Die Geschichte der Studentenverbindung Schlaraffia

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Die Geschichte der Studentenverbindung Schlaraffia
Vorbemerkung
Wahlspruch der
Burschenschaften:
„Ehre – Freiheit –
Vaterland“
Eine gewisse Kenntnis der Deutschen Korperationsgeschichte wird vorausgesetzt, ist
aber nachzulesen im 3. Kapitel, die Korporationsgeschichte. Die studentischen
Verbindungen, vor allem die Burschenschaften, genossen in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts einen guten Ruf. Sie hatten an den Universitäten eine außerordentliche Bedeutung, ja sogar eine bestimmte Macht. Burschenschaftler lebten für
die Freiheit in jeder Beziehung, wobei die Freiheit für das Vaterland wichtiger als die
persönliche Freiheit im Sinne von Rousseau und der französischen Revolution oder
Schiller und die Freiheit des Geistes und der Wissenschaft war. Deshalb auch der
Wahlspruch der Burschenschaften: „Ehre– Freiheit–Vaterland“
Die lange Geschichte der Landsmannschaften war im großen und ganzen imponierend. Ihr Wahlspruch: „Ehre–Freundschaft–Vaterland“ entsprach der Grundeinstellung vieler Studenten. Die Gewerbeschulen und die technischen Schulen entwickelten sich weiter zu Technischen Hochschulen und staatlichen Ingenieurschulen.
Antrittssingen
Wintersemester 1910
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Aus dem praktisch handwerklichen Maschinenbau wurde der wissenschaftliche
Maschinenbau. Dazu trug auch die Tätigkeit des Hagener Professors Franz Grasshof,
Mitbegründer des wissenschaftlichen Machinenbaus maßgeb lich bei, der als
Mitbegründer des wissenschaftlichen Maschinenbaus gilt und an der Hochschule
Karlsruhe tätig war. Franz Grasshof war auch Schüler der Hagener Gewerbeschule.
Aus der Hagener Gewerbeschule wurde 1878 die Königliche Gewerbeschule. Am 17.
Mai 1894 wurde das neue Schulgebäude mit sehr schöner Architektur am Vollmeufer
bezogen und ab 1. Juli 1898 der Name in Königliche Höhere Maschinenbauschule
geändert. Damit wurden auch die Studenten in ihrem Selbstverständnis beeinflußt und
fühlten sich den Hochschul- und Universitätsstudenten ebenbürtig.
Das von dem ehemaligen Corpsstudenten Otto von Bismarck geschaffene vereinigte
Deutschland war gerade mal knapp 30 Jahre alt. Die technische Entwicklung war
rasant und Deutschland blühte.
Die Studenten kamen vom Hagener Umland und wohnten am Studienort. Was lag
also näher als sich in Kränzchen oder Stammtischen unter Freunden zusammenzuschließen und was hätte näher gelegen als sich den Wahlspruch der Landsmannschaften zu eigen zu machen: „Ehre–Freundschaft–Vaterland“. Das wurde der
Wahlspruch der TV Schlaraffia.
Die Ehre hatte vor 100 Jahren natürlich eine andere Bedeutung als heute. Aber wenn
man versucht sie zu definieren und auf sich selbst zu beziehen, bleiben kaum
Unterschiede bei der Bewertung des Begriffs Ehre übrig. Die Verbindung setzte sich
gemeinsame Ideale.
Diese Ideale waren von besonderer Art, nämlich Ideale der Lebensführung, die unter
anderem auch das simple aber doch schwierige Ziel hatten, daß jeder sich selbst verbessert und ein ehrenhaftes Leben führt.
Der Freundeskreis hatte also nicht Ziele von der Art wie sie sonst Freundes- oder
andere Kreise häufig haben, nämlich irgendeine Sache zu verfolgen wie Spiel und
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Sport oder etwas zu errichten, oder die Gesellschaft zu verändern oder eine weltanschauliche Richtung populär zu machen. Die Verbindung verfolgte die Ziele, sich
gegenseitig zu helfen, zu formen und das Leben nach bestimmten Grundsätzen zu
führen. Der Wahlspruch und die Vereinbarungen geben dafür Hinweise. Die
Verbindung will fast immer Tugenden fördern. Tugenden sind dasjenige was
Menschen zu einem guten Menschen macht, Tüchtigkeiten, die den Menschen in
Richtung auf das Gute hin vollenden. Tugenden muß man einüben, um nicht Taten
oder Leistungen jedesmal mühsam neu zu überlegen, sondern um sie zu beherrschen,
wie man eine Sprache oder ein Handwerk beherrscht, so eingeübt, daß es wie selbstverständlich wirkt.
Die eigenen
Handlungsweisen und
Charaktereigenschaften
wollen ständig verbessert
werden durch eine
Bildung, die außerhalb
des Studiums erfolgen muß
und die nichts mit dem
Studium der Ingenieur wissenschaft zu tun hat.
Dazu braucht man gute Vorbilder und eine strenge Führung, aber auf freundschaftli cher Basis. Tapfer zu sein, gerecht zu denken und zu handeln, klug und verständnisvoll dem Mitmenschen zu begegnen will ständig geübt sein, um ein gesundes
Mittelmaß als selbstverständlich zu erreichen, was eine gute Handlung kennzeichnet.
Die eigenen Handlungsweisen und Charaktereigenschaften wollen ständig verbessert
werden durch eine Bildung, die außerhalb des Studiums erfolgen muß und die nichts
mit dem Studium der Ingenieurwissenschaft zu tun hat.
Schon vor 100 Jahren wurde vom Ingenieur eine ehrenhafte Grundhaltung und
manche Entscheidung nach ethischen Werten abverlangt, die mit Überzeugung durch
die guten tugendhaften Eigenschaften der eigenen Persönlichkeit zu treffen waren.
Aus der damaligen Sicht hätten technische Entwicklungen genauso wie heute auch
eingesetzt werden können zu Zwecken , die nicht dem Wohle der Menschheit dienen.
Ehrenhaftigkeit ist heute wie vor 100 Jahren gefragt. Damals trachtete der Student
nach einem Leben, das es wert war gelebt zu werden. Das entsprach der allgemeinen
abendländischen Vorstellung. Nicht ein Leben von Lüsten und Genüssen, nicht ein
Leben der Disziplinlosigkeit und des sich Gehenlassens, sondern ein Lebensstil, dessen Sinnfülle man erst eigentlich erkennt, wenn man in ihm eingeübt ist, wenn man
ihn selbst lebt. Hier hatten die Verbindungen mit ihren strengen Vorstellungen, Zielen
und Ritualen eine große Anziehungskraft.
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Freundschaft entstand unter am Studienort wohnenden Studenten, die auf gemeinsa me Erlebnisse angewiesen waren aufgrund der fehlenden kommerziell angebotenen
Unterhaltung und der fehlenden Familie. Diese Erlebnisse boten die Verbindungen.
Sie hatten Ideale vor Augen und der Zusammenschluß wollte nicht kurzfristige Ziele
verwirklichen, sondern einen Lebensstil pflegen, den man als gut erkannt hatte mit
der Vorstellung: Wir wollen unser Leben nicht gleichgültig dahinleben, sondern wir
wollen uns gegenseitig helfen und unterstützen und uns zu einer gewissen Tüchtigkeit
und Vollkommenheit entwickeln, nicht nur als Studenten. Die Freundschaft wurde
nicht nur verstanden als Studentenfreundschaft, sondern die Freundschaft war bewußt
definiert als gleichgesinnte Männerfr eundschaft auf dem Lebensbundprinzip.
Farbenstudenten akzeptierten, daß diese Freundschaft einen institutionellen Rahmen
benötigt, einen Rahmen, der es Freunden erlaubt regelmäßig wieder zusammenzukommen, auch wenn man im Beruf steht und über die ganze Welt verstreut ist.
Freundschaft ist eine der ältesten Formen menschlicher Beziehung und dem Grunde
nach eine unentbehrliche Tugend, die leider durch die eigenartige Entwicklung der
Einstellung zur Partnerschaft in der heutigen Zeit etwas in den Hintergrund getreten
ist. Die Verbindungen hatten immer das Ziel innerhalb des straff organisierten
Freundeskreises die Bildung der Persönlichkeit zu betreiben. Diesem Ziel wollten
sich die Studenten mit Überzeugung verpflichten und es auch über die Studienzeit in
die Welt hinaus tragen, um es dann wieder den Jungen weiter zu vermitteln.
Vaterland stand für das junge 1871 vereinte und blühende Deutschland. Die Begriffe
Vaterland und Freiheit gehörten untrennbar zusammen. Es waren die Burschenschaftler, die 1817 beim Wartburgfest die Freiheit und ein einiges Deutschland forderten. Beim Hambacher Fest 1832 schlossen sich diesen Ideen fast alle Korporierten
an, einschließlich starker ausländischer Beteiligung, z.B. aus Frankreich und Polen.
Allein die Anerkennung der burschenschaftlichen Forderung nach einem
Nationalstaat durch ausländische Teilnehmer beweist, daß der Begriff Vaterland
nichts zu tun hatte mit Nationalismus oder Zentralismus. Die Verbindungen akzeptierten die Verpflichtung zum öffentlichen Handeln und waren politisch stets aktiv
tätig. Das Bewußtsein war vorhanden, daß nur die Wahrnehmung von Bürgerpflichten
ein Leben in politischer wie bürgerlicher Freiheit im eigenen Vaterland möglich
Die Freundschaft wurde
nicht nur verstanden als
Studentenfreundschaft, son dern die Freundschaft war
bewußt definiert als gleich gesinnte Männerfreundschaft
auf dem Lebensbundprinzip.
Die BegriffeVa terland und
Freiheit gehörten untrennbar
zusammen.
Die Verbindungen akzeptier ten die Verpflichtung zum
öffentlichen Handeln und
waren politisch stets aktiv
tätig.
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machte. In diesem politischen und geistig ethischen Umfeld saßen 6 Freunde zusammen und beschlossen, den Stammtisch Schlaraffia zu gründen.
Aus England war der Logengedanke nach Deutschland gekommen und es ist anzunehmen, daß die Loge Schlaraffia schon damals existierte und die Gründer den
Namen von dort ausgeliehen haben.
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Die Geschichte der Studentenverbindung
Schlaraffia
24. Juni 1899: Gründungstag Stammtisch Schlaraffia
Unter der damaligen Schulleitung von Gustav Holzmüller wurde am 17. Mai 1894 das
neue Schulgebäude im Stil niederländischer Renaissance am Volmeufer bezogen.
Aufgrund eines Ministerialerlasses erhielt die Lehranstalt ab 1. Juli 1898 die
Bezeichnung „Königliche Höhere Maschinenbauschule“. Sieben unternehmenslustige und mutige Studierende gründeten am 24. Juni 1899 offiziell den Stammtisch
Schlaraffia. Ihre Namen waren Stiefel Sander, Suff Mohr, Pascha Persyn, Otto
Asbeck, Teut Engelhardt und Willi Hülsenberg.
Der Stammtisch Schlaraffia war an der damaligen Königlichen Maschinenbauschule
in der noch recht kleinen Stadt Hagen eine der ersten Verbindungen. Insgesamt ließen
sich an dem Institut lediglich etwa 200 Studenten zum Ingenieur ausbilden. Bis zur
offiziellen Gründung fanden die gemeinsamen Zusammenkünfte, auch Kränzchen
genannt, in Privaträumen oder den Wohnungen der Studenten statt. Erst nach der
Gründung verlegte man die Zusammenkünfte in Form von Stammtischabenden beim
Wirt Sieger, das Lokal Püppchen Sieger auf der Elberfelder Straße. Es wurde dort das
allgemein beliebte Kronenbier aus emaillierten Steintöpfen getrunken.
Man entschied sich schon damals sofort für die Farben schwarz, silber, grün und den
Wahlspruch „Ehre–Freundschaft–Vaterland“.
Der erste Chargierte war Erich Sander und der Fuchsenmajor Suff Mohr. Die offiziellen Kneipen wurden nicht im Stammtischlokal sondern in Eckesay geschlagen.
Gegen Ende 1904 wurde „die Konstante“ ins Stadtinnere verlegt, nach Karlchen
Sommerlat in der Nordstraße.
Das Studentenleben an den Stammtischen und in den Verbindungen blühte im
Verborgenen, denn offiziell waren Studentenverbindungen und deren Aktivitäten und
Studierende gründeten am
24. Juni 1899 offiziell den
Stammtisch Schlaraffia. Ihre
Namen waren Stiefel
Sander, Suff Mohr, Pascha
Persyn, Otto Asbeck, Teut
Engelhardt und Willi
Hülsenberg.
Man entschied sich schon
damals sofort für die Farben
schwarz, silber, grün und
den Wahlspruch „Ehre– Freundschaft–Vaterland“.
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Die Studenten, genannt
„Fachklepper“, kamen aus
allen Gegenden
Deutschlands
So kam es dann dazu, daß
im Jahr 1902 seitens der in
Frage kommenden
Ingenieure in Hagen,
Dortmund und Elberfeld zu
einer großen Kundgebung
auf der Hohensyburg aufge rufen wurde.
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Zeremonien nicht gestattet. Aber es machte allen Konkneipanten viel Freude, vor
allem wenn die älteren Semester ihre Prüfung bestanden hatten und die
Maschinenbauschule, damals genannt „Der Kotten“ verließen . Es waren jedoch ständig genügend Füchse vorhanden, um die Lücken der Inaktiven wieder zu schließen.
Die Studenten, genannt „Fachklepper“, kamen aus allen Gegenden Deutschlands, aus
Weimar, Jena und Hannover. Sie alle hatten in Hagen ein möbliertes Zimmer. Dazu
einen meist ausreichenden Monatswechsel, so daß man sich abends zu einem
Umtrunk zusammensetzen konnte, weil es dem einzelnen auf seiner Bude natürlich
zu langweilig war. Das Liter Bier kostete im Faß zur damaligen Zeit 19 Pfennige.
Aufgrund des niedrigen Preises wurden in Folge dessen unheimliche Mengen des
edlen Gerstensaftes verkonsumiert. Außerdem waren die Anforderungen an die
Studenten nicht besonders hoch gestellt. Man achtete mehr auf die Einhaltung der
vorgeschriebenen Verhaltensweisen als auf den zu lehrenden Stoff. Das an der
Maschinenbauschule herrschende strenge Regiment veranlaßte die Studierenden dieser Anstalt, hiergegen öffentlich zu oppunieren. Dazu versuchte man sich in einem
Verband ehemaliger Studierender zusammenzufinden. So kam es dann dazu, daß im
Jahr 1902 seitens der in Frage kommenden Ingenieure in Hagen, Dortmund und
Elberfeld zu einer großen Kundgebung auf der Hohensyburg aufgerufen wurde. Die
Teilnahme an dieser Veranstaltung wurde in Hagen jedoch durch den damaligen
Direktor Professor Heiko Lolling unter Androhung der Relegation untersagt. Am
nächsten Morgen war an der Mauer des Volmeufers, welches der Lehranstalt gegenüber liegt, in zwei Meter großen Mennigebuchstaben zu lesen: „Hoch Hohensyburg“.
Mittags setzte sich dann unter Führung einer schneidigen Musikkapelle der Zug, an
dem fast die ganze Höhrerschaft teilnahm, in Bewegung und wurde bei seiner
Ankunft auf der Hohensyburg durch zwei, seitens der Direktion als Beobachter dorthin entsandten Regierungsbaumeister, auf die Zahl der Teilnehmer hin überprüft.
Diese Regierungsbaumeister fühlten sich in ihrer Rolle ausgesprochen unwohl. Der
Zusammenschlußbewegung konnte diese kleinliche Handlungsweise jedoch keinen
Abbruch tun und die gesamte Affäre endete mit einem Verweis für sämtliche
Teilnehmer.
Nach Überlieferung ist das erste offizielle Stiftungsfest im Jahr 1905 in Dahlhausen
gefeiert worden. Das Frühschoppenfoto zeigt 11 Bundesbrüder, doch im Jahr 1905
11 Bundesbrüder beim
Stiftungsfest 1905
Reise zum Stiftungsfest 1905 nach Dahlhausen
bestand der Stammtisch Schlaraffia bereits aus 18 Bundesbrüdern. In dieser Zeit
wurde ebenfalls verfügt, daß Studenten der Königlichen Höheren Maschinenbauschule während des Studiums nicht zum Militärdienst eingezogen werden konnten.
Sie wurden zurückgestellt. Andererseits war es in dieser Zeit üblich, daß nur ein guter
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Andererseits war es in dieser
Zeit üblich, daß nur ein
guter Schulabschluß zum all seits akzeptierten und ange sehenen Militärdienst
berechtigte, obwohl in der
Gründungszeit das
Studentenleben recht locker
betrachtet wurde und man
sich hauptsächlich mit
Stammtischen, Tanzabenden
und Ausflügen unterhielt,
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Schulabschluß zum allseits akzeptierten und angesehenen Militärdienst berechtigte,
obwohl in der Gründungszeit das Studentenleben recht locker betrachtet wurde und
man sich hauptsächlich mit Stammtischen, Tanzabenden und Ausflügen unterhielt,
wurden bereits im Jahr 1902 die ersten studentischen Utensilien angeschafft. Otto
Röder al. Amor geb. am 9. Oktober 1882, trug als Chargierter ein Zerewic und blieb
der Schlaraffia treu bis er am 26. Juni 1955 verstarb. Armin Graumann als Fuchsenmajor wurde am 19. Oktober 1881 geboren. Seine Spur verliert sich im Jahr 1934.
Otto Röder al. Armor und
Armin Graumann im Jahre
1902
Zur Gründerzeit bestanden in Hagen noch die weiteren Verbindungen SaxoRhenania, die Markomannia und der Blasius Oberhagener Reichstag. Die
Korperierten waren von der Schulleitung nicht gern gesehen und sie gerieten durch
allerlei Unannehmlichkeiten häufig in Bedrängnis und litten unter dem gespannten
Verhältnis zum damaligen Lehrkörper der Lehranstalt. Es ist erstaunlich, daß sich die
Korporierten durchsetzen konnten und daß, wie beim Stammtisch Schlaraffia, aus
dem kleinen festgefügten Kreis im Laufe der Zeit die Technische Verbindung
Schlaraffia hervorging. Sie war von Anfang an ein Inbegriff von Kameradschaft,
Freundschaft und Hilfsbereitschaft. Das war aber nur möglich durch die vorsichtige
Auswahl bei der Aufnahme neuer Bundesbrüder, die stets einstimmig erfolgen mußte,
denn nur dadurch war eine charakterlich gleichwertige Ausrichtung des Bundes
gewährleistet. Allerdings wurde von Anfang an politische und konfessionelle
Neutralität gewahrt. Trotz alledem war es absolut normal und üblich, daß jeder
Maschinenbaustudent sich um ein mittlere oder gehobene Position im damaligen
Militär bemühte. Die allseits straffe Führung und die vorgegebene persönliche
Ausrichtung durch Otto von Bismarck verlangte von jedem ein selbstverständliches
Empfinden für Disziplin, gutes Auftreten und Kontrolle der eigenen persönlichen
Eigenschaften.
Das war aber nur möglich
durch die vorsichtige
Auswahl bei der Aufnahme
neuer Bundesbrüder, die stets
einstimmig erfolgen mußte,
denn nur dadurch war eine
charakterlich gleichwertige
Ausrichtung des Bundes
gewährleistet.
Examensfoto 1908
Das Examensfoto von 1908 zeigt unter anderem 4 Schlaraffen: Aegir Menge,
geb. 11. April 1882, gest. 1. November 1946. Spund Rumberg geb. 28. Februar
1882, gest. 5. Mai 1936, Süffel Baumbach geb. 24. Dezember 1881, gefallen im 2.
Weltkrieg am 18. Mai 1944 und Qualm Griesan, geb. 8. Juni 1882, gest. 25. Januar
1931.
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1910: Entstehung des Altherrenverbandes.
Hagen erlebte eine kulturelle
Blüte mit der Erbauung des
Theaters, des Parkhauses
und der erst nach dem
Weltkrieg vollendeten
Stadthalle. Karl Ernst
Osthaus schuf sein Museum.
Am Anfang dieses Jahrhunderts herrschte in der deutschen Bevölkerung eine ausgesprochen positive Grundstimmung. Die Anforderung an die eigene Persönlichkeit
war groß. Die Bereitschaft, besondere Leistungen zu erbringen und sich des Lebens
in jeder Form zu erfreuen, war absolut ausgeprägt. Es entstanden bedeutende technische Entwicklungen. Sehr schöne Gebäude wurden erstellt und man konnte aufgrund
der Erfahrungen mit dem Eiffelturm in Paris Hochhäuser bauen von einer bis dahin
nicht gekannten Größe. Deutschland erlebte eine kulturelle Blüte was die Malerei und
die Musik anbetrifft. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte die Stadt Hagen ihre beste Zeit.
Bis 1910 war die Kanalisation, die Licht-, Gas- und Wasserversorgung vervollkommnet. Die Stadt Hagen bekam einen neuen Bahnhof. Der Zug fuhr jetzt durch den
Goldbergtunnel. Hagen erlebte eine kulturelle Blüte mit der Erbauung des Theaters,
des Parkhauses und der erst nach dem Weltkrieg vollendeten Stadthalle. Karl Ernst
Osthaus schuf sein Museum. Die Industrialisierung machte rapide Fortschritte. Auch
die TV Schlaraffia war von dem Optimismus der Gründerjahre positiv beeinflußt. Der
noch junge Altherrenverband zählte 43 Mitglieder. Politisch bestand zwischen den
europäischen Großmächten eine spannungsgeladene Atmosphäre. Die Pistolenschüsse von Sarajewo am 20. Juni 1914, bei denen der österreichische Thronfolger
Franz Ferdinand starb, lösten den Ersten Weltkrieg aus. Deutschland trat am 1. August
1914 in den Krieg ein. Die Mobilmachung in Hagen erfolgte am 2. August 1914.
Kassenabrechnung 1911
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In diesem positiven Umfeld wuchs der Stammtisch Schlaraffia recht schnell. Ein
bedeutender Name in der Entwicklung unseres Bundes ist Erich Waldhausen al. Faß,
der im Jahr 1906 sein Studium begann. In der Zeit bis zu seinem Examen im Jahr
1908 traten mit ihm weitere 11 Kommilitonen in die Verbindung ein. Nach seinem
Examen wurde Faß Waldhausen Soldat im Pionierbattaillon 7 in Hannoversch
Gemünden. Es ist nicht festzustellen, ob Faß Waldhausen jemals Erstchargierter der
Aktivitas war. Aber es gibt eine Kassenabrechnung des AHV Schlaraffia für das Jahr
1911, die von Faß Waldhausen unterschrieben wurde mit dem Zusatz zu seinem
Namen AHV X.
In der Zeit bis zu seinem
Examen im Jahr 1908 traten
mit ihm weitere 11
Kommilitonen in die
Verbindung ein. Nach sei nem Examen wurde Faß
Waldhausen Soldat im
Pionierbattaillon 7 in
Hannoversch Gemünden.
5. Juli. 1912: Gründung des Altherrenverbandes
In den Jahren nach der Gründung hatten die Stammtische und Verbindungen gut
zusammengehalten. Auch die Schlaraffia blühte und konnte eine schnell steigende
Zahl von Mitgliedern verzeichnen. Die früheren Kommilitonen kamen öfter nach
Hagen zur Kneipe und wurden seitens der Aktivitas ehrfürchtig als „Alte Herren“
begrüßt. Aber auch sonst trafen sie sich monatlich einmal in einer Stadt des
Industriegebietes zu fröhlichem Umtrunk, so daß der Wunsch nach einem festeren
Mitglieder bei der Gründung des
Altherrenverbandes
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Zusammenschluß laut wurde. Am 5. Juli 1912 trafen sich sieben Alte Herren in
Duisburg und gründeten den Altherrenverband Schlaraffia.
Bunkenabend im Jahr 1906
31. Januar 1914
Eintragung unter der
Nummer 80 in das
Vereinsregister der Stadt
Duisburg als
Altherrenverband Schlaraffia
Um dem Freundschaftsbund auch nach außen hin ein festes Gepräge zu geben, fand
in Duisburg die Eintragung unter der Nummer 80 in das Vereinsregister der Stadt
Duisburg als Altherrenverband Schlaraffia statt. Der erste Vorsitzende wurde Faß
Waldhausen. Er wurde unterstützt von Süffel Baumberg, Roland Kaiser, Strop
Brüggerhof und Seppel Domeyer. Süffel Baumbach war der erste Kassierer. Nach
seinem Tod übernahm diese Arbeit Seppel Domeyer.
1912 - 1914
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In dieser Zeit erlebte die TV Schlaraffia ihre schönste Blütezeit. Die Aktivitas und die
Alten Herren hatten einen sehr engen Kontakt und trafen sich häufig zu Stammtischen, zu Stammtischkneipen, zu „Bunken-Abenden“ und zu Damenkneipen. Das
Foto über eine Stammtischkneipe am 24. Februar 1912 zeigt eine Teilnahme von etwa
45 Bundesbrüdern.
Erst eine Woche vor der Stammtischkneipe die offiziellen Charakter
hatte, fand die Bunkenkneipe am 7.
Februar 1912 statt, an der natürlich
Damen teilnahmen.. „Bunkenkneipen“
hatten einen leicht karnevalistischen
Einschlag und wurden als ausgesprochen
lustige Veranstaltungen gern gesehen.
Das Stiftungsfest im Jahr 1912 wurde in
Rummenohl gefeiert und fand traditionell an den Pfingstfeiertagen statt. Als
besonderes Vergnügen wurde die Hinund Rückreise mit Pferdewagen angesehen. Stiftungsfeste hatten weniger offiziellen Charakter im Vergleich zur heutigen
Zeit. Sie begannen stets bereits vormittags mit einer ausgedehnten Kaffeetafel und
einem anschließenden Mittagessen, danach folgte ein Exbummel durch die Natur bei
dem bereits eine gute Ausgangsstimmung für die abendliche Tanzveranstaltung
geschaffen wurde.
Frühschoppen 1912
Semester Stammtischkneipe
24. Februar 1912
Hans Leibold al. Lupus schickte Faß Waldhausen eine
Postkarte mit dem Vermerk „meinem lieben Faß zur
Erinnerung an die Semesterantrittskneipe im Oktober 1911
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Bei der Fuchsentaufe in
1914 konnten 5
Krassfüchse getauft wer den.
Mit Beginn des Ersten Weltkrieges in 1914 wurde auch die Weiterentwicklung unseres Bundes abrupt unterbrochen. Bei der Fuchsentaufe in 1914 konnten 5 Krassfüchse
getauft werden. Danach wurden jedoch nur noch wenige Kneipen geschlagen, die
Bunkenabende wurden eingestellt und erst wieder 1937 neu begonnen. Selbst die
Stammtische und Stammtischkneipen reduzierten sich sehr stark. Von den damals
etwa 50 Mitgliedern der TV Schlaraffia sind allein im Ersten Weltkrieg zwischen
1914 und 1918 elf Bundesbrüder gefallen. Auch der damalige AH Präside Faß
Waldhausen wurde eingezogen und nahm an den verschiedenen Fronten während des
gesamten Ersten Weltkrieges teil. 1918 wurde er als Leutnant der Reserve gesund
nach Hause entlassen.
Fuxentaufe 1914
9. November 1918
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Der Krieg war zu Ende und am 09. November 1918 wurde die Stadt Hagen von einem
Arbeiterrat gemeinsam mit dem Soldatenrat kontrolliert. Politisch waren beide
Gruppierungen sozialdemokratisch und gehörten der damaligen USPD an. Die
Stadtverwaltung und alle Organisationen der Stadt konnten in unveränderter Form
ihre Arbeit und die Geschäfte weiterführen. Die Mitglieder der Schlaraffia, Alte
Herren und Aktive, trafen sich erstmals wieder im Sommersemester 1919 und feierten bereits über Pfingsten erneut ihr Stiftungsfest. AH Otto Röder al. Amor fungierte
damals als Motor der Aktivitas und setzte sich sehr stark für eine Reaktivierung ein.
Während des Weltkrieges und danach war Ernst Peiniger al. Köbes praktisch der einzige Aktive. Unter Mithilfe von Totila Kolb und Fubsch Öhler schuf Köbes Peiniger
innerhalb kürzester Zeit alle Voraussetzungen für ein Wachsen, Blühen und Gedeihen
der Aktivitas. Im gleichen Jahr wurden die ersten drei Krassfüchse gekeilt.
Unter Mithilfe von Totila
Kolb und Fubsch Öhler
schuf Köbes Peiniger inner halb kürzester Zeit alle
Voraussetzungen für ein
Wachsen, Blühen und
Gedeihen der Aktivitas.
Fuxentaufe 1919
Am 17. Dezember 1914 schickte A. H. Stric k
Geis (3. von links) diese Feldpostkarte an die
TV Schlaraffia
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Frühjahr 1921
Roland Buchholz verfaßte
das Farbenlied der
Schlaraffia
Als Erstchargierter der Aktivitas fungierte Wilhelm Buchholz al. Roland. Er wurde
am 23. Dezember 1895 geboren und war aktiv von 1919 bis 1922. Am 11. Juni 1930
kam er bei einem Motorradunfall ums Leben. Roland Buchholz verfaßte das
Farbenlied der Schlaraffia, die erste und zweite Strophe und wählte dafür die
Marschmusik „Es weht die Flagge etc.“
Farbenlied der TV Schlaraffia
1:
Die Farben der Schlaraffia, die sind schwarz-silber-grün,
Und „Ehre–Freundschaft–Vaterland“, sie mögen ewig blüh'n,
Sei's in Gefahr, sei's in der Not, sei's in des Glückes Feld,
die Farbe, der man angelobt, die Treue ewig hält:
:/:
Wir halten zur SCHLARAFFIA, den Farben schwarz-silber-grün,
Es leb' SCHLARAFFIA immerdar, sie möge ewig blüh'n.
2.
Solange noch ein Atemhauch in unserem Körper lebt,
Solange noch die Deutsche-Faust im Streit den Schläger hebt,
Solang' soll unsere Losung sein, getreu mit Herz und Hand,
Wir bleiben den Schlaraffen treu und treu dem Vaterland:
:/:
Wir halten zur SCHLARAFFIA, den.....
Am 21. Mai 1948 wurde auf dem Stiftungsfest in Hohenlimburg der Farbenkantus
durch Utti Flemming um die dritte Strophe erweitert.
3.
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Trotz schwerster Not im Deutschen-Land und vielem großen Leid,
Hat sich zum Freundschaftsbund bekannt Schlaraffeneinigkeit.
Hoch "Ehre, Freundschaft, Vaterland" auch heute sei's Panier,
In Treue bis zum Grabesrand auf ewig schwören wir:
./:
Wir halten zur SCHLARAFFIA, den..................
Die Wunden, die der Krieg geschlagen hatte, wurden vergessen, obwohl die
Schlaraffia den Verlust vieler lieber Bundesbrüder zu beklagen hatte. Andererseits
jedoch waren die Heimkehrer froh den Krieg überlebt zu haben und daß sie teils als
Offiziere und teils mit dem EK 1 oder EK 2 (Eisernes Kreuz) geschmückt nach Hause
kamen. Die zweite Strophe des Farbenliedes macht deutlich inwieweit man sich mit
dem Vaterland identifizierte.
Es kam dann allmählich eine
neue Blütezeit für das stu dentische Leben auf.
Es kam dann allmählich eine neue Blütezeit für das studentische Leben auf. Die
Schlaraffia stattete die Aktivitas mit ihrem ersten Vollwix aus. In dieser Zeit wurde
ebenfalls die Fahne eingeweiht.
Im Kassenbericht von 1919 erscheint erstmals ein Fonds für den Hausbau. Der
Altherrenverband beschäftigte sich ernsthaft mit der Errichtung eines Verbindungshauses. Der Mitgliedsbeitrag betrug 1919 pro Jahr 5,-- Mark. An freiwilligen
Stiftungen zum Hausbaufonds wurden im gleichen Jahr 2.600,-- Mark eingezahlt.
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Erich Waldhausen al. Faß, 1. AH Präside von 1911 - 1958
Zu Ostern des Jahres 1906 kam Erich Waldhausen als Student zur Schlaraffia. Nach
dem bestandenen Examen im Jahre 1908 wurde er inaktiver Bursche. Der Militärdienst war damals obligatorisch und wünschenswert und Faß Waldhausen verbrachte
eine einjährige Dienstzeit beim Pionierbataillon Nr. 7 in Hannoversch Gemünden.
Danach heiratete er seine in Hagen kennengelernte Friedel.
Faß Waldhausen, dritter von
rechts stehend
Während der gesamten Zeit
war der Altherrenverband
unter seiner Führung aktiv
und hat zu keinem Zeitpunkt
weniger als 4 Alteherren treffen pro Jahr veranstaltet.
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Am 5.Juli 1912 wurde in Duisburg unter seiner Mitwirkung der Altherrenverband der
TV Schlaraffia gegründet, dessen Präside er wurde und bis 1958 behielt. Während der
gesamten Zeit war der Altherrenverband unter seiner Führung aktiv und hat zu keinem Zeitpunkt weniger als 4 Alteherrentreffen pro Jahr veranstaltet.
Den Ersten Weltkrieg von 1914 - 1918 machte Faß Waldhausen an den verschiedenen
Fronten mit und kam 1918 als Leutnant der Reserve wieder gesund nach Hause.
Beruflich fand er eine sichere Position als Betriebsleiter bei den Mannesmann Hüttenwerken Grillo Funke in Gelsenkirchen-Schalke. Dort war er bis zu seiner
Pensionierung tätig.
Am 20. Juli 1927 wurde Faß Waldhausen zum Ehrenpräsidenten des AHV ernannt
und widmete sich nach seiner Pensionierung im Jahr 1952 nur noch der Tätigkeit für
die TV Schlaraffia. Seine AH Berichte wurden von allen Bundesbrüdern gern gelesen
und immer mit Spannung erwartet. Sie berichteten über alle Ereignisse innerhalb
unseres Bundes und schlugen damit ein Band der Freundschaft über alle
Entfernungen hinw eg. Für den Wahlspruch „Ehre–Freundschaft–Vaterland“ hat Faß
Waldhausen 55 Jahre gearbeitet mit einer Hingabe, die wohl einmalig war. In seinen
letzten Jahren war er herzkrank und nur aus Gesundheitsrücksichten gab er beim
Generalkonvent am 8. Juni 1958 sein Amt als AH Präsident auf und übertrug diese
Aufgabe an Ewald Plate al. Pluto. Erich Waldhausen wurde am 23. September 1887
in Göttingen geboren und starb am 13. Januar 1961. Am Montag, den 16. Januar 1961
wurde er auf dem Rembergfriedhof in Hagen beigesetzt. Zur letzten Ehrbekundung
erschienen 53„Alte Herren“, davon 15 mit ihren Ehefrauen sowie die vier Chargierten
in Vollwix und die gesamte Aktivitas von damals 24 Burschen und Füchsen. Der
BDIC, dessen Mitbegründer Faß Waldhausen als Präside der Schlaraffia war, erschien
der Landessenior Führing. Die vier Ehrenburschen der Schwesterkorporation TV
Rheinwacht aus Köln waren anwesend sowie der Vorstand des Altherrenver-bandes
und einige Burschen. Im Restaurant Van de Weyer wurde im großen Restaurationssaal, unter Teilnahme der Schlaraffen vom Testamentsvollstrecker Herrn Rechtsanwalt Dr. Hopf aus Gelsenkirchen, der letzte Wille von Faß Waldhausen verlesen.
Erich Waldhausen
wurde am 23.
September 1887 in
Göttingen geboren und
starb am 13. Januar
1961
Um 15:00 Uhr fand im Kneiplokal Targan die Trauerkneipe statt. Der Erstchargierte
der Aktivitas Proton Alker schlug die Trauerkneipe um 15:00 Uhr an, nach dem
gemeinsamen Kantus „Vom hoh’n Olymp“ sprach dann AH Noah Rode einige Worte
des Gedenkens. AH Noah Rode war 52 Jahre lang bester Freund von Faß Waldhausen.
Es war üblich, daß auf der Trauerkneipe von der Korona 100 Glas Bier getrunken
wurden, während ein vollgefülltes Glas mit Trauerflor als letztes Glas vom
Erstchargierten zu Ehren des Verstorbenen geleert wurde. Als äußeres Zeichen für den
endgültigen Weggang aus der Gemeinschaft wurde das Glas am Boden zerschellt. Faß
Waldhausen ist einer der großen Schlaraffen und bleibt lange in deren Erinnerung.
Erich Waldhausen al. Fass
-35-
15. Januar 1921: Gründung des Hagener Seniorenkonvents
Der erste Zusammenschluß von Ko rp o rationen an Höheren Technischen
Lehranstalten oder Höheren Maschinenbauschulen erfolgte im Hagener
Seniorenconvent, der am 15. Januar 1921 gegründet wurde. Aus ihm ging der
Hohensyburgbund hervor. Dieser wurde am 18. Januar 1925 in Hagen in der
Weringhauser Bürgerhalle, der Konstanten der TV Schlaraffia, ins Leben gerufen. Die
Altherrenverbände und Aktiven Bünde reichten bis nach Hamburg, Berlin, Kiel und
Schlesien.
Die Altherrenverbände und
Aktiven Bünde reichten bis
nach Hamburg, Berlin, Kiel
und Schlesien.
-36-
Zur gleichen Zeit bestanden noch zwei größere Verbände, die die gleichen Ziele ver folgten, nämlich der Hohen Neufener Vertreterconvent und der Rolandsecker
Kartellverband. Der Zusammenschluß dieser drei Verbände erfolgte später am
9. August1930 im Roten Saal der Stadt Koblenz unter dem Namen „Ehrenbreitsteiner
Vertreterconvent“. Diesem Convent waren 50 Korporationen angeschlossen. Der
Ehrenbreitsteiner Vertreterconvent hat Ämter für Äußer es, R e ch t , Inneres,
Ortsphilisterien, Presse und Ämter für die Allgemeine Verwaltung. Die Organisation
des EVC wurde in Untergruppen gegliedert, die sich jeweils als Landesverband
bezeichnen. Der Landesverband Westfalen wurde am 5. August 1932 in
Ehrenbreitstein gegründet. Er umfaßt die Ortsringe Dortmund und Hagen. Es wurde
vereinbart, eine gemeinsame Kneipe nach Übereinkunft in jedem Semester zu schlagen. Der Vorsitz wechselt jährlich nach dem Alter der Korporationen. Der Vorsitz fing
mit der TV Schlaraffia an und wechselt dann zur TV Teutonia. Der Ortsring Hagen
bestand als solcher seit der Gründung des Hohensyburgbundes, also seit dem
18. Januar 1925. Dem Ortsring gehörten damals die folgenden Verbindungen an:
TV Schlaraffia, TV Teutonia, TV Normannia, TV Markomannia.
Verbände und Verbindungen an der Maschinenbauschule in Hagen:
Besucherausschuß: Farben schwarz-weiß-grün
TV Schlaraffia: Farben schwarz-silber-grün
Gründung: 24. Juni 1899
Saxo Rhenania: Farben rot-weiß-grün
Gründung: 6. November 1899
TV Markomannia: Farben schwarz-rot-silber
Gründung: 9. November 1900
Musikverein: Farben schwarz-weiß-grün
Gründung: 21. Februar 1901
TV Saxo Borussia: Farben schwarz-weiß-gold
Gründung: 14. April 1906
TV Teutonia: Farben schwarz-gold-blau
Gründung: 15. Juli 1910
TV Normannia: Farben schwarz-gold-rot
Gründung :11. November 1911
TWV Cheruskia: Farben rot-grün-gold
Gründung: 2. Oktober 1920
Verein der Freunde: Farbe schwarz-weiß-grün
Gründung: 16. Juni 1925
-37-
1. Mai 1921:
Erstes Faß Friedensbier nach dem Ersten Weltkrieg
Es wurden auch wieder
Kneipen geschlagen wie in
alten Zeiten.
Schon 1919 kamen viele Schlaraffen zurück aus dem Krieg und neue aus der Aktivitas
hinzu, so daß sofort das Verbindungsleben wieder aufgenommen werden konnte.
Obwohl die zurückkehrenden Kriegsteilnehmer als Offiziere oder Unteroffiziere
gekämpft hatten, fügten sie sich dem strengen studentischen Comment. Es wurden
auch wieder Kneipen geschlagen wie in alten Zeiten. Allerdings war das Bier sehr
dünn und mußte durch Schnaps aufgewertet werden. Das erste Faß Starkbier oder
auch Friedensbier genannt wurde am 1. Mai 1921 von den Schlaraffen auf der Maifeier am Bismarckturm angestochen. Es war ein besonderes Ereignis.
1922: Erster Vollwix
Im Jahr 1922 kam die
Aktivitas als einzige
Verbindung in Hagen zu
ihrem ersten Vollwix und zu
ihren Kneipjacken.
Die Inflation war unaufhaltsam und beeinflußte natürlich auch das Verbindungsleben.
Finanziell besser gestellte „Alte Herren“ unterstützten die Aktivitas in dankenswerter
Weise, so daß immer wieder feucht fröhliche Kneipen geschlagen werden konnten.
Im Jahr 1922 kam die Aktivitas als einzige Verbindung in Hagen zu ihrem ersten
Vollwix und zu ihren Kneipjacken. Karl Wolf al. Toyd ( 19. Oktober 1889 - 10. Juni
1938) hatte 20 holländische Gulden gestiftet. Nachdem zuerst davon eine
Freibierkneipe für 23 Aktive geschlagen wurde, waren lediglich 1,53 Gulden ausgegeben. (Es wurde Volltrunkenheit registriert.)
Von einem Teil der Gulden kauften die Erstchargierten in der Krefelder Husarenkaserne 25 Tanzhusarenuniformen in der Farbe grün mit weißer Verschnürung. Für
die Chargierten kaufte man Offiziersuniformen in grün mit silberner Verschnürung.
Die so gekleidete Aktivitas genoß in Hagen großes Ansehen.
-38-
Aber sonst war das Leben hart für die meisten Aktiven. Morgens mußte man zur
Schule, nachmittags gingen alle zur Arbeit als Schlosser, Elektriker, Dreher, in
Fab ri ken und bei der Reichsbahn, um das Geld für das Studium und den
Lebensunterhalt zu verdienen. Ferien konnte sich kaum einer leisten.
11. Januar 1923: Die Franzosen besetzen das Ruhrgebiet
Eine vom Reichspräsidenten für den 12. Januar angeordnete nationale Feier fand erst
am 15. Januar statt und endete in einer allgemeinen Arbeitsruhe als Zeichen des
Einspruchs gegen die Gewaltpolitik. In einer offenen Kundgebung protestierten die
Hagener Bürger.
Am 13. März kam es zwischen Schwerter Straße und Ecke Seyerstr. zwischen
Franzosen und auf die Straße laufenden Arbeitern zu Konflikten. Die Fabriksirenen
heulten. Die französischen Soldaten fühlten sich bedroht, gaben einige Schüsse ab
und töteten einen Handwerker. Trotz dieser Unruhen und Unannehmlichkeiten blühte das Studenten leben. Die Schlaraffia verzeichnete jedes Jahr den Zuwachs von mindestens fünf Füchsen. Offensichtlich war es leichter für die Verbindung aufgrund ihrer
guten Kontakte, ausreichend Lebensmittel und vor allen Dingen das recht dünn
gewordene aber notwendige Bier zu beschaffen.
Die Schlaraffia verzeichnete
jedes Jahr den Zuwachs von
mindestens fünf Füchsen.
August 1923
Es wurde immer schwerer, der Lebenslust der Studenten durch ausreichende Mengen
„Stoff“ gerecht zu werden. Die Stadt Hagen wurde zum ersten Mal gezwungen,
Notgeld zu drucken und zwar in Scheinen von 500.000.RM (Reichsmark), 1 und 2
Mio. RM. Das Geld wurde von der Sparkasse ausgegeben. Als dann Ende August im
Laufe weniger Tage sich der Kursstand verdoppelte und nun die doppelte Menge
Zahlmittel erforderlich war, traten die ersten größeren Schwierigkeiten auf. Auch die
Reichsbank konnte die für den Geschäftsverkehr erforderlichen Zahlmittel nicht
beschaffen. Arbeiter konnten nicht mehr bezahlt werden und erhielten als Lohn
Zahlungsanweisungen. Zur Verhütung von Hungersnot und zur Vermeidung von
Plünderungen gab die Stadt Hagen am 29. 0ktober etwa 50 Billionen ungedecktes
Notgeld raus. Ab dem 1. November sank der Wert der Mark in immer gewaltigeren
Sprüngen. Es mußten täglich neue Geldscheine gedruckt werden. Ein am 3.
November ausgegebener Schein über 100 Milliarden RM hatte am 20. November nur
noch einen Wert von 10 Pfennig. Man versuchte die Mark zu stabilisieren bei einem
Kurs von 4,2 Millionen für einen Dollar. Die Rentenmark wurde eingeführt. Die
Es mußten täglich neue
Geldscheine gedruckt wer den.
-39-
Schlaraffia veranstaltete am 2. Juni 1923 ihre Fuchsentaufe und wuchs abermals um
4 Mitglieder. Das 24. Stiftungsfest wurde am 30. Mai wie gewohnt, trotz der finanziellen Schwierigkeiten, gefeiert.
1923
Fritz Heyng al. Loky größter Arbeitgeber für die Aktivitas
In mehreren Semestern
ermöglichte Loky Heyng der
gesamten Aktivitas während
der Ferien eine Arbeit auf
der Zeche „Graf Schwerin“
anzunehmen.
Loky Heyng wurde am 02. Oktober 1894 geboren und studierte in Hagen in den
Jahren 1912 - 1915. Nach seinem Examen fand er eine Anstellung auf der Zeche
„Graf Schwerin“, deren Direktor er später wurde. In mehreren Semestern ermöglichte Loky Heyng der gesamten Aktivitas während der Ferien eine Arbeit auf der Zeche
„Graf Schwerin“ anzunehmen.
Besichtigung bei Loky Heyng
1927 (Zeche Lothringen in
Bochum-Gerthe)
-40-
Zu den wirtschaftlichen Sorgen der Aktiven kamen die politischen Unruhen hinzu,
französische Soldaten befanden sich im Ruhrgebiet. Das Hauptprodukt der Zeche
Schwerin war Koks für die Stahlwerke. Davon benötigten die Franzosen viel und
schafften den Koks aus dem Ruhrgebiet zugweise nach Frankreich. Loky Heyng galt
Zeit seines Lebens als Patriot und veranlaßte so die ebenfalls patriotisch denkenden
Studenten zu Sabotageakten, die dazu führten, daß immer wieder ein Kokszug in
Richtung Frankreich zu entgleisen hatte. Als besonderes Verdienst rechnete sich die
Aktivitas einen umgestürzten Waggon an.
Als besonderes Verdienst
rechnete sich die Aktivitas
einen umgestürzten Waggon
an.
Die Verbindungen generell, aber auch die TV Schlaraffia, galten als vaterländische
Verbände und lieferten sich bisweilen Saalschlachten mit Spartakisten und
Kommunisten.
1924: Die Normalität kehrt zurück
Im Jahr 1924 begann sich das Leben wieder zu normalisieren. Das traf auch für das
Verbindungsleben zu. Die Verbindungen waren populär und es war einfach,
Nachwuchs für die Aktivitas zu keilen. In der gesamten Zeit von 1924 - 1935 war der
Bestand der Aktivitas nie kleiner als 20 Burschen und Füchse. Positiv für die
Entwicklung war die Tatsache, daß die strengen Verbote für Verbindungen ständig
gelockert wurden. An der Hagener Maschinenbauschule bestand keine Gefahr mehr
für farbentragende Studenten.
In der gesamten Zeit von
1924 - 1935 war der
Bestand der Aktivitas nie
kleiner als 20 Burschen und
Füchse.
1926
Die Aktiven genossen mit Stolz ihr Ansehen. Das zeigt das Foto der Chargierten vom
Sommersemester 1926. Auf den Kneipen, den Vortragsabenden und Diskussionsveranstaltungen herrschte ausgelassene Stimmung, da alle Bereiche für den Studenten
absolute Normalität erreicht hatten. Die Krawalle und die Auseinandersetzungen mit
dem Spartakus und den Kommunisten waren vorbei.
Das Verhältnis zu der Schulleitung und den Professoren war entspannt, da die farbentragenden Studenten voll akzeptiert wurden. Auch wenn die Arbeitslosigkeit sehr
hoch und das durchschnittliche Einkommen gering waren, bestand kein Mangel.
Politisch waren die Gedanken an den ernsten Kampf fürsVaterland einer lockeren und
zynischen Betrachtungsweise der sch wa chen Regierung gewichen. Die
Das Verhältnis zu der
Schulleitung und den
Professoren war entspannt,
da die farbentragenden
Studenten voll akzeptiert
wurden.
-41-
Wissenvermittlung an der Maschinenbauschule hatte absoluten schulischen
Charakter. Die Anforderungen waren für
alle Studenten ohne allzu große
Probleme zu bewältigen.
1928: Hagen wird Großstadt
Der Altherrenverband traf
sich regelmäßig in
Gelsenkirchen, Bochum,
Essen, Dortmund und
Hagen.
Die Weihnachtskneipen fan den in Essen statt und wur den vom Altherrenverband
der TV Schlaraffia veranstal tet.
-42-
Trotz Inflation und weltweiter Wirtschaftskrise kann man die Entwicklung
der TV Schlaraffia, die Entwicklung der
Hagener Ingenieurschule und die Entwicklung der Stadt Hagen als normal
bezeichnen. Der Altherrenverband traf
sich regelmäßig in Gelsenkirchen,
Bochum, Essen, Dortmund und Hagen.
Nach wie vor gab es mindestens vier bis
sechs Treffen der Alten Herren pro Jahr.
Die Aktivitas traf sich wöchentlich bei
verschiedenen Kneipen. Die studentischen Freuden wurden ausgiebig genossen. Es fanden offizielle Kneipen und
Vortragskneipen in der Konstanten in
Hagen statt.
Hermann Schroer al. Loky xx,
Gottfried Wollweber al. Zack x,
Heinz Fritzen al. Friedel FM)
Die ausgelassene Lebensfreude machte die Bunkenkneipen wieder populär.
Gemeinsame Spaziergänge, Stadtgartenbummel und Exkursionen gehörten zum
Alltag. Einmal im Jahr wurde ausgelassen Karneval gefeiert. Aus den hochoffiziellen
Weihnachtskneipen wurde später das Nikolausfest. Die Weihnachtskneipen fanden in
Essen statt und wurden vom Altherrenverband der TV Schlaraffia veranstaltet. Zu
dem Kruppschen Besitz gehörte das Restaurant Kaupenhöhe. Alle Nikolausfeiern
wurden dort gefeiert, bis die Kaupenhöhe beim Bombenangriff auf Essen zerstört und
nicht wieder aufgebaut wurde.
Die Stiftungsfeste wurden ausgelassen und ausgiebig gefeiert. Das zeigt ein Foto des
27. Stiftungsfestes vom 3. Tag, aufgenommen am 25.Mai 1926.
1929
Im Sommersemester 1929 ist Herbert Niehaus al. Bobby Erstchargierter. Er genießt
das Studentenleben in vollen Zügen, setzt sich aber ebenso vehement für die Belange
der Schlaraffia ein. Unter seiner Speerführung gehört auch der später so berühmt
gewordene Teja Wiese zum Burschensalon.
Er genießt das
Studentenleben in vollen
Zügen, setzt sich aber eben so vehement für die Belange
der Schlaraffia ein.
Die Fuchsenstunden werden ernst genommen und dienen in erster Linie der
Einführung in das studentische Leben und das Farbenstudententum.
Der Haupteingang der Staatlichen Maschinenbauschule befindet sich am Volmeufer.
Die Söhne von wohlhabenden Eltern können schon mit dem noch seltenen Auto vorfahren.
-43-
Das Studium ist wie alles in der damaligen Zeit genau geregelt und jeder hat sich nach
den gegebenen Vorschriften zu verhalten. Nach alter preussischer Sitte herrscht in der
Schule Zucht und Ordnung. Das zeigen die Fotos der Studenten in den Hörsälen. Die
Hörsäle glichen mehr den Klassenzimmern wie im Heinz-Rühmann-Film: „Die
Feuerzangenbowle“ dargestellt.
-44-
Füxe: Taps Schulte etc., Burschen: Bobby Niehaus, Teja Wiese etc.
Heinrich Kettler al. Jumbo im Hörsaal
Minus Kaiser und Öhm Feldhaus zum Start ins 1. Semester 1929
Heinrich Kettler Reichsgesundheitswoche
1930
Das 31. Stiftungsfest wurde in der geliebten Koncordia Hagen im Goldenen Saal
gefeiert. Auch die Koncordia wurde während des Krieges zerstört und nicht wieder
aufgebaut.
-45-
15.September 1930:
Reichstagswahlen, der Nationalsozialismus
und die TV Schlaraffia
Es kann als sicher ange nommen werden, daß die
Hagener Studenten, die
Kommilitonen der TV
Schlaraffia und auch die
Mitglieder des Altherren verbandes keine aktiven
Befürworter des National sozialismus waren.
-46-
Schon 1919 war auch in Hagen eine Ortsgruppe des Deutsch Völkischen Schutz- und
Trutzbundes entstanden. Der Gründer war der Zivilingenieur Hugo Wachenfeld, ein
vom Offizierscorps und studentischer Korporation geprägter Mann. Am 1. März 1922
wurde in Hagen eine Ortsgruppe der NSDAP gegründet. Wachenfeld gewann in der
Folgezeit großes Vertrauen bei Hitler und erhielt von ihm die Bestätigung am 6. März
1922 zur Übernahme der Ortsgruppe Hagen in die NSDAP. Obwohl diese Partei in
Preußen verboten wurde, erhielt 1924 der Völkische Block einen Sitz im
Stadtparlament. Der Völkische Block war ideologisch identisch mit der NSDAP. Die
beiden extremen Gruppierungen, die Kommunisten und die NSDAP lieferten sich
beim Zusammentreffen Auseinandersetzungen, die häufig in Schlägereien endeten.
Bei den Reichstagswahlen am 15. September 1930 gingen die beiden stärksten
Kontrahenten, nämlich die Kommunisten und Nationalsozialisten als Sieger hervor.
SPD und Zentrum erhielten zusammen ca. 26.000 Stimmen, während Kommunisten
und Nationalsozialisten über 40.000 Stimmen erhielten. Bei den nächsten Wahlen am
10. April 1932 erhielten die Nationalsozialisten in Hagen bereits 31,29 % der
Stimmen. In der Zeit der Entstehung des Nationalsozialismus waren die konservativen Parteien, wie das Zentrum, aber auch die SPD, nahezu farblos und konnten relativ wenig Begeisterung hervorrufen. Die Auseinandersetzungen fanden ausschließlich
zwischen Kommunisten und Nazis statt. Es kann als sicher angenommen werden, daß
die Hagener Studenten, die Kommilitonen der TV Schlaraffia und auch die Mitglieder
des Altherrenverbandes keine aktiven Befürworter des Nationalsozialismus waren.
Der Straßenterror und die Schlägereien entsprachen nicht den damaligen Idealen der
Korporierten. Als oberstes Ziel wurden die Ideale der Burschenschaften und Corps
verfolgt, die vor allem hohe Anforderungen an die eigene Persönlichkeit stellten, das
konnte nicht in Übereinstimmung mit der Handlungsweise der Nazis gebracht werden.
Die Machtübernahme erfolgte am 30. Januar 1933. Dieser Tag verlief in Hagen sehr
ruhig. Am 12. März 1933 wurde auch in Hagen neu gewählt, die Stadt-
verordnetenversammlung setzte sich wie folgt zusammen. Von den 53 Sitzen gewannen die Nationalsozialisten 21, das Zentrum 11, die Kommunisten 9, die
Sozialdemokraten 6, die Kampffront Schwarz-Weiß-Rot 4 und der Evangelische
Volksdienst 2. Die Nationalsozialisten ergriffen im Hagener Rathaus die Macht über
ein Bündnis mit der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot.
Langsam änderte sich die Einstellung der Ingenieure zu den jetzigen Machthabern.
International stieß der Kommunismus weitgehend auf Ablehnung und die Demokratie
englischer und amerikanischer Prägung galt als wenig attraktiv. Hingegen erlebte
Deutschland unter den Nazis wirtschaftlich einen rasanten Aufstieg. Die
Arbeitslosigkeit wurde nahezu vollständig beseitigt, der Wohlstand der Bevölkerung
stieg schnell, so daß die Machthaber sich großer Sympathien und Beliebtheit erfreuen konnten.
In der Folgezeit gilt als sicher, daß auch aus der Schlaraffia eine große Anzahl mit
den Nationalsozialisten sympathisierten, wie es übrigens im damaligen Deutschen
Reich üblich war. Der amerikanische Historik-Schriftsteller John Lukacs beschreibt
in seinem Buch „The Eighty-Day Struggle between Churchill and Hitler“ 1991
erschienen im Ticknor and Fields Verlag, NewYork, die internationale Situation sehr
deutlich.
In der Folgezeit gilt als
sicher, daß auch aus der
Schlaraffia eine große
Anzahl mit den
Nationalsozialisten sympa thisierten, wie es übrigens
im damaligen Deutschen
Reich üblich war
1933-1940: Demokratie – Kommunismus – Nationalismus
Aus dem Buch von John Lukacs zitieren wir:
„Die bestimmende historische Kraft des zwanzigsten Jahrhunderts ist der
Nationalismus. Dies zu ignorieren bis zu einem Punkt, an dem es für eine Korrektur fast - zu spät war, war der fatale, zumindest ans Fatale grenzende Irrtum von
Kommunismus und Demokratie gleichermaßen. Der größte und mächtigste Apostel
dieser modernen Form des Nationalismus war Adolf Hitler. Aber er stand keineswegs
allein. Er war nur die - im wörtlichen, nicht wertenden Sinn gemeinte hervorragen de Verkörperung einer historischen Bewegung, die mindestens zwanzig oder fünfund zwanzig Jahre lang in immer neuen Formen die ganze Welt erfaßte. Etwa zwischen
1920 und 1945, jenem Vierteljahrhundert also, in das Hitlers (nicht allerdings
-47-
Churchills) politische Karriere fiel, war die Weltgeschichte (also nicht nur die europäische Geschichte) von der Auseinandersetzung dreier Kräfte beherrscht.
Wie wir wissen - und gele gentlich vergessen -, hat es
schließlich der vereinten
Kräfte der in vieler Hinsicht
ungewöhnlichen und kurzle bigen Allianz
Großbritanniens, der
Vereinigten Staaten von
Amerika und Sowjetrußlands
bedurft, um Deutschland zu
besiegen.
-48-
Da war zum einen der damals allein durch Sowjetrußland verkörperte Kommunismus.
Zum anderen gab es die Demokratie - die parlamentarische und liberale Demokratie,
die in den englischsprachigen und den west- und nordeuropäischen Nationen ihr
Zuhause hatte. Und schließlich war da jene neue historische Kraft, die unzutreffend mit
„Faschismus“ bezeichnet wurde. Mussolinis Diktatur in Italien war die erste nationale
Erscheinungsform dieser Bewegung, aber ihre Anziehungskraft wurde sehr bald über troffen von Hitlers Drittem Reich, einem nationalsozialistischen Staat, der gemeinhin
als die eigentliche Verkörperung dieser dritten Kraft bis zu seiner endgültigen
Niederlage im Jahre 1945 galt. In jenem Jahr 1940 nun - und schon einige Jahre zuvor
und noch einige Jahre danach - war der Nationalsozialismus die mächtigste dieser drei
historischen Kräfte. Wie wir wissen - und gelegentlich vergessen -, hat es schließlich der
vereinten Kräfte der in vieler Hinsicht ungewöhnlichen und kurzlebigen Allianz
Großbritanniens, der Vereinigten Staaten von Amerika und Sowjetrußlands bedurft, um
Deutschland zu besiegen. Keinem dieser Staaten allein - nicht einmal einer Allianz aus
nur zweien dieser drei Staaten und auch nicht der ungeheuren Materialkraft der Briten
und Amerikaner - wäre der Sieg gelungen. Das ist nicht nur auf die Kampfkraft, die
Organisation und die Disziplin der deutschen Streitkräfte zurückzuführen, wenngleich
diese sicherlich ihren Teil dazu beigetragen haben. Entscheidender war wohl die Kraft
der Idee, die Hitler verkörperte. Deshalb ist es nicht nur historisch unkorrekt, sondern
auch gefährlich, Hitler und den Hitlerismus lediglich als ein flüchtig-kurioses
Zwischenspiel in der Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts zu betrachten, als den
kurzen Aufstieg und Fall eines Verrückten.
Trotz seiner internationalen Ambitionen und seiner Propaganda hatte der
Kommunismus die Grenzen der Sowejtunion nicht sehr weit überschritten. Lenin war
davon überzeugt, daß die kommunistische Machtübernahme 1917 in Rußland nur ein
glücklicher Zufall war und daß die Ereignisse dort sich sehr bald auch in vielen ande ren europäischen und asiatischen Ländern (zuallererst wie Lenin glaubte, in
Deutschland) wiederholen würden. Diese Erwartung blieb unerfüllt. Der
Kommunismus ist die einzige große Bewegung der Geschichte , der es nicht gelang,
ihren Machtbereich wesentlich über die Grenzen seines Ursprunglandes auszudehnen
- jedenfalls nicht vor Ende des Zweiten Weltkrieg. Man vergleiche nur einmal die
Wirkung, die in kürzester Zeit von der amerikanischen und der französischen
Revolution auf zahllose andere Länder ausstrahlte, und zwar sehr oft ohne militäri sche Unterstützung durch Amerika oder Frankreich.
Auch während der zwanziger und besonders der dreißger Jahre verlor neben dem
Kommunismus auch die Demokratie an Faszinationskraft. Kurz nach 1918 hatte es so
ausgesehen, als führe der Sieg der westlichen demokratischen Länder im Ersten
Weltkrieg zwangsläufig zur Einrichtung einer liberalen parlamentarischen
Demokratie in den meisten Ländern der Welt, besonders Europas. Dieser Eindruck
hielt nicht lange vor. In den zwanzig Jahren vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieg ver sagte die liberale parlamentarische Demokratie und wurde von vielen Völkern aufeg geben: von Italien, der Türkei, Portugal, Spanien, Bulgarien, Griechenland,
Rumänien, Jugoslawien, Ungarn, Albanien, Polen, Estland, Litauen, Österreich,
Deutschland nicht zu reden von Japan, China und mittel- und südamerikanischen
Ländern Diese Veränderungen wurden nicht durch äußeren Druck hervorgerufen. Es
waren spontane Entwicklungen. 1930, also schon drei Jahre vor Hitlers
Machtergreifung in Deutschland, sah es so aus, als sei die Einrichtung autoritärer
Diktaturen weltweit die natürliche Antwort auf das Versagen der parlamentarischen
und kapitalistischen Demokratie. Wie wir noch sehen werden, erschien selbst
Churchhill eine solche Interpretation nicht abwegig. Diese Diktaturen hatten in jedem
Land einen anderen Zuschnitt. Die wenigsten von ihnen waren „totalitär“ in dem
Sinn, in dem wir den Begriff heute gebrauchen. Einige von ihnen leisteten Hitler
Widerstand. Aber im großen und ganzen befand sich die Demokratie auf dem
Rückzug. Sie erweckte den Eindruck, als seien ihre Institutionen und Ideen erlahmt
und abgenutzt. Die politische Landkarte Europas war ein Spiegelbild dieser
Entwicklung. Während sich in West- und Nordeuropa die parlamentarische
Demokratie weiterhin behauptete, war sie in Mittel-, Süd- und Osteuropa nationali stische Diktaturen gewichen. Und im fernen Osten des Kontinents, durch einen eiser nen Vorhang vom übrigen Europa abgetrennt, moderte der dunkle, einsame Gigant,
das kommunistische Rußland vor sich hin.
Eine weitere, wesentlichere Veränderung war eingetreten. Zur Zeit des Ersten
Weltkriegs war es ganz normal und durchaus sinnvoll, von „Deutschland“,
Aber im großen und ganzen
befand sich die Demokratie
auf dem Rückzug. Sie
erweckte den Eindruck, als
seien ihre Institutionen und
Ideen erlahmt und abge nutzt.
-49-
Es gab durchaus Personen oft genug eine ansehnliche
Minderheit-, die ihre
Regierung und deren
Kriegspolitik nicht nur aus
pazifistischen, sondern aus
politischen und ideologi schen Gründen bekämpften:
„Frankreich“, „Großbritannien“ als Kriegsparteien zu sprechen. Die unterschiedli chen Verfassungen und Regierungsformen dieser Länder waren zweitrangig. Als 1939
der Zweite Weltkrieg ausbrach, handelte es sich erneut um einen Krieg zwischen ver schiedenen Nationen, in den Deutschland, Polen, Frankreich und Großbritannien ver wickelt waren. Aber jeder wußte, daß es daneben um mehr ging. Das Deutschland des
Jahres 1939 war nicht mit dem Deutschland des Jahres 1914 zu vergleichen, und nicht
etwa nur des halb, weil Adolf Hitler nicht mit Wilhelm II zu vergleichen war. Das neue
Deutschland war ein nationalsozialistisches Deutschland geworden, ein Drittes
Reich, die Verkörperung einer Ideologie, die ein wesentliches, vielleicht das wesent liche Merkmal seines damaligen Charakters und seines Verhaltens ausmachte.
Und noch eine, nicht minder wichtige Veränderung gab es. In jedem Krieg, den die
Menschheit bis dahin führte, hatte es in jedem Reich und in jeder Nation Menschen
gegeben, die gegen den jeweiligen Krieg und folglich gegen ihre eigene Regierung
waren. Aber 1914 gab es nur sehr wenige, die einen Sieg des Feindes herbeiwünsch ten oder ihn gar betrieben. Selbst Lenin, der den Zusammenbruch der zaristischen
Regierung Rußlands herbei sehnte, wollte Deutschland nicht als Sieger sehen. Er
erhielt deutsche Hilfe und deutsche Gelder, aber er war kein deutscher Agent.
-50-
1940 hingegen war dies anders. Es gab durchaus Personen - oft genug eine ansehn liche Minderheit-, die ihre Regierung und deren Kriegspolitik nicht nur aus pazifisti schen, sondern aus politischen und ideologischen Gründen bekämpften; und das war
oft gleichbedeutend mit einer Nähe zum politischen und ideologischen System des
Feindes. In Deutschland gab es eine Gruppe aufrechter Männer und Frauen, die zwar
klein war, aber deren Rolle einen Platz in unseren Geschichtsbüchern verdient. Sie
hofften auf Hitlers Sturz, wenn es nötig wäre, auch durch die militärische Niederlage
des Dritten Reiches. In fast jedem Land der Welt bildeten sich kommunistische
Gruppierungen, welche ohne den geringsten nationalen Loyalitätsskrupel bestrebt
waren, der Macht Sowjetrußlands zu dienen. Und in fast jedem Land, auch in den
demokratischen Ländern des Westens, fanden sich Kriegsgegner, die nicht nur gegen
diesen Krieg mit dem Dritten Reich opponierten, sondern deren Opposition untrenn bar mit einer Verachtung der demokratischen Politik und Regierung ihres Landes ver bunden war und mit Bewunderung für das, was Hitlers Ordnung zu verkörpern schi en, einherging. In allen von Hitler erorberten Ländern, in der Tschechoslowakei, in
Dänemark, Norwegen, Holland und Belgien, gab es „Kollaborateure“, die die deut sche Übermacht bereitwillig akzeptierten und sich auf diese Weise Einfluß und Macht
sichern wollten. Oftmals waren ihre Interessen von einer Bewunderung für
Hitlerdeutschland getragen, das, wie sie glaubten, den Krieg nicht nur gewinnen
würde, sondern den Sieg auch verdiente, so wie ihre ehemaligen liberalen und demo kratischen Regierungen die Niederlage verdient hatten. In Frankreich gab es zwar nur
wenige überzeugte Sympathisanten der Nazis; aber es gab doch zahlreiche Männer
und Frauen, deren Verachtung für das in ihren Augen korrupte und handlungsunfähi ge Regierungs- und Gesellschaftssystem zwangsläufig in eine Ablehnung der militäri schen Allianz mit Großbritannien mündete. Selbst in den Vereinigten Staaten wurde
der weitverbreitete und politisch maßgebliche „lsolationsgedanke“ selten konsequent
vertreten.
Selbst in den Vereinigten
Staaten wurde der weitver breitete und politisch
maßgebliche „lsolationsge danke“ selten konsequent
vertreten.
Die meisten Isolationisten waren erbitterte Gegner der Roosevelt Regierung, nicht
grundsätzlich gegen Rüstung, Militär und das amerikanische Imperium eingestellt.
Sie wollten nur diesen Krieg der veralteten und korrupten französischen und briti schen Mächte gegen Deutschland nicht, in den Roosevelt und andere offenbar auf der
Seite Englands und Frankreichs eintreten wollten. Oft führte ein ausgeprägter
Antikommunismus zu dieser Haltung.
Die komplizierte Psychologie des Antikommunismus hat bis heute noch nicht die
Aufmerksamkeit gefunden, die sie verdient. Die meisten von denen, die den Krieg
gegen Hitler nicht wollten, zählten nicht unbedingt zu den Sympathisanten des HitlerRegimes. Aber sie waren davon überzeugt - oder hatten sich vielmehr eingeredet-, daß
die große Gefahr, die ihrer Nation und der ganzen Welt drohte, vom Kommunismus
ausging (und damit von Sowjetrußland und nicht vom nationalsozialistischen
Deutschland); und schließlich war doch Hitler ein Antikommunist. Daß es ähnliche
denkende einflußreiche Personen in Großbritannien gab, war Churchill und seinen
Anhängern bewußt. Sie stellten einen lästigen, aber keineswegs unbedeutenden
Faktor dar. Welche Achtung die Persönlichkeit Hitlers seinen Gegnern auch immer
abverlangte - und ein gewisser Respekt erwuchs ihm angesichts der langen Liste sei ner erstaunlichen Erfolge nahezu zwangsläufig -, außerhalb der deutschen Länder
fand er wenig Begeisterung oder gar Zuneigung. Selbst diejenigen, die sich seiner
Sache voll und ganz verschrieben hatten, spürten die scharfe, unbarmherzige Kälte
-51-
seines Vorgehens. Dieser Mann strahlte keine Wärme aus. In seiner Kälte lag etwas
Unmenschliches, sie war anders als die machiavellistische Kälte eines Napoleon. Bei
aller Lobhudelei, die ihm in den deutschsprachigen Ländern millionenfach zuteil
wurde, war er doch ein sehr einsamer Mann.
17. Januar 1931: Verbrüderung der TV Schlaraffia mit der TV Rheinwacht zu Köln
Wie die TV Schlaraffia
hat auch die TV
Rheinwacht ihr
selbstverfaßtes
Farbenlied.
In der Brauerei Weiden zu Köln findet am 21. Juni 1921 die Gründungsversammlung
der TV Rheinwacht statt. Die Gründungsburschen wählen die Farben grün-weiß-gold
und den Wahlspruch „Ans Vaterland, ans Teuere, schließ Dich an.“
Wie die TV Schlaraffia hat auch die TV Rheinwacht ihr selbstverfaßtes Farbenlied.
Wir bleiben treu und halten hoch in Ehren,
Der Rheinwacht Farben grün und weiß und gold,
Sind stets bemüht, die Einigkeit zum mehren,
In wahrer Freundschaft bis zu unserem Tod.
Und wenn des Lebens Wogen,
Und Stürme uns umtoben,
In unseren Mahnruf stimmet alle ein:
Ein einig Volk von Brüdern laßt uns sein.
Die TV Rheinwacht ist ein Männerbund und basiert auf dem Lebensbundprinzip,
deshalb wird das Burschenehrenwort ernst genommen.
Ich verspreche und gelobe feierlich aus freien Willen
Allzeit treu zu unserem TV Rheinwacht zu stehen.
Ihre Farben hoch zu halten und in Ehren zu tragen.
Jedem Bundesbruder will ich nach Kräften helfen
und nützen in allen Dingen
Ich will in der Not nicht verzagen
Sondern offen zu meinen Bundesbrüdern sein
Ich will mein Bestes tun, daß mein Leben vor den Menschen
Der TV Rheinwacht zur Ehre gereicht.
Ich gelobe es.
-52-
Die Aktiven der Schlaraffia und auch die „Alten Herren“ lebten nicht isoliert, sondern unterhielten zu vielen Verbindungen sehr enge Kontakte. So auch zur TV Rheinwacht. Vor allen in den Personen Tilly Hirschmann und Faß Waldhausen. Die enge
Verbindung wurde auf einer feierlichen Kneipe in Köln mit der Verbrüderung dokumentiert. Wechselweise wurden Kneipen in Köln und in Hagen geschlagen. Auf
Stiftungsfesten besuchten sich natürlich die Chargierten, aber auch zahlreiche
Bundesbrüder. Es ist immer ein farbenfrohes Bild, wenn die Chargen im Vollwix und
mit Banner einmarschieren und sich hinter dem Präsidium der feiernden Verbindung
aufstellen.
Wechselweise wurden
Kneipen in Köln und in
Hagen geschlagen.
Vor 1945 waren folgende Schlaraffen Ehrenburschen bei der TV Rheinwacht. Erich
Waldhausen al. Faß, Ewald Plate al. Pluto und Helmut Flemming al. Utti. Im
Gegenzug waren Karl Peter Hirschmann al. Tilly und Hugo Lemmer al. Bubi
Ehrenburschen bei der TV Schlaraffia.
Während der Kriegsjahre wurden die gemeinsamen Aktivitäten eingeschränkt, da
beide Verbindungen keine Aktivitas unterhalten konnten, da bereits 1935 die
Verbindungen durch das Naziregime verboten wurden. Auf privater Ebene hielten
jedoch einige „Alte Herren“ Kontakt miteinander.
Zum 52. Stiftungsfest, das am 30. Juni 51 im Rosengarten in Hagen Selbecke gefeiert wurde, war bereits wieder eine Abordnung der Rheinwacht vertreten. Eine Woche
vorher, am 23. Juni .51, trafen sich Vertreter der Rheinwacht mit dem AH Vorsitzenden Faß Waldhausen sowie Hecht Jüsten und Bobby Niehaus sowie dem Aktiven
Senior Aga Mielke in Ehrenbreitstein und gründeten dort mit weiteren 70 Korporationen den Bund „Deutscher Ingenieurkorporationen BDIC“.
In den fünfziger Jahren wurde in jedem Semester jeweils eine Kneipe in Köln und
dann in Hagen geschlagen. Alle Kneipen begannen mit dem Chargeneinmarsch in
Vollwix und mit Banner. Der hochoffizielle Teil wurde stets feierlich veranstaltet mit
Deutschlandlied und Farbencantus. Bei der Hochzeit unseres AH Faß Rohe im Kölner
Dom stellten die Chargierten beider Verbindungen den farbenfrohen Rahmen und
chargierten beim Austritt aus der Kirche. In 1958 veranstalten beide Aktivitäten
gemeinsam eine hochoffizielle Kneipe mit Landesvater bei der TV Rheinwacht in
In den fünfziger Jahren
wurde in jedem Semester
jeweils eine Kneipe in Köln
und dann in Hagen geschla gen
-53-
Köln. In dieser Zeit hat für alle Studenten das Verbindungsleben einen sehr hohen
Stellenwert. Die Erneuerung des Burscheneides wurde mit Überzeugung vorgenommen.
Friedhelm Disselhoff al.
Seppl x, Reinhard Zeppen feld al. Schrat xx mit den
Chargen der TV Rhein wacht auf der Gemein schaftskneipe in Hagen
am 10. Oktober 58
Die Chargen der TV
Reinwacht und der TV
Schlaraffia chargieren
bei der Hochzeit von A.
H. Faß Rohe
-54-
Mitte der 60er Jahre ließen die gemeinsamen Aktivitäten nach, da die TV Rheinwacht
zu diesem Zeitpunkt nicht mehr über eine ausreichend starke Aktivitas verfügte. Am
13. Juni 1970 mußte auf dem G.C. die Aktivitas suspendiert werden.
Erst 1984 reaktivierte sich die TV Rheinwacht und der Kontakt wurde damals durch
den AH Präsiden AH Bültmann al. Faust und den in Köln wohnenden Bundesbruder
Rüdiger Schewel al. Humanus wieder aufgenommen. Beide wurden Ehrenburschen
der TV Rheinwacht. Eine starke Schlaraffenabordnung nahm am 75. Stiftungsfest der
TV Rheinwacht am 21. und 22. Juni 1996 auf Schloß Hambach teil.
Erst 1984 reaktivierte sich
die TV Rheinwacht und der
Kontakt wurde damals
durch den AH Präsiden AH
Bültmann al. Faust und den
in Köln wohnenden
Bundesbruder Rüdiger
Schewel al. Humanus wieder
aufgenommen.
Nach langen Semestern ohne Aktivitas wurde der Wille zur Reaktivierung 1982 und
83 in die Tat umgesetzt. Die letzten Füchse wurden am 13. November 88 von der TV
Rheinwacht rezidiert, die die Hoffnung auf einen Weiterbestand auf die Aktivitas
schürten. Leider vergeblich. Auch ihnen gelingt es nicht eine Aktivitas am Leben zu
erhalten. Die TV Rheinwacht besteht heute lediglich aus dem Altherrenverband.
Landesvaterstechen
-55-
1933 Sommersemester
Die 25 Mann starke Aktivitas wurde geführt von Walter Kaumendahl al. Texas x
( 20. April 1910 - 15. Februar 1960) Hans Lenzen a. Tasso xx (03. Mai 1911, gefallen September 1945) Hermann Holthaus al Zampa FM (10. August 1911 - 17.
Dezember 1996)
In der Erinnerung an die Auseinandersetzungen mit den Kommunnisten und den
immer wiederkehrenden Schlägereien unterstützte die Aktivitas die Machtübernahme
durch die NSDAP. Aufgrund der langen studentischen Tradition, die das Verhältnis
zur Demokratie und zum Vaterland fundamental geprägt hat, wurde die
Handlungsweise der Nationalsozialisten von Anfang an kritisiert und die Distanz, vor
allen Dingen zu den Kampfgruppen, war sehr groß.
Die Aktiven und „Alten
Herren“ der Schlaraffia
verweigerten ebenfalls die
Teilnahme, beobachteten
jedoch den Marsch aus
sicherer Distanz.
Bei der Maikundgebung am 1. Mai
1933 fand sich in Hagen nur eine
kleine Schar zusammen, die offiziell an dem Marsch zum „Tag der
Arbeit“ teilnahmen. Die Aktiven
und „Alten Herren“ der Schlaraffia
verweigerten
ebenfalls
die
Teilnahme, beobachteten jedoch
den Marsch aus sicherer Distanz.
Die Höhere Maschinenbauschule Marsch zum Tag der Arbeit
lehrte in dieser Zeit hauptsächlich
in den Fächern die für die spätere Konstruktion und Fertigung von hydraulischen
Maschinen, Dampfkessel, Dampfmaschinen und Maschinen für die Schwerindustrie
nützlich waren. Seit 1929 bestand eine besondere Abteilung für Elektrotechnik. Um
die Zeit 1933 wurde der Lehrstoff erweitert, speziell für die Kleineisenindustrie.
-56-
Das Labor umfaßte Einrichtungen für die Prüfung von Wärme- Kraft- und
Wasserkraftmaschinen für Werkzeugmaschinen, für Materialprüfung und elektrotechnische Prüffelder und die dafür notwendigen Messeeinrichtungen. Ingenieurstudenten
Sommersemester 1928 Laboratorium
zählten sich selbst eindeutig zur Elite und stellten hohe Anforderungen an sich selbst
bis ins kleinste Detail. Als Beispiel dafür dient der folgende Auszug aus dem Fach
Chemische Technologie aus dem Kolleg, welches Zampa Holthaus geschrieben hat.
Seite zum Kapitel Brennstoffe und eine Zusammenstellung über Kohle.
-57-
Es gab kaum einen Tag, an
dem sich die Aktivitas nicht
nahezu vollständig traf.
Die Schlaraffen trafen sich jeden Morgen in der ersten großen Pause vor dem Eingang
zur Höheren Technischen Lehranstalt (Höhere Maschinenbauschule Hagen). Es gab
kaum einen Tag, an dem sich die Aktivitas nicht nahezu vollständig traf.
Stehkonvent der
Aktivitas
Zum 34. Stiftungsfest enthielt die Festzeitschrift ein innerhalb der Aktivitas verfaßtes
Gedicht mit dem Titel „Motto“:
Der Freude leicht umschlingend Band
Hat fröhlich uns geeint !
Den Trübsinn haben wir verbannt,
Weil er uns schwarz erscheint !
Denn wo die Freude Tafel hält,
Sieht man nur bunte Lust,
Und bunt bespiegelt sich die Welt
In unserer frohen Brust.
-58-
Wenn mutig frei der Busen schlägt,
Der jubelt froh empor,
Was rasch das freie Herz bewegt,
Ertönt im lauten Chor;
Drum würzen wir uns unser Mahl
Durch deutscher Lieder Klang,
Und schwellend in dem hohen Saal
Erschallt der Festgesang.
Der klaren Trauben Feuersaft
Erglänzt in dem Pokal,
Durchdringt das Herz mit stolzer Kraft,
Durchglühts mit Götterstrahl !
Auf, füll die leeren Gläser an,
Schenkt bis zum Rande voll,
Den ersten Trunk stosst klingend an
Auf unsres Bundes Wohl.
1935:
NS-Regierung verbietet die studentischen Korporationen
Aus der Geschichte der studentischen Korporationen erkennt man, daß zu jeder Zeit
die jeweils Mächtigen die studentischen Korporationen fürchteten. Politische Veränderungen wurden häufig von den farbentragenden Korporationen an den Universitäten und Hochschulen gefordert, formuliert und in entsprechenden Aktivitäten durch
Taten unterstützt. Vor allen Dingen die demokratische Grundhaltung der
Korporationen und die persönliche Anforderung durch Bildung innerhalb der
Studentenverbindung zum besseren Menschen zu werden, waren für die Nazis nicht
akzeptable Forderungen. Das führte zu dem offiziellen Verbot in 1935. Herr Dr.
Schöhl wurde zum Reichsstudentenführer ernannt. Anstelle der Verbindungen forderte das NS-Regime studentische Kameradschaften und Studentenkampfverbände.
Beide Organisationen waren zugelassen und wurden vom Regime gewünscht.
Die Studentenverbindungen, so auch die TV Scharaffia, waren im Ehrenbreitsteinervertreterconvent (EVC) zusammengeschlossen. Auf Einladung von Herrn Dr.
Schöhl, dem Reichsstudentenführer, fanden Gespräche statt, unter anderem eine
Politische Veränderungen
wurden häufig von den
farbentragenden
Korporationen an den Uni versitäten und Hochschulen
gefordert,
-59-
Besprechung in Potsdam. Dabei wurden im wesentlichen folgende Vereinbarungen
getroffen. Der Neuaufbau des studentischen Werkes hat als Basis die grundsätzliche
und lang erkämpfte unbedingte Gleichberechtigung des Hoch- und Fachschulstudiums.
1935 existieren in
Deutschland 150
Hochschulen und
Fachschulen.
1935 existieren in Deutschland 150 Hochschulen und Fachschulen. Dazu gehört
selbstverständlich auch die Höhere Maschinenbauschule Hagen. Es werden die unbedingte Genugtuung eingeführt und eine einheitliche Disziplinarordnung und eine einheitliche Ehrenordnung in Kraft gesetzt. In einer Denkschrift über die Besprechung
heißt es weiter „Die NS-Studentenkampfhilfe wird nach dem großen Plan des
Reichsstudentenführers der Träger des gesamten Studentenwesens sein, wobei sie
organisatorisch die „Alten Herren“ mit umfassen wird. Jeder „Alte Herr“ soll die
Möglichkeit haben, sich am Leben der aktiven Mannschaften (Kameradschaft im
NSDSTB) seiner Studienanstalt zu beteiligen, es soll aber auch der Zusammenhang
aller Mitglieder der NS-Studentenkampfhilfe in ihrem Wohnort gefördert und aufrecht erhalten werden. Deshalb wird die NS-Studentenkampfhilfe organisatorisch
aufgegliedert werden:
a: In Ortsverbände, die die Altkameradschaften örtlich nach den Wohnsitzen
zusammenschließen, wobei Hoch- und Fachschulabsolventen gemeinsam
betroffen sind.
b: In Ringe, die einen Zusammenhang nach Studienanstalten bzw. Studienorten,
also ohne Rücksicht auf den Wohnort bringen (z.B. Ring der Hagener). In den
Studienstätten werden die aktiven Mannschaften zu Kameradschaften
zusammengefaßt und jeder „Alte Herr“ in der NS-Studentenkampfhilfe kann sich
seiner bestimmten Kameradschaft zuteilen lassen. (Gleiches Verhältnis Aktivitas
zum Altherrenverband, wie bisher bekannt)
Den Kameradschaften - darunter versteht man die aktiven Mannschaften - in den
Studienstätten sollen im Laufe der Zeit Kameradschaftshäuser durch die NSStudentenkampfhilfe zur Verfügung gestellt werden.
-60-
Das studentische Leben in den Kameradschaften soll grundsätzlich auf dem
Leistungsprinzip beruhen. Jeder muß die gleiche Schule durchmachen. Besonderes
Augenmerk soll auf die Beschaffung von Waffen für den Fechtbetrieb gerichtet
werden. Dazu sind Geldmittel für Fechtlehrer, Waffenbeschaffung und Unterhalt
erforderlich.
Wintersemester 1935: Die letzten Krassfüchse
Trotz des bereits bekannten Verbots der studentischen Korporationen konnte sich die
Aktivitas der TV Schlaraffia nicht zur Umwandlung in eine NS-Kameradschaft oder
eine NS-Studentenkampfgruppe entschließen. Nach wie vor wurde vom Altherrenverband beabsichtigt, die TV Schlaraffia in gleicher Weise fortzuführen. Die letzten
Füchse der Schlaraffia waren: Werner Battenfeld al. Ferro, Bernhard Selbach al.
Bimbo, Kurt Eidam al. Hag, Otto Rademacher al. Quick.
Nach wie vor wurde vom
Altherrenverband besabsich tigt, die TV Schlaraffia in
gleicher Weise fortzuführen.
Offizielle Kneipen fanden nur noch sporadisch statt und die studentischen Farben
wurden nicht mehr öffentlich getragen. Es gab regelmäßige Veranstaltungen gemeinsam mit dem Altherrenverband auf der Kaupenhöhe in Essen.
Trotz des Verbotes fühlten sich weder die Aktiven noch die „Alten Herren“ durch das
Regime bedroht. Man diskutierte offen und freimütig die Forderungen der
Regierenden und suchte einen Kompromiß zwischen der studentischen Tradition und
den politisch gestellten Forderungen. Die Aktivitas wurde aufgelöst, da sich die TV
Schlaraffia nicht mit den Vorstellungen des NS Regimes identifizieren konnte.
Insgesamt hat das Naziregime jedoch den Fortbestand der TV Schlaraffia kaum
beeinflußt. Der Altherrenverband führte ohne jegliche Unterbrechung seine
Aktivitäten weiter und wurde lediglich im letzten Kriegsjahr 1944 stark beeinträchtigt durch den immer intensiver werdenden Luftkrieg und das langsame Zusammenbrechen der Infrastruktur in Deutschland.
Trotz des Verbotes fühlten
sich weder die Aktiven noch
die „Alten Herren“ durch
das Regime bedroht.
-61-
6. Mai 1937:
Treffen zwischen der Reichsstudentenführung und dem Ehrenbreitsteiner
Vertreterconvent in Hagen
Zwischen dem Beauftragten für die Fachschulen in der Reichsstudentenführung
Herrn Siepmann und Vertretern des Ehrenbreitsteinervertreterconvents fand in Hagen
eine weitere Besprechung statt. Dabei wurde unter anderem klargestellt, daß für den
Fortbestand der Verbindungen keinerlei Möglichkeiten mehr besteht. Das NS Regime
ließ nicht den korporativen Beitritt einer Aktivitas oder eines Altherrenverbandes zur
NS-Studentenkampfhilfe zu. Es wurde gefordert, daß jeder als Einzelmitglied beizutreten hat.
20. Juni 1937:
Jahreshauptversammlung des Altherrenverbandes
Die technische Entwicklung
machte rasante Fortschritte
und Ingenieure genossen
besonderes Ansehen.
Im Sommer 1937 war Deutschland ein ruhiges und glückliches Land. Die
Arbeitslosigkeit war vollständig beseitigt und die Bevölkerung lebte im Vergleich zu
anderen europäischen Ländern bereits in einem beachtlichen Wohlstand. Die straffe
politische Führung verdiente weltweit Respekt. Die technische Entwicklung machte
rasante Fortschritte und Ingenieure genossen besonderes Ansehen. In Italien entstand
die erste Autobahn und die Freundschaft beider Länder war besiegelt. Neben den
durch Rußland geprägten Kommunismus und der von England und Amerika praktizierten Demokratie befürworteten die Deutschen und viele andere Länder den
Nationalsozialismus. Urlaubsreisen wurden groß geschrieben und mit staatlicher
Unterstützung für Jedermann greifbar. Das nannte man damals „Kraft durch Freude“.
Der weitaus größte Teil der deutschen Bevölkerung jubelte dem frei gewählten
Regime zu.
Unter diesen äußeren Bedingungen setzte im Altherrenverband der TV Schlaraffia die
Diskussion über den zukünftigen Weg ein. Eine Aktivitas bestand bereits nicht mehr,
denn die letzten Füchse hatten ihr Examen abgelegt.
-62-
Ferro Battenfeld arbeitete in der Fabrik seines Vaters. Quick Rademacher fand eine
Beschäftigung bei der Firma C. Kuhbier & Sohn in Dahlerbrück, Hag Eidam beschäftigte sich mit Hartmetall und Hartmetallwerkzeugen bei der DEW Krefeld und Bimbo
Selbach war im Dortmunder Bergbau tätig. Sie galten als inaktive Burschen.
Die Jahreshauptversammlung am 20. .Juni 1937 hatte im wesentlichen die folgenden
Themen: Bei der Gründung des Altherrenverbandes wurde 1914 die erste Satzung
geschaffen, die dann später am 18. März 1927 nochmals überarbeitet wurde. Eine
weitere neubearbeitete Satzung wurde im Entwurf allen Mitgliedern vor der Jahreshauptversammlung schriftlich zugesandt, so daß die Annahme einstimmig erfolgte.
Es wurde folgender Zusatz aufgenommen:
§ 2 des Satzungsentwurfes wird in Absatz 1 wie folgt erweitert:
Mitglied des AHV Schlaraffia kann werden; wer deutscher Reichsbürger, arischer
Abstammung ist und eine höhere technische Staatslehranstalt mindestens zwei
Semester lang besucht hat. Über die Zukunft der Verbindung und des Altherrenverbandes wurde ausführlich beraten. Man war sich bewußt, daß eine Absonderung
vom gesamten studentischen Leben und langsamer Zerfall des AH Verbandes zwangsweise eintreten würde, da ja keine Aktivitas mehr besteht und kein Nachwuchs zu
erhalten ist. Eine Übergliederung der AH Verbände in die NS-Studentenkampfhilfe
war nicht möglich, doch erzielte man Einigkeit darüber, daß man durch eine
Annäherung das erreichen kann, was man seit Jahren erstrebt hat. Unter dem
Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ wurde der Weiterbestand des unabhängigen
AH Verbandes beschlossen mit einem Jahresbeitrag von sechs Reichsmark. Es wird
der eindringliche Appell formuliert, diesen Betrag auch weiterhin zu bezahlen und
Rückstände auszugleichen.
Der von der NSDAP durch dessen Reichsschatzmeister Herrn Schwarz festgesetze
Beitrag für die NS-Studentenkampfhilfe von zwei Reichsmark pro Monat wurde
ebenso diskutiert, ein Beschluß darüber wurde nicht gefaßt, da nur jeder einzeln
Mitglied werden konnte. Wer Mitglied wurde, steht nicht fest.
Die Jahreshauptversammlung verabschiedete ein Protokoll, welches am
27. September 1937 an die Briefannahmestelle der Justizbehörden in Duisburg
-63-
weitergeleitet wurde. Der Justizangestellte Pusch bestätigte mit einer Bescheinigung
die Änderung im Vereinsregister des Altherrenverbandes der TV Schlaraffia e.V. in
Duisburg am 19. November 1937.
Auch wenn die Mehrzahl
der Mitglieder das NS
Regime tolerierte, muß ein deutig festgehalten werden,
daß die TV Schlaraffia zu
keinem Zeitpunkt sich mit
den offiziellen Stellen ein gelassen hat.
-64-
Damit war offiziell eine Annäherung des Altherrenverbandes an damalige politische
Verhältnisse beschlossen. Die Mitgliederversammlung hatte jedoch einige
Veränderungen zur Folge. Es wurden fünf inaktive Burschen neu in den
Altherrenverband aufgenommen. Zwei „Alte Herren“ schieden durch Tod aus. Drei
„Alte Herren“ erklärten ihren Austritt. Acht Alte Herren“ drohten mit ihrem Austritt,
von denen jedoch lediglich fünf diese Drohung wahrmachten. 120 Mitglieder befürworteten die Beschlüsse der Jahreshauptversammlung und blieben ausnahmslos
Mitglieder der TV Schlaraffia bis an ihr Lebensende. Da eine Aktivitas in der herkömmlichen Form verboten war, hätte die Verbindung die Altherrenschaft für eine der
NS-Kameradschaft oder der NS-Kampfgruppe übernehmen können. Das wurde
jedoch ausdrücklich abgelehnt. Ebenfalls hätten die Altherren einzeln Mitglieder werden können und hätten dadurch den Kontakt zum Nachwuchs gehalten. Es wurde
jedoch ausdrücklich die Eigenständigkeit des Altherrenverbandes unter der bisherigen
Form bestätigt und durch tatsächliche Aktivitäten, ohne jede Unterbrechung, praktiziert. Auch wenn die Mehrzahl der Mitglieder das NS Regime tolerierte, muß eindeutig festgehalten werden, daß die TV Schlaraffia zu keinem Zeitpunkt sich mit den
offiziellen Stellen eingelassen hat. In Hagen fungierte Willibald Buchmann als
Kameradschaftsführer der Studentenschaft an der Staatlichen Ingenieurschule Hagen.
Er versuchte ständig, „Alte Herren“ der Schlaraffia zur Übernahme einer Patenschaft
innerhalb der Hagener Kameradschaft zu überreden. Nachweislich jedoch ohne
Erfolg. Am 21. Dezember 1942 schreibt der Altherrenverband eine offizielle Absage.
Die Berechtigung dazu wurde durch die Veränderung im Vereinsregister erreicht, da
man dem Regime keine Möglichkeit gab, den Altherrenverein als regimefeindlich zu
deklarieren.
Faß Waldhausen schrieb folgenden Brief an den Kameradschaftsführer.
Sehr geehrter Herr Buchmann !
Da ich erst eine Zusammenkunft „ehemaliger Hagener Studierender“, die dem ehem.
A.H.V. Schlaraffia, Hagen i./W. angehören, abwarten wollte, komme ich erst heute
dazu, Ihr an mich gerichtetes Schreiben vom 5.3.42 zu beantworten.
Leider ist es uns da infolge eines kurz vor dem Kriege gefassten A.H.C. Beschlusses
nicht möglich, die Altherrenschaft einer Hagener Kameradschaft zu übernehmen.
An diesen Beschluss bin ich z.Zt. gebunden und bedaure, Ihnen keinen günstigeren
Bescheid geben zu können.
Mit deutschen Gruß „Heil Hitler“ !
Erich Waldhausen
Vorsitzender des ehem. A.H.V. Schlaraffia
Hagen i/W.
Werner Battenfeld al. Ferro
Werner Battenfeld war einer der letzten Füchse vor dem Zweiten Weltkrieg. Er wurde
am 11. Juni 1913 in Meinerzhagen geboren. Er studierte von 1935 - 1938 und trat
nach seinem Examen in die Maschinenfabrik seines Vaters ein, die damals lediglich
eine Handvoll Leute beschäftigte, sich aber bereits mit der Herstellung von
Kunststoffpressen für die Verarbeitung von Duroplasten beschäftigte. Im Zweiten
Weltkrieg kämpfte Werner Battenfeld an verschiedenen Fronten, hauptsächlich
jedoch in Frankreich. Er kam 1945 zurück und übernahm die Führung der Gebr.
Battenfeld Maschinenfabrik, Spezialfabrik für Kunststoffpressen. In den Folgejahren
entwickelte sich dieses Unternehmen dank der Pioniertätigkeit von Ferro Battenfeld
zu einem der bedeutensten Maschinenfabriken für die Kunststoffverarbeitung. Neben
den Duroplastpressen wurden schon 1946 Spritzgießmaschinen für Thermoplaste
produziert. Wenige Jahre später erweiterte Ferro Battenfeld das Herstellungsprogramm durch Extrusionsanlagen und Blasmaschinen. Danach etablierte er
Produktionsstätten in Australien, Frankreich und Brasilien.
Werner Battenfeld war einer
der letzten Füchse vor dem
Zweiten Weltkrieg.
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Die Pionierleistungen von
Ferro Battenfeld für die
Kunststoffindustrie sind
unumstritten
Der Schlaraffe Werner Tump al. Piko arbeitete für Battenfeld über 25 Jahre in
Brasilien. Schon Mitte der fünfziger Jahre wurde der Kundendienst der Fa. Battenfeld
durch die eigene Luftflotte schlagkräftig gestaltet. Kurz danach folgte die Gründung
der Bat Air, die sich mit dem Verkauf und der Wartung von Flugzeugen beschäftigte.
Werner Battenfeld besaß Ende der sechziger Jahre einundzwanzig Flugzeuge, darunter ein Düsenflugzeug und zwei Hubschrauber. Kurz vor seinem Tod am 19. Mai 1972
galt die Battenfeld Maschinenfabrik GmbH weltweit als eine der größten Kunststoffmaschinenhersteller. Die Pionier leistungen von Ferro Battenfeld für die
Kunststoffindustrie sind unumstritten und Beispiele dafür befinden sich im Deutschen
Kunststoffmuseum.
Otto Rademacher al. Quick:
Ein typisches Schlaraffenleben im 20. Jahrhundert
Heute, bei unserem 100jährigen Stiftungsfest, ist Quick Rademacher 86 Jahre alt und
berichtet über sein Leben.
Am 13. Januar 1913 wurde ich in Hagen/Westf. geboren. Meine Kindheit war durch
den Ersten Weltkrieg von 1914 - 1918 geprägt. Nach dem Krieg besuchte ich in Hagen
die Volksschule und anschließend die Oberrealschule, wo ich 1932 die Abiturprüfung
bestand. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg erlebte ich als Jugendlicher die ver heerenden Folgen des Krieges, die Inflationszeit und die schlechte Wirtschaftslage.
1932 - bei meinem Schulabgang - waren sechs Millionen Menschen arbeitslos ( 18%).
Es kam zu Unruhen in der Bevölkerung. Kanzler Brüning konnte nur noch mit
Notverordnungen regieren.
Meinen Berufswunsch - das Ingenieurstudium - konnte ich zur Zeit nicht verwirkli chen. Ich fand zunächst eine Beschäftigung im Labor der Fa. C. Kuhbier & Sohn in
Dahlerbrück. Ein Jahr später konnte ich bei der Firma W. Wippermann in HagenDelstern als Praktikant unterkommen. Ich blieb bis zum Herbst 1935 und begann
dann mein Studium an der Höheren Technischen Staatslehranstalt in Hagen.
-66-
Die Kommilitonen meines Semesters sind auf dem beiliegenden Foto zu sehen.
Besonders guten Kontakt fand ich zu drei Füchsen der TV Schlaraffia:
Ferro Battenfeld, Hag
Eidam und Bimbo
Selbach. Ich wurde
ebenfalls Schlaraffe.
Diese Freundschaften
waren auch in meinem
späteren Leben von
Bedeutung. Auch an
AH Locky Heyng erin nere ich mich noch sehr
ge rn e. Als Chef der
Kokerei Graf Schwerin
in Castrop-Rauxel er möglichte er Hag
Eidam und mir, während der Semesterferien unsere schmalen Kassen aufzubessern.
Von ihm erfuhren wir viele Einzelheiten von der harten Zeit der Ruhrbesetzung durch
die Franzosen und der dadurch ausgelösten Widerstandsbewegung.
Studenten HTL Hagen
1935 - 37
Neben meinem Studium interessierte mich die Segelfliegerei. In Schüren bestand ich
die Prüfung.
Mein Hang zur Flugtechnik veranlaßte mich nach dem Vorexamen in Hagen mein
Studium an der HTL in Essen fortzusetzen und zwar an der Fakultät „Kraft und
Luftfahrwesen“. Mit mir wechselten auch meine beiden Bundesbrüder Hag Eidam
und Bimbo Selbach. Im Frühjahr 1938 bestanden wir drei unsere Abschlußprüfungen.
Unsere Berufsaussichten waren im Gegensatz zum Studienbeginn sehr gut. Vertreter
der Firma Junkers Flugzeug und Motorenwerke AG in Dessau nahmen Hag und mich
bereits in Essen unter Vertrag. Bimbo wurde zur Luftwaffe eingezogen. Ich fand im
Motorenbau, Abteilung Luftschraubenentwicklung eine mir zusagende Tätigkeit. In
meiner Gruppe, unter Leitung von Dr. Cordes, wurden die für die Konstruktion erfor derlichen Berechnungen durchgeführt.
Mit mir wechselten auch
meine beiden Bundesbrüder
Hag Eidam und Bimbo
Selbach. Im Frühjahr 1938
bestanden wir drei unsere
Abschlußprüfungen.
-67-
Im Mai 1939 habe ich geheiratet. In einem Zweifamilienhaus bezogen wir eine hüb sche Wohnung. Ein Glücksfall, da auch damals Wohnraum sehr knapp war. Unsere
sorglose Zeit war leider nur von kurzer Dauer. Sie endete mit Beginn des Zweiten
Weltkrieges 1939. Unsere Abteilung wurde wegen der Luftalarme in den Fläming verlegt. Gegen Ende des Krieges wurden auch Dessau und die Junkerswerke Opfer feind licher Luftangriffe.
Im Mai 1945 endete meine Tätigkeit als amerikanische Truppen Dessau und die
Junkerswerke besetzten und ihre Experten Kontakt zu unseren leitenden Angestellten
aufnahmen. Das besondere Interesse galt der Abteilung Strahltriebwerksbau, die
unter der Leitung von Dr. Anselm Franz den Jumo 004 entwickelt hatten. Allen
Mitarbeiter dieser Abteilung wurden Verträge für eine spätere Tätigkeit in den USA
angeboten. Der Hinweis, daß russische Truppen in wenigen Tagen Dessau besetzen
würden, veranlaßte alle das Angebot anzunehmen. In einer Blitzaktion wurden alle
angeworbenen Personen mit ihren Familien und Mobilar per LKW gen Westen in ein
Sammellager gebracht.
Die Abwerbung von Fachleuten durch die Siegermächte ist in dem Buch „Die Jagd
auf die deutschen Wissenschaftler“ dokumentiert worden.
Mit der Schlaraffia fand ich
bald wieder guten Kontakt
und damit auch zu Ferro
Battenfeld.
-68-
Zwei Tage nach dem Abzug der Amerikaner besetzten russische Truppen Dessau und
die Junkerswerke. Ihre Experten gründeten eine neue Firma. Sie stellten Leute ein, die
im Strahltriebwerksbau beschäftigt waren. Ich bin damals mit meiner Frau unter
schwierigen Umständen zu meinen Eltern nach Dahlerbrück gereist. Wir haben hier
einen Neuanfang versucht. Ich fand eine mir nicht zusagende Arbeit in Lüdenscheid.
Mit der Schlaraffia fand ich bald wieder guten Kontakt und damit auch zu Ferro
Battenfeld. Er hatte in Meinerzhagen ein Großunternehmen der Kunststoff maschinenindustrie aufgebaut. Gerne denke ich an einen Stammtisch zurück, zu dem
uns Ferro Battenfeld eingeladen hatte und zu dem wir Schlaraffen sehr zahlreich
erschienen waren. Leider sind mir ihre Namen - außer Hag Eidam nicht mehr in
Erinnerung.
Unser Leben bekam überraschend eine neue Wende. Unser Mitbewohner in Dessau,
der unser Eigentum betreute, teilte uns mit, daß unser Hab und Gut nur zu retten sei,
wenn wir nach Dessau zurückkehren würden. Wir unternahmen damals die beschwer liche Reise und landeten wieder in Dessau und notgedrungen bei den russischen
Firmen. Bedenken hinsichtlich einer evtl. Verlagerung des Werkes hatte ich nicht, da
ich als Fachmann für Luftschrauben den Russen nicht wichtig war. Auf unserem
Spezialgebiet hatten sie keine Hilfe nötig. Das war leider ein bitterer Trugschluß,
denn sie konnten auch uns gebrauchen.
In der Nacht zum 22. Oktober 1946 wurden wir mit unseren Familien samt Mobilar
zwangsweise in die Sowjetunion verschleppt. Auch unsere Techniker wurden mitsamt
dem Maschinenpark abtransportiert. Unser Ziel war ein kleines Dorf an der Wolga,
in der Nähe von Kuibyschew. Hier traf auch ein Team ein, das das BMW Triebwerk
003 gebaut hatte. Beide Teams sollten gemeinsam neue Strahltriebwerke bauen. Wir
richteten uns mit unseren Familien einigermaßen wohnlich ein. Für die deutschen
Kinder wurde eine Schule zur Verfügung gestellt. Bei der Aufstellung des Stellenplans
im Werk fehlte ein Fachmann für die Turbinenentwicklung. Diese Aufgabe wurde Dr.
Cordes übertragen. Ich wurde ihm zugeteilt neben anderen deutschen und später auch
russischen Kollegen. Für uns alle war das Arbeitsgebiet Neuland. Nach
Anfangsschwierigkeiten konnten wir aber später unsere Aufgabe mit großen Erfolg
erledigen. Die Arbeiten der gesamten deutschen Mannschaft sind in Band 2 der
Buchreihe „Die deutsche Luftfahrt dokumentiert“.
1950 wurden die ersten Deutschen mit ihren Familien in die DDR entlassen. Ende
1951 konnte auch meine Frau mit unserem 1948 in Kuibyschew geborenen Sohn aus reisen. Mir wurde auch eine baldige Heimreise in Aussicht gestellt. Diese Hoffnung,
meiner Familie bald folgen zu können, ging leider nicht in Erfüllung. Bis 1953 waren
bereits die meisten Kollegen mit ihren Familien in die DDR zurückgekehrt. Ich selbst
wurde im Herbst 1953 noch mit einer kleinen Restgruppe nach Sawjolowo, nicht weit
von Moskau, verfrachtet. Wir trafen dort eine kleine Gruppe von Flugzeugbauern der
ehemaligen Junkerswerke in Dessau. Es waren alte Bekannte. Sie sollten ein
Verkehrsflugzeug und wir ein dazu passendes Strahltriebwerk projektieren. Dann
sollten auch wir heimreisen. Die Zeit bis zu unserer Abreise wurde uns durch viel
Freizügigkeit erleichtert. So lernten wir mit russischer Begleitung Moskau kennen.
Im Sommer 1954 konnten auch wir endlich abreisen. Die Flugzeugbauer kamen nach
Dresden und wir nach Pirna.
In der Nacht zum 22.
Oktober 1946 wurden wir
mit unseren Familien samt
Mobilar zwangsweise in die
Sowjetunion verschleppt.
Im Sommer 1954 konnten
auch wir endlich abreisen.
-69-
Beim Empfang durch führende Vertreter der DDR erfuhren wir, daß die DDR eine
eigene Flugzeugindustrie aufbauen wollte und sie auf loyale Mitarbeit hoffe. Man bot
uns großzügige Verträge an. Für Dr. Cordes stand die Position wissenschaftlicher
Direktor in Pirna und eine Professur an der TH in Dresden in Aussicht. Mir wurde
die Stelle als Abteilungsleiter für Turbinen angeboten. Nach reiflicher Überlegung
haben wir die Verträge angenommen. In unserer westlichen Heimat war der
Flugzeugbau durch die Siegermächte noch verboten. Ausschlaggebend war aber für
uns die Möglichkeit, die in der Sowjetunion gewonnen Erfahrungen festzuhalten.
Daraus entstanden die Vorlesungen von Professor Dr. Cordes und einige Jahre spä ter das Buch „Strömungstechnik der gasbeaufschlagten Axialturbine“. Trotz meiner
zufriedenstellenden Arbeit in Pirna bin ich im Sommer 1960 mit meiner Familie aus
der DDR geflohen. Anlaß waren vorwiegend zwei Ereignisse, die uns sehr besorgt
machten. Ein Mitarbeiter meiner Abteilung wurde wegen versuchter Republikflucht
verhaftet. Er mußte eine längere Strafe in dem berüchtigten Gefängnis in Bautzen
verbüßen. Dann wurde auch der Bruder meiner Frau aus politischen Gründen ins
Bautzener Gefängnis eingeliefert. Wir sind damals vorübergehend bei meinen Eltern
in Dahlerbrück untergekommen. Meine berufliche Zukunft wurde dann in der Schweiz
entschieden.
Ende 1960 übersiedelten alle
angeworbenen Personen mit
ihren Familien nach Kairo.
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Im Herbst 1960 wurde von der Züricher Firma MTP ein Team von Jungingenieuren
und Technikern angeworben, das in Ägypten unter der Leitung von Dipl. Ing.
Brandner ein Strahltriebwerk bauen und zukünftige ägyptische Mitarbeiter mit der
modernen Technik vertraut machen sollte. Ich habe einen Vertrag angenommen, der
mich für die Entwicklung des Turbinenteil verantwortlich machte. Ein weiteres Team
wurde für den Flugzeugbau verpflichtet. Für beide Teams wurden in Heluan bei
Kairo an einem kleinen Flugplatz neue Werksanlagen für unsere zukünftigen Arbeiten
errichtet.
Ende 1960 übersiedelten alle angeworbenen Personen mit ihren Familien nach Kairo.
Die Kinder der Experten wurden in der deutschen evangelischen Oberschule einge schult. Wir selbst konnten bald mit unserer Arbeit in Heluan beginnen. Über unsere
berufliche Tätigkeit wird in Band 2 der Buchreihe „Die deutsche Luftfahrt“ berichtet
unter dem Titel „Am Wüstenrand entsteht ein Strahltriebwerk“ Hier sei dazu nur
erwähnt, daß wir bis Vertragsende 1969 unsere Arbeiten erfolgreich abgeschlossen
haben. In Kairo besuchte mich damals ein junger Schlaraffe, nämlich R. Zeppenfeld
al. Schrat.
Neben meiner beruflichen Tätigkeit fanden wir reichlich Zeit Land und Leute ken nenzulernen. Wir waren beindruckt von den kulturellen Schätzen des Landes und fan den Erholung beim Baden im Roten Meer. Es war eine glückliche Zeit in der uns der
große Unterschied zu unserem Zwangsaufenthalt in der Sowjetunion und der Zeit in
der DDR bewußt wurde.
Im Jahr 1968 bestand unser Sohn die Reifeprüfung und reiste uns voraus nach
Deutschland. Meine Frau und ich folgten ihm im Juli 1969 am Ende der Vertragszeit.
Von Dahlerbrück aus bewarb ich mich bei der MTU in München, wo ich im Oktober
1969 meinen letzten Arbeitsvertrag unterzeichnete. Mein Arbeitsgebiet war wieder
der Turbinenbau. Als Rentner bin ich 1978 aus dem Berufsleben ausgeschieden. Nun
hatten wir Zeit auch Bayern kennenzulernen und mit dem Seniorenclub der MTU auch
Reisen ins benachbarte Ausland zu unternehmen.
Im Jahr 1984 sehnten wir uns dann nach der Heimat zurück. Von Hagen aus sind wir
ausgezogen und nach 46 Jahren wieder in Hagen einheimisch geworden.
Von Hagen aus sind wir aus gezogen und nach 46 Jahren
wieder in Hagen einheimisch
geworden.
Die Deutschen - die Nazis - die Schlaraffen im Jahr 1939
Nach der Machtübernahme durch Hitler 1933 wurde Deutschland international
zunächst isoliert. Das änderte sich sehr schnell. Die Deutschen akzeptierten das neue
Regime von Anfang an, dank seiner schnellen Erfolge und der schnellen Verbesserung
der Lebensverhältnisse. Bereits 1935 waren die Arbeitslosen verschwunden. Bei einer
Abstimmung im Saargebiet sprachen sich 90,8 % der Stimmberechtigten für eine
Rückgliederung an das Deutsche Reich aus. In Berlin wurde das erste regelmäßige
Fernsehprogramm in Deutschland ausgestrahlt. Die erste Autobahn zwischen
Heidelberg und Frankfurt wurde eingeweiht. 1936 marschierte die deutsc he
Wehrmacht in das entmilitarisierte Rheinland ein. Mit Österreich wird ein freundschaftliches Übereinkommen beschlossen. Benito Mussolini prägt nach einem
Treffen mit Hitler das Wort von der Achse Berlin - Rom. Max Schmeling gewinnt den
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Boxkampf gegen Joe Louis durch K.o. Am 2. November 1937 führt Hanna Reitsch
erstmals einen Hubschrauber öffentlich vor. Die Zeppeline sind die Sensation der
Luftfahrt, deren Weiterentwicklung durch den Absturz der Hindenburg, bei einer
Landung in Lake Hurst, USA, beendet wird. Ein Jahr später weisen Otto Hahn und
Fritz Straßmann die Spaltbarkeit des Urankerns nach. Die deutsche chemische
Industrie bringt die Kunstfaser Perlon auf den Markt. In Fallersleben wird mit dem
Bau des Volkswagenwerkes begonnen. Hier sollen Personenkraftwagen gebaut werden, die nicht mehr als tausend Reichsmark kosten. Die mahnenden Stimmen der
jüdischen Minderheit und die ersten Konzentrationslager werden ignoriert. Die
Deutschen bejubeln ihren Erfolg und sind vor allen Dingen technisch ihren Nachbarn
überlegen.
Der Altherrenverband der
TV Schlaraffia ist ein eng
zusammenstehender
Freundeskreis mit
Mitgliedern, die begeistert
von ihrem Beruf sind
Der Altherrenverband der TV Schlaraffia ist ein eng zusammenstehender
Freundeskreis mit Mitgliedern, die begeistert von ihrem Beruf sind, mit Freude ihre
Pflichterfüllung wahrnehmen und sich für das Gemeinwohl einsetzen. Sie arbeiten
vierundfünfzig Stunden an sechs Tagen pro Woche. Ein großer Teil der Altherrenschaft war selbständig und besaß eigene Fabriken, teilweise mit erheblicher
Bedeutung. Aber alle waren sie leitende Angestellte oder Geschäftsführer, teilweise in
den bedeutendsten Unternehmen in Deutschland. Politisch waren sie aktiv und übernahmen Funktionen in ihren Heimatstätten, z.B. als Ortsgruppenführer der NSDAP.
Die Gegner des Regimes waren bereits nach dem Verbot der Korporationen zwischen
1935 und 1937 ausgetreten.
1. September 1939:
Deutsche Truppen marschieren ohne Kriegserklärung in Polen ein
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Der Krieg war vorhersehbar durch die Einführung der Wehrpflicht 1934, die
Ignorierung der Rüstungsbeschränkung aufgrund der Verträge nach dem Ersten
Weltkrieg und die kontinuierliche Aufrüstung. Die ganze Welt war aufgeteilt unter
den Kolonialherren Europas und der Expansionsdrang war politisch normal. Die
Besetzung des Rheinlandes, die Rückkehr des Saarlandes, die Annektion des
Sudetenlandes und die Vereinigung mit Österreich ließen auch die Besetzung Polens
als normale politische Tat erscheinen. Auch einige Schlaraffen waren von Anfang an
Mitglieder der Wehrmacht, blieben jedoch 1939 und 40 eine Minderheit. Nach wie
vor stellten die Fabrikanten und Geschäftsführer den größten Teil der Altherrenschaft.
Der Krieg verläuft bis etwa Ende 1941 für Deutschland erfolgreich. Elf Länder befinden sich im Kriegszustand - Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland,
Großbritannien, Jugoslawien, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Norwegen und
Polen. Ab dem 22. Juni 41 auch Rußland. Im Jahr 42 tritt lediglich Mexiko in den
Krieg ein. Erst gegen Ende 44 erhöht sich die Zahl der mit Deutschland im Krieg stehenden Staaten auf 51.
Für den Altherrenverband, der TV Schlaraffia, bedeutet dies eine relativ sorgenfreie
und angenehme Pflege der Freundschaft. Bis einschließlich Ende 1943 fanden jährlich mindestens vier, manchmal sechs Altherrentreffen statt. Die Freundschaft wurde
im großen Kreis regelmäßig und sehr intensiv gepflegt.
1943 - 1945
Am 28. März wird mit dem ersten Flächenbombardement der Luftkrieg der britischen
und amerikanischen Luftwaffe intensiviert. Der erste Angriff trifft die mittelalterliche
Stadt Lübeck. Der zweite Angriff trifft am 30. und 31. Mai Köln mit eintausendsechsundvierzig Bombern. Von diesem Tag an spricht man von dem sogenannten
Tausendbomberangriff. Wenige Tage später erfolgt ein weiterer Tausendbomberangriff auf die Stadt Essen. Davon sind zum ersten Mal Schlaraffen in der
Heimat betroffen. Am 22. November 1942 hatte die Rote Armee mehr als 270.000
Soldaten der 6. Armee unter General Paulus eingeschlossen. Das war die entscheidende Wende des Krieges. Am 2. Februar 1943 kapituliert die 6. Armee. Am 18.
Februar 43 ruft Göbbels im Berliner Sportpalast zum totalen Krieg auf. Vier Tage später werfen die Geschwister Hans und Sofie Scholl von der Widerstandsgruppe „Weiße
Rosen“ Flugblätter in den Lichthof der Universität München, unter dem Titel
„Wiederherstellung der Ehre - Kampf gegen die Partei“. Sie werden dafür zum Tode
verurteilt und am gleichen Tage hingerichtet. Diese politischen Ereignisse hatten
einen entscheidenden Einfluß auf die Aktivitäten innerhalb des Altherrenverbandes.
Man begann damit, die Familien, vor allen Dingen die Kinder, aus den Städten zu evakuieren und zu Verwandten auf dem Land zu bringen. Im Jahr 1944 wurde diese
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Tendenz weiter verstärkt durch die enorme Intensivierung des Luftkrieges. Auch die
Produktionsstätten wurden teilweise verlagert, da natürlich Industrieanlagen das
bevorzugte Ziel der Luftwaffe waren. In 1944 brach die interne Kommunikation
innerhalb des Altherrenverbandes faktisch zusammen. Ein ordentliches Leben in den
deutschen Großstädten war nicht mehr möglich. Das beweisen die folgenden Zahlen.
Am 6.Juni 1944 begann die alliierte Invasion in der Normandie. Die deutsche
Luftwaffe war praktisch nicht mehr vorhanden. Seit dem 1. August 44 bis zum
Kriegsende am 7. Mai 45 wurden an einhundertvierundneunzig Tagen und in vierundneunzig Nächten einhundertsiebenundzwanzig deutsche Städte angegriffen, darunter einundsechzig Großstädte, in denen fünfundzwanzig Millionen Menschen lebten, das entspricht 32 % der Bevölkerung. Insgesamt wurden über fünfhundertausend
Tonnen Spreng- Brand- und Splitterbomben abgeworfen.
2. Dezember 1944: Vernichtung der Schlaraf fenutensilien
In einem Schrank im
Keller lagerten die
Kneipjacken, Vollwix,
Commersbücher, Schläger
und Banner. Alle diese
Utensilien wurden ver nichtet.
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Am 01.Oktober 1943 erfolgte der erste Luftangriff auf Hagen. Am 02.Dezember 44
wurde bei einem weiteren Luftangriff das Gebäude der Staatlichen Ingenieurschule
vollständig zerstört. Ebenso wurde die Konstante der TV Schlaraffia durch diesen
Bombenangriff vollständig vernichtet. In einem Schrank im Keller lagerten die
Kneipjacken, Vollwix, Commersbücher, Schläger und Banner. Alle diese Utensilien
wurden vernichtet.
Die AH Berichte von Faß Waldhausen
Während seiner gesamten Regentschaft als AH Präside schrieb Faß Waldhausen die
legendären AH Berichte. Wann er damit begonnen hat, läßt sich leider nicht mehr feststellen, da die AH Berichte aus der Frühzeit bis zum Jahr 1939 während des
Bombenangriffs in Hagen vernichtet wurden. In den darauffolgenden zwei Dekaden
verfaßte er jährlich zwischen vier und acht AH Berichte, die meistens einen Umfang
von vier bis sechs Seiten besaßen. Über jedes einzelne Mitglied des Freundschaftskreises wurde berichtet. So wußte jeder von jedem alles über seine
Lebensumstände, über seinen Beruf, seine Tätigkeit, seine beruflichen Ziele und über
seine privaten Angelegenheiten. Die bekannten Familienereignisse wie Verlobung,
Vermählung, Geburt und Tod wurden ohnehin lückenlos dokumentiert, aber auch
Ereignisse aus dem Privatbereich wie Urlaubsreisen, Krankheiten, Sportereignisse
und das Leben der Kinder. Falls Faß Waldhausen von einem der Bundesbrüder über
mehrere Monate keine Nachricht bekam, nahm er sofort Kontakt auf und erfragte
Informationen für die nächste Rundschau. Dabei bediente er sich ebenfalls der
Rückfragen bei Eltern und Verwandten der einzelnen Bundesbrüder.
So wußte jeder von jedem
alles über seine Lebens umstände, über seinen
Beruf, seine Tätigkeit, seine
beruflichen Ziele und über
seine privaten
Angelegenheiten.
Nach Ausbruch des Krieges teilte er schnell die gesamte Altherrenschaft ein in
Daheimgebliebene und die sogenannten Feldgrauen, das waren die Freunde aus dem
Altherrenverband, die innerhalb der Wehrmacht an den einzelnen Fronten kämpften.
So erfuhr er stets die Anschriften und konnte den Feldpostverkehr zwischen
Daheimgebliebenen und Feldgrauen intensivieren. So schrieb er beispielsweise im
AH Bericht vom 15. Januar 41 zunächst über den Versand der Weihnachtspäckchen
an unsere Feldgrauen und berichtete danach über die einzelnen Bundesbrüder.
Wir zitieren:
Unser lieber AH Klös Balser befindet sich vom 18. Dezember 40 an noch immer in
Frankreich. Er ist inzwischen zum Feldwebel befördert worden und hofft, sich in drei
bis vier Monaten als jüngster Leutnant vorstellen zu können. Seine Hauptarbeit
bestand zur Zeit im Bau einer Kegelbahn.
Unser lieber Mutz Stoll teilt am 19. Dezember 1940 mit, daß er sich noch in
Norwegen befindet. Er wurde am 9.April 40 mit einer Luftlandetruppe mit dem
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Flugzeug in Oslo abgesetzt und hat den beschwerlichen Feldzug in Norwegen als
Infanterist mitgemacht, wobei auch er inzwischen zum Obergefreiten befördert wurde.
Unser lieber AH Wilhelm Westhoff berichtete über das in Frankreich verlebte
Weihnachtsfest und Oberleutnant Jan Weikard war in diesem Jahr über Weihnachten
beurlaubt, so daß er das Weihnachtsfest im Kreise seiner Familie in Neunkirchen ver leben konnte.
Unser lieber AH Ferro Battenfeld hat sich auch aufgerafft und am 05. Januar 1941
einen Bericht gegeben. Danach rückte er am 10. Mai 40 mit einer PanzerJägerabteilung, mit der er auch in Polen war, als Unteroffizier in Frankreich ein. Am
25. Mai 40 erreichte ihn auf den Schlachtfeldern von Cambrai und Valenciennes der
Befehl, sofort eine Schule zur Heeresmotorisierung zu besuchen. Nach Absolvierung
dieser Schule richtete er ab 1. August 40 als technischer Inspektor eine Zweigstelle
eines Heereskraftfahrmarktes in Frankreich ein, hofft jedoch auf eine Beurlaubung,
um in seinem Betrieb wieder arbeiten zu können.
Er berichtet weiter von den „Alten Herren“: Strop Walter Brüggerhoff, der auf
Heimaturlaub war. Gefreiter Troll Frenzner aus seiner Garnisonsstadt, Jumbo Kettler
aus dem Westen, Bimbo Selbach aus dem Heimatgebiet, Schlau Hammer aus Belgien
und Rumberg ebenfalls aus Belgien,Sack Halver aus Frankreich, Fatty Figge, der
seine Firma in Saarbrücken verlassen hat und zu der Armee als Funker gegangen ist,
sowie den Soldaten Lackel Schulte, Schmaus Schickhaus, Lux Wilhelm und vom
Kriegsverwaltungsrat Hermann Schröer al. Loky.
Im Jahr 1943 erscheinen
noch fünf AH Berichte,
jedoch bereits mit den
ersten lückenhaften
Informationen.
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Im Jahr 1943 erscheinen noch fünf AH Berichte, jedoch bereits mit den ersten lückenhaften Informationen. 1944 erscheinen noch drei AH Berichte, der letzte am 31. Juli
44. In diesem Bericht wird hauptsächlich über die Daheimgebliebenen berichtet und
über deren Leiden, verursacht durch die Bombenangriffe. Immer wieder wird darüber
berichtet, daß Bundesbrüder oder deren Familien zur Zeit verschollen sind, keine weiteren Informationen vorliegen. Am 12. März 45 werden nochmals in Dortmund,
während einer einzigen Nacht, viertausendneunhundert Bomben abgeschmissen. Mit
den letzten Angriffen am 25. April.45 auf Kiel, München und Pilsen ist der Luftkrieg
über Deutschland beendet.
Am 7. Mai 45 unterschreibt Generaloberst Alfred Jodel, Admiral Hans Georg von
Friedeburg und General Wilhelm Okzenius im Hauptquartier des Westalliierten
Oberbefehlshabers General Dwight D. Eisenhower in Reims die Gesamtkapitulation
der deutschen Wehrmacht. Damit ist der Zweite Weltkrieg beendet. Die „Alten
Herren“ der Schlaraffia sind in alle Winde zerstreut und die Rückkehr zur Normalität
dauert eine ganze Weile.
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