozent zu führen, um so sein Potenzial voll entfalten
zu können.
Muss ein Musiker Grenzen überschreiten, Risiken
eingehen und bereit sein, auch einmal zu schei96
tern, um seiner Rolle als Künstler gerecht zu werden?
Das trifft meiner Meinung nach auf jeden Menschen zu. Das ist keine künstlerspezifische Sache.
Stimmen Sie der Aussage zu, dass, wer nicht an
seine Vision glaubt, sie auch nicht realisieren
wird?
Ja, uneingeschränkt!
Ist Ihre größte Vision gegenwärtig die Planung
­eines Zentrums für Musik- und TV-Showproduktionen auf den Flächen der früheren Taylor Kaserne in Mannheim?
Jein. Meine Vision ist eigentlich eher die, dass ich
Menschen mit kreativen Potenzialen zusammenbringen möchte aus verschiedenen Sparten. Nicht
nur aus der eigentlichen Kreativ- und schon gar
nicht nur aus der Musikbranche. Dazu gehören
sicherlich der Bereich Nachhaltigkeit mit Social
Entrepreneurs oder auch die von der Stadt Mannheim angedachte Ingenieursmeile. Mir geht es
vorrangig darum, kreativen Menschen einen Ort
zu bieten, an dem sie leben und arbeiten wollen.
Wo sie Ideen austauschen und möglichst viele
neue Geschäftsfelder entstehen können.
Wie optimistisch sind Sie, dass diese Vision Wirklichkeit wird?
Ich verweise auf die obige Antwort bezüglich der
Realisierung einer Vision. (lacht).
Was bedeutet Ihnen die Arbeit im Kuratorium der
DFB-Stiftung Sepp Herberger?
Die Arbeit verbindet so viele meiner Interessen!
Deshalb ist sie für mich auch etwas ganz Besonderes. Meine Eltern waren beide berufstätig, und ich
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habe viel Zeit bei meinen Großeltern verbracht.
Mein Großvater ist ein glühender Verehrer von
Sepp Herberger gewesen, obwohl er das so offen
nie gesagt hätte. Er kannte ihn gut und hat immer viel von und über ihn erzählt. Das ist die eine
familiäre Seite. Dazu kommt natürlich, dass ich
einfach schon immer ein Fussballfan war. Zudem
sind mir soziales Engagement und Nachhaltigkeit
sehr wichtig. Deswegen ist es schön, diesen dritten Aspekt auch noch mit in der Stiftung zu sehen.
Welche Projekte liegen Ihnen darüber hinaus am
Herzen?
Ich bin der Überzeugung, dass man über die
Nachhaltigkeit die soziale Kompetenz eines Menschen definieren kann. Um diese Einstellung zu
leben, haben wir in unserer Stadt ein Projekt aus
der Taufe gehoben, welches genau die Bedürfnisse abdeckt, die in unserer Stadt auffällig waren.
Im »Aufwind Mannheim e.V.« fördern wir 25 sozial
benachteiligte Grundschulkinder über die gesamte Grundschulzeit von vier Jahren. Den Bedarf vor
Ort haben wir vor dem Start ermittelt und bündeln unsere gesamte Energie in diesem Projekt.
Wir sind jetzt nach fünf Jahren sehr glücklich darüber, dass das Projekt so wunderbar funktioniert
und schon so viele Früchte trägt.
Wie sieht die Betreuung der Kinder und Jugendlichen bei Aufwind Mannheim genau aus?
Die Kinder kommen in aller Regel aus sehr schwierigen familiären Verhältnissen. Es gibt auf der
einen Seite zum Beispiel Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung, sprich schulische Förderung.
Wichtig ist uns aber auch, Freizeitaktivitäten zu
unterstützen, die die Kinder in der Familie nie
bekämen. Dazu gehört die Angliederung an Sport-
vereine wie z. ­B. Fußball. Zudem lernen die Jungen und Mädchen bei uns schwimmen oder auch
so vermeintliche Kleinigkeiten wie Zahnpflege:
Wir hatten Kinder, die sich die ersten sechs Jahre
ihres Lebens noch nie die Zähne geputzt hatten.
Da muss man ganz tief ansetzen und nicht denken, dass wir hier in jedem Fall die nächste Elite
heranbilden. Vielmehr gibt es riesige Defizite, die
wir erst mal versuchen auszugleichen. Umso mehr
freut es mich dann aber natürlich, dass wir nach
vier Jahren Förderung auch Kinder dabei haben,
die, als sie zu uns kamen, noch kein Wort Deutsch
sprachen und jetzt erfolgreich im Gymnasium untergebracht sind.
Wie finanzieren Sie Aufwind Mannheim e.V.?
Die ersten Jahre haben wir das mehr oder weniger komplett selbst finanziert. Inzwischen konnten wir durch die zunehmende Wahrnehmung in
der Öffentlichkeit immer mehr Spenden bekommen. Seit zwei Jahren ist es so, dass über den
RTL-Spendenmarathon für fünf Jahre die Grundsicherung des Betriebes glücklicherweise gewährleistet ist. Inzwischen sind wir auch ein offizielles
RTL-Kinderhaus.
Stellen Sie fest, dass Ihr Engagement für Aufwind
Mannheim Vorbildfunktion hat?
Was mir viel wichtiger ist als das, ist die Tatsache,
dass in dem Stadtteil, in dem Aufwind beheimatet ist, die Menschen anfangen, sich für den Verein zu interessieren und sich dort mehr und mehr
ehrenamtlich engagieren. Ich muss aber ganz ehrlich gestehen, dass ich mich noch mehr über die
Menschen freue, die wir als staatliche Institution
eigentlich gar nicht erreichen würden – die Eltern
der Kinder, die wir betreuen oder die Verwand-
ten oder Bekannten der Eltern. Es haben sich
z. B. Frauenkreise bei uns gebildet, die über unsere Struktur hinweg, dem Stadtteil mehr Stabilität geben, weil sich die Frauen gegenseitig helfen.
Das ist für mich das wirklich Schöne und Nachhaltige. Wir sind inzwischen verwurzelt in diesem
Stadtteil.
Weshalb ist die Beschäftigung mit Nachhaltigkeit
immer auch ein privates Thema, das sich vom beruflichen Engagement nicht trennen lässt? Wie
setzen Sie persönlich Nachhaltigkeit im täglichen
Leben um?
Ich finde es zwar schön, dass es jetzt immer mehr
zum Thema wird. Für mich jedoch war und ist es
eine Lebenseinstellung, die sich nie geändert hat.
Ich habe nie für mich den Beschluss gefasst, jetzt
bin ich nachhaltig, sondern für mich war das einfach so. Dies spielt natürlich auch ungemein in
mein christliches Weltbild rein. Man kann unmöglich fundamentierter Christ sein wie ich und nicht
nachhaltig denken und handeln. Das schließt sich
aus!
Achten Sie beim Kauf von Produkten und Dienstleistungen selbst darauf, ob diese nachhaltig sind?
Ja, ganz eindeutig. Ich finde allerdings, dass man
kein Dogma draus machen muss. Aber es kommt
schon vor, dass ich den örtlichen Bioladen darauf
hinweise, dass eben Plastikflaschen nicht nachhaltig sind. Ich bin aber gerne bereit, etwas mehr
Geld zu bezahlen, um dort einkaufen zu gehen.
derten Werteentwicklung in der Gesellschaft gar
keine Wahl haben werden, sich diesem Thema
nicht nur zu nähern, sondern sich diesem auch
anzupassen, weil früher oder später, wenn sie das
nicht tun, keiner mehr ihre Produkte und Dienstleistungen in Anspruch nehmen wird.
Nehmen Sie eine Werteentwicklung in der Gesellschaft war oder einfach nur eine größere Transparenz durch Social Media?
Ja, eindeutig, ich nehme unabhängig von der eindeutig gestiegenen Transparenz wahr, dass Werte
immer wichtiger werden. Das hatte mit der Biowelle angefangen, den für mich ersten wahrnehmbaren Impuls von Nachhaltigkeit in den letzten
zehn, fünfzehn Jahren. Durch die Finanzkrise
reden jetzt sogar Bankvorstände von Nachhaltigkeit. Auch die veränderte Einstellung der jetzigen
Elterngeneration, vor allem der jungen Väter zur
Familie selbst, ist eine neue, wichtige Entwicklung. Als ich Kind war, hatte Familie bei weitem
nicht diesen Stellenwert, wie sie es heute hat für
junge Eltern. Während meiner Kindheit in den
1970er und 80er Jahren wurde der erfolgreiche
Jungunternehmer »Yuppie« geboren. Das Wirtschaftswunder klang noch nach. Die Karriere war
Wie wichtig werden nachhaltige Produkte und
Dienstleistungen in den nächsten Jahren für den
wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen werden?
Ich glaube, dass die Unternehmen bei der verän98
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in der Lebensplanung immens wichtig. Wenn man
sich mal betrachtet, wie z. B. das Thema Burnout
heutzutage thematisiert wird … das wäre vor 20
Jahren undenkbar gewesen. Jetzt ist es in Ordnung, wenn man sich, obwohl man vielleicht seine
Karriere aufgibt, umorientiert und eben auf andere Werte besinnt. Da tut sich einiges in unserer
Gesellschaft. Ich hoffe, wir sind mit dieser Entwicklung noch lange nicht am Ende.
Was sind für Sie die Herausforderungen auf dem
Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft?
Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht an der
Nase herumführen lassen von Menschen, die es
damit nicht ernst meinen, sondern nur wieder damit Geld machen wollen und dies ins Gegenteil
verkehren. Also mit Nachhaltigkeit Geld machen,
ohne an dem Kern des Themas Nachhaltigkeit eigentlich Interesse zu haben.
Was zeichnet Ihre »Handschrift« aus? Was soll als
Botschaft von ihr bleiben auf diesem Planeten?
Hier möchte ich die Bibel zitieren: »Liebe Deinen
Nächsten wie Dich selbst.« Das mag profan klingen, bringt aber meine Einstellung ziemlich genau auf den Punkt.