Reaktivierung der Aktivitas nach 1945

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Reaktivierung der Aktivitas nach 1945
Reaktivierung der Aktivitas nach 1945
Bei den schweren Luftangriffen auf Hagen am 1.Oktober 1943 und am 2.Dezember
1944 wurde das Gebäude der Staatlichen Ingenieurschule durch Luftminen fast völlig
zerstört. Am 15.Oktober 1945 gab die Regierung in Arnsberg ihr Einverständnis zur
Wiederaufnahme des Lehrbetriebes, der dann Anfang 1946 auch die erforderliche
Zustimmung der Militärregierung folgte. Der Lehrbetrieb wurde im Okober 1946
wieder aufgenommen. Zumeist Kriegsteilnehmer verließen bereits im Frühjahr 1947
als Jungingenieure die Ingenieurschule. Es ist nicht festzustellen, ob unter den ersten
36 Jungingenieuren auch Mitglieder der TV Schlaraffia ihr Examen ablegten.
Helmut Flemming al. Utti
war es gelungen,mit den
seinerzeit Studierenden an
der Staatlichen Ingenieur schule Hagen Verbindung
aufzunehmen.
Die Zusamenkunft fand in
den Räumen der „Ha gener
Museumsstuben“ statt,
einem äußerst gemütlichen
Lokal.
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Helmut Flemming al. Utti war es gelungen, mit den seinerzeit Studierenden an der
Staatlichen Ingenieurschule Hagen Verbindung aufzunehmen. Diese Bemühungen
waren umso erfolgreicher als andererseits auch seitens der Studierenden der Wunsch
zur Anlehnung an einen AHV vorhanden war. Um jedoch allen gerecht zu werden,
hat AH Utti Flemming eine eingehende Aussprache mit dem Direktor der Hagener
Ingenieurschule Herrn Heuer und mit Herrn Baurat Heimburg über dieses Thema
gehabt und erfreulicherweise auch dort volles Verständnis gefunden. Und so fanden
sich dann nach mehrjähriger Pause und zum ersten Mal nach dem Krieg alle unsere
Hagener AH restlos zum größten Teil mit ihren Damen ein. Um die Wichtigkeit dieser
ersten Hagener Zusammenkunft gebührend zu unterstreichen, waren ebenfalls einige
AH/AH von außerhalb angereist. So waren erschienen die AH/AH: Balser,
Battenfeld, Dickertmann, Feldhaus, Flemming, Fränzner, Greis, von Hagen, Jüngel,
Jüsten, Kettler, Mönnigheim, Röllinghoff, Schulte I, Schweitzer und Tesche mit ihren
Frauen, sowie Becker, Bellmann, Borgmann, Halver, Hermos, Nockemann, Schlecht,
Speel, Schulte II und Waldhausen.
Die Zusamenkunft fand in den Räumen der „Hagener Museumsstuben“ statt, einem
äußerst gemütlichen Lokal. Im Laufe des Abends erschien dann eine Abordnung der
Studierenden der Staatlichen Ingenieurschule Hagen, bestehend aus den Herren
Hundt, Mesarius, Lindenschmidt, Koch und Schmidt. Sowohl Besucher wie Gast-
geber hielten die üblichen und notwendigen Reden und die erste offizielle Hagener
Veranstaltung wurde zu einem großen Erfolg und brachte sehr viel Freude. Bei der
Bewirtung spielten Gaben aus den Liebespaketen von AH Teja Wiese eine Rolle, so
daß jeder Teilnehmer einen Chile- Kaffee und eine Schachtel Chile-Zigaretten bekam.
AH Werner Battenfeld al. Ferro stiftete die Zigarren, da seine Maschinenfabrik zur
Herstellung von Kunststoffpressen bereits recht gut funktionierte.
AH Werner Battenfeld al.
Ferro stiftete die Zigar ren
Erste offizielle Kneipe nach dem Krieg
19. März 1948 Semesterantrittskneipe 17:45 Uhr im Restaurant Humpert am Höing,
Fleyer Str. 120
5 Tage vor der ersten Semesterantrittskneipe mit einer Aktivitas schreibt AH Utti
Flemming eine kurze Einladung an die Alten Herren der TV Schlaraffia mit folgen dem Text.
Liebe Alte Herren, die neue Aktivitas steht und wird am Freitag, den 19. März 17:45
Uhr ihre erste Semesterantrittskneipe durchführen. Da die Aktiven (ca. 20 Mann)
völlig ungeschult auf diesem Gebiet sind, müssen wir Alte Herren ihnen eine Kneipe
vorexerzieren. Hierzu fordere ich Euch auf möglichst zahlreich an genanntem Tage im
neuen Kneiplokal Humpert Höing, Fleyerstr. ,Endstation Linie 8, zu erscheinen (ohne
Damen). Wenn wir den Fortbestand unseres Freundeskreises sichern wollen, müssen
wir heute der Jungen Aktivitas vorwärts helfen.
Bitte etwa noch vorhandene Commersbücher etc. mitbringen. Auch Mützen, Bänder,
Schläger oder andere Kneiprequisiten. Mit herzlichen Bundesgruß. Utti Flemming.
Dieser Einladung folgten 26 AH AH. Die Kneipe wurde geschlagen von AH Utti
Flemming mit AH Condor Greis als Fuchsmajor. Den als Interessenten erschienenen
20 Studierenden der Hagener Ingenieurschule wurde eine Kneipe alten Stils vorgeführt, was sie umso lieber taten, da sie sich bei dieser Gelegenheit ordentlich an dem
von unserem lieben AH Nestor Bellmann gestifteten Starkbier gütlich tun konnten.
Den als Interessenten
erschienenen 20
Studierenden der Hagener
Ingenieurschule wurde eine
Kneipe alten Stils vorgeführt
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Die Jugend im Alter von
durchweg 23 - 29 Jahren
fühlte sich von dem ganzen
Betrieb sehr angezogen und
versuchte teilweise mit recht
beachlichem Erfolg mitzu machen.
Bei dieser Gelegenheit hauchten sogar zwei Stiefel ihr Leben aus. Da außerdem unser
lieber AH Friedel Fritzen mit zwei Flaschen und unser AH Menne Möller mit einer
Flasche Bergmanns Elexier aufwarteten, nahm der Abend einen recht fröhlichen
Verlauf. Die Jugend im Alter von durchweg 23 - 29 Jahren fühlte sich von dem ganzen
Betrieb sehr angezogen und versuchte teilweise mit recht beachlichem Erfolg mitzumachen.
18. April 1948: AH Zusammenkunft in Gelsenkir chen
Wie in der Chronik zu erwähnen ist mit dem üblichen Verlauf. Der Vorsitzende des
AHV konnte wiederum Teile aus Briefen des lieben AH Teja Wiese aus Chile vorlesen, aus denen so recht der Idealismus und die Uneigennützigkeit hervorgeht. Wie
üblich gab es auf der AH Zusammenkunft Zigaretten und Kaffee aus der Hilfsaktion
von Teja Wiese.
Es wurde beschlossen, das 49. Stiftungsfest der TV Schlaffaria in Hagen zu feiern.
Die Einladung wurde mit Schreibmaschine geschrieben und mit Rundschreiben Nr. 5
am 28. April 1948 verschickt. Das Original der Einladung gibt Aufschluß darüber, wie
schwierig es in der damaligen Zeit war ein Fest zu veranstalten.
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Festfolge zum 49jährigen Stiftungsfest der
„T.V. Schlaraffia“, Hagen i/W.
Freitag, den 21. Mai 1948 in Hohenlimburg
Hotel Bentheimer Hof, zu erreichen ab Hagen i/W mit Straßenbahnlinie 2
Abfahrtszeiten alle 30 Minuten ab Bahnhof Hagen um x.03 & x.33
14:30 Uhr:
Gemeinschaftliche Kaffeetafel
(Kaffee und Kuchen wird reichlich gestellt)
16:30 Uhr:
A.H.C. für alle A.H.A.H.
Die Damen können diese Zeit zu einem Bummel durch Hohenlimburg,
das sog. „Westfälische Heidelberg“ benutzen.
17:30 Uhr:
Festkommers mit Damen (Getränke werden gestellt)
19:30 Uhr:
Gemeinschaftliches Abendessen
(bestehend aus Suppe, Fleischgang und Pudding)
21:00 Uhr:
Tanzkränzchen bis zum Wecken (Herren dunkler Anzug erwünscht)
X:00 Uhr:
In später Stunde wird noch ein Imbiss gereicht
Rückkehr nach Hagen i./W.
entweder um 1:00 Uhr nachts mit Sonderwagen der Strassenbahn
oder am frühen Morgen um 5:53 Uhr mit der ersten Straßenbahn
oder per Pedes apostulerum !
Samstag, den 22. Mai 1948
10:30 Uhr:
Grosser Frühschoppen mit Damen im Lokale „Humpert, Höing“
Dortselbst ist Gelegenheit zu einem Imbiss gegeben.
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Zusagen
bis spätestens 12. Mai eintreffend erbeten an
Helmuth Flemming, Hagen i./W., Hassleyerstr. 6.
Es wird gebeten, mit Rücksicht auf die vielen Stiftungen von der Einführung von
Gästen nach Möglichkeit abzusehen, ausgenommen erwachsene Söhne und Töchter.
Hotelbetten sind umgehend zu bestellen, da Bereitstellung sonst unmöglich,
Bettwäsche ist mitzubringen!
Autofahrer, die ihr Auto unterstellen wollen, müssen umgehend
Garagenmeldung geben.
An Lebensmittelmarken werden
gefordert je Teilnehmer
100 Gramm Fleisch
200 Gramm Nährmittel
100 Gramm Brot
20 Gramm Fett
10 Gramm Zucker
2 Kartoffelmarken
Unkostenbeitrag: 12 Mark/Person
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dafür wird geboten:
Der Nachmittagskaffee
Das Abendessen
Der Imbiss
21. Mai 1948: 49. Stiftungsfest der TV Schlaraffia im Hotel Bentheimer Hof in
Hohenlimburg
In Hagen waren die Zerstörungen, verursacht durch die Bombardierungen, nach wie
vor nicht vollständig beseitigt.
Das erste Stiftungsfest nach
dem Krieg
Verhandlungen mit dem Kölner Hof in Hagen scheiterten, weil eine Verpflegung mit
dem Inhaber nicht vereinbart werden konnte, trotz der Zusicherung, eine angeforderte Menge Lebensmittelmarken bereitzustellen. Das Stiftungsfest wurde von AH Utti
Flemming und seiner Frau mit erheblichen Schwierigkeiten und einem großen
Zeitaufwand arrangiert. Der Erstchargierte der Aktivitas war Caro Hundt. Der
Altherrenverband zählte zu diesem Zeitpunkt 86 Mitglieder, von denen zum
Stiftungsfest 58 Bundesbrüder mit ihren Frauen und Familienangehörigen erschienen
waren. Die Aktivitas hatte bereits eine Stärke von 15 Bundesbrüdern. Über den
Festverlauf zitieren wir aus dem Rundschreiben 6/48 vom 10. Juni 48:
Da eine Räumlichkeit in Hagen nicht aufzutreiben war, fand die Veranstaltung in
Hohenlimburg statt. Es war Utti Flemming gelungen hierfür den großen Festsaal im
Der Altherrenverband
zählte zu diesem Zeitpunkt
86 Mitglieder, v on denen
zum Stiftungsfest 58 Bundes brüder mit ihren Frauen
und Familienangehörigen
erschienen waren.
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Hotel Bentheimer Hof zu erhalten, in dem sich an weiß gedeckten, mit Blumen schmuck aus Flemmings Garten geschmückten Tischen, die AH AH und Aktiven mit
ihren Damen bereits weit vor dem offiziellen Beginn des Festes versammelten.
Um sich für den Nachmittag und die zu erwartenden künstlerischen Darbietungen
genügend zu stärken wurde erst einmal ausgiebig Kaffee getrunken (natürlich WieseKaffee aus Chile), wozu es aus Stiftungen von Eugen Bellmann al. Nestor und AH
Heinrich Kettler al. Jumbo ausreichend Kuchen und sogar gefüllte Berliner Ballen in
ausreichender Menge gab.
Das unter Leitung von Utti Flemming veranstaltete Festprogramm wurde verschönt
durch einige vortragende Solisten. Fräulein Doris Zwiste, die sowohl als Solistin als
auch im Duett mit dem Aktiven Hans Schwabe al. Caruso zahlreiche Lieder glänzend
zum Vortrag brachte. Hans Schwabe al. Caruso konnte bei seinen Solovorträgen so
recht die prachtvoll schöne Stimme zur Geltung bringen. Kurt Serong aus der Schule
von Peter Igelhoff brachte seine eigenen Kompositionen zum Vortrag. Auf dem
Bechsteinflügel spielte Mathias Rommerskirchen. Aber auch die Aktivitas hatte sich
vorgenommen ihren Teil zu den Vorträgen beizusteuern, wobei vor allem der Aktive
Bubi Jürgens mit seiner Göbbels-Imitation großen Beifall erntete. Die Damenrede
hielt der Erstchargierte Caro Hundt.
Das Festessen wurde mit 1 1/2stündiger Verspätung serviert. Um auch dieses in der
Notzeit des deutschen Volkes verabreichte Menue der Nachwelt zu erhalten sei die
Speisefolge mitgeteilt:
Suppe mit Brötchen - gestiftet von Friedel Fritzen
Fisch und Kartoffeln, Erbsen und Nudeln - von Lackel Schulte
Pudding mit Safttunke - von Jumbo Kettler
Bei dieser Zusammenstellung des Menues hätten früher in unserer Konstanten Jan
Rademacher die Hühner gewiehert. Trotzdem, das Essen war gut zubereitet und voll kommen ausreichend. Das ist ja die Hauptsache.
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AH Helmut Röllinghoff al. Sabbel stiftete der Aktivitas eine neue fein gravierte
Fuxsenkasse, die bei ihrer Taufrunde DM 402 einbrachte. Die Fuxsenkasse war aus
einer Hülse einer Artilleriegranate gefertigt. Zur anschließenden Tombola hatte AH
Teja Wiese per Luftpost aus Chile Nylon-Damenstrümpfe zugeschickt. Bei den Damen
löste es ein lautes Ah der Freude aus, was bei der Tombola alles zu gewinnen war.Wer
es nicht selbst gesehen hat, der sollte es nicht glauben, was alles vorhanden ist. Es
gab elektr ische Bügeleisen, große und kleine Tauchsieder, verchromte
Garderobenhalter, Rauchwaren, Bunzlauer Kaffeegeschirr, kurz alles, was das Herz
eines nicht bergmännischen Normalverbrauchers entzücken konnte.
Und dann setzte der Festball ein. Unter den Klängen der acht Mann starken
Hohenlimburger Solistenkapelle setzte sich die Polonaise in endloser Schlange in
Bewegung. Die Musik wechselte in bunter Reihenfolge vom Walzer zu Tango und Fox
und wie die modernen Tänze so alle heißen. Für die Aktivitas gab es Bier von Nestor
Bellmann. Aus der Krugmann Brauerei in Meinerzhagen hatte Werner Battenfeld al.
Ferro ausreichend Schnaps organisiert. Natürlich gab es Wiese Zigaretten.
Um 1:00 Uhr nachts sollte der Sonderwagen der Straßenbahn nach Hagen fahren.
Aber da um 2:00 Uhr immer noch keiner Lust zum Aufbruch hatte, wurde die Fahrt
mit lediglich 20 Fahrgästen angetreten. Alle anderen tanzten weiter und fuhren mor gens um 6:15 Uhr mit der zweiten Straßenbahn nach Hause.
Pünktlich um 11:00 Uhr waren zum Frühschoppen 90 AH und Aktive erschienen, die
mit Begeisterung sangen: Wütend wälzt sich einst im Bette.
Zur gleichen Zeit fand bereits in Hannover die Allgemeine Industriemesse statt. AH
Heinz Hosang, al. Perkeo hatte eine Anstellung bei Siemens in Erlangen erhalten und
nahm anstelle des Stiftungsfestes an der Hannovermesse teil.
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Juni 1948
Selbst bis zu Kleinigkeiten
unterstützte man sich in
allen Belangen, vor allen
Dingen jedoch bei der
Arbeitssuche und bei der
Beschaffung von Material,
Unterlagen und
Informationen.
Bis auf zwei Ausnahmen waren alle Alten Herren ausfindig gemacht und der Kontakt
untereinander war extrem gut und regelmäßig. Selbst bis zu Kleinigkeiten unterstützte man sich in allen Belangen, vor allen Dingen jedoch bei der Arbeitssuche und bei
der Beschaffung von Material, Unterlagen und Informationen. Wie schwierig es war,
seinen Lebensunterhalt zu verdienen, zeigen einige Beispiele aus den dokumentierten
Hilfeleistungen.
Hier einige Beispiele: Heinrich Kettler al. Jumbo schrieb:
„Wer kann mir bei der Beschaffung der Refabuches II behilflich sein ? Das Buch ist
käuflich nicht zu erwerben.“
Eduard Wilhelm al. Luchs schreibt aus Westhausen bei Heiligenstadt im Eichsfeld:
„Ich bin immer noch stellungslos, ich habe keine Mühe gescheut, mir fast die Finger
wund zu schreiben. Ich möchte sehr gern wieder zum Westen. Über meine Personalien
folgendes: Studierte Maschinenbau, Examen 1936, Betriebsingenieur bei einem
Wirtschaftsberater bis April 40. Als Rüstungsurlauber Konstrukteur bei der
Rheinmetall Borsig AG. 1945 aus der Gefangenschaft entlassen. Seitdem
Hilfsarbeiter. Parteimitglied seit 1933. Befehl vom 16. Februar 48 von Marschall
Sokolowski gibt mir Gleichberechtigung. Ich falle nicht unter Befehl 201. Wer weiß
eine Stellung im Rhein-Ruhr Gebiet.“
Eduard Möller al. Menne macht hocherfreut die Mitteilung, daß er nach fast 3jähriger
Unterbrechung seine alte Tätigkeit auf der Zeche Heinrich Robert nach Einstufung
durch den Bergbausonderausschuß in „ 4 ohne“ wieder aufnehmen konnte.
AH Faß Waldhausen wurde, obwohl niemals Parteigenosse, unter dem Nazziregime
nach Durchführung seines Entnazifizierungsverfahrens durch den Hauptausschuß in
die Gruppe der Entlasteten eingereiht und konnte bei Stinnes seine Arbeit wieder aufnehmen.
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Kurt Weikhardt al. Jan befindet sich immer noch in jugoslawischer Kriegsgefangenschaft unter der Kriegsgefangenen-Nr. 233929. Mitte Dezember 1948 wurde
er von dem Arbeitslager in ein geschlossenes Lager verlegt,bei dem er lediglich zweimal täglich für eine halbe Stunde Freigang bekam. Seine Entlassung erfolgte über die
russische Zone. Dort kommen die Offiziere noch in ein besonderes Lager, wo sie teils
mit Aufräumungsarbeiten beschäftigt und politisch geschult werden. Seine endgültige Entlassung erfolgte nach 9 1/2jähriger Abwesenheit am 06.02.1949.
AH Heribert Wiese al. Teja Santiago de Chile und sein Hilfswerk.
Im Jahr 1939 wurde Heribert Wiese von der Firma Lanz-Traktoren-Bau nach Chile
entsandt, um dort den Kundendienst aufzubauen. Als nach dem Krieg AH Präside Faß
Waldhausen Kontakt zu allen Bundesbrüdern aufnahm, konnten keinerlei
Informationen über AH Teja Wiese ermittelt werden. Der erste Kontakt kam etwa
Mitte 1947 zustande. Aus den Medien erfuhr AH Teja Wiese von der Not der deutschen Bevölkerung und entschloß sich spontan zu einer einmaligen unbeschreiblichen
Hilfsaktion. Eine genaue Aufstellung über die Anzahl der nach Deutschland geschickten Pakete erreichte fast alle Alten Herren der Verbindung. Allein in der Zeit von
Oktober 1947 bis zur Währungsreform haben seine Bundesbrüder in Deutschland
mindestens 200 Pakete erhalten. Hinzu kommen zentrale Sendungen von Kisten an
den AH Präsiden Erich Waldhausen al. Faß. Bei jeder AH Zusammenkunft wurden
Aus den Medien erfuhr AH
Teja Wiese von der Not der
deutschen Bevölkerung und
entschloß sich spontan zu
einer einmaligen unbe schreiblichen Hilfsaktion.
H. Wiese mit Frau
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Kaffee und Zigaretten und Damenstrümpfe verteilt. Zur Nikolausfeier nach der
Währungsreform, im Dezember 1948, überwies er DM 600,-. Von diesem Betrag
konnte das gesamte Nikolausfest bestritten werden. Jeder Deutsche erhielt bei der
Währungsreform ein Startkapital von 40,-- DM/Person. Der Stundenlohn für einen
Facharbeiter bewegte sich zwischen 0,20 und 0,50 DM/Stunde.
„Lieber Faß !
Es ist eine heilige Pflicht
jedes Deutschen,der sich im
Ausland befindet,der fern ist
von dem ungeheuren Elend,
von einem Elend, wie
Deutschland es vielleicht
noch nie in seiner
Geschichte (abgesehen
#vielleicht vom 30jährigen
Krieg) erlebt hat,der das
Wort Hunger, körperliche
Erschöpfung und sogar
Unterernährung nicht kennt,
dem Volke beizustehen,das
ihm Leben gegeben hat,das
er über alles in der Welt
lieben muss und schätzen
muss.
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Die Grundeinstellung von AH Teja Wiese wird deutlich aus einem Brief, den er im
April 1948 an AH Faß Waldhausen schickte. A us diesem Brief zitieren wir:
„Mit großer Freude nahm ich die Mitteilung auf, dass sich unser Bund, wohl als
erster in Hagen wieder regt und neuen Aufschwung erhält. Aus eigener Erfahrung
kann ich wohl sagen, dass die Freundschaft und Betreuung, die Ihr diesen jungen
Leuten gebt, ebenso wertvoll für die späteren Jahre ist, wie das Studium der 21/2
Jahre in Hagen. Und Euer Wirken ist von noch höherer Bedeutung, wenn man an den
moralischen Zerfall eines Teiles des Deutschen Volkes denkt. Seid den jungen
Menschen Freunde und Berater, wie ich es in meinen Studienjahren und noch später
erlebt habe !
Die herzlichsten Glückwünsche zu unserem Stiftungsfest! Schade, dass es nicht mög lich ist, chilenischen Wein zu diesem Fest zu schicken. Die Möglichkeit, im nächsten
Jahr in der Heimat zu erscheinen, liegt für mich gar nicht so fern! Was eigentlich nur
fehlt, ist die Erlaubnis der „Herren der Welt“, Zeit könnte ich aufbringen, denn das
Flugzeug bringt mich in 2 - 3 Tagen nach drüben. Hoffen wir das Beste!
Und nun, lieber Fass, möchte ich mit Dir auch mal ein ernstes Wort reden: In fast
allen Deinen Briefen führst Du an, dass das, was ich für Euch tue, zu weit ginge und
nur schweren Herzens angenommen werden könne, dass ich zuerst an meine Person,
dann an meine Familie und zuletzt an Euch denken solle. Lieber Faß! Es ist eine hei lige Pflicht jedes Deutschen, der sich im Ausland befindet, der fern ist von dem unge heuren Elend, von einem Elend, wie Deutschland es vielleicht noch nie in seiner
Geschichte (abgesehen vielleicht vom 30jährigen Krieg) erlebt hat, der das Wort
Hunger, körperliche Erschöpfung und sogar Unterernährung nicht kennt, dem Volke
beizustehen,das ihm Leben gegeben hat,das er über alles in der Welt lieben muß und
schätzen muß. Fluch und Schande über jeden, der da nicht alles tut, was in seinen
Kräften steht! Ich mache mir tagtäglich Vorwürfe, dass ich Ausgaben für unnütze
Dinge nicht vermeide, dass meine Hilfe nicht noch umfangreicher ist und da kommst
Du mit derartigen Betrachtungen! Dass ich seit einem Jahr die wildesten Ausgaben
gestrichen habe, dass ich auf meinen wöchentlichen Skatabend, der mir oft den
Verlust in Höhe von 2 Care-Paketen brachte, verzichtete, dass ich mir noch keinen
Cadillac letzten Models zugelegt habe, dass ich auf Anschaffung einer luxuriösen
Wohnungseinrichtung verzichtet habe, ist weder ein Verdienst noch eine Ein schränkung.
Daß ich von Euch das Wort „Danke“ höre, ist genug, aber solche Worte, wie Du und
auch andere immer wieder vorbringen, sind nicht angebracht. Ich versichere, dass ich
heute hier in Chile immer noch besser lebe, besser esse und mir auch mehr Freuden
gönne, als in den Jahren vor 1939. Du glaubst gar nicht, wie mich mein kleines Werk
(hier meint AH Wiese unzweifelhaft sein „Hilfswerk“), das ich vor ca. 1 Jahr begon nen habe, glücklich und zufrieden macht! Lasst mir die Freude und Genugtuung, Euch
in der Not beizustehen. Und ich glaube, dass jeder von Euch, wenn er in derselben
Lage wäre, in der ich mich heute befinde, das gleiche tun würde und vielleicht sogar
noch mehr!“
Ich versichere, dass ich
heute hier in Chile immer
noch besser lebe, besser
esse und mir auch mehr
Freuden gönne, als in den
Jahren vor 1939.
Soweit aus dem Brief von Teja Wiese
Wir zitieren aus einem Brief von
Heinz Fritzen al. Friedel
an die TV Schlaraffia
4420 Coesfeld, Im Juni 1973
Liebe Bundesbrüder,
Durch die neue, dem Kommunismus angelehnte Regierung hatW. viel Unglück erfah ren,sowohl sein Betrieb, als auch seine Farm wurden ihm weggenommen, und es wur den Verwalter eingesetzt, die wohl Schulden auf diese allem Anschein nach schulden freien Unternehmen machten und damit die Gefahr heraufbeschworen, daß W. dem -
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nächst sein Vermögen ganz verloren haben wird. Es liegt bei mir ein Brief vor, den er
in Oktober 1970 an seine Kinder gerichtet hat, der direkt erschütternd ist, in dem er
die katastrophale Lage schildert und seinen Kindern mitteilt, daß er nicht mehr in der
Lage ist, auch nur die 100 $, die er monatlich nach Deutschland geschickt hat,zu zah len. Teja Wiese hat vor etwa 15 Jahren eine deutsche Frau geheiratet. Es war eine
sehr attraktive Dame, die zwei Kinder aus erster Ehe mitbrachte. Mit dieser Frau hat
er eine Tochter und einen Sohn. Die Ehe ist gescheitert. Die Frau befindet sich in
Deutschland, die Kinder auch, und ich habe noch einen Artikel vorliegen, wo er im
Jahr 1964 versucht hat, seinen eigenen Sohn, damals vielleicht 5 - 7 Jahre alt, zu ent führen, was dann durch die Polizei verhindert wurde. Um diese Zeit war er für einige
Zeit in Deutschland, sowohl auf landwirtschaftlichen Ausstellungen, als auch bei mir
zu Besuch. Im übrigen war Teja Wiese doch noch einigermaßen zuversichtlich und
glaubt, daß für die nächsten Jahre sein Lebensunterhalt gesichert ist. Ob und inwie weit er noch einigen Besitz hat, war nicht aus dem Brief zu erkennen. Zuletzt schrieb
er, daß er im Pförtnerhaus seiner Fabrik wohnt. Ich würde mich freuen, wenn der
obige Bericht Veranlassung geben würde, ihm einige freundliche Zeilen zu schreiben.
Selbstverständlich müssen die Briefe im Bezug auf Politik ganz neutral sein.
Das vorerwähnte Schreiben von Oktober 1970, an seine Kinder gerichtet, ging an
meine Adresse und war in New York aufgegeben worden, da der Inhalt es nicht zuge lassen hätte, den Brief in Chile aufzugeben.
gez. Friedel Fritzen
Teja Wiese ist einer der
bemerkenswertesten
Schlaraffen.
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Er hat seine Bundesbrüder in Deutschland, die um das tägliche Brot für sich und ihre
Familien kämpfen mußten, in einer unbeschreiblichen und extrem selbstlosen Art und
Weise unterstützt, an die es sich zu erinnern lohnt. Die Aufrichtigkeit seiner
Gesinnung und die edle Haltung seinen Freunden zu helfen, zeugt von einem guten
Charakter und dem Bemühen sich selbst zum Guten hin zu vervollkommnen.
Teja Wiese ist einer der bemerkenswertesten Schlaraffen.
Der Kontakt zu Teja Wiese ist im Jahr 1982 abgerissen. Er ist geboren am 3. April
1907, studierte in Hagen von 1928 - 1931 und gilt für uns nach dem Tod seines besten
Freundes in Deutschland Heinz Fritzen a. Friedel am 11. November 1982 als in Chile
verschollen.
4.Dezember 1948 :
Nikolausfest im Hotel Hans Sachshaus, Gelsenkirchen
Der Bericht über das Nikolausfest 1948, da können wir nur sagen: „Das Fest war
ganz groß“. Es begann um 19:00 Uhr abends und endete um 7:00 Uhr morgens. Das
besagt alles. Angemeldet waren über 100 „Alte Herren“, aber mit einem scheelen
Blick auf die magere Geldkatze hatten doch einige AH im letzten Moment wehmütig
Verzicht leisten müssen, da sie die „christlichen Linsen“ für die häusliche Bescherung
dringender gebrauchten, wofür wir auch volles Verständnis haben. Es versammelten
sich in Gelsenkirchen zweiundneunzig „Alte Herren“ mit ihren Ehefrauen und Damen,
Kindern und Freunden. Lediglich zwei Vertreter der Hagener Aktivitas waren anwe send, die Füchse Jürgens und Kokkel (die kurz danach der Verbindung fernblieben).
Das gesamte Nikolausfest wurde von einer Geldüberweisung von Teja Wiese bestrit ten. Die Überweisung traf vier Tage vor dem Fest ein. Durch die großzügige Stiftung
der DM 600,- durch Teja Wiese wurde der Vorstand des AH in die Lage versetzt, die
Nikolausfeier in bezug auf Ausschmückung des Festlokals, der Kapelle etc. ganz
anders wie zuerst beabsichtigt, aufzuziehen. Da mit dem Betrag sämtliche Unkosten
einschl. der Polizeistundenverlängerung bestritten werden konnten, wir waren also an
diesem Abend alle mehr oder weniger Gäste unseres „Sterns von Chile“. Die Stiftung
der vielen Weihnachtspakete war aber so außerordentlich, daß uns Worte des Dankes
dem gegenüber fast banal erscheinen. Das kann eben nur ein Mann von solcher
Selbstlosigkeit wie unser AH Teja Wiese auf die Beine stellen.
Der Aktive Jürgens hielt wiederum die Damenrede. Daraufhin wurden die Lichter des
Weihnachtsbaumes und die über hundert Lichter auf den Tischleuchtern – natürlich
mit nichttropfenden Chilekerzen – angezündet und der Vorsitzende des AHV hielt die
offizielle Weihnachtsansprache, bei welcher er seiner Freude darüber Ausdruck gab,
daß der AHV wieder zu einer großen Familie zusammengewachsen ist und daß jeder,
der Sinn für das häusliche Weihnachtsfest besitzt, auch gerne zu diesem Familienfest
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der Schlaraffia kommt, um noch einmal vor Jahresschluß mit seiner Frau im Kreise
der alten Freunde einige frohe Stunden zu verbringen. Dann kam der Nikolaus AH
Noah Rode hoch zu Roß (auf den Söhnen Bart Gelmes und Weickard) mit seinem
getreuen Diener Belzebub AH Bobby Niehaus und verteilte die Geschenke. Gegen
21:00 Uhr wurde ein wirklich gutes reichliches Abendessen serviert und damit fast
Mitternacht, als es zum ersten Tanz kam und nun folgte ein Fest solcher Harmonie und
Fröhlichkeit, wie wir es selten mitgemacht haben. Die vorzügliche Kapelle spielte auf
und Jung und Jünger drehte sich unter der einzigartigen Regie unseres Tanzmeisters
Strop Brüggerhoff im Kreise. Die Zeit flog nur so dahin. Selbstverständlich wurden
auch verschiedentlich Commerslieder gesungen,die Liedertexte hatte unser lieber AH
Jumbo Kettler zusammenstellen lassen. Das wiederum erzeugte Durst und so war es
plötzlich 5:00 Uhr und eigentlich Polizeistunde. Aber einige so recht in Fahrt befind liche AH zerstreuten die Bedenken der nicht mehr spielen wollenden Hauskapelle
durch einige als Pflaster aufgelegte DM Scheine und so verließen die Letzten morgens
um 7:00 Uhr die gastliche Stätte. Ins Bett war niemand gekommen. Alles in allem, es
war ein herrliches Fest.
Ende 1948: Die Aktivitas eine vollständige Pleite
AH Utti Flemming erstattete einen langen Bericht über die Reaktivierung einer neuen
Aktivitas. Dieses Unternehmen hatte am Hagener Kotten eine totale Pleite erlitten.
Die heutigen Studierenden am Hagener Kotten sind eben schon bedeutend älter wie
wir es in unserer Sturm- und Drangperiode waren. Haben größtenteils jahrelang, teilweise als Offizier den furchtbarsten aller Kriege mitgemacht und können sich infolgedessen nur schwer in unsere Gedankengänge einfügen. Das entschuldigt allerdings in
keiner Weise, daß dem AHV gegenüber an den Tag gelegte Verhalten. AH Utti
Flemming war äußerst enttäuscht.
Die Verhältnisse in Hagen liegen zur Zeit so, daß man bei dem Einzug jüngerer
Semester in Hagen erneut einen Versuch zur Reaktivierung starten will. In der
Zwischenzeit vereinbarte man allmonatlich eine zwangslose Zusammenkunft in
Hagen im Nordstern, jeweils am 1. Freitag im Monat um 18:00 Uhr.
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Nikolausfest
Der Altherrenverband folgte der alten Tradition und veranstaltete das Nikolausfest,
wie schon vor dem Krieg. In Essen direkt an den Ufern des Baldeneysees bot das
Restaurant Hügel die besten Voraussetzungen. Über die nächsten 20 Jahre wurde die
Nikolausfeier in Essen zu einem der schönsten Familienfeste der Schlaraffia. Das im
Jahr 1925 von AH Noah Rode verfaßte Lied zum Nikolausfest bekam eine große
Bedeutung. Es wurde gesungen nach der Melodie „Trink, Brüderlein, trink“.
Über die nächsten 20
Jahre wurde die
Nikolausfeier in Essen zu
einem der schönsten
Familienfeste der
Schlaraffia.
1.
Schon wieder ist ein Jahr entschwunden,
Seit wir uns zu Niklaus vereint,
Wir freu’n uns auf ’s neue der Stunden
Wo lieblich der Baum uns bescheint.
Die Sorgen, die blieben zu Hause
Die Freude hat heute das Wort,
Von Samstag bis Sonntag ohn’ Pause
Singen wir in einem fort:
Refrain:
„Essen, Du reizende Stadt,
An der Kaupe und auch an der Ruhr,
Essen, Du reizende Stadt,
Wer Dich liebt, dem schlägt keine Uhr,
Nirgends gibt’s Biere so kühl und so nass,
Nirgends ein Wirtshaus so gut,
Nirgends die Mädel so lustig beim Glas Da wächst dem Schlaraffen der Mut !“
2.
Wenn Hunger uns plagt, könn’wir essen
Vom Schweine, vom Kalb, von der Kuh,
Als Brötchen, die meisten vergessen,
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Vom Niklaus den Weckmann dazu !
Und ist dann ein jeder zufrieden
Mit sich und der übrigen Welt Dann singt er mit größtem Vergnügen
Wie schön ist es hier doch bestellt !
Refrain:
„Essen, Du reizende Stadt, usw.“
3.
Doch alles hat auch mal ein Ende
Trotzdem man im Kreise sich dreht Man drückt sich zum Abschied die Hände
Wankt heimwärts, so gut es noch geht.
Da stützt brav die Mutter den Vater,
Der Freund hält die Freundin im Arm
Tag’s drauf hol’der Teufel den Kater
Und man stöhnt, daß Gott es erbarm:
Refrain:
„Essen, Du reizende Stadt, usw.“
Von der ursprünglich optimitisch reaktivierten Aktivitas blieben lediglich zwei junge
Studenten, Jürgens und Kokkel, übrig.
13. Oktober 1949: Semesterantrittskneipe
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Nachdem der Hagener Stammtisch monatlich stattfand und von den im Hagener
Raum lebenden „Alten Herrren“ gut angenommen wurde mit jeweils zwischen zwölf
und zweiunddreissig Teilnehmern, verständigte man sich auf die erste offizielle
Kneipe, die am Donnerstag, den 13. Oktober 1949 im Lokal Willi Grede, Ecke
Wilhelm Platz - Lange Straße in Hagen stattfand. Die neue Konstante lag unmittelbar
gegenüber dem alten Kneiplokal Rademacher, welches im Krieg vollständig zerstört
wurde. An der Semesterantrittskneipe nahmen insgesamt fünf Studierende als Gäste
teil. Die beiden ersten aktiven Schlaraffen nach dem Krieg waren Alfons Schmidt al
Benjamin und Gerd-Max Westhoff al. Spitz. Die Hagener entschieden sich sehr
spontan gegen den Widerstand der großen Essener Fraktion, das Nikolausfest am
03.Dezember 1949 in Hagen im Weringhauser Hof zu feiern. Die beiden ersten
Aktiven Benjamin Schmidt und Spitz Westhoff haben zusammen mit Knud Dickertmann und Sabbel Röllinghoff mit sehr viel Mühe, A ufwand und Liebe das Nikolausfest arrangiert. Das hat nicht nur die „Alten Herren“ begeistert, sondern auch einige
Studenten, so daß bereits bei der nächsten Kneipe am 17. Dezember 1949 fünf Füchse
gekeilt werden konnten, nämlich Gerhard Hähner al. Hähnchen, Horst Middelhof al.
Pülleken, Horst Mielke al. Aga, Friedrich Schleifenbaum al. Bummel und Gerd
Müller. Damit schien die Reaktivierung mit der Schaffung einer neuen Aktivitas
gelungen, nachdem der erste Versuch 1946 als gescheitert bezeichnet werden kann.
Jedoch blieben aus dieser Zeit zwei inaktive Burschen übrig, die bis an ihr
Lebensende dem Altherrenverband treu g eblieben sind. Horst Bruhns al. Teddy und
Paul Messarius al. Stummel, die 1950 in den Altherrenverband aufgenommen wurden. Zu diesem Zeitpunkt kehrten ebenfalls drei „Alte Herren“ in den Altherrenverband zurück, die 1937 während der Annäherung an den Nationalsozialismus die
Verbindung verlassen haben.
23. März 1950: Offizielle Semesterantrittskneipe
Noch im Dezember 1949, nach dem Nikolausfest und der Weihnachtskneipe, wurde
die erste Chargia nach dem Krieg gewählt mit Bummel Schleifenbaum (x), Hähnchen
Hähner (xx),Aga Mielke (xxx), Pülleken Middelhof (FM). Im Sommersemester 1950
fand dann ein geregeltes Farbenstudentenleben innerhalb der Schlaraffia statt mit
wöchentlichen Kneipen, Exbummeln im Stiftungsfest und AH Kneipen. Der Hagener
Ortsring existierte wieder, denn Verbindungen wie Saxo Cheruskia und Saxonia
waren zeitlich der Schlaraffia voraus. Am 14. Juni 1950 fand für die Schlaraffia die
erste Verbrüderungskneipe innerhalb des Hagener Ortsringes statt.
Am 14. Juni 1950 fand für
die Schlaraffia die erste
Verbrüderungskneipe inner halb des Hagener Ortsringes
statt.
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14. April 1950: Gründung des Düsseldorfer Stammtisch
In Düsseldorf lebten sieben „Alte Herren“, die von Kurt Jüsten al. Hecht eingeladen
wurden zum ersten Stammtisch. Alle sieben kamen und brachten noch zwei Witwen
ehemaliger „Alter Herren“ mit und fanden den ersten Schlaraffen-Stammtisch in
Düsseldorf so amüsant, daß von diesem Tag an jeden Monat ein SchlaraffenStammtisch in Düsseldorf stattfand, der ohne Unterbrechung bis zum Jahr 1974
durchgeführt wurde.
1974 blieben lediglich die „Alten Herren“ Kater Kattenbusch und Scotty Stork in
Düsseldorf ansässig. Die letzten Aktiven am Stammtisch, die wegzogen, waren Sonny
Sonnenschein, der nach Berlin wechselte, Beutel Vedder ging zurück nach Meinerzhagen, Kuli von der Kuhlen zog nach Ahlen und Schrat Zeppenfeld wechselte nach
Kierspe.
30. April 1950: Erste Damenkneipe der Aktivitas
Sehr erfreulich war, daß an
dieser Damenkneipe auch
10 „Alte Herren“ mit ihren
Damen teilnahmen.
Im Mai fand in Wetter die erste Damenkneipe statt, die nach vorliegenden Berichten
ein wohlgelungenes Fest mit allem Drumherum gewesen ist. Die Stimmung war vorzüglich und so verging der Nachmittag nur zu rasch, bis man abends mit dem letzten
Bus nach Hagen zurückfahren mußte, nicht ohne vorher unter stillschweigender
Duldung der heiligen Hermandat den sanften Schlummer der Wetteraner Pohlbürger
durch das Maisingen gestört zu haben. Sehr erfreulich war, daß an dieser
Damenkneipe auch 10 „Alte Herren“ mit ihren Damen teilnahmen.
20. und 21. Mai 1950:
125Jahrfeier der Staatlichen Ingenieurschule Hagen und 51. Stiftungsfest der TV
Schlaraffia
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Der Altherrenverband der TV Schlaraffia beschloß, sein 51. Stiftungsfest gemeinsam
mit der Feier zum 125jährigen Jubiläum der Staatlichen Ingenieurschule zu feiern,
zumal der offizielle Commers der Jubiläumsfeier unter dem Präsidium des
Schlaraffen AH Locky Heyng stand. In den Festablauf wurde ebenfalls die
Gründungsfeier der Bauschule integriert.
Freitag, 19. Mai 1950, 19:00 Uhr Begrüßungsabend und Commers für die
Studierenden der Ingenieur- und Bauschule.
An dieser Veranstaltung nahmen selbstverständlich auch die Aktiven der TV
Schlaraffia teil. Am Samstag, den 20. Mai 1950 fand um 8:30 Uhr eine Morgenfeier
der Studierenden in der Staatlichen Ingenieurschule statt.
Um 10:00 Uhr wurde ein offizieller Festakt im Theater veranstaltet. Insgesamt stand
die Feier unter der Schirmherrschaft des ersten städtischen Oberbürgermeisters Herrn
Steinhoff und des Oberstadtdirektors Sasse. Eine besondere Ehrung erfuhr
Oberbaurat Dipl. Ing. E. Kosack, der von 1932 bis 1945 Direktor der Staatlichen
Ingenieurschule zu Hagen war. Seine Nachfolge übernahm Oberbaurat Direktor
Hoyer.
Die Schlaraffen versammelten sich am Samstag um 17:00 Uhr im reservierten
Zimmer des Hagener Hauptbahnhofs, in dem die Staatsempfänge stattzufinden pflegten und jeder neueintreffende „Alte Herr“ wurde mit lautem Hallo empfangen.
Nachdem dann jeder mit seinem schwarz-silber-grünen Knopflochbändchen versehen
war, brach man gegen 18:30 Uhr gemeinsam auf zum Weg zum Festzelt, wo man
beabsichtigte, geschlossen einzumarschieren. Im Festzelt waren etwa 600 Personen,
vor allen Dingen ehemalige Schüler und Studenten versammelt. Um 19:00 Uhr wurde
von AH Locky Heyng der Commers der Ehemaligen eröffnet. Wie bei vielen Dingen
in der Nachkriegszeit versagte auch bei der 125Jahrfeier die Technik, so daß die
Lautsprecheranlage keine ordentliche Übertragung der Festansprachen ermöglichte.
Während die Ehemaligen dem Comnmers beiwohnten, besuchten deren Ehefrauen
und Begleiterinnen das Hagener Stadttheater. Erst später traf man sich gemeinsam im
Festzelt, um die Kombination aus Jubiläumsfeier und Stiftungsfest in gebührender
Form ausklingen zu lassen. Das Fest fand seinen Ausklang mit dem sonntagmorgendlichen Frühschoppen in Eppenhauser Brunnen.
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Die studentische Selbstverwaltung der SIS Hagen
So entstand die studentische
Selbstverwaltung an der SIS
Hagen unmittelbar nach dem
Krieg.
Der Krieg und seine Folgen hatten wie überall auch innerhalb der Studierenden und
der verschiedenen Ingenieurschulen eine Umwälzung und Umstellung hervorgerufen.
Als die Absicht feststand, aus dem Trümmerhaufen wieder eine Bildungsstätte für
technische Berufe zu machen und der Unterricht einen immer größeren Raum im
Aufbau der Schule einnahm, ergab sich auch die Notwendigkeit eine Organisation zu
schaffen, die die Interessen der Studierenden wahrnahm und ihre Wünsche und
Sorgen der Schulleitung vorlegte. So entstand die studentische Selbstverwaltung an
der SIS Hagen unmittelbar nach dem Krieg. Der geistige Vater dieser Neuschöpfung
war Oberbaurat Direktor Hoyer. Die Selbstverwaltung als solche teilt sich in
Geschäftsführung und Vertrauensrat. Dem Vertrauensrat gehören sämtliche
Semesterobleute und deren Stellvertreter an. Sie wählen zu Beginn eines jeden
Semester die Geschäftsführung, die sich wie folgt aufgliedert: Schulobmann,
Stellvertreter, Kassenwart, Schriftführer, Sozialreferent, Referate für Lehrmittel und
Bücher, Versicherungen, Mensa und Sport.
Von Anfang an war es selbstverständlich, daß die Geschäftsführung der Selbstverwaltung hauptsächlich von korporierten Studenten gestellt wurde .
23. Juni 1951: Gründung Bund Deutscher Ingenieurkorporationen (BDIC) mit Sitz
in Ehrenbreitstein
Es waren ca. 70
Korporationen der Höheren
Technischen Lehranstalten
vertreten,
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Auf einer AH Zusammenkunft in Düsseldorf am 2. Juni 1951 wurde eine mögliche
Gründung eines Dachverbandes besprochen. Der Düsseldorfer Stammtisch erfreute
sich mittlerweile so großer Beliebtheit, so daß 18 „Alte Herren“ mit ihren Damen teilnahmen und der Erstchargierte der Aktivitas Aga Mielke. Nachdem AH Hecht Jüsten
die Zusammenkunft mit dem Eröffnungscantus eröffnet hatte, nahm er zunächst zu
der Einladung Stellung, die zur Neugründung des Ehrenbreitsteiner Vertreterconvents
führen sollte. Entsprechend der Absprache fuhren AH Hecht Jüsten und der
Aktivensenior Aga Mielke nach Koblenz und trafen dort AH Bobby Niehaus und fuhren zur anberaumten Sitzung nach Ehrenbreitstein. Es waren ca. 70 Korporationen der
Höheren Technischen Lehranstalten vertreten, wobei sich herausstellte, daß viele die-
ser Korporationen schon wieder einen Zusammenschluß in Landesverbänden und
Ortsringen getätigt hatten. So standen sich zu Beginn der Besprechungen eigentlich
vier geschlossene Gruppen, darunter auch der ehemalige Ehrenbreitsteiner
Vertreterconvent, gegenüber. Da aber auf allen Seiten der unbedingte Wille zur
Gleichschaltung vorhanden war, mußte jeder etwas zurückstecken, so daß gegen
Abend alle Korporationen an den Höheren Staatslehranstalten unter dem Namen
„Bund Deutscher Ingenieurkorporationen BDIC“ ihren Dachverband gründeten. Als
äußeres Abzeichen der Bundeszug ehörigkeit wurde die von den Hamburger
Korporationen eingeführte Eichenblattnadel festgelegt, die von da an von allen
Schlaraffen getragen wurde.
„Bund Deutscher
Ingenieurkorporationen
BDIC“
Bereits auf unserem 52. Stiftungsfest am 30. Juni 1951 im Rosengarten in Hagen
Selbecke nahmen als Gäste die Chargierten der TV Saxonia und der TV Rheinwacht
zu Köln teil. Der erste Bundesvorsitzende des neu gegründeten BDIC, Herr Miebach,
war ebenfalls vertreten und brachte seine Wünsche dar, ebenso wie der Direktor der
Hagener Studienanstalt Herr Hoyer.
Das Jahr 1952
Allmählich machte sich bei den Veranstaltungen der Verlust der gesamten Couleurartikel,durch die Zerstörung der Konstanten während des Bombenangriffs auf Hagen,
bemerkbar. Die „Alten Herren“ mußten feststellen, daß Veranstaltungen ohne das
Tragen von Band und Mütze nicht den studentischen Gepflogenheiten entsprach.
Zumindest trug man nach der 125Jahrfeier der SIS Hagen ein Couleurband im
Knopfloch. 1952 wurde durchgesetzt, daß alle Aktiven und auch „Alte Herren“ in
Zukunft bei Veranstaltungen zumindest Band und Mütze zu tragen haben. Zum ersten
Mal wurde auch die Neuanschaffung von Vollwix und Paradeschlägern besprochen.
Am 29. Juni 52 verstarb Ernst Peiniger al Köbes, der Aktive, der nach dem Ersten
Weltkrieg für das Wiederaufleben der Aktivitas sorgte. Während seines Hochschulstudiums in Freiburg wurde er zusätzlich Mitglied eines dort ansässigen Corps. An
seiner Beisetzung nahmen 20 „Alte Herren“ dieses Corps teil, so daß Köbes Peiniger
mit allen studentischen Ehren begraben wurde. Dazu gehörten Band und Mütze für
Die „Alten Herren“
mußten feststellen,daß
Veranstaltungen ohne das
Tragen von Band und Mütze
nicht den studentischen
Gepflogenheiten entsprach.
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jeden Korporierten, der Vollwix der Chargen mit Paradeschläger und Banner mit
Trauerflor.
Die Aktivitas hatte
bereits eine Stärke von
20 Mitgliedern
Die Aktivitas hatte bereits eine Stärke von 20 Mitgliedern, mußte bei der Aufnahme
von Füchsen, wie schon zum Anfang ihrer Geschichte, die Obergrenze der Mitglieder
durch ein Auswahlverfahren begrenzen. Der studentische Comment wurde auf
Veranstaltungen und Kneipabenden konsequent verfolgt. Das Tragen von Band und
Mütze setzte sich auch in Öffentlichkeit immer mehr durch. 1952 werden erstmals die
BDIC Nachrichten gedruckt, die jedes Mitglied zugesandt bekam. Während der technischen Messe Hannover wurde, erstmals veranstaltet durch AH Lux Wilhelm, ein
Schlaraffen-Stammtisch in Hannover durchgeführt. Als Konstante dient der Gasthof
Eicker am Markt in Hagen.
12. - 14. Juni 1953: BDIC Kongreß in Koblenz-Ehrenbreitstein
Alle zwei Jahre findet der Bundeskongreß des BDIC statt. In Ehrenbreitstein wurde
in der Zwischenzeit, unter Beisein der Stadtverwaltung, im Innenhof der Festung eine
BDIC Eiche gepflanzt. Den Bericht über die Tagung schreibt AH Bobby Niehaus:
Zum Festabend ist noch zu erwähnen: Sämtliche Chargen der anwesenden Korporationen marschierten nach vorheriger Ansage korporationsweise ein. Hier habe ich es
besonders schmerzlich empfunden,als die beiden Schlaraffen (Pepi Brüning und Bob
Kehr ) einmarschierten, nur mit Band und Mütze geschmückt waren und unser Banner
trugen. Da habe ich an meine Aktivenzeit zurückdenken müssen, wo bei uns alles vorhanden war bis zur Fahne. Es muß eine unserer vornehmsten Aufgaben sein das
wieder zu erwerben, was wir einst in so wunderbarem Maße besessen haben, um auch
bei solchen Anlässen den Namen Schlaraffia nach außen hin ebenbürtig und würdig
vertreten zu können.
Am 5. Dezember 53 wurde
beschlossen,einen Vollwix
anzuschaffen.
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Das führte zur Beitragserhöhung auf DM 30,- pro Jahr. Für das Jahr 1954 wurde der
Beitrag jedoch wieder auf DM 25,- pro Jahr gesenkt. Auf dem AHC, vor dem
Nikolausfest, am 5. Dezember 53 wurde beschlossen,einen Vollwix anzuschaffen und
bereits eine erste Sammlung durchgeführt, die einen Nettobetrag von DM 700,-- in
die Aktiven-Kasse brachte.
8. Mai 1954: Landesverbandstagung West des BDIC in Essen
Nachdem im April 1954 für drei Chargierte der sehnlichst erstrebte Vollwix für einen
Preis von DM 1.500,- gesamt bestellt wurde, konnten die damaligen Chargierten
Gerhard Köhler al. Hatschi (x), Richard Brüning al. Pepi (xx), Hans Rüsing al. Nic k
(xxx), Herbert Modrach al. Strolch (FM) voller Stolz an der Landesverbandstagung
des BDIC teilnehmen. Alle „Alten Herren“ hatten sich in der Zwischenzeit wieder
die vollständigen farbenstudentischen Utensilien, wie Band, Mütze und Tönchen
zugelegt, so daß die gesamte Schlaraffia wie vorgeschrieben im dunklen Anzug und
mit Vollcouleur erschien. Von nun an wurden auch die Gemeinschaftskneipen mit der
TV Rheinwacht als hochoffizielle Kneipen mit Vollwix und Vollcouleur geschlagen,
so z.B am 15. Mai 1954 in Hagen in der Konstanten Restaurant Sonneborn VinskeWittekindstr. Ständige Gäste bei den Kneipen der Aktivitas waren Sabbel Röllinghoff,
Knut Dickertmann, Strubbel Hülsberg, Schärbel Tesche und immer wieder Utti
Flemming, der den weiten Weg von Süddeutschland nach Hagen jedes Jahr mehrere
Male auf sich nahm. In der Einladung zur Gemeinschaftskneipe mit der TV
Rheinwacht wurden Übernachtungsmöglichkeiten bereitgestellt und man erwähnte
ausdrücklich die ungefähren Übernachtungskosten.
Hotel Stadt Hagen
Hotel Westfalenhof
Deutsches Haus , Bahnhofstr.
Lindenhof, Körnerstr., neu ausgebaut
Danne, Hochstr.
Van de Weyer, Elberfelder Str.
Alle „Alten Herren“ hatten
sich in der Zwischenzeit
wieder die vollständigen
farbenstudentischen
Utensilien,wie Band, Mütze
und Tönchen zugelegt
DM 4,-DM 4,-DM 5,-DM 6,-DM 6,50
DM 7,50
Am 12.und 13. Juni 53 fand zum ersten Mal das Stiftungsfest wieder in der neu aufgebauten Koncordia statt. Der äußere Rahmen war glanzvoll wie in vergangenen
Jahren. Die Frauen trugen lange Abendkleider, die Herren Smoking und dunklen
Anzug. Die Chargierten marschierten zum ersten Mal wieder im Vollwix ein. Die
anwesenden „Alten Herren“ zollten ihnen langanhaltenden Beifall. Während des
G.C.’s stand erstmals auf der Tagesordnung unter Punkt 2 das Verhältnis zur
Staatlichen Ingenieurschule in Hagen. Im nachfolgenden Protokoll wird eine aktive
Zusammenarbeit zwischen Korporation und Dozentenschaft angeregt. Unter Punkt 3
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Acht Tage nach dem
Schlaraffenstiftungsfest
findet in Koblenz
ein Generalconvent des
BDIC statt.
wird die Beteiligung am Generalconvent in Ehrenbreitstein beschlossen. Die
Obergrenze der Aktivitas wird mit 25 Füchsen und Burschen festgelegt. Der allgemeine Optimismus in Deutschland inmitten der Wiederaufbauphase macht sich auch
auf das Farbenstudentenleben bemerkbar. Die Verbindungen an der Staatlichen
Ingenieurschule Hagen genießen ein großes Ansehen. Bis zu 20% der Studenten eines
Semesters werden Mitglied in einer der vier Hagener Verbindungen. Die TV Saxonia
und TV Saxocheruskia hatten bereits sehr früh nach dem Krieg wieder eine Aktivitas.
TV Markomannia und TV Schlaraffia erfreuen sich besonderer Beliebtheit. Etwa in
der Zeit zwischen 1954 und 56 reaktiviert sich die Landsmannschaft Baltia in Hagen,
die früher an der Technischen Hochschule Ilmenau in Thüringen aktiv war. Auch die
katholische Verbindung Unitas gründet in diesen Jahren eine Aktivitas an der Hagener
Ingenieurschule. Acht Tage nach dem Schlaraffenstiftungsfest findet in Koblenz ein
Generalconvent des BDIC statt. AH Vorsitzender Faß Waldhausen und der in Koblenz
ansässige AH Bobby Niehaus nehmen teil sowie die beiden Aktiven Nöck Meyer und
Blondy Geffert. Sie nehmen jedoch nicht am Chargeneinmarsch teil. Dem BDIC
gehören nunmehr 74 farbbentragende Korporationen an. Die Aktivitas wird mit
Commersbüchern ausgestattet und erhält 2000 Couleurkarten vom Altherrenverband.
AH Strubbel Hülsberg hat mit viel Arbeit den Schlaraffenstammbaum geschaffen auf
dem alle Mitglieder erwähnt sind, je nach ihrer Familienzugehörigkeit, die definiert
wird durch den Leibburschen und den Leibfuchsen.
Am 6.11.54 findet vom BDIC eine Landesverbandstagung in Köln in der Funkenburg
statt. Mittlerweile sind Verbindungen fast aller Ingenieurschulen im BDIC vertreten,
mit Ausnahme von Aachen.
Unter anderem wird auch
auf der Landesverbands tagung West zum ersten
Mal das Thema Ausländer
diskutiert.
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Unter anderem wird auch auf der Landesverbandstagung West zum ersten Mal das
Thema Ausländer diskutiert. Grundsätzlich befürwortet der BDIC die Aufnahme von
Ausländern in die Verbindung, lehnt jedoch eine Burschung ab, so daß sie lediglich
als Fuchs- und Verkehrsgast Mitglied bleiben können. Innerhalb der Schlaraffia wird
dieses Thema auf dem G.C. zum Nikolausfest ebenfalls besprochen, jedoch eine
Entscheidung für überflüssig gehalten. Damit ist für einige Jahre die Frage zur
Mitgliedschaft von Ausländern in der TV Schlaraffia nicht mehr notwendig und wird
erst wieder im Jahr 1960 akut. Der in Bombay geborene Inder Narayan Yileparle Joshi
stellt im Sommersemerster 1960 den Antrag auf Aufnahme und wird Krassfuchs in
der TV Schlaraffia. Er wird später geburscht und nach seiner inaktiven Zeit ebenfalls
in den Altherrenverband aufgenommen. Seine Spur verliert sich jedoch etwa 1970.
Sein letzter bekannter Aufenthaltsort war Berlin.
4. Dezember 1954: Nikolausfest in Hagen in der Koncordia
Trotz enormer Begeisterung für die Nikolausfeiern in Essen forderte die Aktivitas
vom Altherrenverband eine Nikolausfeier in der Koncordia in Hagen. Die Feier
wurde um 20:00 Uhr als hochoffizielle Kneipe durch den Chargeneinmarsch eröffnet.
Der Erstchargierte Hatschi Köhler übernahm das Präsidium, Simba Hefendehl das
Contra und Peggy Scheideler den Fuchsenstall. Die Kneiptafel bestand aus drei langen Tischreihen, damit die 140 Teilnehmer Platz nehmen konnten.
Die hochoffizielle Kneipe wurde eröffnet mit dem Cantus „Student sein, wenn die
Veilchen blühen“. Nach der Begrüßungsansprache des Erstchargierten und einer kurzen Rede des AH Vorsitzenden Faß Waldhausen wurde in feierlicher Weise die
Burschung der fünf Brandfüchse vorgenommen. (Nöck Meyer, Heppes Wilecke, Mix
Engelbert, Flöhchen Sikora und Fips Scherf)
Die hochoffizielle Kneipe
wurde eröffnet mit dem
Cantus „Student sein,
wenn die Veilchen blühen“.
Die Lichter im Saal wurden ausgelöscht und auf den Tischen brannten Kerzen. Die
drei Brandfüchse nahmen an einem mit Kerzen beleuchteten Tisch in der Mitte des
Saales Aufstellung und unter den Klängen eines Chargenmarsches marschierten die
drei Chargierten auf die andere Tischseite zu.
Der xx und FM kreuzten die Degen und die fünf Brandfüchse legten die Hand auf
zum Schwur, den der Erstchargierte vorsprach und der von den Brandfüchsen in corona nachgesprochen wurde.
„Ich schwöre, daß ich der TV Schlaraffia in Treue angehören werde, daß ich mich mit
meiner ganzen Kraft für das Wachsen, Blühen und Gedeihen unseres Deutschen
Vaterlandes und unserer Korporation einsetzen und mich allzeit unserer Verbindung
würdig erweisen werde, g etreu unsermWahlspruch Ehre – Freundschaft – Vaterland.“
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Nach dem Eid trat der Erstchargierte zu jedem Brandfuchs einzeln hin, nahm das
Fuchsenband ab und verlieh ihm das Burschenband mit der Formel des
Hohensyburgscomments:
ex autoritate et dignetate
te Meier al Nöck
burschium nomino
nomitatum declaro
declaratum reoclamo
Die ersten Festteilnehmer
verließen die Konkordia um
5 Uhr morgens bei strömen den Regen.
Nachdem die Burschung in überaus feierlicher Weise vollzogen war, marschierten die
Chargierten wieder an ihre Plätze und es erklang unser Farbenlied, dem kurz darauf
der Verbrüderungscantus folgte. Dann wurde die hochoffizielle Kneipe abgeschlagen
und so begann die eigentliche Weihnachtsfeier. Der von Öhm Feldhaus aufgebaute
Tannenbaum wurde angezündet und überall auf den Tischen brannten Kerzen. Der
Nikolaus kam unter dem bekannten Cantus „Nikolaus komm in unser Haus“ und etwa
gegen 22:30 Uhr wurde der Tanz eröffnet. Die ersten Festteilnehmer verließen die
Konkordia um 5 Uhr morgens bei strömenden Regen. Das alte Nikolauslied „Essen,
du reizende Stadt“ wurde umgedichtet und in der Nacht gesungen: „Hagen, du reizende Stadt“. Einige „Alte Herren“ machten die Bemerkung noch nie eine so schöne
und feierliche Nikolausfeier erlebt zu haben. Ein solcher Vergleich entspringt der
enorm guten Stimmung und ist subjektiv.
2. Juli 1955: 56. Stiftungsfest im Hotel Dresel in Rummenohl
Der Generalconvent fand am frühen Nachmittag statt. Unter großer Begeisterung
wurde Faß Waldhausen erneut zum AH Präsiden gewählt. Er bestand jedoch auf der
Wahl seines Nachfolgers, so daß die Corona dazu Kurt Jüsten al. Hecht wählte.
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Man entschied sich, für die TV Wiedukind Iserlohn die Bürgschaft zu übernehmen für
den Eintritt in den BDIC. Die älteren „Alten Herren“ verlangten das Stiftungsfest
wieder wie früher zu feiern. Ein Stiftungsfest nur an einem einzigen Tag zu begehen
wie jetzt, hielten sie für unmöglich. In der Vergangenheit galt das Schlaraffen-
stiftungsfest stets als besonders schönes Fest und wurde an Pfingsten gefeiert. Am
Pfingstsamstag fand die offizielle Stiftungskneipe statt, während die Damen ins
Konzert gingen. Pfingstsonntag begann mit dem großen Frühschoppen, anschließend
gemeinsames Mittagessen und um 16:00 Uhr großer Festball. Am Pfingstmontagvormittag diskutierte man auf dem AHC und G.C. mit anschließendem Frühschoppen
und gemeinsamen Mittagessen. Das Fest klang aus mit dem Exbummel zur
Donnerkuhle. Man einigte sich darauf, in Zukunft freitags eine Stiftungskneipe zu
schlagen und am Samstag das Stiftungsfest mit G.C., Festcommers und Couleurball
zu begehen. In diesem Jahr fand alles an einem Tag statt.
Man einigte sich darauf, in
Zukunft freitags eine
Stiftungskneipe zu schlagen
und am Samstag das
Stiftungsfest mit G.C.,
Festcommers und
Couleurball zu begehen.
Zum hochoffiziellen Festcommers chargierten die TV Saxonia und die Rheinwacht zu
Köln. Der Festcommers wurde eröffnet mit dem Lied „Student sein, wenn die
Veilchen blühen“. In feierlicher Stimmung bei Kerzenlicht fand die Burschung statt
unter Ableistung des Burscheneides. Neun Brandfüchse wechselten in den
Burschensalon. Anschließend übergab der Vorsitzende des Altherrenverbandes Faß
Waldhausen der Aktivitas die neue Korporationsfahne. Da bereits ein halbes Jahr
zuvor der früher übliche Couleurzwang wieder eingeführt wurde, trugen alle „Alte
Herren“ Burschenband und Mütze. Die TV Schlaraffia besaß nunmehr wieder alle
notwendigen Studentenutensilien, um entsprechend bei allen offiziellen und hochoffiziellen Veranstaltungen repräsentieren zu können.
Dezember 1956: Begeisterung für Korporationen an den Ingenieurschulen
Im Rundschreiben Nr. 12 von 1956 wird zum geplanten Nikolausfest nach Essen ins
Hotel Parkhaus Hügel eingeladen, in dem ein Festsaal für 140 Besucher vorhanden
ist. Da zu unserer Nikolausfeier nur Schlaraffen und keine Vertreter anderer
Korporationen eingeladen werden, glaubten wir, mit diesem Saale auszukommen.
Weiterhin stellte der Inhaber Herr Imhoff einen anliegenden Raum und die Hoteldiele
zum Tanz zur Verfügung und so war alles in bester Ordnung. Zunächst freuten wir uns
über die zahlreichen Zusagen, die Aktivitas hatte 35 Mann und 20 Damen gemeldet.
Die Zusagen rissen nicht ab und am Tage vor dem Fest lagen 181 Anmeldungen vor.
Die in Hagen wohnenden Schlaraffen reisten mit einem Bahnbus mit Anhänger an,
der rechtzeitig vollbesetzt eintraf.
Zunächst freuten wir uns
über die zahlreichen
Zusagen,die Aktivitas hatte
35 Mann und 20 Damen
gemeldet.
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Bei besonderen Anlässen
tragen die Korporierten
Band und Mütze, sowohl in
den Räumen der Ingenieur schule als auch in der
Öffentlichkeit.
Die hochoffizielle Festkneipe unter dem Präsidium von Bruno Rohe al Faß wurde
nach dem offiziellen Chargeneinmarsch mit dem Lied „Oh alte Burschenherrlichkeit“
angeschlagen. In einem kurzen Festvortrag wurde von AH Faß Waldhausen über das
Verbindungsleben an anderen staatlichen Maschinenschulen berichtet. An den süddeutschen Ingenieurschulen sind die farbentragenden Verbindungen zum größten Teil
durch die Direktionen offiziell anerkannt. Bei besonderen Anlässen tragen die
Korporierten Band und Mütze, sowohl in den Räumen der Ingenieurschule als auch
in der Öffentlichkeit. Vor allem im Norddeutschen Raum werden die Bestimmungsmensuren wieder geschlagen und verschiedene Mitgliedskorporationen im BDIC sind
freiwillig schlagende Verbindungen, einige jedoch verlangen die Bestimmungsmensur.
Die TV Rheinwacht zu Köln berichtet folgendes:
Zu einer kleinen Feier der Ingenieurschule, die aus Anlaß der Zuerkennung des
Beinamens „Nikolaus August Otto Ingenieurschule“ stattfand, hatte die Direktion den
Korporationen eine offizielle Einladung zugehen lassen. Als besondere Ehrengäste
wurden unter anderem begrüßt Dr. Platz von Klöckner Humboldt Deutz, Professor Dr.
Ries von Bayer Leverkusen, Dr. Horn von Felten & Guillaume, Regierungsdirektor
Lenzen als Vertreter des Regierungspräsidenten und der ehemalige Oberbürgermeister Dr. Schwering sowie zahlreiche ortsansässige Fabrikanten. Als besonders
Ereignis erlaubte der Direktor der Schule Dr. Schneider, den Korporationen bei der
Feier in Vollwix zu chargieren. Daraufhin zogen fünf Korporationen mit je drei
Chargen mit Vollwix und Banner in die Schule ein. Die Kölner Tageszeitungen haben
ausführlich in Wort und Bild von dieser Feier berichtet.
Ende der fünfziger Jahre
erlebte das Verbindungs leben an den Deutschen
Ingenieurschulen seinen
Höhepunkt.
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Ende der fünfziger Jahre erlebte das Verbindungsleben an den Deutschen Ingenieurschulen seinen Höhepunkt. Die farbentragenden Studenten nutzten jede Gelegenheit
zur Mitarbeit in den Gremien der Schulen und zur entsprechenden Darstellung in der
Öffentlichkeit. An der Hagener Ingenieurschule trugen die Schlaraffen, die ihr
Examen bestanden hatten, zum ersten Mal bei der Ingenieurverabschiedung am
1.August 1956 Halbcouleur, das heißt Zipfel und Burschenband, jedoch ohne Mütze.
Der Aktive Günter Bergmann al. Mikosch verstarb am 28.Juli 1956 infolge eines
Herzinfartes. Die Aktivitas fuhr mit vier Chargen nach Lingen, wo sie von der Familie
Bergmann herzlich willkommen geheißen wurden. Da sowohl der Großvater als auch
der Vater und Bruder des Verstorbenen korporativ waren, wurde es sehr begrüßt, daß
die Verbindung zum ersten Mal in ihrer Geschichte am offenen Grab chargierte mit
Vollwix und Banner. Die Aktivitas wechselte ihre Konstante und zog ein im
Gaststättenbetrieb Pick As, Inhaber W. Fauvel, in Hagen, Ecke Körner-Grabenstr.
Die Aktivitas wechselte ihre
Konstante und zog ein im
Gaststättenbetrieb Pick As
Ein Vivat Crescat floriat dem Farbenstudententum 1957 bis 1960
Der Wiederaufbau des zerstörten Deutschlands ist nahezu abgeschlossen. 1957 wurde
das Saarland zehntes Land der Bundesrepublik Deutschland. Nach vier Monaten wird
der Streik in der Metallindustrie des Bundeslandes
Schleswig Holsteins, der bislang längste Arbeitskampf in
der Geschichte der Bundesrepublik, mit einem Kompromiß beendet. In mehreren hundert Betrieben der Bundesrepublik wird die 45-StundenWoche eingeführt. Das Gleichberechtigungsgesetz paßt das
bürgerliche Recht an den verfassungsrechtlichen Grundsatz
der Gleichberechtigung von
Mann und Frau an.
Dieter Mexner al. Spund xxx, Friedhelm Eberts al. Longus FM,Erich
Kwiakowsky al. Scheich x,Umzug Coburg
Im BDIC, Bund Deutscher
Ingenieurkorporationen, sind
achtundachtzig Verbindungen
mit fast 6.500 Mitgliedern
vertreten. Damit sind fast alle
Verbindungen an den Deutschen Ingenieurschulen im
Dachverband
organisiert.
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Die TV Schlaraffia nimmt mit
ihrer damaligen Chargia an
diesen Umzügen teil und
zeigt sich damit erstmals mit
Vollwix und Banner in der
Öffentlichkeit.
Beim Bundeskongreß in Coburg wird durch zwei große Umzüge innerhalb der Stadt
die Bedeutung des BDIC für Jedermann sichtbar. Die TV Schlaraffia nimmt mit ihrer
damaligen Chargia an diesen Umzügen teil und zeigt sich damit erstmals mit Vollwix
und Banner in der Öffentlichkeit. Die Anreise war schwierig, denn die Autobahnen,
auch von Frankfurt nach Nürnberg, waren noch nicht fertiggestellt. Die Fahrt im
Zweitakter Audi des damaligen Krassfuchsen Reinhard Zeppenfeld al. Schrat dauerte
über Landstraßen von Hagen bis Coburg einen ganzen Tag. Die Straßen waren schmal
und kurvenreich und der Verkehr langsam. Jeder dreizehnte Deutsche besaß ein Auto.
Im Sommersemester 1957 verließen etwa 150 Studenten aus den vier Fachrichtungen
Maschinenbau, Fertigungstechnik, Elektrotechnik und Bauwesen als Ingenieure die
Hagener Lehranstalt. Siebzehn dieser Jungingenieure waren in der TV Schlaraffia
Mitglieder und wurden innerhalb der Verbindung für ein Jahr als inaktive Burschen
geführt, bevor sie die Mitgliedschaft im Altherrenverband beantragen konnten.
Die Jugend in Deutschland kennt die Entbehrungen der Nachkriegszeit nur vom
Hören und Sagen und gewinnt langsam ihre eigene Identität. Wirtschaftlich und sportlich zählt Deutschland wieder zur Elite. Armin Hary läuft als erster Mensch die 100
Meter Strecke in 10 Sekunden. Der Sänger Elvis Presley kommt im Oktober 1958 als
US-Soldat in die Bundesrepublik. Die Rock-’n’- Roll Fans geraten außer Rand und
Band. Jugendliche randalieren bei Konzerten des US Sängers Bill Haley. Der Film
„Die Halbstarken“ mit Karin Baal und Horst Buchholz ist der Beginn der
Halbstarkenbewegung. Zum ersten Mal liest man in der Zeitung „Die Jugend rebelliert“.
Das führte dazu, daß auch die farbentragenden Studenten an der Staatlichen
Ingenieurschule in Hagen ihre Forderungen formulierten. Unter Mitwirkung der
Professoren Dr. Ibert und Oberbaurat Heimburg führte eine Studentenabordnung,
bestehend aus den Mitgliedern der TV Schlaraffia und der Landsmannschaft Baltia,
Verhandlungen mit der Schulleitung.
-132-
Der allgemeine Studentenausschuß Asta wurde ausschließlich von Mitgliedern der
Verbindungen gestellt. Von der Schlaraffia waren vertreten Jürgen Nümbach al.
Brutus als erster Vorsitzender und Reinhard Zeppenfeld al. Schrat.
Aus dem Sommersemester 1958 wurden 91 Jungingenieure feierlich verabschiedet.
Die Westfalenpost schreibt:
Aus dem Sommersemester
1958 wurden 91
Jungingenieure feierlich ver abschiedet.
„Zur Abschlußfeier der Absolventen des Sommersemesters 1958 an der Staatlichen
Ingenieurschule für das Maschinenwesen, Fa ch ri chtung Maschinenbau und
Fachrichtung Elektrotechnik, die in der Aula stattfand, hieß der Leiter der Ingenieur schule, Oberbaurat Dr. Lindner, die Absolventen, deren Angehörige und Freunde, die
Dozentenschaft und die jüngeren Semester herzlich willkommen. Erstmalig nahmen
15 Chargierte der Studentenverbindungen in ihren bunten Uniformen an der Feier stunde teil. Die vom Chor der Schule (Dirigent A. Schnieders) mit dem Lied „Hab oft
im Kreise der Lieben“ (frisch gesungen) eingeleitet wurde. Reifezeugnisse und
Ehrengaben überreichte in der Aula der Ingenieurschule Oberbaurat Dr. Lindner den
jungen Ingenieuren. Eine bunte Kulisse bildeten die im Vollwix angetretenen
Abordnungen der farbentragenden Verbindungen. “
Sommersemester 1958
Der Allgemeine Studentenausschuß ASTA
und die studentischen Verbindungen
– Jürgen Nymbach al. Brutus (xxx) –
In der Nachkriegszeit entwickelten sich in vielen
Bereichen sog. Mitbestimmungsmodelle, die
einmal der neu gewonnenen Freiheit und zum
anderen dem sich ebenfalls neu entwickelnden
demokratischen Verständnis Ausdruck verleihen
wollten. Als ein Ausdruck der Freiheit, die für
uns als Genera tion, die noch bewußt den
2.Weltkrieg hat miterleben müssen und somit für
uns einen besonderen Stellenwert hatte, ist
natürlich auch das Wiederaufleben farben studentischer Tradition zu sehen. Es ist deshalb
eine logische Folge, daß sich besonders die stu dentischen Verbindungen, die sich schon immer
-133-
in ein oder anderer Weise – heute sagt man – sozio-kulturell betätigt haben, auch in
dem ihnen zugänglichen Bereich der Mitbestimmung, nämlich an Ingenieur-,
Hochschulen und Universitäten, aktiv wurden.
Bei meinem Studienbeginn im Frühjahr 1957 wurde der ASTA ganz klar von den an
der damaligen SIS Hagen aktiven Corporationen, in dem beginnenden Sommer semster noch von der „Markomannia“, gestellt und dominiert. Zwar stellten auch
damals schon Mitglieder der Verbindungen unter den Studenten eine Minderheit dar,
deren Auftreten und Wirken trotz aller auch in der Öffentlichkeit verübten Studenten streiche weitgehend akzeptiert wurde und innerhalb der Studentenschaft keinerlei
desintegrierende Wirkung hatte.
Persönlich war ich überrascht, als am Ende dieses Sommersemester der Vorschlag an
mich herangetragen wurde, ich möchte doch für den nächsten ASTA-Vorsitz kandidie ren, da nach internen Absprachen unter den etablierten 4 Verbindungen (die Balten
befanden sich noch in Gründung) die Schlaraffen wieder an der Reihe wären. Nun
hatte besonders ich in diesem klimatisch positiv aus der Statistik herausragenden
Sommer 1957 leistungsmäßig keine Bäume ausgerissen, das Semester wurde allge mein in Ischeland im wahrsten Sinne des Wortes „verbadet“. Es war ganz klar, daß
ein ASTA-Vorsitz an die Leistungsbereitschaft des Funktionsträgers besondere
Anforderungen stellt. Die dafür erforderliche Bereitschaft, der ich mich freiwillig stel len sollte, war für mich ein vollkommen neues Element. Glücklicherweise hatten wir
unter unseren Dozenten eine herausragende Persönlichkeit - ich spreche von Dr. Curt
Ibert, der leider vor ca. 7 Jahren verstorben ist - , die im Grunde ihres Herzens auch
als Dozent noch gerne Student war. Mit ihm habe ich mich beraten, ganz klar meine
o.a. Negativ-Leistung im 1.Semester angesprochen, ihm auch ein Konzept vorgestellt,
den erhöhten Leistungsanforderungen gerecht zu werden, worauf er meinte: „Wenn
sie glauben, sie schaffen das, dann kandidieren sie mal und wenn sie dann auch
gewählt werden, wird das für sie eine tolle Erfahrung.“
-134-
Er hatte recht. Das, was in der damaligen Zeit eines der Ziele der „Schlaraffia“ war,
die Aktiven auf ihre zukünftige gesellschaftliche Stellung im Beruf und dem Leben all gemein vorzubereiten, zeigte in der über 2 Semester laufenden Amtszeit als ASTAVorsitzender bei mir seine ersten Wirkungen und Erfolge.
Der Hagener ASTA hatte in der damaligen Zeit eine allgemeinpolitische Funktion,
die – losgelöst von jeglichen parteipolitischen Interessen – sich in erster Linie um die
Wahrnehmung der Interessen der Studentenschaft gegenüber der SIS kümmerte, ein
damals schon erstrittenes Mitspr acherecht bei der Vergabe von staatlichen
Studienbeihilfen ausübte:
• in die Diskussion organisatorischer Fragen der SIS, soweit sie
die Studenten betrafen, seine Vorstellungen einbrachte
• in Streitfragen aller Art, ob unter den Studenten oder
Studenten und SIS zu vermitteln versuchte
• eine eigene kleine Bücherei betrieb
• an Bundesveranstaltungen der ASTA teilnahm
• internationalen Studentenaustausch vermittelte
• Sportveranstaltungen durchführte
• das jährliche Schulfest als Veranstalter ausrichtete
Für diese Tätigkeit gab es keinen Leistungsrabatt, aber ich stieß auf eine große
Bereitschaft unter meinen Kon-Semestern allgemein, besonders aber bei meinen
Bundes- und Verbandsbrüdern, R e fe rentenpositionen für die verschiedenen
Aufgabenbereich zu übernehmen und so gemeinschaftlich die Aufgaben im ASTA
wahrzunehmen. Dieses war ein Teil meines Konzeptes. Schrat Zeppenfeld, Tristan
Pflug, damaliger x der wiederauferstandene T.V. Baltia, möchte ich stellvertretend für
die anderen Mitstreiter nennen.
Für mich war es meine erste Führungsposition, die ich vollkommen unerfahren
anging. Mir war klar, daß die anstehenden Aufgaben nur kooperativ bewältigt werden
konnten, und so lernte ich meine Position als „primus inter pares“ zu verstehen, eine
Philosophie, die mich schon damals für meinen späteren Lebensweg nachhaltig
geprägt hat.
Ein weiterer Teil des Konzeptes war die Intensivierung einer Arbeitsgemeinschaft, die
wir bereits im 1.Semester ins Leben gerufen hatten. Sie hatte die Aufgabe
Verständnisfragen aus den Vorlesungen zu klären, Wissensdefizite zu kompensieren,
damit wir glatt über die Runden kamen. Wir waren insgesamt fünf, Schrat, Tristan,
Naphtalin, Schlips und ich, drei waren mindestens immer anwesend. So wurden auch
mir Vorlesungsinhalte vermittelt, die ich, da sich die Tätigkeit im ASTA nicht nur auf
-135-
die Pausen beschränkte, sonst mit mehr Aufwand und vielleicht auch nicht so erfolg reich hätte kompensieren müssen. Ich glaube, daß uns alle, die wir im ASTA damals
Funktionen übernommen haben, die vielen Facetten dieser Tätigkeit nachhaltig
geprägt haben.
Die Arbeit, die wir damals geleistet haben, bekam noch eine unerwartete Würdigung.
Der damalige stellvertretende Hagener Direktor, Herr Oberbaurat Strathausen, ein
etwas knöcherner Typ, dem der ASTA nicht so sehr in seine konservativen Vor stellungen paßte, wurde Gründungsdirektor der neuen Ingenieurschule in Bielefeld
und lud mich bald darauf nach Bielefeld ein, um dort den ASTA mitzugründen.
Ich bin sicher, wir haben alle von der Tätigkeit im ASTA profitiert, wobei die
Corporierten durch ihr enges Zusammengehörigkeitsgefühl sich in keiner Weise
absonderten, sondern aus dieser Kraft der Zusammengehörigkeit ein starkes
Integrationspotential entwickelten. Wir mußten lernen, in Gesprächen und
Diskussionen mit Direktor und Dozenten unsere Meinungen zu artikulieren, uns für
andere einzusetzen, öffentlich bei Anlässen aufzutreten wie z.B. Ingenieur verabschiedung, Schulfest und überregionalen Veranstaltungen. Auf diese Aufgaben
wurden wir z.T. durch das Verbindungsleben vorbereitet. Auch wenn alle corporierten
ASTA-Mitglieder bei öffentlichen Auftritten selbstverständlich Couleur trugen, so war
dieses nur ein diskreter Hinweis auf das Farbenstudententum, dem wir angehörten
und dank unserer Integrationsbemühungen wurde diese Äußerlichkeit auch nie
moniert, was aber nicht bedeutet, daß, wie in jeder Zeit, das Verbindungswesen nicht
unumstritten war.
-136-
Zu dem oben zitierten Dr. Ibert hielt ich bis kurz vor seinem Tode Kontakt. Er ging
später an die neue Gesamthochschule in Dortmund, wo ich ihn, selbst schon im
Berufsleben stehend, einmal besuchte. An diesem Tag streikten gerade die Studenten
für mehr Mitbestimmung und darauf angesprochen, daß wir das alles doch schon
erreicht gehabt hätten, beteuerte er, daß sich der ASTA in Dortmund stark politisiert
hätte und daß es einen Zusammenhalt wie gerade von unserem Semester praktiziert
leider nicht mehr gäbe und originäre Aufgaben des ASTA aufgegeben worden seien.
Diese Erkenntnis zeigt zwar, daß unsere eigene Tätigkeit keine langfristig nachhaltige
Wirkung erzielt hat. Wir hatten aber die Botschaft unserer Schlaraffen - Ahnen, uns
sozio-kulturell zu engagieren, verstanden. Dabei hatten wir die ganze Studentenschaft
und nicht nur das Farbenstudententum im Blickwinkel. Die Erfolge waren nicht welt bewegend. Für uns, die wir mitgewirkt haben, aber war es nicht nur eine tolle
Erfahrung, sondern ein separater Studiengang, der mir jedenfalls fast noch mehr für
mein späteres Leben mitgegeben hat als das eigentliche Fachstudium.
Mit dieser Erkenntnis möchte ich auch meinen Dank an meine ehemaligen Mitstreiter
aussprechen, die mir geholfen haben, diese Tätigkeit im ASTA und damit das ganze
Studium zu einem so nachhaltigen Erlebnis werden zu lassen.
Ewald Plate al. Pluto: AH Präside von 1958 - 1970
Ewald Plate wurde am 11. April 1901 in Kierspe geboren. Er studierte in Hagen von
1921 - 1923. Zwei Semester lang war er Fuchsenmajor und wurde Erstchargierter der
Aktivitas ebenfalls für zwei Semester in 1922. Nach seinem Examen verbrachte er die
Lehr- und Wanderjahre als Betriebsleiter in einem Wuppertaler Industrieunternehmen. Schon sein Großvater gründete im letzten Quartal des vorigen Jahrhunderts
eine Fabrik in Kierspe zur Herstellung von landwirtschaftlichen Geräten. Dieses
Unternehmen wurde im Jahr 1906 auf die drei Söhne des Gründers aufgeteilt. Der
Vater von Ewald Plate erhielt den Teil des Unternehmens, der sich mit der Herstellung
von Kastenschlössern beschäftigte. Etwa im Jahr 1926 trat er als Geschäftsführer in
das Unternehmen ein und führte dieses ausgesprochen erfolgreich weiter. Da in dem
Märkischen Raum und so auch in Meinerzhagen und Kierspe sehr früh mit der
Verarbeitung von Bakelit begonnen wurde, nahm auch die Firma Plate & Voerster
schon in den dreißiger Jahren die Verarbeitung von Duroplasten auf und kaufte dafür
Kunststoffpressen von der in Meinerzhagen ansässigen Firma Battenfeld, unter der
damaligen Leitung des jungen Schlaraffen Werner Battenfeld al. Ferro.
Gesellschaftlich und politisch war Ewald Plate stets ein aktiver Ingenieur, so wurde
er unter dem NS Regime Ortsgruppenvorsteher in Kierspe. Den Krieg erlebte er im
wesentlichen an der Heimatfront. Über eine 32 Monate andauernde Entnazifizierungsphase wurde er nach dem Krieg rehabilitiert und wurde von den Kiersper
Bürgern, aufgrund seiner Beliebtheit, wiederum in verschiedene Gremien gewählt. So
Zwei Semester lang war er
Fuchsenmajor und wurde
Erstchargierter der
Aktivitas ebenfalls für zwei
Semester in 1922.
Er wurde nach dem Krieg
rehabilitiert und von den
Kiersper Bürge rn ,a u f grund
seiner Beliebtheit,wiederum
in verschiedene Gremien
gewählt
-137-
wurde er Vorsitzender des Schützenvereins und Geschäftsführer des Kiersper
Bauvereins.
In der Schlaraffia war er stets aktiv und wurde am 8. Juli 1958 zum AH Präsiden als
Nachfolger des legendären Faß Waldhausen gewählt. Erst 1970 gab er dieses Amt ab
und wurde danach Ehrenpräsident der TV Schlaraffia. Pluto Plate starb am
26. Juni 1973 und wurde mit allen studentischen Ehren und unter Teilnahme einer
großen Zahl seiner Freunde aus der Schlaraffia in Kierspe zu Grabe getragen. Er
bleibt uns als väterlicher AH Präside in Erinnerung, der stets ein offenes Ohr für seine
Freunde und seine jüngeren Bundesbrüder hatte.
19. Juli 1958: Werksbesichtigung bei der Fa. Battenfeld Maschinenfabriken in
Meinerzhagen
Das war der Beginn der
unvergeßlichen Battenfeld kneipen,die jeden Sommer
geschlagen wurden bis zum
Jahr 1974.
Auf Einladung von Ewald Plate al. Pluto fand eine Busreise nach Kierspe statt. Zuerst
wurden die Betriebe von AH Pluto Plate, die Fa. Plate & Voerster, in Kierspe besichtigt. Dann ging die Fahrt weiter nach Meinerzhagen, wo zwei Produktionsstätten der
insgesamt vier Betriebe von Werner Battenfeld al. Ferro besichtigt wurden.
Hauptsächlich konnte man die Produktion von Spritzgießmaschinen bewundern, die
durch Rationalisierung schon damals fließbandähnlich hergestellt wurden. In einem
Waldlokal in Kierspe wurde dann eine zünftige Kneipe geschlagen. Das war der
Beginn der unvergeßlichen Battenfeldkneipen, die jeden Sommer geschlagen wurden
bis zum Jahr 1974.
In allen Jahren wurde jeweils nach der Betriebsbesichtigung auch der Flugplatz
besucht, wobei jeder Gelegenheit bekam, mit einem der Flugzeuge von Bat-Air einen
Rundflug zu unternehmen.
1958: Das erste Verbindungsauto in Hagen
-138-
Wolfhardt Pflug al. Tristan und Reinhard Zeppenfeld al. Schrat kauften das Luxusauto
Lloyd 300 mit folgenden technischen Daten. Motorleistung 15 PS , Hubvolumen 300
Schlaraffen vor der
Firma Battenfeld, v on
links:Ajax Kalsbach,
Werner Battenfeld,
Kornet Lincke, Seppl
Disselhoff, Lix Schulz,
Bachus Gündel,Doge
Dietze, Cato Schmacher,
GuffiWinter, Cunos
Schröder, Attila
Barthelmes, unbekannt,
Kuli von der Kuhlen,
Pluto Plate, Faß
Waldhausen,Lupus
Donsdorf, Schrat
Zeppenfeld
ccm, max. Geschwindigkeit 53 km/h. Nach genau sechs gemeinsamen Verbindungsausflügen und einer Lebensdauer von 3 Wochen wurde das Fahrzeug bei einer
Verkehrsmensur in Meinerzhagen vernichtet.
Bei einer Verkehrsmensur in
Meinerzhagen vernichtet.
An der Hagener Ingenieurschule waren 1958 ca. 1.800 Studenten eingeschrieben, die
nach einem strengen Stundenplan studierten und deren Anwesenheit in jedem Fach
-139-
und in jeder Stunde kontrolliert wurde. Es ist kaum zu glauben, aber das
Verbindungsfahrzeug der Schlaraffia und Baltia war das einzige Auto aus der
Studentenschaft auf dem Parkplatz des Instituts. Studenten in der Zeit fuhren Bus,
Straßenbahn und Fahrrad. Ein Glas Bier 0,2 l kostete 0,30 DM und das Anfangsgehalt
eines Ingenieurs betrug max. 500 Mark.
Beisetzung des verehrten Baurats Dipl. Ing. Heimburg im Krematorium in HagenDelstern
Die Akzeptanz der Verbindungen durch die Direktion der Staatlichen Ingenieurschule
Hagen ist am besten dokumentiert in der offiziellen Einladung für die Beisetzung des
verstorbenen Baurats Heimburg. Alle Verbindungen wurden zur Teilnahme eingela den, die Chargen im Vollwix und Paradeschläger, jedoch ohne Banner.
Die Beisetzung glich
einer Verbindungs veranstaltung.
Die Beisetzung glich einer Verbindungsveranstaltung, da außer den nahen
Verwandten kaum ein männlicher Teilnehmer ohne Band und Mütze anwesend war.
Natürlich wurde auch in der Presse von solchen Ereignissen in recht positiver Form
berichtet.
Die von auswärts kommenden und in Hagen wohnenden Studenten verbrachten den
größten Teil ihrer Freizeit mit den Bundesbrüdern. Es schien so als wäre der
-140-
Zusammenhalt innerhalb der Verbindung, wie er in den Gründerjahren üblich war,
auch bei der jetzigen Generation vorhanden. Die Begeisterung und die Überzeugung
für das Farbenstudententum waren beachtlich groß.
Auch im privaten Bereich spielte das Verbindungsleben eine ausschlaggebende Rolle.
Bei der kirchlichen Trauung wurde der schöne äußere Rahmen duch die Anwesenheit
der im Vollwix gekleideten Chargen gewünscht. Beim Verlassen der Kirche schritt das
Brautpaar unter den gekreuzten Paradeschlägern hindurch. Das Foto zeigt die
Trauung von Reinhold Jung al. Smoky mit seiner Frau Rosemarie, die in
Burgsteinfurt heirateten. Von der Aktivitas chargierten Zeus Wissemann, Latsch
Hülsmann, Lux Schulz und Schrat Zeppenfeld.
Auch im privaten Bereich
spielte das Verbindungsleben
eine ausschlaggebende
Rolle.
-141-
1. Juni 1962: Die Aktivitas erhält Kneipjacken
Anschließend überreichte
Pluto Plate der Aktivitas die
ersten zehn Exemplare der
neu gefertigten Kneipjacken.
Auf den Stifungsfesten
Anfang der sechziger Jahre
chargierten im Durchschnitt
zehn Fremdverbindungen.
Am Freitag, den 1. Juni 1962 wurde eine hochoffizielle Festkneipe unter der Speerführung des damaligen Erstchargierten Heinz Hagemann al. Ingo, geschlagen. Die
Aktivitas bestand aus 19 Burschen, darunter der erste Ausländer Narayan Joshi al.
Ravi aus Bombay, Indien. Der Fuchsenstall bestand aus 5 Brandfüchsen und 6 Krassfüchsen. In der Zwischenzeit hatte man sich an eine Aktivitas von 30 Mitgliedern
gewöhnt. Am 2. Juni wurde der hochoffizielle Teil mit dem Festcommers eingeleitet.
Der Vorsitzende des Altherrenverbandes Ewald Plate al. Pluto schloß seine Ansprache
mit einer Bierehrlichen Handlung. Emil Kleefisch al. Roland übergab ein handgeschnitztes Wappen der TV Schlaraffia an die Aktivitas. Dieses wurde von ihm selbst
gefertigt. Er erntete dafür den Dank der gesamten Corona. Anschließend überreichte
Pluto Plate der Aktivitas die ersten zehn Exemplare der neu gefertigten Kneipjacken.
Weitere zwanzig Exemplare waren in Arbeit und wurden kurze Zeit nach dem
Stiftungsfest der Aktivitas übergeben. Damit war die TV Schlaraffia die erste
Verbindung im Landesverband West des BDIC, die alle ihre Veranstaltungen in den
grünen Kneipjacken durchführen konnte.
Das Stiftungsfest im Parkhaus in Hagen wurde von nahezu 300 Personen besucht und
dürfte in der gesamten Geschichte der Schlaraffia als das am stärksten besuchte
Stiftungsfest angesehen werden. Verschiedene Dozenten nahmen an dem Stiftungsfest teil und Oberbaurat Wilhelm Wagner wurde als Ehrenmitglied in den Altherrenverband aufgenommen. Die späteren Stiftungsfeste in den Jahren 63 und 64 wurden
mit ähnlicher Begeisterung veranstaltet. Auch die Bauräte Schindler, Dr. Schäfer und
Jenecki blieben Gäste der TV Schlaraffia. Auf den Stifungsfesten Anfang der sechziger Jahre chargierten im Durchschnitt zehn Fremdverbindungen. An den Stiftungsfesten nahmen selten weniger als 250 Personen teil.
Die sechziger Jahre
-142-
Mit dem Bau der Mauer am 13. August 1961 war Deutschland endgültig in zwei
unabhängige Staaten aufgeteilt. Der Wohlstand im Westen gegenüber dem
Lebensstandard im Osten war so groß, daß sich die DDR zu entvölkern drohte.
1962 wird in der DDR die
allgemeine Wehrpflicht eingeführt. In der Bundesrepublik reichen die Arbeitskräfte für den wirtschaftlichen Boom nicht mehr aus.
Es werden mehr und mehr
ausländische Arbeitnehmer
beschäftigt. Die Beatles treten erstmals im Hambuger
Starclub auf. Am 22.
Jaunuar 1963 wird der Vertrag über die deutsch-französische Zusamenarbeit zwischen Konrad Adenauer und
Charles de Gaulle abgeschlossen. Der amerikanische Präsident John F.
Kennedy besucht Berlin und
e rk l ä rt : „Ich bin ein
Berliner“.
Bei der Bundestagswahl am
19. September 1965 gehen
die
Regierungsparteien
CDU/CSU als Sieger hervor
und wählen Ludwig Erhard
zum Bundeskanzler. Die
FDP verliert Stimmen auf
12,8 % Anteil.
Die politische Stabilität gerät unter Erhard ins Wanken, so daß er am 30. November
1966 zurücktritt. Es wird eine große Koalition gebildet. Am 27. Mai 1967 besucht der
Schah des Iran Mohammed Reza Pahlewi bei einem Staatsbesuch die Bundes-
-143-
republik. In zahlreichen Städten kommt es zu Anti-Schah Kundgebungen. Bei einem
Polizeieinsatz gegen eine Anti-Schah Demonstration in Westberlin wird am 2. Juni
1967 der Student Benno Ohnesorg erschossen.
Dieses Datum kann als der Beginn der außerparlamentarischen Opposition und der
Beginn der studentischen Massendemonstrationen angesehen werden. Bereits in der
zweiten Hälfte des Jahres 1966 finden an mehreren Universitäten umfangreiche
Streiks statt. Jedoch ist der 2. Juni 67 die Wende zur Radikalität dieser Demonstrationen. Ausgangspunkt für die studentischen Unruhen ist die Universität Berlin.
Am 11. April 1968 wird Rudi Dutschtke, der Vorsitzende des sozialistischen deutschen Studentenbundes SBS bei einem Mordanschlag schwer verletzt. Das Attentat
führt in der ganzen Bundesrepublik zu Demonstrationen und teilweise blutigen Auseinandersetzungen mit den Polizeikräften. Rudi Dutschke stirbt 10 Jahre später an den
Folgen des Attentats.
Am 11. Mai 1968 veranstalten die bundesdeutschen Gegner der Notstandsgesetzgebung einen Sternenmarsch nach Bonn. Der Bundestag verabschiedet jedoch
die Notstandsverfassung am 30. Mai 68. Der Atomwaffensperrvertrag wird unterzeichnet, in Deutschland wird die Mehrwertsteuer eingeführt und die Arbeitslosenquote beträgt nur noch 0,8%. Damit ist die Vollbeschäftigung nahezu erreicht. Der
Wiederaufbau in Deutschland ist abgeschlossen, ein Maximum an Wohlstand ist
erreicht und trotzdem macht sich eine gewisse Unzufriedenheit in der Bevölkerung
breit. Die von Gruppierungen der Bevölkerung gestellten Forderungen werden nicht
immer von der Mehrheit der Bevölkerung getragen.
Die TV Schlaraffia unterhält
in der gesamten Dekade,
beginnend von 1960,stets
eine Aktivitas zwischen 25
und 30 Mitgliedern.
-144-
Die TV Schlaraffia unterhält in der gesamten Dekade, beginnend von 1960, stets eine
Aktivitas zwischen 25 und 30 Mitgliedern. Der Altherrenverband wächst dadurch
erheblich. Vor allen Dingen Aktive aus den Jahren 1956 bis 1963 bleiben der
Schlaraffia im großen und ganzen treu. Nur wenige Bundesbrüder verlassen bei
größer werdender Distanz zu ihrer Studienzeit den Altherrenverband. 1968 hat der
Altherrenverband 196 Mitglieder, davon sind 25 Pensionäre, 10 „Alte Herren“ wohnen im Ausland, einer wohnt in der DDR. Hinzu kommen drei Ehrenalteherren, davon
der Inder Ravi Joshi. Die Aktivitas hat 23 Mitglieder und 2 Ehrenburschen, 6 inakti-
ve Burschen IAB und 11 Ehrendamen. Alles in allem hat die TV Schlaraffia 241
Mitglieder.
Ausländer in der TV Schlaraffia
Mit Ravi Joshi hat die Schlaraffia einen Burschen als Mitglied im Altherrenverband.
Der BDIC verteilte einen Protokollauszug einer Vorstandssitzung in dem es heißt:
„Die immer wieder gestellte Frage: Ausländer in der Korporation?“ beantwortete der
Bundessenior mit der Feststellung, daß ausländische Studenten, deren menschliche
und charakterliche Eigenschaften es als vertretbar erscheinen ließen, in der Korporation eine Fuchsenerziehung wie jeder andere Fuchs durchmachen könnten. Im
Anschluß an die Fuchsenzeit könne der ausländische Student als Verkehrsgast oder
Konkneipant in die Verbindung aufgenommen werden. Wenn er nach seinem Studium
und nach seiner Rückkehr in die Heimat noch offenkundig die Bindung zu seiner
Korporation pflegt, könne er zum Ehrenaltenherren ernannt werden. Auf diesem
Wege genieße der Ausländer in der Korporation alle Rechte eines ordentlichen
Mitglieds, ohne jedoch an dessen Pflichten, wozu auch die staatsbürgerlichen gehören, gebunden zu sein. Nach Auffassung des Convent sei es in jedem Fall unvertretbar, A usländern den Burscheneid auf eine deutsche Korporation abzunehmen.
Die TV Schlaraffia hat sich dazu entschieden, grundsätzlich Ausländer als Ehrenalteherren weiter zu führen und strebt an, den Kontakt und die Mitgliedschaft lebenslang zu erhalten.
Die sechziger Jahre sind durch ein ungezwungenes Studentenleben gekennzeichnet.
Die Berufschancen für die Ingenieurschulabsolventen waren sehr gut. Das sprichwörtliche sorgenfreie Studentenleben war innerhalb der Verbindungen aus vollen
Zügen zu genießen. Die staatsbürgerlichen Pflichten bestanden darin, das zu akzeptieren, was die Regierenden vorgaben, denn es gab wenig zu kritisieren. Bis zum Jahr
1968, als die Bildungspolitik ins Gespräch kam.
Nach Auffassung des
Convent sei es in jedem Fall
unvertretbar, Ausländern den
Burscheneid auf eine
deutsche Korporation
abzunehmen.
Die staatsbürgerlichen
Pflichten bestanden darin,
das zu akzeptieren, was die
Regierenden vorgaben,denn
es gab wenig zu kritisieren.
-145-
Spießbraten bei Carolus und Brigitta in Breckerfeld
Die Chargierten der
Verbindung nahmen das Ziel
ernst,neben der
Wissenvermittlung an der
Ingenieurschule Veranstal tungen zur Weiterbildung in
ausreichendem Maße anzu bieten.
Über die Jahre wurde das
Spießbratenessen in
Breckerfeld immer populärer
-146-
Die Entstehung des traditionellen Spießbratenessens geht auf die Semesterferien im
Jahr 1967 zurück. Die Aktivitas wurde geführt durch die folgenden Chargen. Hans
Joachim Paletzki al. Frisco x, Eberhard Kötting al. Ede xx, Axel Rindock al. Castor
xxx, Herbert Branß al. Harras FM. Wie ausgeprägt das Verbindungsleben dieser Zeit
war, macht das Programm für das Sommersemester 1967 (135. Biersemester) deutlich. Die Charg ierten der Verbindung nahmen das Ziel ernst, neben der
Wissenvermittlung an der Ingenieurschule Veranstaltungen zur Weiterbildung in ausreichendem Maße anzubieten.
Zur Vorbereitung auf das neue Semester und zur Verkürzung der Trennungsphase
während der Semesterferien wurde für den 30. September 1967 zum ersten Mal zu
einem Spießbratenessen nach Lünen bei Unna eingeladen, durch unsere Bundesbrüder Karl-Heinz Albrecht al. Alpha und Günter Übelhör al. Atze.
Ein Jahr später am 15. Juni 1968 fand das zweite Spießbratenessen in Altlünen statt.
Es hatten sich aus der Aktivitas insgesamt 44 Personen eingefunden. Obwohl die
Umgebung von Lünen an diesem Spätnachmittag von einem Unwetter heimgesucht
wurde, konnte das Fleisch noch im Freien am offenen Feuer gebraten werden. Als der
Regen kam, zog die Gesellschaft auf die Diele des Gutshofes und feierte bis in die
frühen Morgenstunden am offenen Kaminfeuer weiter. An dieser Stelle möchten wir
den Eltern von unserem Aktiven Schulze Wetmar für ihre Gastfreundschaft danken.
Zwei „Alte Herren“ stifteten das Faß Bier und den Braten. Nachdem in den vergangenen vier Jahren das Spießbratenfest jeweils in Altlünen bei unserem Bundesbruder
Schulze Wetmar al. Smoky gefeiert wurde, lud im Jahr 1971 zum ersten Mal Michael
Wenderoth al Carolus nach Breckerfeld ein. Er und seine Frau Brigitta arrangierten
ein herrliches Fest. 200 Liter Bier wurden von Uli Mosek al. Zeus mitgebracht und es
fiel nicht schwer, diese bei schönem Wetter genüßlich zu verzehren. Über die Jahre
wurde das Spießbratenessen in Breckerfeld immer populärer und kann mit Recht als
ein traditionsreiches Familientreffen aller Schlaraffen angesehen werden. Immer wieder reisten Schlaraffen mit Kind und Kegel an, bauten ihre Zelte auf und verlebten
herrliche Wochenenden in freier Natur. Ohne Unterbrechung war das Spießbraten-
essen eine feste Veranstaltung bis zum heutigen Tag.Wir sind Brigitta und Carolus für
ihre großzügige Gastfreundschaft unendlich dankbar.
Spießbratenessen
bei Carolus und
Brigitta.
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