Deutschland, Deutschland
Transcription
Deutschland, Deutschland
3 Deutschland, Deutschland Texte und Kontexte Die Berliner Mauer Leben in der DDR Erziehung zum Sozialismus Kritik und Nostalgie Sprachwerkstatt I Schulzeit in der DDR Brandenburger Schüler heute Sprachwerkstatt II Unser Projekt Ein Umfrageergebnis präsentieren: Die Wiedervereinigung heute Rund ums Thema Schicksal zweier Gebäude: der Reichstag und der Palast der Republik 44 vierundvierzig rn ie e f r e g r ü B r e Berlin m den Mauerfall a Tage nach dem 89 9. November 19 Es geschah im November A. Schauen Sie sich die Bilder an und beschreiben Sie sie. sich umarmen der Trabbi (Auto) die Menschenmenge durchbrechen das Brandenburger Tor sich die Hand geben B. Hören Sie den Ausschnitt aus einer Rede des Berliner Ex-Bürgermeisters Walter Momper. Was erzählt er? C. Lesen Sie diese Ausschnitte aus der Rede. Erklären Sie auf Französisch, was seiner Meinung nach zum Mauerfall geführt hat. „1989 im Sommer merkt man, dass in der DDR die oppositionelle Bewegung […] immer stärker wird, […] dass sich demokratische Vereinigungen bildeten.“ „[…] ohne den Freiheitskampf des polnischen Volkes in den 1980er Jahren wäre es wahrscheinlich auch für die Opposition in der DDR und in den anderen Ländern viel schwieriger gewesen, selbst die Freiheit zu erlangen.“ „Das Interessante war, dass sich die Tschechen, die Polen und die Ungarn weigerten, Menschen aus der DDR, die nach Westen wollten […], zurückzubringen in die DDR, wo sie ins Gefängnis kamen. Bis dahin war das so, dass alle diese Länder Osteuropas dabei mitmachten, dass keiner aus der DDR, aus ihren Ländern auch nicht, in den Westen gelassen wurde.“ fünfundvierzig 45 3 | Texte und Kontexte I 1. Die Berliner Mauer: Symbol des geteilten Deutschlands A. Lesen Sie den Text und erzählen Sie kurz die Geschichte der Mauer (in vier Schritten). Chronik der Berliner Mauer 5 10 15 20 25 30 15.06.1961 Staatsoberhaupt der DDR, am 1949 bis 1961 Nach der Gründung der DDR im Jahre 1949 ist die 45 Kilometer lange Sektorengrenze innerhalb Berlins zunächst offen. Viele Menschen nutzen diese zur Flucht: Zwischen 1945 und 1961 fliehen insgesamt 3,5 Millionen Menschen über die offene Grenze in den Westen. Da es sich dabei oft um gut ausgebildete junge Leute handelt, ist dies nicht nur ein politisches, sondern auch ein wirtschaft liches Problem für die junge DDR. Ein weiterer Negativpunkt sind die sogenannten „Grenzgänger“, etwa 50.000 Ost-Berliner, die jeden Tag zur Arbeit nach West-Berlin fahren, da sie dort viel mehr Geld verdienen. 12./13. August 1961 Anfang August wird in Moskau von den Führern der kommunistischen Parteien des Ostblocks die Abriegelung1 nach Westberlin beschlossen. In der Nacht vom 12. auf den 13. August beginnen Armee, Grenzpolizei und Kampftruppen ohne Vorankündigung2 damit, alle Straßen und die S-Bahn und U-Bahnlinien nach West-Berlin zu sperren3. West-Berlin wird so zu einer Insel innerhalb der DDR: von 156 Kilometern Mauer umgeben, bestückt mit 186 Beobachtungstürmen. Für den Schutz der Grenze sind die sogenannten „Grenztruppen“ zuständig, insgesamt etwa 11.500 Mann. 9. November 1989 Vieles hat sich in Ost und West geändert, nicht zuletzt dank der Perestroika-Politik des sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow, die das Ende des Kalten Kriegs bedeutet. Nach zahlreichen Massenprotesten und massiven Fluchtversuchen über verschiedene Botschaften4 wird am 9. November auf einer Pressekonferenz von der SED bekannt gegeben, dass DDR-Bürger ab sofort frei reisen dürfen. In dieser Nacht strömen5 Tausende von OstBerlinern in den Westteil der Stadt, wo sie begeistert empfangen werden. In den folgenden Tagen werden weitere Grenzübergänge geöffnet, erst später die Mauer abgerissen6. Die Mauer heute Die Mauer wurde zum größten Teil beseitigt7, nur an wenigen Stellen ist sie als Denkmal stehen geblieben. Für mauerinteressierte Berlinbesucher sind die Eastside-Gallery und das Haus am Checkpoint-Charlie einen Besuch wert. B. Welche alltäglichen Dinge konnten die Ostberliner nach dem 13. August nicht mehr unternehmen? Beschreiben Sie. C. Schreiben Sie für eine der Personen auf dem Foto einen Brief an einen Verwandten, der im Ostteil der Stadt wohnt. Cahier 46 „ Niemand hat die er Absicht, eine Mau zu errichten!“ Walter Ulbricht, sechsundvierzig Westberliner schauen in den Osten, 1961 Wortschatz 1 die Abriegelung la fermeture de l’accès 2 die Vorankündigung le préavis 3 sperren fermer 4 die Botschaft l’ambassade 5 strömen affluer 6 abreißen démolir 7 beseitigen enlever (Meine) liebe … / (Mein) lieber … r… Es ist unglaublich / schrecklich / unfassba Was steht bei euch über … in der Zeitung? Viele liebe Grüße Dein(e) … Texte und Kontexte I | 3 2. Berühmte Rede eines großen Politikers A. Lesen Sie die Rede von Willy Brandt und beachten Sie das Datum, an dem sie gehalten wurde. 5 10 15 20 25 30 L iebe Berlinerinnen und Berliner, liebe Landsleute von drüben und hüben1, dies ist ein schöner Tag nach einem langen Weg, aber wir befinden uns erst an einer Zwischenstation. Wir sind noch nicht am Ende des Weges angelangt2. Es liegt noch 'ne ganze Menge vor uns. Die Zusammengehörigkeit der Berliner und der Deutschen überhaupt manifestiert sich auf eine bewegende, auf eine uns aufwühlende3 Weise [...]. Mich hat auch das Bild angerührt4 von dem Polizisten auf unserer Seite, der 'rübergeht zu seinem Kollegen drüben und sagt: Jetzt haben wir uns so viele Wochen, vielleicht Monate auf Abstand gesehen, ich möchte Ihnen heute mal die Hand geben. Das ist die richtige Art, sich dem Problem zu nähern: einander die Hand zu geben [...]. Meine Überzeugung war es immer, dass die betonierte Teilung und dass die Teilung durch Stacheldraht5 und Todesstreifen6 gegen den Strom der Geschichte standen. Und ich habe es noch in diesem Sommer zu Papier gebracht – man kann es nachlesen, wenn man will –, ohne dass ich genau wusste, was im Herbst passieren würde: Berlin wird leben und die Mauer wird fallen. Übrigens, übrigens, liebe Freunde, ein Stück von jenem scheußlichen Bauwerk, ein Stück davon könnte man dann von mir aus sogar als ein geschichtliches Monstrum stehen lassen. Damals, im August ’61, haben wir nicht nur im Zorn gefordert: die Mauer muss weg. Wir haben uns auch sagen müssen, Berlin muss trotz der Mauer weiterleben. Wir haben die Stadt – mit Hilfe des Bundes, was wir auch nicht vergessen wollen – wiederaufgebaut. [...] Richtig war es auch, die Außenbedingungen für das geteilte Deutschland und die Menschen in ihm zu entlasten7 und zu verbessern, wo immer dies möglich war. Das war der Inhalt unserer Vertragspolitik8, auch mit wichtigen Partnern im Osten. Ich sag’ noch einmal: Nichts wird wieder so wie es einmal war. [...] Es gilt jetzt, neu zusammenzurücken9, den Kopf klar zu behalten, und das so gut wie möglich zu tun, was unseren deutschen Interessen ebenso entspricht wie unserer Pflicht gegenüber unserem europäischen Kontinent. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.« Willy Brandt in Plauen, Freistaat Sachsen, 1990 Der deutsche sozialdemokratische Politiker Willy Brandt (Lübeck, 1913 - Unkel 1992) war von 1957 bis 1966 Regierender Bürgermeister von Berlin und von 1969 bis 1974 vierter Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Für seine Ostpolitik, die auf Entspannung und Ausgleich mit den osteuropäischen Staaten ausgerichtet war, erhielt er am 10. Dezember 1971 den Friedensnobelpreis. Aus: www.bpb.de, Rede von Willy Brandt am 10. November 1989 vor dem Rathaus Schöneberg Wortschatz 1 von drüben und hüben de l’autre côté et de ce côté du mur 2 angelangt sein être parvenu quelque part 3 aufwühlend déchirant 4 anrühren émouvoir 5 6 7 8 9 der Stacheldraht le fil de fer barbelé der Todesstreifen le no man’s land entlasten décharger die Vertragspolitik la politique contractuelle zusammenrücken se rapprocher B. Willy Brandt benutzt in seiner Rede Bilder, die die Distanz und Nähe beschreiben. Können Sie entsprechende Textstellen finden? C. Willy Brandt hält eine politische Rede. Wo können Sie Stellen finden, die das deutlich machen? D. Für Willy Brandt ist der 10. November 1989 noch nicht das Ende des Weges. Wie drückt er das aus? siebenundvierzig 47 3 | Texte und Kontexte II 1. Bilder aus der DDR A. Diese Bilddokumente stammen aus der DDR der 1980er Jahre. Was erkennen Sie darauf? 2 3 1 B. Lesen Sie die Infotexte zu den Fotos und ordnen Sie sie zu. SED und Stasi Die DDR und der Westen „Der Westen“ stand für die Menschen in der DDR für A B Die SED regierte das Land bis ins Detail mit absoluter Macht. Das Ängste, Hoffnungen und konnte sie dank einer Basis von Sehnsüchte. Junge Leute 2,3 Millionen Mitgliedern, davon wollten gern Westmusik mehr als 100.000 Funktionären. hören oder träumten von Die Partei mischte sich ständig in modischen Klamotten aus private Probleme ein: Ehekrisen, dem Westen. Das Regime kleinere Probleme oder auch warnte davor: „Nichts Alkoholprobleme – alles wurde in verbindet uns mit der der Parteiversammlung diskutiert. imperialistischen BRD.“ Der Staatssicherheitsdienst half bei SED - Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands entstand 1946 in der sowjetischen Besatzungszone auf Initiative der Sowjetunion aus der Fusion der KPD (Kommunistischen Partei Deutschlands) und der SPD (Sozialistischen Partei Deutschlands). Das politische System der DDR kann man als „Parteidiktatur“ bezeichnen. der Kontrolle der Bürger. Die Kirche in der DDR Die Gesellschaft in der DDR war zwar betont atheistisch, aber die Rolle der Kirche war immer wichtig. Auf dem Büchertisch im Vorraum lagen Titel, die man im normalen Buchhandel nicht bekommen konnte. 1986 wurde im Keller der Ostberliner Zionskirche die erste Umweltbibliothek eingerichtet. Dort fand man Literatur, die offiziell verboten war. Auch Vorträge, Videovorführungen, Ausstellungen, Konzerte und Lesungen wurden organisiert. Die Fragen, die in der Schule oder bei der FDJ keiner stellen durfte, wurden hier diskutiert. C. Welche neuen Information haben Sie über die Fotos erhalten? Wählen Sie ein Foto aus und berichten Sie. DDR - Die Deutsche Demokratische Republik war bis 1989 ein diktatorisch regierter, sozialistischer Staat in Mitteleuropa. Er bestand von 1949 bis 1990. C Stasi - Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (kurz MfS oder Stasi) war vor allem ein Überwachungsinstrument der SED gegenüber der DDR-Bevölkerung, das dem Machterhalt diente. FDJ - Die Freie Deutsche Jugend und die Jungen Pioniere waren Jugendverbände der DDR. Hauptauftrag der Massenorganisationen war die Erziehungsarbeit: Alle Pioniere sollten zum Sozialismus erzogen werden. Auf dem Foto Nummer … sieht man … … Das Foto zeigt (ganz) deutlich, dass / wie Hier sieht / erkennt man … (sehr) gut. 48 achtundvierzig Texte und Kontexte II | 3 2. Alltag in der DDR A. Lesen Sie den Text und finden Sie heraus, was der Jugendliche für die Mitarbeiter der Staatssicherheit (Stasi) machen soll. Der Kontext: Jakob, ein Jugendlicher in der DDR, wird in das Büro des Schuldirektors gerufen. Zwei Mitarbeiter der Staatssicherheit warten auf ihn: Sie wollen seine Mithilfe. Dummheit schafft Freiheit 5 10 15 20 25 Ich ging also um 14 Uhr zum Direktorat. Der Direktor stand in seinem eigenen Vorzimmer1, schaute aufgeregt und bat mich, doch gleich in sein Zimmer durchzutreten. Dort saßen bereits zwei Herren in Anzügen, und der Direktor blieb draußen. Es waren die zwei Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit, die vor kurzem eine Informationsveranstaltung über neue Jugendkulturen an unserer Schule organisiert hatten. Die Situation war selbst für einen Sechzehnjährigen klar! Die beiden Herren kamen von der Stasi und zeigten mir, daß sie wußten, wo sie mich finden konnten. Und sie hatten genug Autorität, meinen Direktor aus seinem Zimmer zu werfen und mich fünf Minuten vor der offiziellen Pause aus dem Unterricht zu holen. […] Da die Ernsthaftigkeit klar genug demonstriert war, konnten mich die beiden freundlichst begrüßen. Sie fragten mich, wie denn die Schule so sei und ob ich immer noch Arzt werden wollte. […] Und was ich denn so in meiner Freizeit triebe? Ich sagte, so dies und das. Ob ich denn zum Beispiel auch manchmal in die Umweltbibliothek ginge. Neinein, was sei denn das? Na, eine Bibliothek, wo die Kirche Bücher zum Thema Umwelt sammelt, auch westliche Bücher. Na, das klingt doch gar nicht uninteressant, sagte ich, konnte doch eine gute Sache sein. Ja, das fanden die beiden Männer auch, aber leider würden sie ja für die Staatssicherheit arbeiten, und die hatte einen schlechten Ruf in der Kirche. Überrascht zog ich eine Augenbraue hoch: Ach? Jaja, dochdoch, aber trotzdem würde man ja mal gern wissen, was da so alles ist, in der Umweltbibliothek, und da wäre es vielleicht besser, wenn ich hinginge. Nicht daß es heißt, die Stasi hat mich in die Umweltbibliothek geschickt, einfach nur mal so. Wir treffen uns dann noch mal und können über alles reden. Ich war regelmäßiger Besucher der Umweltbibliothek. Wir sagten immer »Zierfischladen2«, denn in der Nahe der Bibliothek war ein Zierfischladen, an dem wir uns vorher trafen. Ich sagte zu, denn ich wollte dieses Gespräch hier so schnell wie möglich beenden. […] Die Stasi meldete sich wieder, wir verabredeten uns in einer Gaststätte, wo ich die zwei Herren sehr übellaunig3 antraf. Mein Bericht aus der Umweltbibliothek (»da stehen lauter Bücher über Umwelt herum«) stieß4 auf wenig Interesse bei ihnen. […] Danach wurde meine Kaderakte5 bei der Staatssicherheit geschlossen. Aber es gab Anzeichen dafür, daß das Interesse an meiner Person nicht erloschen6 war. Wortschatz 1 das Vorzimmer l’antichambre 2 der Zierfischladen le magasin de poissons exotiques 3 übellaunig de mauvaise humeur 4 auf etw. stoßen tomber sur qqch. 5 die Kaderkarte la carte du parti (SED) 6 erloschen éteint, -e Jakob Hein (Leipzig, 1971) ist Sohn des Schriftstellers Christoph Hein und der Filmregisseurin Christiane Hein. Nach einem Medizinstudium in Berlin, Wien, Stockholm und Boston arbeitet er heute als Schriftsteller, Vorleser und als Arzt in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Berliner Universitätskrankenhaus Charité. Aus: Jakob Hein, „Dummheit schafft Freiheit“, in „Mein erstes T-Shirt“, 2001 B. Warum brauchen die Stasi-Beamten die Hilfe des Jungen? Was können Sie in diesem Text über die Stasi erfahren? Cahier C. Schreiben Sie den Bericht des Jugendlichen für die StasiBeamten. Benutzen Sie dabei die Informationen auf Seite 48 und aus dem Text aus 2A. (Stadt), am 10. Mai 19… Am Sonntag war ich … Die Umweltbibliothek befindet sich … Dort habe ich … gesehen. Da stehen lauter Bücher über … Zusammenfassend kann ich sagen … neunundvierzig 49 3 | Texte und Kontexte III 1. Kinder des Sozialismus Sehen Sie sich das Plakat an und überlegen Sie zu zweit. Tauschen Sie sich anschließend in der Klasse aus. 1. Was ist auf dem Plakat zu sehen? 2. Welche Atmosphäre vermittelt das Foto? 3. Wie könnte der Slogan auf Französisch lauten? 4. Für wen ist das Plakat wohl gedacht? Wortschatz 1 die Fürsorge l’attention, les soins 1 DDR-Werbung für Erziehung im Sinne des Sozialismus 2. Besondere Erziehungsmaßnahmen A. Sehen Sie sich das Buchcover an. Worum geht es wohl in diesem Roman? B. Lesen Sie jetzt den Kontext und den Romanauszug. Der Kontext: Anja fehlt öfter mal in der Schule und ist rebellisch. Nachdem ihre Mutter von der Stasi verhaftet wird, kommt die 14-Jährige in ein Erziehungsheim. Nach einem Fluchtversuch bringt man sie in eine geschlossene Einrichtung: dem „Jugendwerkhof Torgau“ bei Leipzig. Weggesperrt 5 10 50 Sie standen da in einer Linie auf dem Flur, sortiert nach Größe, gerade wie Soldaten, stumm, mit völlig ausdruckslosen Gesichtern. Alle trugen das gleiche kurze rote Sportzeug und den gleichen Haarschnitt. Die Erzieherin befahl etwas und eines der Mädchen löste1 sich aus der Mitte und gesellte2 sich zu Anja. »Mitkommen!«, sagte sie zu ihr, als wäre sie auch eine von den Erwachsenen, die sich, aus welchem Grund auch immer, Erzieher nannten. Das Bett aus Metall, das ihr zugewiesen 3 wurde, war dreistöckig. So etwas hatte sie noch nie gesehen, nicht einmal im schäbigsten4 Ferienlager. Aber was sollte sie jetzt noch überraschen? Alles hier sah nach Knast 5 aus, nach einem Ort, von dem sie nie wieder wegkommen würde. Wie sollte sie hier existieren? Wie konnte sie hier überleben? Sie spürte eine Welle der Panik in sich aufsteigen. fünfzig Grit Poppe (Boltenhagen an der Ostsee, 1964) lebt als freie Autorin mit ihrer Familie in Potsdam. Für ihren Jugendroman „Weggesperrt“ erhielt sie den GustavHeinemann-Friedenspreis 2010. Wortschatz 1 sich lösen se détacher 2 sich gesellen zu rejoindre 3 etw. zuweisen assigner qqch. 4 schäbig minable 5 der Knast la taule (terme familier pour prison) Texte und Kontexte III | 3 15 20 25 30 35 »Na, pack schon an! Das muss schneller gehen!« Das Mädchen half ihr ungeduldig das Laken6 über die fleckige Matratze zu ziehen und das Bett der mittleren Etage zu bauen. Wie sollte sie da schlafen, eingequetscht7 in dieser Sardinenbüchse? Die Kleidungsstücke wurden in einem Nebenraum in Regale geräumt. Jedes Unterhemd, jeder Schlüpfer8 musste in ein viereckiges Päckchen verwandelt und nach einem genau vorgegebenen System in die offenen Metallregale gelegt werden. Es gab weder Türen noch Seitenwände, man konnte in jedes Fach hineinsehen. Überall lagen die gleichen Wäschestapel9. Kein Buch, kein Foto, kein Schmuck, kein Lippenstift - nichts verriet10, dass hier junge Frauen lebten. Anja zitterten die Finger, und als ihre Wäschepyramide ins Wanken geriet11, brach ihr der Schweiß12 aus . »Das muss alles stehen, sonst bist du dran!« Das Mädchen seufzte und schob sie mit einer ungeduldigen Bewegung beiseite. »Lass mich mal und du zieh dich um, Sportzeug, na, nun mach schon!« […] Wenig später stand sie selbst in der Reihe, stocksteif13, die Arme an den Körper gepresst. War sie jetzt eine von ihnen? Während des Zählens war sie die Nummer acht. Sie sagte »Acht« und drehte den Kopf nach links. Sie hörte die Nummer neun »Neun« sagen und schob sich den Daumen gegen den nackten Schenkel14. Vielleicht gab es ja doch noch eine Chance aus diesem Albtraum15 zu erwachen? Aber ihr Nagel war zu kurz, sie hatte ihn im Arrest abgeknabbert16 und sie fühlte nur, dass sie immer weniger fühlte. Keinen Schmerz, keine Wut. Nicht mal Angst. Nur etwas Dumpfes17, Taubes. Und in ihrem Kopf war es leer. Aus: Gritt Poppe, „Weggesperrt“, Cecilie Dressler Verlag, 2011 C. Wie war der Alltag im Jugendwerkhof? Notieren Sie konkrete Elemente, die darüber informieren. Cahier D. Wie fühlt sich die Protagonistin? Suchen Sie die betreffenden Textstellen. Wortschatz 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 das Laken le drap einquetschen serrer, tasser der Schlüpfer la culotte der Wäschestapel le tas de linge verraten trahir ins Wanken geraten chanceler in Schweiß ausbrechen avoir des sueurs stocksteif raide comme un bâton der Schenkel la cuisse der Albtraum le cauchemar abknabbern ronger dumpf mat 3. Jugendwerkhof Torgau A. Bilden Sie Kleingruppen und sammeln Sie im Internet Informationen zum Jugendwerkhof Torgau. B. Jede Gruppe spezialisiert sich auf einen Aspekt und bereitet eine kleine Präsentation dazu vor. Die Geschichte des Jugendwerkhofs Torgau Persönliche Erfahrungsberichte von ehemaligen Insassen Charakteristiken des Gebäudekomplexes Der Jugendwerkhof Torgau heute Gründe für die Internierung von Jugendlichen C. Jede Gruppe stellt ihr Thema vor. Am Ende der Präsentation gibt jedes Gruppenmitglied ein persönliches Statement zu seiner Recherche ab. einundfünfzig 51 3 | Texte und Kontexte IV 1. Der Westen ist besser ... A. Lesen Sie den Liedtext und stellen Sie anhand der Leitfragen Vermutungen an, auf welche Aspekte der Autor sich mit seinen Aussagen jeweils bezieht. Berliner Liedchen 5 Der Westn1 is besser Der Westn is bunter Und schöner und schauer2 Und reicher und frei Und trotzalledem Ich sag dir die Wahrheit: Der Westn is ooch nich – det Gelbe von´ Ei3 10 15 Der Ostn4 is schlechter Der Ostn is grauer Und klein sind die Chancen Und groß ist die Not5 Und trotzalledem: Der Traum der Commune Der schlief nur und is doch – noch lange nich tot Wortschatz 1 Der Westn ici, Westberlin 2 schauer ici, schicker, cooler 3 is ooch nich det Gelbe von´ Ei (berlinerisch für: ist auch nicht das Gelbe vom Ei) le nec plus ultra 4 Der Ostn ici, Ostberlin 5 die Not la misère © 1991 by Wolf Biermann 1. Was ist im Westen wohl besser als im Osten? 6. Warum und für wen ist der Osten wohl schlechter? 2. Was ist im Westen wohl bunter als im Osten? 7. Warum sind die Chancen im Osten nicht so groß, wie im 3. Was könnte wohl im Westen schöner sein als im Osten? 4. Wer ist im Westen reicher als im Osten? Westen? 8. Was ist wohl mit „groß ist die Not“ gemeint? 5. Wer ist im Westen frei? Sind alle Menschen im Westen frei? B. Welche Einwände bringt der Autor, eingeleitet mit „trotzalledem“, vor? Welche Einstellung hat der Autor zu Westberlin und Ostberlin? C. Lesen Sie die Vita des Liedermachers. Wie glauben Sie, stellt er sich eine bessere Zukunft vor? Warum hatte er wohl Probleme im Osten und im Westen? 1936 Wolf Biermann wird in Hamburg als Sohn eines jüdischen Hafenarbeiters geboren. 1943 Der Vater wird in Auschwitz als Mitglied des kommunistischen Widerstandes1 ermordet. 1953 Biermann siedelt mit 17 Jahren in die DDR über. ab 1953 Studium der Ökonomie, Philosophie und Mathematik an der Humboldt-Universität Berlin. 1957 bis 1962 Theaterarbeit am Berliner Ensemble und Berliner Arbeiter- und Studententheater. Erste Lieder und Gedichte. ab 1965 Totales Auftritts- und Publikationsverbot in der DDR. Wolf Biermann wird zum radikalen Kritiker der Parteidiktatur der DDR. 1976 Ausbürgerung3 aus der DDR. Die Folge ist eine große Protestbewegung in Ost und West. Er kehrt nach Hamburg zurück. Wolf Biermann wurde für seine Gedichte mit vielen großen deutschen Literaturpreisen ausgezeichnet. Er gibt Konzerte in vielen Ländern der Welt und ist für seine kritischen Essays über Politik und Gesellschaft bekannt. 52 zweiundfünfzig Wolf Biermann ist ein politisch engagierter Liedermacher. Wortschatz 1 der Widerstand la résistance 2 die Veröffentlichung la publication 3 die Ausbürgerung la déchéance de la nationalité Texte und Kontexte IV | 3 2. Ostalgie A. Kennen Sie den Begriff „Ostalgie“? Was assoziieren mit diesem Neologismus? Sammeln Sie Ideen in der Klasse. Piste 9 Piste 10 Wahrscheinlich / Vermutlich bedeutet diese Wor t ... Für mich klingt „Ostalgie“ nach ... B. Hören Sie den ersten Teil einer Radiosendung zum Thema Ostalgie. Lagen Sie mit Ihren Vermutungen richtig? Ich könnte mir vorstellen, dass ... Bestimmt / Sicher hat etwas mit ... zu tun. C. Verschiedene Hörer rufen beim Sender an und berichten über ihre Bestellungen im Ostalgie-Onlineshop. Hören Sie die Anrufe und ergänzen Sie die Tabelle. Cahier www.ostshop.com Anrufer 1 Anrufer 2 Anrufer 3 Name des Produktes Ist es auf dem Foto abgebildet? Getränke Produktart Kleidung und Accessoires Warum wurde es gekauft? Lebensmittel Haushaltswaren Spielwaren D. Warum glauben Sie, dass Ostalgie in Deutschland so populär geworden ist? dreiundfünfzig 53 3 | Sprachwerkstatt I 1. Schulzeit in der DDR A. Betrachten Sie das Foto aus der DDR-Zeit und beschreiben Sie es im Detail. Was machen die Schüler wohl? B. Lesen Sie den Sachtext zur Schule in der DDR und überlegen Sie: Welche Unterschiede zur Schulzeit in westlichen Ländern werden hier erwähnt? Sammeln Sie sie in der Klasse. Auf dem Foto sieht man … Es wird … gezeigt. Das Foto wurde wahrscheinlich … gemacht Es ist interessant / ungewöhnlich, dass … . Es überrascht, dass … Die Schulzeit 5 10 15 In der DDR gab es keine verschiedenen Schulformen, sondern alle gingen von der 1. bis zur 10. Klasse in die Polytechnische Oberschule (POS). Es bestand allerdings die Möglichkeit nach der 8. Klasse abzugehen1. Mit 14 Jahren feierten die meisten DDR-Teenies die Jugendweihe2. Die Jugendweihe wurde als Ersatz für kirchliche Feiern wie Kommunion und Konfirmation eingeführt. Dafür zog man schicke Klamotten an und bekam eine Urkunde überreicht3. Anders als im Westen mussten sich Jugendliche in der DDR recht früh überlegen, was sie einmal beruflich machen wollen. Nur etwa 10 Prozent eines Jahrgangs durften Abitur machen. Die Auswahl fand nach bestimmten Kriterien statt. Die schulischen Leistungen waren natürlich wichtig, aber es wurde auch nach Herkunft entschieden. Dafür gab es im Klassenbuch drei Fächer. Schülerparade in der DDR, 18. August 1970 „Intelligenz“, „Arbeiter“ und „Bauern“. Ein Schüler mit Arbeitereltern hatte gegenüber einem Kind, dessen Eltern ebenfalls schon studiert hatten, gute Chancen bevorzugt4 zu werden. Wer kein Abitur an der Erweiterten Oberschule (EOS) machen durfte, der erlernte sofort einen Beruf. […] Aus: www.planet-wissen.de, Andrea Oster, 01.06.2009 C. Um einen Text sachlich-informativ zu gestalten, gibt es verschiedene Stilmittel. Notieren Sie aus dem Text Beispiele zu den unten stehenden Konstruktionen. D. Verfassen Sie einem Sachtext mit dem Titel „Die Schule in Frankreich“. Verwenden Sie dabei Stilmittel aus allen vier Kategorien der Grammatikleiste. Wortschatz 1 abgehen quitter (l’école) 2 die Jugendweihe célébration solennelle qui remplaçait la confirmation et signifiait l’admission des adolescents dans la société socialiste adulte 3 eine Urkunde überreichen remettre un diplôme 4 bevorzugt werden être privilégié Cahier Exprimer une généralité es gibt / es gab [il y a, il y avait / eut] wer [celui qui] • InderDDRgab esnureineSchulform. • WerkeinAbiturmachendurfte,dererlernteeinenBeruf. man [on] • ManbekameineUrkundeüberreicht. Le passif permet de ne pas nommer le sujet d’une action, soit parce qu’on ne le connaît pas, soit parce qu’il est trop évident. • InderDDRwurdedieJugendweiheeingeführt. Voir GrammatikimÜberblick, page 152. 54 vierundfünfzig Sprachwerkstatt I | 3 2. Brandenburger Schüler heute A. Lesen Sie den Artikel über eine Umfrage unter ostdeutschen Schülern. Was wird im Text beschrieben? Bei einer Umfrage … Weniger als die Hälfte … Besonders überraschend … Ach, wie schön war's in der DDR Eine Diktatur? Brandenburger Schüler sehen die DDR in einem ganz anderen, romantischen Licht: als Sozialparadies mit Rundum-Versorgung1, brummender Wirtschaft2, sauberer Umwelt. Die Zehnt- und Elftklässler sind geschichtlich ahnungslos – und Berliner Forscher erschüttert3. Fast 80 Prozent … Die brandenburgischen Schüler idealisieren die soziale Seite der DDR und zögern4 gleichzeitig, sie als Diktatur zu bezeichnen: Bei einer Umfrage zum DDR-Bild von Schülern kreuzte weniger als die Hälfte an, das SED-Regimes sei eine Diktatur gewesen. Rund ein Viertel hielt dagegen die DDR „ausdrücklich für keine Diktatur“. […] Jetzt liegen die Ergebnisse aus Brandenburg vor. Besonders überraschend: Die Zehnt- und Elftklässler aus Frankfurt an der Oder, Neuruppin und Potsdam wissen noch weniger über die DDR-Vergangenheit als ihre Altersgenossen1 aus Bayern, Nordrhein-Westfalen und Westberlin. „Dies ist angesichts der Tatsache, dass Brandenburg Teil der DDR war, ein beschämendes5 Ergebnis“, heißt es in der Studie. […] Mehr als 70 Prozent der Schüler konnten von insgesamt 18 Wissensfragen zur DDR im Fragebogen6 nur die Hälfte beantworten – oder weniger. Mehr als jeder Zweite wusste nicht, wann und von wem die Berliner Mauer gebaut wurde. Nur rund jeder Dritte wusste, dass die Lebenserwartung in der DDR niedriger war als in der BRD, nur 17 Prozent trauten7 der DDR die Todesstrafe zu, und mehr als 40 Prozent der Schüler glaubten, die Umwelt sei in der DDR sauberer gewesen als im Westen. […] Fast 80 Prozent der Schüler haben in den Fragebögen außerdem angekreuzt, wenig oder gar nichts über die DDR zu wissen – und mehr als zwei Drittel von ihnen wollen mehr über den SED-Staat lernen. Wortschatz 1 die Rundum-Versorgung la prise en charge totale 2 die brummende Wirtschaft l’économie qui marche bien 3 erschüttert attérer 4 zögern hésiter 5 beschämend honteux 6 der Fragebogen le questionnaire 7 jmdm. etwas zutrauen croire qqn capable de Aus: Markus Flohr, SPIEGEL ONLINE, 27. 12.2007 B. Im Text wird die befragte Gruppe mit verschiedenen Ausdrücken bezeichnet. Notieren Sie sie. C. Zur Beschreibung der Untersuchung werden spezielle Redemittel verwendet. Notieren Sie möglichst viele. Exprimer des quantités commenter des statistiques keine // wenige // einige // manche // mehrere // viele // die meisten // alle • AllePionieresolltenzumSozialismuserzogenwerden. • Mit14Jahrenfeiertendie meistenDDR-TeeniesdieJugendweihe. Pour exprimer la partie d’un tout, on utilise le génitif. • 12 % derJugendlichenstimmenmitderAussageüberein. • Die HälftederSchülerwusstenicht,dassesdieTodesstrafegab. • Die Mehrheit derBevölkerungistnichtgutinformiert. • Über ein Drittel desbefragtenBevölkerungsteils denkt,dassdie DDRüberwiegendguteSeitenhatte. • Nurein kleiner Teil derBefragtenausWestdeutschlanddenkt,dass dieDDRmehrgutealsschlechteSeitenhatte. Wenig et viel sont invariables au singulier. • DieSchülerhabenwenigWissenüberdieDDR. Voir GrammatikimÜberblick, page 154 fünfundfünfzig 55 3 | Sprachwerkstatt II Unser Projekt Ein Umfrageergebnis präsentieren: Die Wiedervereinigung heute Sich vorbereiten 1. 20 Jahre danach A. Sehen Sie sich die Grafik an: Entnehmen Sie der Grafik Informationen zu diesen Punkten und erklären Sie sie in der Klasse. 1. Durchführungszeitraum 3. Anzahl der befragten Personen 2. Zentrale Fragestellung 4. Einzelne Thesen 5. Funktion der farbigen Prozentangaben Der Kontext: Mitte 2009 wurde eine großangelegte Umfrage durchgeführt: Man wollte feststellen, was Bundesbürger in Ost und West 20 Jahre nach dem Mauerfall über das vereinigte Deutschland denken. 50 Wie beurteilen Sie rückblickend das Leben in der DDR? Welcher These stimmen Sie am ehesten zu? Ost West Angaben in Prozent Befragt: 1208 Personen 40 30 20 10 0 Die DDR hatte ganz überwiegend schlechte Seiten. Man lebte in einer Diktatur, und in vielen Bereichen herrschte Mangel. Die DDR hatte mehr schlechte als gute Seiten. Es gab viele Probleme, aber zur Not konnte man mit der Situation fertig werden. Die DDR hatte mehr gute als schlechte Seiten. Es gab ein paar Probleme, aber man konnte dort gut leben. Repräsentative Befragung in eigenem Auftrag, durchgeführt von TNS Emnid, 20-23.04.2009; Abweichungen von 100 % sind rundungsbedingt. 3 % der Ostdeutschen und 4 % der Westdeutschen gaben keine Antwort. Piste 11 Piste 11 Cahier 56 B. Hören Sie den Bericht über die Studie. Welche der vier Diagramme werden im Detail erklärt? C. Hören Sie sich die Erklärungen zur Grafik nochmals an. Achten Sie dabei auf ähnliche Formulierungen wie auf Seite 55 und notieren Sie sie. sechsundfünfzig Die DDR hatte ganz überwiegend gute Seiten. Man lebte dort glücklich und besser als heute im wiedervereinten Deutschland. Quelle: TNS Emnid, 20-23.04.2009 D. Arbeiten Sie zu zweit. Erklären Sie sich gegenseitig die Diagramme, die in der Sendung nicht genauer kommentiert wurden. Sprachwerkstatt II | 3 2. Die Wiedervereinigung heute Struktur einer Umfrageauswertu ng Einleitung Schritt für Schritt Ziel der Umfrage Wer wurde befragt (Alter, Herkun ft, Anzahl der Befragten)? A. Sehen Sie sich die Fragestellungen und Ergebnisse dieser Umfrage genau an. Machen Sie sich Notizen und ordnen Sie diese der Struktur zu. Hauptteil Beschreibung der Umfrageergebnis se Prozentangaben in allgemeine Ang aben umformulieren Die Studie wurde im Jahre … durchgeführt. Schluss Es wurden ... Personen befragt. persönlicher Kommentar: Wie Fast ein Viertel der Befragten meint, dass … interpretieren Sie die Ergebnisse? Was hat Sie überrascht? Fazit Ich persönlich finde das (nicht sehr) überraschend. Zusammenfassend kann man sagen, dass ... Der Kontext: Die Jugendzeitschrift Spiesser führte 2010 eine Umfrage unter Jugendlichen im Alter von 14 bis 29 Jahren über die Deutsche Einheit durch. 1 3 Zur Info: Die Wiedervereinigung Deutschlands f inden vor allem die Jugendlichen und die jungen Erwachsenen gut. Zwar gab es Jahre nach der offiziellen Deutschen Einheit 1990 noch viele Klischees und Vorurteile von den „Ossis“ und den „Wessis“, und sie sind bis heute nicht restlos verschwunden. Doch mit den Jugendlichen von heute wächst eine Generation heran, die sich nicht mehr westdeutsch oder ostdeutsch fühlt. Zur Info: Wichtig ist auch, überhaupt was über die DDR zu erfahren: Laut einer Schülerbefragung im Auftrag der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur fanden 2005 knapp 84 Prozent der Schüler, es sei wichtig, sich im Unterricht mit der DDR zu beschäftigen. 2 4 Zur Info: Die DDR gab sich nach außen als Demokratie und Rechtsstaat, doch in Wahrheit legte die SEDFührung fest, was Recht und Gesetz war. Widersacher wurden bestraft, Verdächtige überwacht, die Presse zensiert und es gab keine freien Wahlen. Mehr als 130 Menschen starben bei einem Fluchtversuch an der Berliner Mauer. Zur Info: Vier Prozent der westdeutschen Abiturienten beginnen ein Studium im „Osten“ – andersherum sind es 20 Prozent. Je weiter die Befragten im Westen wohnen, desto geringer ist die Bereitschaft, ostwärts zu ziehen. Aus: www.spiesser.de Jet zt geht's los! B. Stellen Sie Ihre Präsentation in der Klasse vor. Ihre Mitschüler können Ihnen dazu auch Fragen stellen. siebenundfünfzig 57 3 | Rund ums Thema Schicksal zweier Gebäude DER REICHSTAG – EINE DEUTSCHE GESCHICHTE Der Reichstag zählt zu den markantesten und interessantesten Sehenswürdigkeiten von Berlin. Nachdem Berlin im Jahre 1871 zur neuen Hauptstadt des Deutschen Kaiserreiches ernannt worden war, begab man sich auf 5 die Suche nach einer neuen Heimat für das Parlament. So wurde, ganz in der Nähe des Brandenburger Tores, nach Plänen des Architekten Paul Wallot in den Jahren von 1884 bis 1894 der Reichstag errichtet. Schon während der Bauarbeiten tauchten1 die ersten Probleme auf: So 10 musste der Kuppelbau des Reichstages auf Wunsch von Kaiser Wilhelm II. niedriger ausfallen2 als der des Berliner Schlosses. Die Inschrift „Dem Deutschen Volke“ konnte auch erst 1916 angebracht3 werden, da diese Formulierung dem Kaiser zu demokratisch war. 15 Es folgten jedoch viele geschichtliche Ereignisse, die erheblichen Einfluss auf die jeweilige Zeit hatten. So rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann am 9. November 1918 von einem Fenster des Reichstages die Weimarer Republik aus 4. Das Brennen des Reichstages 20 im Februar 1933 nutzte Hitler als Vorwand, das Ermächtigungsgesetz5 und somit die Herrschaft der Nationalsozialisten durchzusetzen. Und schließlich ist auf vielen Bildern das Hissen der sowjetischen Fahne auf dem Dach des Reichstages dokumentiert – dies war ein Symbol 25 für die Beendigung des Zweiten Weltkrieges. A. Lesen Sie den Text und dokumentieren Sie die historische Wandlung des Reichstags: Finden Sie eine passende Bildunterschrift für jedes Foto. B. Was könnte die Glaskuppel von Norman Foster symbolisch darstellen? Sammeln Sie Ihre Hypothesen in der Klasse. C. Suchen Sie im Internet Informationen zur symbolischen Bedeutung der begehbaren Glaskuppel. Fassen Sie die Resultate Ihrer Recherche sachlich-informativ zusammen. 58 achtundfünfzig Wortschatz 1 auftauchen (Problem) se produire 2 niedriger ausfallen être plus bas 3 anbringen fixer 4 die Republik ausrufen proclamer la république 5 das Ermächtigungsgesetz la loi sur les pleins pouvoirs Rund ums Thema | 3 DER PALAST DER REPUBLIK – EIN POLITIKUM Der Palast der Republik, der neue Sitz der Volkskammer1 der DDR, wurde am 23. April 1976 nach nur zweieinhalb Jahren Bauzeit feierlich eröffnet. Der Palast der Republik wurde teilweise auf dem Gelände des im 2. Weltkrieg zerstörten Berliner 5 Stadtschlosses errichtet2. Der Palast der Republik war nicht nur Sitz der DDR-Volkskammer, sondern in ihm waren auch zahlreiche Foyers, Restaurants, Festsäle und eine Kegelbahn zu finden. So diente der kleine Saal als Sitz der Volkskammer, und der große Saal wurde für Festveranstaltungen genutzt. Wegen akuter Asbestverseuchung3 wurde der Palast im Jahre 1990 geschlossen. 10 2002 beschloss der Bundestag den Abriss4 des Palastes der Republik. Die Kosten dafür betrugen zwischen 20 und 60 Millionen Euro. Mit den Abrissarbeiten wurde im Februar 2006 begonnen und sie fanden Ende 2008 ihren Abschluss. Aus: www.ost-berlin.de Zwischen den Jahren 1957 und 1972 wurde der Reichstag nach seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg zunächst nur in vereinfachter Form wieder aufgebaut und renoviert. In 30 den Blickpunkt der Öffentlichkeit geriet der Reichstag abermals bei der Feier zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990. Im Sommer 1995 verhüllten die beiden Verhüllungskünstler Christo und Jeanne- 35 Claude den Reichstag und lockten mit diesem Kunsthappening viele Besucher an. Nach Beendigung dieser spektakulären Verhüllung wurde der Reichstag nach den Plänen des britischen Architekten Sir Norman 40 Foster komplett neu ausgebaut und unter Der Palast der Republik mit parkenden „Trabbis“, 1977 anderem mit einer riesigen begehbaren Glaskuppel versehen. Nach dem Umzug des Regierungssitzes nach Berlin im Jahr 1999 wurde der Reichstag auch wieder Heimat des 45 deutschen Parlamentes, dem Bundestag. Wortschatz 1 2 3 4 die Volkskammer la chambre du peuple (parlement de l’ancienne RDA) errichten construire Asbestverseuchung contaminé par l’amiante der Abriss la démolition Aus: www.berlin.citysam.de „Es geht mir um eine menschliche Architektur.“ 35), Norman Foster (19 britischer Architekt A. Was finden Sie an der Geschichte dieses Gebäudes interessant oder ungewöhnlich? B. Viele Menschen wollten den Palast der Republik als Denkmal erhalten und schreiben auch heute noch in verschiedenen Internetforen darüber. Was denken Sie darüber? Geben Sie eine kurze Stellungnahme ab. neunundfünfzig 59