Mendel Verlag - EFA

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Mendel Verlag - EFA
Mendel Verlag
Schriftenreihe
des Europäischen Forums
für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll e.V.
an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
Band 27
Trade Facilitation –
WTO-Recht und dessen Reform
zur Erleichterung
des internationalen Warenhandels
Inaugural-Dissertation
zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der
Rechte durch die Rechtswissenschaftliche Fakultät der
Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
vorgelegt von
Carolin Eve Bolhöfer
geboren in Oldenburg (Oldb.)
Mendel Verlag
D6
Mendel Verlag GmbH & Co. KG
Gerichtsstraße 42, 58452 Witten
Telefon
+49-2302-202930
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[email protected]
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mendel-verlag.de
ISBN 3-930670-96-8
Alle Angaben ohne Gewähr. Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigungen jeglicher Art sind nur
nach Genehmigung durch den Verlag erlaubt.
Herausgeber:
Europäisches Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll e. V.,
Universitätsstr. 14–16, 48143 Münster, E-Mail: [email protected]
Einbandentwurf:
KJM GmbH Werbeagentur, Hafenweg 22, 48155 Münster, Internet:
www.KJM.de
© 2006 by Mendel Verlag GmbH & Co. KG, 58452 Witten
Meiner Familie
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemster 2005 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster
als Dissertation angenommen.
Mein ganz herzlicher Dank gilt dem Betreuer meiner Arbeit, Herrn Professor Dr. Hans-Michael Wolffgang, Institut für Steuerrecht, der mir die Anregung zur Themenwahl gegeben hat, der mich stets nach Kräften förderte und
mir mit seinen Kontakten zu verschiedenen internationalen Organisationen
entscheidende Hilfen zum Gelingen dieser Arbeit stellte. Ihm verdanke ich
meine 3 ½ jährige Tätigkeit für das Europäische Forum für Außenwirtschaft,
Verbrauchsteuern und Zoll e.V. (EFA) während meines Studiums, die überaus lehrreich war und die in mir das Interesse für das Außenwirtschafts- und
Zollrechtrecht weckte. Seine Verbindungen zur Welthandelsorganisation
(WTO) in Genf ermöglichten mir im Jahre 2003 zudem ein dreimonatiges
Praktikum in der für Trade Facilitation zuständigen Division für Marktzugang. Die sehr interessante Tätigkeit dort verschaffte mir wertvolle Einblicke in die multilateralen Verhandlungen zum Thema Trade Facilitation und
versetzte mich in die Lage, Quellen und Kontakte für die weiteren Forschungen zu erschließen.
Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei Herrn Professor Dr. Dirk Ehlers,
Institut für Öffentliches Wirtschaftsrecht der Universität Münster, für die
zügige Erstellung des Zweitgutachtens.
Bedanken möchte ich mich des weiteren bei Frau Dr. Nora Neufeld vom
WTO-Sekretariat, die mir während meiner Zeit in Genf mit Rat und Informationen aus erster Hand zur Seite stand.
Eine besonderer Dank gilt schließlich meiner Familie und meinen guten
Freunden für ihr Verständnis und ihre Hilfe. Insbesondere danke ich meinem
Vater, der durch seine uneingeschränkte Unterstützung einen ganz entscheidenden Anteil am Gelingen dieser Arbeit hat.
Köln, Juli 2006
Carolin Bolhöfer
VII
VIII
Inhaltsübersicht
Seite
Vorwort ....................................................................................................... VII
Inhaltsverzeichnis .........................................................................................XI
Abkürzungsverzeichnis........................................................................... XXIII
Einleitung .............................................................................................1
Gegenstand der Untersuchung und Vorgehensweise ................................ 2
Kapitel A: Überblick ...........................................................................5
1. Hintergrund.............................................................................................. 5
2. Trade Facilitation..................................................................................... 6
3. Trade Facilitation in der Praxis.............................................................. 9
4. Potential von Trade Facilitation ........................................................... 16
5. Bestandsaufname ................................................................................... 22
Kapitel B: Trade Facilitation in der Welthandelsorganisation .....25
1. Die aktuelle Diskussion ......................................................................... 25
2. Entwicklungen von Trade Facilitation in der WTO........................... 28
3. Bewertung............................................................................................... 37
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO .......................39
1. Einordnung des Rechtgebiets ............................................................... 39
2. Hintergrund: Vom GATT zur World Trade Organisation................... 39
3. Die Struktur der WTO .......................................................................... 41
4. Die Rechtsordnung der WTO ............................................................... 51
IX
Inhaltsübersicht
5. Rechtsquellen der WTO-Rechtsordnung ............................................ 57
6. Die Rechtliche Einordnung des Doha-Mandats.................................. 68
7. Konsequenzen für ein Trade Facilitation Agreement......................... 73
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade
Facilitation .......................................................................75
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994 ........................... 75
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen............................................. 119
3. Trade Facilitation-Aspekte in GATS und TRIPS ............................. 169
4. Prinzipen des WTO-Rechts................................................................. 183
5. Ergebnis ................................................................................................ 212
Kapitel E: „… drawing on the work of other organisations …“ –
Ergebnisse der Arbeiten in anderen Organisationen.. 215
1. Die World Customs Organisation (WCO)......................................... 215
2. Die Vereinten Nationen........................................................................ 233
3. Die Weltbank ........................................................................................ 239
4. Das internationale Handelszentrum der UNCTAD/WTO (ITC) .... 240
5. Die Internationale Handelkammer (ICC) ......................................... 240
6. Die ISO.................................................................................................. 242
7. Global Facilitation Partnership (GFP) .............................................. 243
Kapitel F: Positionen zu Trade Facilitation auf WTO-Ebene.....245
1. Trade Facilitation aus Sicht der Europäischen Gemeinschaft ........ 245
2. Trade Facilitation aus Sicht der Literatur ........................................ 261
X
Inhaltsübersicht
Kapitel G: Fazit ...............................................................................271
1. Die gegenwärtige Rechtslage .............................................................. 271
2. Notwendige Neuerungen ..................................................................... 272
3. Aussichten ............................................................................................. 273
Literaturverzeichnis .........................................................................277
XI
Inhaltsverzeichnis
Seite
Vorwort ....................................................................................................... VII
Inhaltsübersicht.............................................................................................IX
Abkürzungsverzeichnis........................................................................... XXIII
Einleitung .............................................................................................1
Gegenstand der Untersuchung und Vorgehensweise ................................ 2
Kapitel A: Überblick ...........................................................................5
1. Hintergrund.............................................................................................. 5
2. Trade Facilitation..................................................................................... 6
2.1. Der Begriff .............................................................................................. 7
2.2. Vom Begriff umfasste Aktivitäten .......................................................... 7
2.3. Definition ................................................................................................ 9
3. Trade Facilitation in der Praxis.............................................................. 9
3.1. Single Window...................................................................................... 10
3.2. Technische Möglichkeiten (E-Business, EDI, Internet etc.)................. 11
3.3. Standardisierung/Normung ................................................................... 12
3.4. Vereinfachte Verfahren ......................................................................... 13
3.5. Risikomanagement................................................................................ 14
3.6. Benchmarking ....................................................................................... 15
4. Potential von Trade Facilitation ........................................................... 16
4.1. Der Nutzen von Trade Facilitation in Zahlen ....................................... 16
4.1.1. Gewinne durch Trade Facilitation weltweit ............................... 16
4.1.2. Potential auf regionaler Ebene ................................................... 18
4.1.3. Trade Facilitation national.......................................................... 19
4.2. Entwicklungspotential von Trade Facilitation ...................................... 19
4.2.1. Handel als Instrument der Entwicklung ..................................... 19
4.2.2. Die Situation in Entwicklungsländern........................................ 20
4.2.3. Einschätzung der Lage ............................................................... 21
5. Bestandsaufname ................................................................................... 22
XIII
Inhaltsverzeichnis
Kapitel B: Trade Facilitation in der Welthandelsorganisation .....25
1. Die aktuelle Diskussion ......................................................................... 25
1.1. Das Mandat von Doha, Katar ............................................................... 25
1.2. Das ursprüngliche Mandat .................................................................... 26
1.3. Entwicklungsdimension des Doha Mandats......................................... 27
2. Entwicklungen von Trade Facilitation in der WTO........................... 28
2.1. Einführung ............................................................................................ 28
2.2. Arbeit unter Schirmherrschaft der WTO zwischen Singapur und
Doha 29
2.2.1. Trade Facilitation bis 1999......................................................... 29
2.2.2. Trade Facilitation in Vorbereitung auf die Ministerkonferenz
von Seattle .................................................................................. 31
2.2.3. Trade Facilitation im Jahre 2000 und 2001................................ 31
2.2.4. Trade Facilitation im Vorfeld der Ministerkonferenz von
Doha ........................................................................................... 32
2.2.5. Trade Facilitation vor der Ministerkonferenz von Cancún,
Mexiko........................................................................................ 33
2.2.6. Trade Facilitation nach Cancún.................................................. 35
2.2.7. Das „Juli Paket“.......................................................................... 35
3. Bewertung............................................................................................... 37
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO .......................39
1. Einordnung des Rechtgebiets ............................................................... 39
2. Hintergrund: Vom GATT zur World Trade Organisation................... 39
3. Die Struktur der WTO .......................................................................... 41
3.1. Rechtspersönlichkeit............................................................................. 41
3.2. Aufgaben und Ziele .............................................................................. 42
3.3. Mitgliedschaft in der WTO................................................................... 42
3.4. Die Hauptorgane der WTO ................................................................... 43
3.4.1. Die Ministerkonferenz................................................................ 43
3.4.2. Der Allgemeine Rat .................................................................... 44
3.4.3. Das Sekretariat ........................................................................... 45
3.5. Verhandlung und Entscheidung ............................................................ 45
3.5.1 Das Abstimmungsverfahren ....................................................... 45
a) Der Konsens .......................................................................... 46
b) Das Mehrheitsprinzip ............................................................ 47
c) Änderungen des Vertrages ..................................................... 47
XIV
Inhaltsverzeichnis
d) ‚Waiver‘ – Verfahren und Auslegung der
Übereinkommen .................................................................... 48
3.5.2. Verhandlungen in der WTO ....................................................... 49
a) Bedeutung des Konsensverfahrens für die Verhandlungen ... 49
b) Verhandlungstheorien ............................................................ 50
c) Konsequenzen........................................................................ 50
4. Die Rechtsordnung der WTO ............................................................... 51
4.1. Die Funktion des Welthandelsrechts..................................................... 51
4.2. Rule or power oriented?........................................................................ 52
4.3. Das Streitbeilegungsverfahren.............................................................. 54
5. Rechtsquellen der WTO-Rechtsordnung ............................................ 57
5.1. Entwicklung der Streitbeilegungspraxis ............................................... 57
5.2. Ausgangspunkt der Interpretation: der Vertragstext selbst ................... 59
5.3. Die Rolle der Panel- und Appellate Body-Berichte.............................. 60
5.4. Völkergewohnheitsrecht ....................................................................... 62
5.5. Die Lehren hochqualifizierter Völkerrechtler....................................... 63
5.6. Allgemeine Rechtsgrundsätze .............................................................. 64
5.7. Andere Internationale Rechtsinstrumente............................................. 65
5.7.1. Explizite Verweise auf andere Übereinkommen ........................ 65
5.7.2. Andere Übereinkommen zwischen den Parteien ....................... 66
5.8. Bewertung ............................................................................................. 67
6. Die Rechtliche Einordnung des Doha-Mandats.................................. 68
6.1. Vorüberlegungen ................................................................................... 68
6.2. Die Erklärungen der Ministerkonferenz (Deklarationen)..................... 69
6.3. Rein politische oder rechtlich verbindliche Beschlüsse? ..................... 70
6.4. Interpretationen des Trade Facilitation Mandats von Doha.................. 71
7. Konsequenzen für ein Trade Facilitation Agreement......................... 73
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade
Facilitation .......................................................................75
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994 ........................... 75
1.1. Artikel V GATT .................................................................................... 76
1.1.1. Regelungsgehalt ......................................................................... 76
a) Anwendungsbereich .............................................................. 77
b) Durchfuhrfreiheit ................................................................... 78
c) Förmlichkeiten und Belastungen im Zusammenhang mit
der Durchfuhr ........................................................................ 78
XV
Inhaltsverzeichnis
d) Meistbegünstigung ................................................................ 79
e) Gleichbehandlungsgebot ....................................................... 80
1.1.2. Streitigkeiten mit Blick auf Art. V GATT .................................. 81
1.1.3. Handelshemmnisse auf dem Gebiet der Durchfuhr ................... 83
1.1.4. TF-Instrumente und deren Schwachstellen ................................ 84
1.1.5. Ergebnis der Analyse des Art. V GATT ..................................... 85
1.2. Art. VIII GATT ..................................................................................... 86
1.2.1. Regelungsgehalt ......................................................................... 86
1.2.2. Verhandlungsgeschichte ............................................................. 87
1.2.3. Probleme im Zusammenhang mit Gebühren und
Förmlichkeiten............................................................................ 88
1.2.4. Konkretisierung durch Berichte der Panel ................................. 89
a) Allgemeines ........................................................................... 89
b) Gebühren und Belastungen.................................................... 89
c) Begriff der Dienstleistung i. S. d. Art. VIII GATT................ 91
d) Gebührenhöhe........................................................................ 92
e) Zielrichtung der Maßnahmen ................................................ 95
f) Verbot unangemessener Sanktionen ...................................... 95
g) Reduzierung und Vereinfachung von Förmlichkeiten........... 96
1.2.5. Ergebnis der Analyse des Art. VIII GATT ................................. 97
1.3. Art. X GATT ......................................................................................... 98
1.3.1. Regelungsgehalt ......................................................................... 98
1.3.2. Verhandlungsgeschichte ........................................................... 100
1.3.3. Konkretisierung im Zuge des Streitbeilegung.......................... 100
a) Allgemeines ......................................................................... 101
b) Gesetze, sonstige Vorschriften und Gerichts- und
Verwaltungsentscheidungen allgemeiner Geltung .............. 101
c) Handelspolitische Vereinbarungen ...................................... 103
d) „… werden unverzüglich so veröffentlicht, dass
Regierungen und Wirtschaftskreise sich mit ihnen
vertraut machen können.“.................................................... 104
e) Gebot der Veröffentlichung vor Inkraftsetzen ..................... 105
f) Einheitliche, unparteiische und gerechte Anwendung ........ 106
1.3.4. Ergebnis der Analyse des Art. X .............................................. 113
1.4. Zwischenergebnis ............................................................................... 114
Exkurs: Art. VII GATT und das Zollwertabkommen ................................. 114
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen............................................. 119
2.1. Das Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (TBT)..... 119
2.1.1. Hindernisse durch differierende Normen und Technische
Vorschriften .............................................................................. 119
XVI
Inhaltsverzeichnis
2.1.2. Definitionen und Anwendungsbereich des TBT ...................... 121
2.1.3. Die grundlegenden Strukturen mit Blick auf Trade
Facilitation................................................................................ 123
a) Transparenz.......................................................................... 123
b) Harmonisierung, gegenseitige Anerkennung und
internationale Normen ......................................................... 128
c) Nichtdiskriminierung........................................................... 130
d) Geringst mögliche Beeinträchtigung des Handels .............. 131
e) Besondere und differenzierte Behandlung und technische
Unterstützung ...................................................................... 132
2.1.4 Verhaltenskodex für Normenorganisationen der
Zentralregierungen ................................................................... 134
2.1.5. Bewertung ................................................................................ 135
2.2. Das Übereinkommen über die Anwendung
gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher
Maßnahmen (SPS) .............................................................................. 137
2.2.1. Überblick .................................................................................. 137
2.2.2. Grundlegende Inhalte ............................................................... 138
2.2.3. Internationale Harmonisierung................................................. 140
2.2.4. Bewertung ................................................................................ 141
2.3. Übereinkommen über Kontrollen vor dem Versand (PSI) ................. 141
2.3.1. Allgemeines.............................................................................. 141
2.3.2. Verpflichtungen der Benutzermitglieder .................................. 142
a) Nichtdiskriminierung........................................................... 143
b) Ort der Kontrollen und Anwendung internationaler
Normen ................................................................................ 143
c) Transparenz.......................................................................... 143
d) Vertraulichkeit ..................................................................... 144
e) Beschleunigung ................................................................... 145
f) Preisprüfung, Beschwerdeverfahren und Mindestwert ....... 146
2.3.3. Verpflichtungen der Ausfuhrmitglieder.................................... 146
2.3.4. Unabhängige Überprüfung von Beschwerden ......................... 147
2.3.5. Bewertung ................................................................................ 148
2.4. Das Übereinkommen über Einfuhrlizenzverfahren (ILP) .................. 149
2.4.1. Regelungsbereich ..................................................................... 149
2.4.2. Automatische Einfuhrlizenzverfahren...................................... 149
2.4.3. Nichtautomatische Lizenzverfahren......................................... 150
2.4.4. Trade Facilitation Aspekte........................................................ 150
a) Transparenz.......................................................................... 150
b) Nichtdiskriminierung........................................................... 152
c) Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens ........... 153
XVII
Inhaltsverzeichnis
d) Geringstmögliche Handelsbeeinträchtigung ....................... 153
e) Rechtsweg............................................................................ 154
f) Besondere und differenzierte Behandlung von
Entwicklungsländern ........................................................... 154
g) Überprüfungsmechanismus ................................................. 155
2.4.5. Bewertung ................................................................................ 155
2.5. Übereinkommen über Ursprungsregeln.............................................. 156
2.5.1. Hintergrund .............................................................................. 156
2.5.2. Struktur ..................................................................................... 157
2.5.3. Harmonisierungsbestrebungen ................................................. 158
a) Das Harmonisierungsprogramm.......................................... 158
b) Grundsätze ........................................................................... 159
2.5.4. Die Übergangsregelungen ........................................................ 159
a) Transparenz.......................................................................... 160
b) Rechtssicherheit................................................................... 161
c) Beschleunigung von Verfahren............................................ 161
d) Nichtdiskriminierung........................................................... 162
2.5.5. Die Gemeinsame Erklärung über Präferenzursprungregeln .... 162
2.5.6. Streitbeilegung.......................................................................... 163
a) Handelsziele i. S. d. Art. 2 b) RO ........................................ 163
b) „… dass Ursprungsregeln nicht selbst eine
beschränkende, verzerrende oder zerrüttende Wirkung auf
den Handel ausüben.“ .......................................................... 164
c) „Sie sollen keine übermäßig strengen Erfordernisse
auferlegen …“, Art. 2 c) S. 2 RO ........................................ 166
d) Art. 2 d) RO ......................................................................... 166
2.5.7. Bewertung mit Blick auf Trade Facilitation............................. 167
3. Trade Facilitation-Aspekte in GATS und TRIPS ............................. 169
3.1. Das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen . 169
3.1.1. Trade Facilitation und GATS ................................................... 170
3.1.2. Grundlegende Inhalte ............................................................... 171
3.1.3. Unternehmen mit Monopolstellung ......................................... 173
3.1.4. Telekommunikations- und Finanzdienstleistungen.................. 173
3.1.5. Potential für Trade Facilitation im Dienstleistungssektor ........ 174
3.2. Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte
des geistigen Eigentums (TRIPS) ....................................................... 175
3.2.1. Schnittstelle von Trade Facilitation und Rechten des
geistigen Eigentums ................................................................. 175
3.2.2. Durchsetzung der Rechte ......................................................... 176
3.2.3. Transparenz .............................................................................. 180
XVIII
Inhaltsverzeichnis
3.2.4. Internationale Zusammenarbeit................................................ 181
3.2.5. Bewertung und Konsequenzen für Trade Facilitation.............. 182
4. Prinzipen des WTO-Rechts................................................................. 183
4.1. Die Rolle von WTO/GATT-Prinzipien im Kontext von Trade
Facilitation .......................................................................................... 183
4.2. Transparenz und das Recht auf ein faires Verfahren .......................... 184
4.2.1. Die Bedeutung der Transparenz im Allgemeinen .................... 184
4.2.2. Das Transparenzprinzip im WTO-Recht .................................. 185
a) Veröffentlichungspflichten .................................................. 185
b) Notifizierungsverpflichtungen............................................. 186
c) Transparenz im Streitbeilegungsverfahren .......................... 187
d) Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik
(TPRM)................................................................................ 187
e) Kritik an den bestehenden Bestimmungen zur
Transparenz.......................................................................... 188
4.3. Nichtdiskriminierung .......................................................................... 190
4.3.1. Grundlegendes.......................................................................... 190
4.3.2. Meistbegünstigungsprinzip ...................................................... 190
4.3.3. Inländergleichbehandlung ........................................................ 191
4.3.4. Nichtdiskriminierung und Trade Facilitation ........................... 192
4.4. Verhältnismäßigkeit ............................................................................ 193
4.4.1. Relevante Normbeispiele ......................................................... 193
4.4.2. Ungeschriebenes Verhältnismäßigkeitsprinzip?....................... 194
4.5. Integration der Entwicklungsländer in das System des
internationalen Handels ...................................................................... 195
4.5.1. Grundlegende Normen ............................................................. 195
4.5.2. Die besondere und differenzierte Behandlung von
Entwicklungsländern ................................................................ 197
a) Die Entwicklung bis zum Abschluss der Tokio-Runde....... 197
b) Die veränderte Wahrnehmung von Bestimmungen zur
besonderen und differenzierten Behandlung ....................... 199
c) Die Durchsetzbarkeit der Bestimmungen............................ 201
4.5.3. Kritik an den bestehenden Bestimmungen............................... 202
a) Ineffizienz mangels „harter“ Bestimmungen ...................... 203
b) Mängel des Allgemeinen Präferenzsystems ........................ 204
c) Umsetzungsprobleme der Entwicklungsländer ................... 205
d) Fazit 207
4.5.4. Programme zur Unterstützung der Entwicklungsländer .......... 207
a) Der Aufbau von Kapazitäten – Capacity Building.............. 208
b) Technische Hilfe .................................................................. 209
XIX
Inhaltsverzeichnis
c) Integrated Framework ......................................................... 210
4.5.5. Besondere und differenzierte Behandlung und Trade
Facilitation................................................................................ 211
5. Ergebnis ................................................................................................ 212
Kapitel E: „… drawing on the work of other organisations …“ –
Ergebnisse der Arbeiten in anderen Organisationen.. 215
1. Die World Customs Organisation (WCO)......................................... 215
1.1. Bedeutende Errungenschaften ............................................................ 216
1.1.1. Das Internationale Abkommen über das Harmonisierte
System zur Bezeichnung und Codierung von Waren (HS-Ü).. 216
1.1.2. Die Konvention über die vorübergehende Verwendung von
Waren........................................................................................ 217
1.1.3. Übereinkommen über gegenseitige Verwaltungshilfe.............. 219
1.1.4. Die Erklärung zur Integrität im Zollbereich............................. 220
1.2. Empfehlungen der WCO .................................................................... 220
1.3. Die Kyoto-Konvention von 1973 ....................................................... 220
1.4. Die Kyoto-Konvention von 1999 (revidierte Fassung) ...................... 221
1.4.1. Konzeption der revidierten Fassung......................................... 221
1.4.2. Die Allgemeine Anlage ............................................................ 223
a) Zollabfertigung und Zollförmlichkeiten.............................. 223
b) Berechnung, Erhebung und Entrichtung der Zölle und
Steuern ................................................................................. 227
c) Sicherheiten ......................................................................... 228
d) Zollkontrollen ...................................................................... 228
e) Einsatz von Informatikverfahren......................................... 229
f) Beziehung zwischen dem Zoll und Dritten ......................... 229
g) Zollamtliche Informationen, Entscheidungen und
Auskünfte............................................................................. 230
h) Rechtbehelfe in Zollangelegenheiten .................................. 230
1.4.3. Die speziellen Anlagen............................................................. 231
1.4.4. Bedeutung der Konvention für Trade Facilitation ................... 232
1.5. Die Initiative für die Sicherheit und Leichtigkeit der
internationalen Versorgungskette........................................................ 233
2. Die Vereinten Nationen........................................................................ 233
2.1. UNCTAD (United Nations Commission for Trade and
Development)...................................................................................... 234
XX
Inhaltsverzeichnis
2.2. UN/ ECE ............................................................................................. 236
2.2.1. UN/ EDIFACT ......................................................................... 237
2.2.2. UNeDocs .................................................................................. 238
3. Die Weltbank ........................................................................................ 239
4. Das internationale Handelszentrum der UNCTAD/WTO (ITC) .... 240
5. Die Internationale Handelkammer (ICC) ......................................... 240
6. Die ISO.................................................................................................. 242
7. Global Facilitation Partnership (GFP) .............................................. 243
Kapitel F: Positionen zu Trade Facilitation auf WTO-Ebene.....245
1. Trade Facilitation aus Sicht der Europäischen Gemeinschaft ........ 245
1.1. Hindernisse und deren Ursachen ........................................................ 246
1.2. Trade Facilitation-Konzept der EG..................................................... 246
1.3. Maßnahmen und Instrumente zur Handelserleichterung.................... 247
1.3.1. Modernisierung und Automatisierung des Zolls ...................... 247
1.3.2. Single Window und Bündelung von Kontrollen ...................... 248
1.3.3. Harmonisierung und Standardisierung von Unterlagen ........... 249
1.3.4. Vereinfachte Verfahren für autorisierte Händler ...................... 249
1.3.5. Einbeziehung Privater .............................................................. 250
1.3.6. Technische Hilfe und Capacity Building ................................. 250
1.3.7. Benchmarking .......................................................................... 251
1.4. Konkrete Vorschläge im Hinblick auf das WTO-Recht ..................... 252
1.4.1. Artikel X................................................................................... 252
a) Zugang zu relevanten Informationen .................................. 252
b) Konsultationen zwischen öffentlichem und privatem
Sektor................................................................................... 253
c) Beschwerdeverfahren und Rechtsstaatlichkeit .................... 253
1.4.2. Artikel VIII............................................................................... 254
a) Allgemeine Bestimmungen ................................................. 254
b) Spezielle Bestimmungen zu Gebühren und Abgaben ......... 254
c) Spezielle Bestimmungen zu Daten- und
Dokumentationserfordernisse und Verfahren ...................... 255
1.4.3. Artikel V GATT........................................................................ 256
a) Nichtdiskriminierung........................................................... 256
b) Vereinfachung...................................................................... 256
c) Gebühren und Belastungen in der Durchfuhr...................... 257
d) Regionale Durchfuhrvereinbarungen .................................. 257
XXI
Inhaltsverzeichnis
1.4.4. Weitere Aspekte........................................................................ 258
a) Artikel VII GATT ................................................................ 258
b) Technische Handelshemmnisse ........................................... 258
c) Vorversandkontrollen........................................................... 259
d) Einfuhrlizenzverfahren ........................................................ 259
e) Ursprungsregeln .................................................................. 260
1.5. Bewertung ........................................................................................... 260
2. Trade Facilitation aus Sicht der Literatur ........................................ 261
2.1. Das Übereinkommen über Maßnahmen zur Förderung von Trade
Facilitation .......................................................................................... 261
2.1.1. Grundlegendes.......................................................................... 262
2.1.2. Einbeziehung anderer internationaler Vereinbarungen ............ 263
2.1.3. Konkretisierung von GATT-Artikeln ....................................... 263
2.1.4. Besondere und differenzierte Behandlung ............................... 264
2.1.5. Streitbeilegung und Umsetzung des Übereinkommens ........... 264
2.1.6. Bewertung ................................................................................ 265
2.2. Harmonisierung zur Erleichterung des internationalen Handels ........ 265
2.2.1. Erfolgsfaktoren bei der Harmonisierung.................................. 266
2.2.2. Gründe für Verfahrensunterschiede im Zoll............................. 267
2.2.3. Konsequenzen .......................................................................... 268
2.2.4. Bewertung ................................................................................ 269
Kapitel G: Fazit ...............................................................................271
1. Die gegenwärtige Rechtslage .............................................................. 271
2. Notwendige Neuerungen ..................................................................... 272
3. Aussichten ............................................................................................. 273
Literaturverzeichnis .........................................................................277
XXII
Abkürzungsverzeichnis
AB
Berufungsinstanz (Appellate Body)
ACP-Staaten
Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks
APEC
Asia-Pacific Economic Cooperation
APS
Allgemeines Präferenzsystem
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
bspw.
beispielsweise
bzw.
beziehungsweise
BISD
Basic Instruments and Selected Readings
Carnet-ATA
Zollpapier für die vorübergehende abgabenfreie Einfuhr,
Admission Temporaire/Temporary Admission
Carnet-CDP
Zollpapier für die vorübergehende Einfuhr von Kfz und
Anhängern, Carnet de Passage en Douane
Carnet-TIR
Zollpapier «Transport International des Marchandises par
la Rote»
CCC
Customs Cooperation Council, Vorgänger der WCO
CITES
Washingtoner Artenschutz-Übereinkommen
DDA
Doha Development Agenda
DSB
Streitbeilegungsgremium (Dispute Settlement Body)
DSU
Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung
von Streitigkeiten
EDI
Electronic Data Interchange
EWG bzw. EEC Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
EG bzw. EC
Europäische Gemeinschaft
EuGH
Europäischer Gerichtshof
FTA
Freihandelsabkommen
GATS
Allgemeines Abkommen über den Dienstleistungshandel
GATT
Allgemeines Abkommen über den Warenhandel
GK
Grundkonvention (Kyoto 1999)
XXIII
Abkürzungsverzeichnis
HS
Harmonisiertes Bewertungs- und Codierungssystem, der
WCO
ICC
Internationale Handelskammer
ICITO
Interimskommission für die Internationale Handelsorganisation
IGH
Internationaler Gerichtshof
ILP
Übereinkommen über Einfuhrlizenzverfahren
IPR
Rechte des geistigen Eigentums
i. S.
im Sinne
ITC
Internationales Handelszentrum
ITO
Internationale Handelsorganisation
IWF/IMF
Internationaler Währungsfond
ISO
Internationale Normorganisation
JIT
Just-in-Time
KBV
Konformitätsbewertungsverfahren
KMU
Kleine und mittelständische Unternehmen
LDC
Least Developed Countries, die ärmsten Länder der Welt
MoU
gemeinsame Absichtserklärung
mwNw.
mit weiterem Nachweis
PDF
Portable Document Format
PSI
Übereinkommen über Kontrollen vor dem Versand
RO
Übereinkommen über Ursprungsregeln
(S)
Norm (Standard) der Kyoto-Konvention 1999
SDT
Besondere und differenzierte Behandlung von Entwicklungsländern
SPS
Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen
TBT
Übereinkommen über Technische Handelshemmnisse
TIR
Transport Internationaux Routiers
XXIV
Abkürzungsverzeichnis
TPRM
Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik
TRIPS
Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums
(TS)
Übergangsnorm (Transitional Standard) der KyotoKonvention 1999
UNDP
Entwicklungsprojekt der Vereinten Nationen
UN/ECE
Wirtschaftkommission der Vereinten Nationen für Europa
UNeDocs
Elektronische Handelsdokumente der Vereinten Nationen
UNCTAD
Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung
USD
US-Dollar
WCO
Weltzollorganisation
WTO
Welthandelsorganisation
WTO-Ü
Übereinkommen über die Errichtung der Weithandelsorganisation
WÜV
Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge
XML
Extensible Markup Language
ZWK
Abkommen über den Zollwert der Waren
XXV
Einleitung
Die Globalisierung der Wertschöpfungsketten hat in den letzten Jahren zu
einer drastischen Zunahme der von den Zollbehörden abzufertigenden Handelsvolumina geführt. Aufgrund des wachsenden Wettbewerbs produzieren
viele Unternehmen Zubehör und Komponenten in Staaten mit höchster Kosteneffizienz, um sie dann nahe der Hauptabsatzmärkte zu montieren. Wurden vormals eher Fertigprodukte gehandelt, so sind heute vermehrt Reexporte von Halbfabrikaten zu verzeichnen. Auch ein Warencontainer, der
vormals als einheitliche Einfuhr abgefertigt werden konnte, enthält heutzutage – dank Internet – oftmals mehrere kleine Sendungen, die jeweils separate Dokumente und Verfahren zur Zollabwicklung erfordern. Die damit
einhergehende stetig wachsende Zahl kleinerer Sendungen verändert die
Anforderungen an die Grenzbehörden.
In weiten Teilen der Welt haben die Regierungen jedoch nicht auf den Wandel im Welthandel reagiert. In dem Bestreben, die Warenströme und den
Transfer von Dienstleistungen zu überwachen und zu kontrollieren, um so
die legitimen Interessen aller Beteiligten zu wahren, haben viele Staaten
veraltete Verfahren beibehalten und Dokumentationsanforderungen eher
ausgeweitet als verringert. Währenddessen blieb die Zahl der Zollbeamten
entweder konstant oder sie ging zurück. Die sich daraus ergebenden Verzögerungen liegen auf der Hand. Zwar haben technische Entwicklungen im
Informatiksektor vielerorts eine Erleichterung und Beschleunigung der für
den internationalen Warenhandel bedeutsamen Verfahren gebracht, Probleme ergeben sich jedoch aufgrund mangelnder Interoperabilität der verschiedenen nationalen Systeme. Während es die Industriestaaten versäumt haben,
sich auf ein einheitliches Informatiksystem zu verständigen, werden die Verfahren in Entwicklungsländern oftmals noch manuell durchgeführt.
Für weltweit agierende Händler – vor allem für kleine und mittelständische
Unternehmen (KMU) – stellt schon die Fülle und Komplexität der nationalen Bestimmungen ein Handelshemmnis dar. Verschärfend kommt hinzu,
dass die Zahl der beizubringenden Unterlagen und einzuhaltenden Verfahren
nicht nur stetig anwächst, sondern diese auch von Staat zu Staat und von
Region zu Region erheblich variieren. Sowohl die Vorkehrungen, die von
Unternehmen zur Einhaltung der in- und ausländischen Bestimmungen zu
treffen sind, als auch die langen Abfertigungszeiten an den Grenzen, stellen
einen entscheidenden Kostenfaktor dar.
In der Erkenntnis, dass eine Reform der Grenzverfahren notwendig ist und
mit dem Ziel, diesen Hemmnissen zu begegnen und eine barrierefreie, zügi1
Einleitung
ge und kosteneffiziente Zollabfertigung zu erreichen, haben viele Staaten
und Regionen in den letzten Jahren Trade Facilitation-Politiken1 eingeführt.
Auch internationale Organisationen haben sich der Problematik gewidmet.
Die auf internationaler Ebene erarbeiteten Ergebnisse finden bisher jedoch
nur geringe Beachtung. Grund dafür ist zum einen, dass ein umfassendes
Konzept bisher nicht existiert. Darüber hinaus handelt es sich bei den erarbeiteten Lösungen weitestgehend um unverbindliche Empfehlungen. Den
Staaten steht es folglich frei, ob sie Erleichterungsmaßnahmen einführen
oder nicht. Selbst wenn sie einzelne Empfehlungen oder Konventionen angenommen haben, lässt sich deren Umsetzung international nicht durchsetzen. Rechtlich verbindliche und durchsetzbare Vorgaben, die Staaten oder
Staatengemeinschaften bei der Regelung ihres Zolls zu beachten haben, finden sich allein – und nur für die derzeit 148 WTO-Mitglieder – im Welthandelsrecht. Dieses setzt der nationalen Regulierung der Außenhandelsbeziehungen gewisse Grenzen. Während die überwiegende Zahl der Bestimmungen zu den Grenzverfahren nur Zielvorgaben und allgemeine Prinzipien enthalten, sind vereinzelt auch konkrete Regulierungsvorgaben zu finden. Den
bürokratischen Handelshemmnissen bei der Einfuhr bzw. Ausfuhr von Waren begegnet das derzeitige Welthandelsrecht jedoch nicht oder nur unzureichend. Diese Tatsache hat die WTO-Mitglieder im Jahre 1996 dazu veranlasst, Trade Facilitation auf die Agenda der Organisation zu setzen. Klare
Zielvorgaben für die Verhandlungen auf dem Gebiet wurden jedoch erst im
Jahre 2001, auf der Ministerkonferenz in Doha, Katar, formuliert. Die dort
verabschiedete Doha Development Agenda gibt den Mitgliedern u.a. auf, die
Reichweite zukünftiger Trade Facilitation-Regelungen auf Welthandelsebene zu bestimmen. Nachdem die Mitglieder im Sommer 2004 nach langen
Verhandlungen schließlich eine Einigung über die Verhandlungsmodalitäten
erzielen konnten, laufen derzeit substantielle Verhandlungen über die Regelungsinhalte. Ziel der Mitglieder ist es, sich bis zur Ministerkonferenz in
Hongkong im Dezember 2005 auf konkrete Reformen auf dem Gebiet zu
verständigen.
Gegenstand der Untersuchung und Vorgehensweise
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, das für Trade Facilitation relevante Welthandelsrecht darzulegen und die in diesem Zusammenhang ergangene
Rechtsprechung zu beleuchten, um so – mit Blick auf die weltweiten Entwicklungen auf dem Gebiet – die Reichweite zukünftigen Trade Facilitation1
2
Politik, die auf eine Erleichterung des internationalen Warenhandels durch Entbürokratisierung gerichtet ist. Siehe dazu ausführlich in diesem Kapitel, Ziffer 2.
Gegenstand der Untersuchung und Vorgehensweise
Rechts auf Welthandelsebene abschätzen zu können. Aufgrund der besonderen Stellung des Welthandelsrechts ist eine solche rechtliche Verankerung
für die Zukunft der Politik weltweit von entscheidender Bedeutung. Dennoch sind die rechtlichen Aspekte von Trade Facilitation in der wissenschaftlichen Literatur bisher nicht umfassend erörtert worden. Während sich
verschiedene Autoren zwar mit den ökonomischen Zusammenhängen der
Entbürokratisierung der Grenzverfahren national oder regional, vereinzelt
auch weltweit auseinandergesetzt haben, existieren nur wenige juristische
Betrachtungen. Diese setzen sich ausnahmslos mit einzelnen Aspekten der
Materie, nicht aber übergreifend mit Trade Facilitation auseinander. Diese
Arbeit soll einen Beitrag dazu leisten, die politische Debatte, in deren Vordergrund ökonomische Erwägungen stehen, in einen rechtlichen Bezug zu
setzen.
Das erste der sieben Kapitel, Kapitel A, ist darauf gerichtet, dem Leser einen
Überblick über den Hintergrund und die Bedeutung von Trade Facilitation
zu verschaffen. Neben dem Versuch einer Definition werden zur Veranschaulichung typische Trade Facilitation-Instrumente vorgestellt, die sich
zur praktischen Umsetzung der Politik empfehlen. Anhand verschiedener
Studien wird das Potential der Entbürokratisierung von Grenzverfahren
weltweit näher untersucht.
Das darauffolgende Kapitel B ist den Entwicklungen von Trade Facilitation
in der Welthandelsorganisation gewidmet. Dabei steht das auf der Ministerkonferenz in Doha verfasste Mandat im Mittelpunkt, welches den Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchungen bildet. In dem sich anschließenden Kapitel C werden die grundlegenden rechtlichen und institutionellen
Strukturen der Welthandelsorganisation aufgezeigt. Erst wenn diese bekannt
sind, lassen sich die weiteren rechtlichen Erwägungen nachvollziehen.
Der Schwerpunkt der Arbeit, die Analyse des bestehenden relevanten WTORechts, findet sich in Kapitel D. Regelungsumfang und Regelungsintensität
geben Aufschluss über die für die derzeit bestehenden Verpflichtungen der
Mitglieder im Zusammenhang mit Trade Facilitation, die bei der nationalen
Rechtssetzung zu beachtenden Grenzen, sowie über das Reformpotential.
Darüber hinaus lassen sich dem WTO-Recht immanente grundlegende Prinzipen ausmachen, die bei Neuregelungen notwendigerweise zu beachten
sind.
In Anlehnung an das Verhandlungsmandat wirft Kapitel E einen Blick auf
die Trade Facilitation-Arbeiten anderer relevanter internationale Organisationen, bevor im darauffolgenden Kapitel F verschiedene Meinungen zu Trade Facilitation im Recht der WTO dargestellt und diskutiert werden.
3
Einleitung
Das letzte Kapitel fasst die gefundenen Ergebnisse zusammen und versucht
– vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte – eine realistische Einschätzung der Zukunft von Trade Facilitation im Welthandelsrecht.
4
Kapitel A: Überblick
1. Hintergrund
Die Liberalisierung des Welthandels hat im Laufe der Jahre erhebliche Zollsenkungen weltweit mit sich gebracht. Die Durchschnittszölle für verarbeitete Güter sanken von 40% im Jahr 1947 auf 5% nach der Uruguay-Runde.2
Demzufolge gewinnen die nichttarifären Handelshemmnisse zunehmend an
Bedeutung. Zu diesen zählen auch die mit dem Warenhandel verbundenen
bürokratischen Hürden. So erfordern die nationalen Ein- und Ausfuhrverfahren die Beibringung zahlreicher Unterlagen und Nachweise. Während eine
Vielzahl der Formalitäten für die korrekte Berechnung des Zolls notwendig
sind, dienen andere dem Schutz der Rechte des geistigen Eigentums oder
der Gefahrenabwehr. In diesem Zusammenhang ist auf den fundamentalen
Wandel hinzuweisen, den der Welthandel seit dem 11. September 2001 mit
Blick auf die Sicherheit der Handelskette durchlaufen hat. Während es früher Ziel war, Bedrohungen des Handels zu beseitigen, müssen heute die Bedrohungen bekämpft werden, die vom Handel ausgehen können. Das zunehmende Bedürfnis der Staaten weltweit nach innerer Sicherheit und das
Bestreben, Gefahren möglichst schon an den Grenzen abzuwenden, hat vielerorts zur Einführung neuer Sicherheitsbestimmungen geführt, die wiederum mit umfangreichen Dokumentationserfordernissen einhergehen.3 Deren
Einhaltung stellt insbesondere für weniger entwickelte Staaten eine zusätzliche Belastung ihrer ohnehin schwachen Wirtschaft dar. Überdies hat die
fortschreitende wirtschaftliche Integration zu einer Vielzahl von Staat zu
Staat und Region zu Region variierender, oftmals komplizierter Zollbestimmungen, vor allem Ursprungsregeln, geführt. Für den Handeltreibenden
wird die Situation dadurch erschwert, dass er sich zur Einholung von Informationen und der erforderlichen Unterlagen im Vorfeld der Handelstransaktion zumeist an verschiedene Behörden wenden muss. Ein weiteres Hemmnis bilden die Verzögerungen an den Grenzen. Während Kontrollmaßnahmen in Industriestaaten aufgrund modernster Techniken zu relativ geringen
Beeinträchtigungen der Warenströme führen, werden die Sendungen in
Entwicklungsländern, in denen Zölle entscheidend zu den Staatseinnahmen
beitragen, oftmals ausnahmslos und manuell überprüft. Da diese Staaten
zumeist nicht über die finanziellen Mittel und das technische Know-how
2
3
Trebilckock/Howse, The Regulation of International Trade, S. 21.
Neben Personenkontrollen an den Grenzen zählen dazu verschiedene Maßnahmen, die
zu verhindern suchen, dass die Handels- und Finanzinfrastruktur für terroristische
Zwecke missbraucht wird
5
Kapitel A: Überblick
verfügen, um den Erwartungen des Welthandels in Punkto Schnelligkeit,
Sicherheit und Effizienz zu entsprechen, macht sich eine ihren Entwicklungsinteressen gegenläufige Verlagerung der Handelsströme bemerkbar.
Die Fülle der einzuhaltenden Bestimmungen, der zu liefernden Nachweise
und die sehr komplexen und zeitaufwendigen Verfahren führen für die Unternehmen zu einem hohen Verwaltungsaufwand, dessen Kosten die
UNCTAD4 in einer Studie von 1994 auf etwa 7–10 % des Welthandels geschätzt hat. Auch die Kosten für die kontrollierenden Staaten sind erheblich.
So geht die Kommission davon aus, dass eine durchschnittliche Zolltransaktion 20–30 verschiedene Parteien, 40 Dokumente und 2000 Datenelemente
beinhaltet. 60–70 % aller Daten müssen zumindest einmal wiederholt eingegeben werden. Neure Studien schätzen die erzielbaren Einsparungen durch
Trade Facilitation-Maßnahmen auf 377 Milliarden USD.5
Die Tatsache, dass Zollsätze auf der ganzen Welt gesenkt werden, führt dazu, dass die Kosten für die Einhaltung der Zollvorschriften in vielen Fällen
den tatsächlich zu zahlenden Zoll überschreiten. Die Regelungsdichte birgt
die Gefahr, dass der Nutzen moderner, schnellerer und preiswerterer Transportformen und Transportmanagementsystemen, wie etwa E-Commerce und
Just-in-Time-Produktion (JIT), den veralteten zeit- und kostenintensiven
Verfahren an den Grenzen zum Opfer fällt. Der Vorteil der Inanspruchnahme
eines kostspieligen Kurierservices wird oftmals dadurch nivelliert, dass Waren die Grenzposten erreichen, ohne dass die für die Abfertigung notwendigen Daten vorliegen. Auch für die in die Handelstransaktionen eingebundenen Dienstleistungsunternehmen, die mit dem gestiegenen Wettbewerb und
dem exponentiellem Zuwachs kleiner Sendungen fertig werden müssen,
spielt die zügige Abfertigung an den Grenzen eine entscheidende Rolle. Zusätzliche Hemmnisse entstehen hier vielfach durch Diskriminierungen.
Deutlich wird, dass eine Reform der Verfahren an den Grenzen notwendig
ist. Deren Ziel muss es sein, diese Prozesse weltweit zu vereinfachen und zu
verkürzen.
2. Trade Facilitation
Die Politik zur Erleichterung des Handels, Trade Facilitation, setzt genau bei
diesen Problemen an. Um der veränderten Handelsrealität zu begegnen,
4
5
6
United Nations Conference for Trade and Development = Konferenz der Vereinten
Nationen für Handel und Entwicklung.
Zum ökonomischen Nutzen von Trade Facilitation ausführlich in diesem Kapitel, Ziffer 4.1.1.
2. Trade Facilitation
wurden in der Vergangenheit auf nationaler, regionaler und internationaler
Ebene verstärkt Initiativen mit dem Ziel ins Leben gerufen, die Leichtigkeit
des Handels durch eine Entbürokratisierung der Grenzverfahren zu fördern.
Während sich die derzeitigen Verhandlungen in der Welthandelsorganisation
(WTO) auf eine Vereinfachung und Beschleunigung der Zollverfahren weltweit zu zuzuspitzen scheinen, wird der Begriff im Allgemeinen wesentlich
weiter verstanden.
2.1.
Der Begriff
Trade Facilitation. Geht man vom Ursprung des Wortes „Facilitation“ (lateinisch: facilis = leicht, mühelos) aus, so wäre der Begriff im Deutschen
mit Vereinfachung, Förderung bzw. Erleichterung des Handels zu übersetzen. Aufgrund dieser sprachlichen Weite ist es nicht verwunderlich, dass
Trade Facilitation in der internationalen Diskussion, die sich vornehmlich
im Englischen vollzieht, im Laufe der Jahre zu einem Sammelbegriff für
eine Vielzahl von Initiativen geworden ist. Ein einheitlich verwendeter deutscher Begriff existiert nicht. Soweit eine Diskussion im Deutschen erfolgt,
wird Trade Facilitation zumeist als feststehender Begriff verwandt und näher mit den von ihm erfassten Aktivitäten umschrieben.
2.2.
Vom Begriff umfasste Aktivitäten
Die Ansichten darüber, was genau unter dem Begriff Trade Facilitation zu
verstehen ist und welche Aktivitäten davon erfasst sind, differieren je nach
Diskussionsforum. Allgemein lassen sich darunter all die Maßnahmen fassen, die darauf gerichtet sind, die Leistungsfähigkeit des Handels dadurch zu
stärken, dass Warenbewegungen beschleunigt und dabei die Kosten für alle
Beteiligten gesenkt werden. Während sich auch unternehmensinterne Maßnahmen zum Verwaltungsabbau unter den Begriff subsumieren lassen, sind
damit jedoch in erster Linie entbürokratisierende Maßnahmen staatlicher
Stellen zur Handelserleichterung gemeint.
Noch im Jahre 1997 wurde Trade Facilitation von Sylvia Ostry im Zusammenhang mit dem Handel innerhalb der APEC6 dahingehend beschieben,
dass der Begriff der Natur der Sache nach technisch, quasi als „Installationsarbeiten“ zu verstehen sei.7 Im übertragenen Sinne ist damit die Modernisierung der grundlegenden praktischen Einrichtungen gemeint, von denen der
internationale Warenaustausch abhängt und die, wenn sie richtig und umfas6
7
Asia-Pacific Economic Cooperation.
engl. „plumbing“, Sylvia Ostry, Canada and the Year of Asia-Pacific: Trade and Investment, präsentiert anlässlich der CIIA Foreign Policy Conference 1997, S. 3.
7
Kapitel A: Überblick
send angegangen werde, signifikante Vorteile für nationale Regierungen,
international agierende Händler und den Welthandel an sich bringen könne.8
Trade Facilitation setze dort an, wo die multilateral getroffenen Verpflichtungen verwaltet und in die Praxis umgesetzt werden.
Heute jedoch kann bezüglich Trade Facilitation nicht mehr von „Installationsarbeiten“ gesprochen werden. Mittlerweile haben sich diese „Installationsarbeiten“ zu einer umfassenden Handelspolitik entwickelt, die auf internationaler, regionaler und nationaler Ebene eine bedeutende Rolle spielt und
eine Vielzahl von Maßnahmen erfasst. Die Diskussionen und Verhandlungen
in internationalen Organisationen zum Thema Trade Facilitation sind in erster Linie auf eine Entbürokratisierung, Modernisierung und Rationalisierung
von Verfahren anlässlich des Grenzübertritts von Waren gerichtet. Aufgrund
der verschiedenen Zielsetzungen der Organisationen unterscheidet sich auch
hier die jeweilige Definition.9 Während sich in der Welthandelsorganisation
ein Rechtssetzungsprozess abzeichnet, sind andere Organisationen, wie beispielsweise die UN/ECE,10 vornehmlich mit der praktischen Umsetzung von
Trade Facilitation beschäftigt. Innerhalb der WTO und der UNCTAD wird
der Begriff eher eng, als Vereinfachung und Harmonisierung internationaler
Handelsverfahren verstanden. Neben den im Mittelpunkt stehenden Verfahren der zollamtlichen Überwachung sind auch die Aktivitäten, Praktiken und
Formalien erfasst, die bei der Sammlung, Präsentation, Kommunikation und
Verarbeitung von Daten im Außenhandel mit Waren eine Rolle spielen.11
Vielfach wird mit Trade Facilitation jedoch ein wesentlich weiteres Feld
umschrieben. Gerade im privaten Sektor besteht ein großes Interesse daran,
8
9
ebenda.
Beispiele: OECD: “simplification and standardization of procedures and associated
information flows required to move goods internationally from seller to buyer and to
pass payments in the other direction” (OECD, TD/TC/WP(2001) 21); UN/ECE:
“comprehensive and integrated approach to reducing the complexity and cost of the
trade transactions process, and ensuring that all these activities can take place in an efficient, transparent, and predictable manner, based on internationally accepted norms,
standards and best practices” (draft document 3/13/2002); APEC: “trade facilitation
generally refers to the simplification, harmonization, use of new technologies and
other measures to address procedural and administrative impediments to trade” (APEC
Principles on TF 2002).
10 United Nations Economic Commission for Europe = Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa.
11 WTO/UNCTAD: “simplification and harmonization of international trade procedures,
including activities, practices, and formalities involved in collecting, presenting,
communicating, and processing data required for the movement of goods in international trade” (E-Commerce and Development Report 2001).
8
3. Trade Facilitation in der Praxis
eine Vereinfachung und Entbürokratisierung entlang der gesamten Versorgungskette auch international durchzusetzen. Während viele Unternehmen
ihre unternehmensinternen Abläufe durch Rationalisierung und den Einsatz
von IT bereits optimiert haben, ist ihnen daran gelegen, dass sich diese Effizienz auch im internationalen Handel fortsetzt und nicht durch staatliche
Verfahren oder private Dienstleistungserbringer konterkariert wird. Daher
setzt sich der Privatsektor für die Beseitigung der Hindernisse an sämtlichen
Schnittstellen ein, an denen Handel und Verwaltung interagieren. Dazu zählt
beispielsweise auch die Diskriminierung von Transportpersonal an den
Grenzen.
2.3.
Definition
Den folgenden weiteren Ausführungen liegt die im Kontext der Verhandlungen in der WTO gebräuchliche Definition von Trade Facilitation zugrunde.
Trade Facilitation bezieht sich demnach auf die „Vereinfachung und Harmonisierung internationaler Verfahren im Warenhandel“, wobei es sich bei
letzteren um die „Aktivitäten, Praktiken und Formalien handelt, die im Zusammenhang mit der Sammlung, Präsentation, Übermittlung und Verarbeitung von Daten im internationalen Handel erforderlich sind.“12 Neben Verfahren der zollamtlichen Überwachung sind auch Transport-, Zahlungs-, und
Versicherungsformalitäten und der Finanztransfer erfasst.
3. Trade Facilitation in der Praxis
Nach vielen Jahren multilateraler Handelsliberalisierung unter dem GATT
wird die Umsetzung internationaler Standards im Handel und anderer Trade
Facilitation-Maßnahmen als Instrument der Handelsentwicklung heute als
möglicherweise wichtiger angesehen, als die Reduzierung der Zollsätze.
Viele Staaten und Regionen haben daher bereits, unabhängig von verbindlichen und durchsetzbaren internationalen Regelungen, Trade FacilitationKonzepte erarbeitet und umgesetzt. Dadurch konnten Handelsinfrastrukturen verbessert und ihre Wettbewerbsfähigkeit sowie Marktintegration gestärkt werden. Vor allem Industriestaaten haben das Potential von Trade Facilitation früh erkannt und ihren Zoll automatisiert und vereinfacht. Dadurch
konnten die Kosten für Staat und Handel massiv gesenkt und ein attraktives
Handelsumfeld geschaffen werden. In der Mehrheit der Entwicklungsländer
12 So schlägt Shin diese in der Literatur gebräuchliche Definition in seinem Entwurf für
ein Trade Facilitation Agreement vor, Proposing a Tentative Draft Agreement on Trade
Facilitation Measures, in: JoWT 2001, S. 230.
9
Kapitel A: Überblick
und in den LDCs aber werden derartige Reformen jedoch vielfach aufgrund
der anfänglichen Investitionen, vor allem in IT-Infrastruktur, gescheut. Die
knappen finanziellen Ressourcen, aber auch der fehlende politische Wille
sind Gründe für die Umsetzungsdefizite in diesen Staaten. Um zu verhindern, dass die weniger entwickelten Staaten gänzlich aus dem internationalen Wettbewerb verdrängt werden, haben sich verschiedene internationale
Organisationen der Förderung der praktischen Umsetzung von Trade Facilitation verschrieben. Durch die Entwicklung von Standards, durch Studien
und Projekte vor Ort sowie Schulungen von Praktikern konnten bereits beträchtliche Erfolge erzielt werden.13
Die im folgenden dargestellten, grundlegenden Trade Facilitation-Instrumente bilden lediglich Beispiele für die Umsetzung von Trade Facilitation in
der Praxis, wobei die Auswahl geeigneter Maßnahmen stets von den jeweiligen ökonomischen und politischen Gegebenheiten abhängig ist.
3.1.
Single Window
Eines der wichtigsten Instrumente zur Erleichterung des Handels ist das
Single Window, welches mittlerweile Gegenstand der UN/CEFACT Empfehlung Nr. 33 ist. Ziel dieses Konzeptes ist es, die Hemmnisse zu beseitigen, die daraus resultieren, dass Unternehmen täglich eine Vielzahl von Informationen aufzubereiten und verschiedenen staatlichen Stellen, in verschiedenen Phasen des internationalen Handelsprozesses und auf verschiedenen Kommunikationswegen (auf Papier oder elektronisch) zu unterbreiten
haben, wobei jede Behörde ihre eigenen Informationssysteme und Formulare hat. Die fehlende Koordination der involvierten Stellen führt zu mehrfachen Kontrollen der Güter an verschiedenen Orten und zu verschiedenen
Zeitpunkten.
Idee des Single Window ist es, allen beteiligten Parteien zur Erfüllung ihrer
Informationspflichten die Übermittlung standardisierter Informationen und
Dokumente für Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr an einem einzigen Punkt,
einem „single point of contact“ zu ermöglichen. Die für die Entgegennahme
zuständige Stelle (grundsätzlich der Zoll) soll die import- oder exportrelevanten Nachrichten dann an die übrigen Stellen weiterleiten. Durch die einmalige Vorlage der Dokumente an einem „einzigen Schalter“ lässt sich eine
schnellere Freigabe der Waren erreichen. Bedeutsam ist, dass sich das Konzept auf verschiedenen technologischen Entwicklungsstufen implementieren
13 Siehe dazu die Aktivitäten der Vereinten Nationen und der Weltbank, Kapitel E, Ziffer
2 und 3.
10
3. Trade Facilitation in der Praxis
lässt. Beispielsweise kann es sich bei dem „Fenster“ um einen Schalter in
einer bestimmten Behörde handeln, die alle Dokumente entgegennimmt.
Alternativ lässt sich das Projekt durch einen virtuellen Schalter, ein vollautomatisiertes System, auf das sämtliche zuständige Stellen zugreifen können, verwirklichen. Ein solches hat den Vorteil, dass einzelne Datenelemente
nur einmal eingegeben und übermittelt werden müssen.14
3.2.
Technische Möglichkeiten (E-Business, EDI, Internet etc.)
Die technischen Entwicklungen der letzten Jahre haben eine Vielzahl von
Möglichkeiten zur Rationalisierung und Beschleunigung der Handelsverfahren mit sich gebracht. E-Commerce bspw. kann die Marktzugangsmethoden
von Unternehmen vereinfachen, harmonisieren und diesen Transparenz verleihen. Das kostengünstige Internet ermöglicht insbesondere kleinen und
mittelständischen Unternehmen, die Möglichkeiten des E-Commerce ebenso
zu nutzen, wie große Unternehmen. Daneben gehört EDI (Electronic Data
Interchange) zu den wesentlichen technischen Instrumenten zur Erleichterung des internationalen Warenhandels. EDI ermöglicht es öffentlichen und
privaten Organisationen, durch den Austausch strukturierter Nachrichten
effizienter miteinander zu kommunizieren. Die standardisierte Formatierung
der strukturierten Nachrichten erlaubt einen erleichterten Transfer der Informationen zwischen Computersystemen. Diese Kommunikation erfolgt
von „Anwendung zu Anwendung“15 und ermöglicht den Austausch von Daten zwischen Handelspartnern ohne ein manuelles Eingreifen. Die an der
Transaktion beteiligten Transportunternehmen, Frachtführer, Versicherungsmakler, Banken, Zoll- und anderen Verwaltungsstellen können durch
diese Technik auf die vom Händler eingegebenen Daten zugreifen, ohne
dass für die Datenübermittlung eine erneute Eingabe erforderlich ist. Die
generierten Informationen können während der gesamten Handels-, Finanzund Transportkette für kommerzielle und regulative Zwecke in verschiedenen Absatzmärkten verwendet werden. Dies erspart Zeit und reduziert Fehlerquellen, außerdem werden Möglichkeiten für Korruption minimiert. Gerade neue Geschäftsstrategien zur Steigerung der Produktivität wie „Just in
Time“ und „Quick Response“ erfordern eine solche Rationalisierung der
Vorgänge durch die Eliminierung von Aktivitäten, die keine Wertsteigerung
mit sich bringen. Der Staat kann sich EDI-basierter Smart Cards zur Kon14 Zu verschiedenen Erfahrungen mit Single Window-Lösungen siehe Bolhöfer, Trade
Facilitation in der Praxis, in: AW-Prax 2005, S. 23 ff.
15 “Application to application communication”, background paper, revised version,
Trade Facilitation Work Undertaken by International Intergovernmental Organisations,
G/C/W/80/Rev.1, 22.09.2000, Annex II: Explanation of EDI and UN/EDIFACT.
11
Kapitel A: Überblick
trolle und zum Identitätsnachweis im Waren- und Personenverkehr zu Zoll-,
Immigrations- oder anderen Zwecken bedienen. Elektronische Kommunikationsmittel verbessern die Kontrollfähigkeit, die Kapazitäten zur Erhebung
von Steuern und Statistiken und ermöglichen eine kostengünstige Aufgabenerfüllung. Ein Großteil der multinationalen und großen regionalen Organisationen hat EDI bereits selbst eingeführt und erwartet zusehends die EDIFähigkeit ihrer Handelspartner. Im Jahr 2000 haben mehr als eine halbe Million Unternehmen, Verwaltungen und Organisationen EDI verwendet. Derzeit wird die Zahl der Nutzer auf über 3 Millionen geschätzt. Die fortschreitende Liberalisierung der Telekommunikationsdienstleistungen unter dem
GATS16 hat den Zugang zur dafür notwendigen Infrastruktur verbessert.
3.3.
Standardisierung/Normung
Eine überragende Rolle in der Trade Facilitation-Praxis spielen internationale Normen. Diese können sich auf eine Vielzahl von Objekten beziehen. Im
Zusammenhang mit Handelsdokumenten sind beispielsweise der UN Layout
Key und die weiteren von der UN/ECE und ihren Arbeitsgruppen entwickelten Codes und elektronischen Standards zu nennen.17 Diese ermöglichen
einen einfachen und günstigen Austausch von Daten, sowohl in elektronischer, als auch in papierbasierter Form. Die von den Vereinten Nationen entwickelten Handelsdokumente etwa, die UNeDocs, können sowohl auf Papier, in XML, PDF und EDI-Format generiert, mit gewöhnlichen Internetbrowsern visualisiert und mit Standardsoftware erstellt und bearbeitet werden. Die einzelnen Felder der Dokumente sind wiederum klar definiert und
standardisiert. Die so geschaffene Schnittstelle ermöglicht kleineren und
mittelständischen Unternehmen (KMU) die Teilnahme an technologisch
weit entwickelten Anwendungen innerhalb der Versorgungskette.
Des weitern sind die von der ISO geschaffenen internationalen Normen zu
nennen, die vornehmlich den Schutz der Gesundheit, der Umwelt und die
Sicherheit im Allgemeinen zum Inhalt haben. Viele Staaten haben diese
grundsätzlich unverbindlichen Vorgaben angenommen und damit zu staatlichen Regelungen oder zur technischen Grundlage von Gesetzen gemacht.
Damit kann ihre Einhaltung praktisch zur Marktzugangsvoraussetzung werden.18
16 General Agreement on Trade in Services, dazu Kapitel D, Ziffer 3.1.
17 Dazu näher Kapitel E.
18 So etwa die ISO 9000 Qualitätsmanagementsysteme, oder die Abmessungen für
Frachtcontainer und Bankkarten.
12
3. Trade Facilitation in der Praxis
3.4.
Vereinfachte Verfahren
Viele WTO-Mitglieder haben bereits vereinfachte Verfahren zur Beschleunigung der Zollbehandlung von Waren eingeführt. Im europäischen Zollrecht existieren vereinfachte Verfahren vor allem im Bereich des Rechts der
Zollanmeldung. So wird das Anmeldeverfahren mit den klassischen Stationen „Annahme der Zollanmeldung, Überprüfung, Überlassung“ komprimiert, teilweise auf den Zollanmelder verlagert und die Plausibilität der vereinfachten Abwicklung gezielt – im Nachhinein, z.B. durch Außenprüfung –
kontrolliert.19 Die Vereinfachung besteht im Kern darin, dass bei der Zollanmeldung zunächst auf die Angaben im Einheitspapier verzichtet wird,
und/oder das Einheitspapier durch Handels- oder Verwaltungspapiere20 ersetzt wird, oder die Zollanmeldung zunächst „papierlos“ durch Anschreibung in der betrieblichen Buchführung des Anmelders erfolgt. Diese Variante kann mit einer Gestellungsbefreiung verknüpft werden.21 Grundsätzlich
ist eine ergänzende Anmeldung nachzureichen, die auch periodisch und zusammenfassender Art sein kann.22 Bei der „unvollständigen Zollanmeldung“
(UZA) handelt es sich um eine Vereinfachung im Einzelfall; sie bedarf keiner vorherigen Bewilligung. Das „vereinfachte Anmeldeverfahren“ (VAV)
und das „Anschreibeverfahren“ (ASV) jedoch bedürfen der vorherigen Bewilligung. Die Voraussetzungen für die Zulassung zum VAV and ASV sind
klar definiert. Unter anderem kann die Bewilligung nur Personen erteilt
werden, die die Gewähr für die ordnungsgemäße Abwicklung des Verfahrens bieten. Diese Verfahren kommen auch für Personen in Betracht, die
andere bei der Zollabfertigung vertreten, z.B. Spediteure. Zur Sicherung des
Einfuhrabgabenanspruchs ist in diesen Fällen Sicherheit zu leisten.
Im deutschen Ausfuhrrecht kann vertrauenswürdigen Ausführern, die ständig zahlreiche Sendungen ausführen, gestattet werden, die Waren im voraus
bei der Ausfuhrzollstelle anzumelden. Voraussetzung ist, dass der gesamte
Ausfuhrvorgang im Wirtschaftsgebiet erfolgt, die fortlaufende, vollständige
und richtige Erfassung der Ausfuhrsendungen nach der Art des betrieblichen
19 Henke, in: Witte/Wolffgang, Lehrbuch des Europäischen Zollrechts, S. 113 f.
20 Bspw. Rechnungen, Lieferscheine o.ä. Unterlagen, Zollinhaltserklärungen für Postsendungen, Frachtbriefe im Eisenbahnverkehr.
21 Gestellung ist die Mitteilung, dass sich Waren an dem dafür vorgesehenen Ort befinden, Ar. 4 Nr. 19 ZK. Die Mitteilung ist nur dann als ordnungsgemäße Gestellung anzusehen, wenn sich die bezogenen Waren tatsächlich am Amtsplatz befinden. Die Befreiung ist bei Anschreibung des Begünstigten möglich, da durch diese die zollamtlichen Belange gewahrt werden.
22 Henke, in: Witte/Wolffgang, Lehrbuch des Europäischen Zollrechts, S. 114. Näheres
zu den vereinfachten Verfahren, ebenda, S. 113 ff.
13
Kapitel A: Überblick
Rechnungswesens, insb. mit Hilfe einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage, durch den Ausführer gewährleistet ist und die Überwachung der
Ausfuhr nicht beeinträchtigt wird.23
3.5.
Risikomanagement
Das Risikomanagement ist eine Technik zur effizienteren Prioritätensetzung
und wirksameren Nutzung der behördlichen Ressourcen. Es soll ein Gleichgewicht zwischen den Kontrollen einerseits, und der Erleichterung des
rechtmäßigen Handels andererseits, schaffen. Das Risiko in diesem Zusammenhang ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Anwendung von Maßnahmen
im Rahmen der Zollbehandlung der Waren verhindert wird. Das Risikomanagement lässt sich daher als Technik für die systematische Identifizierung
und Umsetzung aller Maßnahmen definieren, mit denen die Wahrscheinlichkeit auftretender Risiken eingeschränkt wird. Internationale und nationale Strategien werden durch Datenerhebung und Information, Risikoanalyse
und -bewertung, das Vorschreiben von Maßnahmen und die Abschätzung
des Risikograds wirksam umgesetzt.
Unter Risikoanalyse versteht man die Untersuchung aller verfügbaren Informationen als mögliche Risikodatenquellen. Diese werden auf ihre Richtigkeit überprüft und gegebenenfalls dem operationellen Dienst zur Verfügung gestellt. Risikoindikatoren erleichtern die Identifizierung und Bewertung der beteiligten bezogenen Risiken. Unter Verwendung der Risikodaten
sind die Risiken in jedem Aspekt des Kontexts zu bewerten, wobei verschiedene Bewertungssysteme existieren.24 Verbreitet ist die Unterteilung in
hohes25, mittleres26 und geringes27 Risiko.28 Wenn feststeht, dass Zollkon-
23 § 13 Außenwirtschaftsverordnung.
24 Die EG unterscheidet zwischen belegten und potentiellen Risiken. Ein belegtes Risiko
ist eine historische Tatsache, eine Unregelmäßigkeit ist aufgetreten, und die Organisation besitzt Aufzeichnungen über den Vorfall und die ihn umgebenden Fakten. Listen
solcher Risiken können vor dem Hintergrund des jüngsten Datenmaterials analysiert
werden, um festzustellen, ob die das Risiko bedingenden Voraussetzungen weiterhin
bestehen. Potenzielle Risiken sind noch nicht festgestellt worden, werden aber vermutet.
25 Bei hohem Risiko ist die Wahrscheinlichkeit einer echten Bedrohung und schwerwiegender Auswirkungen hoch. Die entsprechenden Abwehrmaßnahmen müssen für die
Führungskräfte gut erkennbar sein und könnten im Rahmen von Kontrollplänen vereinbart werden.
26 Bei mittlerem Risiko kann die Bedrohung weniger wahrscheinlich oder aber ihre Wirkung weniger schwerwiegend sein, ohne dass unbedingt beides zutrifft. Werden keine
Abwehrmaßnahmen getroffen, so ist es zweckmäßig, dies zu begründen.
14
3. Trade Facilitation in der Praxis
trollen durchgeführt werden müssen, wird die Art und Weise der Durchführung beschlossen.29 Innerhalb der EG reichen die Arten der Kontrollen, mit
denen der Zoll versucht, Risiken einzudämmen, von der zollamtlichen Überwachung über Belegkontrollen, Beschau und auditgestützte Kontrollen.
Damit die Wirksamkeit und Effizienz des Systems gewahrt bleibt, müssen
die Ergebnisse des Risikomanagements regelmäßig überwacht und geprüft
werden. Dies geschieht im Wege festgelegter Mechanismen. Bei dieser laufenden Prüfung ist es wichtig, dem sich aus dem Verfahren ergebende Informationsfeedback Rechnung zu tragen, damit die Analyse und prioritätenorientierte Planung der Kontrolltätigkeit des Zolls aktuell bleibt.
3.6.
Benchmarking
Als Instrument der ständigen Verbesserung der Dienstleistungserbringung
hat das Benchmarking in vielen öffentlichen Einrichtungen, auch in vielen
Zollbehörden weltweit Einzug gehalten. Benchmarking ist ein Verfahren,
das systematische Untersuchungen, Analysen und Vergleiche nutzt, um gute
oder bessere Methoden Anderer zu ergründen und davon zu lernen. Neben
der Identifizierung existierender Probleme und deren Lösungen kann es
auch dazu genutzt werden, vor der Einführung neuer Systeme oder Verfahren beste Praktiken zu formulieren. So wird es – auf freiwilliger Basis – allein zu dem Zweck eingeführt, die eigenen Leistungen zu optimieren. Die
Zielvorgaben werden individuell bestimmt und können verschiedene Leistungsniveaus beinhalten. In der Regel ist das Benchmarking darauf angelegt,
die Folgen oder Ergebnisse bestimmter Maßnahmen quantitativ zu messen.
Dies muss jedoch nicht stets der Fall sein. So kann auch der Austausch von
Erfahrungen und die Beschreibung von Praktiken und Verfahren mit Benchmarking-Partnern alleiniges Ziel sein. Eine Verbesserung der eigenen Leistung lässt sich nämlich auch durch einen Vergleich der Arbeitsweisen erzie27 Geringrisiken sind annehmbare Risiken, die sich innerhalb von Standard- oder Routineverfahren beurteilen lassen oder bei denen keine Abwehrmaßnahmen erforderlich
sind.
28 Siehe dazu die Seite der EU-Kommission: http://europa.eu.int/comm/taxation_
customs/customs/customs_controls/risk_management/customs_eu/index_de.htm.
29 Zusammen mit den Mitgliedstaaten der EU entwickelt die Europäische Kommission
ein gemeinsames Konzept dafür, welche Art von Kontrollen zur Eindämmung der jeweiligen Risikotypen besonders zweckmäßig ist.
In dieser Initiative werden die Kontrollmethoden und der jeweilige Zeitpunkt ihrer
Anwendung skizziert. Beschrieben werden diejenigen Kontrollen, die beim Eingang in
das Zollgebiet bzw. beim Ausgang daraus durchzuführen sind, die zollamtliche Überwachung, die Kontrollen im Zeitpunkt der Zuweisung einer zollrechtlichen Bestimmung und die nachträglichen Kontrollen.
15
Kapitel A: Überblick
len, ohne dass es dabei auf die konkreten Ergebnisse ankommt. Im Zollbereich kann Benchmarking dazu beitragen, eine schnellere Anpassung der
Verwaltungstätigkeit an die Herausforderungen zu erreichen, die die zunehmende Globalisierung und wachsende Kriminalität mit sich bringen.30
4. Potential von Trade Facilitation
4.1.
Der Nutzen von Trade Facilitation in Zahlen
Vor dem Hintergrund der WTO-Verhandlungen im Rahmen der Doha-Runde
haben Studien ergeben, dass der wirtschaftliche Nutzen von Trade Facilitation größer ist als jener, der sich aus der Liberalisierung des Handels etwa
durch Zollsenkung ergibt.31 Neben neueren Untersuchungen des Einsparungspotentials von Trade Facilitation weltweit existieren vorwiegend regionale oder länderspezifische Studien.32 Die Schätzungen variieren dabei je
nach betrachteter Region und zugrundegelegter Parameter. Probleme bei der
Bewertung sind vor allem darauf zurückzuführen, dass zum einen verschiedene Maßnahmen unter Trade Facilitation subsumiert werden, zum anderen,
dass viele Maßnahmen – gerade bei der Umsetzung – nicht gemessen werden können. Wie groß etwa die Einsparungen sind, die sich für den Handel
aus der Verbreitung des von der UN/ECE geschaffenen Einheitspapiers, des
UN Layout Keys, ergeben, lässt sich zahlenmäßig nicht belegen.33 In neueren Studien ist man daher dazu übergegangen, klare Parameter für die Messungen zu definieren und bei den Schätzungen des weltweiten Einsparungspotentials die regionalen Unterschiede im Hinblick auf Entwicklung und
Beteiligung am Welthandel stärker zu berücksichtigen.
4.1.1. Gewinne durch Trade Facilitation weltweit
Schätzungen der UNCTAD aus dem Jahre 1994 zufolge machen die Kosten
des Handels weltweit etwa 7–10 % der Kosten der gelieferten Waren aus. Im
Jahre 2001 prognostizierte die Organisation, dass sich die Kosten durch einfache Trade Facilitation-Maßnahmen um 2 % des gesamten Welthandelsvolumens senken lassen. Rechnet man den Dienstleistungssektor im Groß- und
30 Näheres im Benchmarking Manual der Weltzollorganisation.
31 Siehe dazu Francois/van Meijl/van Tongeren, Trade Liberalization and Developing
Countries under the Doha Round, Discussion Paper No.4032; Wilson/Mann/Otsuki,
Assessing the Potential Benefit of Trade Facilitation, February 2004.
32 Besonders die Weltbank hat im Rahmen von Entwicklungsprojekten zahlreiche Staaten im Hinblick auf ihre bisherigen Bemühungen auf dem Gebiet von Trade Facilitation untersucht und deren Potential künftiger Maßnahmen eingeschätzt.
33 Zum UN Layout Key siehe Kapitel E, Ziffer 2.2.
16
4. Potential von Trade Facilitation
Einzelhandel hinzu, so brächte eine einprozentige Produktivitätssteigerung
des Sektors Einsparungen von weiteren 7 Milliarden USD mit sich.34
Aktuellere Untersuchungen beziffern die Gewinne, die durch die Umsetzung
konkreter Trade Facilitation-Maßnahmen zu erzielen sind, präziser. Im Rahmen einer von der Weltbank im Februar 2004 veröffentlichten Studie untersuchten die Experten die Beziehung zwischen Trade Facilitation und Warenbewegungen im Handel mit Fertigprodukten weltweit von 2000–2001.35
Nach einer Sammlung von Daten aus 75 Staaten kommen sie zu dem
Schluss, dass die vier Faktoren Hafeneffizienz, Zollumfeld, Regulierungsumfeld und die Nutzung von E-Commerce durch Unternehmen36 weitreichende Auswirkungen auf die Einfuhren und Ausfuhren der einzelnen Staaten haben. Positive Effekte werden durch Effizienzsteigerungen in diesen
Bereichen auch für die Warenbewegungen weltweit angenommen. Den
Schätzungen zufolge liegt der weltweite Gesamtgewinn im Handel mit Fertigprodukten durch Trade Facilitation Maßnahmen bei 377 Milliarden USD.
Danach würden Einfuhren und Ausfuhren in allen Regionen zunehmen.37
Auch die im Hinblick auf Trade Facilitation einschlägigen Artikel V, VIII
und X des GATT 199438 finden in der Studie Berücksichtigung. Befolgten
die Staaten die Vorgaben des Artikel V (Freiheit der Durchfuhr39), welcher
durch den Indikator Hafeneffizienz repräsentiert werde, und jene des Artikel
VIII GATT (Gebühren und Förmlichkeiten im Zusammenhang mit Einfuhr
und Ausfuhr40), dargestellt durch den Indikator Zollumfeld, so ließe sich im
erstgenannten Fall eine Zunahme des Handel mit Fertigwaren in Höhe von
107 Milliarden USD erzielen, bei Beachtung der Vorgaben des Art. VIII
GATT weitere 33 Milliarden USD. Würden zudem die Handelsvorschriften
im Einklang mit Artikel X GATT41 veröffentlicht und angewandt, so hätte
dies Zuwächse von weiteren 83 Milliarden USD zur Folge. Mit der Verbes-
34 UNCTAD, E-Commerce and Development Report 2001, S. 27.
35 Wilson/Mann/Otsuki, Assessing the Potential Benefit of Trade Facilitation, February
2004.
36 Stellvertretend für die Infrastruktur des Dienstleistungssektors.
37 Wilson/Mann/Otsuki, Assessing the Potential Benefit of Trade Facilitation, February
2004, S. 21.
38 General Agreement on Tariffs and Trade 1994, zu Deutsch: Allgemeines Zoll- und
Handelsabkommen von 1994, fortan: GATT.
39 Siehe dazu Kapitel D, Ziffer 1.1.
40 Siehe dazu Kapitel D, Ziffer 1.2.
41 Siehe Kapitel D, Ziffer 1.3.
17
Kapitel A: Überblick
serung der Dienstleistungsinfrastruktur sei, so die Studie, zu erwarten, dass
der Handelsverkehr in Höhe von 154 Milliarden USD zunehme.42
4.1.2. Potential auf regionaler Ebene
Aus der Studie der Weltbank von Februar 2004 geht hervor, dass die meisten
Regionen eher im Hinblick auf Ausfuhren zulegen werden als auf Einfuhren,
vornehmlich durch Exporte in den Markt der OECD43-Staaten. Regional
gesehen hat Südostasien danach das größte Potential für Import- und Exportsteigerungen, wobei die Exportzuwächse die Importzuwächse übersteigen werden. Demgegenüber werden Exporte der Staaten Afrikas und des
Mittleren Ostens im Vergleich zu Importen eher wenig wachsen. Dies sei auf
deren geringen Integrationsgrad im internationalen Handel mit Fertigprodukten und auf den ohnehin geringeren Zugang zum Markt der OECDStaaten zurückzuführen.
Im Jahre 2003 wurde für die APEC berechnet, dass sich durch Trade Facilitation-Programme ein zusätzlicher Nutzen in Höhe von circa 0.26 % des
Bruttoinlandsprodukts der APEC erzielen lasse, beinahe doppelt so viel wie
die durch Tarifliberalisierung möglichen Gewinne.44 Beim Einfuhrpreis lägen die Einsparungen der Entwicklungsländer in der Region bei 1–2 %.45
Auch hier wurden die vier Kategorien Hafeneffizienz, Zollumfeld, Regulierungsumfeld und Nutzung von E-Business untersucht. Festgestellt wurde,
dass das Steigerungspotential bei der Hafeneffizienz der Einfuhrstaaten größer ist, als beim Zollumfeld oder bei der Dienstleistungsinfrastruktur. Mit
einer unilateralen Verschärfung des Regulierungsumfelds ginge wiederum
ein Rückgang der Einfuhren des jeweiligen Staates einher. Darüber hinaus
haben Simulationen ergeben, dass Leistungssteigerungen der in den 4 Kategorien unterdurchschnittlich abschneidenden APEC-Staaten auf die Hälfte
des APEC-Durchschnitts Handelszuwächse innerhalb der Region von 20%
mit sich bringen würden. Andere Quellen schätzen, dass durch eine dreiprozentige Senkung der Kosten einschließlich Ausladen und Zoll (landed cost),
etwa durch elektronische Dokumentation, Einsparungen beim intra-APECWarenhandel in Höhe von 60 Milliarden USD zu erzielen seien.46
42 Wilson/Mann/Otsuki, Assessing the Potential Benefit of Trade Facilitation, February
2004, S. 22.
43 Organisation for Economic Cooperation and Development.
44 Wilson/Mann/Otsuki aus dem Jahr 2003. Danach sind durch Tarifliberalisierungen
Gewinne in Höhe von 0.14 % möglich.
45 Wilson/Mann/Otsuki, 2003.
46 Report by the Australian Government, Paperless Trading: Benefits to APEC (2001), S.
18.
18
4. Potential von Trade Facilitation
Für den südamerikanischen Kontinent wurde festgestellt, dass dieser vor
allem im Hinblick auf das Zollumfeld rückständig ist. Gerade hier sei erhebliches Potential für Verbesserungen vorhanden.47 Durch eine Fallstudie in
Peru wurde beispielsweise aufgedeckt, dass die arbeits- und papierintensiven Verfahren zu langen Abfertigungszeiten führten und transparente Verfahren verhinderten. Durch Zollreformen konnte das Land beachtliche Erfolge bei „Compliance“, d.h. der Sicherstellung, dass keine Transaktion gegen bestehende Gesetze und Verordnungen verstößt, im Hinblick auf die
Kosten und die Erleichterung des Handels erzielen.
4.1.3. Trade Facilitation national
Während in der Vergangenheit das Hauptaugenmerk auf die nationalen Reformen des jeweiligen Handelspartners gerichtet wurde, um Gewinne im
bilateralen Handel durch Trade Facilitation abschätzen zu können, wechseln
neuere Studien dazu über, die Reformen im eigenen Land zu betrachten. Sie
kommen zu dem Schluss, dass diesen nationalen Bestrebungen entscheidende Bedeutung bei der Realisierung der weltweit auf 377 Milliarden USD
geschätzten finanziellen Vorteile zukommt.48 Auch durch unilaterale Maßnahmen lassen sich danach positive Effekte für den bilateralen Handel – Importe sowie Exporte eines Landes – erzielen.49 Dementsprechend haben viele Industrienationen bereits nationale Trade Facilitation-Projekte initiiert.
4.2.
Entwicklungspotential von Trade Facilitation
4.2.1. Handel als Instrument der Entwicklung
Dass der Außenhandel eine wesentliche Rolle bei der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes spielt, und dass die Handelsliberalisierung ein Instrument zur Integration der Entwicklungsländer und der am wenigsten entwickelten Staaten (LDCs) darstellt, wird heute kaum noch bestritten. Auch
wenn Differenzen über die Art und Weise der Liberalisierung bestehen,50 so
ist man sich weitgehend darüber einig, dass größere Handelsvolumina – Einfuhren und Ausfuhren – nicht nur zu einem höheren Lebensstandard führen,
sondern auch zu schnellerem Wachstum.51 Schätzungen zufolge führt eine
47 Lane, Peru – a Case Study, 2000; Wilson/Mann/Otsuki, Assessing the Potential Benefit of Trade Facilitation, February 2004, S. 22.
48 Wilson/Mann/Otsuki, Assessing the Potential Benefit of Trade Facilitation, February
2004, S. 21.
49 ebenda.
50 Rege, Developing Countries and Industrial Tariff Negotiations, in: Bridges 2001, S.
14.
51 Anderson/Francois/Hertel/Hoeckmann/Martin, 2000.
19
Kapitel A: Überblick
weitergehende Handelsliberalisierung zu einer Steigerung der Staatseinnahmen von 20 bis 50 %. Dies würde bedeuten, dass, wenn Importe durch Liberalisierungsmaßnahmen um 100 Millionen USD steigen, Staatseinnahmen
um 20 bis 50 Millionen USD zunehmen.52 Geht man nun davon aus, dass
mit der Umsetzung von Trade Facilitation Maßnahmen sogar noch höhere
Gewinne erzielt werden können, so wird das Entwicklungspotential dieser
Politik deutlich. Neuste Studien der OECD53 und APEC belegen, dass Effizienzsteigerungen vor allem bei Zoll- und Grenzverfahren in Entwicklungsund Schwellenländern voraussichtlich Ausfuhren im Wert von einigen Milliarden Dollar mit sich bringen werden.54 Beispiele aus der Vergangenheit
haben gezeigt, dass sich mit einer Kombination aus Fallstudien, detaillierten
Informationen aus Simulationen und länderspezifischen Analysen konkrete,
individuelle Entwicklungskonzepte erarbeiten lassen.
4.2.2. Die Situation in Entwicklungsländern
Trotz der in internationalen Organisationen erarbeiteten Umsetzungsinstrumente und der von der IT-Branche entwickelten modernen Anwendungen
existiert in vielen Staaten weiterhin eine Praxis, die den derzeitigen Anforderungen im Welthandel nicht gewachsen ist. Gründe dafür sind neben historischen Gegebenheiten und einem fehlenden politischen Willen der Regierenden oftmals fehlendes Know-how und mangelnde finanzielle Ressourcen. Hinzu kommen Korruption und die Tatsache, dass die Einnahmen an
den Grenzen in vielen weniger entwickelten Staaten einen Großteil der
Staatseinnahmen ausmachen.55 Auch wenn das Entwicklungspotential von
Trade Facilitation mittlerweile kaum noch in Frage gestellt wird, bestehen
Vorbehalte. Negative Erfahrungen mit der Entwicklungspolitik in der Vergangenheit, die auf eine möglichst schnelle Liberalisierung gerichtet war
und den Entwicklungsländern vielfach keine Zeit zur Anpassung an die neuen Gegebenheiten gelassen hat, haben sie grundsätzlich kritisch gegenüber
neuen WTO-Verpflichtungen gemacht. Hinzu kommt, dass bis heute nicht
alle der im Rahmen der Uruguay-Runde eingegangenen Verpflichtungen,
auch im Zusammenhang mit Trade Facilitation, in die Praxis umgesetzt
werden konnten. Neben dem Fehlen der dafür notwendigen finanziellen
52 Hufbauer/Kotschwar/Wilson, Trade and Standards: A Look at central America, in:
World Economy 2002, S. 992.
53 Trade Facilitation Reforms in the Service of Development, OECD (Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) 2003, S. 15 ff.
54 OECD, Trade Facilitation Reforms in the Service of Development, Working Party of
the Trade Committee, TD/TC/WP(2003)/11/FINAL, 30.07.2003.
55 Siehe ausführlich zu der Situation des Zoll in den Entwicklungsländern: Trade Facilitation Reforms in the Service of Development, OECD 2003, S. 9 ff.
20
4. Potential von Trade Facilitation
Mittel werden die Umsetzungsdefizite vielfach auf die allzu unklar formulierten Bestimmungen zur Unterstützung der weniger entwickelten Mitglieder durch die Industriestaaten zurückgeführt. Da diese derzeit rechtlich nicht
verbindlich bzw. nicht durchsetzbar seien, bestehe für sie auch keine Möglichkeit, ihren Zoll zu reformieren.56 In der Folge machen die Entwicklungsländer ihre Verhandlungsbereitschaft auf dem Gebiet von Trade Facilitation
von verbindlichen Verpflichtungen der Industrieländer zur Unterstützung bei
der Umsetzung neuer Regelungen abhängig.
4.2.3. Einschätzung der Lage
Abgesehen von den positiven Auswirkungen von Trade Facilitation auf den
Welthandel haben Studien belegt, dass sich Maßnahmen auf diesem Gebiet
insbesondere als Instrument der Entwicklung eignen. Danach sind Reformen
mit dem Ziel, die Verfahren im Handel zu vereinfachen und zu beschleunigen, notwendige Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung und die
Bekämpfung der Armut in Entwicklungsländern. Man muss sich vergegenwärtigen, dass Trade Facilitation in vielen Staaten unabhängig von verbindlichen, durchsetzbaren internationalen Regelungen bereits auf freiwilliger
Basis stattfindet. Diese Entwicklung lässt sich ebenso wie die fortschreitende Globalisierung nicht aufhalten. Damit die Kluft zwischen armen und reichen Ländern nicht größer wird, ist eine wirtschaftliche Integration der Entwicklungsländer notwendig. Trade Facilitation ist dabei ein entscheidender
Faktor. Gerade weniger entwickelte Staaten können durch Vereinfachung
und Beschleunigung der administrativen Abläufe eine Steigerung ihrer wirtschaftlichen Attraktivität erzielen. Das Potential für Einsparungen und
Wachstum ist hier besonders hoch. Auch wenn die Kosten der Umsetzung
für sie eine große Herausforderung darstellen, ist gerade im Hinblick auf die
potentiellen Gewinne ein Umdenken erforderlich. Durch Rationalisierungen
und den Einsatz von Informationstechnologien lässt sich die Effizienz der
Verfahren deutlich steigern, so dass größere Handelsvolumina in dem selben
Zeitraum abgefertigt werden können. Die Folge sind höhere Staatseinnahmen bspw. aus Hafengebühren, Verbrauchsteuern, aus Einkommenssteuern
und Unternehmensgewinnen. Automatisierte Verfahren führen zudem zu
Personaleinsparungen, wodurch menschliche Fehler minimiert und Gelegenheiten für Korruptionen begrenzt werden. Auf Seiten des Handels führen
derartige Reformen zu geringeren Verwaltungskosten.
56 So beispielsweise der Vertreter Indiens in den WTO-Verhandlungen in Vorbereitung
auf die Ministerkonferenz in Cancún. Dieses Vorbringen ist vor den Hintergrund der
damals anstehenden Verhandlungen quasi als Druckmittel zu sehen, die Industriestaaten zu Zugeständnissen auf anderen Verhandlungsgebieten zu bewegen.
21
Kapitel A: Überblick
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass, wenn Zollreformen in Entwicklungsländern wegen der relativ hohen Umsetzungskosten zum jetzigen Zeitpunkt
gescheut werden, diese im Welthandel weiter zurückzufallen drohen.
5. Bestandsaufname
In den letzten Jahren haben die Bemühungen internationaler und nationaler
Organisationen in verschiedenen Ländern und Sektoren zu entscheidenden
Verbesserungen des Handelsumfelds geführt. Informationsströme konnten
erleichtert, Prozesse analysiert und Bestimmungen vereinfacht werden. Eine
Harmonisierung der Verfahren und Dokumente, die Standardisierung der
Handelspraktiken und die Einführung von Gesetzen über die Darstellung
bestimmter Informationen haben weitere Erleichterungen gebracht. Neben
der Welthandelsorganisation gehören dazu die Weltzollorganisation
(WCO),57 die Wirtschaftskommission für Europa (UN/ECE) und das Zentrum für Trade Facilitation und elektronischen Handel (UN/CEFACT),58 sowie die internationalen Transportorganisationen59 und die Internationale Industrie- und Handelskammer (ICC).60 Trotz der Vielzahl der Empfehlungen
und angenommenen Konventionen im Bereich von Trade Facilitation mangelt es an einem universellen, rechtlich verbindlichen Übereinkommen.
Hinzu kommt, dass sich die entwickelten Verfahren und Systeme, die
Frachtführer, Transportunternehmer, Hafenaufsicht, Banken, Versicherungen, Zoll, Überführer und die anderen in der Versorgungskette Beteiligten
verbinden, in ständiger Anpassung an die wechselnden Bedürfnisse befinden. Die Möglichkeiten, die der moderne Transport eröffnet, die Nutzung
57 Dieser ist die Zollkonvention über Container (CCO), die Internationale Konvention
über das harmonisierte Bewertungs- und Codierungssystem (HS) und die Internationale Konvention zur Vereinfachung und Harmonisierung von Zollverfahren (KyotoKonvention) in der Fassung von 1973 sowie deren revidierte Fassung von 1999 zu
verdanken. Siehe näher dazu: Kapitel E, Ziffer 1.
58 So gehen die internationale Konvention über die Harmonisierung von Grenzkontrollen
für Waren (HAR) und das Übereinkommen über den internationalen Transport von
Waren mit dem Carnet-TIR von 1975 auf die UN/ECE zurück. UN/CEFACT hat sich
vornehmlich mit der technischen Umsetzung von Trade Facilitation beschäftigt. Ergebnisse sind neben standardisierten Handelsdokumenten ein Verzeichnis für Datenelemente im Handel (UNTDED) und eines für den Austausch von Daten (UNTDID).
59 Jedoch nicht abschließend: International Express Carrier’s Conference (IECC), International Air Transportation Association (IATA), International Chamber of Shipping
(ICS), International Road Transport Union (IRU), International Federation of Freight
Forwarders Association (FIATA), International Federation of Customs Brokers Association (IFCBA), etc.
60 Siehe dazu Kapitel E, Ziffer 5.
22
5. Bestandsaufname
von Containern und Expresslieferanten, ebenso wie der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien zur Generierung und Reproduktion von Daten, aber auch deren Risiken, sind Faktoren, die bei den Bemühungen zur Erleichterung des internationalen Warenaustauschs Berücksichtigung finden müssen. Ausgehend von diesen Erkenntnissen werden im Folgenden die neueren, auf eine umfassende Trade Facilitation Lösung gerichteten Bestrebungen in der Welthandelsorganisation (WTO) untersucht.
23
Kapitel B: Trade Facilitation in der
Welthandelsorganisation
1. Die aktuelle Diskussion
Mit Abschluss der Uruguay-Runde und der darin erzielten drastischen Reduzierung der Zölle und traditionellen, nichttarifären Maßnahmen zugunsten
der Entwicklungsländer, aber auch der entwickelten Länder, hat die Thematik der Trade Facilitation zunehmend an Bedeutung gewonnen. Das Verschwinden der klassischen Handelsbarrieren hat die Sicht frei gemacht für
weniger offensichtliche Hemmnisse, die auf eine ineffiziente Verwaltung
und Organisation der Handelstransaktionen zurück zu führen sind. „Unsichtbare“ Kosten, als Resultat von Dokumentationsanforderungen, Verfahrensverzögerungen oder fehlender Transparenz und Vorhersehbarkeit bei der
Normanwendung durch staatliche Stellen, geraten zunehmend in das Blickfeld von Regierungen und Handel.61
1.1.
Das Mandat von Doha, Katar
Aktualität gewann die sich seit 199662 wachsender Popularität erfreuende
Trade Facilitation-Politik im November 2001 in Doha, Katar. Auf der dort
durchgeführten vierten Ministerkonferenz,63 welche eine neue, auf drei Jahre angesetzte Welthandelsrunde unter Schirmherrschaft der WTO einleitete,
einigte man sich am 4.11.2001 auf folgendes Mandat:
„Recognizing the case for further expediting the movement, release and
clearance of goods, including goods in transit, and the need for enhanced
technical assistance and capacity building in this area, we agree that nego61 Siehe dazu: Renato, Ruggiero, Director General, WTO, Opening Address on the Occasion of WTO Trade Facilitation Symposium, 9.–10. März 1998 in Genf, Schweiz, S. 2.
62 In diesem Jahr, im Zuge der Deklaration von Singapur, wurde Trade Facilitation erstmals auf die Agenda der WTO gesetzt.
63 Außer Trade Facilitation, das mit Investment, Wettbewerbspolitik und Transparenz im
staatlichen Beschaffungswesen eine der 4 „Singapur Issues“ (da sich in Singapur auf
ein diesbezügliches Arbeitsprogramm geeinigt wurde) bildet, enthält die Doha Development Agenda sieben weitere Punkte: Die Umsetzung bereits geschlossener Übereinkommen, Landwirtschaft, Dienstleistungshandel, Marktzugang für nicht landwirtschaftliche Produkte, Handel und Umwelt, WTO-Regeln (für die Anwendung von
Schutzmaßnahmen und Anti-Dumping Zöllen), TRIPS und Streitbeilegung. Bei den
ersten 6 Punkten handelt es sich um ein „single undertaking“ mit einer Beendigungsfrist bis zum 1.1.2005. Das Streitbeilegungsverfahren sollte bis 31.3.2003 reformiert
werden, was jedoch bis heute nicht gelungen ist.
25
Kapitel B: Trade Facilitation in der Welthandelsorganisation
tiations will take place after the Fifth Session of the Ministerial Conference
on the basis of a decision to be taken, by explicit consensus, at that Session
on modalities of negotiations. In the periods until the Fifth Session, the
Council for Trade in Goods shall review and as appropriate, clarify and improve relevant aspects of Articles V, VIII and X of the GATT 1994 and identify the trade facilitation needs and priorities of Members, in particular developing and least-developed countries. We commit ourselves to ensuring
adequate technical assistance and support for capacity building in this
area.“
In Vorbereitung auf die nach der fünften Ministerkonferenz64 angesetzten
Verhandlungen war es danach Aufgabe des Rates für den Warenhandel, die
Aspekte der Art. V, VIII und X GATT einer Prüfung zu unterziehen, die eine
Beschleunigung des Transports, der Freigabe und der Zollabfertigung von
Waren zum Ziel haben. Gegebenenfalls sollten Vorschläge zu deren Verbesserung und Klarstellung erarbeitet werden. Die Bedürfnisse und Prioritäten
der Mitglieder im Hinblick auf Trade Facilitation, besonders jene der Entwicklungsland-Mitglieder und der LDCs, sollten dabei identifiziert werden.
Darüber hinaus haben sich die Mitglieder in dem Zusammenhang zur Sicherstellung angemessener technischer Hilfe und Capacity Building65, zwei
in der WTO weit verbreitete Entwicklungsinstrumente, „verpflichtet“.66
1.2.
Das ursprüngliche Mandat
Die Erklärung von Doha geht zurück auf das ursprüngliche Trade Facilitation-Mandat aus dem Jahr 1996, welches die Thematik erstmals auf die Tagesordnung der WTO setzte. Die anlässlich der Ministerkonferenz in Singapur verkündete Deklaration gab dem Rat für Warenhandel in Paragraph 21
auf, unter Zuhilfenahme der im Rahmen anderer relevanter Organisationen
gefundenen Ergebnisse mögliche Verfahrensvereinfachungen im Handel zu
erforschen, um die Reichweite für zukünftige WTO-Disziplinen bestimmen
zu können.67
64 Die 5. WTO-Ministerkonferenz hat vom 10.-15 September 2003 in Cancún, Mexiko,
stattgefunden.
65 Aufbau der Leistungsfähigkeit von Entwicklungsländern.
66 Zum Charakter der Ministererklärung siehe Kapitel C, Ziffer 6.; zur Rechtsnatur der
Bestimmungen zum SDT Kapitel D, Ziffer 4.5.
67 “… to undertake exploratory and analytical work, drawing on the work of other relevant organisations, on the simplification of trade procedures in order to assess the scope for WTO rules in this area.”
26
1. Die aktuelle Diskussion
Schon vor diesem Mandat hat es Bestrebungen zur Vereinfachung und Harmonisierung von Verfahren anlässlich des Handels mit Waren gegeben. Neben den ursprünglichen Artikeln V, VIII und X des GATT 1947, die ohne
Änderungen das GATT 1994 übernommen wurden, zählen dazu auch Art
VII und das Zollwertübereinkommen,68 sowie die multilateralen Zusatzübereinkommen, die sich mit Vorversandkontrollen, Einfuhrlizenzverfahren,
Ursprungsregeln, technischen Handelshemmnissen und der Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen beschäftigen. Jedoch war es erst die Ministerkonferenz in Singapur, die der WTO das
Mandat für eine umfassende Betrachtung von Trade Facilitation gab.
1.3.
Entwicklungsdimension des Doha Mandats
Nachdem die vorausgegangenen Welthandelsrunden eher eine traditionellere, zollorientierte Dimension aufwiesen und zu Einigungen im Zollbereich
führten (Zollwerte, Bewertungs- und Herkunftsfragen), weist die Doha Development Agenda (DDA) neben thematischen Erweiterungen69 auch eine
Fülle von Vereinfachungsaspekten auf. Im Warenhandel geht es dabei vornehmlich um die Rationalisierung der Vorgänge und Verfahren im Zollbereich und der Erfordernisse, denen die Unternehmen unterliegen, sowie um
die Einführung von Informationstechnologien. Generelles Ziel ist das effiziente Management der Aufgaben anlässlich der Ein- und Ausfuhr von Waren. Das Trade Facilitation-Mandat spiegelt deutlich den Leitgedanken der
gesamten Deklaration – die Integration der Entwicklungsländer in das Welthandelssystem – wider.70 Seit dem Scheitern der Ministerkonferenz in Seattle ist klar, dass eine Weiterentwicklung des Welthandelssystems im Wege
multilateraler Verhandlungen nur unter Berücksichtigung der Bedürfnisse
dieser Mitglieder zu erreichen ist.71 Diese Erkenntnis kommt unzweifelhaft
68 Übereinkommen zur Durchführung des Artikels VII des GATT 1994.
69 Handel und Umwelt; kleine Staaten; Landwirtschaft: erstmals wird die Abschaffung
von Ausfuhrsubventionen, die Verringerung oder Eliminierung von Spitzenzöllen, hohen Zöllen und Tarifeskalationen, ebenso wie NTBs gegenüber Produkten, deren Ausfuhr im Interesse der Entwicklungsländer liegt, explizit erwähnt; internationale Arbeitsrechtsstandards.
70 Ob das Mandat effektiv dazu beiträgt, das seit der Urugay-Runde bestehende Ungleichgewicht zwischen Entwicklungsländern und entwickelten Staaten auszugleichen,
ist umstritten. Nicht davon überzeugt ist Panagariya, Developing Countries at Doha: A
Political Economy Analysis, in: World Economy 2002, S. 1205–1233; siehe auch: Liebig, Die internationale Handelsordnung zu Beginn der Doha-Runde, DIE 2002.
71 Zu den Forderungen der Entwicklungsländer, die Eingang in das Mandat von Doha
gefunden haben, zählten: Die Beseitigung der inhärenten Ungleichgewichte (1), Umsetzung und stärkere Liberalisierung in den Bereichen Landwirtschaft und Textilien
27
Kapitel B: Trade Facilitation in der Welthandelsorganisation
im Wortlaut der Erklärung zum Ausdruck, die vielfach auf „Verpflichtungen“72 zu technischer Hilfe und Capacity Building Bezug nimmt. Großer
Wert wird zudem auf die Schaffung von Transparenz gelegt, mit der die Legitimität des multilateralen Handelssystems, vor allem auch in der Bevölkerung, erhöht werden soll.
Wie bereits ausgeführt spielen die Entwicklungsfragen der neuen Welthandelsrunde im Zusammenhang mit Trade Facilitation eine bedeutende Rolle.
Gerade in Entwicklungsländern und LDCs müssen die Verfahren anlässlich
des Warenhandels durch Vereinfachung und Entbürokratisierung beschleunigt werden, so dass sie für den internationalen Handel attraktiv und damit
wettbewerbsfähig bleiben. Da die mangelnden finanziellen und personellen
Ressourcen einen Wandel derzeit ebenso wenig zulassen wie das fehlende
Know-how, muss deren Unterstützung gerade auf dem Gebiet der Handelserleichterung ein besonderer Stellenwert beigemessen werden.
2. Entwicklungen von Trade Facilitation in der WTO
2.1.
Einführung
Seit Abschluss des GATT im Jahre 1947 war es dessen Sinn und Zweck, den
internationalen Warenaustausch aufgrund seiner gesamtwirtschaftlichen Vorteile zu fördern. In der Präambel des GATT 1947 heißt es dazu,
„… in der Erkenntnis, dass ihre Handels- und Wirtschaftsbeziehungen auf
die Erhöhung des Lebensstandards, auf die Verwirklichung der Vollbeschäftigung, … auf die Steigerung der Produktion und des Austausches von Ware
gerichtet sein sollen, und in dem Wunsche, zur Verwirklichung dieser Ziele
durch den Abschluss von Vereinbarungen beizutragen, die auf der Grundlage der Gegenseitigkeit und zum gemeinsamen Nutzen auf einen wesentlichen
Abbau der Zölle und anderer Handelsschranken sowie auf die Beseitigung
der Diskriminierung im internationalen Handel abzielen, durch ihre Vertreter folgendes vereinbart: …“
(2), verlängerte Übergangszeiten bei der Umsetzung der für die schwierigen Abkommen, insbes. GATS und TRIPS (3), technische und finanzielle Hilfe (4), größere
Transparenz (5) und eine umfassende Teilnahme an den Verhandlungen (6). In der
Folge ziehen sich Entwicklungspolitische Themen wie ein roter Faden durch die gesamte Ministererklärung. Der Aufbau von Kapazitäten (Capacity Building) in den
Entwicklungsländern, insbesondere in den LDCs, wird in der Ministererklärung allein
18 Mal genannt, der Begriff der technischen Hilfe 21 Mal.
72 Commitments.
28
2. Entwicklungen von Trade Facilitation in der WTO
Schon kurz nach Abschluss des Abkommens zeigten sich erste Harmonisierungsbestrebungen, und verschiedene internationale Organisationen begannen mit der Entwicklung von Instrumenten zur Erleichterung und Vereinfachung des internationalen Warenaustausches.73 Trotz dieser Bestrebungen
taucht der Begriff „Trade Facilitation“ erstmals am Ende des 20. Jahrhunderts auf der Agenda der WTO auf. Was darunter im Hinblick auf zukünftige
WTO-Bestimmungen inhaltlich konkret zu verstehen sei, sollte in Diskussionen der Mitglieder und in Konsultationen mit dem Handel geklärt werden.
2.2.
Arbeit unter Schirmherrschaft der WTO zwischen Singapur
und Doha
2.2.1. Trade Facilitation bis 1999
Zur Identifizierung der Faktoren, die internationale Warenbewegungen in
besonderem Maße behindern, und um einen direkten Austausch zwischen
dem Handel und den Entscheidungsträgern nationaler Regierungen zu ermöglichen, initiierte der Rat für den Warenhandel zunächst ein Trade Facilitation Symposium, das im März 1998 stattfand. Es sollte die WTO-Mitglieder in die Lage versetzen, mit der in Singapur beschlossenen analytischen Arbeit zur Bestimmung der Reichweite zukünftiger WTO-Disziplinen
beginnen zu können. In seiner Eröffnungsrede bemerkte Renato Ruggiero,
der damalige WTO-Generaldirektor:
„Hindernisse administrativer Art sowohl für Einfuhren als auch für Ausfuhren stellen sicher kein effektives Instrument einer restriktiven Handelspolitik
dar. Exzessive Dokumentations-Erfordernisse, veraltete und langsame Verfahren stellen primitive, einschüchternde und willkürliche Maßnahmen dar,
die den gesamten Handel behindern und eine allgemeine negative Handelsatmosphäre schaffen. Oftmals werden nationale Wirtschaftsinitiativen in
Mitleidenschaft gezogen. Eine ausdifferenzierte Zollstruktur, beispielsweise,
die niedrige Zölle für Zwischenprodukte mit dem Ziel vorsieht, die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie anzukurbeln, kann ins Leere gehen,
wenn zusätzliche Kosten bei der Einfuhr aufgrund administrativer Hürden
zu erwarten sind. Anders als es bei Zöllen der Fall ist, machen sich die unsichtbaren Kosten, die auf administrative Barrieren zurückzuführen sind,
nicht positiv im Staatshaushalt bemerkbar. Vielmehr handelt es sich um
73 So etwa die Wirtschaftskommission für Europa (UN/ECE) oder die Customs Cooperation Council (CCC), Vorgängerin der Weltzollorganisation (WCO).
29
Kapitel B: Trade Facilitation in der Welthandelsorganisation
ernsthafte, schwerwiegende Verluste, von denen niemand profitiert und die
kein sinnvolles Handelsziel verfolgen.“74
Redner aus privaten Unternehmen und Industrieverbänden berichteten von
den am häufigsten von ihnen angetroffenen Schwierigkeiten im internationalen Handel. Neben der Fülle der beizubringenden Unterlagen und dem spärlichen Einsatz von Informationstechnologien wurde die mangelnde Transparenz, beispielsweise im Hinblick auf Ein- und Ausfuhrerfordernisse, kritisiert. Darüber hinaus seien die Verfahren unzulänglich, vor allem fehle es an
Kontrollen durch Rechnungsprüfungen und auf Grundlage von Risikoanalysen. Die fehlende Kooperation zwischen staatlichen Stellen und das Modernisierungsdefizit vereitelten zudem die Bemühungen, dem ansteigenden
Handelsvolumen gerecht zu werden.75 Die Vertreter zwischenstaatlicher Organisationen hingegen berichteten ihrerseits von den Fortschritten mit Blick
auf die Erleichterung des Handels.76
Die Notwendigkeit weiterer Forschung und Analysen innerhalb eines ausgewählten Forums, das konkreter auf die Fragen im Zusammenhang mit
Trade Facilitation eingehen konnte, führte zu vier informellen Sitzungen des
Rates für den Warenhandel, die sich ausschließlich dem Thema Trade Facilitation widmen sollten.77 In diesen wurden zunächst Probleme im Hinblick
auf Ein- und Ausfuhrerfordernisse, den Zoll und Grenzübertritt erörtert, und
man verschaffte sich einen Überblick über die Kyoto-Konvention und deren
74 “Administrative barriers for imports and exports are certainly not effective instruments of restrictive trade policy. Excessive documentation requirements and outdated
and slow procedures are crude, impressive, and indiscriminate measures which hinder
all trade and create an overall negative trading environment. National economic objectives are often adversely affected. For example, a carefully devised tariff structure
with low tariffs for intermediate goods to boost the competitiveness of the domestic industry could be frustrated, if administrative barriers add additional costs on the import of these goods. Unlike customs duties, which benefit the government budget, the
invisible costs of administrative barriers are genuine deadweight losses, benefiting
nobody and achieving no meaningful policy objective.”, Renato Ruggiero, Director
General WTO, Opening Address on the Occasion of WTO Trade Facilitation Symposium, held on 9–10 March 1998 in Geneva, Switzerland, S. 2.
75 Siehe dazu G/L/226.
76 Zugegen waren Vertreter des IWF, des ITC, der UNCTAD, der UN/ECE, der Weltbank
und der WCO.
77 Die Sitzungen fanden planmäßig statt. Zahlreiche Mitglieder gaben Stellungnahmen
zu den verschiedenen Themenbereichen ab, zahlreiche auch von der Europäischen
Gemeinschaft. Auf der dritten Sitzung äußerten sich andere WTO-Organe zu jenen
Aspekten der Trade Facilitation, die Relevanz für die unter ihrer Aufsicht stehenden
Übereinkommen hatten.
30
2. Entwicklungen von Trade Facilitation in der WTO
Revision. Weiter waren die physische Bewegung von Sendungen (Transport
und Transit), Zahlungsweisen, Versicherungen und andere finanzielle Erfordernisse, die grenzüberschreitende Warenbewegungen beeinflussen, Gegenstand der Sitzungen. Im Jahr 1999 widmete man sich den elektronischen Vorkehrungen und deren Bedeutung für die Vereinfachung des internationalen
Handels, technischen Zusammenarbeits- und Entwicklungsfragen im Zusammenhang mit der Vereinfachung von Verfahren und den relevanten
WTO-Übereinkommen. Im Juni 1999 erfolgte schließlich eine Bewertung
der bisherigen Arbeit auf diesem Gebiet seit Singapur, und es wurde ein Statusbericht zur Vorlage beim Ministerrat verfasst.78
2.2.2. Trade Facilitation in Vorbereitung auf die Ministerkonferenz von
Seattle
Während der Vorbereitungsarbeiten zur Ministerkonferenz in Seattle wurden
von einigen Mitgliedern weitere Verhandlungen zur Schaffung neuen Rechts
bzw. zur Verschärfung existierender Bestimmungen auf dem Gebiet gefordert. Deren Ziel sollte es nach Ansicht dieser Mitglieder sein, die bestehenden administrativen und prozeduralen Hemmnisse zu verringern, Transparenz zu maximieren und die Freigabe von Waren zu beschleunigen. Bestehende WTO-Prinzipien sollten den Regeln zugrunde gelegt werden. Grenzförmlichkeiten, Verfahren und Erfordernisse sollten zahlenmäßig verringert,
vereinfacht, und soweit möglich, modernisiert und harmonisiert werden. Um
allen Mitgliedern die Umsetzung der neuen Regeln und Verpflichtungen zu
ermöglichen, sollte ein Capacity Building-Programm in das Regelwerk implementiert werden.
Andere Mitglieder sahen hingegen keinen Anlass für derartige Regelungen
auf WTO-Ebene. Sie waren vielmehr für die Fortführung der seit Singapur
begonnenen analytischen Arbeit auf diesem Gebiet. Es wurde argumentiert,
dass Verbesserung und Reform nicht von neuen Verpflichtungen abhingen,
und dass stattdessen technische Kooperationsbemühungen verstärkt werden
sollten, um den Entwicklungsländern bei der Verbesserung ihrer handelsbezogenen Infrastruktur zu helfen.
2.2.3. Trade Facilitation im Jahre 2000 und 2001
Im Jahre 2000 folgten drei Sitzungen des Rates für den Warenhandel, in denen u.a. Beiträge einzelner Mitglieder diskutiert wurden. Das WTOSekretariat aktualisierte sein Hintergrundpapier über die Arbeiten anderer
internationaler Organisationen auf diesem Gebiet. Der anlässlich einer informellen Sitzung im Jahre 2001 gezogene Vergleich von Erfahrungsberich78 G/L/333.
31
Kapitel B: Trade Facilitation in der Welthandelsorganisation
ten verschiedener Staaten ergab, dass die vom Handel beanstandeten Hindernisse in den Ländern identisch sind, unabhängig von ihrem Entwicklungsgrad. So basieren auch Trade Facilitation-Politiken in allen Ländern
auf Prinzipien wie Vereinfachung, Rechtssicherheit, Transparenz, dem Diskriminierungsverbot und Konsultationen zwischen Staat und Handel. Diese
Prinzipien seien schon im GATT 1994 enthalten, müssten aber weiterentwickelt werden, um effektiv und umfassend den Problemen beim Zoll und dem
Grenzübertritt von Waren gerecht zu werden. Andere wiederum mahnten zu
Vorsicht im Hinblick auf eine Ausweitung des WTO-Regelwerks. Ein vom
Sekretariat im Mai 2001 veranstalteter Workshop zu Technischer Hilfe und
Capacity Building bot Gelegenheit für einen Meinungsaustausch zwischen
Geberstaaten, Empfängerstaaten, internationalen Organisationen und Privaten. Die Delegationen unterstrichen die Bedeutung der Entwicklungsinstrumente bei dem Vorhaben, den Handel zu erleichtern und kamen zu dem
Schluss, dass für ein erfolgreiches Unterstützungsprogramm die folgenden
Elemente essentiell seien:79
– der politische Wille der Regierungen, Trade Facilitation-Reformen einzuleiten
– Koordination und Kooperation zwischen den Hilfeleistenden
– Transparenz im Hinblick auf Reformen und das Rechtssystem an sich
– die Einbeziehung aller Verantwortlichen bei der Umsetzung von Trade
Facilitation-Maßnahmen (Regierungen, Unternehmensverbände, Zoll,
etc.)
– das Eingehen der Programme auf die individuellen Bedürfnisse der Empfänger
– die Einhaltung festgelegter Maßstäbe bei der Umsetzung
2.2.4. Trade Facilitation im Vorfeld der Ministerkonferenz von Doha
Nach über vier Jahren Forschungsarbeit war es nach Ansicht einiger Delegationen an der Zeit, das Thema Trade Facilitation zum Verhandlungsgegenstand zu machen. Es müsse als „neues Thema“ auf die Agenda einer neuen
Welthandelsrunde gesetzt werden. Es wurden Zugeständnisse vorgeschlagen, die auf eine Vereinfachung bzw. Verringerung der Daten- und Dokumentationsanforderungen, deren Eingabe und auf den Austausch der Informationen (bspw. auf elektronischem Wege) abzielten. Diese Regelungen
sollten sowohl auf bereits existierenden GATT-Artikeln – vor allem Art. V,
79 Festgehalten wurde in diesem Zusammenhang, dass technische Hilfe mit Reformvorhaben auf nationaler Ebene vereinbar sein müsse.
32
2. Entwicklungen von Trade Facilitation in der WTO
VIII, und X GATT 1994 – als auch auf Prinzipien wie Transparenz, dem
Recht auf ein faires Verfahren, der Vereinfachung, Effektivität und der
Nichtdiskriminierung aufbauen. Soweit möglich sollten internationale Standards einfließen. Zudem dürfte ein umfassendes technisches Unterstützungsprogramm nicht fehlen, das eine Kooperation und Koordination zwischen Geber- und Empfängerstaaten vorsieht. Bedürfnisse müssten evaluiert, Langzeitstudien unternommen und Entwicklungsfortschritte überprüft
werden.
Eine Vielzahl von Entwicklungsland-Mitgliedern begrüßte zwar die Ziele,
lehnte jedoch zu diesem Zeitpunkt neue rechtliche Verbindlichkeiten auf
Welthandelsebene ab. Befürchtungen, neue Umsetzungserfordernisse könnten ihre Kapazitäten übersteigen und sie damit einem Streitbeilegungsverfahren aussetzen, wurden laut. Andere wiederum zogen es vor, Trade Facilitation auf nationaler, bilateraler und regionaler Ebene zu betreiben. Es folgten eine Reihe von Konsultationen, die trotz gemeinsamer Standpunkte einiges Konfliktpotential zum Vorschein brachten. Nach intensiven und hitzigen
Diskussionen und diversen Entwürfen eines Deklarationstextes einigten sich
die Mitgliedstaaten schließlich auf die endgültige, oben zitierte Fassung.
2.2.5. Trade Facilitation vor der Ministerkonferenz von Cancún, Mexiko
Das in Doha verfasste Mandat hat Trade Facilitation auf die Agenda der 5.
WTO Ministerkonferenz gesetzt, die im September 2003 in Cancún, Mexiko
stattgefunden hat.80 Aufgrund der weitreichenden Auswirkungen eines zukünftigen Abkommens wurde die Thematik im Vorfeld der Konferenz nicht
nur innerhalb der zuständigen WTO-Gremien heftig diskutiert.81 Hier waren
sich die Mitglieder zwar darüber einig, dass eine Reform der Grenzverfahren notwendig und für alle Beteiligten, die Mitgliederregierungen, den Handel und damit letztendlich auch für die Verbraucher von Nutzen ist. Die Positionen zur Ausgestaltung der Reformen aber lagen – und liegen noch immer – weit auseinander. Einige wenige Mitglieder, vor allem Entwicklungsländer und LDCs, votierten in Anbetracht ihrer begrenzten finanziellen Mittel gänzlich gegen Regelungen im Rahmen der WTO. Im Hinblick auf die
vornehmlich im Kontext von Trade Facilitation diskutierten Artikel V, VIII
und X GATT sahen diese keinerlei Reformbedarf. Vielmehr sollten die be-
80 “… we agree that negotiations will take place after the Fifth Session of the Ministerial
Conference on the basis of a decision to be taken, by explicit consensus, at that Session on modalities of negotiations.
81 Die ministeriellen Anweisungen an den Rat für den Warenhandel wurde in ein Arbeitsprogramm umgesetzt, welches in Form von 6 formellen Treffen, abgehalten zwischen dem 22. März 2002 und dem 13. Juni 2003, durchgeführt wurde.
33
Kapitel B: Trade Facilitation in der Welthandelsorganisation
reits existierenden Verpflichtungen, die zum Teil noch nicht vollständig implementiert sind, fokussiert werden. Statt neuer multilateraler Verpflichtungen
seien unilaterale Maßnahmen auf nationaler Ebene der richtige Weg zu einer
Reform. Dementsprechend interpretierten sie das Mandat dahingehend, dass
erst Cancún darüber entscheide, ob Trade Facilitation in Zukunft überhaupt
in der WTO verhandelt werden soll. Dem stand die Ansicht der großen
Mehrheit der Mitglieder entgegen, darunter auch diejenige der EG, dass zukünftige Verhandlungen bereits in Doha beschlossen wurden. In Cancún
müsse lediglich eine Einigung über die Modalitäten, also den Ablauf und die
Verfahren der bereits feststehenden Verhandlungen, erzielt werden. Einig
war man sich darüber, dass technische Hilfe und Capacity Building integrale
und unabdingbare Bestandteile zukünftiger Regelungen bilden müssen. Der
breite Konsens bestand jedoch lediglich in bezug auf das „Ob“ von Regelungen auf WTO-Ebene und die Notwendigkeit von Entwicklungshilfe. Über das „Wie“ drifteten die Meinungen weit auseinander. Vor allem die
Rechtsnatur zukünftiger Regelungen war und ist auch heute noch heftig umstritten. Während ein Teil der Mitglieder verbindliche, sanktionsgebundene
Verpflichtungen im Auge hat,82 votiert die Gegenseite für freiwillige Regeln
wie etwa „best practices“ und „best endeavours“.83
82 Nach Ansicht der USA würden neue und gestärkte Verbindlichkeiten zu der Stabilität
und Gewissheit führen, die Voraussetzung dafür sind, dass Warenbewegungen und Investitionen zunehmen und sich die Produktion verbessert. Ein derartiges Regelwerk
würde auch zu einem entscheidenden Handelswachstum auf regionaler Ebene führen,
vor allem zwischen Entwicklungsländern.
83 Nur wenige Entwicklungsländer negieren die positiven Effekte von Trade Facilitation.
Vielmehr haben viele von ihnen nationale Reformprogramme auf diesen Gebieten gestartet und von ihnen profitiert. Jedoch fürchten viele der Entwicklungsländer, dass
neue, rechtlich verbindliche Verpflichtungen dazu führen können, dass sie sich schuldlos als ‚respondent‘ (Beklagter) in einem Streitbeilegungsverfahren wiederfinden und
Handelssanktionen fürchten müssten. Schuldlos, da sie bspw. aufgrund fehlender Ressourcen nicht in der Lage sind, neue Regelungen rechtzeitig zu implementieren. Dies
sei im Falle des TRIPS Übereinkommens geschehen. Obwohl Indien seine nationalen
Bestimmungen bereits mit dem Grundgedanken des Übereinkommens in Einklang gebracht hatte, hätten die USA Indien wegen Verstoßes gegen den konkreten Wortlaut
des TRIPS in ein Streitverfahren gezogen. Ein weiterer Grund stelle die Tatsache dar,
dass der Großteil der entwickelten Staaten bereits über die Standards verfügten, die
voraussichtliches Ergebnis der Verhandlung der ‚Singapore Issues‘ seien. Wie es auch
beim TRIPS Übereinkommen der Fall gewesen sei, würden diese Themen den Entwicklungsländern eine größere Last aufbürden. Zudem sei es fraglich, ob die vorrangige Implementierung derartiger Übereinkommen auf nationaler Ebene ein sinnvolles
Gebrauchmachen von den limitierten Ressourcen und dem den Regierungen zur Verfügung stehenden politischen Goodwill darstelle. So wird bspw. die Frage aufgewor-
34
2. Entwicklungen von Trade Facilitation in der WTO
2.2.6. Trade Facilitation nach Cancún
Da die WTO Ministerkonferenz am 14. September 2003 nach fünf Tagen
gänzlich ohne Einigung zu Ende gegangen ist, gab es auch keinerlei Weichenstellung für die Zukunft von Trade Facilitation in der Organisation.
Auch wenn der Schwerpunkt der Verhandlungen auf Themen wie Landwirtschaft und Liberalisierung von Dienstleistungen lag, so waren die sogenannten „Singapore Issues“, zu denen auch Trade Facilitation zählt, besonders
umstritten. So hat der Vorsitzende, Luis Ernesto Derbez, Außenminister Mexikos, in seinen Abschlussbemerkungen zusammengefasst, dass die Mitglieder, trotz nennenswerter Bewegungen in den Verhandlungen, an ihren Positionen festhielten, vor allem bei den „Singapore Issues“. Dies sei der am
schwierigsten zu lösende Streitpunkt. Positionen wurden zwischenzeitlich
nur insoweit aufgegeben, als dass nun nicht mehr auf eine Verhandlung der
vier Themen – Handel und Investment, Handel und Wettbewerbspolitik,
Transparenz im staatlichen Beschaffungswesen – gemeinsam, als „single
basket“ bestanden wurde. Letztendlich aber wurde deutlich, dass mit Blick
auf diese Themen kein Konsens möglich war. In der ministeriellen Erklärung zum Abschluss der Konferenz heißt es diesbezüglich in Paragraph 4:
“We therefore instruct our officials to continue working on outstanding issues with a renewed sense of urgency and purpose and taking fully into account all the views we have expressed in this Conference.”
Im Zuge der Konferenz einigte man sich auf eine Sitzung des Allgemeinen
Rates auf höchster offizieller Ebene, die noch vor dem 15. Dezember 2004
stattzufinden hatte. Dort sollten die notwendigen Schritte unternommen
werden, um einen erfolgreichen und rechtzeitigen Abschluss der Verhandlungen zu erzielen.
2.2.7. Das „Juli Paket“
Trotz des Scheitern der Konferenz in Cancún gelang im Juli 2004 dann doch
ein Durchbruch mit Blick auf die Zukunft von Trade Facilitation im Welthandelsrecht. Zum Abschluss einer Sitzung des Allgemeinen Rates wurde
am 1.08.2004 das „Juli Paket“ verabschiedet, das neben Regelungen zu den
im Vordergrund stehenden Verhandlungen über Landwirtschaft u.a. auch
Verhandlungsmodalitäten für Trade Facilitation enthält. Diese Entscheidung
auf höchster Ebene ist für Trade Facilitation in der WTO insofern von essenfen, ob die Rückflüsse aus den Investitionen, die eine Sicherstellung beschleunigter
Warenbewegungen an den Grenzen zum Ziel habe, nicht höher seien, wenn die Ressourcen stattdessen für eine Beschleunigung der Warenbewegungen innerhalb des
Landes oder insgesamt in verschiedene Projekte investiert würden.
35
Kapitel B: Trade Facilitation in der Welthandelsorganisation
tieller Bedeutung, da sie die Rechtssetzungsabsicht der Mitglieder auf dem
Gebiet bekräftigt, während andere Themen wie Handel und Investment,
Handel und Wettbewerb, sowie Transparenz im öffentlichen Beschaffungswesen, gänzlich von der Agenda gestrichen wurden. Die in Anhang D niedergelegte Entscheidung zu Trade Facilitation legt die Ziele der Verhandlungen fest. Neben den bereits in Doha aufgestellten Zielen wird in § 1 S. 3
betont, dass die Verhandlungen auch zur Schaffung solcher Regelungen führen sollen, die eine effektive Zusammenarbeit des Zolls oder anderen geeigneten Behörden im Hinblick auf Trade Facilitation und die Lösung von Fragen der Einhaltung von Zollvorschriften vorsehen. In § 2 wird noch einmal
das Prinzip der besonderen und differenzierten Behandlung von Entwicklungsland- und LDC-Mitgliedern betont, das in den §§ 3–8 näher ausgeführt
wird. So soll die besondere und differenzierte Behandlung über das Zugeständnis traditioneller Übergangsfristen zur Umsetzung der Verpflichtungen
hinausgehen. Vor allem müssen Verpflichtungsgrad und Zeitplan an die Umsetzungskapazitäten der Länder angepasst sein. Diese dürfen nicht dazu verpflichtet werden, Infrastrukturinvestitionen vorzunehmen, die über ihre
Leistungsfähigkeit hinausgehen. LDC-Mitglieder brauchen nur solche Zugeständnisse einzugehen, die mit ihrer individuellen Entwicklung, ihren Finanz- und Handelsbedürfnissen oder ihren administrativen und institutionellen Kapazitäten zu vereinbaren sind. Alle Mitglieder, vor allem aber die
Entwicklungsländer und LDCs, sollen ihre Bedürfnisse und Prioritäten mit
Blick auf Trade Facilitation identifizieren. Ihren Bedenken im Hinblick auf
die Kostenfolge der vorgeschlagenen Maßnahmen soll Rechnung getragen
werden, § 4. Um an den Verhandlungen auch effektiv beteiligt zu sein und
von diesen profitieren zu können, verpflichten sich die Mitglieder, vor allem
die Industrieländer, dazu, den Entwicklungsland-Mitgliedern und LDCs
schon während der Verhandlungen technische Hilfe und Unterstützung zu
leisten. Diese Hilfe und Unterstützung soll ihnen außerdem bei der Umsetzung der aus den Verhandlungen hervorgehenden Zugeständnisse zukommen. In diesem Zusammenhang erkennen die Mitglieder in § 6 an, dass die
Verhandlungen zu Verpflichtungen führen können, deren Umsetzung die
Unterstützung einiger Mitglieder bei der Infrastrukturentwicklung erfordert.
In diesen begrenzten Fällen werden Industrieland-Mitglieder jede Anstrengung unternehmen, um Unterstützung und Hilfe zu garantieren, die mit der
Natur und Reichweite der Verpflichtung unmittelbar im Zusammenhang
steht, so dass deren Umsetzung möglich wird. In Fällen in denen eine solche
Unterstützung und Hilfe zum Aufbau von Infrastruktur ausbleibt und das
betroffene Mitglied nicht ausreichend leistungsfähig ist, wird es von der
Umsetzungsverpflichtung frei. Trotz der Einigung darauf, dass alle Anstrengungen unternommen werden sollen, um eine solche Unterstützung zu ge36
3. Bewertung
währleisten, verständigten sich die Mitglieder auch darauf, dass die Verpflichtungen zur Unterstützung seitens der Industrieland-Mitglieder nicht
unbegrenzt sind. Die Effektivität der gewährten Hilfe und Unterstützung
und deren Tauglichkeit zur Umsetzung der Verhandlungsergebnisse soll einer Prüfung unterzogen werden. Zur Verbesserung der Effektivität und
Durchführbarkeit und um eine bessere Geschlossenheit zu erreichen, wollen
die Mitglieder mit relevanten internationalen Organisationen, einschließlich
IMF, OECD, UNCTAD, WCO und der Weltbank zusammenarbeiten.
§ 9 sieht vor, dass die einschlägigen Errungenschaften der WCO und solche
anderer relevanter internationaler Organisationen ausreichend Berücksichtigung finden sollen. Die Paragraphen 45–51 der Doha Development Agenda
finden Anwendung.84 Um Spekulationen über die rechtliche Verbindlichkeit
des Juli-Pakets zu begegnen, einigte sich der Allgemeine Rat in § 2 explizit
darauf, dass die Entscheidung weder im Rahmen des Streitschlichtungsverfahrens noch als Interpretationshilfe bzgl. bestehender Rechte und Pflichten
unter dem GATT 1994 herangezogen werden soll. Schließlich verlängert § 3
die Frist in Paragraph 45 der Doha Development Agenda, die eine Beendigung der Verhandlungen für den 1. Januar 2005 vorsah. Ziel ist es nunmehr,
die Verhandlungen bis zur 6. Ministerkonferenz in Hongkong im Dezember
2005 abzuschließen.
Mit dieser Entscheidung hat der Allgemeine Rat die Voraussetzung dafür
geschaffen, dass die Verhandlungen über Trade Facilitation schließlich am
1.08.2004 beginnen konnten. Wie in § 10 der Modalitäten vorgesehen, wurde in der ersten Sitzung nach Abschluss des Pakets eine Verhandlungsgruppe für Trade Facilitation85 ins Leben gerufen.
3. Bewertung
Die vor der Konferenz von Cancún aufgeworfenen Fragen mit Blick auf
Trade Facilitation bleiben folglich aktuell. In den seit November 2004 laufenden Trade Facilitation-Verhandlungen diskutieren die Mitglieder über
Wege, eine Beschleunigung des Transport von Waren, deren Freigabe und
Zollabfertigung, sowie eine Vereinfachung und Reduktion der Import- und
84 In diesen geht es um die Verhandlungsmodalitäten allgemein, mit Blick auf sämtliche
in der DDA angesprochenen Themen. Die Verhandlungen werden danach vom Trade
Negotiations Committee überwacht, welches dem Allgemeinen Rat untersteht. Die Ergebnisse der Verhandlungen auf den einzelnen Gebieten sollen Teil eines „single undertaking“ werden. Neben Transparenz sollen die Verhandlungen auch von dem Prinzip der speziellen und differenzierten Behandlung geleitet sein.
85 Negotiating Group on Trade Facilitation.
37
Kapitel B: Trade Facilitation in der Welthandelsorganisation
Exportförmlichkeiten und Dokumentationsanforderungen zu erreichen.86
Zwar lässt der weit gefasste Wortlaut des Mandats ein breites Themenspektrum zu, die Diskussionen in der WTO seit Doha und die Verhandlungen
nach dem Juli-Paket haben den potentiellen Regelungsbereich jedoch eingegrenzt. So lassen sie Verhandlungsmodalitäten für Trade Facilitation eine
Konzentration der Organisation auf Reformen der Zollverfahren weltweit
erkennen.
86 Zu den Verhandlungen siehe: Bridges Weekly Trade News Digest, 2004 Vol. 8 No. 10;
Vol. 9 No. 11.
38
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO
Um Trade Facilitation vor dem Hintergrund des Welthandelsrechts erfassen
zu können, ist es zunächst sinnvoll, sich die Welthandelsordnung samt seiner
institutionellen Zusammenhänge zu vergegenwärtigen. So stellt sich beispielsweise die Frage nach der rechtlichen Verbindlichkeit des bestehenden
Trade Facilitation-Rechts, nach dessen Regelungsumfang und die Frage
nach etwaigen Einflüssen des Völkerrechts. Darüber hinaus gilt es zu klären,
inwieweit die Ministererklärung von Doha Auswirkungen auf die Trade Facilitation-Verhandlungen hat.
1. Einordnung des Rechtgebiets
Das Welthandelsrecht regelt die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Staaten
(und ausnahmsweise zwischen Freihandelszonen, wie z.B. der EG) und ist
somit Teil des Wirtschaftsvölkerrechts, mithin internationales öffentliches
Recht. Das Wirtschaftsvölkerrecht umfasst neben dem Welthandelsrecht
insbesondere noch das Recht der internationalen Währungsbeziehungen.
Beide Materien sind in vielfältiger Weise miteinander verknüpft, sowie etliche Spezialgebiete, die jedoch immer stärker mit dem Welthandelsrecht verflochten werden.87 Neben dem multilateralen System der Welthandelsorganisation besteht weltweit eine Vielzahl von regionalen mehr oder weniger
integrierten Zollunionen und Freihandelszonen, die für den Handel zwischen
den jeweiligen Mitgliedstaaten besondere Regelungen treffen und in deren
Verhältnis untereinander die Regelungen der WTO-Verträge teilweise gar
nicht oder nur eingeschränkt anwendbar sind.88
2. Hintergrund: Vom GATT zur World Trade Organisation
Das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) findet seinen Ursprung in dem Bemühen, die Weltwirtschaft nach Ende des Zweiten Weltkrieges zu ordnen. Ein unfassendes Weltwirtschaftssystem sollte helfen, eine
erneute Weltwirtschaftskrise und das Zusammenbrechen des Welthandels
aufgrund unilateraler, protektionistischer Maßnahmen einer Vielzahl von
Staaten zu verhindern, da die weltweite Depression der 30er Jahre als Mit-
87 Herrmann, Grundzüge der WTO, in: ZEuS, S. 456; ausführlich: Weiß/Herrmann,
Welthandelsrecht, Rn. 50 ff.
88 Beispielsweise die EG und die NAFTA.
39
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO
auslöser des Zweiten Weltkriegs angesehen wurde.89 1944 kam es auf der
Konferenz von Bretton Woods zur Gründung des Internationalen Währungsfonds (IWF), sowie der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD), auch Weltbank genannt. Ein Jahr später begannen Verhandlungen mit dem Ziel, ein multilaterales Abkommen über die gegenseitige Senkung von Zöllen und eine Reihe begleitender allgemeiner Vorschriften zum Schutze dieser Zollzugeständnisse zu schaffen.90 Während diese
Verhandlungen in Form des GATT 1947 abgeschlossen werden konnten,
waren die parallel stattfindenden Beratungen über die Errichtung einer Internationalen Handelsorganisation (ITO) weniger erfolgreich. Da das GATT
und die Charta der ITO ursprünglich aber gemeinsam in Kraft treten sollten
und zu befürchten war, dass ein Bekanntwerden der erreichten Zollsenkungen bis zu deren Inkrafttreten zu erheblichen Unterbrechungen des Welthandels führen könnte, vereinbarte man die vorläufige Anwendung des GATT.91
Aufgrund der Weigerung des amerikanischen Kongresses, die 1948 in Havanna verabschiedete ITO Charta zu ratifizieren, scheiterte die Gründung
der ITO.92 Bis zur Unterzeichnung des Abschlussdokuments der Uruguay
Runde beruhte das Welthandelssystem somit in seinem wesentlichen Kern
auf einem völkerrechtlichen Vertrag, der selbst nie wirklich in Kraft trat und
kein eigenes institutionelles Gefüge vorsah. Die Verwaltung und Koordination des GATT wurde von der 1948 ins Leben gerufenen Interimskommission für die ITO (ICITO) übernommen.93 Daneben wurden regelmäßig Treffen der Vertragsparteien des GATT abgehalten. Zudem wurde ein ständiger
Ausschuss für die Vorbereitung der Treffen etabliert. In der Folgezeit wurden immer wieder vergeblich Versuche unternommen, sowohl das GATT
tatsächlich in Kraft treten zu lassen, als auch einen institutionellen Rahmen
für dessen Anwendung zu schaffen. Das wesentliche Instrument zur Weiterentwicklung des Systems waren in den Folgejahren immer wieder stattfindende Handelsrunden, in deren Rahmen die Vertragsparteien sowohl über
weitere Zollsenkungen, als auch über Ergänzungen der sonstigen Regelungen des GATT verhandelten. Allerdings traten diesen ergänzenden Regelungen jeweils lediglich einige der Vertragsparteien bei, was zu einem sog.
„GATT à la carte“ führte. Der entscheidende Durchbruch gelang erst im
Rahmen der Uruguay Runde, die im September 1986 in Punta del Este (U-
89 Hanel, Vom GATT zur WTO – Entwicklung und Struktur, in: ZfZ 1996, S. 105; Hermann, Grundzüge der WTO, in: ZEuS, S. 457; Ipsen, Völkerrecht, § 44 Rn. 33.
90 Ipsen, Völkerrecht, § 32 Rn. 92.
91 Protocol of Provisional Application; Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 93.
92 Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 94.
93 Evans, Lawmaking under the Trade Constitution, S. 31.
40
3. Die Struktur der WTO
ruguay) durch die Ministerkonferenz der GATT-Vertragsparteien eingeleitet
wurde. Mit Inkrafttreten des Abschlussdokuments dieser Welthandelsrunde
am 1. Januar 1995, das am 15.4.1994 in Marrakesch, Marokko im Rahmen
einer Ministerkonferenz unterzeichnet wurde, war die Welthandelsorganisation errichtet. An diesem Tag endete auch die Quasiverbindlichkeit des
GATT. Das ursprüngliche GATT ist nunmehr als GATT 1947 (einschließlich
der in diesem Rahmen getroffenen Entscheidungen der Vertragsparteien)
durch das in Anhang 1 A des WTO-Übereinkommens (WTO-Ü) aufgeführte
GATT 1994 in das Gesamtgefüge integriert. Dem sind Verständigungen der
Mitglieder über die Auslegung und Bedeutung einzelner Artikel des GATT
1947 beigefügt. Zudem beziehen sich zwölf weitere, ebenfalls in Anhang 1
A zum WTO-Ü aufgeführte, multilaterale Übereinkommen auf den Warenhandel, wie z.B. das SPS, TBT, jenes über die Vorversandkontrollen oder die
Ursprungsregeln. Neben diesen Übereinkommen zum Warenhandel sind im
Rahmen der Uruguay-Runde zwei weitere, die WTO materiell tragende,
multilaterale Übereinkommen hinzugekommen, jenes über den Handel mit
Dienstleistungen (GATS, Anhang 1B zum WTO-Ü) und ein weiteres über
Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS, Anhang 1C zum WTO-Ü).
3. Die Struktur der WTO
3.1.
Rechtspersönlichkeit
Während es beim GATT 1947 noch sehr umstritten war, ob dieses kraft Gewohnheitsrecht Völkerrechtspersönlichkeit erlangt habe, stellt dies das
Gründungsabkommen der WTO in Art. VIII Abs. 1 klar. Die WTO ist danach eine internationale Organisation mit Völkerrechtspersönlichkeit. Dies
kommt durch die Fähigkeit zum Ausdruck, mit anderen internationalen Organisationen Abkommen über die Zusammenarbeit schließen zu können,
Art. V Abs. 1 WTO-Ü. Die dadurch erfolgte Institutionalisierung stellt einen
der entscheidenden Unterschiede zum alten GATT 1947 dar.94 Das GATT
1994 baut zwar faktisch auf dem GATT 1947 auf, es wurde jedoch vollständig neu in Kraft gesetzt und ist daher kein Nachfolgevertrag des alten GATT
im Sinne des völkerrechtlichen Vertragsrechts. Da die Rechtsordnungen des
GATT 1947 und der WTO für eine Übergangszeit nebeneinander existierten,
kann nicht von einer förmlichen Rechtsnachfolge gesprochen werden. Vielmehr ist die WTO tatsächliche Nachfolgerin des GATT 1947.95
94 Ipsen, Völkerrecht, § 44 Rn. 42 f.
95 Hanel, Vom GATT zur WTO – Entwicklung und Struktur, in: ZfZ 1996, S.140; Krajewski, Verfassungsperspektiven und Legitimation des Rechts der WTO, S. 27 ff.
41
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO
3.2.
Aufgaben und Ziele
Die WTO bildet gemäß Art. II Abs. 1 des WTO-Ü den gemeinsamen institutionellen Rahmen für die Wahrnehmung der Handelsbeziehungen der Mitglieder im Zusammenhang mit den in den Anhängen des Gründungsabkommens befindlichen Handelsabkommen.96 Sie soll die Umsetzung, Verwaltung und Durchführung des Gründungsabkommens und der anderen
multilateralen Handelsabkommen fördern, deren Ziele vorantreiben und die
dafür erforderlichen Vorkehrungen treffen, Art. III Abs. 1 WTO-Ü. Dies erfüllt die Organisation unter anderem durch ihre Funktion als Verhandlungsforum der Mitglieder. Gemäß Art. III Abs. 2 WTO-Ü sind sowohl die bereits
abgeschlossen Abkommen als auch sämtliche Aspekte der multilateralen
Handelsbeziehungen, soweit dies die Ministerkonferenz beschließt, möglicher Verhandlungsgegenstand. Diese weit gefasste Formulierung erlaubt es
der Ministerkonferenz, neue Themen in die Verhandlungen einzubringen.
Einziges Kriterium ist lediglich ein Bezug zu den multilateralen Handelsbeziehungen. Die Rechtsetzung der WTO erhält damit ein hohes Maß an Flexibilität und Dynamik. Da Trade Facilitation auf weltweiter Ebene der Bezug zu multilateralen Handelsbeziehungen immanent ist, bestehen insofern
keinerlei Zweifel an der Verhandlungs- und Rechtssetzungskompetenz der
WTO auf diesem Gebiet. Über die bereits genannten Funktionen hinaus obliegt der Organisation die Verwaltung der „Vereinbarung über Regeln und
Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten“ (DSU97) und jene des Verfahrens zur Überprüfung der Handelspolitiken (TPRM98), Art. III Abs. 3 u. 4
WTO-Ü.
3.3.
Mitgliedschaft in der WTO
Die Mitgliedschaft in der WTO steht gemäß Art. XII WTO-Ü grundsätzlich
jedem Staat oder jedem gesonderten Zollgebiet offen, der bzw. das in der
Wahrnehmung seiner Außenhandelsbeziehungen und der anderen im WTOÜbereinkommen und in den multilateralen Handelsübereinkommen geregelten Angelegenheiten volle Handlungsfreiheit besitzt. Der Beitritt ist jedoch
nur zu den Bedingungen möglich, die in Verhandlungen zwischen der WTO
und dem Beitrittskandidaten im Vorfeld ausgehandelt wurden. Zudem ist ein
Beitritt nur umfassend, also nur zu dem Gründungsübereinkommen ein-
96 Hanel, Vom GATT zur WTO – Entwicklung und Struktur, in: ZfZ 1996, S.174.
97 Dispute Settlement Understanding, enthalten in Anlage 2 zum WTO-Übereinkommen.
98 Trade Policy Review Mechanism, enthalten in Anlage 3 zum WTO-Übereinkommen.
Siehe dazu Kapitel D, Ziffer 4.2.2.d).
42
3. Die Struktur der WTO
schließlich der in dessen Anhängen enthaltenen multilateralen Übereinkommen möglich (sog. single undertaking approach).99
In diesem Zusammenhang ist auf die volle, d.h. mit umfassenden Rechten
und Pflichten verbundene Mitgliedschaft der Europäischen Gemeinschaft
(EG) hinzuweisen. Diese besteht neben jenen der einzelnen EGMitgliederstaaten, wobei der Gemeinschaft in der WTO selbstverständlich
nur so viele Stimmen zusteht, wie sie Mitglieder hat.100 Im Gegensatz zu den
Vereinten Nationen (UN) und dem Internationalen Währungsfond (IMF)
ermöglicht das WTO-System dadurch die Wahrnehmung von Gemeinschaftsinteressen innerhalb der Organisation. So sieht auch nur die WTOHandels- und Rechtsordnung strikte rechtliche Vorgaben für regionale Organisationen, vornehmlich Freihandelszonen und Zollunionen, vor.
3.4.
Die Hauptorgane der WTO
3.4.1. Die Ministerkonferenz
Die Ministerkonferenz ist das Hauptorgan der WTO.101 Mindestens einmal
alle zwei Jahre tritt sie, bestehend aus Vertretern aller Mitglieder, zusammen
und nimmt die Aufgaben der WTO wahr. In allen Angelegenheiten, die unter
eines der multilateralen Handelsübereinkommen fallen, ist sie nach Maßgabe besonderer im Gründungsabkommen und in den einschlägigen multilateralen Handelsübereinkommen befindlichen Anforderungen zur Beschlussfassung befugt, Art. IV Abs. 1 WTO-Ü.102 Die Ministerkonferenz stellt in
Anbetracht der mittlerweile 148 Mitglieder ein großes und damit recht
schwerfälliges Gremium dar. Während der Uruguay-Runde gab es Bestrebungen zur Schaffung eines kleineren, stimmigeren und effizienteren Gremiums ähnlich dem Executive Board des Internationalen Währungsfond
99 Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 170.
100 So hat der EuGH klargestellt, dass das WTO-Übereinkommen als gemischtes Abkommen zu behandeln war, insbesondere die Regelungen des TRIPS und GATS.
EuGH, Gutachten 1/94 vom 15.11.1995, abgegeben gemäß Art. 238 Abs. 6 EGV, Slg.
1994, 5267 ff., 5409 ff.), siehe dazu auch Oppermann, Die Europäische Gemeinschaft
und Union in der Welthandelsorganisation, in: Recht der Internationalen Wirtschaft
1995, S. 927.
101 Hanel, Vom GATT zur WTO – Entwicklung und Struktur, in: ZfZ 1996, S. 174;
Ipsen, Völkerrecht, § 44 Rn. 45; Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 177; wird
auch als Exekutive der WTO bezeichnet (bspw. von Evans).
102 Gemäß Art. IV Abs. 7 WTO setzt sie einen Ausschuss für Handel und Entwicklung,
einer für Zahlungsbilanzbeschränkungen sowie ein weiterer für Haushalt, Finanzen
und Verwaltung ein. Wenn dies für zweckdienlich erachtet wird, kann sie zusätzliche
Ausschüsse einsetzen.
43
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO
(IMF). Dieses Projekt traf jedoch auf den Widerstand kleinerer Staaten, die
befürchteten, dass ein solches Gremium von den mächtigsten Mitgliedstaaten dominiert würde.103 Die bestehende Struktur wiederum hat den Vorzug,
dass jedes Mitglied die Möglichkeit hat, sich zu jeglichen Politik- und Managementfragen zu äußern und diesbezüglich abzustimmen.
3.4.2. Der Allgemeine Rat
Da die Tagungen der Ministerkonferenz nur mindestens alle zwei Jahre stattfinden, bedarf es eines Gremiums, das deren Aufgaben in der Zwischenzeit
wahrnimmt. Diese Aufgabe kommt, neben weiteren104, dem Allgemeinen
Rat zu.105 Er setzt sich aus Vertretern aller Mitglieder zusammen und tritt
immer dann zusammen, wenn es zweckdienlich ist, Art. IV Abs. 2 S. 1
WTO-Ü. Er gibt sich eine Geschäftsordnung und genehmigt die Geschäftsordnungen der in Art. IV Abs. 7 WTO-Ü vorgesehenen Unterausschüsse.
Zudem ist dem Allgemeinen Rat die Funktion des Dispute Settlement Body
(DSB) übertragen. Als Streitbeilegungsgremium kann er einen eigenen Vorsitzenden haben und die Verfahrensregeln, die als zur Erfüllung dieser Aufgaben notwendig erachtet werden, festlegen. Gleiches gilt für die dem Allgemeinen Rat ebenso übertragene Aufgabe als Organ zur Überprüfung der
Handelspolitiken der Mitglieder im Wege des TPRM.
Dem allgemeinen Rat sind gemäß Art. IV Abs. 5 WTO-Ü drei Unterorgane
unterstellt, der Rat für den Handel mit Waren, jener für den Handel mit
Dienstleistungen und ein dritter für handelsbezogene Aspekte der Rechte des
geistigen Eigentums (TRIPS-Rat). Diese sind für die Überwachung der Wirkungsweise des jeweiligen Übereinkommens zuständig und erfüllen die ihnen darin und vom Allgemeinen Rat übertragenen Aufgaben. Die Mitgliedschaft in den Räten steht den Vertretern aller Mitglieder offen, und sie treten
103 Evans, Lawmaking under the Trade Constitution, S. 33.
104 Neben den Aufgaben der Ministerkonferenz nimmt der Allgemeine Rat gem. Art. IV
Abs. 2 WTO-Ü die Aufgaben wahr, die ihm durch das Übereinkommen (WTO-Ü)
übertragen sind.
105 Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 178; Evans bezeichnet diesen als Legislative
der WTO (str.), da er durch die Verhandlung von Übereinkommen und die Beaufsichtigung ihrer Implementierung die Rolle des Hauptrechtssetzungsorgans übernimmt.
44
3. Die Struktur der WTO
je nach Notwendigkeit zusammen.106 Die drei Spezialräte sind wiederum
befugt, weitere nachgeordnete Gremien einzusetzen.107
3.4.3. Das Sekretariat
Das Sekretariat ist für die laufenden Geschäfte zuständig. Es steht unter der
Leitung eines Generaldirektors, der durch die Ministerkonferenz ernannt
wird, Art. VI Abs. 1 u. 2 WTO-Ü. Diese bestimmt dessen Befugnisse, Aufgaben, Dienstbedingungen und seine Amtszeit. Die Bedeutung des Sekretariats als Koordinationszentrum sämtlicher Aktivitäten der Organisation wird
durch die zahlreichen Aufgaben administrativer Natur widergespiegelt. Die
seit Gründung der WTO erkennbare Expansion der Aufgaben liegt nicht allein an der beträchtlichen Dimension des Regelwerks. Vielmehr nimmt auch
die Einschätzung der Handelspolitiken der Mitglieder, die in Unterstützung
des Trade Policy Review Body erfolgt, vermehrt die Kapazitäten des Sekretariats in Anspruch.
3.5.
Verhandlung und Entscheidung
3.5.1 Das Abstimmungsverfahren
Die Willensbildung in internationalen Organisationen hängt von ihrem Organisationsgrad ab. Zudem spielt der Souveränitätsvorbehalt eine wesentliche Rolle. Eine grundsätzliche Weichenstellung liegt zunächst darin, ob auf
der Basis der numerischen Gleichberechtigung vorgegangen wird („One
state, one vote“) oder mit unterschiedlicher Stimmengewichtung. Entsprechend ist im ersten Fall meist eine qualifizierte Mehrheit erforderlich.
Zugleich hat sich aber seit den sechziger Jahren angesichts des genossenschaftlichen Charakters des Völkerrechts das „consensus-Verfahren“ eingebürgert, obwohl es in Art. 9 WÜV nicht unmittelbar aufgeführt ist. Daher
wird auch dort, wo Mehrheitsentscheidungen möglich sind, meist im Interesse umfassender Beachtung ein Konsens gesucht.108 Die Wahrung der Einstimmigkeit hat für jede internationale Organisation eine vorrangige Bedeutung. Dies wird deutlich, wenn man sich die beginnende Zersplitterung des
106 Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 179; vier weitere Unterorgane beschäftigen
sich mit den Plurilateralen Übereinkommen. Sie unterrichten den Allgemeinen Rat
regelmäßig über ihre Tätigkeit, Art. IV Abs. 8 WTO-Ü.
107 Diese befassen sich mit begrenzten Sachgebieten und werden als Ausschüsse (committees) oder Arbeitsgruppen (working groups) bezeichnet. Gemäß Art. IV Abs. 7
WTO-Ü unterrichten diese Gremien den Allgemeinen Rat über ihre Tätigkeit.
108 Ipsen, Völkerrecht, § 10 Rn. 13.
45
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO
GATT in den siebziger und achtziger Jahren vor Augen führt, die letztendlich auch dessen Institutionalisierung zur Folge hatte.109
a)
Der Konsens
Der Erosionsgefahr begegnet das Gründungsabkommen zunächst durch Art.
IX Abs. 1 WTO-Ü, der als Normalfall die Beschlussfassung durch Konsens
vorsieht. Das unter dem GATT 1947 gewohnheitsrechtlich etablierte Entscheidungsverfahren war damals ein politisch zweckmäßiges Mittel, um den
von den Staaten befürchteten Verlust ihrer Souveränität an eine internationale Organisation zu begegnen.110 Es steht dem Wortlaut des Vertrages, der in
Art. XXV Abs. 1 eine Mehrheitsentscheidung zulässt, entgegen.111 Das Konsensverfahren wurde in dem Übereinkommen zur Errichtung der WTO explizit übernommen112 und stellt damit lediglich eine Anpassung des Vertragstextes an das bereits praktizierte Einigungsverfahren dar. Es ist jedoch
zu beachten, dass „Konsens“ in diesem Zusammenhang nicht mit der positiven Zustimmung aller Mitglieder gleichzusetzen ist. Vielmehr beschränkt
sich der Begriff auf das Fehlen einer ausdrücklichen Ablehnung.113 Ein Beschluss gilt dann als mit Konsens gefasst, wenn die den Antrag beratende
Sitzung zu Ende geht, ohne dass ein Mitglied eine Ablehnung des Antrags
begehrt. Weiterhin besteht „Einstimmigkeit“ in diesem Sinne, wenn zwar
ablehnende Äußerungen bezüglich des Antrags gemacht werden, diese Kritik aber nicht im Wege einer förmlichen Ablehnung geltend gemacht wird.114
Die Anwesenheit von Repräsentanten aller Mitglieder ist daher zur wirksa-
109 Zur Änderung von Bestimmungen des GATT hatte die Praxis der „Vertragsparteien“
verschiedene alternative Methoden der Änderung- bzw. Ergänzung des Allgemeinen
Abkommens entwickelt. Dazu zählt die Rechtsfortbildung aufgrund von Derogation
durch neue Vertragsinstrumente, Rechtsfortbildung aufgrund (interpretativer) Beschlüsse von GATT-Organen und Rechtsfortbildung aufgrund späterer (gewohnheitsrechtlicher) Praxis der Vertragsparteien. Siehe dazu näher: Krajewski, Verfassungsperspektiven und Legitimation des Rechts der WTO.
110 Evans, Lawmaking under the Trade Constitution, S. 35.
111 Ipsen, Völkerrecht, § 10 Rn. 13. Da das GATT 1947 lediglich als Übergangsregelung
bis zur Errichtung der ITO dienen sollte, enthält es wenig über die Entscheidungsfindung. So heißt es in Art. XXV Abs. 1 GATT: „Die Vertreter der Vertragsparteien treten periodisch zusammen, um die Durchführung derjenigen Bestimmungen dieses
Abkommens sicherzustellen, die ein gemeinsames Vorgehen fordern, und um allgemein die Durchführung dieses Abkommens und die Erreichung seiner Ziele zu erleichtern. Sooft in diesem Abkommen die gemeinsam handelnden Vertragsparteien
erwähnt sind, werden sie als VERTRAGSPARTEIEN bezeichnet.“
112 „… shall continue the practice of decision-making …“
113 Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 195.
114 Hanel, Vom GATT zur WTO – Entwicklung und Struktur, in: ZfZ 1996, S. 110, 176.
46
3. Die Struktur der WTO
men Beschlussfassung – im Konsens – nicht erforderlich. Auch dieser „negative Konsensus“ wurde schon unter dem GATT praktiziert.
b)
Das Mehrheitsprinzip
Kann ein Konsens nicht erzielt werden, so verlangt Satz 2 des Artikel IX
WTO-Ü eine Abstimmung, es sei denn, ein anderes Verfahren ist ausdrücklich vorgesehen.115 Danach erfordert ein Beschluss je nach Gegenstand des
Antrags verschiedene Mehrheitsquoten, welche genauer in Art. IX und X
WTO-Ü geregelt sind. Die Einführung einer Abstimmungsmöglichkeit stellt
eine entscheidende Weiterentwicklung der ursprünglichen GATT-Regelungen dar, die Abstimmungen und Mehrheitsbeschlüsse nur ausnahmsweise
zuließen. Bei der Abstimmung hat jedes Mitglied der WTO nach dem Prinzip „one country, one vote“ eine Stimme.116 Dies gilt im Rahmen der Ministerkonferenz ebenso wie für den Allgemeinen Rat, Art. IX Abs. 1 S. 3 WTOÜ. Grundsätzlich erfordern Beschlüsse die einfache Mehrheit. Zu den bedeutenden Ausnahmen zählen die Änderung des WTO-Übereinkommens
oder der multilateralen Übereinkommen, deren Auslegung durch den Allgemeinen Rat und die Ministerkonferenz und die Entbindung eines Mitglieds
von einer Verpflichtung aus den Abkommen. (s.u.)
c)
Änderungen des Vertrages
Das Konsenserfordernis, das Voraussetzung für bestimmte117 Änderungen
des Vertrages gemäß Art. XXX des alten GATT war, erwies sich, ebenso wie
die erforderliche Zweidrittelmehrheit im Falle anderer Änderungen, über die
Jahre zunehmend als Hindernis. Die Einstimmigkeit wurde nie erreicht, und
auch die Beschlussfassung durch zweidrittel der Mitglieder wurde mit der
wachsenden Mitgliederzahl zunehmend erschwert. Um nicht die hohe Hürde
der Änderungsklausel erfüllen zu müssen, haben sich die Parteien damals
mit alternativen Verfahren beholfen. Vor allem während der Verhandlungen
der Tokio Runde wurden daher einige „Nebenabkommen“ (side codes) geschaffen, die nur für die Regierungen verbindlich waren, die diesen zugestimmt hatten.118 Die Änderungsklausel des alten GATT hätte auch während
der Uruguay Runde das rechtliche Inkrafttreten der WTO-Übereinkommen
erschwert. Aus diesem Grund wurde ein ‚single undertaking approach‘ verfolgt, der die Mitgliedschaft in der WTO von einer Zustimmung zu einem
‚Paket‘ von Kernübereinkommen, wie TRIPS und GATS, abhängig machte.
115 Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 199.
116 Ausnahme bildet jedoch die EG, die mehrere Stimmen hat. Die Anzahl bestimmt sich
nach der Zahl ihrer Mitgliedstaaten die WTO-Mitglieder sind.
117 Teil I, Art. XXIX o. Art. XXX GATT.
118 Hanel, Vom GATT zur WTO – Entwicklung und Struktur, in: ZfZ 1996, S. 108.
47
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO
Die Staaten traten von dem alten GATT zurück, um dem neu geschaffenen
GATT 1994 und der WTO beizutreten. Dieser Beitritt konnte sich wegen der
Änderungsklausel des alten GATT jedoch nur durch Zustimmung zu den
Ergebnissen der Uruguay Runde als gänzlich neuen Vertrag vollziehen.119
Auch wenn die WTO Regelungen einen weiteren Spielraum für Änderungen
lassen, so sind die Verfahren doch relativ restriktiv. Das Verfahren zur Änderung sämtlicher multilateraler Handelsabkommen einschließlich des Gründungsabkommens ist in Art. X WTO-Ü einheitlich geregelt. Danach ist jedes
Mitglied berechtigt, der Ministerkonferenz Änderungsvorschläge zu unterbreiten. Dem jeweiligen Spezialrat steht ein solches Vorschlagsrecht hinsichtlich einschlägiger Sachfragen zu. Die Ministerkonferenz entscheidet im
Konsens, oder – bei Nichteinigung binnen 90 Tagen – mit Zweidrittelmehrheit, ob der Änderungsvorschlag den Mitgliedern vorzulegen ist. Das für die
Änderungen notwendige Quorum ist je nach Charakter der angestrebten Änderung verschieden.120 Änderungen, die Rechte und Pflichten der Mitglieder
ändern würden, bedürfen der Zweidrittelmehrheit und werden nur für jene
Mitglieder wirksam, die sie angenommen haben.121 Im Unterschied zur bisherigen GATT-Regelung kann aber die Ministerkonferenz mit Dreiviertelmehrheit beschließen, ein nicht zustimmungswilliges Mitglied zum Austritt
aus der WTO aufzufordern. Geht es hingegen um die Änderung der in Art.
X Abs. 2 WTO-Ü aufgeführten grundlegenden GATT/WTO-Prinzipien, so
bedürfen diese der Zustimmung aller Mitglieder, d.h. jeder Staat hat ein Vetorecht, ohne Gefahr zu laufen, aus der WTO ausgeschlossen zu werden.
d)
‚Waiver‘-Verfahren und Auslegung der Übereinkommen
Eine weitere bedeutende Ausnahme zum Erfordernis einer einfachen Mehrheit bei Abstimmungen bildet das Verfahren zur Entbindung eines Mitglieds
von Verpflichtungen des Vertrages.122 Um einen sogenannten „waiver“ zu
119 Evans, Lawmaking under the Trade Constitution, S. 37.
120 Einen guten Überblick gibt Hanel, Vom GATT zur WTO – Entwicklung und Struktur,
in: ZfZ 1996, S. 176, 177.
121 Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 213.
122 Unter dem alten GATT war die relativ einfach zu erreichende Entbindung von Vertragspflichten eine beliebte Alternative zu Änderungen des Vertrages, die ein wesentlich höheres Quorum erforderten. Diese Regelung machte das Einstimmigkeitserfordernis quasi überflüssig und wirkte sich so negativ auf die universelle Akzeptanz des
GATT Rechts aus. Dieses Problem wurde im Zuge der Erschaffung der WTO durch
Art. IX Abs. 3 u. 4 WTO-Ü wirksam behoben. Zunächst wurden mit einer Ausnahme
die unter dem GATT gewährten existierenden ‚waiver‘ zum 1. Januar 1997 beendet.
Weiterhin wurden die Verfahren zur Erlangung oder Verlängerung einer solchen Ausnahmegenehmigung verschärft.
48
3. Die Struktur der WTO
erhalten, muss das antragstellende Mitglied die geplanten Maßnahmen beschreiben (1), die damit konkret verfolgten politischen Ziele darlegen (2)
und erklären, warum diese Ziele nicht ohne Verstoß gegen Verpflichtungen
des GATT 1994 erreicht werden können (3).123 Über die Ausnahmegenehmigung entscheidet allein die Ministerkonferenz innerhalb von 90 Tagen per
Konsens. Kommt es innerhalb der Frist nicht zum Konsens, so muss die Befreiung mindestens von einer Dreiviertelmehrheit gebilligt werden. Jährlich
wird überprüft, ob die eine Entbindung rechtfertigenden Gründe noch vorliegen. Streitigkeiten im Zusammenhang mit einer Ausnahmegenehmigung
können dem Streitbeilegungsverfahren des DSU zugeführt werden. Auch bei
der Abstimmung über die Auslegung des Gründungsabkommens und der
multilateralen Zusatzübereinkommen ist nicht die einfache Mehrheit, sondern eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Ausschließlich der allgemeine
Rat und die Ministerkonferenz sind zur Auslegung befugt, Art. IX Abs. 2
Satz 1 WTO-Ü. Gegebenenfalls ist ihr die Empfehlung des für die Überwachung des jeweiligen Übereinkommens zuständigen Spezialrates zugrunde
zu legen.
3.5.2. Verhandlungen in der WTO
a)
Bedeutung des Konsensverfahrens für die Verhandlungen
Die entscheidende Bedeutung des Konsenses innerhalb der WTO, vor allem
bei der Änderung der existierenden multilateralen Handelsübereinkommen,
bildet die Grundlage für die Zunahme der WTO/GATT-Rechtssetzung über
die Jahre. Dieses System ermöglichte die Annahme neuer Maßnahmen im
Wege eines funktionierenden Verfahrens, welches die Abstimmungsblöcke
verhindert, die Verhandlungen in anderen internationalen Organisationen
vielfach behindert hatten.124 Noch immer hat das Konsensverfahren den
Vorzug, dass die Mitglieder ihre Interessen hinsichtlich einzelner Verhandlungspunkte berücksichtigt wissen. Regelmäßig kommt es jedoch vor, dass
sie letztendlich auch ohne Berücksichtigung jedes Punktes – in Anbetracht
ihres wirtschaftlichen Allgemeininteresses – trotzdem einem Konsens zustimmen. Auch kommt es nicht zu den politischen und verfassungsrechtlichen Einschränkungen, die eine Mehrheitsentscheidung mit sich bringt.125
123 Evans, Lawmaking under the Trade Constitution, S. 37; Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 203.
124 Evans, Lawmaking under the Trade Constitution, S. 36. Zu den Vorteilen des Konsenses, Feld/Jordan/Hurwitz, International Organisations: a Comparative Approach,
S. 135–137.
125 Evans, s.o.
49
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO
Gerade für mächtige Staaten stellt die Wirkungskraft der Mehrheitsentscheidung eine Bedrohung ihrer außenpolitischen Interessen dar.126
b)
Verhandlungstheorien
Die vorangegangenen Erläuterungen führen zur Frage nach den einer Einigung, bspw. auf dem Gebiet von Trade Facilitation, vorausgehenden Verhandlungen. Verhandlungstheorien unterscheiden für gewöhnlich zwischen
drei verschiedenen Verhandlungsstrategien, dem ‚sanften‘ Verhandeln über
Positionen127, dem ‚harten‘ Verhandeln über Positionen128 und dem prinzipiengebundenen Verhandeln.129 Im Gegensatz zu den beiden erstgenannten
Strategien und durch Trennung von Problem und Beziehung der Parteien
zueinander, ist nur das prinzipiengebundene Verhandeln in der Lage, zu einer beidseitig gewinnbringenden und zufriedenstellenden Vereinbarung zu
führen. Nur durch eine solche Trennung kann die Substanz der Vereinbarung
auf objektive Prinzipien gestützt werden, die die langfristigen Interessen
aller Parteien widerspiegeln und die als faire Grundlage im Falle der Beilegung von Streitigkeiten, die Resultat kurzzeitiger Interessenskonflikte sind,
herangezogen werden können.130 Die in vielen internationalen Konferenzen
angewandten one-text-Verfahren bei multilateralen Verhandlungen über Regelungen zwischen einer Vielzahl von Parteien, und die Heranziehung Dritter in Verhandlungen zur Beilegung von Streitigkeiten (z.B. Schlichtungsverfahren) sind zwei der von Verhandlungstheorien empfohlenen Techniken,
um die Beziehungen der Parteien untereinander von den Verhandlungen zu
trennen. Nur so können regelorientierte Verhandlungen vorangetrieben werden, die substanzielle Vorteile bringen oder Interessenkonflikte ausräumen.
c)
Konsequenzen
Da neue Regelungen zu Trade Facilitation Änderung im Sinne von Art. X
WTO-Ü darstellen, ist ein Konsens zwischen den derzeit 148 Mitgliedern
126 So könnten die USA bspw. in einer WTO mit 148 Mitgliedern, von denen über 2/3
Entwicklungsländer, und über die Hälfte formell in der einen oder anderen Weise mit
der EU assoziiert sind, leicht überstimmt werden.
127 Der Verhandelnde will persönliche Konflikte mit der anderen Seite verhindern und
gibt daher, der Vereinbarung und der Freundschaft Willen, leicht nach.
128 Bei der ‚harten‘ Variante sieht der Verhandelnde die divergierenden Standpunkte als
‚Wettbewerb‘ und versucht durch längeres Durchhalten eines extremen Standpunktes
zu gewinnen.
129 Petersmann, Dispute Settlement in International Economic Law – Lessons for
Strengthening International Dispute Settlement in Non-Economic Areas, in: JIEL
1999, S. 192 f.
130 Petersmann, ebenda, S. 193.
50
4. Die Rechtsordnung der WTO
der WTO praktisch zwingend. Die Verhandlungen, die im Herbst 2004 begonnen haben, können folglich nur dann erfolgreich sein, wenn sie auf ein
ausgewogenes Ergebnis gerichtet sind, das die Interessen aller Mitglieder
und die grundlegenden Prinzipien der Welthandelsordnung widerspiegelt.
4. Die Rechtsordnung der WTO
4.1.
Die Funktion des Welthandelsrechts
In der deutschen Literatur findet sich vornehmlich der Begriff der WTORechtsordnung, welchem, im Gegensatz zur Bezeichnung als Rechtssystem,
eine Ordnungsfunktion zugeschrieben wird. Wenn von der WTORechtsordnung gesprochen wird, so ist hiermit die Ordnung gemeint, die
Bedingungen schafft, unter denen sich die spontane Ordnung des internationalen Wirtschaftens – die faktische Wirtschaftsordnung131 – bilden kann.132
Einer Rechtsordnung des internationalen Wirtschaftens kommt somit vornehmlich die Aufgabe der Gewährleistung von Rechtssicherheit zu.133 Nur
durch Rechtssicherheit im Hinblick auf die Rahmenbedingungen internationaler Wirtschaftsbeziehungen lassen sich die mit einer weitgehenden Liberalisierung der Märkte einhergehenden, wohlstandssteigernden Effekte realisieren.134 Gleichzeitig übernimmt die WTO-Rechtsordnung aber auch die
Funktion der Beschränkung nationalstaatlicher Interessen. In verschiedenen
WTO-Abkommen neueren Datums ist die Notwendigkeit der Schaffung von
Rechtssicherheit explizit erwähnt.135
131 Zur Unterscheidung zwischen faktischer und normativer Wirtschaftsordnung siehe:
Benedek, Die Rechtsordnung des GATT aus völkerrechtlicher Sicht, S. 10.
132 Tietje, Normative Grundstrukturen der Behandlung nichttarifärer Handelshemmnisse
in der WTO/GATT-Rechtsordnung, S. 110; Petersmann, Constitutional Functions and
Constitutional Problems of International Economic Law, S. 49 ff.
133 Siehe dazu: Waincymer, Settlement of Disputes within the WTO, in: World Economy
2001, S. 1247 f.
134 Tietje, Normative Grundstrukturen der Behandlung nichttarifärer Handelshemmnisse
in der WTO/GATT-Rechtsordnung, S. 110. Dies geht auch aus dem Panelbericht zur
„United States Manufacturing Clause“ hervor. “The Panel further noted that one of
the basic aims of the General Agreement was security and predictability in trade relations among contracting parties” (panel report adopted 15/16 May 1984, BISD
31S/74, para. 39). Das Panel in „New Zealand – Imports of Electrical Transformers
from Finland“ (adopted 18 July 1985, BISD 32S/55) erwähnt in seinem Bericht in
Paragraph 4. 4. den „aspect of law and order in international trade relations as governed by the GATT.“
135 So in Art. 3 Abs. 2 des DSU o. der Präambel des Agreement on Textiles and Clothing, Abs. 1.
51
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO
4.2.
Rule or power oriented?
Die wissenschaftliche Diskussion über die Natur des WTO Systems, ob es
als rein pragmatisch (power-oriented) oder aber juristisch dogmatisch (ruleoriented) anzusehen ist, ist vorwiegend in den siebziger und achtziger Jahren
geführt worden.136 So vertraten einige Autoren die These, dass das GATT in
erster Linie unter politischen Aspekten zu betrachten und daher die Rolle
des Rechts in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen eher gering einzuschätzen sei.137 Begründet wurde dies mit der soziologischen Komplexität
der Weltwirtschaftsbeziehungen und deren Prägung durch verschiedenste
Determinanten, die nur eine macht- bzw. politikorientierte Konfliktlösungsstrategie zuließen.138 Auch wenn diese Ansicht heute nur von wenigen im
Schrifttum geteilt wird, so zeigten sich deren Auswirkungen noch Mitte der
neunziger Jahre in der Rechtsprechung des EuGH. In dem vieldiskutierten
Fall zur Bananenmarktordnung der EG wiederholt der Gerichtshof seine
Ansicht, dass dem GATT
„seiner Präambel (nach) das Prinzip von Verhandlungen ‚auf der Grundlage der Gegenseitigkeit und zum gemeinsamen Nutzen‘ zugrunde liege (und
es) durch die große Flexibilität seiner Bestimmungen gekennzeichnet ist,
insbesondere derjenigen, die Möglichkeit einer Abweichung, die Maßnahmen, die bei außergewöhnlichen Schwierigkeiten getroffen werden können,
und die Beilegung von Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien betreffen.“139
Mit dieser Argumentation behauptet der EuGH im Ergebnis eine machtorientierte Struktur des GATT und begründet damit dessen fehlende unmittel-
136 Zu den Besonderheiten des WTO-Systems und den damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Streitbeilegung siehe Waincymer, Settlement of Disputes within the WTO,
World Economy 2001, S. 1247–1278.
137 Tietje, Normative Grundstrukturen der Behandlung nichttarifärer Handelshemmnisse
in der WTO/GATT-Rechtsordnung, S. 113, mwNw. auf: Tarullo, Logic, Myth, and
the International Economic Order, in: Harvard ILJ 1985, S. 533 ff.
138 Eine Absage an den normorientierten Ansatz wurde weiterhin mit Hinweis auf dessen
mangelnde Flexibilität erteilt, welche verhindere, dass im Verhandlungswege politische Kompromisse erzielt werden könnten und dem Ziel der Rechtsbefolgung gerade
abträglich sei. (Tietje, ebenda, mit Hinweis auf einen Überblick zu den verschiedenen
Argumenten in: Jackson, The World Trading System, S. 85 ff.)
139 EuGH, Urteil v. 5.10.1994 – Rs. C-280/93 (Bundesrepublik Deutschland ./. Rat),
NJW 1995, 945 (949); bestätigt in EuGH, Urteil v. 12.12.1995 – Rs. C-469/93 (Amministrazione delle finanze dello Stato/Chiquita Italia SpA) EuZW, 1996, S. 118
(119).
52
4. Die Rechtsordnung der WTO
bare Anwendbarkeit in der Gemeinschaftsordnung.140 Bei einer Rechtmäßigkeitsprüfung einer Verordnung im Rahmen einer Klage eines Mitgliedstaats nach Art. 173 Abs. 1 EGV sei das GATT demzufolge unbeachtlich.141
Die Errichtung der WTO im Rahmen der Uruguay-Runde hingegen bekräftigte die Vertreter des „rule-oriented approach“ in ihrer These. So heißt es in
der Erklärung von Punta del Este, dass es Ziel der Verhandlungen sei, die
Rolle des GATT zu stärken, das auf den Prinzipien des GATT gründende
multilaterale Handelssystem zu verbessern und den Welthandel weiter als
bisher vereinbarten, effizienten und durchsetzbaren multilateralen Disziplinen zu unterwerfen.142
Dass diesem Anspruch entsprochen wurde, lässt sich anhand einzelner Charakteristika der WTO-Rechtsordnung belegen. Eine Abkehr von der auf politischer Macht beruhenden Struktur stellt die Beendigung der vorläufigen
Anwendbarkeit des GATT 1947 durch Inkrafttreten des WTO-Gründungsabkommens dar. Zumindest technisch erhielt das GATT 1947 folglich erst
nach Jahrzehnten den vollen Status eines völkerrechtlichen Vertrages. Bis zu
diesem Zeitpunkt bestand keinerlei Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ihre
bestehenden Gesetze den Regeln des Welthandelsrechts anzupassen, wodurch die Effektivität des GATT 1947 bereits prinzipiell in Frage gestellt
wurde. Nunmehr verpflichtet sich jedes Mitglied in Art. XVI Abs. 4 WTO-Ü
sicherzustellen, dass seine Gesetze, sonstigen Vorschriften und Verwaltungsverfahren mit seinen Verpflichtungen aufgrund der als Anlage beigefügten
Übereinkommen in Einklang stehen. Die fortschreitende „Verrechtlichung“
der Welthandelsordnung zeigt sich zudem in der Verwirklichung des „Single
Undertaking Approach.“143 Durch die unübersichtliche Struktur unzähliger,
rechtlich eigenständiger GATT-Abkommen und Kodizes wurde der Ordnungscharakter des GATT 1947 als geschlossenes Rechtssystems zuneh-
140 Zum Status des WTO-Rechts im Rechtssystem der EG siehe: Zonnekeyn, The status
of WTO law in the EC legal order, in: JoWT 2000, S. 111–125.
141 Zur Rechtsprechung des EuGH zum Bananen-Urteil und der damit verbundenen Versagten unmittelbaren Anwendbarkeit des WTO-Rechts siehe Petersmann, Darf die
EG das Völkerrecht ignorieren?, in: EuZW 1997, S. 325–331; Epping, Die Außenwirtschaftsfreiheit, S. 603 ff.
142 “to strengthen the role of GATT, improve the multilateral trading system based on the
principles and rules of the GATT and bring about a wider coverage of world trade
under agreed, effective and enforceable multilateral disciplines”, BISD 33S/19.
143 Prinzip des Einheitsabkommens, wonach mit Mitgliedschaft in der WTO automatisch
auch sämtlichen, in der Anlage zum Übereinkommen zur Errichtung der WTO genannten multilateralen Handelsübereinkommen, zugestimmt wird. Vgl. Präambel,
Art. XI, XII und XIV WTO-Übereinkommen.
53
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO
mend in Frage gestellt und damit Argumenten einer machtorientierten Struktur Vorschub geleistet.144 Die neue einheitliche, alle Abkommen der Uruguay-Runde umfassende Rechtsordnung, die nunmehr mit der WTO institutionell verankert ist, behebt auch diese Schwäche. Auch die willkürliche Inanspruchnahme der im Abkommen enthaltenen Ausnahmeregelungen durch
einzelne Vertragsparteien, insbesondere jene des Art. XIX GATT, behinderte
die Effektivität des GATT 1947. Dem wurde begegnet mit dem Abkommen
zur Interpretation des Art. XIX GATT, das im Wege verschiedener formeller
und materieller Bestimmungen einem Missbrauch entgegenwirken soll. Neben den bereits genannten Aspekten zeigt sich der Rückzug der machtorientierten Struktur und die zunehmende Bedeutung von Regeln und Prinzipien
am deutlichsten am Streitbeilegungssystem der Organisation.
4.3.
Das Streitbeilegungsverfahren
Wie in jeder Rechtsordnung lässt sich auch im System der WTO insbesondere aus der Rechtsdurchsetzungswirklichkeit auf dessen Effektivität schließen. Grundsätzlich ist Konflikten zwischen mächtigen und schwächeren
Parteien die Gefahr immanent, dass die stärkere Partei ihr Verhandlungsgewicht ausnutzt und so eine Unterwerfung der Streitigkeit unter die Rechtsprechungsgewalt eines unabhängigen Dritten verhindert. Effektive Rechtsdurchsetzung ist nur dann garantiert, wenn die Streitigkeit unilateral einer
vorher gegenseitig vereinbarten, zwingend vorgeschriebenen Rechtsgewalt
vorgelegt werden kann.145
Das Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten zählt unzweifelhaft zu den
Besonderheiten der WTO-Rechtsordnung. Im Gegensatz zu anderen internationalen Organisationen verfügt die WTO über obligatorische Verfahren zur
Beilegung von Streitigkeiten.146 Die Durchsetzung der vom Streitbeilegungsgremium angenommenen Berichte der Panel und des Appellate Body
erfolgt durch vorübergehende Maßnahmen wie Entschädigungszahlungen
144 Tietje, Normative Grundstrukturen der Behandlung nichttarifärer Handelshemmnisse
in der WTO/GATT-Rechtsordnung, S. 118; Jackson, Journal of World Trade Law
1978, S. 96.
145 Waincymer, Settlement of Disputes within the WTO, S. 1248 f.
146 Waincymer, Settlement of Disputes within the WTO, S. 1249; zur besonderen Rolle
des WTO-Rechts im Verhältnis zu anderen internationalen Regelungen siehe: Tarullo,
The Relationship of WTO Obligations to Other International Arrangements, S. 155–
173.
54
4. Die Rechtsordnung der WTO
(Kompensation) oder die Aussetzung von Zugeständnissen oder sonstigen
Pflichten zum Nachteil der unterliegenden Partei, Art. 22 Abs.1 DSU.147
Die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien des GATT
1947 lässt sich bis in die frühen Jahre des Abkommens zurückverfolgen. Mit
der Institutionalisierung des GATT 1947 durch die Errichtung der WTO im
Rahmen der Uruguay-Runde (1986 – 1993) wurde auch das eher von Diplomatie geprägte Streitbeilegungsverfahren einer umfassenden Revision unterzogen. Ergebnis war das „Dispute Settlement Understanding“ (DSU),
eine Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten, die am 1.01.1995 in Kraft trat. Das Recht auf ein Panel148, das unter
dem GATT 1947 zwar faktisch anerkannt, nicht jedoch kodifiziert war und
zu Verfahrensverzögerungen führte, ist nun ausdrücklich in Art. 6 Abs. 1
DSU normiert. Danach kann jedes Mitglied die sofortige Einsetzung eines
Panel verlangen, ohne auf Mitwirkungshandlungen dritter Parteien angewiesen zu sein.149 Diese Tatsache stärkt deutlich die Gerichtsförmigkeit des Verfahrens und betont die fortschreitende „Verrechtlichung“ des Systems. Probleme bereitete in der Praxis des GATT 1947 auch immer wieder das Konsens-Erfordernis zur Annahme vorgelegter Panelberichte durch die Vertragsparteien. Zwar wurde nicht so sehr die Annahme der Berichte dadurch
verhindert. Es hat aber dazu geführt, dass die Rechtsdurchsetzung im GATT
1947 mehr von politischen als von rechtlichen Entscheidungen abhängig
war.150 Dem wurde mit dem negativen Konsens-Verfahren, normiert in Art.
16 Abs. 2–4 DSU, entgegengewirkt. Gemäß Art. 16 Abs. 4 DSU wird ein
Panelbericht gleichsam automatisch vom Streitbeilegungsgremium (DSB151)
angenommen, soweit diesbezüglich kein ablehnender Konsens zu Stande
kommt. Einzelnen Mitgliedern wird damit die Möglichkeit der Blockade
von Beschlüssen genommen.
147 Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 317 ff.
148 Erstinstanzliches Schiedsgericht, welches sich grundsätzlich aus 3 Panel-Mitgliedern
zusammensetzt und auf Antrag der beschwerdeführenden Partei durch den Dispute
Settlement Body (Streitbeilegungsgremium) eingesetzt wird. Die Besetzung der Panel wird vom WTO-Sekretariat für die jeweilige Streitigkeit nach konkreten Kriterien
ausgewählt (Art. 8 DSU).
149 Kohona, Dispute Resolution under the WTO, in: JoWT 1994, S. 23; Komuro, The
WTO Dispute Settlement Mechanism: Coverage and Procedures of the WTO Understanding, in: JoWT 1995, S. 49.
150 Stoll, Neue Welthandelsorganisation, neue Welthandelsordnung, in: ZaöRV1994, S.
268; Hilf, The New GATT Round of Multilateral Trade Negotiations, S. 300 ff.
151 Dispute Settlement Body.
55
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO
Neben der Präzisierung des Verfahrens wurde dessen Anwendungsbereich
ausgeweitet. Zu den unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen, den
„covered agreements“, zählen nunmehr das Übereinkommen zur Errichtung
der Welthandelsorganisation (WTO), die multilateralen Handelsübereinkommen über den Handel mit Waren (GATT) und Dienstleistungen (GATS),
sowie jenes über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS), Art. 1 Abs. 1 DSU i. V. m. dessen Anhang 1. Erfasst sind
auch das DSU selbst und verschiedene plurilaterale Handelsübereinkommen.152 Je nachdem um welches Abkommen es sich in einem Verfahren
handelt, können besondere oder zusätzliche Regeln und Verfahren zur Anwendung kommen, Art. 1 Abs. 2 DSU i. V. m. Anhang 2. Zu den Neuerungen, die den Einfluss politischer Macht zunehmend zugunsten des Rechts
beschränken, zählt weiter die Straffung der Verfahrensabläufe. Diese erinnern nunmehr an ein Gerichtsverfahren und werden daher auch als quasigerichtlich bezeichnet. Darüber hinaus wurde eine Revisionsinstanz eingerichtet, die von der unterlegenen Streitpartei angerufen werden kann. Sie ist
auf die Interpretation von Rechtsfragen beschränkt und hat innerhalb strikt
formulierter Fristen zu agieren, Art. 16 Abs. 4 und 17 DSU. Institutionell
wird die Streitbeilegung durch die Schaffung eines eigenen Streitbeilegungsgremiums, des Dispute Settlement Body (DSB) abgesichert.
Gemäß Art. 3 Abs. 4 DSU sollen Empfehlungen oder Entscheidungen des
Dispute Settlement Body einer befriedigenden Beilegung des betreffenden
Streits dienen. Dies wird von Vertretern des „power-oriented approach“ als
Beleg für die weiterhin entscheidende Rolle politischer Elemente bei der
Streitbeilegung angeführt. Dem kann jedoch mit Blick auf den zweite Halbsatz desselben Absatzes begegnet werden, wonach die befriedigende Lösung
im Einklang mit den vertraglichen Rechten und Pflichten zu erfolgen hat.
Die politische Konsensfindung wird damit rechtlichen Bedingungen unterworfen. Gleiches gilt für die Regelungen über Konsultationen, gute Dienste
und die Streitvermittlung. Nach Art. 3 Abs. 5 und Abs. 7 DSU müssen alle
Streitbeilegungsverfahren im Einklang mit den vertraglichen Bestimmungen
über die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten stehen. Die Bedeutung der
„rule of law“ wird dadurch umfassend herausgestellt.153
152 Übereinkommen über den Handel mit Zivilluftfahrzeugen, Übereinkommen über
öffentliches Beschaffungswesen, Internationales Übereinkommen über Milcherzeugnisse, Internationales Übereinkommen über Rindfleisch, wobei die beiden letztgenannten zum 01.01.1998 beendet wurden und es für die Anwendung des DSU einer
gesonderten Entscheidung der jeweiligen Vertragsparteien bedarf.
153 Petersmann, Festschrift für Bernhardt, S. 1117; a.A. Stoll, Neue Welthandelsorganisation, neue Welthandelsordnung, in: ZaöRV 1994, S. 272.
56
5. Rechtsquellen der WTO-Rechtsordnung
Mittlerweile kann der Streitbeilegungsmechanismus als Herzstück der WTO
angesehen werden. Seit seiner Einführung im Jahre 1995 wurden bisher
mehr als 325 Verfahren154 nach Maßgabe des „Dispute Settlement Understanding“ eingeleitet. Falls es nicht zu einer einvernehmlichen Einigung
kam, wurde ein Prozess in Gang gesetzt, der seinen Abschluss nach zwei
Instanzen und innerhalb von 18 Monaten finden konnte. Die bereits 1994
erklärte Mandat zur Reform des Streitbeilegungsverfahrens wurde im November 2001 in Doha bekräftigt. Die Fragen im Hinblick auf die Justizförmigkeit des Panelverfahren, die effektivere Durchsetzung der Streitbeilegungsentscheidungen und die Rolle Dritter im Verfahren konnten jedoch bis
heute nicht geklärt werden.155
5. Rechtsquellen der WTO-Rechtsordnung
5.1.
Entwicklung der Streitbeilegungspraxis
Will man neue WTO-Regelungen beispielsweise über Trade Facilitation
schaffen, so ist es ratsam, sich die derzeitige Streitbeilegungspraxis zu vergegenwärtigen. Erst wenn die Rechtsfindungsmethoden, die Panel und das
Berufungsgremium in der Vergangenheit durch Streitbeilegungspraxis entwickelt haben, bekannt sind, lassen sich potentielle Unklarheiten in zukünftigen Normen vermeiden. Den Interpretationsmethoden kommt dabei eine
entscheidende Rolle zu.
Die Frage nach der adäquaten und rechtlich zwingenden Interpretationsmethode im GATT hat immer wieder rechtswissenschaftliche Diskussionen
hervorgerufen und oft den Vorwurf beinhaltet, in der GATT-Praxis würden
die anerkannten Interpretationsmethoden des allgemeinen Völkerrechts
missachtet werden.156 Anhand von Panelentscheidungen157 bis Ende der
154 Stand: 11.2.2005.
155 Dazu: Davey, Improving WTO Dispute Settlement; Hudec, The Agenda for Reform
of the Dispute Settlement Procedure; Jackson, Dispute Settlement and the WTO:
Emerging Problems, alle in: The Next Trade Negotiating Round: Examining the
Agenda for Seattle; Kessie, Enhancing Security and Predictability for Private Business Operators under the DSU System of the WTO, in: JoWT 2000, S. 1–17.
156 Tietje, Normative Grundstrukturen der Behandlung nichttarifärer Handelshemmnisse
in der WTO/GATT-Rechtsordnung, S. 125; zur Diskussion vgl. Jackson, The World
Trading System, S. 88 ff.; Benedeck, Die Rechtsordnung des GATT aus völkerrechtlicher Sicht, S. 142 ff.; McGovern, Dispute Settlement in the GATT – Adjudication
or Negotiation?, S. 80.
157 Japan – Restrictions on Imports of Certain Agricultural Products, Panel Report
adopted 22 March 1988, BISD 35S/163, para. 5.1.2 und 5.2.1; Canada – Import Re-
57
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO
achtziger Jahre lässt sich dieser Vorwurf belegen. Bis dato wurde der historischen Interpretation, der Auslegung des GATT anhand der Vorarbeiten158 zur
Havanna-Charta, eine sehr bedeutende Rolle eingeräumt. Ein solches Vorgehen steht jedoch im Widerspruch zu der in Art. 32 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WÜV) niedergelegten Regel, nach denen
die Vorarbeiten zu völkerrechtlichen Verträgen nur ergänzend hinzuzuziehen
sind.159 Eine Hinzuziehung kann entweder zur Bestätigung eines bereits
durch Auslegung nach Art. 31 WÜV gewonnenen Ergebnisses erfolgen oder
aber dann in Betracht kommen, wenn „die Auslegung nach Art. 31 des Übereinkommens die Bedeutung mehrdeutig oder im Dunkeln lässt oder zu
einem offensichtlich sinnwidrigen oder unvernünftigen Ergebnis führt“, Art.
32 2. Alt WÜV. Aufgrund der gewohnheitsrechtlichen Geltung160 der in Art.
31 und 32 WÜV niedergelegten Auslegungsregeln, ist die Tatsache, dass das
Wiener Vertragsrechtsübereinkommen erst am 27.01.1980 in Kraft trat und
damit dessen Art. 4 einer Anwendung auf das GATT 1947 prinzipiell entgegensteht, hier nicht von Belang. Gerechtfertigt wurde die besondere Bedeutung der Vorarbeiten damit, dass die Entstehung des GATT als Teilbereich
der ursprünglich angestrebten Havanna-Charta von 1947/48 seiner Entstehungsgeschichte eine besondere Bedeutung zukommen lasse.161 Dennoch ist
jedoch schon vor der mit Gründung der WTO einher gehenden Errichtung
eines zunehmend an Rechtsnormen orientierten Streitbeilegungssystems ein
deutlicher Wandel in der Entscheidungspraxis der Panel zu verzeichnen. Zunehmend erörterten Panel GATT-Rechtsfragen unter Hinzuziehung der in
Art. 31 WÜV niedergelegten Auslegungsmethoden.162 In United States –
Restrictions on Imports of Tuna,163 einer der letzen Entscheidungen zum
158
159
160
161
162
163
58
strictions on Ice Cream and Yoghurt, Panel report adopted 5 December 1989, BISD
36S/68, para. 66 f.; Korea – Restrictions on Imports of Beef, Complaint by the
United States, Panel report adopted 7 November 1989, BISD 36S/268, para. 118.
„travaux préparatoires“.
Dazu Benedek, Die Rechtsordnung des GATT aus völkerrechtlicher Sicht, S. 143;
Waincymer, Settlement of Disputes within the WTO, in: World Economy 2001, S.
1247 f.
IGH, Interpretation of the Agreement of March 1951 between the WHO and Egypt,
ICJ Reports 1980, S.92, (94); IGH, Legal Consequences of States of the Continued
Presence of South Afrika in Namibia (South West Afrika) notwithstanding Security
Council Resolution 276 (1970). ICJ Reports 1971, 47; Fisheries Juristdiction (UK v.
Iceland) (Jurisdiction of the Court) ICJ Reports 1973, 14 (18); IGH, Agean Sea Continental Shelf, ICJ Reports 1978, 39.
Benedek, Die Rechtsordnung des GATT aus völkerrechtlicher Sicht, S. 143 f.
Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 333.
Tuna II, Panel Report vom 16.06.1994 (nicht angenommen), in: ILM 33 1994, 839,
para. 5.18.
5. Rechtsquellen der WTO-Rechtsordnung
GATT 1947, wird sogar explizit auf die Art. 31 und 32 WÜV als anzuwendende Auslegungsregeln verwiesen.
5.2.
Ausgangspunkt der Interpretation: der Vertragstext selbst
Die Institutionalisierung des GATT 1947 hat zu einer verstärkten Beachtung
der Grundsätze der Auslegung völkerrechtlicher Verträge geführt. War unter
dem alten GATT noch von einer Sonderrolle des WTO Rechts im Völkerrecht die Rede, so ist spätestens seit dem Inkrafttreten des Dispute Settlement Understanding klar, dass „… es dazu dient, die Rechte und Pflichten
der Mitglieder aus den unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen zu
bewahren und die geltenden Bestimmungen dieser Übereinkommen im Einklang mit den herkömmlichen Regeln der Auslegung des Völkerrechts zu
klären“, Art. 3 Abs. 2 S. 2 DSU.164 Handelt es sich bei dem GATT bzw. der
Rechtsordnung der WTO also um einen völkerrechtlichen Vertrag ohne speziellen Status, so ist bei der Frage nach den Rechtsquellen auf Art. 38 Abs.1
des Statuts des Internationalen Gerichtshofs (IGH-Statut) zu verweisen, in
dem es heißt:
Der Gerichtshof, dessen Aufgabe es ist, die ihm unterbreiteten Streitigkeiten
nach dem Völkerrecht zu entscheiden, wendet an
a) internationale Übereinkünfte allgemeiner oder besonderer Natur, in denen
von den streitenden Staaten ausdrücklich anerkannte Regeln festgelegt
sind;
b) das internationale Gewohnheitsrecht als Ausdruck einer allgemeinen, als
Recht anerkannten Übung;
c) die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze;
d) vorbehaltlich des Artikels 59 richterliche Entscheidungen und die Lehrmeinungen der fähigsten Völkerrechtler der verschiedenen Nationen als
Hilfsmittel zur Feststellung von Rechtsnormen.
Das Marrakesch-Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO Übereinkommen) stellt eine internationale Übereinkunft besonderer Natur i. S. des Art. 38 Abs.1 a) IGH-Statut dar.165 Gleiches gilt für die
sich in einem Annex befindlichen zusätzlichen Übereinkommen und Rechts-
164 “the Members of the WTO recognize that it serves to preserve the rights and obligations of Members under the covered agreements, and to clarify the existing provisions of those Agreements in accordance with customary rules of interpretation of
public international law.”
165 Palmeter/Mavroidis, The WTO Legal System: Sources of law, in: AJIL 1998, S. 413.
59
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO
instrumente, die sich mit dem Warenhandel, dem Dienstleistungshandel und
dem Recht am geistigen Eigentum beschäftigen. Die Vereinbarung über Regeln und Verfahren der Streitbeilegung (DSU) stellt Regeln dar, die, im Sinne des Art. 38 Abs. 1 a) IGH-Statut, „von den streitenden Staaten ausdrücklich anerkannt“ sind, vorausgesetzt beide Streitparteien haben die Vereinbarung angenommen.166 Grundlegende Rechtsquellen des WTO-Rechts sind
daher zu aller erst die Texte der Übereinkommen selbst.167 Die Vertragstexte
sind jedoch nur der Ausgangspunkt. Als mögliche relevante Rechtsquellen
kommen alle von Art. 38 Abs.1 IGH-Statut erfassten Quellen in Betracht.168
Neben der Übung unter dem Vorgänger des Welthandelsabkommens, dem
Allgemeinen Zoll und Handelsabkommen (GATT), einschließlich der Berichte der GATT- Panel, zählen dazu die Übung der WTO, insbesondere die
Berichte der Panel und der ständigen Berufungsinstanz (Appellate Body),
das internationale Gewohnheitsrecht, die Lehre hochqualifizierter Völkerrechtler, allgemeine Rechtsgrundsätze und andere internationale Instrumente. Sie alle tragen zu dem schnell wachsenden und immer wichtiger werdenden Recht der WTO bei.
5.3.
Die Rolle der Panel- und Appellate Body-Berichte
Die Rolle bisheriger Panelberichte und der Berichte des Appellate Body ist
umstritten. Einige Autoren sehen in der Entwicklung der Rechtssprechung
durch den Dispute Settlement Body (DSB) bereits eine Entwicklung, die in
ihrer Wirkung Parallelen zu jener des Europäischen Gerichtshofs aufweist.169 Danach werde durch die Rechtsprechung ein umfangreiches Richterrecht geschaffen, das quasi allgemein verbindlich sei. Andere wiederum
betonen die vergleichsweise beschränkte Bedeutung der Berichte. Die
Streitbeilegung diene ausschließlich der Schlichtung eines konkreten Disputes. Es handle sich um Einzelfallentscheidungen und nicht um allgemein
verbindliche Vorgaben. Das Panel in Japan – Taxes on Alcoholic Beverages
war auf die Frage, ob die vom DSB angenommenen Panelberichte „Entscheidungen“ der Vertragsparteien des GATT 1947 darstellen, unter expliziter Bezugnahme auf Art. 38 Abs. 1 d) IGH-Statut der Ansicht, dass diese
einen integralen Bestandteil des GATT 1994 bilden, da es sich um „sonstige
Beschlüsse der Vertragsparteien des GATT 1947“ im Sinne des Abs. 1 b) iv)
166 Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 344.
167 Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 340. So auch der AB in Japan-Taxes on Alcoholic Beverages, WT/DS10/R; WT/DS10/AB/R.
168 Palmeter/Mavroidis, The WTO Legal System: Sources of Law, in: AJIL 1998, S. 399;
Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 338 ff.
169 Petersmann, The GATT/WTO Dispute Settlement System, S. 27 ff.
60
5. Rechtsquellen der WTO-Rechtsordnung
des GATT 1994 handele.170 Der Appellate Body hat dem jedoch nicht zugestimmt. Außer der Aussage, dass die angenommenen Berichte einen wichtigen Teil des GATT acquis darstellen, hat er deren Qualität nicht weiter bestimmt. Nach Ansicht von Palmeter/Mavroidis hat diese ablehnende Haltung
gegenüber den Erkenntnissen des Panel weniger mit den tatsächlichen Konsequenzen als mit der Befürchtung zu tun, diese könnten dahingehend verstanden werden, dass die angenommenen Berichte eine definitive Interpretation der einschlägigen Bestimmungen des GATT 1947 darstellen. Eine solche definitive Interpretation würde zu einer bindenden Kraft von Präjudizen
in der WTO führen. Dies aber widerspräche klar der Funktion des Streitbeilegungsverfahrens, welches lediglich der Schlichtung eines konkreten Streits
dienen soll.171 In einem Bericht des Appellate Body zu der Frage der Präzedenzwirkung von Berichten heißt es:
„die angenommenen Berichte werden meist von nachfolgenden Panel beachtet. Aus ihnen erwachsen legitime Erwartungen seitens der WTOMitglieder und sollten daher, wenn sie in einem konkreten Streit von Belang
sind, in Betracht gezogen werden. Nichtsdestotrotz sind sie nicht bindend.
Dies ist der Bericht lediglich im Hinblick auf den konkret zu schlichtenden
Streit zwischen den darin verwickelten Parteiein.“172
Diese Aussage erinnert an Art. 38 Abs.1 d) IGH-Statut und dessen Bezugnahme auf die „subsidiären“ Quellen des Völkerrechts. In einer Fußnote des
Berichtes zieht der Appellate Body sogar Parallelen zur Praxis des IGH,
dessen Entscheidungen nur für die Streitparteien und nur in bezug auf die
Sache, in der entschieden wurde, bindend sind:
170 Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, Report of the Panel, WT/DS10/R, para. 6.10.
171 Palmeter/Mavroidis, The WTO Legal System: Sources of Law, in: AJIL 1998, S. 399.
Die beiden Autoren sind der Auffassung, dass die vom DSB gemäß Art. 16 Abs. 4
DSU angenommenen Berichte zu den Rechtsquellen der WTO gehören. Da es im
DSU an einem expliziten Äquivalent zu Art. 38 Abs.1 IGH-Statut mangelt, werde
dessen Gehalt effektiv durch Art. 3 Abs. 2 und Art. 7 DSU Bestandteil des WTO
Streitbeilegungssystems. Art. 7 DSU bilde das Substitut des Art. 38 (1) IGH-Statut
im System der WTO-Streitbeilegung. Demzufolge gehörten neben den Texten der
WTO-Übereinkommen auch die die „einschlägigen Bestimmungen“ dieser Übereinkommen „überprüfenden“ Berichte der Panel und des AB – wie es in Art. 7 Abs. 1
DSU heißt – zu den Rechtsquellen des WTO-Rechts.
172 Japan – Taxes on Alcoholic Beverages – Report of the AB, WT/DS10/AB/R, para. D,
mit Bezug auf den Panelreport WT/DS10/R, para. 6.10; so im Ergebnis auch Brazil –
Measures Affecting Desiccated Coconut – Report of the Appellate Body,
WT/DS22/R, para. 258.
61
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO
„es lohnt darauf hinzuweisen, dass das Statut des IGH mit Art. 59 eine explizite Bestimmung enthält, welche den selben Effekt hat. Diese Tatsache hat
den Gerichtshof (und seinen Vorläufer) nicht daran gehindert, ein Richterrecht zu schaffen, in welchem erkennbar wird, dass dem Wert vorhergehender Entscheidungen beträchtliches Vertrauen entgegengebracht wird.“173
Dem entspricht der Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 S. 2 DSB, welcher besagt,
dass die Empfehlungen und Entscheidungen des DSB die in den unter die
Vereinbarung fallenden Übereinkommen enthaltenen Rechte und Pflichten
weder ergänzen noch einschränken können. Die praktischen Auswirkungen
der Berichte, die zwar Überzeugungskraft besitzen, nicht jedoch Bindungswirkung entfalten, lassen sich zusammenfassend dahingehend beschreiben,
dass sie jener Partei, die eine von einem angenommen Bericht abweichende
Interpretation befürwortet, aufgibt, das Panel von der Abkehr der Begründungen und Schlussfolgerungen des vorangegangen Berichts zu überzeugen.
Dies ist nicht unmöglich, dürfte in den meisten Fällen aber schwer fallen. In
der Praxis sind Panel geneigt, vorangehenden Berichten zu folgen, es sei
denn, es lassen sich Unterschiede ausmachen oder es ist von Irrtümern des
damals befindenden Panel überzeugt. Dass die Revisionsinstanz eigenen
Berichten häufiger folgt als ein Panel anderen Panelberichten, liegt daran,
dass der Appellate Body ein ständiges, aus sieben Personen bestehendes
Kollegialorgan ist, aus dessen Mitte jeweils drei Mitglieder über die Revision entscheiden. Aufgrund der begrenzten Mitgliederzahl ist die Wahrscheinlichkeit, mit dem eigenen Bericht konfrontiert zu werden, wesentlich höher.
5.4.
Völkergewohnheitsrecht
Auch das Völkergewohnheitsrecht spielt in der WTO-Rechtsordnung eine
Rolle. So heißt es in Art. 3 Abs. 2 DSU, das Streitbeilegungssystem diene
dazu,
„… die Rechte und Pflichten der Mitglieder aus den unter die Vereinbarung
fallenden Übereinkommen zu bewahren und die geltenden Bestimmungen
dieser Übereinkommen im Einklang mit den herkömmlichen Regeln der Auslegung des Völkerrechts zu klären.“
In der Praxis hat diese Formulierung die Panel und den Appellate Body zu
Art. 31 und 32 des Wiener Übereinkommens zum Recht der Verträge geführt.174 Diese herkömmlichen Auslegungsregeln sind bisher das einzige
173 Japan – Taxes on Alcoholic Beverages – Report of the AB, WT/DS10/AB/R Fn.30.
174 Waincymer, Settlement of Disputes within the WTO, in: World Economy 2001, S.
1201; United States – Standards for Reformulated and Conventional Gasoline – Re-
62
5. Rechtsquellen der WTO-Rechtsordnung
Völkergewohnheitsrecht, das seinen Weg in die WTO-Streitbeilegung gefunden hat. Näher wurde die Thematik nur in einem bedeutenden Verfahren
erörtert, in dem es um die Frage ging, ob das Vorsorgeprinzip175 zum Völkergewohnheitsrecht gehört.176 In diesem Zusammenhang hat das Panel
festgestellt, dass, selbst wenn das Prinzip zum Völkergewohnheitsrecht gehört, es jedenfalls nicht in der Lage ist, die ausdrücklichen Bestimmungen
der WTO-Übereinkommen zu brechen.177 Entscheidend ist die Tatsache,
dass die WTO, wie auch das GATT zuvor, auf Übereinkommen basiert und
nicht auf Völkergewohnheitsrecht. Selbst das erste und wesentlich grundlegendere Prinzip der Meistbegünstigung des GATT stellt weder die Kodifizierung von Völkergewohnheitsrecht dar, noch hat es Gewohnheitsrecht geschaffen. Im Gegenteil, es fand lediglich auf die Vertragsparteien Anwendung, und Nicht-Vertragsparteien wurde eine Behandlung nach diesem verweigert. Dies änderte sich auch mit Errichtung der WTO nicht. In Art. XVI
Abs. 1 WTO-Ü heißt es, sofern nichts anderes geregelt sei, lasse sich die
WTO „von den Beschlüssen, Verfahren und üblichen Praktiken der Vertragsparteien des GATT 1947 sowie der im Rahmen des GATT 1947 eingesetzten Organe leiten.“ Ob das Völkergewohnheitsrecht zu diesen „üblichen
Praktiken“ zählt kann offen bleiben, da Völkergewohnheitsrecht jedenfalls
nur ergänzend – soweit nichts anderes geregelt ist – herangezogen werden
kann.
5.5.
Die Lehren hochqualifizierter Völkerrechtler
In Berichten der unter dem GATT errichteten Panel sind mitunter vereinzelt
auch Verweise auf die Lehrmeinungen von Völkerrechtsgelehrten zu finden.
Diese Zurückhaltung der Panellisten ist mit dem diplomatischen Erbe des
GATT zu begründen. Nicht nur, dass sich Diplomaten weniger als Rechtsport of the Appellate Body, WT/DS2/AB/R, para. 9; Brazil – Measures Affecting
Desiccated Coconut – Report of the Appellate Body, WT/DS22/R, para. 256.
175 Das Vorsorgeprinzip besagt allgemein, dass dort, wo die Gefahr eines ernsten oder
nicht wieder gut zu machenden Schadens besteht, das Fehlen einer endgültigen wissenschaftlichen Sicherheit nicht als Argument dafür dienen darf, kostenintensive
Maßnahmen zum Schutze der Umwelt zu verschieben, Deklaration von Rio bezüglich Umwelt und Entwicklung, 14. Juni 1992, 15. Prinzip, siehe Homepage des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) (http://www.unep.org/Documents/
Default.asp?DocumentID=78&ArticleID=1163); siehe zum Vorsorgeprinzip auch
Ipsen, Völkerrecht, § 57 Rn. 13, 25, 38.
176 Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 348.
177 EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), Complaint by the
United States, WT/DS26/R/USA; Complaint by Canada, WT/DS48/R/CAN, para
123.
63
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO
anwälte der Lehren der Rechtswissenschaftler bewusst sind bzw. sich weniger von diesen beeinflussen lassen. Über viele Jahre hinweg waren sie strikt
gegen eine Verrechtlichung der praktizierten „Schlichtung“.178 Ein weiterer
Grund war die geringe Anzahl von Wissenschaftlern unter den Panellisten.
Dies hat sich in den letzten Jahren geändert. So verweisen neuere Berichte,
vor allem solche des Appellate Body, vielfach auf die Lehren hochqualifizierter Rechtswissenschaftler, um deren Gehalt zu untermauern. Diese Entwicklung spiegelt zweifelsohne die Erkenntnis einer wachsenden Bedeutung
des Rechts im Welthandelssystem wider. Das Rechtsmittel gemäß Art.17
Abs. 6 DSU beschränkt sich bspw. auf die im Panelbericht behandelten
Rechtsfragen und dessen Rechtsauslegung. Anders als in den Jahrzehnten
des GATT sind die WTO-Panel mehr und mehr mit komplexen Rechtsaspekten betraut.179
5.6.
Allgemeine Rechtsgrundsätze
Darüber hinaus haben sich GATT-Panel, ebenso wie WTO-Panel und der
Appellate Body, allgemeiner Rechtsgrundsätze zur Begründung ihrer Ergebnisse bedient. Der Grundsatz, dass Ausnahmen eng auszulegen sind, fand
mehrmals Eingang in Panelberichte.180 Der Appellate Body hat dem jedoch
widersprochen und kam durch schlüssige Begründung zu dem Ergebnis,
dass einer Textstelle nicht mehr oder weniger Bedeutung zugemessen werden darf als einer anderen, es sei denn, es ist ausdrücklich im Text niedergelegt.181 In dem Verfahren United States – Measures Affecting Imports of
Softwood Lumber from Canada, in dem es um Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen ging, bezog sich das Panel auf das Estoppel-Prinzip.182
Dieser aus dem Equity-Recht stammende Interpretationsgrundsatz besagt,
dass eine Interpretation nicht dazu führen darf, dass ganze Klauseln oder
Paragraphen überflüssig oder unnütz werden. Auch der Appellate Body hat
178 Hudec, The GATT Legal System and World Trade Diplomacy, 1990.
179 Das Vorhandensein einer ständigen Berufungsinstanz, die Beachtung von Fristen und
die Zulässigkeit von Beweisen stellen Aspekte dar, die von Panel heutzutage beachtet
werden müssen.
180 U.S. – Restrictions on Imports of Cotton and Man-Made Fibre Underwear,
WT/DS24/R, para. 7.21, adopted as modified by the Appellate Body; Canada – Import Restrictions on Ice Cream and Yoghurt, GATT B.I.S.D. 36S/68, 84, para. 59;
EEC – Restrictions on Imports of Apples, Complaint by U.S., B.I.S.D. at 135.
181 EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), Report of the AB,
WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R, para. 123.
182 United States – Measures Affecting Imports of Softwood Lumber from Canada,
GATT B.I.S.D. 40S/358, 480 –86, paras. 308–25 (1194).
64
5. Rechtsquellen der WTO-Rechtsordnung
von diesem mehrmals Gebrauch gemacht.183 Art. 22 Abs. 4 und 22 Abs. 6
DSU, welche normieren, dass die Aussetzung der Zugeständnisse den zunichte gemachten oder geschmälerten Vorteilen entsprechen müssen, sind
offensichtlich mehr als ein allgemeiner Rechtsgrundsatz. Sie sind selbst
WTO-Recht und entsprechen zudem dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit
im Völkerrecht, welches der IGH anerkannt hat.184 Generell lässt sich festhalten, das Panel und Appellate Body hauptsächlich für Verfahrens- und
Beweisfragen, jedoch kaum für materielle Rechtsfragen allgemeine Rechtsgrundsätze heranziehen.185
5.7.
Andere Internationale Rechtsinstrumente
Andere Rechtsinstrumente oder Übereinkommen können auf zwei Wegen zu
Quellen von WTO-Recht werden. Entweder beziehen sich die WTO Übereinkommen explizit auf diese, oder aber die Streitparteien sind beide ebenfalls Parteien dieses anderen Abkommens.186
5.7.1. Explizite Verweise auf andere Übereinkommen
In vielen der dem DSU unterworfenen Abkommen lassen sich Verweise auf
andere Internationale Abkommen finden, welche dadurch zu unmittelbaren
Rechtsquellen im WTO-Streitbeilegungsverfahren werden. Beispiele dafür
bilden die wichtigsten internationalen Konventionen zum Schutze des geistigen Eigentums, die Konvention von Paris (1967), die Konvention von
Bern (1971), die Konvention von Rom und der Staatsvertrag zum geistigen
Eigentum im Hinblick auf integrierte Schaltkreise, wie aus Art. 1 Abs. 3,
Art. 2, Art. 3 Abs. 1 TRIPS hervorgeht. Das WTO-Übereinkommen über
Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen hingegen sieht mehr oder weniger
indirekt vor, dass von Regierungen gewährte Exportkredite, die konform zu
den Bestimmungen der Richtlinien für die offizielle Förderung von Exportkrediten der OECD187 sind, nicht als Subvention einzustufen sind.188 Neben
183 Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, WT/DS10/R at 12; U.S. – Restrictions on
Imports of Cotton and Man-Made Cotton Fibre Underwear, WT/DS24/AB/R, at 16.
184 “An important consideration is that the effects of a countermeasure must be commensurate with the injury suffered”, this is “the proportionality which is required by international law.” Gabcikovo-Nagymaros Project, 1997 IGH Rep. 92, para. 85.
185 Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 349.
186 Siehe zur besonderen Rolle des WTO-Rechts im Verhältnis zu anderen internationalen Regelungen: Tarullo, The Relationship of WTO Obligations to other International
Arrangements, S. 155–173.
187 Übereinkommen vom 1. April 1978 über Richtlinien für öffentlich unterstützte Exportkredite OECD Doc. OECD/GD(92)95.
65
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO
der Bezugnahme auf Art. 31 und 32 WÜV haben Panel und Appellate Body
mehrfach auf Art. 28 WÜV, der ein grundsätzliches Rückwirkungsverbot
enthält, verwiesen.189 Streitparteien haben sich bereits auf die Art. 18, Art.
26 und Art. 30 WÜV berufen. Die Panel hielten jedoch eine ausdrückliche
Bezugnahme auf diese nicht für notwendig.190 Bis heute ist streitig, ob zu
den Rechten und Pflichten, die durch diese anderen Abkommen in die
WTO-Rechtsordnung eingebracht werden, nur jene zählen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der WTO-Übereinkommen existierten, oder ob sich
mit der Fortentwicklung anderer Abkommen auch die Rechte und Pflichten
im Rahmen der WTO verändern. Jedenfalls für das TRIPS-Übereinkommen
ist klar, dass es sich auf die konkreten Fassungen der verschiedenen Konventionen bezieht.191 Insofern sind zukünftige Änderungen dieser Konventionen für die Rechte und Pflichten im Rahmen der WTO ohne Belang.
5.7.2. Andere Übereinkommen zwischen den Parteien
Das WTO-Übereinkommen und seine Zusatzübereinkommen gehören zu
einer Vielzahl von Staatsverträgen, durch die sich die Regierungen vor allem
in der Nachkriegszeit verpflichtet haben, um wirtschaftlichen und sozialen
Problemen und solchen der Umwelt zu begegnen. Der Großteil der WTOMitglieder ist an solchen beteiligt. Fraglich ist, inwieweit diese anderen
Übereinkommen die Rechte und Pflichten von Mitgliedern der WTO untereinander beeinflussen. Entscheidend wird dies bspw. dann, wenn ein WTOMitglied Handelssanktionen gegenüber den Exporten eines anderen Mitglieds verhängt, die durch ein anderes zwischen den Parteien getroffenes
Abkommen gerechtfertigt sind. Steht die Maßnahme ansonsten mit den
GATT-Verpflichtungen nicht im Einklang, so wird sich die sie anwendende
Partei bei der Begründung einer Ausnahme nach Art. XX GATT auf seine
Verpflichtungen aus dem anderen Abkommen beziehen. Das Panel in United
States – Restrictions on Imports of Tuna befand, dass die Konvention
(CITES) und die anderen bilateralen und multilateralen Abkommen auf welches sich die USA bezogen, bei der Interpretation des GATT nicht relevant
seien, da es sich dabei um bilaterale oder plurilaterale Abkommen handelt,
188 Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, in Final Act Embodying the Results of the Uruguay-Round of Multilateral Trade Negotiations, Marrakesch, 15. April 1994, Annex I (k).
189 Brazil – Measures affecting Dessicated Coconut, Doc. WT/DS22/R, WT/DS22/
AB/R; EC – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas,
WT/DS27/AB/R; Canada – Term of Patent Protection, WT/DS170/AB/R.
190 Brazil – Measures affecting Dessicated Coconut, Doc. WT/DS22/R, para. 23–26, 37–
39.
191 Siehe: Fußnote 2 zum TRIPS.
66
5. Rechtsquellen der WTO-Rechtsordnung
die nicht zwischen den Vertragsparteien des GATT vereinbart worden seien
und daher nicht zur Interpretation des GATT-Textes oder dessen Anwendung
hinzugezogen werden können.192 Die Ansicht, dass ein internationales Übereinkommen nur Berücksichtigung finden können, wenn alle Vertragsparteien des GATT diesem zugestimmt haben, widerspricht jedoch Art. 31 Abs. 3
c) WÜV. Ein anderes Abkommen zwischen WTO-Mitgliedern muss daher
zu einer Modifikation ihrer WTO-Rechtsbeziehungen führen.193 Das Panel
ging auch der Frage nach, ob solche anderen Abkommen spätere Übereinkünfte über die Auslegung des GATT i. S. d. Art. 31 WÜV seien. Richtigerweise wurde dies verneint. Ob es sich bei der Konvention und den Abkommen um einen darauf folgenden Vertrag mit dem selben Gegenstand i. S. d.
Art. 30 WÜV handelt, wurde nicht erörtert.194 Für den Fall, dass ein WTOMitglied Vertragspartei eines Umweltabkommens ist und die andere Partei
nicht, hat dessen Anwendung zur Folge, dass das Umweltabkommen die
WTO-Rechte und Pflichten nicht beeinflusst. Dieses Ergebnis ist auch angemessen.
5.8.
Bewertung
Die vorangegangenen Betrachtungen haben gezeigt, dass die WTO im Gegensatz zu anderen internationalen Organisationen ein mittlerweile etabliertes Streitschlichtungsverfahren vorweisen kann, dessen Effektivität signifikant mit dem Inkrafttreten des Abkommens von Marrakesch und der damit
einhergehenden Institutionalisierung des GATT 1947 am 01.01.1995 gestärkt wurde. Dieses ist sowohl für die Außenhandelspolitik, als auch für
Wirtschaftsverfassungen der an dem System beteiligten Staaten von Bedeutung. Aufgrund des aus der „Verrechtlichung“ resultierenden Grades der
Verpflichtungen stellt ein universelles Trade Facilitation-Übereinkommen
unter der Schirmherrschaft der WTO einen bisher auf dem Gebiet nicht gewagten Schritt dar. Da Welthandelsübereinkommen in der Praxis weiterhin
durch Konsens erzielt werden, muss gewährleistet sein, dass sich auch die
Entwicklungsländer in dem Ergebnis der Verhandlungen wiederfinden und
in eine Lage versetzt werden, die es ihnen erlaubt, die getroffenen Vereinbarungen umzusetzen. Den Bedenken dieser Länder im Hinblick auf ein dro192 United States – Restrictions on Imports of Tuna I, BISD 39S/155.
193 Palmeter/Mavroidis, WTO Legal System: Sources of Law, in: AJIL 1998.
194 Sowohl dessen Abs. 3, der besagt, dass das später geschlossene Abkommen ausschlaggebend ist, und Abs. 4 b) WÜV hätten in Betracht gezogen werden müssen.
Letztgenannter normiert für den Fall, dass nicht alle Vertragsparteien eines früheren
Vertrages zugleich Vertragsparteien eines späteren sind, der Vertrag, dem beide Staaten als Vertragspartei angehören, ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten regelt.
67
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO
hendes Streitschlichtungsverfahren in Fällen der Nichtumsetzung müssen
begegnet werden.
6. Die Rechtliche Einordnung des Doha-Mandats
Vor dem soeben aufgezeigten Hintergrund der grundlegenden Strukturen der
WTO-Rechtsordnung stellt sich die Frage nach der Bedeutung des DohaMandats für die weiteren Entwicklungen von Trade Facilitation in der WTO.
Die rechtliche Einordnung des Mandats hat im Vorfeld der Ministerkonferenz von Cancún eine besondere Rolle gespielt und ist auch noch nach Einigung der Mitglieder auf das Juli-Paket, in dem sie ihren Willen zur Rechtssetzung auf dem Gebiet von Trade Facilitation bekräftigten, relevant, da
letzteres jedenfalls nicht im Rahmen der Streitbeilegung noch bei der Interpretation des WTO-Übereinkommens herangezogen werden kann.195
6.1.
Vorüberlegungen
Während die Ministerkonferenz in Singapur 1996 dem Rat für den Warenhandel aufgab, Vorarbeiten zur Bestimmung der Reichweite künftiger Trade
Facilitation-Regelungen zu leisten, enthält das im Zuge der Ministerkonferenz in Doha, Katar verkündete Mandat vergleichsweise bestimmte Vorgaben. Der Beginn der Verhandlungen wurde für Herbst 2003 angesetzt und
deren Ziele konkretisiert. Unzweifelhaft war damit ein politischer Schritt hin
zu WTO Regelungen auf dem Gebiet der Trade Facilitation getan. Fraglich
ist jedoch, ob die Ministererklärung auch rechtliche Relevanz besitzt. Sind
die darin vorgegebenen Ziele, die seinerzeit für Herbst 2003 geplanten Verhandlungen und die inhaltliche Beschränkung auf Art. V, VIII, und X GATT,
verbindlich? Was geschieht, wenn sich ein Mitglied fortan weigert, in diesbezügliche Verhandlung einzutreten? Bedarf es für eine thematische Erweiterung oder Begrenzung des Mandats der Zustimmung aller Mitglieder? Bestünde die Möglichkeit, sich als Partei im Streitbeilegungsverfahren auf die
im Mandat getroffenen Vereinbarungen zu berufen? Müssten diese vom Panel berücksichtigt werden? All diese Überlegungen führen zu der Frage nach
der rechtlichen Verbindlichkeit von Ministererklärungen.
195 Um einen Streit über die rechtliche Relevanz des „Juli-Pakets“ gar nicht erst aufkommen zu lassen, heißt es in dessen § 2 explizit, dass die Entscheidung weder im
Rahmen des Streitschlichtungsverfahrens noch als Interpretationshilfe bzgl. bestehender Rechte und Pflichten unter dem GATT 1994 herangezogen werden dürfen.
68
6. Die Rechtliche Einordnung des Doha-Mandats
6.2.
Die Erklärungen der Ministerkonferenz (Deklarationen)
Im Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation befinden
sich einige Regelungen über die Befugnisse der Ministerkonferenz. Eine
„Ministererklärung“ oder eine „ministerielle Deklaration“ ist in den Übereinkommen jedoch nicht erwähnt. Man könnte eine solche Deklaration jedoch als besondere Form eines Beschlusses ansehen.196
Zur Beschlussfassung ist die Ministerkonferenz in verschiedener Hinsicht
befugt. Zum einen kann sie gemäß Art. IV Abs. 1 letzter Satz WTO-Ü „in
allen unter eines der multilateralen Handelsübereinkommen fallenden Angelegenheiten auf Antrag eines Mitglieds in Übereinstimmung mit den besonderen Erfordernissen für die Beschlussfassung in diesem Übereinkommen
und dem einschlägigen multilateralen Handelsübereinkommen“ Beschlüsse
fassen. Art. III Abs. 2 WTO-Ü sieht vor, dass die Organisation als Forum für
Verhandlungen zwischen den Mitgliedern sowohl über die gegenwärtig in
den Anlagen zum WTO-Übereinkommen geregelten Handelsbeziehungen
wie auch über „weitere“ multilaterale Handelsbeziehungen dient. Explizit
wird damit auf Verhandlungsgegenstände verwiesen, die über die in den Anlagen zum WTO-Übereinkommen enthaltenen Bereiche hinausgehen. Im
Hinblick darauf heißt es in Art. III Abs. 2 S. 2 WTO-Ü: „Die WTO kann
auch als Forum für weitere Verhandlungen zwischen ihren Mitgliedern über
deren multilaterale Handelsbeziehungen sowie als Rahmen für die Durchführung der Ergebnisse solcher Verhandlungen dienen, wie dies von der Ministerkonferenz beschlossen wird.“197 Sowohl aus der amtlichen englischen
als auch aus der deutschen Fassung geht nicht klar hervor, ob auch die „weiteren“ Verhandlungen einen Beschluss der Ministerkonferenz erfordern. Aus
einem von der Ministerkonferenz in Genf unter Bezugnahme auf Art. III
Abs. 2 WTO-Ü gefassten Beschluss, in dem es unter anderem um neue Verhandlungsgegenstände ging,198 lässt sich jedoch schließen, dass auch weitere
196 Charnovitz, The legal status of the Doha Declarations, in: JIEL 2002, S. 208.
197 “The WTO may also provide a forum for further negotiations among its Members
concerning their multilateral trade relations, and a framework for the implementation
of the results of such negotiations, as may be decided by the Ministerial Conference.”
198 “… we decide that a process will be established under the direction of the General
Council to ensure full and faithful implementation of existing agreements, and to
prepare for the Third Session of the Ministerial Conference. This process shall enable
the General Council to submit recommendations regarding the WTO’s work programme, including further liberalization sufficiently broad-based to respond to the
range of interests and concerns of all Members, within the WTO framework, that will
enable us to take decisions at the Third Session of the Ministerial Conference. This
process shall enable the General Council to submit recommendations regarding the
69
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO
Verhandlungen einen Beschluss der Minister voraussetzen. Wie die Beschlüsse von der Ministerkonferenz und dem Allgemeinen Rat zu fassen
sind, ist in Art. IX Abs. 1 WTO-Ü niedergelegt.
Sowohl in Singapur 1997 als auch in Genf 1998 haben die Minister Deklarationen durch Beschluss als Ergebnisse angenommen. Dies bedeutet nicht,
dass es sich bei jeder Deklaration um einen Beschluss handeln muss. Die
Tatsache, dass in Doha unumstritten auch Beschlüsse gefasst wurden und
diese auch explizit als solche bezeichnet wurden, lassen Zweifel an der Beschlussqualität der Doha-Deklaration aufkommen. So lautet beispielsweise
der erste Satz eines Beschlusses zu Fragen der Durchführung: „Die Ministerkonferenz, im Hinblick auf Art. IV Abs. 1, IV Abs. 5 und IX der Vereinbarung von Marrakesch beschließt …“.199 An einer solchen oder ähnlichen
Bezugnahme fehlt es in der Doha-Deklaration. Teilweise wird daraus geschlossen, dass die Erklärungen von Doha keine Akte der Ministerkonferenz
seien und daher nicht im Sinne der speziellen Vorschriften des WTOÜbereinkommens angenommen wurden.200 Gegenteiliger Ansicht scheint
der Vorsitzende der Konferenz, Youssef Hussain Kamal, Minister für Finanzen, Wirtschaft und Handel von Katar zu sein, der, so geht es aus einer Abschrift der Abschlusssitzung hervor, verkündete „Zuallererst schlage ich vor,
dass die Ministerkonferenz den Entwurf der Ministererklärung, Doc.
WT/MIN(01)DEC/W/1, annimmt. Kann ich davon ausgehen, das dieser einigungsfähig ist? Es wurde sich somit darauf geeinigt.“201
6.3.
Rein politische oder rechtlich verbindliche Beschlüsse?
Geht man mit der wohl herrschenden Meinung davon aus, dass die DohaDeklaration als Beschluss der Ministerkonferenz einzustufen ist, so kommen, da es sich offensichtlich nicht um Auslegungen nach Art. IX Abs. 2
WTO-Ü handelt, Art. III Abs. 2 WTO-Ü oder Art. IV Abs. 1 WTO-Ü als
Rechtsgrundlage in Betracht. Diese erscheinen auch ausreichend, einen Beschluss der Ministerkonferenz zu legitimieren, der Trade FacilitationVerhandlungen vorsieht, Zeitpläne aufstellt und die Doha Development Agenda billigt. Da sich die Minister in Doha weder auf die Befugnisse zur
Änderung der multilateralen Übereinkommen, Art. X WTO-Ü, noch auf jene
WTO’s work programme, including further liberalization sufficiently broad-based to
respond to the range of interests and concerns of all Members, within the WTO
framework, that will enable us to take decisions at the Third Session of the Ministerial Conference.”
199 WT/MIN(01)/DEC/17.
200 Charnovitz, The legal status of the Doha Declarations, in: JIEL 2002, S. 208.
201 ebenda.
70
6. Die Rechtliche Einordnung des Doha-Mandats
zur verbindlichen Auslegung der Übereinkommen, Art. IX Abs. 2 WTO-Ü,
bezogen haben, ist davon auszugehen, dass sie die Rechte und Pflichten der
Mitgliederregierungen nicht zu ändern beabsichtigten. Sieht man die DohaDeklaration, zumal per Konsens verabschiedet, als rechtlich verbindlich an,
so bleibt zu klären, ob in der WTO-Rechtsordnung Raum für rechtlich verbindliche Beschlüsse bleibt, die jedoch Rechte und Pflichten der Mitglieder
weder einschränken noch ergänzen.202 Art. 3 Abs. 2 DSU, der sich allein auf
die Entscheidungen des Streitbeilegungsgremiums bezieht, hilft da nicht
weiter. Nimmt man die Existenz derartiger Beschlüsse an, so wäre es der
Ministerkonferenz möglich, Regelungslücken im WTO-Recht zu schließen,
solange sich dies nicht auf die Rechte und Pflichten der Mitglieder auswirkt.
Eine Klage im Streitbeilegungsverfahren, die sich allein auf einen Verstoß
gegen einen solchen Beschluss stützt, hätte folglich keine Aussicht auf Erfolg. Andererseits dürfte der Beschluss bei der Auslegung der im Vertragstext niedergelegten Rechte und Pflichten zu berücksichtigen sein. Raum für
einen solchen indirekten Einfluss dürfte jedoch nur in Ausnahmefällen bestehen.
6.4.
Interpretationen des Trade Facilitation Mandats von Doha
Im Hinblick auf Trade Facilitation war und ist umstritten, inwieweit die Doha-Deklaration verbindliche Vorgaben für die Arbeit in der WTO macht. Da
die Verhandlungen in Cancún im September 2003 ohne Ergebnisse zu Ende
gegangen sind und das Juli-Paket weder direkt noch indirekt rechtliche
Auswirkungen auf die Streitbeilegung hat, ist das Mandat von Doha und
dessen rechtliche Bedeutung weiterhin von Relevanz. Im Vorfeld der 5. Ministerkonferenz hatte sich ein Streit über die Zukunft von Trade Facilitation
in der WTO entfacht.203 Der umstrittene Absatz der Deklaration, in dem es
heißt:
„Members agree that negotiations will take place after the Fifth Session of
the Ministerial Conference on the basis of a decision to be taken, by explicit
consensus, at that Session on modalities of negotiations“,
202 Charnovitz, The legal status of the Doha Declarations, in: JIEL 2002, S. 210.
203 Siehe dazu: Cancùn WTO Ministerial 2003: Briefing notes zu TF, letzter Abschnitt,
TF seit Doha, WTO Website: http://www.wto.org/english/thewto_e/minist_e/
min03_e/brief10_e.htm und International Centre for Trade and Sustainable Development 2001 (ICTSD), The Doha Declaration’s meaning depends on the reader, in:
Bridges Between Trade and Sustainable Development 5, No.9 (November/December), S. 6.
71
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO
lässt sich vielfältig deuten.204 Zum einen lässt er sich dahingehend interpretieren, dass in Cancún noch darüber zu entscheiden war, ob überhaupt in
Trade Facilitation-Verhandlungen eingetreten werden sollte. Erst wenn sich
die Mitglieder einstimmig über die Verhandlungsmodalitäten geeinigt haben, stehe fest, dass die Thematik Verhandlungsgegenstand ist. Dieses Verständnis wurde vornehmlich von Repräsentanten der Entwicklungsland- und
LDC-Mitglieder angeführt.205 Ihrer Ansicht nach sind künftige Verhandlungen mit dem Ziel, Regelungen auf diesem Gebiet zu schaffen, noch nicht
beschlossene Sache. Vielmehr stehe jedem Mitglied ein Vetorecht zu. Mit
dieser Ansicht rechtfertigen sie die Ablehnung von Verhandlungen über neue
Trade Facilitation-Regelungen auf WTO-Ebene. Vor allem ihre begrenzten
finanziellen Ressourcen erlaubten es nicht, neue, verbindliche Regeln anzunehmen. Es sollte sich ihrer Meinung nach auf die Implementierung der
noch nicht umgesetzten Übereinkommen konzentriert werden.206
Dem steht die Ansicht der großen Mehrheit der Mitglieder – darunter auch
die EG – entgegen, dass bereits ein Verhandlungsmandat existiert. Das „Ob“
zukünftiger Verhandlungen und damit materieller Regelungen auf diesem
Gebiet sei bereits in Doha positiv entschieden worden.207 Wie konkret diese
zukünftigen Regelungen aussehen sollen, sei in den Verhandlungen zu klären.208
204 Siehe dazu: Schott, Comment on the Doha Ministerial, in: JIEL 2002, S. 191; Wolff,
What did Doha do?, in: JIEL 2002, S. 202 ff.
205 Postmortem der Ministerkonferenz in Doha, in ICSD Bericht (2001) heißt es: „Many
developed Members consider this as a mandate to launch negotiations at the 5th Ministerial or shortly thereafter, whereas most developing countries maintain that the negotiations may be years off, as a decision to launch them must be taken by explicit
consensus.“ Dazu auch: Schott, Comment on the Doha Ministerial, in: JIEL 2002, S.
191 f.; vertreten wird zudem, das Doha Mandat schließe die ‚Singapore Issues‘ sogar
von den Verhandlungen aus (A.Panagariya, Developing Countries at Doha: A Political Economy Analysis, in: World Economy 2002, S. 1226).
206 In diesem Sinne: Puri, Repräsentant von Indien, auf dem 2. UN/ECE Internationalen
Trade Facilitation Forum, 13 u. 14. Mai 2003, Genf; ebenso Panagariya, s.o., S.
1213.
207 Postmortem der Ministerkonferenz in Doha, ICSD Bericht (2001), s.o.
208 Einig ist man sich darüber, dass technische Hilfe und der Aufbau von Kapazitäten,
zwei in der WTO weit verbreitete Entwicklungsinstrumente, integrale, unabdingbare
Bestandteile zukünftiger Regelungen sein müssen. Die weitere Ausgestaltung ist jedoch höchst streitig. Differenzen bestehen vor allem hinsichtlich der Rechtsnatur zukünftiger Regelungen: verbindliche, sanktionsgebundene Verpflichtungen oder freiwillige Regeln wie etwa „best practices“ und „best endeavours“? Rechtsdurchsetzung
nach dem DSU oder einem anderen alternativen Verfahren?
72
7. Konsequenzen für ein Trade Facilitation Agreement
In Doha hat unter anderem Indien die Ansicht vertreten, dass Verhandlungen
über sämtliche „Singapore Issues“, also Wettbewerbspolitik, Investment,
Transparenz im öffentlichen Beschaffungswesen und Trade Facilitation,
nach der Ministererklärung von Singapur nicht ohne ausdrücklichen Konsens begonnen werden können. Aus diesem Grund hat Indien in Doha auf
eine Klarstellung der Begrifflichkeiten in der Doha Deklaration durch den
Vorsitzenden der Konferenz, Yussef Hussain Kamal, bestanden. Dieser äußerte sich dazu wie folgt:
“Let me say that with respect to the reference to an ‘explicit consensus’ being needed … for a decision to be taken at the Fifth Session of the Ministerial Conference, my understanding is that, at that Session, a decision would
indeed need to be taken, by explicit consensus, before negotiations on Trade
and Investment and Trade and Competition Policy, Transparency in Government Procurement, and Trade Facilitation could proceed. In my view,
this would give each Member the right to take a position on modalities that
would prevent negotiations from proceeding after the Fifth Session of the
Ministerial Conference until that Member is prepared to join in an explicit
consensus.”
Trotz dieser recht deutlichen Aussage, die die Ansicht von Indien und die
der Anhänger erstgenannter Ansicht stützt, legt diese Klarstellung den bestehenden Streit nicht. Da die zusammenfassenden Anmerkungen des Vorsitzenden am Ende der Konferenz Teil des offiziellen Konferenzablaufs
sind, haben sie keinerlei rechtliche Bedeutung.209 Darüber scheint sich auch
der Vorsitzende bewusst zu sein, was anhand der Formulierung „… my understanding is that …“ deutlich wird. Hätten derartige persönlichen Einschätzungen, die während des Tagesordnungspunkts „abschließende Bemerkungen“ von dem Vorsitzenden gemacht werden, rechtliche Auswirkungen,
so würde dies die Autorität der Mitglieder, der ‚Herren der Verträge‘, untergraben.
7. Konsequenzen für ein Trade Facilitation Agreement
Die Reichweite zukünftiger Regelungen auf dem Gebiet von Trade Facilitation ist theoretisch unbegrenzt. Als möglicher Regelungsinhalt künftiger
Vereinbarungen kommt bspw. die Harmonisierung von Datenerfordernissen
209 Das wird auch von Panagariya, s.o., erkannt. Siehe dazu auch International Centre for
Trade and Sustainable Development 2001 (ICTSD), The Doha Declaration’s meaning
depends on the reader, in: Bridges Between Trade and Sustainable Development 5,
No. 9 (November/December), S. 6.
73
Kapitel C: Der institutionelle Rahmen – Die WTO
für administrative Zwecke bei Import- und Exportvorgängen in Betracht.
Mit Blick auf einen möglichen Beitrag zur Vereinfachung lässt das Mandat
auch Raum für eine Revision anderer Aspekte des Zolls (z.B. Zolltarif, Tarifschemen und deren Verwaltung, Herkunftslandbestimmungen und deren
Voraussetzungen). Die existierenden Deklarationen sind weit gefasst und
haben, selbst wenn sie als rechtlich verbindlich eingestuft werden, keinen
Einfluss auf die bestehenden Rechte und Pflichten der Mitglieder. Allenfalls
können die enthaltenen Bestimmungen bei der Auslegung von Rechten und
Pflichten hinzugezogen werden. Ob dies möglich ist, muss jedoch im Einzelfall geklärt werden. Das Juli-Paket hingegen darf ausdrücklich seines
Wortlauts nicht zur Auslegung der Rechte und Pflichten hinzugezogen werden. Die Vorschläge im Hinblick auf zukünftiges Trade Facilitation-Recht
reichen von Übereinkommen über die Anwendung der betroffenen GATT
Artikel (Art. V, VIII, X GATT) über ein separates Zusatzabkommen bis hin
zur Änderung des Wortlauts des GATT 1994. Andere Entwürfe kombinieren
diese Methoden. Die EG beispielsweise befürwortet ein separates, umfassendes Übereinkommen, welches die Inhalte des Übereinkommens über
technische Handelshemmnisse (TBT) auf sämtliche relevanten staatlichen
Verfahren ausweitet.210
Unabhängig von der konkreten Umsetzung ist ein Konsens praktisch zwingend. Neue Trade-Facilitation-Regelungen machen nur Sinn, wenn sie die
bestehenden Rechte und Pflichten der Mitglieder modifizieren. Rechtlich ist
daher in jedem Fall eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Neue Rechte und
Pflichten würden jedoch nur für die zustimmenden Mitglieder resultieren. In
Anbetracht der Bedeutung des Konsenses in der WTO, die Ziele der Trade
Facilitation-Politik und der Bedeutung eines solchen Abkommens für den
internationalen Handel, steht, anders als in der Theorie nach Art. X WTO-Ü,
das Erfordernis, einen Konsens zu erzielen, in der Praxis außer Frage.
210 Das TBT sei auf dem Gebiet der technischen Handelshemmnisse eine pragmatische
Lösung, die eine Balance zwischen allgemeinen und konkreten Verpflichtungen, verbunden mit grundlegenden GATT Prinzipien, verkörpere. Es räume den Mitgliedern
das Recht auf verschiedene Maßnahmen zur Erreichung legitimer Ziele ein, stelle
dabei aber sicher, dass sich die Maßnahmen so wenig handelsbeschränkend wie möglich auswirken und inkorporiere Errungenschaften anderer internationaler Organisationen, ohne diese unnötig zu wiederholen. Darüber hinaus beziehe es grundlegende
WTO-Instrumente, wie die besondere und differenzierte Behandlung von Entwicklungsländern und technische Hilfe, ein. Diese Elemente seien auch in umfassenden
WTO-Regelungen zu Trade Facilitation unverzichtbar. Siehe: Draft Submission from
the European Communities on “WTO Trade Facilitation – Improvements to GATT
Art. VIII on Fees and Formalities Connected with Importation and Exportation”, S.
2, July 11th 2002.
74
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu
Trade Facilitation
Das 1997 in Singapur beschlossene Mandat gibt den Mitgliedstaaten zur
Vorbereitung der Verhandlungen auf, sich über die Reichweite von WTORegeln auf dem Gebiet der Trade Facilitation zu verständigen. In Ausführung dessen ist, wie in Doha beschlossen, die Effektivität bestehender Trade
Facilitation-Regelungen, gemäß Mandat Art. V, VIII und X GATT 1994, zu
überprüfen und deren Revisionspotential herauszuarbeiten. Im Zuge dieser
Abhandlung werden über die im Mandat erwähnten drei Artikel hinaus die
WTO-Regelungen untersucht, die in den Verhandlungen in Betracht gezogen werden müssen. Dazu gehören neben relevanten multilateralen Zusatzabkommen auch die der WTO-Rechtsordnung zugrundeliegenden allgemeinen Rechtsgrundsätze. Nur ein solches Vorgehen stellt sicher, dass sich zukünftige Regelungen in die bestehende Welthandelsordnung einfügen. Neben deren Regelungsumfang und Bedeutung für die Erleichterung des internationalen Warenhandels spielt die Interpretation durch die Panel und den
Appellate Body eine wesentliche Rolle. Es gilt zu klären, inwieweit das derzeitige Recht bereits effektiv zu Vereinfachung und Beschleunigung des
Handels beiträgt und wie den bestehenden Problemen in der Praxis möglichst effektiv begegnet werden kann.
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
Die für Trade Facilitation maßgeblichen Regelungen zum Warenhandel
nehmen den umfangreichsten Teil der WTO-Rechtsordnung ein. Im Mittelpunkt steht das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen von 1994 (GATT
1994211), welches von verschiedenen multilateralen Zusatzübereinkommen
ergänzt wird.
Das GATT 1994212 umfasst den ursprünglichen Text des GATT 1947, verschiedene ergänzende Rechtsinstrumente, die im Rahmen des alten GATT
1947 ergangen sind, weitere sechs Vereinbarungen zur Auslegung und Konkretisierung einzelner GATT-Artikel und das Marrakesch-Protokoll zum
GATT 1994. In dem einführenden Text zum GATT 1994 wird klargestellt,
dass sich aufgrund der erfolgten institutionellen Verankerung des Welthandelsrechts einige begriffliche Bestimmungen im Text des GATT 1947 geän-
211 General Agreement on Tariffs in Trade.
212 General Agreement on Tariffs in Trade.
75
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
dert haben. Der sich daraus ergebenden, notwendigen Konsolidierung des
Textes ist die WTO noch nicht nachgekommen. Die „Vertragspartei“ unter
dem GATT 1947 wird mit Errichtung der WTO zum „Mitglied“, die „wenig
entwickelte“ und „entwickelte Vertragspartei“ wird zum „EntwicklungslandMitglied“ bzw. zum „Industrieland-Mitglied“, und der Begriff „Exekutivsekretär“ bezeichnet nun den Posten des Generalsekretärs der WTO.213
Da die meisten Regelungen des GATT 1947 nur übergangsweise bis zur
Gründung der ITO gelten sollten, muss bei der Interpretation der relevanten
Artikel auch der Entwurf der Havanna-Charta berücksichtigt werden. Zudem lassen die Verhandlungen in Vorarbeit und während der Havanna Konferenz Schlüsse auf die heutige Fassung der Artikel zu. Dabei ist jedoch zu
beachten, dass gemäß Art. 32 WÜV vorbereitende Arbeiten und die Umstände des Vertragsschlusses bei der Auslegung nur ergänzend hinzugezogen
werden dürfen.214 Zudem muss berücksichtigt werden, dass der Entwurf der
Havanna-Charta im Jahre 1948 überprüft und teilweise modifiziert wurde.
Die Tatsache, dass eine baldige Ablösung und damit eine automatische Änderung des GATT 1947 durch die wesentlich umfassendere Charta vorgesehen war, hat außerdem dazu geführt, dass verschiedene Mitglieder ihre diesbezüglichen Änderungsvorschläge zurückzogen.215 Folglich sind die travaux
préparatoires zur Gründung der ITO nur begrenzt relevant.
1.1.
Artikel V GATT
1.1.1. Regelungsgehalt
Relevanz im Zusammenhang mit Trade Facilitation besitzt zunächst Art. V
GATT, welcher den Mitgliedern Vorgaben im Hinblick auf die Regulierung
ihres Durchfuhrverkehrs macht. Grundgedanke ist die Gewährung des
Rechts auf Durchfuhrfreiheit. Die Mitglieder verpflichten sich dazu, den
Transport von Waren eines anderen Mitglieds durch ihr jeweiliges Territorium in ein Drittland nicht durch unnötige Verzögerungen und Beschränkungen oder durch ungerechtfertigte Belastungen zu erschweren. Darüber hin-
213 Siehe Allg. Zoll- und Handelsabkommen 1994 vom 15. April 1994.
214 Diese können herangezogen werden, „… um die sich unter Anwendung des Art. 31
WÜV ergebenden Bedeutungen zu bestätigen oder die Bedeutung zu bestimmen,
wenn die Auslegung nach Art. 31 WÜV (a) die Bedeutung mehrdeutig oder dunkel
lässt oder (b) zu einem offensichtlich sinnwidrigen oder unvernünftigen Ergebnis
führt.“
215 Siehe dazu: Analytical Index, Guide to GATT Law and Practice, Introduction; Article
of GATT 1994 – Scope and Application, Note by the Secretariat, TN/TF/W/2, S. 3.
76
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
aus wird der Grundsatz der Meistbegünstigung (MFN216) auf dem Gebiet
der Durchfuhr festgeschrieben. Danach müssen die in der Durchfuhr befindlichen Güter aller Mitglieder gleich behandelt werden.
a)
Anwendungsbereich
Art. V Abs. 1 GATT definiert Waren, einschließlich Gepäck, Wasserfahrzeuge und andere Beförderungsmittel als auf der Durchfuhr durch das Gebiet eines Mitglieds befindlich, „wenn die Durchfuhr durch dieses Gebiet –
mit oder ohne Umladung, Einlagerung, Umpackung oder Änderung der Beförderungsart – nur einen Teil des Gesamtbeförderungswegs ist, dessen Anfang und Ende außerhalb der Grenzen des Mitglieds liegen, durch dessen
Gebiet die Durchfuhr stattfindet.“217 Die Frage, ob die Durchfuhrfreiheit
auch für Waren unter Zollverschluss gilt, die in ein anderes Land verbracht
werden, deren endgültiges Bestimmungsland aber nicht feststeht, wurde in
Vorbereitung des GATT 1947 in der zuständigen Arbeitsgruppe zwar diskutiert, mangels Einigung jedoch nicht weiter verfolgt. Überein kam man darüber, dass Waren als „auf der Durchfuhr“ einzustufen sind, wenn diese zwischen zwei Orten innerhalb des selben Landes transportiert werden, dabei
jedoch das Staatsgebiet eines anderen Mitglieds durchqueren.218
Nur Waren (einschl. Gepäck), Wasserfahrzeuge und andere Beförderungsmittel sind erfasst. Der Vorschlag, auch den Personentransit einzubeziehen,
wurde vom Ausschuss mit der Begründung abgelehnt, dass dies den Regelungsbereich der Charta übersteige und Fragen des Einwanderungsrecht in
anderen internationalen Gremien zu regeln seien.219 Auch Fahrzeuge und
mobile Maschinen, soweit sie nur zu Zwecken des Transports montiert oder
demontiert werden, fallen unter Absatz 1.220 Ausdrücklich niedergelegt wurde dies in einer Anmerkung zu Art. 33 der Havanna-Charta, der Art. V
GATT entspricht. Grund dafür, dass diese Vereinbarung bei der Revision des
216 Most Favourite Nation.
217 Die Frage, ob auch Warensendungen „in bond“, ohne Zieldestination erfasst seien,
wurde mangels Einigung innerhalb der zuständigen Arbeitsgruppe nicht weiter verfolgt. Siehe: Article V of the GATT 1994, Scope and Application – Note by the Secretariat, G/C/W/408 S. 5 mwNw.: UN Doc. E/PC/T/A/SR.20 S. 3; UN Doc.
E/PC/T/109.
218 Havanna Reports, UN Doc. ICITO/1/8, S. 71, para. 10.
219 EPCT/C.II/54/Rev.1, S. 8.
220 “The assembly of vehicles and mobile machinery arriving in a knocked-down condition or the disassembly (or disassembly and subsequent reassembly) of bulky articles
shall not be held to render the passage of such goods outside the scope of “traffic in
transit”, provided that any such operation is undertaken solely for convenience of
transport.” Havanna Reports, UN Doc. ICITO/1/8, S. 71, para. 9.
77
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
GATT 1948 nicht ausdrücklich in den Wortlaut des Art. V GATT aufgenommen wurde, war lediglich die Überzeugung der Vertragsparteien, dass
dies mit Blick auf die Anmerkung nicht notwendig sei. Die Vertragsparteien,
die alle die Schlussakte der Havanna-Konferenz unterzeichnet hätten, könnten die Vorschriften nicht anders interpretieren, als in der Anmerkung niedergelegt.221
b)
Durchfuhrfreiheit
Die Durchfuhrfreiheit ist in Art. V Abs. 2 niedergelegt. Die Mitglieder haben
eine freie Benutzung der „für den internationalen Durchfuhrverkehr am besten geeigneten Verkehrswege“ zu gewährleisten. Demzufolge bezieht sich
die Pflicht zur Gewährung einer freien Durchfuhr nicht auf alle Verkehrswege. Zudem dürfen die Mitglieder keine Unterschiede mit Blick auf die Flagge der Wasserfahrzeuge, den Ursprungs-, Herkunfts-, Eingangs-, Austrittsoder Bestimmungsort oder Umstände, die das Eigentum an den Waren, Wasserfahrzeugen oder anderen Beförderungsmittel betreffen, machen. Von einer Regelung, die spezielle Abkommen zwischen benachbarten Staaten erlaubt, wurde abgesehen, da solche
„selbstverständlich zulässig seien, solange sie nicht die Interessen der anderen Mitglieder durch Verletzung des Meistbegünstigungsprinzips der Charta
beeinträchtigen und solange sie nicht das Recht anderer Mitglieder auf
Durchfuhrfreiheit beschränken.“222
Von einer Regelung, die es den Mitgliedern erlaubt, den Verkehr auf weniger günstige Strecken zu verweisen, wenn die Strasse bspw. im Falle einer
Hungersnot für andere Zwecke benötigt werde, wurde im Hinblick auf Art.
32 (b) und (e) der Charta abgesehen. Diese – identisch mit Art. XX (b) und
XXI (b)(iii) GATT – böten in Fällen, in denen eine Sperrung oder eine Umleitung des Verkehrs aus humanitären oder sicherheitstechnischen Gründen
notwendig werde, ausreichend Schutz.223
c)
Förmlichkeiten und Belastungen im Zusammenhang mit der
Durchfuhr
Der dritte Absatz des Artikels erlaubt den Mitgliedern die Anmeldung des
Durchfuhrverkehrs beim zuständigen Zollamt vorzuschreiben. Sie dürfen
den Durchfuhrverkehr umfassend regeln, soweit dieser, außer im Falle der
Verletzung von Zollvorschriften, nicht unnötig verzögert oder beschränkt
221 GATT/CP.2/22/Rev.1, angenommen im September 1948, II/39, S. 44, para. 26.
222 Havanna Reports, UN Doc. ICTIO/1/8, S. 72, para. 12.
223 UN Doc. E/PC/T/C.II/W.11 S. 1.
78
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
wird. Er ist von Zöllen, anderen Durchfuhrabgaben und -belastungen zu befreien. Dies gilt nicht für solche Beförderungskosten oder sonstige Belastungen, die „dem mit der Durchfuhr einhergehenden Verwaltungsaufwand
(a) oder den Kosten der erbrachten Dienstleistungen (b) entsprechen.“ Absatz 4 sieht vor, dass alle Belastungen und Vorschriften denen der Durchfuhrverkehr unterworfen wird unter Berücksichtigung der Verkehrsbedingungen angemessen sein müssen.
Fraglich ist, ob der Begriff der Durchfuhrbelastung nur Belastungen monetärer Art erfasst, oder ob dieser darüber hinaus geht. Ein Bericht des technischen Unterausschusses gibt lediglich Aufschluss darüber, dass „… der Begriff „Belastungen“ auch Kosten erfasst, die beim Transport durch die staatseigene Eisenbahn oder staatseigene Verkehrsmittel entstehen.“224 Unklar ist
aber weiter, ob z. B. komplexe Erfordernisse oder Verfahren, die vielfach
Belastungen des Durchfuhrverkehrs darstellen, auch dem grundsätzlichen
Befreiungsgebot des Absatz 3 unterliegen. Unzweifelhaft handelt es sich
dabei um Vorschriften i. S. d. Absatz 4, welche angemessen sein müssen.
Absatz 3 impliziert, dass der Transitverkehr prinzipiell nicht als Quelle von
Staateseinnahmen fungieren soll. Auch der Kontext lässt darauf schließen,
dass nur solche Belastungen erfasst sind, die eine gewisse Ähnlichkeit zu
Zöllen und Abgaben aufweisen, also monetärer Art sind. Dafür spricht –
unter der Prämisse eines einheitlichen verwandten Belastungsbegriffs – vor
allem der letzte Halbsatz des Absatzes 3, der Transportkosten sowie solche
Belastungen ausnimmt, die dem Verwaltungsaufwand und den Kosten der
erbrachten Dienstleistungen entsprechen. Dennoch lässt sich der Begriff der
Belastungen auch so interpretieren, dass Förmlichkeiten und Verfahren darunter fallen. Nicht weiter konkretisiert ist zudem die Angemessenheit im
Rahmen des Absatz 4, wodurch den Mitgliedern weite Regelungsspielräume
verbleiben. Schon die Beseitigung derartiger Unklarheiten macht eine Überarbeitung des Artikels sinnvoll.
d)
Meistbegünstigung
Absatz 5 des Artikel V GATT schreibt das Prinzip der Meistbegünstigung
hinsichtlich aller im Zusammenhang mit der Durchfuhr bestehenden Belastungen, Vorschriften und Förmlichkeiten vor. Für die Beförderungskosten
gilt dieser Grundsatz ausweislich der Anmerkung zu Art. V Abs. 5 GATT
dann, wenn es sich um gleichartige Waren handelt, die unter gleichartigen
Bedingungen auf derselben Strecke befördert werden.225 Das Niveau der
224 UN Doc. E/PC/T/C.II/54/Rev.1, S. 10.
225 Anmerkungen und ergänzende Bestimmungen zu Art. V GATT, Anlage I zum GATT
1947.
79
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
Behandlung bleibt jedoch offen. Während hieraus deutlich die Einbeziehung
von Transportkosten folgt, besagt eine Anmerkung zu dem entsprechenden
Artikel der Havanna-Charta, dass der Begriff „Belastungen“, wie in der englischen Fassung der Absätze 3, 4 und 5 gebraucht, Transportkosten nicht
erfasst. Dies wiederum würde bedeuten, dass Transportkosten nicht angemessen sein müssten.226 Weitere Fragen stellen sich im Hinblick auf die Vereinbarung der damaligen Vertragsparteien, „dass sich Art. 32 (Art. V GATT)
nicht auf Transportkosten im Verkehr und Transit bezieht, derartige Kosten
aber Art. 18 Abs. 2 (Art. III GATT, also dem Meistbegünstigungsprinzip im
Hinblick auf innere Abgaben und Rechtsvorschriften) unterfallen.“227 Dieser
nimmt auf eingeführte Waren Bezug, lässt aber die Frage nach Waren im
Transit offen.
e)
Gleichbehandlungsgebot
Nach Absatz 6 dürfen die Mitglieder Waren, die durch das Gebiet eines anderen Mitglieds transportiert worden sind, nicht weniger günstig behandeln
als wenn eine solche Durchfuhr nicht stattgefunden hätte. Dies lässt sich
dahingehend verstehen, dass ein Land D Waren, die aus einem Land A durch
sein Staatsgebiet in das Land C transportiert werden, nachdem sie bereits
durch Land B transportiert wurden, diese genauso zu behandeln hat, wie
Waren, die durch sein Staatsgebiet (D) direkt von A nach C transportiert
werden. Ob das Gleichbehandlungsgebot des Absatz 6 nur auf Waren Anwendung findet, die das Staatsgebiet durchqueren, nachdem sie bereits
durch ein Drittland transportiert wurden, ist fraglich. Der Wortlaut lässt zudem offen, ob der Absatz nur auf Warenbewegungen von A durch B und D
nach C Anwendung findet, oder dieser auch Transporte von A durch B nach
D erfasst (ohne weitere Beförderung nach C). Der Bericht des Technischen
Unterausschusses belegt, dass
„während sich die Absätze 2–5 des Artikels auf die Behandlung von Gütern
die durch sein Territorium zwischen jedem anderen Mitglied und einem
Drittland transportiert werden, beziehen (…), normiert Absatz 6 die Behandlung von Waren die innerhalb des Staatsgebiets freigegeben wurden,
nachdem eine Durchfuhr durch ein anderes Mitglied stattgefunden hat.“228
226 Article of GATT 1994 – Scope and Application, Note by the Secretariat, TN/TF/W/2,
S. 6.
227 Havanna Reports, UN Doc. ICITO/1/8, S. 72.
228 UN Doc. E/PC/T/C.II/54 Rev.1, S. 11.
80
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
Eine Ausnahme dazu ist in Satz 2 niedergelegt, welcher den Mitgliedern
erlaubt, die am Tag des Übereinkommens229 geltendenden Vorschriften über
die unmittelbare Beförderung für alle Waren beizubehalten, bei denen die
unmittelbare Beförderung eine Voraussetzung für die Einfuhr zu Präferenzzöllen ist, oder die mit dem jeweils vorgeschriebenen Verfahren für die
Zollwertermittlung zusammenhängt. Diese Bestimmung war notwendig, da
die Gewährung von bestimmten Präferenzen in vielen Ländern einen direkten Transport aus dem Ursprungsland in ihr Staatsgebiet erfordert.230 Gänzlich vom Anwendungsbereich des Artikels ausgeschlossen sind auf dem
Durchflug befindliche Flugzeuge.231 Dies gilt ausweislich Art. V Abs. 1
GATT hingegen nicht für die Durchfuhr von Gütern (einschl. Gepäck) auf
dem Luftweg.
1.1.2. Streitigkeiten mit Blick auf Art. V GATT
Artikel V GATT war niemals, weder unter dem GATT noch seit Gründung
der WTO, Gegenstand eines Panelberichts.232 Zwar wurde eine Verletzung
der Norm mehrfach gerügt, zur Verfassung eines Panelberichts kam es in
diesen Fällen jedoch nicht.
Erst im Jahre 1989/1990 kamen Fragen hinsichtlich der Interpretation der
Durchfuhrfreiheit in Art. V Abs. 2 GATT im Zusammenhang mit der Ankündigung eines Nachtfahrverbots für bestimmte Schwertransporter aller
Nationalitäten seitens Österreichs auf. Dieses hatte Deutschland dazu veranlasst, ein Nachtfahrverbot für bestimmte österreichische LKW zu verhängen.
Nach Ansicht Österreichs stand dies, da nur österreichische LKW betroffen
waren, im Widerspruch zu Art. V GATT. Nach Konsultationen gemäß Art.
XXII Abs. 1 GATT233 wurde der Streit einvernehmlich beigelegt.234
229 30.10.1947 (siehe Art. XXVI Abs.1GATT) für die Gründungsmitglieder und jeweils
das Datum des Beitrittsprotokolls (oder des der Erklärung über vorläufigen Beitritt)
für die später beigetretenen Parteien.
230 Article of GATT 1994 – Scope and Application, Note by the Secretariat, TN/TF/W/2,
S. 7.
231 Grund ist die Zuständigkeit der Internationalen Organisation für die Zivile Luftfahrt
(ICAO) für den Flugverkehr, Bericht des Technischen Unterausschusses des Komitees zur Vorbereitung der Internationalen Konferenz zu Handel und Beschäftigung,
E/PC/T/C.II/54/Rev.1, S. 7.
232 WTO Analytical Index 2003, Art. V GATT 1994, S. 241.
233 „Jede Vertragspartei wird Vorstellungen einer anderen Vertragspartei, welche die
Anwendung dieses Abkommens betreffen, wohlwollend prüfen und ausreichende Gelegenheit zu Konsultationen geben.“
234 WT/DS14/1, C/M/241, S. 29.
81
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
1996 rügte die EG einen Verstoß der USA gegen Art. V GATT. Artikel 6005
(b) des US Cuban Democracy Acts versage Wasserfahrzeugen, die Waren
oder Personen von und nach Kuba transportierten oder Waren transportierten, die im Interesse Kubas oder eines kubanischen Staatsangehörigen liegen, die Durchfuhr durch US-Häfen.235 Zudem verbiete die Vorschrift Wasserfahrzeugen, die einen kubanischen Hafen zum Zwecke des Waren- oder
Dienstleistungshandels anlaufen, die Be- und Entladung von Fracht in den
US-Häfen innerhalb von 180 Tagen ab Abfahrt vom kubanischen Hafen. Ein
Panel wurde gebildet, welches seine Tätigkeit jedoch auf Antrag der EG einstellte.236
In zwei weiteren Verfahren, in denen es um Maßnahmen der Slowakischen
Republik in Bezug auf die Durchfuhr von Rindvieh237 ging und um Maßnahmen der USA, die kanadischen, mit Rind, Schwein und Getreide beladenen Lastkraftwagen die Einfuhr und den Transit versagten,238 kam es jeweils
nur zum Antrag auf Konsultationen.
Ein Entladeverbot für Schwertfisch (zu Zwecken der Lagerung als auch zum
Umschlag) in chilenischen Häfen sorgte für weiteren Konflikt. Dieses machte nach Ansicht der EG die Durchfuhr von Schwertfisch unmöglich und verstieße daher gegen Art. V Abs. 1–3 GATT.239 Durch das Ausweichen auf
andere Häfen und den damit verbundenen Verlust der Wettbewerbsfähigkeit
entstünde der Industrie der Gemeinschaft ein Schaden. Nach einer vorläufigen Übereinkunft haben sich die Parteien darauf geeinigt, den Panelbildungsprozess auszusetzen.240
235 United States – The Cuban Liberty and Democratic Solidarity Act – Request for the
Establishment of a Panel by the European Communities WT/DS38/2, 8.10.1996.
236 In der Folge erlosch dessen Zuständigkeit gemäß Art. 12 Abs. 12 DSU.
237 Slovak Republic – Measures concerning the Importation of Dairy Products and the
Transit of Cattle – Request for Consultations by Switzerland, WT/DS133/1,
18.5.1998 & Request to Join Consultations – Communication from the United States,
WT/DS133/2, 3.6.1998.
238 United States – Certain Measures Affecting the Import of Cattle, Swine and Grain
from Canada – Request for Consultations from Canada, WT/DS/144/1, 29.9.1998.
239 Chile – Measures Affecting the Transit and Importation of Swordfish – Request for
the Establishment of a Panel by the European Communities, WT/DS/193/2,
7.11.2000.
240 Dispute Settlement Body – Chile – Measures Affecting the Transit and Importation
of Swordfish – Arrangement between the European Communities and Chile – Communication by the European Communities WT/DS/193/3, 6.4.2001;
WT/DS/193/3Add.1, 9.4.2001 und WT/DS/1993/3Add.2, 17.11.2003.
82
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
Zuletzt hat Slowenien im Jahre 2002 den Rat für den Warenhandel auf ein
von Kroatien verhängtes Durchfuhrverbot für den Transport von Öl und Ölprodukten durch kroatisches Hoheitsgebiet aufmerksam gemacht. Dies stelle
einen Verstoß gegen Art. V Abs. 2, 4 und 6 GATT dar.241 Später wurde die
Rüge auf weitere, nachträglich von Kroatien eingeführte Maßnahmen im
Bezug auf den Straßentransit und den internationalen Straßentransport von
Öl und Ölprodukten, ausgeweitet.242 Kroatien hingegen berief sich auf die
zeitliche Begrenzung des Verbots. Es war der Ansicht, dass die später eingeführten Maßnahmen im Einklang mit Art. V GATT stünden.243 In bilateralen
Konsultationen konnte der Streit letztlich beigelegt werden.
1.1.3. Handelshemmnisse auf dem Gebiet der Durchfuhr
Die Durchfuhr war bereits mehrmals Thema der Diskussionen innerhalb der
WTO, aber auch in anderen internationalen Organisationen.244 Mehrfach hat
der Handel dort seine Forderungen nach transparenten Transitsystemen zum
Ausdruck gebracht. Diese müssten den Anforderungen entsprechen, die
Just-in-time-Geschäftspraktiken und zunehmend integrierte Versorgungsketten zwischen mehreren Staaten mit sich brächten. Wie auch im Falle anderer
Verfahren erschwerten unnötig komplexe Dokumente, hohe Gebühren und
die fehlende Möglichkeit, Daten elektronisch zu übermitteln, den internationalen Handel. Zudem bestünden für verschiedene Beförderungs- und Versandarten unterschiedliche Verfahrensvorschriften bei der Durchfuhr, obwohl eine differenzierte Behandlung der Natur der Sache nach nicht gerechtfertigt sei. Auch Transportunternehmen sehen sich diskriminierenden Behandlungen ausgesetzt. Beispielsweise würden Lizenzen und Zertifikate im
Hinblick auf das den Transit durchführende Fahrzeug von Grenzbehörden
abgelehnt, deren Fahrer zurückgewiesen oder verboten, die Durchfuhr von
nicht im Transitstaat ansässigen Unternehmen durchführen zu lassen. Großes Interesse an einer Erleichterung der Durchfuhr haben vor allem auch die
WTO-Mitglieder, die über keinen Zugang zum Meer verfügen, da ihr
Marktzugang vom Transit abhängt.
241 Council for Trade in Goods – Croatian Ban on Road Transit of Crude Oil and Oil
Products – Communication from the Republic of Slovenia, G/C/W/346, 5.2.2002.
242 Council for Trade in Goods – Croatian Ban on Road Transit of Crude Oil and Oil
Products – Communication from the Republic of Slovenia – Addendum, G/C/W/346/
Add.1, 1.3.2002.
243 Council for Trade in Goods – Road Transit of Hazardous Materials in Croatia –
Communication from the Republic of Croatia, G/C/W/360, 18.3.2002.
244 Unter anderem anlässlich des Trade Facilitation Symposium 1998, im Rat für den
Warenhandel und auf den Trade Facilitation Konferenzen der UN/ECE.
83
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
1.1.4. TF-Instrumente und deren Schwachstellen
Neben dem für Beförderungen auf EG-Ebene zwingend vorgeschriebenen
gemeinschaftlichen Versandverfahren bestehen auf internationaler Ebene
Übereinkommen zur Vereinfachung der Beförderung von Waren durch mehrere Staaten.245 Das bedeutendste Verfahren dieser Art ist die Warenbeförderung mit dem Carnet-TIR.246 Dieses einheitliche Zolldokument fasst die
Ein- und Ausfuhrbelege für die während des Versands berührten Staaten in
erforderlicher Zahl zusammen. Weiterhin werden die Zollverschlüsse und
gegebenenfalls andere Nämlichkeitsmittel gegenseitig anerkannt. Einheitlich
ist überdies auch die zu leistende Sicherheit, nämlich eine Bürgschaft durch
die zuständige Stelle des Abgangsstaates.
Trotz der Bestrebungen hin zu EDV-gestützten Abwicklungssystemen weist
das TIR-Verfahren jedoch einige Schwachstellen auf. Die Tatsache, dass
einer Vielzahl von Staaten der Beitritt zum TIR noch bevorsteht, ist ebenso
hinderlich wie dessen Beschränkung auf den Straßentransport. Dem multimodalen Transport wird nicht Rechnung getragen. Zudem existieren bspw.
keine Bestimmungen, die eine Akzeptanz von Garantien vorsehen, vorausgesetzt die Durchfuhr findet in ausreichend sicheren Gebieten statt. Unvollkommen sind auch die Regelungen der WCO auf dem Gebiet der Durchfuhr.
So merkt diese an, dass Art. V des GATT 1994 einen weiteren Anwendungsbereich hat als die durchfuhrspezifischen Instrumente der WCO,247 die
lediglich Fragen des Zolls anlässlich der Durchfuhr erfassen.248 Diese die
mit Art. V GATT im Einklang stehenden Instrumente gehen auf dem Gebiet
des Zolls jedoch weiter, indem sie zusätzliche Verfahren zur Erleichterung
der Durchfuhr von Waren und damit verbundene vereinfachte Dokumentationsanforderungen vorsehen.249 Die revidierte Kyoto-Konvention ermutigt
auch zur Annahme der Instrumente anderer internationaler Gremien, wie
beispielsweise des TIR der UN/ECE. Ihren Mitgliedern empfiehlt die WCO,
245 Der Begriff „internationales Versandrecht“ ist, obwohl allgemein üblich, nicht zutreffend, weil es sich grundsätzlich nicht um ein einziges Versandverfahren durch mehrere Länder handelt, sondern um eine Vereinfachung der Zollförmlichkeiten während
einer Folge selbständiger, nationaler oder zollgebietsgebundener Versandverfahren.
246 Transports Internationaux Routiers. Übereinkommen über den internationalen Warentransport mit Carnets-TIR vom 14. November 1975 (BGBl. 1979 II S. 446).
247 Der Spezielle Anhang E, Kapitel E1 der Revidierten Kyoto-Konvention; die IstanbulKonvention und die ATA-Konvention.
248 Trade Facilitation Issues in the Doha Ministerial Declaration, Review of the GATT
Articles, Art. V, Communication from the WCO, 8.10.2002, G/C/W/426.
249 ebenda, I iv).
84
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
die nationalen Durchfuhrverfahren nach diesen Instrumenten auszurichten.250
1.1.5. Ergebnis der Analyse des Art. V GATT
Festzuhalten ist, dass Art. V GATT den Anforderungen des modernen Handels nur wenig gerecht wird. Multilaterale Verpflichtungen der Mitglieder
bestehen vornehmlich in Form von Diskriminierungsverboten. Aber selbst
diese sind unzureichend. Einer Diskriminierung von verschiedenen Transportmittel, Transportunternehmen und von Sendungen wird keinerlei Einhalt
geboten. Obwohl Art. V GATT gleich mehrere Diskriminierungsverbote beinhaltet, bezieht sich jedoch keines auf eine Gleichbehandlung verschiedener Transportmittel oder Transportunternehmen.251 Eine Regelung, die eine
Ungleichbehandlung von Warensendungen verbietet, wenn kein sachlicher
Differenzierungsgrund besteht, existiert derzeit ebenfalls nicht. Nicht oder
nur unzureichend geregelt ist, auf welchem Niveau die Gleichbehandlung
des Durchfuhrverkehrs verschiedener Mitglieder stattzufinden hat, oder dass
dieses Gebot unabhängig davon ist, ob die Waren bereits durch das Staatsgebiet eines anderen Mitglieds durchgeführt wurden oder nicht. Auch die
Diskriminierung verschiedener Transportmittel wird nicht verhindert. Wenig
zufriedenstellend sind auch die Bestimmungen zur Höhe von Gebühren und
Belastungen sowie zur Komplexität und Anzahl von Förmlichkeiten und
Verfahren anlässlich der Durchfuhr von Waren. Konkrete Maßnahmen zur
Erleichterung der Durchfuhr, etwa durch die Vereinfachung von Förmlichkeiten, moderne Verfahren oder den Einsatz von EDV sind nicht vorgeschrieben, nicht einmal erwähnt. Offen bleiben Fragen im Zusammenhang
mit den Belastungen, die dem Durchfuhrverkehr auferlegt werden dürfen
und deren Angemessenheit. Auch insofern wäre eine Konkretisierung erforderlich. Derzeit dürfte es einem Mitglied leicht fallen, auch noch so komplizierte Verfahren oder Erfordernisse im Bereich der Durchfuhr als angemessen zu rechtfertigen. Regelungen zur Vereinfachung der Durchfuhrförmlichkeiten sind in Art. V GATT ebenso wenig zu finden. Da Art. VIII GATT explizit nur auf Gebühren und Förmlichkeiten im Zusammenhang mit der Einfuhr und Ausfuhr Anwendung findet, hilft auch diese Vorschrift im Hinblick
auf Durchfuhrbelastungen nicht weiter.
250 ebenda, I v).
251 Es darf kein Unterschied gemacht werden auf Grund der Flagge der Wasserfahrzeuge, des Ursprungs-, Herkunfts-, Eingangs-, Austritts- oder Bestimmungsortes oder
auf Grund von Umständen, die das Eigentum an den Waren, Wasserfahrzeugen oder
anderen Beförderungsmitteln betreffen.
85
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
1.2.
Art. VIII GATT
1.2.1. Regelungsgehalt
Das WTO-System basiert auf dem Grundsatz, dass die Regulierung der nationalen Märkte allein durch Zölle erfolgen soll, da nur diese transparent
sind und den tatsächlichen Liberalisierungsgrad des jeweiligen Mitglieds
erkennen lassen. Der Gefahr, dass Gebühren und Förmlichkeiten, die anlässlich der Einfuhr oder der Ausfuhr von Waren zu entrichten bzw. einzuhalten
sind, zu unsichtbaren Handelshemmnissen werden, wird mit Art. VIII GATT
begegnet. Nach dessen Absatz 1 (a) sind Gebühren und Belastungen jeglicher Art – ausgenommen Ein- und Ausfuhrzölle oder sonstige Abgaben i. S.
des Art. III GATT – dem Betrag nach ungefähr auf die Kosten der erbrachten Dienstleistung252 zu begrenzen. Dies gilt folglich für Gebühren sämtlicher Grenzbehörden, nicht nur für jene, die vom Zoll erhoben werden.253
Gebühren und Förmlichkeiten dürfen weder einen mittelbaren Schutz für
inländische Waren, noch eine Besteuerung der Einfuhr oder Ausfuhr zur Erzielung von Einnahmen darstellen. Absatz 4 stellt klar, dass sämtliche Bestimmungen des Art. VIII GATT zu Gebühren und Belastungen auch für
Förmlichkeiten und Erfordernisse gelten, die von Regierungs- und Verwaltungsstellen im Zusammenhang mit der Einfuhr oder Ausfuhr auferlegt oder
vorgeschrieben werden. Verbindlich ist auch das Verbot, strenge Strafen für
geringfügige Verletzungen der Zollvorschriften oder Zollverfahrensbestimmungen zu verhängen. Insbesondere muss eine Strafe für Unterlassungen
oder Irrtümer in den Zollpapieren, die leicht richtig gestellt werden können
und die offensichtlich nicht auf betrügerischer Absicht oder grober Fahrlässigkeit beruhen, der Höhe nach einer Verwarnung entsprechen, Art. VIII
Abs. 3 GATT.254 In Art. VIII Abs. 1 (b) und (c) GATT erkennen die Mitglieder an, dass Anzahl und Verschiedenartigkeit von Gebühren und Belastun-
252 Der Begriff wurde im Panelbericht US- Customs User Fee, BISD 35S/245, para. 76
und 77 konkretisiert. Siehe unter 1.3.3.
253 In einer Anmerkung zu Art. VIII in Anhang I zum GATT stellen die Mitglieder klar,
dass die Vorschrift die Erhebung von Abgaben und Gebühren bei Devisengeschäften
verurteilt, da diese auf eine Anwendung multipler Kurse hinausläuft. Für eine Ausnahme biete Art. XV Abs. 9 GATT eine ausreichende Grundlage.
254 1952 haben die Vertragsparteien eine Empfehlung für Standardpraktiken für Konsulatformalien gegeben, wobei sie vorschlugen, dass außer der regulären Belastung für
die Wiederbeschaffung eines Dokuments, keine weiteren Belastungen erfolgen sollen, wenn der Fehler in gutem Glauben unterlaufen ist, und dass „innerhalb vernünftiger Begrenzungen“ eine Korrektur von Originaldokumenten erlaubt sein soll, BISD
1S/26, para. 4.
86
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
gen zu verringern und die Förmlichkeiten bei Einfuhr und Ausfuhr weniger
komplex und zahlreich zu gestalten sind.255
Bestimmte Bereiche des Regelungsspektrums des Artikels sind heute auch
in einigen der multilateralen Übereinkommen zum Warenhandel konkretisiert. Dazu zählen bspw. die Übereinkommen über Vorversandkontrollen
(PSI), über technische Handelshemmnisse (TBT) und über die Anwendung
gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (SPS).
Diese sehen weitergehende Verpflichtungen hinsichtlich bestimmter Gebühren und Förmlichkeiten anlässlich der Einfuhr vor. Auch das Übereinkommen über Ursprungsregeln und jenes über Einfuhrlizenzen decken Teile des
Regelungsbereichs des Art. VIII GATT ab.256
1.2.2. Verhandlungsgeschichte
Art. VIII Abs. 1 GATT hat seinen Ursprung in einem Vorschlag der USA aus
dem Jahre 1946,257 der auf der Internationalen Konvention zur Vereinfachung von Zollförmlichkeiten (1923)258 und auf Empfehlungen der Weltwirtschaftskonferenz von 1927259 basiert. Ziel der Konvention und Konferenz war es, Konsulatsgebühren bei der Ausstellung von Visa für Geschäftsleute und Warensendungen zu reduzieren, indem diese auf die Kosten der
jeweiligen staatlichen Tätigkeit beschränkt wurden. Modifikationen des damaligen Artikel 36 wurden auf der Havanna Konferenz zwar diskutiert und
wurden auch Bestandteil der Charta,260 Eingang in Art. VIII GATT hat aller255 So haben die Vertragsparteien des GATT im Jahre 1952 eine Entscheidung für einen
Code von Standardpraktiken hinsichtlich der Dokumenterfordernisse bei der Einfuhr
von Waren angenommen. BISD 1S/23 und 24.
256 Dazu in diesem Kapitel, Ziff. 2.
257 Department of State, Publication 2598, Commercial Policy Series 93.
258 League of Nations Treaty Series, vol. 30, S. 372 (1925)
259 League of Nations Document C.356.M.129.1927.II, para. 5 (1). “Consular fees
should be a charge, fixed in amount and not exceeding the cost of issue, rather than
an additional source of revenue. Arbitrary or variable consular fees cause not only
an increase of charges, which is at times unexpected, but also an unwarrantable uncertainty in trade.”
260 (i) that a Member was required to review its internal laws and regulations only if
such request was made by another Member that was “directly affected” by those laws
and regulations (Art. 36. 2 HC); (ii) the addition of a provision relating to tariff discrimination based on the use of regional or geographical names (Art. 36.6 HC); (iii)
the first interpretative note relating to the International Monetary Fund did not require the “approval” of the IMF, but only that the relevant currency exchange fees
“not be consistent with the Articles of the Agreement of the IMF”(Bericht des Ausschusses und Hauptunterausschusses der UN Konferenz zum Handel und Beschäftigung 1948, S.77, para. 41.
87
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
dings nur die nun in Absatz 1 zu findende Klarstellung gefunden, dass der
Vorschrift Gebühren und Belastungen jeglicher Art unterfallen, soweit es
sich nicht um Ein- oder Ausfuhrzölle oder sonstige Abgaben i. S. des Art.
18261 handelt.262 Drei nennenswerte Änderungen des Art. VIII GATT sind im
Jahre 1958 in Kraft getreten. So wurde der Anwendungsbereich von denen
der Art. II und III GATT abgegrenzt und der Begriff „should“ in Art. VIII
Abs. 1 (a) durch „shall“ ersetzt. Gestrichen wurde eine Phrase, die den Vertragsparteien aufgab, die Beschränkung der Kosten „so früh wie praktikabel“ anzugehen. Damit war Art. VIII Abs. 1 (a) GATT unverzüglich umzusetzen. Im Jahre 1958 kam die 2. Anmerkung zu Art. VIII GATT hinzu.263
In Bezug auf Art. VIII Abs. 1 (c) GATT wurde im Laufe der Jahre eine Fülle
von Berichten, Entscheidungen und Empfehlungen angenommen, die Dokumentationsanforderungen bei der Einfuhr von Waren zu vereinfachen
suchten.264
1.2.3. Probleme im Zusammenhang mit Gebühren und Förmlichkeiten
In vielen Ländern sind die Auswirkungen von Zöllen und anderen Gebühren
mehr als nur ein einfaches Ärgernis. Gerade für Entwicklungsländer stellen
diese Formen der Einnahme einen wichtigen Posten bei der Finanzierung
ihrer Staatshaushalte dar. Deren kumulativer Wert wirkt sich spürbar und
belastendend auf den internationalen Handel aus. Die Vielzahl und Verschiedenartigkeit der Gebühren und Belastungen sorgen zudem für Undurchsichtigkeit und begünstigen die Verschleierung von Missbrauch. Selbiges gilt für exzessive und nichtstandarisierte Unterlagen- und Datenerfordernisse. Für den grenzüberschreitenden Handel stellen sie ein entscheidendes Handelshemmnis dar. Gerade für kleinere Händler, vor allem für KMU
der Entwicklungsländer, stellen die unangemessen aufwendigen Verfahren
eine besondere Belastung dar. Diese erfordern Arbeitskraft und andere Ressourcen und führen zu Fixkosten unabhängig vom Handelsvolumen. Dies
betrifft Import- und Exportbürokratie gleichermaßen. Viele der beizubrin261 Entspricht Art. III GATT.
262 Havanna Report, UN Doc. ICITO/1/8, S. 76, para. 35.
263 Darin heißt es: Es ist mit Absatz 1 vereinbar, wenn bei der Einfuhr von Waren aus
dem Gebiet einer Vertragspartei in das Gebiet einer anderen Vertragspartei die Vorlage von Ursprungszeugnissen in dem unbedingt notwendigen Ausmaß verlangt wird.
264 Gegenstand war z.B. die Erleichterung der Förmlichkeiten bei der Verwaltung mengenmäßiger Beschränkungen, bei der Einfuhr kommerzieller Muster und im Falle
von Inspektionen. Zudem hatten sie die Abschaffung von Konsulatsgebühren zum
Ziel. Die Regelungen sind vielfach in Zusammenarbeit mit der damaligen CCC, der
heutigen WCO zustande gekommen (siehe näher: Analytical Index, Guide to GATT
Law and Practice (WTO 1995) Vol. 1 S.278–281 ff.
88
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
genden Unterlagen und zu erfüllenden Erfordernisse sind überflüssig und
könnten auf ein Mindestmaß reduziert und vereinfacht werden.
1.2.4. Konkretisierung durch Berichte der Panel
Lösungsansätze finden sich in den Panelberichten zu Artikel VIII GATT.
Darin wurde die Regelung mit Blick auf den jeweiligen Einzelfall ausgelegt
und dadurch konkretisiert.
a)
Allgemeines
Artikel VIII GATT wurde mehrfach von Panel (GATT und WTO) und vom
Appellate Body interpretiert. In der Streitigkeit US – Customs User Fee hat
das Panel die Natur des Artikel VIII Abs. 1 (a) GATT zusammengefasst.
Art VIII Abs. 1 (a) enthält eine Regelung, die auf alle Belastungen Anwendung findet, die an der Grenze erhoben werden, ausgenommen solcher Zölle
und Belastungen, die innere Steuern ausgleichen. Er findet auf sämtliche
solcher Belastungen Anwendung, unabhängig davon ob für das fragliche
Produkt eine Tarifbindung besteht. Danach sind solche Belastungen verboten soweit nicht drei Kriterien erfüllt sind:
– die Belastungen müssen dem Betrag nach ungefähr auf die Kosten der
erbrachten Dienstleistungen beschränkt sein;
– sie dürfen keinen mittelbaren Schutz für inländische Waren darstellen;
– noch dürfen sie eine Besteuerung der Einfuhr oder Ausfuhr zur Erzielung
von Einnahmen darstellen.265
b)
Gebühren und Belastungen
Zur Art der erfassten Gebühren und Belastungen merkte das Panel in US –
Customs Users Fee an, dass ein etabliertes allgemeines Verständnis bestehe,
dass die beispielhafte Auflistung in Absatz 4 verschiedene Aspekte des Zollverfahrens, wie bspw. konsularische Amtshandlungen, statistische Dienstleistungen und Analysen, sowie Inspektionen erfasse. In der Praxis sei sie
„als Auflistung der mit dem Zoll verbundenen staatlichen Tätigkeiten“ interpretiert worden, „die die Verfasser mit der Bezugnahme auf ‚services rendered‘ im Sinne hatten.“266
Nach Ansicht des Panel fällt auch eine Abfertigungsgebühr für Handelsgüter
anlässlich der Einfuhr unter Abs. 1 (a) GATT.
265 Panelbericht US – Customs User Fee, BISD 35S/245, para. 69.
266 Panelbericht US – Customs User Fee, BISD 35S/245, paras 69 ff.
89
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
Das Panel in dem Verfahren EEC – Minimum Import Prices hat sich mit der
Frage auseinandergesetzt, ob der Verfall einer zu Zwecken der Einfuhr geleisteten Sicherheit für den Fall, dass die Einfuhr nicht an dem im Einfuhrzertifikat genannten Datum erfolgt, eine Belastung i. S. des Art. VIII Abs. 1
(a) GATT darstellt. Es kam zu dem Ergebnis, dass
„… eine solche Sanktion als Teil eines Durchsetzungsverfahrens und nicht als
Gebühr oder Förmlichkeit in Zusammenhang mit der Einfuhr i. S. des Art.
VIII …“ anzusehen ist.267
In US – Customs User Fee wurde die Beziehung von „Gebühren und Belastungen“ i. S. des Art. VIII und jenen des Art. II GATT erörtert. Nach Ansicht
des Panel stellt Art. II Abs. 1 (b) GATT eine Höchstgrenze für solche Belastungen auf, die auf ein Produkt erhoben werden können, dessen Zolltarif
gebunden ist. Die Produkte müssen von allen Zöllen, die über den gebundenen Tarif hinausgehen und von allen anderen Belastungen befreit werden,
die über jene hinausgehen, (i) die im Zeitpunkt des relevanten Zollzugeständnisses in Kraft sind; oder (ii) die zu dem Zeitpunkt direkt und zwingend durch Gesetze vorgeschrieben sind. Weiterhin wurde festgestellt, dass
Art. II Abs. 2 GATT Regierungen zur Verhängung dreierlei Arten nichttarifärer Belastungen über der Zollhöchstgrenze ermächtigt. Zu diesen zählen
die Gebühren oder andere Belastungen, die den Kosten der erbrachten
Dienstleistungen entsprechen.268 Der leicht abweichende Wortlaut im Vergleich zu Art. VIII Abs. 1 (a) GATT bedeute nicht, dass diese Ausnahmen
unterschiedlich zu verstehen seien.269
Ob eine Gebühr für Inspektionen mit dem Artikel vereinbar sei, wurde in
dem Streit US – Tobacco behandelt. Darin bemerkt das Panel, dass die Frage
der Vereinbarkeit von Inspektionsgebühren mit dem GATT mit Blick auf
Art. III anders als im Zusammenhang mit Art. VIII GATT ausgehen könne,
insofern, als dass untersucht werden müsse, ob eine solche Gebühr eine interne Abgabe darstellt und ob in diesem Zusammenhang eine Gleichbehandlung im Verhältnis zu nationalen Sendungen gegeben ist.270
267 Panelbericht EEC – Programme of Minimum Import Prices, Licences and Surety
Deposits for Certain Processed Fruits and Vegetables, BISD 25S/68, para. 4.3.
268 Die beiden anderen erlaubten Belastungen sind (a) Belastungen die im Einklang mit
Art. III Abs. 2 zum Ausgleich interner Steuern erhoben werden, und (b) AntiDumping- und Ausgleichszölle nach Art. VI GATT.
269 Panelbericht US – Customs User Fee, BISD 35S/245, para. 75.
270 Panelbericht US – Measures Affecting the Importation, Internal Sale and Use of Tobacco, BISD 41S/131.
90
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
c)
Begriff der Dienstleistung i. S. d. Art. VIII GATT
Das Erfordernis, Gebühren und Belastungen dem Betrag nach ungefähr auf
die Kosten der erbrachten Dienstleistungen zu beschränken, so das Panel in
US – Customs User Fee, enthalte tatsächlich zwei Erfordernisse, da die Gebühr zum einen in Zusammenhang mit einer Dienstleistung stehen müsse,
und die Gebühr zum anderen der Höhe nach dieser Dienstleistung ungefähr
entsprechen müsse.271 Weiter sei der Begriff „erbrachte Dienstleistung“
nicht ökonomisch zu verstehen. Zwar könnten staatlich vorgeschriebene
Maßnahmen solche darstellen, wenn sie die Sicherheit und Qualität einer
Ware garantieren, die unerlässliche Voraussetzung für die Vermarktung ist.
Die meisten der von den Zollverwaltungen durchgeführten Maßnahmen erfüllen diese Voraussetzung jedoch nicht. Sie sind von den Importeuren weder gewünscht noch stellen sie eine Wertsteigerung dar.272 Stattdessen fielen
unter den Begriff „erbrachte Dienstleistungen“
„staatliche Handlungen, die mit dem Einfuhrvorgang eng genug im Zusammenhang stehen, so dass sie- unter Berücksichtigung der den Behörden üblicherweise zugestandenen Abweichungen – als „Dienstleistungen“ zugunsten des Einführenden bezeichnet werden können.“
Vor diesem Hintergrund hat das Panel eine Reihe von staatlichen Handlungen untersucht, die nach Ansicht der USA Dienstleistungen in diesem Sinne
darstellen. Nach Ansicht des Panel ist es Aufgabe der Regierung, die jeweilige Maßnahme, für die Gebühren erhoben werden, zu rechtfertigen. Kosten
für die Abfertigung von Flugreisenden, für die Sammlung und Übermittlung
von Ausfuhrunterlagen, bestimmte Kosten für im Ausland eingesetzte Zollbeamte und für die Abfertigung von Einfuhren, die von der Warenabfertigungsgebühr befreit sind, dürfen danach nicht in die Berechnung einfließen,
da sie den einführenden Händlern nicht „dienen“. Anders aber sei es bei
Kosten für die Betrugsbekämpfung und das Aufspüren nachgeahmter Waren, für die Erhebung von Anti-Dumping- und Ausgleichszöllen, für technische Laboratorien und die rechtlichen Entscheidungen in Zollangelegenheiten, sowie die Kosten für die Abfertigung der Spediteure. Bei der Prüfung,
ob Gebühren den Kosten der erbrachten Dienstleistungen entsprechen, sind
die Kosten zu berücksichtigen, die in dem Zeitraum angefallen sind, in denen die Gebühr erhoben wurde.273
271 ebenda, para. 69.
272 ebenda, para. 77.
273 Panelbericht US – Customs User Fee, BISD 35S/245, para. 111.
91
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
d)
Gebührenhöhe
Im Verfahren Argentina –Textiles and Apparel hat das Panel eine von Argentinien eingeführte „Statistiksteuer“ von 3 % des Warenwertes, die die Kosten
für Einrichtung und Unterhaltung einer Statistikdatenbank für ausländische
Handelsunternehmen decken sollte, als den substantiellen Anforderungen
des Art. VIII Abs. 1 (a) GATT nicht genügend eingestuft. Eine ad valoremSteuer sei seiner Natur nach nicht auf die ungefähren Kosten der erbrachten
Dienstleistungen beschränkt. Da mit erbrachten Dienstleistungen, so das
Panel in US – Customs User Fee, die dem einzelnen Importeur gegenüber
erbrachten Dienstleistungen gemeint seien,274 ist eine nach oben nicht begrenzte ad valorem-Steuer seiner Natur nach nicht auf die ungefähren Kosten der erbrachten Dienstleistungen beschränkt. Eine solche führt beispielsweise trotz in etwa gleicher Dienstleistung zu einer notwendig höheren steuerlichen Belastung hochwertiger im Vergleich zu minderwertigen Gütern.
Auf Argentiniens Stellungnahme, dass die Steuer aus fiskalischen Gründen,
im Zusammenhang mit einem Projekt mit dem Internationalen Währungsfond (IMF), erhoben werde, erwiderte das Panel:
„wir halten fest, dass nicht nur Art. VIII des GATT derartige Maßnahmen zu
fiskalischen Zwecken ausdrücklich verbietet, darüber hinaus führen Maßnahmen, die einen solchen Zweck verfolgen dazu, dass die Steuer im Normalfall zu Gebühren führt, die über die ungefähren Kosten der erbrachten
Dienstleistungen hinausgehen.“275
Diese Feststellungen des Panel hat Argentinien vor dem Appellate Body
zwar nicht beanstandet, es liege jedoch ein Rechtsfehler vor, da das Panel
bei der Interpretation des Art. VIII GATT die Verpflichtungen des Landes
gegenüber dem IMF verkannt habe. Die mit diesem getroffene gemeinsame
Absichtserklärung276 enthalte ein Versprechen bzw. eine Verpflichtung seitens Argentiniens, einen bestimmten Betrag in Form einer Statistiksteuer zu
erheben, dazu gehöre „… eine Anhebung der Einfuhrabgaben, einschließlich
eines temporären 3%-igen Sonderzolls auf Einfuhren.“277 Darüber hinaus
besage Paragraph 10 des Übereinkommens zwischen IMF und WTO und
274 In diesem Fall untersuchte das Panel eine 0.22 und 0.17 %-ige ad valorem „customs
merchandise processing fee“ ohne Höchstgrenze. Diese stehe dem Art. VIII Abs. 1
(a) GATT entgegen, da sie sich nicht auf die Kosten der Zollabfertigung des einzelnen in Frage stehenden Eingangs bezieht, BISD 35S/245, para. 80.
275 Panelbericht Argentina – Textiles and Apparel, WT/DS56/R para. 6.77 und 6.78.
276 Memorandum of Understanding (MoU).
277 WT/DS56/AB/R, para. 13.
92
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
Paragraph 5 der sogenannten „Declaration on Coherence,“278 dass „crossconditionality“279 und eine Belastung der Regierungen mit zusätzlichen Bedingungen verhindert werden muss.280 Der Appellate Body stellte in diesem
Zusammenhang fest, dass es Argentinien nicht gelungen sei, einen unlösbaren Konflikt zwischen der gemeinsamen Absichtserklärung und seiner Verpflichtungen aus Art. VIII GATT zu demonstrieren. Dazu heißt es im Bericht:
„Das Panel scheint nicht davon überzeugt gewesen zu sein, dass zwischen
Argentinien und dem IMF überhaupt ein rechtlich verbindliches Übereinkommen geschlossen wurde. Die Unterlagen des Panel in diesem Fall deuten darauf hin, dass es weder möglich war, die konkrete rechtliche Natur des
Memorandums über die Wirtschaftspolitik festzustellen, noch zu klären, inwieweit die darin von Argentinien gemachten Zugeständnisse rechtlich verbindliche Verpflichtungen darstellen. Es wird festgestellt, dass sich das Memorandum über die Wirtschaftpolitik auf einen ‚temporären 3% Sonderzoll
auf Einfuhren bezieht‘, was nicht notwendigerweise das gleiche sei, wie eine
auf Einfuhren erhobene 3% Statistiksteuer. Argentinien hat keinen unlösbaren Konflikt zwischen den Bestimmungen der gemeinsamen Absichtserklärung und den Bestimmungen des Art. VIII GATT 1994 demonstriert. Daher
stimmen wir der impliziten Feststellung des Panel zu, dass es Argentinien
nicht gelungen ist, darzulegen, dass eine rechtlich verbindliche Verpflichtung gegenüber dem IMF bestand, welche Argentiniens Verpflichtungen unter Art. VIII des GATT 1994 in gewisser Weise ‚ersetzen‘ würde.“281
Die Einführung verschärfter Erfordernisse für Bürgschaften bei Einfuhren
aus der EG durch die USA wurde im Verfahren US – Certain EC Products
untersucht. Ziel der Maßnahme war es, die Erhebung zusätzlicher Einfuhrabgaben, die erst im Nachhinein durch den Dispute Settlement Body genehmigt wurden, sicherzustellen. Das Panel befand, dass die mit der Bürgschaft verbundenen Kosten nicht solche der erbrachten Dienstleistungen i. S.
des Art. VIII GATT seien:
„Auch wenn die USA in ihren Erwiderungen kurz argumentiert hat, dass die
Erfordernisse im Hinblick auf die Gestellung von Sicherheiten als eine Form
278 Declaration on the Contribution of the World Trade Organisation to Achieving
Greater Coherence in Global Economic Policymaking.
279 „cross-conditionality“ bedeutet grundsätzlich, dass eine Organisation (Weltbank) die
Kreditgewährung von der Erfüllung der Bedingungen einer anderen Organisation
(IWF) abhängig macht. In diesem Fall ist das Verbot auf WTO und IWF zu beziehen.
280 WT/DS56/AB/R, para. 15.
281 AB-Bericht Argentina – Textiles and Apparel, WT/DS56/AB/R, para. 69.
93
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
von Gebühr für erbrachte Dienstleistungen (nämlich die frühe Freigabe der
Waren) gesehen werden kann und daher der Ausnahme des Art. II Abs. 2 (c)
des GATT unterfallen könne, so haben die USA keinerlei Unterlagen für die
zweite Voraussetzung282 vorgelegt. Es existiert keinerlei Beleg dafür, dass
das, was von den Einführern gefordert wurde, in etwa den Kosten einer
Dienstleistung entsprach. Zudem ist es schwer nachzuvollziehen, warum die
Kosten einer solchen Dienstleistung plötzlich am 3. März derart angestiegen
sind (hat die USA seit diesem Datum die den Importeuren gegenüber erbrachten Dienstleistungen intensiviert?), zudem, warum der Anstieg nur bei
Einfuhren aus der EG zu verzeichnen war.“283
In EC – Minimum Import Prices hat das Panel die Ansicht der USA zurückgewiesen und erklärt, bestimmte Zinsen und Kosten für das Stellen einer
Sicherheit im Zusammenhang mit Einfuhrzertifikaten dienten zum Schutze
inländischer Waren und verstießen daher gegen Art. VIII Abs. 1 (a) GATT.
Es stellte fest, dass die Kosten, die sich auf unter 0,005 % beliefen, ihrem
Betrag nach auf die etwaigen Verwaltungskosten beschränkt waren und diese unter den Begriff der ‚Kosten der erbrachten Dienstleistungen‘ in Art.
VIII Abs. 1 (a) GATT fielen.284 Zudem sei die Kompetenz der Mitgliedstaaten, die Ausstellung von Einfuhrzertifikaten bis zur Reaktion der Gemeinschaft auf ein Schutzmaßnahmenersuchen ganz oder teilweise auszusetzen,
nicht unvereinbar mit der Verpflichtung der Gemeinschaft nach Art. VIII
GATT.285
282 Anm. d. Verf.: Voraussetzungen des VIII Abs. 1(a): (i) Die fragliche Belastung muss
im Zusammenhang mit einer erbrachten Dienstleistung stehen, und sie muss in etwa
den Kosten der erbrachten Dienstleistung entsprechen. So konkretisiert in US –
Customs Users Fee und Argentina – Textiles.
283 Panelbericht US – Import Measures on certain EC Products, WT/DS165/R, paras.
6.69.- 6.70.
284 Panelbericht EEC – Programme of Minimum Import Prices, Licences and Surety
Deposits for Certain Processed Fruits and Vegetables, BISD 25S/68, para. 4.2.
285 Der Vertreter der USA hatte behauptet, die Unsicherheit die mit der Kompetenz der
EG-Mitgliedstaaten, Einfuhrzertifikate beliebig auszusetzen einher gingen, stellten
einen Verstoß gegen die Verpflichtungen der Gemeinschaft nach Art. VIII GATT dar.
Das Panel hielt fest, dass das EG-Recht lediglich die Möglichkeit der Mitgliedstaaten
vorsieht, das Ausstellen neuer Einfuhrzertifikate ganz oder teilweise auszusetzen bis
die Gemeinschaft auf das Schutzmaßnahmeersuchen reagiert. Da diese Reaktion innerhalb von 24 Stunden zu erfolgen habe, sei eine schädliche Störung des Handels
nicht zu befürchten., siehe Panelbericht EEC – Programme of Minimum Import Prices, Licences and Surety Deposits for Certain Processed Fruits and Vegetables, BISD
25S/68, para. 4.5.
94
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
e)
Zielrichtung der Maßnahmen
Dass Gebühren und Belastungen, die anlässlich der Einfuhr und Ausfuhr
erhoben werden, nicht indirekt dem Schutz des heimischen Marktes dienen
und verdeckte Zölle darstellen dürfen, wird in Art. VIII Abs. 1 (a) GATT
klargestellt. In diesem Zusammenhang hat das Panel in US – Customs Users
Fee die Frage aufgeworfen, jedoch nicht entschieden, ob erforderlich sei,
dass die Gebühren und Belastungen beeinträchtigende Auswirkungen auf
den Handel haben müssen.286 Es stellte fest, dass bei der Frage, ob es sich
um eine Besteuerung zur Erzielung von Einnahmen handelt, zu untersuchen
sei, ob die Gesamteinnahmen höher als die Aufwendungen sind.
Der Panelbericht in Argentina – Textiles and Apparel weist darauf hin, dass
die fragliche Statistiksteuer zur Finanzierung der Zollaktivitäten im Zusammenhang mit der Registrierung, Berechnung und Datenverarbeitung von
Ein- und Ausfuhrinformationen diene. Während statistische Informationen
über Einfuhren für Händler allgemein von Vorteil seien, verbiete Art. VIII
GATT:
„… die Erhebung jeglicher Einfuhrsteuer oder -belastung, die der Stützung
der Kosten für die ‚individuelle, in Frage stehende Einfuhr‘ dienen, da eine
solche auch Vorteile für die Ausfuhren und Exporteure bringt.“ Zudem „…
verbietet Art. VIII GATT nicht nur ausdrücklich Maßnahmen zu fiskalischen
Zwecken, darüber hinaus führt eine solche Maßnahme normalerweise zu
einer Situation, in der die Steuer zur Erhebung von Belastungen über die
ungefähren Kosten der erbrachten Statistikdienstleistung hinaus gehen.“287
f)
Verbot unangemessener Sanktionen
Zu der in Art. VIII Abs. 3 GATT niedergelegten Verpflichtung der Mitglieder, keine strengen Strafen für geringfügige Verletzungen der Zollvorschriften oder Zollbestimmungen zu verhängen, hat sich das Panel in EEC – Minimum Import Prices nur indirekt geäußert. Der Verfall einer Sicherheit im
Zusammenhang mit Einfuhrzertifikaten, für den Fall, dass die Einfuhr nicht
während der Gültigkeit des Zertifikats von 75 Tagen erfolgte, stelle jedenfalls keinen Verstoß gegen die Verpflichtung dar, da dieser Strafe im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens und nicht eine Gebühr oder Förmlichkeit „im Zusammenhang mit der Einfuhr oder Ausfuhr“ i. S. des Art. VIII
GATT sei.288
286 Siehe Panelbericht US-Customs Users Fee, BISD 35S/245, para. 120.
287 Panelbericht Argentina – Textiles and Apparel, para. 6.77. und 6.78.
288 Panelbericht EEC – Programme of Minimum Import Prices, Licences and Surety
Deposits for Certain Processed Fruits and Vegetables, BISD 25S/68, para. 4.3.
95
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
g)
Reduzierung und Vereinfachung von Förmlichkeiten
Die Absicht der Mitglieder, gemäß Art. VIII Abs. 1 (c) GATT die Förmlichkeiten und beizubringenden Unterlagen im Zusammenhang mit der Ein- und
Ausfuhr auf ein Mindestmaß zu beschränken und sie zu vereinfachen, fand
Beachtung in den Ausführungen des Panel in EEC – Bananas II zu den fraglichen Einfuhrlizenzverfahren der EG für Bananen:
„Art. VIII Abs. 1(c) bezieht sich auf Einfuhrformalitäten und Dokumentationsanforderungen, nicht aber auf die mit solchen Formalitäten und Erfordernissen bezweckten Handelsregulierungen.“
Die klagenden Parteien hätten die Komplexität der EG-Regulierungsverfahren für die Einfuhr von Bananen zwar kritisiert, jedoch keinerlei Unterlagen vorgelegt, aus denen hervorginge, dass die Einfuhrformalitäten und
-dokumente der EG selbst komplexer als notwendig seien, um die Regulierungen durchzusetzen. Die klagenden Parteien hätten folglich nicht dargelegt, dass die EG in einer mit Art. VIII Abs. 1 (c) GATT unvereinbaren Weise gehandelt hat.289
Diese Äußerung des Panel wirft die Frage auf, ob die Entscheidung zugunsten der klagenden Parteien ausgefallen wäre, wenn es diesen gelungen wäre
darzulegen, dass die in Rede stehenden Formalitäten und Dokumente tatsächlich „komplexer als notwendig“ sind. Auch wenn die Argumentation
des Panel auf ein solches Ergebnis schließen lässt, so ist eine dahingehende
Auslegung mit dem Wortlaut des Absatzes 1 (c) unvereinbar und daher abzulehnen. Wie auch unter Absatz 1 (b) des Artikels wird die Notwendigkeit
einer Beschränkung, hier der Beschwernisse durch Förmlichkeiten, anerkannt. Auch die Existenz des Art. VIII Abs. 2 GATT kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Danach haben die Vertragsparteien auf Antrag einer
anderen Vertragspartei oder der Ministerkonferenz die Anwendung ihrer
Gesetze und sonstigen Vorschriften im Hinblick auf Artikel VIII zu überprüfen. Eine direkte Betroffenheit ist nicht erforderlich.290 Diese Überprüfung
kann nicht sämtlichen in Art. VIII GATT enthaltenen Regelungen, also auch
nicht Absatz 1 (b) und (c), verpflichtenden Charakter verleihen. Der Wortlaut lässt allein auf eine Verpflichtung zur Überprüfung schließen. Wie weit
diese jedoch zu gehen hat und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind,
ist nicht normiert. Geregelt ist somit lediglich das „Ob“ einer Überprüfung
289 Panelbericht, EEC – Import Regime for Bananas, 11.02.94 (nicht vom DSB angenommen), DS38/R, para. 151.
290 Dies ergibt sich daraus, dass die direkte Betroffenheit, die in der Havanna Charta
noch vorgesehen war, nicht in die entsprechenden GATT-Regelung übernommen
wurde.
96
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
der Anwendung der Gesetze und sonstigen Vorschriften eines Mitglieds im
Hinblick auf Art. VIII. Aus dieser Norm beispielsweise eine Verpflichtung
zur Reduzierung und Vereinfachung von Förmlichkeiten herzuleiten, würde
zu weit gehen und gegen den ausdrücklichen Wortlaut des Absatzes 1 (b)
und (c) sprechen. Die Formulierung, dass die „Notwendigkeit anerkannt
werde …“, macht vielmehr deutlich, dass die Mitglieder eine Verpflichtung
zur Reduzierung der Anzahl der Gebühren und zur Vereinfachung der Förmlichkeiten ablehnten.291 Allein die Vorlage von Ursprungszeugnissen darf
nur in dem unbedingt notwendigen Ausmaß verlangt werden. Dies ergibt
sich implizit aus der zweiten Anmerkung zu Art. VIII GATT. Im Gegensatz
zu Art. VIII Abs. 1 (b) und (c) ist diese Regelung verbindlich.
1.2.5. Ergebnis der Analyse des Art. VIII GATT
Art. VIII GATT enthält sowohl in Abs. 1 (a) als auch in den Absätzen 2 und
3 ausdrückliche Verpflichtungen der Mitglieder. Die Panelberichte zu Abs. 1
(a) haben zu einer weitgehenden Konkretisierung der Bestimmung im Hinblick auf die Art und Höhe der erfassten Gebühren und Belastungen geführt.
Diese müssen in etwa den Kosten der dem einzelnen Importeur gegenüber
erbrachten Dienstleistung entsprechen. Nur diese Kosten sind dem Importeur in Rechnung zu stellen, was eine ad valorem-Berechnung von vornherein ausschließt. Dennoch bestehen weiterhin Unsicherheiten im Hinblick auf
die Vereinbarkeit verschiedener Praktiken mit der Norm. Da ein durch den
DSB angenommener Bericht die Rechte und Pflichten der Mitglieder gemäß
Art. 3 Abs. 2 S. 3 DSU weder beschränken noch ergänzen kann, wäre eine
ausdrückliche Festschreibung der Grundsätze sinnvoll. Auch wäre es der
Transparenz dienlich, den Wortlaut des Art. VIII Abs. 1 GATT im Sinne der
Rechtsprechung zu konkretisieren. Darüber hinausgehende Regelungen, die
die Fülle von Gebühren und Förmlichkeiten effektiv eindämmen, existieren
nicht. Auch die Möglichkeit eines Mitglieds oder der Ministerkonferenz, ein
Mitglied dazu aufzufordern, seine sämtlichen Gesetze und sonstigen Vorschriften auf die Vereinbarkeit mit Artikel VIII GATT hin zu prüfen, ist, da
die Folgen eines Verstoßes nicht geregelt sind, nur wenig praktikabel.
Eine effektive Entbürokratisierung durch Reduzierung von Gebühren und
Förmlichkeiten kann folglich nur durch eine Ausweitung der Verpflichtungen der Mitglieder erreicht werden. Die Vielzahl und Komplexität von Gebühren und Förmlichkeiten war in der Vergangenheit schon mehrfach Ge291 So auch die USA in EEC – Minimum Import Prices, BISD 25S/68, die aber argumentierten, dass der Regelung die Verpflichtung immanent sei, keine weiteren solcher administrativer Hürden aufzustellen. Das Panel ist in dem Fall nicht darauf eingegangen.
97
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
genstand der Verhandlungen in der WTO.292 Lösungsansätze für die aktuellen Probleme lassen sich vor allem in den neueren Übereinkommen über
technische Handelshemmnisse (TBT) und gesundheitspolizeiliche und
pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen (SPS) finden, in denen sich die Mitglieder ausdrücklich und effektiv zur Entbürokratisierung verpflichtet haben.
Einzelheiten sind den jeweiligen Übereinkommen zu entnehmen, auf die
unten eingegangen wird.
1.3.
Art. X GATT
1.3.1. Regelungsgehalt
Art. X GATT regelt die Veröffentlichung und Anwendung von Handelsvorschriften. Sein vorrangiges Ziel ist die Schaffung von Transparenz.293 Gemäß Art. X Abs. 1 GATT sind die bei einer Vertragspartei geltenden Gesetze, sonstigen Vorschriften und Entscheidungen294 von allgemeiner Bedeutung im Zusammenhang mit der Einfuhr und Ausfuhr von Waren295 so zu
292 Bereits in den frühen Jahren des GATT zeichneten sich verschiedene Reduzierungsbzw. Vereinfachungsbestrebungen im Bereich der Zollförmlichkeiten, beispielsweise
bei Dokumenterfordernissen, die vorübergehende Einfuhr von Mustern und Herkunftsnachweise, ab. Konventionen und Empfehlungen wurden von der zuständigen
Arbeitsgruppe entworfen und im Anschluss den VERTRAGSPARTEIEN (dem heutigen Ministerrat) zur Annahme vorgelegt. Der von den Vertragsparteien bereits im
Jahre 1952 angenommene Kodex für Standardpraktiken hinsichtlich Dokumentationserfordernissen, beispielsweise, zielte auf die Vereinfachung der Einfuhrförmlichkeiten ab. Zur selben Zeit schlug eine Arbeitsgruppe Empfehlungen für die Abschaffung konsularischer Förmlichkeiten vor. Danach waren Konsulatsfaktura und Visa
spätestens bis zum 31.12.1956 abzuschaffen. In einem Anhang dazu war ein Kodex
mit Standardpraktiken niedergelegt. Diese Empfehlungen wurden 1962 dann durch
die „Entscheidung zu Konsularischen Förmlichkeiten“ (Decision on consular formalities, 5S/33, 6S/25, 11S/59) bestätigt. Deren Inhalt ist damit als geltendes WTORecht zu beachten. Zuletzt kam eine Debatte über weitergehende Liberalisierungen
konsularischer Förmlichkeiten und Dokumente im Rahmen der Tokio-Runde auf.
293 Dies geht aus einem Bericht des Technischen Unterausschusses des Entwurfsausschusses für die Havanna Charta hervor, in dem es heißt: „Es wurde sich darauf geeinigt, dass eine Änderung von Gesetzen und Vorschriften die den Außenhandel betreffen, soweit möglich, prompt und adäquat zu veröffentlichen ist.“ U.N. Doc.
E/PC/T/C.II/54/Rev.1, S. 28. Zum Grundsatz der Transparenz siehe in diesem Kapitel
unter Ziffer 4.2.
294 Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen.
295 bzgl. Tarifierung oder der Ermittlung des Zollwertes von Waren, der Sätze von Zöllen, Abgaben und sonstigen Belastungen, der Vorschriften, Beschränkungen und Verbote hinsichtlich der Einfuhr und Ausfuhr sowie Überweisung von Zahlungsmitteln
für Einfuhren oder Ausfuhren, bzgl. Verkauf, die Verteilung, Beförderung, Versiche-
98
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
veröffentlichen, dass Regierungen und Wirtschaftskreise sich mit ihnen vertraut machen können. Gleiches gilt für internationale handelspolitische Vereinbarungen nach Abs. 1 Satz 2. Von der Pflicht ausgenommen sind solche
vertraulichen Informationen, deren Publikation die Durchführung der
Rechtsvorschriften behindern, sonst dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen oder die berechtigten Wirtschaftsinteressen bestimmter öffentlicher oder
privater Unternehmen schädigen würde. Bereits 1979 einigten sich die Vertragsparteien zudem darauf, ein zentrales, beim Sekretariat angesiedeltes
Notifizierungsregister zu errichten. 1994 wurde diese Einigung in die ministerielle Entscheidung über die Notifizierungsverfahren inkorporiert.296
Nach Abs. 3 a) sind die von Abs. 1 erfassten Gesetze, Vorschriften und Entscheidungen in einheitlicher, unparteiischer und gerechter297 Art und Weise
anzuwenden. Maßnahmen von allgemeiner Bedeutung, die eine Erhöhung
der Sätze der Zölle oder sonstigen Einfuhrbelastungen bewirken, oder die
zur Anwendung neuer oder erschwerender Vorschriften, Beschränkungen
oder Verbote für die Einfuhr oder die Überweisung von Zahlungsmitteln für
Einfuhren führen, dürfen nicht vor ihrer amtlichen Veröffentlichung in Kraft
gesetzt werden. Darüber hinaus ist ein Recht zur Überprüfung von Zollentscheidungen vorgesehen. Nach Abs. 3 b) hat jedes Mitglied Gerichte,
Schiedsgerichte, Verwaltungsgerichte oder entsprechende Verfahren beizubehalten oder sobald wie möglich einzuführen, die unter anderem dem
Zweck dienen, Verwaltungsakte in Zollangelegenheiten unverzüglich zu
überprüfen und richtig zu stellen. Diese müssen von den Verwaltungsbehörden unabhängig sein. Ihre Entscheidungen müssen grundsätzlich von den
Verwaltungsbehörden durchgeführt werden und für deren Tätigkeit maßgeblich sein, sofern nicht bei einem Gericht höherer Instanz innerhalb der für
den Importeur vorgeschriebenen Rechtsmittelfrist ein Rechtsmittel eingelegt
rung, Lagerung, Überprüfung, Ausstellung, Veredelung, Vermischung oder anderer
Verwendung der Ware.
296 Während der Genfer Regelungsentwurf noch vorsah, Kopien der nationalen Gesetze
der ITO zukommen zu lassen, wurde im GATT davon abgesehen. Im Jahre 1964 haben sich die Mitglieder jedoch auf eine dahingehende Empfehlung geeinigt. Die Notifizierungserfordernisse wurden in der Tokio-Runde bestätigt und verschärft. Eine
Übereinkunft (understanding) von 1979 spricht davon, dass die Parteien „… die
VERTRAGSPARTEIEN, so weit wie möglich, über die Annahme von Handelsmaßnahmen, die Anwendung des Allgemeinen Abkommens beeinflussen, notifizieren.“
Die Übereinkunft fordert zu Anstrengungen auf, Maßnahmen vor deren Durchführung zu notifizieren, enthält aber die Möglichkeit dann ex post facto zu notifizieren,
wenn eine vorherige Notifikation nicht möglich war.
297 Die deutsche Übersetzung als ‚gerecht‘ trifft die Bedeutung von ‚reasonable‘ nicht.
Siehe zur Bedeutung des Begriffs in diesem Kapitel unter 1.3.3. e).
99
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
wurde.298 Demnach muss die Gewaltenteilung sichergestellt sein. Eine Ausnahme wird für solche, am Tag des Datums des Übereinkommens299 bereits
in Kraft getretene Verfahren gemacht, die de facto eine objektive und unparteiische Überprüfung der Verwaltungsakte gewährleisten, auch wenn sie
nicht vollständig oder formell von den Verwaltungsbehörden unabhängig
sind. Auf Antrag hat das jeweilige Mitglied über diese Verfahren ausführlich
Auskunft zu erteilen, Art. X Abs. 3 c) S. 2 GATT.
1.3.2. Verhandlungsgeschichte
Art. X GATT basiert zum Teil auf den Artikeln 4 und 6 des Internationalen
Abkommens vom 3. November 1923 zur Vereinfachung der Zollförmlichkeiten.300 Die meisten Bestimmungen des Art. X sind bereits im Genfer
Entwurf der Havanna-Charta zu finden. Dessen Art. 37 entspricht, abgesehen von der Verpflichtung, der Organisation Kopien der nationalen Gesetze
und Vorschriften zukommen zu lassen, dem heutigen Art. X GATT.301 Auf
der Havanna Konferenz wurde der Genfer Text abgeändert. In der Bestimmung über das Verbot, bestimmte Maßnahmen von allgemeiner Bedeutung
nicht vor ihrer amtlichen Veröffentlichung in Kraft zu setzen, wurde „made
public“ durch „published“ ersetzt. Aus dem Havanna-Bericht geht hervor,
dass sich die Mitglieder darüber einig waren, dass es nicht der „vorherigen
öffentlichen Verbreitung eines offiziellen Dokumentes“ bedurfte, sondern
dass dem auch durch offizielle Erklärung in der gesetzgebenden Gewalt des
jeweiligen Landes entsprochen werden konnte.302 Ebenso wurde dort die
Verpflichtung hinzugefügt, den direkt von Gesetzen und Vorschriften betroffenen Händlern passende Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, damit diese die zuständigen staatlichen Stellen zu Rate ziehen können.303 Keine dieser
Änderungen wurde jedoch in das GATT übernommen.
1.3.3. Konkretisierung im Zuge des Streitbeilegung
Um den Regelungsumfang des Art. X GATT rechtlich exakt erfassen zu
können, ist auch hier die Untersuchung der Rechtsprechungspraxis notwen-
298 „der Zentralbehörde einer solchen Verwaltung steht es jedoch frei, Schritte zu unternehmen, um die Überprüfung der Angelegenheit in einem anderen Verfahren zu erreichen, wenn berechtigter Grund zur Annahme besteht, dass die Entscheidung den
bestehenden Rechtsgründsätzen oder dem Sachverhalt nicht entspricht.“ Art. X Abs.
3 b) S. 2 3. HS.
299 Gemäß Art. XXVI Abs. 1 GATT ist dies der 30.10.1947.
300 E/PC//T/C.II/W.41, E/PC/T/C.II./54 Rev.1, S. 29.
301 Diese in Art.1 des Genfer Entwurfs der Charta wurde nicht ins GATT übernommen.
302 Havanna Reports, U.N. Doc. ICITO/1/8, S. 79, para. 52.
303 ebenda.
100
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
dig. Da der Artikel in zahlreichen Panel- und Appellate Body-Berichten interpretiert wurde, wird sich hier auf die für das Verständnis der Artikel V,
VIII und X GATT entscheidenden Feststellungen beschränkt.304
a)
Allgemeines
Zum Geltungsbereich des Art. X GATT hat sich der Appellate Body in EC –
Poultry wie folgt geäußert:
„Artikel X bezieht sich auf die Veröffentlichung und Verwaltung von ‚Gesetzen, Vorschriften, gerichtlichen Entscheidungen und Verwaltungsakten mit
allgemeiner Geltung‘, nicht aber auf den substanziellen Gehalt dieser Maßnahmen.“305
Dementsprechend hat der Appellate Body festgestellt, dass die Revision der
Kläger, soweit sie sich auf die Substanz der Regelungen der Beklagten
selbst und nicht auf deren Veröffentlichung oder Verwaltung bezieht, bereits
nicht den Regelungsbereich des Art. X GATT betrifft.
b)
Gesetze, sonstige Vorschriften und Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen allgemeiner Geltung
Die in Abs. 1 S. 1 zu findende Formulierung „… Gesetze, sonstige Vorschriften, Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen allgemeiner Geltung306,
welche …“ wurde in US – Underwear interpretiert. Der AB bestätigt darin
die Interpretation des Panel,
„… dass Art. X Abs. 1 GATT 1994,(…) auch Verwaltungsentscheidungen
erfasst. Allein die Tatsache, dass es sich bei der fraglichen Beschränkung
um eine Rechtsverordnung handelte, hindert nicht daran, diese als Maßnahme allgemeiner Geltung einzuordnen. Ebenso wenig steht die Tatsache,
dass die Maßnahme eine landesspezifische war, einer solchen Einschätzung
entgegen. Wird die Beschränkung bspw. nur gegenüber einem bestimmten
Unternehmen oder einer einzelnen Sendung verhängt, so handelt es sich
nicht um eine Maßnahme allgemeiner Geltung. Nach alledem, soweit die
Beschränkung sich auf eine unbekannte Zahl von Unternehmern, sowie in304 Siehe dazu den Bericht des Sekretariats, Article X of GATT 1994 – Scope and Application, TN/TF/W/4.
305 AB-Bericht EC – Measures Affecting the Importation of Certain Poultry Products,
WT/DS69/AB/R, para. 115; darauf bezugnehmend: Panelbericht Dominican Republic – Measures affecting the Importation and Internal Sale of Cigarettes,
WT/DS302/R, para. 7.374.
306 In der deutschen Fassung des GATT wird ‚general application‘ mit ‚allgemeiner Bedeutung‘ übersetzt. Hier wird der Richtigkeit halber von ‚allgemeiner Geltung‘ gesprochen.
101
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
ländischen und ausländischen Produzenten, bezieht, stellt es unserer Einschätzung nach eine Maßnahme allgemeiner Geltung dar.“307
In EC – Poultry hat der Appellate Body die Feststellung des Panel bekräftigt, wonach das Vorenthalten von Informationen in Bezug auf eine bestimmte Sendung nicht gegen Art. X GATT verstößt, da dieser Fall außerhalb des Regelungsbereichs liegt.
„… Art. X bezieht sich nicht auf konkrete Transaktionen, sondern vielmehr
auf Regelungen allgemeiner Geltung.(…)Wenn es auch stimmt, (…), dass
jede Maßnahme allgemeiner Geltung stets in konkreten Fällen angewandt
werden muss, so bedeutet dies nicht, dass die konkrete Behandlung einer
jeden, einzelnen Sendung nicht als Maßnahme allgemeiner Geltung i. S. des
Art. X einzustufen sein kann.“
Darüber hinaus teilt er die Ansicht des Panel, dass
„… umgekehrt die Erteilung von Lizenzen an ein bestimmtes Unternehmen
oder deren Anwendung auf eine konkrete Sendung nicht als Maßnahme allgemeiner Geltung i. S. des Art. X GATT eingestuft werden kann.“308
In Japan – Film bezieht sich das Panel bei der Interpretation des Begriffs
auf den Panelbericht in US – Underwear:
„… ebenso wie der Tatbestand des Art. X Abs. 1 alle Verwaltungsentscheidungen allgemeiner Geltung erfasst, soll er sich auch auf Verwaltungsentscheidungen in Einzelfällen beziehen, wenn solche Entscheidungen Prinzipien oder Kriterien für zukünftige Fälle aufstellen oder ändern.“309
Ein Verstoß gegen das Veröffentlichungsgebot des Art. X Abs. 1 GATT
wurde zudem von Honduras im Streit Dominican Republic – Measures Affecting the Importation and Internal Sale of Cigarettes gerügt. Inländische
und eingeführte Zigaretten wurden mit einer selektiven Verbrauchsteuer belegt, deren Bemessungsgrundlage der Endverkaufspreis war. Dieser Endverkaufspreis wiederum basierte auf Durchschnittspreiserhebungen der Zentralbank der Dominikanischen Republik. Für eingeführte Zigaretten wurde
zur Bestimmung des Durchschnittspreises auf das „nächst ähnliche Pro-
307 Panelbericht United States – Restrictions on Imports of Cotton and Man-Made Fibre
Underwear, WT/DS24/R, modifiziert durch den AB-Bericht WT/DS24/AB/R, para.
21.
308 AB-Bericht, EC-Poultry, WT/DS69/AB/R, para. 111, 113; siehe dazu Panelbericht
US-Underwear as modified by AB-Bericht WT/DS24/AB/R, para. 7.65.
309 Panel Report, Japan – Measures Affecting Consumer Photographic Film and Paper,
WT/DS44/R, angenommen am 22.04.1998, para. 10.388.
102
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
dukt“310 auf dem heimischen Markt zurückgegriffen. Die Besteuerung sowohl eingeführter als auch inländischer Zigaretten basierte damit letztlich
auf diesen Durchschnittspreiserhebungen. Honduras war der Ansicht, dass
die Erhebungen der Zentralbank Vorschriften im Sinne des Art. X Abs. 1
GATT darstellen, und diese daher ordnungsgemäß zu veröffentlichen oder
anderweitig zugänglich zu machen waren. Dazu befand das Panel:
„… es ist klar, dass die Durchschnittspreiserhebungen weder Gesetze, Vorschriften oder Gerichts- oder Verwaltungsentscheidungen sind. Gesetze und
Vorschriften sind allgemeine Akte mit rechtlichem Inhalt, die von staatlichen
Stellen erlassen werden, denen gesetzgebende Gewalt zukommt. Gerichtsund Verwaltungsentscheidungen sind Verkündungen mit Rechtskraft, die von
richterlichen Stellen am Ende eines Rechtsstreits ergehen.“311
Wäre der Rückgriff auf die Durchschnittspreiserhebungen gesetzlich geregelt gewesen, so hätten die Erhebungen die Grundlage für die Besteuerung
von Zigaretten gebildet. Daher kommt das Panel zu dem Schluss, dass die
Erhebungen selbst zwar keine allgemeinen Verwaltungsentscheidungen sind,
diese aber essentielles Element einer Verwaltungsentscheidung, nämlich der
Bestimmung der Bemessungsgrundlage für Zigaretten, sind.312
Danach ist die Bestimmung der Bemessungsgrundlage zur Erhebung der
Steuer eine Verwaltungsentscheidung mit allgemeiner Geltung. Ist die Steuerbemessungsgrundlage für Zigaretten einmal durch die Behörden bestimmt,
so stellt diese Entscheidung die Grundlage für die Besteuerung sämtlicher
Zigaretteneinfuhren dieser Bezeichnung dar, bis eine neue Bemessungsgrundlage festgelegt wird. Da die Durchschnittspreiserhebungen der Zentralbank nicht veröffentlicht wurden, stellt das Panel im Ergebnis fest, dass
die Dominikanische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Art. X Abs. 1
GATT verstoßen hat.313 Die Dominikanische Republik hat den Appellate
Body angerufen, jedoch nicht im Hinblick auf die Feststellungen des Panel
zu Art. X GATT.
c)
Handelspolitische Vereinbarungen
Das Erfordernis, nach dem auch „internationale handelspolitische Vereinbarungen“ im Zusammenhang mit Handel, Tarifen und Zoll zu veröffentlichen
sind, wurde in verschiedenen Arbeitsgruppen anlässlich der Beitritte von
310 „nearest similar product“.
311 Panelbericht Dominican Republic – Measures Affecting the Importation and Internal
Sale of Cigarettes, WT/DS302/R, para. 7.404.
312 ebenda, para. 7.405.
313 WT/DS302/R, para.7.420.
103
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
Costa Rica314, El Salvador315, Venezuela316 und Guatemala317 thematisiert.
So forderten Mitglieder der Arbeitsgruppe, die sich mit dem Beitritt Ungarns
beschäftigte, auch die Veröffentlichung der Produktlisten, die den Handelsvereinbarungen zwischen Ungarn und anderen CMEA-Mitgliedern318 beigefügt sind, die „auf Regierungsebene unterzeichnet wurden und Verträgen
zwischen Außenhandelsunternehmen zwischenstaatliche Autorität verleihen.“319
d)
„… werden unverzüglich so veröffentlicht, dass Regierungen und
Wirtschaftskreise sich mit ihnen vertraut machen können.“
Eine Konkretisierung dieser Formulierung ist im Panelbericht des Verfahrens EEC – Dessert Apples320 zu finden, in welchem Chile die nicht rechtzeitige Veröffentlichung der verwaltungsrechtlichen Vorschriften zur Umsetzung des von der EWG 1988 eingeführten Lizenzsystems beklagte. Das Panel befand jedoch, dass die Veröffentlichung der Vorschrift im Amtsblatt der
EWG dem Erfordernis des Art. X Abs. 1 GATT genügt. Weiterhin merkte
das Panel an, dass die Regelung keine konkrete Zeitspanne zwischen Veröffentlichung und Inkrafttreten vorschreibt. Sie versagt jedoch die Anwendung
nicht mehr aktueller Quoten.321 Anlässlich einer Klage der USA gegen dieselbe Importbeschränkung hat das Panel abermals darauf hingewiesen, dass
Art. X Abs. 1 GATT dennoch ein Verbot der rückwirkenden Anwendung
von Quoten enthält. Aus diesem Grund hat die EWG durch die Veröffentlichung von Quoten zu einem Zeitpunkt, in dem die Anwendungsperiode
schon seit mehr als zwei Monaten lief, gegen die Vorgaben des Art. X Abs. 1
GATT verstoßen.322
Einen Verstoß gegen Art. X Abs. 1 GATT rügten die USA in einem weiteren
Verfahren, in dem es um die Veröffentlichung von Informationen des Liquor
Board of British Columbia im Zusammenhang mit kanadischen Preispolitiken ging. Die Behörde hatte die Informationen den lokalen Brauern zugänglich gemacht, bevor diese den USA zur Verfügung standen. Die Ankündi314
315
316
317
318
319
320
321
L/6589, adopted on 7 November 1989, 36S/26.
L/6771, adopted on 12 December 1990, 37S/9.
L/6696, adopted on 11 July 1990, 37S/43.
L/6770, adopted on 6 February 1991, 38S/3.
Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe.
L/5303, adopted on 31 March 1982, 29S/129.
EC – Restrictions on Imports of Dessert Apples – Complaint by Chile, BISD 36S/93.
Panelbericht EEC – Restrictions on Imports of Dessert Apples, Complaint by Chile,
BISD 35S/93, 88–89, para. 4.20.
322 Panelbericht EEC – Restrictions on Imports of Dessert Apples, BISD 36S/135, S.
166–167, paras. 5.20–5.23.
104
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
gung der Preispolitik erfolgte nur fünf Tage vor deren Inkrafttreten. Das Panel stellte in diesem Zusammenhang keinen Verstoß gegen Art. X GATT
fest, da dieser
„… weder erfordert, dass die Mitglieder Informationen, die handelsrelevanten Informationen den heimischen und ausländischen Lieferanten zum gleichen Zeitpunkt zugänglich machen, noch müssen die Mitglieder die Handelsregulierungen vor ihrem Inkrafttreten veröffentlichen.“323
Zu dem in Abs. 1 niedergelegten Erfordernis, alle Gesetze möglichst unverzüglich zu veröffentlichen und deren Verhältnis zu Art. X Abs. 3 a) GATT
hat sich das Panel in Argentina – Bovine Hides geäußert:
„Während es normal wäre, dass das GATT 1994 eine derartige Transparenz
zwischen den Mitgliedern erfordert, ist es entscheidend, dass Art. X Abs. 1
weiter geht und sich speziell auf die Bedeutung der Transparenz gegenüber
individuellen Händlern bezieht. Daher ist nachvollziehbar, dass Art. X Abs.
3 a) eine Untersuchung der tatsächlichen Auswirkungen einer Maßnahme
auf den kommerziellen Handel erfordert. Dies setzt selbstverständlich, wie
auch sonst wenn es um Verstöße gegen das GATT geht, nicht voraus, dass
Handelseinbußen glaubhaft gemacht werden. Es kann aber untersucht werden, ob sich Voreingenommenheit, Unangemessenheit oder mangelnde Einheitlichkeit bei der Anwendung von Zollregelungen, Vorschriften, Entscheidungen etc. möglicherweise auf die Wettbewerbssituation ausgewirkt haben.“324
e)
Gebot der Veröffentlichung vor Inkraftsetzen
Im Bericht des Appellate Body zum Verfahren US – Underwear heißt es in
diesem Zusammenhang:
„Art. X Abs. 2(…) kann als Regelung angesehen werden, die ein Prinzip von
fundamentaler Bedeutung enthält – eines, das die vollständige Offenlegung
von staatlichen Maßnahmen fordert, welche Mitglieder, Private oder Unternehmen, nationale wie auch ausländische, betreffen. Dieses entscheidende
Prinzip ist weithin als das Prinzip der Transparenz bekannt und weist augenscheinlich Dimensionen des Grundsatzes eines ordnungsgemäßen Verfahrens auf. Entscheidend ist, dass die von staatlichen Maßnahmen, welche
Beschränkungen, bestimmte Erfordernisse oder andere Belastungen mit sich
bringen, betroffenen oder voraussichtlich betroffenen Mitglieder oder ande323 Panelbericht Canada – Import, Distribution and Sale of Certain Alcoholic Drinks by
Provincial Marketing Agencies, BISD 39S/27, para. 5.34.
324 Panelbericht Argentina – Measures Affecting the Export of Bovine Hides and the
Imports of Finished Leather, WT/DS155/R, para 11.76 und 11.77.
105
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
ren Personen, angemessen Gelegenheit haben, authentische Informationen
über derartige Maßnahmen zu erlangen und dementsprechend ihre Aktivitäten zu schützen und anzupassen, oder alternativ Änderungen der Maßnahmen zu ersuchen.“325
Weiter hat der Appellate Body die Frage erörtert, ob Art. X Abs. 2 GATT die
rückwirkende Anwendung vorläufiger Schutzmaßnahmen nach dem Textilwarenübereinkommen verbietet.
„Artikel X Abs. 2 … regelt die Frage der Zulässigkeit der Rückwirkung belastender Schutzmaßnahmen nicht und kann daher auch keine Lösung bieten. (…) Dort, wo es keine Vorschrift gibt, die belastenden staatlichen Maßnahmen rückwirkende Geltung verleiht, kann die Veröffentlichung der Maßnahme vor deren tatsächlichen Anwendung diese Unzulänglichkeit nicht
heilen.“326
f)
Einheitliche, unparteiische und gerechte Anwendung
Im Panelbericht, der sich mit der dritten Klage gegen die europäische Bananenmarktordnung beschäftigt, hat das Panel das Argument, dass Art. X Abs.
3 GATT sich nur auf interne Maßnahmen bezieht, abgewiesen. Es stellte
fest:
„… interne Gesetze, die Grenzmaßnahmen regulieren, stellen ‚requirements
on imports‘ i. S. des Art. X Abs. 1 GATT dar und können daher nicht von
dessen Regelungsbereich ausgenommen werden.“327
Zu der Regelung in Unterabsatz a) hat das Panel in dem Streitverfahren Dominican Republic – Measures Affecting the Importation and Internal Sale of
Cigarettes, in dem es um die Veröffentlichung und die Anwendung der Kriterien für die Bewertung importierter Zigaretten durch die Dominikanische
Republik ging, klargestellt, dass es zu klären habe:
„…(a) ob die Bestimmungen zur selektiven Verbrauchsteuer zu den „Gesetzen, sonstigen Vorschriften und Entscheidungen“ im Sinne des Art. X Abs. 1
GATT gehören, und, wenn dem so ist, (b) ob die Dominikanische Republik
325 AB-Bericht US-Restrictions on Imports of Cotton and Man-Made Fibre Underwear,
WT/DS24/AB/R, para. 21.
326 ebenda, para. 22.
327 Panelbericht, EC – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas
(Bananas III), Complaint by Guatemala/Honduras, WT/DS27/R/GTM, para. 7.206.
Danach fallen auch Lizenzierungsbestimmungen für mengenmäßige Beschränkungen
in den Regelungsbereich des Abs. 1 und sind damit von Abs. 3 erfasst.
106
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
diese nicht in einheitlicher, unparteiischer und gerechter Art und Weise angewandt hat …“.328
Nachdem das Panel die erste Voraussetzung bejaht hatte, äußerte es sich zu
Punkt (b). Honduras hatte vorgebracht, die Dominikanische Republik wende
die Bestimmungen zur selektiven Verbrauchsteuer in ungerechter Art und
Weise an. Trotz verschiedener, in Gesetzen niedergelegter Methoden, die
eine Berechnung der Steuer für inländische und importierte Zigaretten anhand des Endverkaufspreises vorsahen, hatte das Land diese in bestimmten
Fällen nicht angewendet. Diese Fälle waren weder gesetzlich geregelt, noch
wurde der Behörde Ermessen eingeräumt, von den Methoden abzuweichen.
Nach der Festgestellung, dass es für einen Verstoß gegen Art. X Abs. 3 a)
GATT ausreicht, dass die Bestimmungen ungerecht, nicht aber parteiisch
oder uneinheitlich angewendet werden, fährt das Panel fort:
„Im Kontext von Artikel X GATT, der mit ‚Veröffentlichung und Anwendung
von Handelsvorschriften‘ überschrieben ist, bedeutet das Wort ‚gerecht‘329
soviel wie ‚vom Verstand geleitet‘, ‚nicht irrational oder absurd‘, ‚angemessen‘, ‚sinnvoll‘, ‚vernünftig‘, ‚mäßig‘…“330
Die Tatsache, dass die Behörden der Dominikanischen Republik ihre Entscheidung über die Bewertungsgrundlage für die auf eingeführte Zigaretten
zu erhebende Steuer nicht anhand einer der drei gesetzlich geregelten Methoden getroffen und den Endverkaufspreis der eingeführten Zigaretten
missachtet haben, stellt kein ‚vom Verstand geleitetes‘, ‚sinnvolles‘ Verhalten dar.331
In US – Stainless Steel hat das Panel die Rüge Koreas abgewiesen, die USA
habe gegen Art. X Abs. 3 a) GATT verstoßen indem sie von ihrer gängigen
Praxis bei der Festsetzung lokaler Verkaufspreise abgewichen sei. Danach
stellt die Regelung
„… keinen Überprüfungsmechanismus für die Kontinuität von bestimmten
mitgliederstaatlichen Entscheidungen oder Urteilen innerhalb nationalen
328 Dominican Republic – Cigarettes, WT/DS302/R, para. 7.375.
329 „reasonable“, die deutsche Übersetzung ist nicht treffend.
330 Dominican Republic – Cigarettes, WT/DS302/R, Paragraph 7.385; dort heißt es:
“Read in the context of Article X, which is entitled ‘Publication and Administration
of Trade Regulations’, the ordinary meaning of the word ‘reasonable’, refers to notions such as ‘in accordance with reason’, ‘not irrational or absurd’, ‘proportionate’,
‘having sound judgement’, ‘sensible’, ‘not asking for too much’, ‘within the limits of
reason, not greatly less or more than might be thought likely or appropriate’, ‘articulate’.”
331 Dominican Republic – Cigarettes, WT/DS302/R, para. 7.388.
107
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
Rechts und nationaler Praxis dar. Dies ist eine Aufgabe, die dem jeweiligen
Rechtssystem eines Mitglieds vorbehalten ist, und für WTO-Panel auch
denkbar ungeeignet ist.(…) Nach unserer Ansicht muss die Pflicht zur einheitlichen Anwendung von Gesetzen und Vorschriften als solche zur Gleichbehandlung von Personen in ähnlichen Situationen verstanden werden,
nicht aber so, dass das Resultat auch dann gleich sein muss, wenn entscheidende Faktoren differieren. Ebenso wenig halten wir die Pflicht zur gerechten Anwendung von Gesetzen und Vorschriften allein deshalb für verletzt,
weil die Verwaltung der Gesetze zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führt,
wenn diese auf verschiedenen Sachverhalten beruhen.“332
Die formell unterschiedlichen Voraussetzungen für Einfuhrlizenzanträge in
den einzelnen EG-Mitgliedstaaten und die unterschiedlichen Erfordernisse
im Falle von pro-forma-Rechnungen in diesen, wurden von dem Panel in
EEC – Dessert Apples als minimal eingestuft und stellen, wie von Chile
mangels Einheitlichkeit behauptet, selbst keinen Verstoß gegen Art. X Abs.
3 GATT dar.333 Nach Ansicht des Panel
„… sind die Vorschriften der Kommission der EEC nach Art. 189 des Vertrages von Rom, die das Einfuhrlizenzverfahren vorgeben, in sämtlichen der
zehn Mitgliedstaaten unmittelbar in einer grundsätzlich einheitlichen Weise
anzuwenden, auch wenn geringe administrative Variationen, z.B. im Hinblick auf die Antragsformulare möglich sind. Diese Uneinheitlichkeiten sind
aber minimal und stellen für sich keinen Verstoß gegen Art. X Abs. 3 GATT
dar. Die Regelung der Kommission, und nur diese, setzt den rechtlichen
Rahmen für alle Beteiligten. Die internen verwaltungsrechtlichen Vorgaben,
die einige Mitgliedstaaten für erforderlich halten mögen, können die Rechte
und Pflichten der Beteiligten nicht wirksam modifizieren.
In Fällen, in denen die klagende Partei einen Verstoß gegen mehrere GATTArtikel behauptete, befand das Panel, dass sich Art. X Abs. 1 und Abs. 3
332 Panel Report, United States-Anti-Dumping Measures on Stainless Steel Plate in Coils
and Stainless Steel Sheet and Strip from Korea, WT/DS179/R, angen. am 1.2.2001.
paras.6.50–6.51.
333 Chile war der Ansicht, dass die Unterschiede in den damals 10 Mitgliedstaaten im
Hinblick auf die Erfordernisse für Einfuhrlizenzanträge für Dessertäpfel einen Verstoß gegen Art. X Abs. 3 GATT konstituierten. Bspw. erforderte der französische Einfuhrlizenzantrag eine Proformarechnung, was bedeutete, dass das Bemühen um eine
Lizenzen erst möglich war, nachdem die Schiffe beladen waren. Andere Beispiele
waren die Akzeptanz von Lizenzanträgen per Telex durch einige Mitgliedstaaten und
durch andere nicht, unterschiedliche Verfahren für Bankgarantien, und die Ablehnung
eines Mitgliedstaates Lizenzen zu akzeptieren, die ein anderer Mitgliedstaat ausgestellt hatte.
108
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
GATT lediglich mit der Veröffentlichung und Anwendung solcher Quoten
beschäftigt, die im Einklang mit dem GATT stehen.334 Ist ein Verstoß gegen
Art. XI GATT festgestellt, so braucht über einen Verstoß gegen Art. X
GATT nicht mehr befunden zu werden.335
Ähnlich wurde auch in Bananas III entschieden, in dem der Appellate Body
erwähnt hat, dass Art. X Abs. 3 a) GATT der Anwendung eines Einfuhrlizenzverfahrens auf Produkte mit Ursprung im Staatsgebiet eines Mitglieds
und eines anderen Einfuhrlizenzverfahrens auf dasselbe Produkt, wenn es
aus dem Staatsgebiet eines anderen Mitglied stammt, nicht entgegensteht.
Seiner Ansicht nach
„… weist der Wortlaut des Art. X Abs. 3 a) deutlich darauf hin, dass sich die
Tatbestandsmerkmale ‚einheitlich‘, ‚unparteiisch‘ und ‚gerecht‘ nicht auf
die Gesetze, sonstigen Vorschriften und Entscheidungen selbst beziehen,
sondern auf die Anwendung der Gesetze, sonstigen Vorschriften und Entscheidungen. Dessen Stellung innerhalb des Art. X, der mit „Veröffentlichung und Anwendung von Handelsvorschriften“ überschrieben ist, und der
Kontext der anderen Absätze des Artikels machen deutlich, dass sich Art. X
auf die Anwendung der Gesetze, sonstigen Vorschriften und Entscheidungen
bezieht. Soweit die Gesetze, sonstigen Vorschriften und Entscheidungen
selbst diskriminieren, können sie auf die Vereinbarkeit mit den einschlägigen
Artikeln des GATT 1994 überprüft werden.“336
Dies wurde vom Panel im Verfahren US – Corrosion-resistant Steel Sunset
Review bestätigt.337
Der Behauptung der beklagten Partei, dass Art. X Abs. 3 a) GATT nur in
solchen Situationen einschlägig sei, in denen eine Diskriminierung zwischen
WTO-Mitgliedern vorläge,338 ist das Panel in Argentina – Bovine Hides mit
der Begründung entgegengetreten, dass sich die Norm nirgends auf Mitglie334 Japan – Restrictions on Imports of Certain Agricultural Products, BISD 35S/163,
para. 5.4.2.
335 Japan – Measures on Imports of Leather, BISD 31S/94; Republic of Korea – Restrictions on Imports of Beef, Complaint by Australia, BISD 36S/202; Complaint by New
Zealand BISD 36S/234; Complaint by US, BISD 36S/268; Canada – Import Restrictions on Ice Cream and Yoghurt, BISD 36S/68; EEC – Regulation on Imports of
Parts and Components, BISD 37S/132.
336 EC – Bananas, WT/DS27/AB/R, para. 200–201.
337 US – Sunset Review of Anti-Dumping Duties on Corrosion-Resistant Carbon Steel
Flat Products from Japan, WT/DS/244/R, adopted 9.1.2004, para. 7.289.
338 Argentinien hatte argumentiert Abs. 3 a) sei nur in Fällen einer diskriminierenden
Behandlung, bspw. von Ausfuhren verschiedener Mitglieder, anwendbar. Argentina –
Bovine Hides, WT/DS155/R.
109
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
der oder Produkte, stammend aus oder bestimmt für bestimmte Mitgliederländer, bezieht.339 Im Hinblick auf die Absätze 1 und 3 b) und deren Fokus
auf private Händler als Hauptbegünstigte der darin normierten Verpflichtungen, kann Art. X nicht darauf reduziert werden, allein auf Diskriminierung
zwischen Mitgliedern Anwendung zu finden.340 Auf die Behauptung Argentiniens, ein Verstoß gegen Abs. 3 a) könne nur im Hinblick auf die Anwendung einer Regelung, nicht aber deren Substanz festgestellt werden, entgegnete das Panel:
„Wenn die Substanz einer Regel nicht angegriffen werden kann, auch dann
nicht, wenn sie administrativer Natur ist, ist unklar, was überhaupt unter
dem Artikel angegriffen werden kann.“341
Beschlüsse administrativer Natur sind danach „ordentlicher Gegenstand einer Überprüfung anhand des Art. X Abs. 3 a).“ Nimmt man die Feststellungen des Panel in EEC – Poultry342 hinzu, so kann gefolgert werden, dass
trotz der Fokussierung des Artikels auf der Anwendung der in Abs. 1 genannten Vorschriften, ein Mitglied auch die Substanz der Regelung angreifen kann, wenn diese administrativer Natur ist.
In US – Hot-Rolled Steel heißt es dazu, dass die Maßnahmen eines Mitglieds
nur dann einen Verstoß gegen Art. X Abs. 3 a) darstellen, wenn sie signifikante Auswirkungen auf die generelle Anwendung der Gesetze haben. Nicht
ausreichend ist, dass sie nur das Ergebnis in einem Einzelfall beeinflussen.
Dazu führt das Panel aus:
„Während es nicht unvorstellbar ist, dass das Verhalten eines Mitglieds im
Einzelfall Mängel im Hinblick auf die einheitliche, unparteiische und gerechte Anwendung von Gesetzen, sonstigen Vorschriften und Entscheidungen erkennen lässt, halten wir es für erforderlich, dass die fraglichen Maßnahmen wesentliche Auswirkungen auf die generelle Anwendung des Rechts
und nicht nur auf das Ergebnis im Einzelfall haben. Darüber hinaus halten
wir es für unwahrscheinlich, dass man in Fällen, in denen die fraglichen
Maßnahmen selbst im Einklang mit besonderen Verpflichtungen anderer
WTO-Übereinkommen stehen, zu einem solchen Ergebnis kommt.“343
339
340
341
342
ebenda, para. 11.68.
ebenda, para. 11.67–11.68.
ebenda, para. 11.71.
„Art. X bezieht sich auf die Veröffentlichung und Anwendung von Gesetzen, sonstigen Vorschriften und Entscheidungen, nicht auf den wesentlichen Gehalt einer solchen Maßnahme.“
343 US – Hot-Rolled Steel, Panel Report, WT/DS184/R, adopted 23.08.2001, para.
7.268; dies wurde vom Panel in US – Sunset Review of Anti Dumping Duties on
110
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
Zur Frage, ob die Verpflichtung zur einheitlichen, unparteiischen und gerechten Anwendung verletzt worden ist, notiert das Panel in Argentina –
Bovine Hides:
„…(die Prüfung) wird grundsätzlich nicht danach fragen, ob eine diskriminierende Behandlung zugunsten eines Mitglieds im Vergleich zu einem anderen stattgefunden hat. Vielmehr liegt der Schwerpunkt auf der Behandlung
des jeweiligen Händlers durch das Mitglied.“
„einheitlich“
„… diese Bestimmung darf nicht als weit gefasstes Diskriminierungsverbot
verstanden werden. Unserer Ansicht nach darf sie nicht so verstanden werden, als schreibe sie die Gleichbehandlung aller Produkte vor. Damit läse
man zu viel in den Absatz hinein, dessen Schwerpunkt in der tagtäglichen
Anwendung von Zollgesetzen, Regellungen und Vorschriften liegt. Es existieren viele Produktvariationen, die eine differenzierte Behandlung erfordern
mögen, und wir sind der Meinung, die Bestimmung darf nicht als allgemeine
Aufforderung an ein Panel angesehen werden, derartige Differenzierungen
vorzunehmen.“
„unparteiisch“
„Immer dann, wenn es einer Partei mit gegensätzlichen kommerziellen Interessen aber ohne entscheidende rechtliche Interessen344 erlaubt ist, bei der
Abfertigung involviert zu sein, besteht die innenwohnende Gefahr, dass
Zollgesetze, -vorschriften und -regeln in parteiischer Art und Weise angewendet werden, insofern als dass dieser ermöglicht wird, vertrauliche Informationen zu erlangen, auf die sie kein Recht hat.“
„gerecht“
„… mit Blick auf die Informationen, die der Zollabfertigungsprozess hervorbringt, ist es ungerecht, wenn ADICMA [Association of Industrial Producers of Leather, Leather Manufacturers and Related Products] Vertreter
diesem Verfahren beiwohnen dürfen. (…)Wir sehen keinen Grund, warum
ADICMA Zugang zu diesen Informationen benötigt, welche von Natur aus
Corrosion-Resistant Carbon Steel Flat Products from Japan, Panel Report,
WT/DS244/R, angenommen am 14.8.2003, bestätigt.
344 In einer Fußnote des Berichts heißt es: „Abermals stellen wir fest, dass, möglicherweise, ein ‚rechtliches Interesse‘ durch RG 2235 (der argentinische Beschluss der
ADICMA-Vertretern erlaubt bei der Inspektion von Rinderfellen und -häuten vor
Export zugegen zu sein) selbst kreiert wird. Trotzdem handelt es sich dabei um die
fragliche Maßnahme, und sie darf nicht selbst eine rechtliche Beziehung erschaffen,
die es anderenfalls nicht gäbe.“
111
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
vertraulich sind und welche ihr als Teilnehmer an dem Abfertigungsverfahren mit dem Ziel sachgemäßer Einreihung bekannt gemacht werden, um Betrügereien und Fehler im Zusammenhang mit der Festsetzung von Ausfuhrabgaben und deren Erstattung zu verhindern …“345
und kommt zu dem Schluss, dass
„… ein Verfahren, dessen Ziel es ist, die korrekte Einreihung von Produkten
zu sichern, … welches die Gefahr birgt, vertrauliche Geschäftsinformationen zu offenbaren, stellt eine ungerechte Anwendung der in Abs. 1 genannten Gesetze, sonstigen Vorschriften und Entscheidungen dar und ist daher
mit Art. X Abs. 3 a) nicht zu vereinbaren.“346
Am 21. März 2005 hat das Streitbeilegungsgremium auf Anfrage der USA
ein Panel eingesetzt, welches sich mit der Frage beschäftigen wird, ob die
Europäische Gemeinschaft die Verordnung des Rates der Europäischen Gemeinschaft Nr. 2913/92 zur Festlegung des Zollkodex,347 dessen Durchführungsvorschriften348 und die Verordnung des Rates über die zolltarifliche
und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, einschl.
TARIC,349 in WTO-rechtskonformer Weise anwendet. Nach Ansicht der
USA stellt deren Anwendung durch die Zollverwaltungen der EG-Mitgliedstaaten in unterschiedlicher Form (Gesetze, Verordnungen, Handbücher,
Verwaltungspraxis der Zollbehörden) einen Verstoß gegen Art. X Abs. 3 a)
GATT dar.350 Eine einheitliche, unparteiische und gerechte Anwendung sei
nicht gegeben. Dies zeige sich an den Unterschieden in den EG-Mitgliedstaaten Hinblick auf:
– die Einreihung und Bewertung von Waren,
– die zur Einreihung und Bewertung angewandten Verfahren einschließlich
der Bestimmungen über verbindliche Zolltarifauskünfte,
– die Verfahren zum Eintritt und zur Freigabe von Waren, einschließlich
unterschiedlicher Erfordernisse im Hinblick auf Ursprungszeugnisse, unterschiedlicher Kriterien für die Zollbeschau, die Lizenzerfordernisse für
345 Panel Report, Argentina – Bovine Hides, WT/DS155/R, para. 11.91.
346 ebenda, para. 11.94.
347 Siehe zum Zollkodex: Wolffgang, in: Witte/Wolffgang, Lehrbuch des Europäischen
Zollrechts, S. 40 ff.
348 Verordnung der Kommission Nr. 2454/93 vom 2.7.1993.
349 Verordnung des Rates Nr. 2658/87 vom 23.7.1987 sowie der auf dessen Artikel 2
beruhende integrierte Tarif der Europäischen Gemeinschaften (TARIC).
350 EC – Selected Customs Matters, Request for the Establishment of a Panel by the
United States, WT/DS315/8.
112
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
die Einfuhr von Nahrungsmitteln und unterschiedlicher Verfahren für die
Abwicklung von Expresslieferungen,
– die Verfahren für die betriebliche Außenprüfung der Zollanmeldung nach
Überlassung der Waren in den EU-Warenverkehr,
– Sanktionen und die Verfahren für die Verhängung von Sanktionen beim
Verstoß gegen Zollvorschriften, sowie
– die Erfordernisse der Aktenführung.
Darüber hinaus sei es der EG nicht gelungen, ein Verfahren i. S. des Art. X
Abs. 2 b) GATT einzuführen bzw. beizubehalten. Da die genannten Verordnungen, insbesondere Artikel 243–246 des Zollkodex vorsehen, dass den
EG-Mitgliedstaaten die Umsetzung der Beschwerdeverfahren zur Überprüfung von Verwaltungsakte in Zollangelegenheiten obliegt, sei die Möglichkeit der Überprüfung einer Zollentscheidung durch ein Tribunal der Gemeinschaft erst eröffnet, nachdem der Einführer oder die interessierte Partei
ein mitgliederstaatliches Verfahren durchlaufen hat.351
Es bleibt abzuwarten, wie das Verfahren ausgehen wird. Mit Blick auf die
Entscheidung des Panel im oben erwähnten Verfahrens EEC – Restrictions
on Imports of Dessert Apples dürfte ein Verstoß gegen Art. X Abs. 3 GATT
nur dann zu bejahen sein, wenn die Unterschiede nicht als geringfügig einzustufen sind.352 Da in dem damaligen Verfahren schon kein Verstoß vorlag,
hat das Panel es nicht für notwendig erachtet zu untersuchen, ob sich das
Erfordernis der „einheitlichen“ Anwendung der Handelsvorschriften auf die
Gemeinschaft als Ganzes oder auf jeden Mitgliedstaat einzeln bezieht. Es
wird sich zeigen, ob das aktuelle Verfahren die vielen offenen Fragen mit
Blick auf die WTO-Verpflichtungen der Europäischen Gemeinschaft zu klären vermag.
1.3.4. Ergebnis der Analyse des Art. X
Es ist festzustellen, dass Art. X GATT die WTO-Mitglieder bereits weitgehend dazu verpflichtet, Transparenz und Rechtssicherheit bei der Regelung
der Ein- und Ausfuhrverfahren zu schaffen. Die Mitglieder haben nicht nur
351 ebenda, S. 2.
352 Dazu heißt es in Paragraph 2.30 des Berichts: The Panel further noted that the EEC
Commission Regulations in question were directly applicable in all of the ten Member States concerned in a substantially uniform manner, although there were some
minor administrative variations, e.g. concerning the form in which licence applications could be made and the requirement of pro-forma invoices. The Panel found that
these differences were minimal and did not in themselves establish a breach of Article X:3.
113
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
relevante Bestimmungen zu veröffentlichen, sie müssen diese auch einheitlich, unparteiisch und gerecht anwenden. Die Streitbeilegung hat weitere
Erkenntnisse aber auch Unklarheiten gebracht. Während ein Panel bspw.
feststellte, dass Art. X GATT nicht erfordert, dass die Mitglieder Handelsregulierungen vor ihrem Inkrafttreten veröffentlichen, befand der Appellate
Body in US – Underwear zu Art. X Abs. 2 GATT, dass die von belastenden
oder beschränkenden staatlichen Maßnahmen betroffenen oder voraussichtlich betroffenen Mitglieder oder Personen, angemessen Gelegenheit haben
müssen, zuverlässige Informationen über die Maßnahmen zu erlangen und
sich darauf einzustellen oder alternativ Änderungen der Maßnahmen zu ersuchen. Eine gesetzgeberische Klarstellung wäre folglich angebracht. Wie
auch bei Art. VIII GATT wäre eine Kodifizierung der Ergebnisse der Streitbeilegung den Transparenzbestrebungen dienlich. Dem bestehenden Defizit
im Hinblick auf den Zugang zu Informationen ist angesichts moderner
Kommunikationsmittel vergleichsweise leicht beizukommen. Der Einsatz
bspw. des Internets könnte, der politische Wille der Regierenden vorausgesetzt, u.a. Gegenstand einer Neuregelungen sein.
1.4.
Zwischenergebnis
Die Analyse der Artikel V, VIII und X GATT führt zu der Erkenntnis, dass
sich zwar Teile der derzeitig diskutierten Trade Facilitation-Maßnahmen in
den Bestimmungen selbst, oder aber in den sich mit ihnen befassenden Interpretationen durch das jeweilige Panel oder den Appellate Body wiederfinden, konkrete, effektive und transparente Verpflichtungen aber nur vereinzelt bestehen. Insgesamt ist festzustellen, dass die zum Großteil von 1947
stammenden Bestimmungen zwar grundlegende Prinzipien auf dem Gebiet
der Zollverfahren festlegen, die jedoch nicht weit genug gehen, um den heutigen in der Praxis auftretenden Handelshemmnissen zu begegnen.
Exkurs:
1. Art. VII GATT und das Zollwertabkommen353
Neben den vom Mandat erfassten GATT-Artikeln wird im Zusammenhang
mit Trade Facilitation häufig auch Artikel VII GATT genannt. Da dieser
im Mandat keine Erwähnung findet und daher nicht Gegenstand der Reformen ist, spielt er nur eine untergeordnete Rolle in den aktuellen Verhandlungen. Dennoch spielt er für die Erleichterung des internationalen
353 Das Übereinkommen zur Durchführung des Art. VII des GATT 1994, in Kraft getreten am 1.1.1995.
114
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
Handels eine entscheidende Rolle und ist damit den bestehenden Trade
Facilitation-Recht zuzurechnen.
Art. VII des GATT 1947 bildet den Ausgangspunkt der Bestrebungen,
Bewertungsgrundsätze auf internationaler Ebene zu vereinheitlichen.
Normiert sind vornehmlich Grundsätze für die Bewertung von Waren, die
bei der Einfuhr oder Ausfuhr Zöllen oder sonstigen Beschränkungen und
Belastungen354 unterliegen, die auf dem Wert der Ware beruhen oder in irgendeiner Form vom Wert der Ware abhängig sind.355 Grundlage der Abgabenerhebung ist der wirkliche Wert (actual value) der Waren. Dieser ist
gemäß Art. VII Abs. 2 b) GATT der Preis, zu dem eine bestimmte (oder
gleichartige) Ware „im normalen Handelsverkehr unter Bedingungen des
freien Wettbewerbs (…) verkauft oder angeboten wird“. Ziel ist es, eine
im Grundsatz möglichst gleichmäßige Zollwertbemessung zu erreichen
und zu verhindern, dass vereinbarte Tarifzugeständnisse durch unterschiedliche Bewertungsmethoden wieder entwertet werden.356 Soweit bei
einem bestimmten Geschäft der Preis dieser oder einer gleichartigen Ware
von der Menge abhängt, soll sich der zugrunde zu legende Preis einheitlich entweder auf vergleichbare Mengen (i) oder auf Mengen beziehen, die
für den Importeur nicht weniger günstig sind als die Mengen, in denen der
überwiegende Teil dieser Waren im Handel zwischen dem Ausfuhrland
und dem Einfuhrland verkauft wird (ii). Zur Förderung von Transparenz
besteht darüber hinaus gemäß Art. VII Abs. 5 GATT die Pflicht, die nationalen Regeln über die Bestimmung des Warenwerts für Zollfragen zu veröffentlichen.
2.
Übereinkommen zur Durchführung des Art. VII GATT
1994 (Zollwertkodex357)
2.1.
Hintergrund
Sinn und Zweck des im Rahmen der Tokio-Runde im Jahre 1979 ausgearbeiteten GATT-Zollwertkodex358 war es, durch eine neue Bewertungsme-
354 Innere Abgaben oder das Äquivalent innerer Abgaben, die anlässlich oder im Zusammenhang mit der Einfuhr erhoben werden, fallen nicht unter „sonstige Belastungen“ in diesem Sinne (Anm. und ergänz. Bestimmungen zu Art. VII Abs. 1 GATT).
355 Eine Pflicht, für die Berechnung der Zollabgaben auf das System der Zollwertbemessung umzustellen besteht nicht.
356 Gerlach, in: Witte/Wolffgang, Lehrbuch des Europäischen Zollrechts, S. 403.
357 Abl. der EG Nr. L336/119 vom 23.12.1994, die multilateralen Verhandlungen der
Uruguay-Runde (1986–1994)-Anhang 1 – Anhang 1 A – Übereinkommen zur Durchführung des Art. VII GATT 1994.
115
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
thode größere Einheitlichkeit und Sicherheit bei der Implementierung des
Art. VII GATT zu schaffen und ein gerechtes, einheitliches und neutrales
System für die Bewertung von Waren zu schaffen.359 Ohne materielle Änderung wurde er infolge der Gründung der WTO durch den GATTZollwertkodex 1994 abgelöst.
2.2.
Struktur
Der Zollwertkodex, untergliedert in Bewertungsregeln (Art. 1 – 17), Regelungen über die Verwaltungsorgane und die Beseitigung von Auslegungsdifferenzen (Art. 18, 19), Sonderregeln für Entwicklungsländer (Art. 20)
und die Schussbestimmungen (Art. 21 – 24), sieht sechs verschiedene Methoden zur Ermittlung des Zollwerts vor. Diese stehen nicht gleichberechtigt nebeneinander, sondern in einem Rangverhältnis. Kann der Zollwert
nach der vorrangig zu prüfenden Methode nicht ermittelt werden, so findet
gemäß Art. 4 S. 1 ZWK die jeweils nachfolgende Bewertungsmethode
Anwendung.360
Die vorrangig anzuwendende Bewertungsmethode legt der Bewertung den
Transaktionswert, gemäß Art. 1 ZWK der bezahlte oder der zu bezahlenden Preis, zugrunde.361 Beruht die Einfuhr nicht auf einem Kaufgeschäft,
so ist der Transaktionswert von „gleichen“, Art. 2, oder „gleichartigen“,
Art. 3, Waren festzustellen. Kann der Zollwert auch danach nicht ermittelt
werden, so ist gemäß Art. 5 ZWK die deduktive Methode anzuwenden.
Danach erfolgt die Bewertung anhand des im Einfuhrland erzielten Verkaufspreises, soweit nicht schon bei der Einfuhr ein Kauf vorliegt. Zuletzt
bleibt die Bewertung anhand der additiven Methode nach Art. 6 ZWK.
Danach ist der Zollwert der auf Grundlage von Material- und Herstellungskosten im Ausfuhrland errechnete Wert. Auf Antrag des Einführers
können die soeben erläuterten Methoden auch in umgekehrter Reihenfolge
angewendet werden. Kann der Zollwert dennoch nicht ermittelt werden, so
358 Der GATT Zollwertkodex wurde am 12.4.1979 unterzeichnet und ist am 01.01.1981
in Kraft getreten; die Europäische Gemeinschaft hat diesen aber schon ab dem
01.07.1980 angewendet. Zu diesem Zeitpunkt kündigte sie ihre Mitgliedschaft in
dem Abkommen über den Zollwert.
359 Das am 28.07.1953 in Kraft getretene Abkommen über den Zollwert der Waren
(BGBl. II 1952, 1 ff., Gesetz über internationale Vereinbarungen auf dem gebiete des
Zollwesens von 17.12.1951) ging von einem theoretischen Zollwertbegriff aus, dessen Komplexität zu vielfältigen Schwierigkeiten bei der praktischen Anwendung
führte, Gerlach, in Witte/Wolffgang, Lehrbuch des Europäischen Zollrechts, Rn.
1494; Ipsen, Völkerrecht, § 45 Rn. 14.
360 Ipsen, Völkerrecht, § 45 Rn. 14.
361 „Rechnungspreis“ (Ipsen, ebenda).
116
1. Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994
bestimmt Art. 7 des Kodex die „Schlussmethode“. Danach hat die Bewertung anhand „vernünftiger Erwägungen im Einklang mit den Prinzipien
und grundlegenden Vorschriften dieses Übereinkommens und jenen des
Art. VII GATT, ebenso wie auf Grundlage der im Importland zugänglichen Daten“, zu erfolgen. Es ist folglich in weiter Auslegung der ersten
fünf Methoden in einer Art analogen Anwendung vorzugehen, ohne jedoch an das Vorliegen aller Voraussetzungen gebunden zu sein.362
2.3.
Transparenz
Art. 22 Abs. 1 und 22 Abs. 2 sehen umfangreiche Notifizierungsverpflichtungen vor. Diese sollen Transparenz und damit Rechtssicherheit schaffen.
Transparenz spiegelt sich unter anderem auch in Art. 9 ZWK wider. Danach ist der Umrechnungskurs in Fällen, in denen die Währung bei der
Bewertung eine Rolle spielt, durch die zuständige Stelle des Einfuhrstaates zu veröffentlichen. Anhang II des ZWK sieht in Übereinstimmung mit
Art. 18 die Bildung eines Technischen Ausschusses vor. Diesem obliegt
es, eine einheitliche Interpretation und Anwendung des Abkommens zu
gewährleisten.363 Transparenz bring auch das Recht auf Überprüfung des
ermittelten Zollwerts nach Art. 11 Abs. 1 ZWK, dessen Geltendmachung
dem Zollschuldner keine Nachteile bringen darf. Dem Beschwerdeführer
ist die Entscheidung samt schriftlicher Begründung bekannt zu geben, und
er ist über seine Rechtsbehelfe zu belehren.
2.4.
Beschleunigung
Den Aspekt der Verfahrensbeschleunigung greift der Kodex in Art. 13 auf.
Wird die endgültige Ermittlung des Zollwertes auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, so sollen die Waren freigegeben werden, wenn der Importeur eine Sicherheit, in Form einer Bürgschaft, Kaution o.ä. stellt, die
der Höhe nach den zu erwartenden Zoll für die Waren abdeckt.
362 So Ditges/Varenhorst, Der Zollwertkodex das GATT, in: ZfZ 1979, S. 260.
363 Dieser hat Schwierigkeiten bei der praktischen Anwendung des Bewertungssystems
zu untersuchen, Bewertungsgesetze, -verfahren und –praktiken in diesem Zusammenhang zu prüfen und über die Ergebnisse zu berichten. Jährlich sind Berichte über
den status quo des Abkommens abzugeben und zu verbreiten. Nach lit. (d) des Anhangs II Nr. 2 ist der Ausschuss damit betraut, auf Anfrage eines Mitglieds oder des
ständigen Ausschusses Informationen im Zusammenhang mit der Bewertung von
Waren für Zollzwecke zu liefern und diesbezügliche Beratung zu gewährleisten.
117
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
2.5.
Besondere und differenzierte Behandlung der Entwicklungsländer
Die besondere und differenzierte Behandlung der Entwicklungsland-Mitglieder kommt in Teil III des Zollwertkodex zum Ausdruck. Art. 20 gibt
Entwicklungsländern, die noch nicht Mitglied des Übereinkommens zur
Durchführung des Art. VII GATT sind die Möglichkeit, mit der Anwendung der Regelungen bis zu fünf Jahre, nachdem das WTO-Übereinkommen für sie in Kraft getreten ist, zu warten.
2.6.
Konkretisierung des Art. VII GATT
Durch die Konkretisierung des Art. VII GATT im Jahre 1979 durch Ausarbeitung des GATT-Zollwertkodex, der am 12. Mai 1995 vom zuständigen WTO-Ausschuss angenommen wurde,364 wurden eine Vielzahl von
Problemen auf dem Gebiet der Bewertung beseitigt. Gegenstand eines
Streitbeilegungsverfahrens war Art. VII GATT bisher noch nicht. Jedoch
hat der zuständige Ausschuss verschiedene konkretisierende Entscheidungen für bestimmte Waren getroffen.365
3.
Bedeutung des Art. VII GATT
Der Zollwertkodex und der ihm zugrunde liegende Art. VII GATT streben
eine Vereinheitlichung der Bewertungsmethoden an, was zu einer bedeutende Erleichterung des internationalen Handels führen würde. Aus dem
Jahresbericht des für die Bewertung von Waren zuständigen Ausschusses
geht hervor, dass die Verpflichtungen mittlerweile zu einem Großteil umgesetzt wurden. Im Einklang mit Art. 20 Abs. 1 ZWK wendeten im Jahre
2004 alle Entwicklungsland-Mitglieder die Bestimmungen des ZWK an.
Kein Mitglied macht von der Verlängerungsmöglichkeit nach Absatz 1 des
Anhang III Gebrauch. 4 Mitgliedern werden derzeit Vorbehalte nach Absatz 2 Anhang III bzgl. eines Mindestwerts oder Ausnahmen nach Art. IX
Abs. 3 WTO gewährt.366 Jedoch macht der Bericht auch deutlich, dass die
Notifizierungsverpflichtungen nicht sonderlich ernst genommen werden.
Bis heute haben 68 Mitglieder367 ihre Gesetze im Zusammenhang mit der
Bewertung notifiziert, während die Notifizierung von 55 Mitgliedern noch
364 G/VAL/M/1, Section J; G/VAL/5.
365 Am 12.5.1995 wurde bspw. die Entscheidung des Tokioter Zollwertausschusses über
die Bewertung von Datenträgern mit Software für Datenverarbeitungsgeräte (carrier
media bearing software for data-processing equiment) getroffen, G/VAL/M/1, para.
66–67.
366 El Salvador, Guatemala, Senegal and Sri Lanka.
367 Wobei die 25 EG Mitglieder als 1 Mitglied, die EG gezählt werden.
118
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
aussteht.368 Für die Schaffung von Transparenz in der Welthandelsordnung
sind die Notifizierungen aber von zentraler Bedeutung. Da gerade Staaten
mit niedrigem Entwicklungsgrad nicht umfassend notifizieren, hat der
Ausschuss seine Arbeit in besonderem Maße auf die Entwicklung technischer Hilfsprogramme konzentriert.
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
Konkretere Instrumente, die die Leichtigkeit der Handelsströme zum Ziel
haben, finden sich vor allem in den zahlreichen multilateralen Zusatzabkommen zum GATT 1994. Darin haben die Mitglieder auf bestimmten, eng
begrenzten Gebieten explizite Pflichten übernommen, die als Trade Facilitation-Instrumente bezeichnet werden können. Sie können als Vorbild für ein
umfassendes Trade Facilitation-Recht auf WTO-Ebene dienen und sind
notwendigerweise, ebenso wie das übrige relevante Welthandelsrecht, bei
der Schaffung neuer Normen zu beachten.
2.1.
Das Übereinkommen über technische Handelshemmnisse
(TBT)
Das Trade Facilitation-Arbeitsprogramm des Rates für den Warenhandel lädt
die Mitglieder dazu ein, die Relevanz vereinfachter Handelsverfahren im
Hinblick auf bestehende WTO-Übereinkommen zu untersuchen. Die vom
Übereinkommen über technische Handelshemmnisse erfassten technischen
Vorschriften und Normen spielen im Kontext von Trade Facilitation eine
entscheidende Rolle, da sie geeignet sind, die Leichtigkeit internationaler
Warenbewegungen zu beeinträchtigen.
2.1.1. Hindernisse durch differierende Normen und Technische Vorschriften
Nachdem die Zollsätze für gewerbliche Waren niedriger sind denn je, haben
die nichttarifären Handelshemmnisse nicht nur relativ an Bedeutung gewonnen. Das Problem ist auch qualitativ gewachsen.369 Immer mehr Länder haben im Laufe der Zeit neue Produktnormen und Vorschriften eingeführt und
dadurch einen Anstieg von Kontrollen, Konformitätsprüfungen und Zertifizierungsverfahren von immer mehr Industrieprodukten in den Einfuhrlän368 Report of the Committee on Customs Valuation to the Council for Trade in Goods
2004, G/L/718.
369 Müller-Graff, Die Maßstäbe des TBT als Bauelemente eines Weltmarktrechts, S. 114;
Mitteilung der EG-Kommission: Außenhandelspolitik der Gemeinschaft im Bereich
der Normen und der Konformitätsbewertung, KOM (96) 564.
119
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
dern verursacht. So hat beispielsweise die EG in den siebziger Jahren, unter
Hinweis auf die enorme Ausweitung nationaler technischer Vorschriften und
Normen in den Mitgliedstaaten,370 mit der Schaffung von Regelungen auf
EG-Ebene begonnen. Heutzutage beträgt die Zahl der Richtlinien, die technische Vorschriften und Normen zum Inhalt haben, mehr als ein Drittel aller
Richtlinien, die seit 1958 verabschiedet wurden.371 Im Gegensatz zu Zollsätzen und mengenmäßigen Beschränkungen erfüllen die meisten Normen und
technischen Vorschriften eine übergeordnete soziale Funktion. Kehrseite der
Regulierungen, die vor allem die außenhandelsorientierten Unternehmen
belasten, sind Kostensteigerungen, Verzögerungen und Abschreckung, insgesamt also Erschwernisse der Absatztätigkeit und damit gesamtwirtschaftlich eine Beeinträchtigung des potentiellen Wettbewerbs. Aus Sicht der
Entwicklungsländer stellen technische Vorschriften und internationale Normen oftmals nichttarifäre Handelshemmnisse dar.372 Dass diese ein Potential
protektionistischer Anwendung beinhalten, durch die insbesondere Industrienationen Einfuhren zu beschränken suchen, wurde auch von der WTO
erkannt.373
Das Verhältnis der Regelungsalternativen zueinander unterscheidet sich in
den WTO-Mitgliedern beträchtlich. Technische Vorschriften dominieren in
ehemaligen Zentralstaaten und in Entwicklungsländern, während in den Industriestaaten – abgesehen von den Bereichen der Gesundheit und des Umweltschutzes – die unverbindlichen Normen vorherrschen. Grund dafür ist,
dass den Unternehmen in letzteren die Fähigkeit zugeschrieben wird, den
aus der technischen Entwicklung resultierenden Problemen angemessen zu
begegnen. Ihnen bleibt die Entwicklung eigener Normen überlassen. Der
potentielle Verlust einer guten Reputation und der damit verbundenen Profite im Falle von unzureichenden Normen sichert die Einhaltung der freiwilligen Vereinbarungen, die oftmals auf Verbandsebene beschlossen werden.374
Der sich aus den beiden Konzeptionen ergebende Einfluss auf den Handel
ist sehr unterschiedlich. Je stärker Regierungen involviert sind, desto eher
370 1992 haben die Mitgliedstaaten der EG mehr als 80000 Normen durchgesetzt währen
auf EG-Ebene weniger als 2000 existierten.
371 Gefolgt von den Richtlinien über Landwirtschaft und Umwelt (zusammen das zweite
Drittel sämtlicher Richtlinien), wobei sich eine Vielzahl auf technische Vorschriften
bezieht.
372 Mukerji, Developing Countries and the WTO, in: JoWT 2000, S. 48; Hufbauer/Kotschwar/Wilson, Trade and Standards: A Look at Central America, in: World
Economy 2002, S. 991.
373 The Legal Texts, “Agreement on TBT”, S. 138.
374 Messerlin/Zarrouk, Trade Facilitation: Technical Regulations and Customs Procedures, in: World Economy 2000, S. 582.
120
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
haben die Vorschriften einen protektionistischen und diskriminierenden Anschein. Zwar bedeutet dies nicht, dass von Unternehmen festgelegte Normen
eine solche Wirkung nicht haben können. Ohne die Hilfe von Regierungen
können diese, den Handel beeinträchtigenden Regelungen, jedoch nicht
durchgesetzt werden.375
2.1.2. Definitionen und Anwendungsbereich des TBT
Das Übereinkommen über technische Handelshemmnisse vom 15.04.1994
(TBT, Technical Barriers to Trade) bezweckt sicherzustellen, dass technische Vorschriften und Normen, einschließlich Erfordernisse hinsichtlich
Verpackung, Kennzeichnung, Beschriftung und Konformitätsbewertungsverfahren nicht zu unnötigen oder versteckten Handelshemmnissen auf internationaler Ebene werden.376 Es soll eine Balance zwischen den Interessen
des Einfuhrlandes, wie nationale Sicherheit, die Verhinderung irreführender
Praktiken, der Schutz der Gesundheit und Sicherheit von Menschen, des
Lebens oder der Gesundheit von Tieren und Pflanzen oder der Umwelt einerseits, und den wirtschaftlichen Interessen anderer Mitglieder andererseits,
herstellen. Zu diesem Zweck haben sich die Mitglieder auf detaillierten Vorgaben zur Ausarbeitung, Annahme und Anwendung von technischen Vorschriften und Konformitätsbewertungsverfahren verständigt.
Technische Vorschriften sind für die Zwecke des TBT definiert als:
„Dokument, das Merkmale eines Produkts oder die entsprechenden Verfahren und Produktionsmethoden einschließlich der anwendbaren Verwaltungsbestimmungen festlegt, deren Einhaltung zwingend vorgeschrieben ist. Es
kann unter anderem oder ausschließlich Festlegungen über Terminologie,
Bildzeichen sowie Verpackungs-, Kennzeichnungs- oder Beschriftungserfordernisse für ein Produkt, ein Verfahren oder eine Produktionsmethode
enthalten.“377
375 Messerlin/Zarrouk, ebenda, S. 583.
376 Präambel des Übereinkommens über technische Handelshemmnisse v. 15.04.1995.
377 Siehe Anhang 1 zum TBT, ISO/IEC-Leitfaden 2 „Allgemeine Begriffe im Bereich
der Normen und verwandter Tätigkeiten und ihre Definitionen“. Bei der zitierten Definition handelt es sich um die deutsche, nicht amtliche Fassung. Der authentische
englische Text lautet: „documents which lay down product characteristics or their related processes and production methods, including the applicable administrative provisions, with which compliance is mandatory.“ Der Appellate Body hat in EC – Asbestos WT/DS135/AB/R, para. 64 hinsichtlich der Frage, ob eine technische Vorschrift gegeben ist, festgestellt, dass die fragliche Maßnahme im Ganzen beurteilt
werden muss, d.h. sowohl deren ‚prohibitive wie auch permissive Elemente‘ müssen
berücksichtigt werden.
121
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
Anlässlich des Falls EC – Asbestos hat der Appellate Body den Begriff konkreter bestimmt und festgestellt, dass eine technische Vorschrift „die charakteristischen Merkmale eines Produkts verbindlich und zwingend festlegen muss.“378 Die Tatsache, dass sich eine technische Vorschrift auf bestimmbare Produkte oder Produktgruppen beziehen muss, so der Appellate
Body, bedeutet nicht, dass die fraglichen Produkte tatsächlich in der in Rede
stehenden Vorschrift genannt oder bestimmt werden müssen.379 Im Gegensatz zu technischen Vorschriften sind Normen nicht zwingend einzuhalten.
Beide können sich auf Produkte, Produktionsmethoden oder Produzenten
(Lizenzerfordernisse für Dienstleistungserbringer), sowie auf den Konsum
beziehen (z. B. das Verbot bestimmter Produkte). Ihre Reichweite und Vielschichtigkeit reflektiert die Einstellung der jeweiligen Gesellschaft zu tolerierbaren Risiken, Umweltaspekten und der Fähigkeit, mit den Risiken umzugehen. Anwendung findet das TBT auf alle Waren, einschließlich Industrieprodukte und landwirtschaftliche Erzeugnisse. Nicht erfasst sind jedoch
solche Maßnahmen, für die das Übereinkommen über gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen (SPS) speziellere Regelungen
aufstellt, sowie Einkaufsspezifikationen, die Gegenstand des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen sind, Art. 1.3.–1.5. TBT.
378 WT/DS135/AB/R, paras 67–69. The heart of the definition of a ‘technical regulation’
is that a ‘document’ must ‘lay down’ – that is, set forth, stipulate or provide – ‘products characteristics’. The word ‘characteristic’ has a number of synonyms that are
helpful in understanding the ordinary meaning of that word, in this context. Thus the
‘characteristics’ of a product include, in our view, any objectively definable ‘features’, ‘qualities’, ‘attributes’, or other ‘distinguishing marks’ of a product. Such
‘characteristics’ might relate, inter alia, to a product’s composition, size, shape, colour, texture, hardness, tensile strength, flammability, conductivity, density, or viscosity.” Examples given in Annex 1.1. of the TBT indicate that “‘product characteristics’
include not only features and qualities intrinsic to the product itself, but also related
‘characteristics’, such as the means of identification, the presentation and the apprearance of a product.”(…).” ‘Product characteristics’ may … be prescribed or imposed with respect to products in either a positive or negative form. That is, the
document may provide, positively, that a product must possess certain ‘characteristics’, or the document may require, negatively, that products must not possess certain
‘characteristics’. In both cases the legal result is the same: the document ‘lays down’
certain binding ‘characteristics’ for products, in one case affirmatively, and in the
other by negative implication.”
379 AB-Bericht EC – Asbestos, WT/DS135/AB/R, para. 70.
122
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
2.1.3. Die grundlegenden Strukturen mit Blick auf Trade Facilitation
a)
Transparenz
Entscheidender Regelungsaspekt ist zunächst die Transparenz. In Art. 2.11.
TBT verpflichten sich die Mitglieder dazu, alle angenommenen technischen
Vorschriften – die wie oben erwähnt im Gegensatz zu Normen zwingend
einzuhalten sind – unverzüglich zu veröffentlichen bzw. in anderer Weise
verfügbar zu machen, so dass die Kenntnisnahme interessierter Parteien anderer Mitglieder möglich ist. Auf den ersten Blick wird dadurch lediglich
das bereits in Art. X Abs. 1 GATT normierte Transparenzgebot für den Bereich der technischen Vorschriften konkretisiert. Bei Betrachtung der damit
in Zusammenhang stehenden Vorschriften wird jedoch der erweiterte Regelungsgehalt offensichtlich. Schon die Wortwahl im Hinblick auf die Informationsberechtigten lässt auf entscheidende Weiterentwicklungen der „Ursprungsnorm“ hoffen. Ist in Art. X Abs. 1 GATT noch die Rede von Regierungen und Wirtschaftskreisen, so soll nun allen interessierten Parteien Zugang zu den entsprechenden Informationen gewährt werden. Der dadurch
weiter gefasste Kreis der Berechtigten spiegelt die Bedeutung der Transparenz für die Legitimation des internationalen Wirtschaftsrechts wider. Kann
auch der normal interessierte Bürger in Erfahrung bringen, welche Normen
Waren in anderen Mitgliedsstaaten erfüllen müssen, so lässt sich der Vorwurf einer protektionistischen Handelspolitik durch undurchsichtige technische Vorschriften einzelner Staaten nicht mehr halten.
Entscheidende Fortschritte stellen aber vor allem die weitergehenden Transparenzverpflichtungen für den Fall dar, dass eine einschlägige internationale
Norm nicht besteht, bzw. der technische Inhalt einer entworfenen technischen Vorschrift wesentlich von einer solchen existierenden abweicht und
diese erheblichen Einfluss auf den Handel anderer Mitglieder380 haben
380 Zum Kriterium „erheblichen Einfluss auf den Handel der Mitglieder“ hat der TBTAusschuss beschlossen, dass sich dieses Kriterium beziehen kann (a) sowohl auf nur
eine technische Vorschrift oder ein KBV als auch auf eine Mehrzahl dieser, (b) auf
ein bestimmtes Produkt, eine Produktgruppe oder Produkte allgemein, und (c) zwischen 2 oder mehreren Mitgliedern. Bei der Einschätzung der Erheblichkeit im Falle
technischer Vorschriften soll das Mitglied Faktoren wie den Wert oder die Bedeutung
der Einfuhren für Ein- und Ausfuhrmitglied, ob diese von anderen Mitgliedern einzeln oder kollektiv eingeführt werden, das potentielle Wachstum der Importe und die
Schwierigkeiten berücksichtigen, die den Produzenten anderer Mitglieder bei der Befolgung der entworfenen technischen Vorschriften begegnen. Das Konzept sollte sowohl die Einfuhren erhöhende als auch diese verringernde Auswirkungen, soweit
diese erheblich sind, berücksichtigen. G/TBT/1/Rev.7, S. 17.
123
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
kann.381 Das Mitglied hat dann nicht nur angenommene, sondern auch zukünftige Regelungen382 zu veröffentlichen. Dies hat zu einem „angemessen
frühen Zeitpunkt“ vor der beabsichtigten Einführung zu geschehen und zwar
so, dass interessierte Parteien und Mitglieder davon Kenntnis nehmen können. Über das Sekretariat sind den anderen Mitgliedern die Waren zu notifizieren, die den geplanten technischen Vorschriften unterliegen werden, wobei Zweck und Gründe der Einführung anzugeben sind, Art. 2.9.2. TBT.383
Dies hat zu einem Zeitpunkt384 zu geschehen, in dem Änderungen noch angebracht und Bemerkungen anderer Mitglieder in Betracht gezogen werden
können.385 Auf Ersuchen anderer Mitglieder sind diesen Einzelheiten oder
381 Siehe Art. 2.9 TBT.
382 Um den Schwierigkeiten zu begegnen, die sich daraus ergeben, dass die Dokumente
im Zusammenhang mit technischen Vorschriften, Normen und KBV nicht in einer
der offiziellen WTO-Sprachen verfügbar, und dass eine andere Stelle als der ‚enquiry
point‘ für derartige Dokumente zuständig ist, hat der TBT-Ausschuss bestimmte Verfahren beschlossen. G/TBT/1/Rev.7, S. 16.
383 Zum Notifizierungsverfahren für Entwürfe von technischen Vorschriften und KBV,
G/TBT/1/Rev.7, S. 11; zur Gewährleistung einer einheitlichen und effizienten Anwendung dieser Verfahren wurde sich zudem auf Richtlinien und ein Format für Notifizierungen geeinigt G/TBT/1/Rev.7, S. 11–15; hinsichtlich der Etikettierungserfordernisse wurde entschieden, dass die Mitglieder in Übereinstimmung mit Art. 2.9 des
TBT verpflichtet sind, alle verbindlichen Etikettierungserfordernisse, die nicht im
wesentlichen auf einer relevanten internationalen Norm beruhen und die bedeutsame
Auswirkungen auf den Handel der Mitglieder haben, zu notifizieren. Diese Verpflichtung ist nicht von der Art der auf dem Etikett verlangten Information abhängig, es ist
unerheblich ob es sich der Sache nach um eine technische Spezifikation handelt oder
nicht.“ G/TBT/1/Rev.7, S. 18.
384 Diesbezüglich hat der TBT-Ausschuss die Empfehlung abgegeben, dass bei der Implementierung der Bestimmungen des Art. 2.9.2., 3.2 (im Verhältnis zu 2.9.2.), 5.6.2.
und 7.2 (im Verhältnis zu 5.6.2.) die Notifizierung erfolgen sollte, sobald der vollständige Text des Entwurf einer technischen Vorschrift oder eines KBV vorliegt und
wenn Änderungen noch eingebracht und berücksichtigt werden können.“
G/TBT/1/Rev.7, S. 15.
385 Hinsichtlich der Fristen für die Bemerkungen zu notifizierten technischen Vorschrift
und KBV empfiehlt der TBT-Ausschuss: „Für gewöhnlich sollte die Frist für Bemerkungen zu den Notifizierungen 60 Tage betragen. Ist einem Mitglied die Einräumung
einer 90-tägigen Frist möglich, so wird es ermutigt, dies zu tun und sollte dies in der
Notifizierung angeben.“ G/TBT/1/Rev.17.
Zur Behandlung der Bemerkungen wird empfohlen. „(a) Jedes Mitglied sollte das
WTO Sekretariat darüber informieren, welche Behörde oder Stelle es mit der Bearbeitung der eingegangenen Bemerkungen betraut hat. (b) Zudem sollte ein Mitglied,
welches die Bemerkungen durch die betraute Stelle empfängt, ohne weitere Aufforderung (i) deren Empfang bestätigen, (ii) innerhalb angemessener Frist gegenüber
dem Mitglied, von dem es eine Bemerkung empfangen hat, begründen, wie es in der
124
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
Kopien der entworfenen technischen Vorschriften zur Verfügung zu stellen
und, sofern möglich, die Teile zu bezeichnen, deren Inhalt wesentlich von
den einschlägigen internationalen Normen abweicht. Ihnen ist eine angemessene Frist für schriftliche Bemerkungen einzuräumen, wobei das Diskriminierungsverbot zu beachten ist. Auf Ersuchen sind die Bemerkungen
zu erörtern und, ebenso wie Ergebnisse der Erörterungen, in Betracht zu
ziehen. Nur bei Vorliegen dringender Gründe der Sicherheit, der Gesundheit,
des Umweltschutzes oder Gründen nationaler Sicherheit kann das Mitglied
von dem Verfahren absehen. Nach Annahme der Vorschrift muss es jedoch
nach den Vorgaben des Art. 2.10.1.–2.10.3. TBT nachgeholt werden. Notifiziert werden muss dann unverzüglich, wobei auch der dringende Grund für
das Abweichen vom normalen Verfahren anzugeben ist. Stellen der lokalen
Regierung oder Verwaltung und nichtstaatliche Stellen müssen die Vorgaben
des Art. 2 TBT – mit Ausnahme der Notifizierungsverpflichtung gemäß Art.
2.9.2. und 2.10.1. TBT – ebenfalls einhalten. Soweit eine technische Vorschrift einer solchen Stelle aber von der durch die Zentralregierung notifizierten abweicht, haben auch diese Stellen die Verpflichtungen nach Art.
2.9.2. und 2.10.1. TBT zu erfüllen.386 Die Mitglieder sind für die Einhaltung
der Regelungen des Art. 2 TBT durch sämtliche Stellen voll verantwortlich
und haben dies im Wege positiver Maßnahmen und Verfahren zur Unterstützung der untergeordneten Stellen sicherzustellen.
Wird ein positiver Nachweis für die Übereinstimmung mit technischen Vorschriften und Normen verlangt, so sind bei Waren, deren Ursprung im Gebiet eines anderen Mitglieds liegt, die Bestimmungen des Art. 5 über Konformitätsbewertungsverfahren (KBV) einzuhalten. Im Hinblick auf Transparenz ist hervorzuheben, dass die normale Bearbeitungsdauer jedes KBVs
veröffentlicht werden oder dem Anmelder die voraussichtliche Bearbeitungsdauer auf Ersuchen mitgeteilt werden muss. Unverzüglich nach Eingang einer Anmeldung ist die Vollständigkeit der Unterlagen zu überprüfen
und der Anmelder über Mängel in Kenntnis zu setzen. Die Ergebnisse des
Bewertungsverfahren sind ihm so rasch wie möglich genau und vollständig
zu übermitteln, damit notfalls entsprechende Änderungen vorgenommen
Sache weiter verfahren wird, um die Bemerkungen in Betracht zu ziehen, und, wenn
angebracht, zusätzliche relevante Informationen zu dem Entwurf einer technischen
Vorschrift oder eines KBV zur Verfügung stellen, und (iii) jedem Mitglied, von dem
es eine Bemerkung erhalten hat, eine Kopie der angenommenen technischen Vorschrift oder des KBV zur Verfügung zu stellen, oder dieses darüber zu informieren,
dass eine solche technische Vorschrift oder ein solches KBV vorerst nicht angenommen wird. G/TBT/1/Rev.7, S. 17.
386 Art. 3.2.1. TBT.
125
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
werden können. Auch bei Unvollständigkeit der Unterlagen ist mit der Konformitätsbewertung soweit wie möglich fortzufahren. Auf Ersuchen ist der
Anmelder über den jeweiligen Verfahrensstand zu unterrichten, wobei etwaige Verzögerungen zu begründen sind, Art. 5.2.2. TBT. Neben der Beschleunigung dienen diese Regelungen auch der Transparenz des Verfahrens. Sichergestellt werden muss dabei, dass vertrauliche Angaben über Waren, die sich aus den KBV ergeben, so behandelt werden, dass berechtigte
Geschäftsinteressen geschützt werden.387 Weiter haben die Mitglieder ein
Verfahren zur Prüfung von Beschwerden im Zusammenhang mit der Durchführung von KBV bereitzustellen, welches im Falle der Begründetheit der
Beschwerde eine Berichtigung vorsieht. Für Konformitätsbewertungsverfahren gelten, wenn es keine einschlägigen internationalen Vorgaben gibt oder
der technische Inhalt eines KBVs davon abweicht, nahezu dieselben Veröffentlichungs- und Notifizierungsverpflichtungen wie für technische Vorschriften, Art. 5.6.- 5.9. TBT.388 Parallele Regelungen bestehen auch für den
Fall, dass KBV durch Stellen einer lokalen Regierung oder Verwaltung oder
nichtstaatliche Stellen durchgeführt werden.389
Die Notifizierungsverpflichtung gegenüber dem Sekretariat gilt darüber hinaus auch für Waren, die von einer bilateralen oder multilateralen Übereinkunft über Fragen technischer Vorschriften, Normen oder Konformitätsbewertungsverfahren erfasst sind, die erhebliche Auswirkungen auf den Handel haben können. Mindestens ein an der Übereinkunft beteiligtes Mitglied
hat diese mit einer kurzen Beschreibung zu notifizieren, Art. 10.7. TBT.
Sämtliche Notifizierungen beim Sekretariat haben in einer der drei WTOAmtssprachen zu erfolgen. Zudem müssen die Mitglieder die Behörde auf
innerstaatlicher Ebene angeben, die zur Durchführung der Bestimmungen
über die Notifizierungsverfahren nach dem Übereinkommen, ausgenommen
jener nach Anhang 3 zum TBT, verantwortlich ist.390
Vor dem Hintergrund umfassender Trade Facilitation-Bestrebungen ist Art.
10 TBT von zentraler Bedeutung. Danach haben die Mitglieder Auskunftsstellen („enquiry points“) einzurichten, die in der Lage sind, alle sinnvollen
Anfragen von Mitgliedern und interessierten Parteien im Hinblick auf technische Vorschriften, Normen und Konformitätsbewertungsverfahren zu be-
387 Diesbezüglich besteht ein Diskriminierungsverbot. Angaben über Waren mit ausländischem Ursprung sind genauso zu behandeln wie solche inländischen Ursprungs.
388 Siehe auch G/TBT/1/Rev.1, S. 11–18 und die Empfehlung zur Anwendung der Art.
2.9. und 5.6. in G/TBT/1/Rev.1, S. 15.
389 Siehe Art. 7 und 8 TBT.
390 Einzelheiten siehe Art. 10.9–10.11.
126
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
antworten, sowie entsprechende Dokumente zur Verfügung zu stellen.391
Auch müssen sie Auskunft über die Mitgliedschaft in internationalen und
regionalen Normenorganisationen, die Teilnahme an internationalen und
regionalen Konformitätsbewertungssystemen und über das Bestehen bilateraler und multilateraler Übereinkünfte im Rahmen des TBT geben.392 Dies
hat in angemessener Tiefe mit Blick auf die Einzelheiten dieser Übereinkünfte und Systeme zu geschehen. Weiter ist es Aufgabe der Mitglieder sicherzustellen, dass sie die Stellen benennen können, die vom TBT vorgeschriebenen Bekanntmachungen veröffentlichen oder aber Auskunft erteilen
können, wo entsprechende Informationen erhältlich sind. Kopien von Dokumenten sind, sofern nicht unentgeltlich, in nichtdiskriminierender Weise
zur Verfügung zu stellen, wobei Industrieland-Mitglieder unter bestimmten
Umständen darüber hinaus zu einer Übersetzung in englische, französische
oder spanische Sprache verpflichtet sind. Um die einheitliche Anwendung
der Art. 10.1. und 10.3. des TBT voranzutreiben, hat der zuständige Ausschuss am 14.07.1995 folgende Empfehlungen gegeben:
(a) (i) Eine Anfrage soll als sinnvoll angesehen werden, wenn sie sich auf
ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Produktgruppe bezieht,
nicht jedoch wenn sie sich darüber hinaus auf einen kompletten Geschäftszweig oder ein ganzes Gebiet von Vorschriften oder Konformitätsbewertungsverfahren bezieht;
(ii) bezieht sich eine Anfrage auf ein zusammengesetztes Produkt, so ist
es wünschenswert, dass die Bauteile und Komponenten, über die Informationen gewünscht werden, so genau wie möglich beschrieben
werden. Bezieht sich eine Anfrage auf die Verwendung von Produkten, so sollte sie sich auf einen konkreten Zusammenhang beziehen.
(b)
Die Auskunftsstelle eines Mitglieds sollte dazu in der Lage sein, Fragen zur Mitgliedschaft des Mitglieds oder relevanter Gremien innerhalb seines Staatsgebiets in, oder zur Teilnahme an internationalen
und regionalen Normenorganisationen und Konformitätsbewertungs-
391 Zu Einzelheiten siehe Art. 10.1.1., 10.1.2., 10.1.3. TBT. Danach gelten diese Vorgaben für solche technischen Vorschriften und Normen, die im Gebiet des Mitglieds
entweder von Stellen der Zentralregierung, einer lokalen Regierung oder Verwaltung,
von durch Gesetz ermächtigten nichtstaatlichen Stellen oder regionalen Normenorganisationen, denen solche Stellen als Mitglieder angehören, angenommen oder entworfen werden. Im Falle von KBV für solche, die von Stellen der Zentralregierung
oder einer lokalen Regierung oder Verwaltung, von nichtstaatlichen, zur Durchsetzung ermächtigten Stellen, oder von regionalen Stellen, denen diese Stellen als Mitglieder oder Teilnehmer angehören, durchgeführt werden.
392 Art. 10.1.4. TBT.
127
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
systemen, wie auch bilateralen Absprachen im Hinblick auf bestimmte Produkte oder Produktgruppen zu beantworten. Ebenfalls sollte sie
dazu in der Lage sein, sinnvolle Informationen zu den Vorschriften
dieser Systeme und Absprachen zu geben.393
Darüber hinaus wurde empfohlen, dass die Auskunftsstelle auch ohne weitere Nachfrage den Eingang des Auskunftsersuchens bestätigen soll.394 Richtet
ein Mitglied aus rechtlichen oder verwaltungstechnischen Gründen mehr als
eine Auskunftsstelle ein, so sieht das TBT vor, dass es den anderen Mitgliedern vollständige und eindeutige Informationen über deren Zuständigkeitsbereiche zur Verfügung zu stellen hat. Gewährleistet werden muss zudem,
dass die an eine unzuständige Auskunftsstelle gerichtete Anfrage unverzüglich an die zuständige Stelle weitergeleitet wird.
Geht es hingegen um Anfragen zu Normen, die von nichtstaatlichen oder
regionalen Normenorganisationen, denen die Stellen als Mitglieder oder
Teilnehmer angehören, angenommen oder entworfen werden, oder um Fragen zu Konformitätsbewertungsverfahren, die von nichtstaatlichen oder regionalen Stellen, denen sie angehören, durchgeführt werden, so hat jedes
Mitglied lediglich die ihm zur Verfügung stehenden geeigneten Maßnahmen
zu treffen, um sicherzustellen, dass es eine oder mehrere Auskunftsstellen
für diesbezügliche Auskünfte gibt. Gleiches gilt für Informationen zur Mitgliedschaft oder Teilnahme einschlägiger nichtstaatlicher Stellen in seinem
Gebiet in internationalen und regionalen Normenorganisationen und an
Konformitätsbewertungssystemen sowie an bilateralen und multilateralen
Übereinkünften im Rahmen des TBT. Die Verpflichtungen der Mitglieder
auf diesem Gebiet ist folglich von deren Leistungsfähigkeit abhängig.
b)
Harmonisierung, gegenseitige Anerkennung und internationale
Normen
Die umfangreichen Veröffentlichungs- und Notifizierungsverpflichtungen in
Artikel 2.9.- 2.12. TBT und des Art. 5.6.-5.9. TBT stehen unter dem Vorbehalt, dass keine einschlägige internationale Norm, Richtlinie oder Empfehlung besteht oder von einer solchen abgewichen wird. Dies macht deutlich,
dass vorrangiges Ziel die Harmonisierung395 und gegenseitige Anerkennung
393 G/TBT/1/Rev.7, (IV.3).
394 G/TBT/1/Rev.7, (IV.4); weiterhin hat der Ausschuss Empfehlungen zu Broschüren zu
den Auskunftsstellen abgegeben. Zudem hat das Sekretariat eine Liste der Auskunftsstellen aufgestellt. G/TBT/Rev.1, Section IV.2 und IV.5.
395 Harmonisierung wird definiert als der Prozess, in dem zwei oder mehr Staaten die
Verschiedenartigkeit ihrer Regulierungen verringern bzw. diese mehr oder weniger
angleichen. Die Vorteile der Anwendung gleichförmiger Regeln werden vor allem in
128
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
technischer Vorschriften und KBV ist.396 Explizit ist geregelt, dass sich die
Mitglieder im Rahmen ihrer Möglichkeiten voll und ganz an der Ausarbeitung solcher Normen, Richtlinien oder Empfehlungen durch die zuständigen
internationalen Normenorganisationen zu beteiligen haben.397 Für den Bereich der technischen Vorschriften gilt dies jedoch nur, wenn sie für die
betreffenden Waren technische Vorschriften angenommen haben oder vorsehen. Soweit technische Vorschriften erforderlich sind und einschlägige internationale Normen bestehen oder deren Fertigstellung unmittelbar bevorsteht, haben die Mitglieder diese grundsätzlich als Grundlage bei der Schaffung von technischen Vorschriften zu verwenden.398 Ziel ist die möglichst
weitgehende Harmonisierung technischer Vorschriften und KBV, Art. 2.6.
und 5.5. TBT.399
Neben der Harmonisierung technischer Vorschriften und Normen besteht die
Möglichkeit, dass die Mitglieder ihre Regelungen gegenseitig anerkennen.
Bevor nationale technische Normen geschaffen werden, ist die Anerkennung
der Gleichwertigkeit technischer Vorschriften gemäß Art. 2.7. TBT „wohlwollend zu prüfen“, soweit sich die Mitglieder davon überzeugt haben, dass
die Ziele ihrer eigenen technischen Vorschriften auch durch diejenigen anderer Mitglieder angemessen erreicht werden, selbst wenn sie sich von den
eigenen unterscheiden.
Besteht für KBV eine einschlägige Richtlinie oder Empfehlung internationaler Normenorganisationen oder steht deren Fertigstellung unmittelbar bevor,
396
397
398
399
der verbesserten Transparenz und den niedrigeren Kosten auf Seiten der Einführer
gesehen.
Siehe zur Rolle der gegenseitigen Anerkennung vor dem Hintergrund von Trade Facilitation: Stephenson, Mutual Recognition and its Role in Trade Facilitation, in:
JoWT 1999, S. 141–176.
Siehe dazu die Entscheidung des TBT-Ausschusses hinsichtlich der dabei zu beachtenden Prinzipien. G/TBT/Rev.1, S. 26–29 ff.
Etwas anderes gilt dann, wenn die internationalen Normen oder die einschlägigen
Teile derselben unwirksame oder ungeeignete Mittel zur Erreichung der angestrebten
berechtigten Ziele wären, z.B. wegen grundlegender klimatischer oder geografischer
Faktoren oder grundlegende technologischer Probleme. Siehe Art. 2.4. 2. HS TBT.
Siehe dazu die Entscheidung des TBT-Ausschusses zu Prinzipien zur Schaffung internationaler Normen, Richtlinien und Empfehlungen im Zusammenhang mit Art. 2,
3 und Anhang 3 des Übereinkommens. Dieser hat auf die Notwendigkeit zur Mitarbeit bei der Ausarbeitung durch die Normenorganisationen und der Entwicklung von
Prinzipien bzgl. Transparenz, Offenheit, Unparteilichkeit und Konsens, Relevanz und
Effektivität, Geschlossenheit und Interessen der Entwicklungsländer hingewiesen,
die das Konzept internationaler Normen unter dem TBT verdeutlichen, stärken und
zur Verfolgung seiner Ziele beitragen. G/TBT/1/Rev.7, S. 26–29.
129
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
so sind die einschlägigen Teile dieser Richtlinie oder Empfehlung den KBV
gemäß Art. 5.4. TBT zugrunde zu legen.400 Auch die Ergebnisse von KBV
anderer Mitglieder müssen trotz Verfahrensunterschieden anerkannt werden,
wenn sich die Mitglieder davon überzeugt haben, dass die Verfahren ein den
eigenen Verfahren gleichwertiges Vertrauen in die Übereinstimmung mit den
geltenden technischen Vorschriften und Normen erlauben, Art. 6.1. TBT.
Auf Ersuchen anderer Mitglieder sollen die Mitglieder dazu bereit sein, in
Verhandlungen über den Abschluss von Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Konformitätsbewertungsergebnissen einzutreten und werden
dazu ermutigt, die Teilnahme von Konformitätsbewertungsstellen zuzulassen, die ihren Sitz im Staatsgebiet eines anderen Mitglieds haben. Soweit
möglich sind internationale Konformitätsbewertungssysteme auszuarbeiten,
anzunehmen und daran teilzunehmen.
Mitglieder, die Parteien einer bi- oder multilateralen Übereinkunft in Bezug
auf technische Vorschriften, Normen oder Konformitätsbewertungsverfahren
sind, werden in Art. 10.7. TBT dazu ermutigt, auf Ersuchen in Konsultationen mit anderen Mitgliedern einzutreten, um ähnliche Übereinkünfte zu
schließen oder ihre Teilnahme an solchen Übereinkünften zu regeln.
c)
Nichtdiskriminierung
Die Ausarbeitung, Annahme und Anwendung von technischen Vorschriften
und Konformitäts-bewertungsverfahren richten sich nach dem Prinzip der
Nichtdiskriminierung und einer möglichst geringen Handelsbeeinträchtigung. So müssen die aus dem Gebiet eines anderen Mitglieds eingeführten
Waren in bezug auf technische Vorschriften genauso günstig behandelt werden wie gleichartige Waren inländischen Ursprungs oder gleichartige Waren
mit Ursprung in einem anderen Land, Art. 2.1. TBT. Lieferanten gleichartiger Waren muss gleicher Zugang zu Konformitätsbewertungsverfahren gewährt werden, unabhängig vom Ursprung der Ware. Das Gebot der Gleichbehandlung besteht sowohl mit Blick auf die Reihenfolge in der die KBV
durchgeführt werden, auf die anlässlich der Bewertung erhobenen Gebühren401 und auf die vertrauliche Behandlung der Angaben, die zum Zwecke
400 Ausnahmen können gemacht werden, wenn diese ungeeignet sind, bspw. aus Gründen nationaler Sicherheit, der Verhinderung irreführender Praktiken, des Schutzes der
Gesundheit o. Sicherheit von Menschen, des Lebens o. der Gesundheit von Tieren
und Pflanzen o. der Umwelt, wegen wesentlicher klimatischer o. sonstiger geografischer Faktoren oder wegen grundlegender technologischer o. infrastruktureller Probleme.
401 Die für Waren mit Ursprung im Staatsgebiet eines anderen Mitglieds erhobenen Gebühren müssen gem. Art. 5.2.5.TBT in einem angemessenen Verhältnis zu den Kos-
130
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
der Konformitätsbewertung gemacht werden, Art. 5.2.1., 5.2.4. und 5.2.5.
TBT. Die Bedingungen für die Teilnahme der ausländischen Konformitätsbewertungsstellen an KBV im Inland dürfen nicht weniger günstig sein als
jene, die für inländische Bewertungsstellen bestehen, Art. 6.4. TBT.
d)
Geringst mögliche Beeinträchtigung des Handels
Technische Vorschriften und Konformitätsbewertung sollen den Handel so
wenig wie möglich beeinträchtigen. Gemäß Art. 2.2. TBT ist daher sicherzustellen, dass technische Vorschriften nicht in der Absicht oder mit der Wirkung ausgearbeitet, angenommen oder angewendet werden, unnötige
Hemmnisse für den internationalen Handel zu schaffen. Sie dürfen nicht
handelsbeschränkender als notwendig sein, um ein berechtigtes Ziel zu erreichen. Berechtigte Ziele sind u.a. Erfordernisse der nationalen Sicherheit,
die Verhinderung irreführender Praktiken, Schutz der Gesundheit und Sicherheit von Menschen, des Lebens oder der Gesundheit von Tieren und
Pflanzen oder der Umwelt.402 Die Gefahren des Nichterreichens des jeweiligen Ziels werden dabei berücksichtigt.403 Im Gegensatz zu der ähnlich lautenden Bestimmung im Bezug auf gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen404 kann jedoch die Legitimität des Ziels einer
technischen Maßnahme in Frage gestellt werden.405 Liegt aber ein berechtigtes Ziel vor, so ist zu prüfen, ob die technische Vorschrift handelsbeschränkender als notwendig ist. Jedenfalls dann, wenn die vom Panel in Zusammenhang mit Art. 5.6. SPS aufgestellten Voraussetzungen406 vorliegen, ist
402
403
404
405
406
ten der Konformitätsbewertung (KB) für gleichartige inländische Waren oder gleichartige Waren mit Ursprung in einem anderen Land stehen. Dabei sind Kommunikations-, Transport- und sonstige Kosten, die sich aus der Entfernung zwischen dem
Standort des Unternehmens des Anmelders und der KB-Stelle ergeben, zu berücksichtigen.
Bei der Bewertung solcher Gefahren werden u.a. verfügbare wissenschaftliche und
technische Informationen, verwandte Produktionstechniken oder der beabsichtigte
Endverbrauch der Waren zugrunde gelegt.
Gemeint ist die Nichterfüllung des berechtigten Ziels, nicht gemeint ist, dass die
Gefahr berücksichtigt werden solle, die bei Nichteinführung der technischen Vorschrift entstünden. Letztgenannte Ansicht vertraten die EC und Canada in dem Fall
EC – Measures Affecting Asbestos and Asbestos-Containing Products – Report of the
Panel, WT/DS135/R, para. 3.279 und 3.290.
Art. 5.5. SPS, siehe dazu in diesem Kapitel Ziffer 2.2.2.
Desmedt, Proportionality in WTO Law, in: JIEL 2001, S. 459.
Eine Maßnahme steht danach nicht mit Art. 5.6. SPS in Einklang, wenn eine andere
Maßnahme unter vertretbaren technischen und wirtschaftlichen Bedingungen zur
Verfügung steht, die das angemessene Schutzniveau erreicht und wesentlich weniger
handelsbeschränkend ist.
131
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
dies zu bejahen.407 Die Überprüfbarkeit technischer Vorschriften durch Panel
und Appellate Body geht in dieser Hinsicht somit weiter. Auch KBV dürfen
nicht strenger als notwendig sein oder angewendet werden, um den Einfuhrmitgliedern angemessenes Vertrauen in die Übereinstimmung der Waren
mit den geltenden technischen Vorschriften oder Normen zu erlauben. Die
Gefahr mangelnder Übereinstimmung wird auch hier berücksichtigt.
Eine Beschleunigung des Verfahrens wird durch Art. 5.2. TBT sichergestellt,
demzufolge das Verfahren so schnell wie möglich einzuleiten und abzuschließen ist. Nach Eingang der Unterlagen sind diese durch die zuständige
Stelle unverzüglich auf Vollständigkeit hin zu überprüfen, und der Anmelder
ist über alle Mängel genau und vollständig zu unterrichten. Auch wenn die
Anmeldung Mängel aufweist, hat die zuständige Stelle auf Ersuchen so weit
wie möglich mit der Konformitätsbewertung fortzufahren. Die Ergebnisse
sind dem Anmelder schnellstmöglich mitzuteilen. Um das Verfahren für den
Handel berechenbar zu machen, haben die zuständigen Stellen die durchschnittliche Bearbeitungsdauer eines jeden Bewertungsverfahrens zu veröffentlichen oder dem einzelnen Anmelder auf Nachfrage die voraussichtliche
Dauer mitzuteilen. Auch der Standort der Konformitätsbewertungseinrichtung und die Auswahl der Proben dürfen keine unnötigen Schwierigkeiten
für die Anmelder oder deren Vertreter verursachen.
Auch im Hinblick auf die Reduzierung der Gebühren- und Abgabenarten,
der Förmlichkeiten und erforderlichen Angaben enthält das TBT explizite
Regelungen. Gemäß Art. 5.2.3. haben die Mitglieder sicherzustellen, „dass
die verlangten Angaben auf das für die Konformitätsbewertung und die Gebührenfestsetzung erforderliche Maß beschränkt werden. Diese Bestimmungen stellen im Gegensatz zu den Regelungen des Art. VIII Abs.1 (b) und (c)
GATT ausdrückliche Verpflichtungen der Mitglieder dar.
e)
Besondere und differenzierte Behandlung und technische Unterstützung
Spezielle Ausformungen des Grundsatzes der besonderen und differenzierten Behandlung von Entwicklungsland-Mitgliedern finden sich in Art. 12
TBT. Darin verpflichten sich die Mitglieder, den Bestimmungen des TBT
betreffend der Rechte und Pflichten der Entwicklungsland-Mitglieder besondere Aufmerksamkeit zu schenken und bei der Durchführung des Übereinkommens auf innerstaatlicher Ebene sowie bei der Handhabung der institutionellen Vereinbarungen deren besonderen Entwicklungs-, Finanz- und
Handelsbedürfnisse in Betracht zu ziehen. Bei der Ausarbeitung und An407 Desmedt, Proportionality in WTO Law, in: JIEL 2001, S. 459.
132
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
wendung technischer Vorschriften, Normen und KBV müssen diese Bedürfnisse Beachtung finden, damit die Ausfuhren dieser Mitglieder nicht aufgrund der technischen Vorschriften und KBV unnötig behindert werden.
Trotz der Existenz internationaler Normen akzeptieren die Mitglieder die
Einführung solcher technischen Vorschriften, Normen oder KBV durch
Entwicklungsland-Mitglieder, die zum Ziel haben, die einheimische Technologie und die ihren Entwicklungsbedürfnissen entsprechenden Produktionsmethoden und Verfahren zu erhalten. Von ihnen soll nicht erwartet werden,
dass sie ihren technischen Vorschriften, Normen oder Prüfmethoden internationale Normen zugrunde legen, die ihren Bedürfnissen nicht angepasst sind.
Weiter ist die Erleichterung der aktiven und repräsentativen Teilnahme aller
Mitglieder in den internationalen Normenorganisationen und bei internationalen Konformitätsbewertungssystemen sicherzustellen. Die Mitglieder
müssen die ihnen zur Verfügung stehenden geeigneten Maßnahmen treffen,
damit internationale Normenorganisationen auf Ersuchen der Entwicklungsland-Mitglieder die Möglichkeit prüfen, internationale Normen für Waren
von besonderem Interesse für diese Mitglieder zu schaffen, und soweit möglich, solche Normen auszuarbeiten. Eine technische Unterstützung der Entwicklungsländer soll sicherstellen, dass durch Ausarbeitung und Anwendung
technischer Vorschriften, Normen und KBV keine unnötigen Hemmnisse für
die Ausweitung und Diversifizierung ihrer Ausfuhren geschaffen werden.
Von Bedeutung ist weiterhin die Möglichkeit, zeitlich begrenzt, die im
Rahmen des TBT eingegangenen Verpflichtungen vollständig oder teilweise
auszusetzen. Unter Beachtung der im Einzelfall existierenden Entwicklungsund Handelsbedürfnisse sowie der technologischen Entwicklung kann der
zuständige Ausschuss eine solche Ausnahme gewähren.408 Dabei ist den Bedürfnissen der LDCs409 eine gesteigerte Aufmerksamkeit entgegenzubringen.
Neben der Verpflichtung zu besonderer Rücksichtnahme auf die Entwicklungsland-Mitglieder, ist deren technische Unterstützung vorgesehen. In Art.
11 TBT verpflichten sich die Mitglieder auf Ersuchen vor allem der Entwicklungsland-Mitglieder, zu Beratungen sowie zu technischer Unterstützung bei der Errichtung nationaler Normenorganisationen und der Teilnahme an internationalen Normenorganisationen. Dies erfolgt aufgrund gegenseitig vereinbarter Modalitäten. Geeignete Maßnahmen sind zu treffen, damit die vorschriftensetzenden Stellen in ihrem Gebiet andere Mitglieder, vor
allem Entwicklungsland-Mitglieder, beraten und technische Unterstützung
408 Siehe dazu die ausführliche Regelung des Art. 12.8. TBT.
409 Least Developed Countries.
133
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
im Bezug auf die Errichtung solcher Stellen und Konformitätsbewertungsstellen gewähren. Die Unterstützung soll auch die am besten geeigneten Methoden zur Einhaltung der technischen Vorschriften und die Maßnahmen
erfassen, die Hersteller treffen sollten, wenn sie Zugang zu den Konformitätsbewertungssystemen staatlicher oder nichtstaatlicher Stellen im Gebiet
des ersuchten Mitglieds erhalten wollen. Behilflich sind die Mitglieder danach zudem bei der Errichtung eines Verwaltungs- und Rechtsrahmens zur
Erfüllung der Mitgliedschaftsverpflichtungen oder zur Teilnahme an solchen
Systemen.
Neben diesen Regelungen sind konkrete Ausprägungen des Grundsatzes der
besonderen und differenzierten Behandlung vereinzelt innerhalb der Artikel
des TBT zu finden. Ein anschauliches Beispiel bilden die unterschiedlich
starken Verpflichtungen der Mitglieder im Bereich der Transparenz. So
spricht Art. 10.3. TBT davon, dass jedes Mitglied die ihm zur Verfügung stehenden geeigneten Maßnahmen trifft, um die Auskunftsverpflichtungen mit
Blick auf nichtstaatliche Stellen zu erfüllen. Die Verpflichtung allein der
Industrieland-Mitglieder, auf Ersuchen anderer Mitglieder Übersetzungen
der von einer bestimmten Notifizierung erfassten Dokumente in englischer,
französischer oder spanischer Sprache zur Verfügung zu stellen, verdeutlicht
diese Differenzierung. Art. 2.12. TBT fordert grundsätzlich eine ausreichende Frist zwischen Veröffentlichung und Inkrafttreten technischer Vorschriften, damit die Hersteller in den Ausfuhrmitgliedern und vor allem in den
Entwicklungsland-Mitgliedern Zeit haben, um ihre Produkte oder Produktionsmethoden den Erfordernissen des Einfuhrmitglieds anzupassen.
2.1.4 Verhaltenskodex für Normenorganisationen der Zentralregierungen
Im Hinblick auf die Ausarbeitung, Annahme und Anwendung von Normen
ist in Anhang 3 zum TBT ein Verhaltenskodex enthalten, dessen Annahme
und Einhaltung durch Normenorganisationen der Zentralregierungen gemäß
Art. 4 TBT sicherzustellen ist.410 Hat die Normenorganisation den Kodex
angenommen, sind eine Vielzahl von Pflichten zu befolgen. Dazu zählen
zum einen Meistbegünstigung und Inländergleichbehandlung. Im Hinblick
auf das Normungsverfahren besteht die Pflicht, vor Annahme einer Norm
grundsätzlich eine Frist von mindestens 60 Tagen einzuräumen, damit interessierte Parteien Bemerkungen zu dem Normentwurf vorlegen können. Der
Beginn dieser Frist ist zu publizieren und in der Bekanntmachung ist anzugeben, ob der Normentwurf von einer einschlägigen internationalen Norm
410 Siehe dazu näher Müller-Graff, Die Maßstäbe des TBT als Bauelemente eines Weltmarktrechts, S. 119–124.
134
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
abweicht. Darüber hinaus muss interessierten Parteien eine Kopie des Entwurfs zur Verfügung gestellt werden, wobei die dafür in Rechnung gestellten Gebühren mit Ausnahme der reinen Versandkosten für in- und ausländische Parteien gleich sein müssen. Innerhalb der Frist eingegangene Bemerkungen müssen in Betracht gezogen werden. Auf Ersuchen ist zu begründen,
warum die Abweichung von einer einschlägigen internationalen Norm notwendig ist. Nach Annahme der Norm ist dies unverzüglich zu veröffentlichen. Kopien des jüngsten Arbeitsprogramms oder einer festgelegten Norm
sind auf Antrag bereitzustellen. Eine Entscheidung des TBT-Ausschusses
besagt, dass eine Verbreitung via Internet dieser Transparenzverpflichtung
des Absatzes J genügt. Auf Ersuchen jeder interessierten Partei ist dennoch
eine Kopie des jüngsten Arbeitsprogramms zur Verfügung zu stellen.411
Darüber hinaus gilt die allgemeine Pflicht, sich an internationalen Harmonisierungsbemühungen zu beteiligen, eine Doppelgleisigkeit und Überlappungen zu vermeiden und die Normen in Bezug auf die Gebrauchstauglichkeit
zu umschreiben. Transparenz, Bemühen um Mitgliedschaft im ISONET412
und Konsultationsbereitschaft sind weitere grundsätzliche Voraussetzungen.413
2.1.5. Bewertung
Das TBT stellt eine bedeutende Innovation auf dem Gebiet der technischen
Handelshemmnis dar. Vor allem die Beschleunigung der Verfahren und
Schaffung weitreichender Transparenz der Verfahren sind grundlegende Elementen, die sich auf ein umfassendes Übereinkommen zur Vereinfachung
sämtlicher Grenzverfahren übertragen lassen. Insofern kommt dem TBT auf
diesem Gebiet, mehr als allen anderen Zusatzabkommen, Modellcharakter
zu. Diese Bedeutung kommt auch in der Äußerung des Vorsitzenden des
Ausschusses für technische Handelshemmnisse zum Ausdruck:
“The object of the Agreement on Technical Barriers to Trade is to minimize
technical barriers to trade. The text of the Agreement recognizes the importance of trade facilitation. It is reflected, for example, in the provisions re411 Siehe G/TBT/1/Rev.7, S. 25.
412 Das ISONET (ISO Information Network) ist ein Übereinkommen zwischen Normenorganisationen zur Bündelung ihrer Bemühungen, Informationen über Normen, technischen Vorschriften u.ä. zu verbreiten. Grundsätzlich ist in jedem Staate eine Organisation vorhanden – normalerweise das ISO-Mitglied – die umfassend Kenntnis von
den Regulierungs- und Normierungsaktivitäten in dem Land hat. Als ISONETVertragspartei hat sich die Organisation dazu bereit erklärt, diese Kenntnisse zu maximieren und Erfahrungen sowie Informationen mit ähnlichen Organisationen in anderen Ländern auszutauschen.
413 Müller-Graff, Die Maßstäbe des TBT als Bauelemente eines Weltmarktrechts, S. 124.
135
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
lated to non-discrimination, the avoidance of unnecessary obstacles to
trade, encouragement of harmonisation, the concept of equivalence, mutual
recognition and transparency. In particular, under the transparency provision of the Agreement, industries and traders can obtain standard related
information from national enquiry points, and opportunities are provided for
Members to comment on other Members’ draft technical regulations and
conformity assessment procedures to avoid unnecessary obstacles.”414
Jedoch ist auch dieses Übereinkommen nicht vollkommen. Eine Überprüfung der Praktikabilität des TBT durch die WTO im Jahre 1997 führte zu
einem auf drei Jahre angelegtes Arbeitsprogramm zur Schaffung von Operabilität und Umsetzung der Bestimmungen des TBT.415 Auch heute bestehen
noch Probleme bei der Umsetzung.416 Vertreter der weniger und am wenigsten entwickelten Staaten beklagen, dass im Rahmen der Uruguay Runde auf
dem Gebiet der technischen Handelshemmnisse zwar eine Reihe von Verpflichtungen der Mitglieder zur Hilfe der schwächeren Mitglieder vereinbart, konkrete Schritte zu deren tatsächlicher Umsetzung jedoch nicht unternommen wurden.417 Sie betonen die vielfach protektionistische Wirkung von
Vorschriften und Normen, die aus dem technischen Fortschritt, technologischen Entwicklungen und Vorlieben der Konsumenten resultierten und deren
Einhaltung den Ausführern in Entwicklungsländern Probleme bereiteten.
414 Note by the Sectretariat, G/C/W/149, 14.04.1999, S. 2: Ziel des Übereinkommens ist
es danach, technische Handelshemmnisse zu minimieren. Dessen Wortlaut spiegele
die Bedeutung von Trade Facilitation wieder, so bspw. die Vorschriften zur Nichtdiskriminierung, zur Vermeidung unnötiger Hindernisse, der Ansporn zu Harmonisierung, das Konzept der Gleichartigkeit, gegenseitige Anerkennung und Transparenz.
Nach dieser speziellen Regelung zur Transparenz könne Industrie und Handel bei nationalen Auskunftsstellen („enquiry points“) standardspezifische Informationen erhalten. Mitglieder können sich zu den von anderen Mitgliedern geplanten technischen Vorschriften und Konformitätsbewertungsverfahren (KBV) äußern, um unnötige Handelshemmnisse zu verhindern.
415 First Triennial Review of the Operation of the Technical Barriers to Trade Agreement, WTO, Doc. G/TBT/5 v. 19.11.1997, para. 33, S. 9 -10. Im Hinblick auf die
weniger entwickelten Staaten beinhaltete dies Maßnahmen mit dem Ziel des „Capacity Building“, zum Transfer von Technologien, um technische Vorschriften, Normen
und Konformitätsbewertungsverfahren auszuarbeiten und anzuwenden, Maßnahmen
um Bewusstsein unter kleine und mittlere Unternehmen für technische Marktzugangshürden für Lieferanten aus Entwicklungsländern zu schaffen und die Bitte an
internationale Normenorganisationen und internationale Systeme für Konformitätsbewertungsverfahren um Einschätzung, ob die besonderen Bedürfnisse der weniger
entwickelten Staaten dort berücksichtigt wurden.
416 G/TBT/5.
417 Mukerji, Developing Countries and the WTO, in: JoWT 2000, S. 49.
136
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
Dies führte bereits zu der Forderung, dem erst kürzlich als Unterausschuss
des Rates für den Warenhandel ins Leben gerufene Ausschuss für Trade Facilitation in einem zukünftigen Trade Facilitation-Abkommen die Kompetenz einzuräumen, feststellen zu können, ob die technischen Vorschriften
und Standards – einschließlich Verpackungs-, Kennzeichnungs- und Beschriftungsanforderungen, sowie Verfahren zur Konformitätsbewertung als
Bedingung für den Import – Trade Facilitation unangemessen im Wege stehen.418 Dies macht deutlich, dass eine Einigung der Mitglieder auf dem Gebiet von Trade Facilitation voraussetzt, dass zukünftige Regelungen, sollen
diese durchsetzbare Verpflichtungen zu Vereinfachungsmaßnahmen enthalten, auch im Hinblick auf die Unterstützung der weniger und am wenigsten
entwickelten Mitglieder durchsetzbar sein müssen.
2.2.
Das Übereinkommen über die Anwendung
gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher
Maßnahmen (SPS)
2.2.1. Überblick
Das Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und
pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen419 (SPS) reflektiert die Bestrebungen
der Mitglieder, einerseits den nationalen Interessen im Hinblick auf den
Schutze des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen
gerecht zu werden und andererseits den Handel dabei möglichst wenig zu
beeinträchtigen.420 Das Übereinkommen betont insbesondere den Wunsch
nach einer Harmonisierung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen421 und betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung internationaler Standards, Richtlinien und Empfehlungen.
418 Shin, Trade Facilitation and WTO Rules, in: JoWT 1999, S. 132.
419 Agreement on Sanitary and Phytosanitary Measures.
420 So heißt es in der Präambel: „Die Mitglieder – unter erneuter Bekräftigung der Tatsache, dass kein Land daran gehindert werden soll, Maßnahmen zum Schutze des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu treffen, sofern solche Maßnahmen nicht so angewendet werden, dass sie ein Mittel zur willkürlichen
oder ungerechtfertigten Diskriminierung zwischen Ländern, in denen gleiche Bedingungen herrschen, oder eine verschleierte Beschränkung des internationalen Handels
darstellen, … kommen wie folgt überein: …“.
421 Eine Definition gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen
findet sich in Anhang A des Übereinkommens.
137
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
2.2.2. Grundlegende Inhalte
Zunächst beinhaltet das SPS – ebenso wie das TBT – die Prinzipien der
Nichtdiskriminierung,422 der Transparenz,423 einer möglichst geringfügigen
Handelsbeeinträchtigung,424 und das Ziel einer weitgehenden Harmonisierung und gegenseitigen Anerkennung der ihm unterliegenden Maßnahmen.425 Gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen,
die ein höheres Schutzniveau zur Folge haben als jene, die auf einschlägigen
internationalen Normen beruhen, können dann eingeführt werden, wenn eine wissenschaftliche Begründung426 dafür vorliegt oder eine Risikobewertung im Sinne des Art. 5 SPS427 dies zulässt. Nach Art. 5.6. SPS dürfen SPSMaßnahmen nicht handelsbeschränkender als notwendig sein, um unter Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Durchführbarkeit das
angemessene gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Schutzniveau zu erreichen. Das Panel in Australia – Measures affecting the Importation of Salmon hat diese Verpflichtung anhand der zugehörigen Fußnote
konkretisiert.428 Nach Auffassung des Panel, bestätigt durch den Appellate
Body, steht eine Maßnahme dann mit Art. 5.6. SPS in Einklang, wenn keine
andere Maßnahme unter vertretbaren technischen und wirtschaftlichen Bedingungen zur Verfügung steht, die das angemessene Schutzniveau erreicht
und wesentlich weniger handelsbeschränkend ist.429 Problematisch stellt
sich in diesem Zusammenhang die Definition des „angemessenen Schutzniveaus“ dar. Dem Appellate Body zufolge ist die Bestimmung des Schutzni-
422 Art. 2 Abs. 3 SPS, siehe dazu Australia – Measures Affecting the Import of Salmon,
complaint by Canada, WT/DS18/AB/R, para. 252.
423 Art. 7 i. V. mit dem Notifizierungsverfahren des Anhang B SPS, die Liste der zu veröffentlichenden Instrumente ist nicht abschließend, Japan – Agricultural Products II,
WT/DS76/AB/R, paras. 105–106.
424 Art. 2 Abs. 2 SPS.
425 Art. 3 und 4 SPS, siehe dazu EC – Hormones, WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R,
para. 102–104, 165–177
426 Zum „hinreichenden wissenschaftlichen Nachweis“ i. S. des Art. 2 Abs. SPS siehe
Japan – Agricultural Products II, WT/DS76/AB/R, paras 73 ff.
427 Eine Definition ist zu finden in Anhang A zum SPS, Nr. 4., siehe dazu EC – Hormones, WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R, para. 177 ff.; Australia – Salmon
WT/DS18/AB/R, para. 121 ff.; Japan – Apples, WT/DS245/AB/R, paras. 202 ff.,
241.
428 Australia – Measures Affecting the Import of Salmon, complaint by Canada,
WT/DS18/R u. WT/DS18/AB/R, beide angen. am 6.11.1998.
429 WT/DS18/R, para. 8.167 und WT/DS18/AB/R, para. 180 ff.; Japan – Agricultural
Products II, WT/DS76/AB/R, para. 95.
138
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
veaus den Mitgliedern überlassen.430 Ziel und Grund der Maßnahme werden
von Art. 5.6. SPS daher nicht in Frage gestellt. Hat das Mitglied das Schutzniveau einmal festgelegt, so soll das Panel lediglich prüfen, ob weniger handelsbeschränkende, alternative SPS-Maßnahmen das selbe Schutzniveau
erzielt hätten.431 Diese alternativen Maßnahmen müssen technisch und wirtschaftlich vertretbar sein. Das Verhältnismäßigkeitserfordernis ist somit auf
das Mittel zur Gewähr eines vorher vom Mitglied festgelegten Schutzniveaus beschränkt.432 Reicht das einschlägige wissenschaftliche Beweismaterial nicht aus, so kann ein Mitglied unter Beachtung des Art. 5.7. SPS vorläufige Maßnahmen treffen.433
Im Hinblick auf die Verfahren zur Kontrolle und Sicherstellung der Einhaltung gesundheitspolizeilicher oder pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen
haben sich die Mitglieder in Anhang C auf einige Grundsätze geeinigt, die
denen für Konformitätsbewertungsverfahren nach dem TBT entsprechen.
Auch hier sind Unterlagen umgehend auf Vollständigkeit hin zu überprüfen
und der Anmelder über die Mängel zu unterrichten, damit das entsprechende
Verfahren möglichst rasch eingeleitet und abgeschlossen werden kann. Auf
Ersuchen des Anmelders ist es auch beim Vorliegen von Mängeln, soweit
möglich, fortzusetzen. Verzögerungen bedürfen stets einer Begründung. Die
Angaben für Kontroll-, Inspektions- und Genehmigungsverfahren, einschließlich der Genehmigung von Zusätzen oder die Festlegung von Toleranzen, sind zudem auf das erforderliche Maß zu beschränken. Auch die
Erfordernisse für die Kontrolle, Inspektion oder Genehmigung einzelner
Muster eines Erzeugnisses müssen auf das vertretbare und erforderliche
Maß beschränkt werden. Was darunter jedoch konkret zu verstehen ist bleibt
auch hier offen. Die bei den Maßnahmen anfallenden Gebühren müssen einerseits in einem angemessenen Verhältnis zu den für gleichartige einheimische Erzeugnisse zu entrichtenden stehen und dürfen andererseits nicht höher sein als die tatsächlichen Kosten der erbrachten Dienstleistung.
430 WT/SD18/AB/R, para. 199. Ist ein solches jedoch nicht oder nicht hinreichend konkret bestimmt, so könnten Panel diese jedoch auf der Grundlage des Schutzniveaus
bestimmen, welches von der angewandten SPS-Maßnahme wiedergespiegelt wird,
ebenda, para. 206.
431 Desmedt, Proportionality in WTO Law, in: JIEL 2001, S. 457.
432 ebenda.
433 Siehe dazu: Japan – Agricultural Products II, WT/DS76/AB/R, paras. 80, 89 ff.; Japan – Apples, WT/DS245/AB/R, para. 179 ff.; zum Vorsorgeprinzip siehe EC –
Hormones, WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R, paras. 123–125.
139
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
2.2.3. Internationale Harmonisierung
Abgesehen von den grundlegenden Prinzipien des Übereinkommens, dessen
Regelungsgehalt sich allein auf gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen beschränkt, kommt dem für SPS-Maßnahmen zuständige Ausschuss Bedeutung vor dem Hintergrund von Trade Facilitation
zu. Diese hat gemäß Art. 12.4. SPS ein Verfahren zur Überwachung des internationalen Harmonisierungsprozesses zu erarbeiten und diesbezügliche
Anstrengungen mit den zuständigen internationalen Organisationen zu koordinieren. Ein vorübergehend anzuwendendes Verfahren wurde im Oktober
1997 beschlossen, mit dem festgestellt werden sollte, in welchen Fällen die
Nichtanwendung internationaler Standards, Richtlinien und Empfehlungen
erhebliche Auswirkungen auf den internationalen Handel hat und welche
Gründe für die Nichtanwendung bestehen.434 Ein vom Ausschuss in Zusammenarbeit mit den zuständigen internationalen Organisationen aufzustellendes Verzeichnis soll für jedes Mitglied die internationalen Normen,
Richtlinien oder Empfehlungen angeben, deren Einhaltung Voraussetzung
für die Einfuhr ist, oder auf deren Grundlage die den betreffenden Normen
entsprechenden Waren Marktzugang erhalten, Art. 12.4. S. 2 u. 3 SPS. In
Fällen, in denen ein Mitglied keine solchen internationalen Standards, Richtlinien und Empfehlungen anwendet, hat dieses Mitglied die Gründe dafür
anzugeben und sich dazu zu äußern, ob die bereffende Norm seiner Ansicht
nach nicht streng genug ist, um ein angemessenes gesundheitspolizeiliches
oder pflanzenschutzrechtliches Schutzniveau zu gewährleisten.435 Ändert
sich die Haltung eines Mitglieds, nachdem es die Anwendung einer Norm,
Richtlinie oder Empfehlung im Verzeichnis angegeben hat, so ist dies dem
Sekretariat bzw. der zuständigen Internationalen Organisation mitzuteilen
und eine Erklärung dafür anzugeben. Etwas anderes gilt dann, wenn Notifizierung und Erklärung nach dem in Anhang B aufgeführten Verfahren erfolgen, welches der Transparenz gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Vorschriften dienen soll. Zur Vermeidung von Doppelarbeit kann
sich der Ausschuss auf Informationen stützen, die aus einschlägigen Verfahren der zuständigen internationalen Organisation hervorgehen.
434 Trade Facilitation – Contributions received from other WTO bodies, Note by the
Secretariat, G/C/W/149, 14.4.1999.
435 Nach Ansicht Shins (Trade Facilitation and WTO Rules) ist es daher notwendig, dass
dem Ausschuss für Trade Facilitation die Kompetenz zugesprochen werden muss,
feststellen zu können, ob die Vorgehensweise eines Mitglieds, welche keinen
Gebrauch von internationalen Standards, Richtlinien und Empfehlungen als Voraussetzung für die Einfuhr macht, unzulässigerweise der Trade Facilitation widerspricht.
140
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
2.2.4. Bewertung
Ebenso wie dem TBT kommt dem ähnlich konzipierten SPS-Übereinkommen im Hinblick auf zukünftige umfassende Trade Facilitation-Regelungen durchaus Modellcharakter zu. Aber auch hier bestehen Umsetzungsdefizite, in diesem Fall seitens der Industriestaaten, die vornehmlich von den
weniger und am wenigsten entwickelten Mitgliedern beklagt werden.436 Im
Rahmen einer Überprüfung437 des SPS durch der WTO berichtete Indien
davon, dass Mitteilungen über das Inkrafttreten von Maßnahmen am letzten
Tag eines Monats herausgegeben wurden, deren Einhaltung bereits am
nächsten Tag verbindlich war und somit keinerlei Zeit blieb, sich darauf einzustellen. Mit Blick auf Maßnahmen internationaler Organisationen weist
die WTO auf die Bedenken der Entwicklungsländer bei Ausarbeitung und
Anwendung internationaler Normen hin, einschließlich ihrer Schwierigkeiten, sich aktiv an deren Entwicklung zu beteiligen. Zudem fehlten Mechanismen, die die wirtschaftlich und technisch beschränkten Möglichkeiten der
Entwicklungsländer bei der Umsetzung der Normen berücksichtigten.438
2.3.
Übereinkommen über Kontrollen vor dem Versand (PSI)
2.3.1. Allgemeines
Seit den 60er Jahren haben sich die Ziele der von Regierungen eingesetzten
Vorversandkontrollen geändert. Während diese in der Vergangenheit vornehmlich der Devisenkontrolle dienten, indem sie Kapitalflucht und die Unterbewertung von Waren verhinderten, sind sie heute darauf gerichtet, die
Staatseinnahmen zu sichern.439 Vor allem Entwicklungsländer nehmen die
Dienste privater Kontrollfirmen in Anspruch, die auf dem Staatsgebiet des
436 Bspw. erfolge die Überprüfung der Einhaltung von Erfordernissen willkürlich. Umsetzungsdefizite auf Seiten der Industriestaaten als auch innerhalb der von finanzieller und technologischer Macht dominierten internationalen Gremien, seien, so Mukerji, Ursache dafür, dass den Entwicklungsländern die aus der Harmonisierung von
Normen zur Erleichterung und Expansion von Warenströmen resultierenden Möglichkeiten effektiv verwehrt blieben. Internationale Normen, deren Einhaltung von
Entwicklungsländern erwartet wird, sollten daher in Zukunft mit deren aktiver Beteiligung ausgearbeitet werden. Eine Herausforderung stelle weiterhin der durch
Verbreitung nationaler und internationaler Standards notwendig gewordene Ausbau
der nationalen Infrastruktur dar. (Mukerji, Developing Countries and the WTO, in:
JoWT 2000, S. 50).
437 Review of the Operation and Implementation of the Agreement on the Application of
Sanitary and Phytosanitary Measures, WTO Doc.G/SPS/12 v. 11.03.1998.
438 Siehe oben, Review of the Operation and Implementation of the SPS.
439 Bericht der PSI-Arbeitsgruppe 1999, G/L/1999, Section B.
141
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
Ausfuhrmitglieds Details der Ausfuhrsendungen wie Preis, Qualität und
Quantität überprüfen.440 Dies dient vornehmlich der Aufdeckung von Überund Unterbewertungen und Betrug. Darüber hinaus werden die Waren im
Hinblick auf die vereinbarten Eigenschaften und die Qualitäts- und Mengenbestimmungen des Bestimmungslands überprüft.441 Auf internationaler
Ebene besteht Einigkeit darüber, dass Vorversandkontrollen auf lange Sicht
einen funktionierenden Zoll nicht ersetzen können. Auch wenn die Vorteile
einer vorübergehenden Anwendung von Vorversandkontrollen anerkannt
sind, so ist man sich der Nachteile bewusst.442 Ziel des Übereinkommens
über Vorversandkontrollen ist es, die Durchführung der Kontrollen ohne
unnötige Verzögerungen und ohne jegliche Diskriminierung zu erreichen.443
2.3.2. Verpflichtungen der Benutzermitglieder444
Unter Vorversandkontrollen sind gemäß Art. 1 Abs. 3 PSI445 alle Tätigkeiten
zu verstehen, die sich auf die Überprüfung der Qualität, der Menge, des
Preises, einschließlich der Wechselkurse und finanziellen Bedingungen,
und/oder der zolltariflichen Einreihung der in das Gebiet des Benutzermitglieds auszuführenden Waren beziehen. In Art. 2 PSI sind verschiedene, die
Benutzermitglieder verpflichtende Grundsätze normiert, die bei der Durchführung von Vorversandkontrollen zu beachten sind.446
440 Derzeit nehmen 39 Staaten die Dienstleistungen von PSI-Firmen in Anspruch. Siehe
näher: Committee on Customs Valuation in Preshipment Inspection, Note by the Secretariat vom 8. Oktober 2004, G/VAL/W/63/Rev.5.
441 Einige Staaten beschränken die Kontrollen auf heikle Produkte, die dann zu 100 %
geprüft werden. Andere wiederum prüfen alle Waren vollständig. Im Jahre 1999 haben 35 Mitglieder Dienstleistungen privater Kontrollfirmen in Anspruch genommen,
die bei der IFIA (International Federation of Inspection Agencies) akkreditiert sind.
442 WCO, UNECE und Weltbank haben bereits mehrfach auf die Mängel hingewiesen.
Letztendliches Ziel ist es für diese Organisationen und andere, PSI durch funktionierende Zollregime zu ersetzten. Siehe UNECE/CEFACT Recommendation on PSI;
ebenso Bericht der PSI Arbeitsgruppe v. 1999, G/L/300; EC, Trade Facilitation in relation to existing WTO Agreements, Docs. online G/C/W/136, G/L/299, S/C/W/101,
IP/C/W/131.
443 Siehe Präambel des PSI-Übereinkommens.
444 „Benutzermitglied“ ist gemäß der Definition des Art. 1 Abs. 2 „ein Mitglied, dessen
Regierung oder Regierungsstellen die Durchführung von Vorversandkontrollen vertraglich vereinbaren oder in Auftrag geben.“
445 Agreement on Preshipment Inspection.
446 In ihrem ersten Bericht v. 2.12.1997 hat die PSI Arbeitsgruppe den Benutzermitgliedern verschiedene Empfehlungen gegeben, um die Einhaltung ihrer Verpflichtungen
nach Art. 2 des Übereinkommens sicherzustellen, G/L/214, Teil B.
142
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
a)
Nichtdiskriminierung
Die Benutzermitglieder haben u.a. sicherzustellen, dass die Vorversandkontrollen auf nicht-diskriminierende Art und Weise durchgeführt werden, dass
die dabei verwendeten Verfahren und Kriterien objektiv sind, und dass diese
unter gleichen Bedingungen auf alle betroffenen Ausführer angewandt werden. Die Durchführung der Kontrollen hat durch alle Kontrolleure der vertraglich verpflichteten oder beauftragten Vorversandkontrollstellen einheitlich zu erfolgen. Die kontrollierten Sendungen des Ausfuhrmitglieds dürfen
im Hinblick auf alle Gesetze, Verordnungen und sonstigen Vorschriften, die
sich auf den Verkauf, das Angebot, den Einkauf, die Verteilung oder Verwendung der Waren im Inland auswirken, nicht weniger günstig behandelt
werden als inländische Waren.447
b)
Ort der Kontrollen und Anwendung internationaler Normen
Die Kontrollen haben grundsätzlich in dem Zollgebiet stattzufinden aus den
sie ausgeführt werden, können aber, wenn dies nicht möglich ist, nach vorheriger Vereinbarung der Parteien im Zollgebiet, in dem die Waren hergestellt werden, erfolgen. Haben Käufer und Verkäufer im Kaufvertrag keine
Normen vereinbart, anhand derer die Mengen- und Qualitätskontrollen erfolgen sollen, so sind die einschlägigen internationalen Normen448 anzuwenden.
c)
Transparenz
In Art. 2 Abs. 5–8 PSI sind weitgehende Transparenzverpflichtungen normiert. So muss dem Ausführer bei der ersten Kontaktaufnahme mit der Vorversandkontrollstelle eine Liste aller von ihm zur Erfüllung der Kontrollbedingungen zu erteilenden Auskünfte zur Verfügung gestellt werden. Auf Anfrage setzen die Stellen den Ausführer unter Hinweis auf die in dem Zusammenhang einschlägigen Gesetze und Verordnungen, Verfahren und Kriterien des Benutzermitglieds449 über die tatsächlich benötigten Auskünfte in
Kenntnis. Zusätzliche Verfahrensvorschriften oder Änderungen der gelten447 Art. 2 Abs. 2 PSI, der auf Art. III Abs. 4 GATT 1994 verweist.
448 Eine internationale Norm ist eine Norm, die von einer staatlichen oder nichtstaatlichen Stelle, deren Mitgliedschaft allen Mitgliedstaaten offen steht und die eine auf
dem Gebiet der Normung anerkannte Tätigkeit ausübt, angenommen wurde.
449 Die Information der Vorversandkontrollstellen umfasst: Gesetze und Verordnungen
des Benutzermitglieds über die Tätigkeit im Zusammenhang mit der Vorversandkontrolle sowie die Verfahren und Kriterien, die für die Kontrolle und für die Zwecke der
Überprüfung der Preise und Wechselkurse angewandt werden, die Rechte der Ausführer gegenüber den Vorversandkontrollstellen und die Beschwerdeverfahren gemäß
Art. 2 Abs. 21 PSI (Art. 2 Abs. 6 PSI).
143
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
den Verfahren dürfen, außer in Dringlichkeitsfällen gemäß der Art. XX und
XXI GATT, nur angewandt werden, wenn der Ausführer zum Zeitpunkt der
Vereinbarung des Kontrolltermins über diese unterrichtet ist. Sämtliche
Auskünfte müssen den Ausführern in angemessener Art und Weise zur Verfügung gestellt werden, wobei die Kontrollbüros als Auskunftsstelle dienen.
Die für Vorversandkontrollen geltenden Gesetze und Verordnungen des Benutzermitglieds sind so zu veröffentlichen, dass andere Regierungen und der
Handel davon Kenntnis nehmen können, Art. 2 Abs. 8 PSI.
d)
Vertraulichkeit
Die im Laufe der Kontrollen erhaltenen Auskünfte sind, soweit diese nicht
schon veröffentlicht, Ditten bereits allgemein verfügbar oder in der Öffentlichkeit bekannt sind, gemäß Art. 2 Abs. 9 PSI als vertrauliche Geschäftsinformationen zu behandeln. Dafür sind entsprechende Verfahren vorzusehen.
Auf Ersuchen haben die Benutzermitglieder den Mitgliedern Auskünfte über
die Maßnahmen zur Verfügung zu stellen, die sie treffen, um dem Schutz
vertraulicher Geschäftsinformationen Wirksamkeit zu verleihen. Von diesen
wird jedoch nicht verlangt, dass sie vertrauliche Informationen offenbaren,
deren Preisgabe die Wirksamkeit der Programme der Vorversandkontrolle
gefährden oder die legitimen wirtschaftlichen Interessen bestimmter öffentlicher oder privater Unternehmen schädigen würde, Art. 2 Abs. 10 PSI. Die
Benutzermitglieder haben zudem sicherzustellen, dass die Vorversandkontrollstellen vertrauliche Geschäftsinformationen allein an die Regierungen
weiterleiten, die sie vertraglich verpflichtet oder beauftragt haben und eine
diesbezügliche Auskunft nur insoweit erfolgt, als diese für Akkreditive, andere Zahlungsformen oder für Zollzwecke, Einfuhrlizenzverfahren und Devisenkontrollen üblicherweise notwendig sind. Die Benutzermitglieder haben sicherzustellen, dass die ihnen mitgeteilten Geschäftsinformationen angemessen geschützt werden. Zu den in Absatz 12 aufgelisteten Aspekten450
dürfen die Vorversandkontrollstellen von den Ausführern in der Regel keine
Informationen verlangen.
450 Fertigungsdaten im Zusammenhang mit patentierten, lizenzierten oder geheimen
Verfahren oder solchen für die ein Patent angemeldet ist (a), unveröffentlichte technische Daten oder andere als für den Nachweis der Übereinstimmung mit technischen
Vorschriften oder Normen notwendige Daten (b), Informationen betreffend der internen Preisbildung, einschließlich der Herstellungskosten (c), der Gewinnspannen (d)
oder der Bedingungen der Verträge zwischen den Ausführern und ihren Lieferanten,
außer wenn es der Vorversandkontrollstelle nicht anders möglich ist, die Kontrolle
durchzuführen. In diesem Fall werden nur die für diesen Zweck erforderlichen Auskünfte verlangt (e).
144
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
e)
Beschleunigung
Regelungen, die kontrollbedingte Verzögerungen zu minimieren suchen,
finden sich zuhauf. Ist ein Kontrolltermin zwischen Ausführer und Kontrollstelle vereinbart worden, so hat die Kontrolle auch zu diesem Termin stattzufinden, wenn nicht der Termin einvernehmlich geändert wurde oder die
Vorversandkontrollstelle durch den Ausführer oder durch höhere Gewalt an
der Durchführung gehindert wird. Zu Zwecken des Übereinkommens bedeutet „höhere Gewalt“: unausweichlicher Zwang oder Gewalt, unvorhersehbarer Verlauf der Ereignisse, welche die Nichterfüllung des Vertrages entschuldigen.451 Innerhalb von 5 Arbeitstagen nach Erhalt der letzten Unterlagen und Abschluss der Kontrollen haben die Vorversandkontrollstellen entweder einen Schlussbericht über die Feststellungen zu erstellen, oder eine
ausführliche schriftliche Erläuterung der Gründe für die Nichterstellung abzugeben. Im letztgenannten Fall muss dem Ausführer Gelegenheit zur
schriftlichen Darlegung seines Standpunkts gegeben, und es muss sichergestellt werden, dass auf sein Ersuchen hin eine erneute Kontrolle zum beiderseits frühestmöglichen Termin vereinbart wird, Art. 2 Abs. 16 PSI. Darüber
hinaus haben die Benutzermitglieder sicherzustellen, dass auf Antrag des
Ausführers vor dem Termin der physischen Kontrolle eine vorläufige Prüfung der Preise und ggf. der Wechselkurse auf Grundlage des Vertrages zwischen Aus- und Einführer, der Proformarechnung und ggf. des Antrags auf
Einfuhrgenehmigung erfolgt. Ein aufgrund einer solchen Prüfung bereits
angenommener Preis oder Wechselkurs darf nicht zurückgenommen werden,
wenn die Waren den Einfuhrpapieren und/oder der Einfuhrlizenz entsprechen. Die Vorversandkontrollstelle hat dem Ausführer unverzüglich nach der
vorläufigen Prüfung schriftlich die Anerkennung oder die genauen Gründe
für die Nichtanerkennung des Preises und/oder Wechselkurses mitzuteilen,
Art. 2 Abs. 17 PSI. Mit dem Ziel, Zahlungsverzögerungen zu verhindern, ist
dem Ausführer oder dem von ihm benannten Vertreter so schnell wie möglich ein Schlussbericht über die Feststellungen der Vorversandkontrollstellen
zuzusenden. Treten Fehler dabei auf, so müssen die Angaben berichtigt und
diese den betreffenden Parteien so schnell wie möglich übermittelt werden,
Art. 2 Abs. 18 und 19 PSI.
451 Fn. 3 zum PSI lautet: Es gilt als vereinbart, dass ‚höhere Gewalt‘ für die Zwecke
dieses Übereinkommens ‚unausweichlichen Zwang oder unausweichliche Gewalt infolge von unvorhersehbaren Ereignissen, die die Nichterfüllung des Vertrags entschuldigen‘, bedeutet.
145
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
f)
Preisprüfung, Beschwerdeverfahren und Mindestwert
Zwecks Vermeidung von Über- oder Unterbewertung und Betrug sieht das
Übereinkommen Leitlinien für die Preisprüfung vor.452 Der vereinbarte Vertragspreis kann nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Kontrollstelle
nachweisen kann, dass sie ihre Feststellungen anhand der in Art. 2 Abs. 20
b)–e) PSI niedergelegten Kriterien getroffen hat.
Art. 2 Abs. 21 PSI verpflichtet die WTO-Mitglieder sicherzustellen, dass die
Vorversandkontrollfirmen ein Beschwerdeverfahren bereithalten, in dem
Ausführer etwaige Missstände rügen können. Die Beschwerden müssen entgegengenommen, geprüft und entschieden werden. Darüber hinaus sind die
Vorgaben des Absatz 21 a)–c) einzuhalten.453 Über die Einzelheiten des Verfahrens sind die Ausführer in der in Art. 2 Abs. 6 und 7 bezeichneten Art und
Weise zu unterrichten.
Der letzte Absatz des Art. 2 PSI sieht die Festlegung eines Benutzermitglieds auf einen Mindestwert vor, bis zu dem eine Kontrolle der Sendung
unterbleibt – es sei denn, es liegen außergewöhnliche Umstände vor.
Teilsendungen sind davon jedoch nicht erfasst. Der festgelegte Mindestwert
ist nach Absatz 6 bekannt zu geben.
2.3.3. Verpflichtungen der Ausfuhrmitglieder
Verpflichtungen sind jedoch nicht nur für die Benutzermitglieder normiert.
Auch die Ausfuhrmitglieder haben Grundsätze der Nichtdiskriminierung,
Transparenz und technischer Hilfe zu befolgen. So stellen sie sicher, dass
ihre sich auf die Tätigkeiten im Rahmen der Vorversandkontrolle beziehenden Gesetze und Verordnungen ohne Diskriminierungen angewandt werden.
Diese sind unverzüglich so zu veröffentlichen, dass andere Regierungen und
der Handel die Möglichkeit haben, von ihnen Kenntnis zu nehmen. Den Benutzermitgliedern ist auf Ersuchen zu einvernehmlich vereinbarten Bedingungen – zur Erfüllung der Ziele des Übereinkommens – technische Hilfe
452 In Bezug auf die Dienstleistungen der Vorversandkontrollstellen bei der Festsetzung
des Zollwertes sind für die Benutzermitglieder die Verpflichtungen, die sie nach dem
GATT 1994 und den in Anhang 1A des WTO-Abkommens enthaltenen multilateralen
Handelsübereinkünften eingegangen sind, maßgeblich.
453 So muss während der normalen Bürozeiten in jedem Hafen oder in jeder Stadt, wo
sich ein Verwaltungsbüro für die Vorversandkontrollen befindet, mindestens ein Beamter anwesend sein, der Einsprüche oder Beschwerden der Ausführer entgegennimmt (a); diesem Beamten sind schriftlich die Fakten des Geschäfts, Hinweise zur
Art der Beschwerde und ein Lösungsvorschlag zu unterbreiten (b); nach wohlwollender Prüfung der Beschwerde trifft der Beamte so schnell wie möglich nach Erhalt
der in (b) erwähnten Unterlagen eine Entscheidung (c).
146
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
zu leisten.454 Diese kann, so Fußnote 5, auf bilateraler, plurilateraler oder
multilateraler Basis gewährt werden.
2.3.4. Unabhängige Überprüfung von Beschwerden
Können Streitigkeiten zwischen Vorversandkontrollstelle und Ausführer
nicht einvernehmlich gelöst werden, so steht es jeder Partei offen, die Streitigkeit zwei Tage nach Einreichung einer Beschwerde nach Art. 2 Abs. 1 PSI
einer unabhängigen Prüfung zu unterziehen. Jedes WTO-Mitglied hat sicherzustellen, dass zu diesem Zweck ein Verfahren eingeführt und beibehalten wird, welches die in Art. 4 PSI genannten Kriterien aufweist. Entscheidungsbefugt ist eine unabhängige Stelle, die eigens dafür in Zusammenarbeit der interessenvertretenden Organisationen gebildet wurde.455 Beide Organisationen benennen Sachverständige, die zusammen mit unabhängigen
Handelsexperten auf eine Liste gesetzt werden. Diese Liste ist fortlaufend zu
aktualisieren, öffentlich bekannt zu machen und dem Sekretariat zu notifizieren. Wird eine Streitigkeit anhängig gemacht, setzt die unabhängige Stelle eine aus drei Mitgliedern bestehende Sondergruppe ein, der jeweils ein
Mitglied der Organisationen und ein unabhängiger Handelsexperte angehört.
Bei den Mitgliedern der interessenvertretenden Organisationen muss gewährleistet sein, dass diese nicht mit der Partei verbunden sind. Unnötige
Kosten und Verzögerungen sind bei der Auswahl zu vermeiden. Die Leitung
wird von dem unabhängigen Handelsexperten übernommen, der eine mög-
454 Aus dem 1. Bericht der PSI-Arbeitsgruppe geht hervor, dass technische Hilfe, die auf
Ersuchen geleistet werden soll, Bereiche wie Zolltarif- und Zollverwaltungsreformen, Vereinfachung und Modernisierung von Systemen und Verfahren, und die Entwicklung einer angemessenen rechtlichen, administrativen und physischen Infrastruktur umfassen können, G/L/214, S. 4.
455 Am 13. und 15.12.1995 hat der Allgemeine Rat eine solche ‚unabhängige Stelle‘ als
ein dem Rat für den Warenhandel nachgeordnetes Gremium geschaffen
(WT/GC/M/9, Teil 1.(f)). Die Internationale Handelskammer (ICC ) als Repräsentantin der Ausführer, und die Internationale Föderation von Inspektionsfirmen als Repräsentantin der PSI-Firmen akzeptierten, in einem mit der WTO geschlossenen Übereinkommen (WT/L/125/Rev.1, Anhang I) gemeinsam die unabhängige Stelle zu
gründen. In Verhandlungen mit diesen Organisationen hat die WTO die Strukturen
und Funktionen der unabhängigen Stelle definiert (WT/L/125/Rev.1, Anhang II) und
die Verfahrensregeln für die unabhängige Überprüfung durch diese festgelegt. Diese
Verfahrensregeln sind in Anhang III zur Entscheidung über die Errichtung der Stelle
enthalten (WT/L/125/Rev.1 Anhang III). Die unabhängige Stelle berichtet dem Rat
für den Warenhandel jährlich (siehe G/L/120, 208, 269, 330 und 410). Wie in Art. 4
b) vorgesehen, hat die Stelle im März 1996 eine Expertenliste aufgestellt
(G/PSI/IE/1) und diese im April 1997 auf den neusten Stand gebracht
(G/PSI/IE/1/Rev.1).
147
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
lichst rasche Beilegung der Streitigkeit sicherzustellen hat und die dazu
notwendigen Entscheidungen trifft. Gegenstand der Überprüfung ist die
Einhaltung der Bestimmungen des PSI im Laufe der streitgegenständlichen
Kontrolle durch die Parteien. Stellungnahmen können schriftlich oder mündlich vorgetragen werden. Die Entscheidung hat grundsätzlich binnen acht
Arbeitstagen nach dem Antrag auf unabhängige Prüfung mehrheitlich zu
ergehen. Sie ist bindend und den Parteien mitzuteilen. Die Kosten werden
unter Würdigung des Sachverhalts aufgeteilt.
2.3.5. Bewertung
Das PSI ist darauf gerichtet, die aus den Vorversandkontrollen resultierenden Behinderungen des Handels – bis zur Abschaffung dieser Kontrollen –
so gering wie möglich zu halten. Auch wenn die Vorteile für die Benutzermitglieder nicht von der Hand zu weisen sind, so sind die Dienstleistungen
teuer und führen oftmals zu Verzögerungen bei Einfuhr und Ausfuhr. Die
erhofften Verbesserungen bei der Abgabenerhebung sind vielfach nicht eingetreten, und sie können nicht das leisten, was von einer funktionierenden
Zollverwaltung erwartet werden kann, wie z.B. die Datensammlung für statistische Zwecke oder die Koordination von Behörden. Nicht immer werden
moderne Zolltechniken angewandt.
Im Zusammenhang mit Trade Facilitation hat die für Vorversandkontrollen
zuständige Arbeitsgruppe festgehalten, dass eine jede Maßnahme, die zu
einem effizienteren Funktionieren des Übereinkommens beiträgt, den Handel an sich erleichtere.456 Sieben derartige Maßnahmen hat sie in ihrem Arbeitsprogramm von 1998 niedergelegt. So wird etwa ein Modellvertrag für
die Verträge zwischen PSI-Firmen und Regierungen, die Standardisierung
von Inspektionsdokumenten, selektive Kontrollen von Sendungen und eine
Rechnungsprüfung bei PSI-Firmen diskutiert. Darüber hinaus steht die Förderung des Wettbewerbs zwischen Kontrollagenten, die Gebührenstruktur
von PSI-Firmen und eine Preisdatenbank auf der Agenda der Arbeitsgruppe.
Ihrer Einschätzung nach dürfte eine Modernisierung und Reform der Zollverfahren durch Verwendung von Dokument- und Datenstandards, sowie
eine Einführung moderner Zolltechniken, Staaten erleichtern, von Vorversandkontrollsystemen Abstand zu nehmen. Dies werde letztlich zu einer
besseren Nutzung der Ressourcen, einer effektiveren Abgabenerhebung und
Kontrolle sowie zu einer Erleichterung des Handels führen.457
456 Bericht der PSI-Arbeitsgruppe von 1999, para. 20, G/L/300.
457 In Ergänzung der Empfehlungen von 1997 enthält der Bericht die folgenden Empfehlungen: (a) die Regierungen müssen sicherstellen, dass die Verträge mit den Vorga-
148
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
2.4.
Das Übereinkommen über Einfuhrlizenzverfahren (ILP)
2.4.1. Regelungsbereich
Einfuhrlizenzverfahren, die vor allem von weniger entwickelten Staaten angewandt werden, stellen ein Mittel zur Regulierung von Warenströmen dar.
Für das diesbezügliche WTO-Übereinkommen werden sie definiert als
„Verwaltungsverfahren458 zur Durchführung von Einfuhrlizenzregelungen,
bei denen die Vorlage eines Antrags oder anderer Unterlagen (außer den für
Zollzwecke verlangten Unterlagen) bei der zuständigen Behörde als Vorbedingung für die Einfuhr in das Zollgebiet des Einfuhrlandes vorgeschrieben
ist.“ Sie dienen vor allem der Verwaltung von Maßnahmen, die nach den
einschlägigen Bestimmungen des GATT 1994 erlassen wurden.459 Im Falle
unsachgemäßer Anwendung können sie allerdings Behinderungen für den
internationalen Handel darstellen.460 Um sicherzustellen, dass die Verfahren
im Einklang mit den Bestimmungen des GATT 1994 stehen und Handelsverzerrungen vermieden werden, haben sich die Mitglieder der WTO auf
grundlegende diesbezügliche Regeln verständigt. Danach sind zwei Ausgestaltungen denkbar, die jeweils verschiedenen Vorgaben unterliegen, automatische und nichtautomatische Lizenzverfahren. Beide Verfahrensarten
sind neutral anzuwenden und in angemessener und gerechter Weise zu
handhaben.
2.4.2. Automatische Einfuhrlizenzverfahren
Um automatische Einfuhrlizenzverfahren handelt es sich dann, wenn die
Anträge in allen Fällen genehmigt werden, und die Verfahren darüber hinaus
ben des PSI übereinstimmen und die Mitglieder dazu ermutigen, den Modellvertrag
soweit möglich anzuwenden; (b) Regierungen sollten Verträge auf die Einbeziehung
von Selektivitätsprinzipien und Risikoanalyse hin untersuchen; (c) Regierungen, die
in Betracht ziehen, ihre PSI-Programme einer Rechnungsprüfung zu unterziehen,
sollten sich von den Prinzipien des Anhangs C, wie Nichtdiskriminierung und Inländergleichbehandlung, leiten lassen; (d) Industriestaaten sollen die technische Unterstützung der Entwicklungsländer im Hinblick auf Capacity Building sicherstellen,
damit der Übergang, weg von PSI, möglich wird.
458 Diese Verfahren umfassen „Lizenzverfahren“ sowie andere ähnliche Verwaltungsverfahren.
459 Laut WT/DS27/AB/R, para. 193, zählen dazu unzweifelhaft auch Lizenzverfahren
für Zollkontingente.
460 Bei der Beurteilung, ob eine unsachgemäße Anwendung der Verfahren vorliegt, sind
die Ziele der wirtschaftlichen Entwicklung und die Finanz- und Handelsbedürfnisse
der Entwicklungsland-Mitglieder zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang wird
die Grundlage, der Geltungsbereich oder die Dauer einer Maßnahme, zu deren
Durchführung ein Lizenzverfahren eingeführt wird, nicht in Frage gestellt.
149
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
mit den Vorgaben des Art. 2. Abs. 2 a) ILP im Einklang stehen. Automatische Lizenzverfahren dürfen danach nicht so gehandhabt werden, dass sie
beschränkende Auswirkungen auf die ihnen unterfallenden Einfuhren haben.
Diese Auswirkung wird jedoch vermutet, wenn nicht
(i) jede Person, Firma oder Institution gleichermaßen berechtigt ist, eine
Einfuhrlizenz zu beantragen und diese zu erhalten, soweit sie die gesetzlichen Voraussetzungen des Einfuhrlandes diesbezüglich erfüllt,
(ii) Lizenzanträge nicht an jedem beliebigem Werktag, der der Zollabfertigung der Waren vorausgeht eingereicht werden können, und wenn
(iii) Lizenzanträge nicht, wenn sie vollständig und richtig eingereicht werden, umgehend nach dem Empfang, soweit administrativ möglich, in
jedem Fall aber innerhalb von 10 Werktagen, genehmigt werden.
2.4.3. Nichtautomatische Lizenzverfahren
Nichtautomatische Einfuhrlizenzverfahren sind nach Art. 3 ILP all jene, die
nicht unter die Definition des Art. 2 Abs. 1 ILP fallen. Für sie gelten die allgemeinen Bestimmungen und jene des Art. 3 ILP. Nichtautomatische Lizenzverfahren dürfen außer der durch die Verhängung der Einfuhrbeschränkungen verursachten Wirkung keine zusätzlichen handelsbeschränkenden
oder handelsverzerrenden Wirkungen haben.
2.4.4. Trade Facilitation Aspekte
Bereits die in Art. 1 ILP niedergelegten allgemeinen Bestimmungen sehen
für beide Verfahrensarten im Kontext von Trade Facilitation relevante Aspekte vor. Diese werden, je nach Verfahrentyp, durch die speziellen Regelungen in Art. 2 bzw. Art. 3 ILP ergänzt.
a)
Transparenz
Das Übereinkommen zeichnet sich, wie auch die bisher untersuchten Zusatzabkommen, durch die Betonung von Transparenz aus. Die in der Präambel erwähnte Zielsetzung wird durch eine Vielzahl konkreter Bestimmungen
ergänzt. Deutlich wird, dass es den Mitgliedern besonders auf nachzuvollziehende, vom Vorwurf der Undurchsichtigkeit befreite Vorschriften und
Verfahren ankommt. Trotz vielfältiger Verpflichtungen zu Transparenz
schützt das Übereinkommen vertrauliche Informationen.461 Die allgemeinen,
461 Nach Art. 1 Abs. 11 sind die Mitglieder nicht zur Preisgabe vertraulicher Auskünfte
verpflichtet, „deren Veröffentlichung die Durchführung der Rechtsvorschriften behindern oder sonst dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen oder die legitimen wirtschaftlichen Interessen bestimmter öffentlicher oder privater Unternehmen schädigen
würde.“
150
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
für automatische wie nichtautomatische Verfahren gleichermaßen geltenden
Bestimmungen sehen in Art. 1 Abs. 4. a) ILP eine Veröffentlichung aller Regeln und Angaben über die Verfahren der Antragstellung (Antragsberechtigung, Adressat des Antrags, Auflistung der lizenzpflichtigen Waren) in den
dem Ausschuss für Einfuhrlizenzverfahren nach Art. 4 ILP zu notifizierenden Quellen vor. Dies hat in einer Art und Weise zu geschehen, die den Regierungen und dem Handel ermöglicht, davon Kenntnis zu nehmen. Soweit
möglich hat dies 21 Tage vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Einfuhrlizenzverfahrens zu geschehen, keinesfalls aber danach. Schriftliche Stellungnahmen anderer Mitglieder müssen gebührend berücksichtigt werden.
In Konkretisierung des Art. X GATT wird somit explizit auf die Antragserfordernisse Bezug genommen, die rechtzeitig und in den vorgegebenen
Quellen zu publizieren sind, um Kenntnisnahme und Bemerkungen zu ermöglichen.
Dienen nichtautomatische Lizenzverfahren anderen Zwecken als der Durchführung mengenmäßiger Beschränkungen, so haben die Mitglieder gemäß
Art. 3. Abs. 3 ILP ausreichend Auskünfte zu veröffentlichen, um anderen
Mitgliedern und dem Handel eine Information über die Voraussetzungen der
Lizenzvergabe und deren Zuteilung zu ermöglichen. Sollte ein Antrag auf
Ausnahme oder Abweichung von diesen Lizenzverfahren möglich sein, so
hat die gemäß Art. 1 Abs. 4 zu veröffentlichenden Mitteilung neben dieser
Tatsache auch Angaben darüber zu enthalten, wie ein solcher Antrag zu stellen ist. Hinweise darauf, unter welchen Umständen Ausnahmen berücksichtigt werden, sind ebenfalls aufzunehmen. Auf Ersuchen eines anderen, am
Handel mit einer Ware interessierten Mitglieds, sind alle einschlägigen Auskünfte über die Verwaltung der Beschränkungen und über die innerhalb eines nicht weit zurückliegenden Zeitraums erteilten Einfuhrlizenzen zu erteilen. Weiter sind sie über die Aufteilung der Lizenzen auf die Lieferländer,
und soweit möglich, über Einfuhrstatistiken (nach Wert und/oder Menge)
über die einfuhrlizenzpflichtigen Waren zu informieren, Art. 3 Abs. 5 ILP.
Werden nichtautomatische Lizenzverfahren zur Verwaltung von Kontingenten angewendet, so ist die Gesamthöhe der Mengen- und/oder Wertkontingente, der Beginn und das Ende des Kontingentzeitraums und alle etwaige
Änderungen innerhalb der in Art. 1 Abs. 4 ILP festgelegten Frist in der dort
niedergelegten Art und Weise zu veröffentlichen.462 Gleiches gilt für den
Fall eines frühzeitigen Termins für die Eröffnung von Kontingenten.
462 Werden Kontingente auf die Lieferländer aufgeteilt, so werden alle anderen an der
Lieferung der betreffenden Ware interessierten Mitglieder innerhalb kürzester Frist
151
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
Eingeführte oder geänderte Lizenzverfahren sind dem gemäß Art. 4 ILP eingesetzten Ausschuss für Einfuhrlizenzen innerhalb von 60 Tagen nach der
Bekanntmachung zu notifizieren, Art. 5 ILP. Anzugeben sind die dem Lizenzverfahren unterworfenen Waren, die Kontaktstellen für Auskünfte über
die Berechtigung, die Verwaltungsstelle(n), bei denen die Anträge einzureichen sind, sowie Datum und Titel der Veröffentlichung, in der die Lizenzverfahren bekannt gemacht werden. Weiterhin ist mitzuteilen, ob es sich um
ein automatisches oder nichtautomatisch Verfahren handelt und welcher administrative Zweck (bei automatischen) damit verfolgt oder welche Maßnahme (bei nichtautomatischen) damit durchgeführt werden soll. Zuletzt ist
auch noch die voraussichtliche Dauer des Lizenzverfahrens anzugeben,
wenn dies mit einiger Wahrscheinlichkeit abgeschätzt werden kann. Ist dies
nicht der Fall, so ist der Grund dafür zu nennen. Kommt ein Mitglied seinen
Notifizierungspflichten trotz Hinweises nicht nach, so steht es jedem anderen Mitglied frei, seinerseits das Verfahren bzw. dessen Änderungen, einschließlich aller einschlägigen verfügbaren Auskünfte des anderen Mitglieds
zu notifizieren. Dies ist im Rahmen des GATT insofern interessant, als es
sich dabei um eine Notifizierung fremder Lizenzverfahren handelt.
b)
Nichtdiskriminierung
Das der WTO-Rechtsordnung immanente Prinzip der Nichtdiskriminierung
ist für den Bereich der Einfuhrlizenzverfahren in Art. 1 Abs. 3 ILP konkretisiert.463 Es spiegelt sich darüber hinaus sowohl in den Regelungen zu automatischen, Art. 2 Abs. 2 a), als auch in jenen zum nichtautomatischen Lizenzverfahren, Art. 3 Abs. 5 e) ILP, wider. Diese sehen vor, dass jede Person, Firma oder Einrichtung, gleichermaßen berechtigt sein muss, Einfuhrlizenzen zu beantragen und zu erhalten, wenn sie die gesetzlichen Voraussetzungen des Einfuhrmitglieds erfüllt. Die bekannt zu machenden Informatio-
über die den verschiedenen Lieferländern im laufenden Zeitraum zugeteilten Anteile
an den Mengen- oder Wertkontingenten unterrichtet und veröffentlicht, Art. 3 c) ILP.
463 In dem Fall EC – Bananas ging es um die Frage, ob die Formulierung ‚neutral in
application and administered in a fair and equitable manner‘ in Art. 1 Abs. 3 ILP anders zu verstehen ist, als jene des Art. X Abs. 3 (a) GATT 1994 die lautet: ‚administer
in a uniform, impartial and reasonable manner‘. Der AB hat dazu festgestellt, dass
die Bestimmungen des Art. X Abs. 3 (a) GATT 1994 und Art. 1 Abs. 3 des Lizenzübereinkommens einen identischen Anwendungsbereich haben. Dennoch sei Art. 1
Abs. 3. ILP spezieller und daher vorrangig anzuwenden. Zudem habe allein die Anwendung der Verfahrensvorschriften unparteiisch, gleich und gerecht zu erfolgen.
Auf die Vorschriften selbst bezieht sich das Erfordernis nicht. Der Titel des Übereinkommens mache deutlich, dass es allein Einfuhrlizenzverfahren regelt, EC – Bananas
III, WT/DS27/AB/R.
152
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
nen über die erteilten Lizenzen und deren Aufteilung auf die Lieferländer
fördern durch die geschaffene Transparenz die Gleichbehandlung der Antragsteller. Gleiches gilt für die Begründungspflicht im Falle der Nichtbewilligung und das Recht, nach Maßgabe der innerstaatlichen Rechtsvorschriften
oder Verfahren des Einfuhrmitglieds ein Rechtsmittel einzulegen. Die Verpflichtung der Mitglieder, dass die für die Bezahlung lizenzpflichtiger Einfuhren benötigten Devisen den Lizenzinhabern auf derselben Grundlage zur
Verfügung zu stellen sind wie den Importeuren lizenzfreier Waren, bezweckt
ebenfalls die Beseitigung von Diskriminierungen. Für nichtautomatische
Einfuhrlizenzverfahren gilt, dass die Lizenz gemäß Art. 3 Abs. 5 g) ILP eine
angemessene Geltungsdauer haben muss. Was konkret darunter zu verstehen
ist, bleibt offen. In jedem Fall aber dürfen Einfuhren aus entfernten Lieferquellen grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden.464 Bei der Zuteilung von
Lizenzen ist darüber hinaus auf eine angemessene Berücksichtigung neuer
Importeure und eine Zuteilung in wirtschaftlich sinnvollen Mengen zu achten.
c)
Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens
Weitere Aspekte des Übereinkommens beziehen sich auf Kernaspekte von
Trade Facilitation wie die Vereinfachung und Beschleunigung von Verfahren. Konkret ist beispielsweise in Art. 1 Abs. 5 und Abs. 6 ILP vorgesehen,
dass Antragsformulare und -verfahren, und gegebenenfalls Verlängerungsformulare und -verfahren, so einfach wie möglich zu gestalten sind. Von den
Antragstellern dürfen nur Unterlagen und Angaben gefordert werden, die als
für die ordnungsgemäße Durchführung der Lizenzregelung notwendig erachtet werden. Grundsätzlich soll sich der Antragsteller nur an eine Behörde
wenden müssen. Ist dies nicht durchführbar, so ist die Anzahl der Behörden
auf drei begrenzt. Weitere Beschleunigung bringt die Einführung von
Höchstdauern für die Bearbeitung der Anträge im nichtautomatischen Einfuhrlizenzverfahren gemäß Art. 3 Abs. 5 f) ILP.
d)
Geringstmögliche Handelsbeeinträchtigung
Der im GATT 1994 auch anderenorts zu findende Grundsatz einer möglichst
geringen Handelsbeeinträchtigung findet sich auch im Übereinkommen über
Einfuhrlizenzverfahren.465 Die Beschränkung auf die „unbedingt für not464 Ausnahmen sind möglich, wenn in besonderen Fällen Einfuhren zur Deckung eines
unvorhergesehenen Bedarfs notwendig sind.
465 Der Begriff Handelsbeeinträchtigung bezieht sich auf jegliche Handelsbeeinträchtigung, die auf der Einführung oder Anwendung von Lizenzverfahren beruhen und ist
nicht auf die Handelssparte beschränkt, in der die Verfahren Anwendung finden, Appellate Body Report EC – Poultry, WT/DS69/AB/R, para. 121.
153
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
wendig erachteten“ Unterlagen und Angaben i. S. d Art. 1 Abs. 5 ILP spiegelt ihn ebenso wider wie die Verpflichtung, automatische Einfuhrlizenzverfahren nur so lange beizubehalten, wie die Umstände, die Anlass für die Einführung gaben, fortbestehen oder die ihnen zugrundeliegenden Verwaltungszwecke nicht anderweitig erreicht werden können. Nichtautomatische Verfahren müssen gemäß Art. 3 Abs. 2 ILP zudem in Umfang und Dauer der
damit durchzuführenden Maßnahme entsprechen. Sie dürfen keine größere
administrative Belastung verursachen, als für die Verwaltung der Maßnahme
unbedingt notwendig. Aspekte einer möglichst geringen Handelsbeeinträchtigung enthält auch die Regelung des Art. 1 Abs. 7 ILP, wonach Anträge
nicht aufgrund geringfügiger Fehler in den Unterlagen abgewiesen werden
dürfen, wenn dadurch die Angaben nicht wesentlich geändert werden. Bei
Irrtümern oder Unterlassungen im Zusammenhang mit den Unterlagen oder
Verfahren, die offensichtlich ohne betrügerische Absicht oder grobe Fahrlässigkeit entstanden sind, darf die verhängte Strafe lediglich dazu dienen, eine
Warnung auszudrücken. Eine solche Verhältnismäßigkeit von Sanktion und
Verstoß führt dazu, dass einfache Fahrlässigkeiten den Handel nicht über
Gebühr behindern. Da Antragsteller in solchen Fällen nicht mit schwerwiegenden Konsequenzen zu rechnen haben, ist der Verwaltungsaufwand für sie
geringer.
e)
Rechtsweg
Sollte ein Lizenzantrag nicht genehmigt werden, so sind dem Antragsteller
auf ersuchen die Gründe dafür mitzuteilen. Weiterhin hat dieser das Recht,
nach Maßgabe der innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Verfahren des
Einfuhrmitglieds Rechtsmittel einzulegen, Art. 3 Abs. 5 e) ILP.
f)
Besondere und differenzierte Behandlung von Entwicklungsländern
Unter dem in der Präambel des Übereinkommens befindlichen Hinweis auf
die besonderen Handels-, Entwicklungs- und Finanzbedürfnisse der Entwicklungsland-Mitglieder haben die Mitglieder die Anwendung von Einfuhrlizenzverfahren – „in Anerkennung dessen, dass Einfuhrlizenzverfahren
zur Verwaltung von Maßnahmen angewendet werden können, die aufgrund
der einschlägigen Bestimmungen des GATT 1994 erlassen worden sind“
und „dass automatische Einfuhrlizenzverfahren für bestimmte Zwecke sinnvoll sind“ – gebilligt. Im Hinblick auf die Verpflichtung der Mitglieder ist
sicherzustellen, dass eine unsachgemäße Anwendung der Verwaltungsverfahren nicht zu Handelsverzerrungen führt, sind die Ziele der wirtschaftlichen Entwicklung und der Finanz- und Handelsbedürfnisse der Entwick-
154
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
lungsland-Mitglieder zu berücksichtigen.466 Konkrete Regelungen finden
sich im Hinblick auf die Zuteilung von Einfuhrlizenzen bei nichtautomatischen Verfahren bei denen Einführer, die Waren mit Ursprung in Entwicklungsland-Mitgliedern, insbesondere den am wenigsten entwickelten, einführen, besondere Beachtung finden sollen. Im Zusammenhang mit der
Auskunftspflicht über Einfuhrstatistiken wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine zusätzliche finanzielle oder administrative Belastung der
Entwicklungsland-Mitglieder zum Zwecke der Erfüllung der Auskunftsersuchen nicht erwartet wird.
g)
Überprüfungsmechanismus
Art. 7 ILP sieht eine Überprüfung der Durchführung und des Funktionierens
des ILP durch den zuständigen Ausschuss vor. Je nach Notwendigkeit, mindestens aber alle zwei Jahre, hat die Überprüfung des Übereinkommens „unter Berücksichtigung seiner Ziele und der darin enthaltenen Rechte und
Pflichten“, auf Grundlage eines vom Sekretariat der WTO zu erstellenden
Tatsachenberichts, zu erfolgen. Diesem sind gemäß Art. 7 Abs. 2 die nach
Art. 5 zu erteilenden Auskünfte und die Antworten eines jährlich verpflichtend, umgehend und vollständig zu beantwortenden Fragebogens zu Einfuhrlizenzverfahren zugrunde zu legen.
2.4.5. Bewertung
Das Übereinkommen über Einfuhrlizenzverfahren beinhaltet einige konkrete
Verpflichtungen, denen vor dem Hintergrund von Trade Facilitation Bedeutung zukommt. Wie die anderen relevanten multilateralen Handelsübereinkommen enthält auch das ILP Bestimmungen zu Transparenz, Nichtdiskriminierung, Vereinfachung und Beschleunigung. Dennoch ist eine Vielzahl
der Bestimmungen wenig effektiv, durchsetzbare Verpflichtungen begründen
sie in weiten Teilen nicht. Wenn es bspw. in Art. 1 Abs. 5 ILP heißt: „die für
notwendig erachteten“ Unterlagen und Angaben, so lässt diese Formulierung
einen weiten Spielraum für nationale Einschätzungen offen. Effizienter wäre
es, die in Betracht kommenden Angaben und Unterlagen konkret zu
bestimmen und diese zu standardisieren. Darüber hinaus sehen die existierenden Regelungen weder den Einsatz von automatisierten oder EDIgestützten Verfahren vor, noch gibt es eine Verpflichtungen zur Kooperation
zwischen den verschiedenen regulierend eingreifenden Stellen.
Aus dem Jahresbericht des Ausschusses für Einfuhrlizenzierung geht hervor,
dass bis zum Berichtszeitpunkt 83 Mitglieder ihren Notifizierungsverpflich466 In diesem Zusammenhang wird die Grundlage, der Geltungsbereich oder die Dauer
der Maßnahme durch das Übereinkommen nicht in Frage gestellt.
155
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
tungen aus Art. 1 Abs. 4 a) und/oder Art. 8 Abs. 2 b) ILP und 86 Mitglieder
jenen aus Art. 7 Abs. 3 ILP nachgekommen sind. Die Behebung dieses Defizit bei der Erfüllung der Transparenzverpflichtungen ist seit einiger Zeit das
Hauptanliegen des Ausschusses.467
2.5.
Übereinkommen über Ursprungsregeln
2.5.1. Hintergrund
Ursprungsregeln haben in den Welthandelsrunden und in der Zollverwaltung
in den vergangenen 15 bis 20 Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Dies
liegt an der ständig steigenden Anzahl regionaler Handelsabkommen und
Freihandelszonen (FTAs) in der ganzen Welt.468 Auch die zumeist entwicklungspolitisch motivierten Präferenzabkommen zwischen Staaten, die für
die Einfuhr von Waren aus bestimmten Staaten vergünstigte Zollsätze vorsehen, erfordern Regeln, mit denen der Ursprung einer Ware bestimmt werden kann.469 Diese Bestimmung wird durch die global arbeitsteilige Produktion erschwert. In der Vergangenheit wurden ganze Produkte dort hergestellt,
wo es am kostengünstigsten war. Heutzutage werden die einzelnen Produktkomponenten angesichts des weltweiten Wettbewerbs jeweils dort gefertigt,
wo sie am kostengünstigsten sind. Zwischenprodukte machen heute beinahe
die Hälfte des Welthandels aus. Nach Angabe der WTO machen Reexporte,
die sich dadurch auszeichnen, dass eine Ware zwei Grenzen überschreiten
muss bevor sie zum Endverbraucher gelangt, momentan den größten Wachstumsposten im Welthandel aus. Probleme ergeben sich bei Ursprungsnachweisen und der Zurückverfolgung. Die verschiedenen Ursprungsregeln in
den Mitgliederländern, die vielfach unklar sind, einen weiten Interpretationsspielraum lassen und eine eindeutige Ursprungslandfeststellung durch
die Verwaltung verhindern, machen eine Harmonisierung dieser Regeln
notwendig.470 Nur so kann Berechenbarkeit und Transparenz im internationalen Handel, vor allem bei Einsatz von Handelsinstrumenten wie Meistbe-
467 Report (2002) of the Committee on Import Licensing to the Council for Trade in
Goods, para. 9., G/L/573.
468 Innerhalb einer FTA können Waren mit Ursprung in einem Vertragsstaat zollfrei in
die anderen Vertragsstaaten eingeführt werden. Im Unterschied zu einer Zollunion,
innerhalb derer der Warenursprung von Waren im freien Verkehr unbeachtlich ist, ist
dieser innerhalb von Freihandelszonen Voraussetzung für die Zollfreiheit.
469 Terminologie des EU-Zollrechts, Schmoger/Mlakar, in CH-D Wirtschaft 9/99, S. 14–
17.
470 Einen Überblick über die Regelungen der USA, Japan, der Schweiz und der EU gibt
Nell, WTO Negotiations on the Harmonisation of Rules of Origin, in: JoWT 1999, S.
46 f.
156
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
günstigung, Anti-Dumping Zölle, Schutzmaßnahmen, Ursprungskennzeichnungserfordernisse und mengenmäßigen Beschränkungen geschaffen werden.
2.5.2. Struktur
Ziel des Übereinkommens über Ursprungsregeln (RO471) ist es, eine Harmonisierung von Ursprungsregeln zu erreichen und damit den internationalen Handel zu vereinfachen und zu erleichtern. Das in ihm enthaltene Harmonisierungsprogramm findet jedoch nur auf nichtpräferentielle Ursprungsregeln Anwendung.472 Ursprungsregeln in diesem Sinne schließen alle Ursprungsregeln ein, die bei nichtpräferentiellen handelspolitischen Instrumenten verwendet werden.473 Dem ursprünglich auf drei Jahre angelegten474 Arbeitsprogramm liegen die in Art. 9 Abs. 1 RO enthaltenen Prinzipien
zugrunde. Ist das Programm abgeschlossen, so ist vorgesehen, dass die Ergebnisse gemäß Art. 9 Abs. 4 RO durch einen Anhang zum Bestandteil des
Übereinkommens werden.475 Bis zur vollständigen Harmonisierung gelten
471 Agreement on Rules of Origin.
472 Nichtpräferentielle Ursprungsregeln sind „die Rechts- und Verwaltungsvorschriften
mit allgemeiner Geltung, die von einem Mitglied zur Bestimmung des Ursprungslandes von Waren angewendet werden, sofern diese Ursprungsregeln nicht vertragliche
oder autonome Handelsregelungen betreffen, die zur Gewährung von über die Anwendung des Art. I Abs.1 des GATT 1994 hinausgehenden Zollpräferenzen führen.“
Laut Website der WTO wird ungefähr 55% des Welthandels auf nichtpräferentieller
Basis, d.h. außerhalb von Freihandelszonen, Zollunionen und dem Handel aufgrund
von Präferenzen für Entwicklungsländer, durchgeführt.
473 Ursprungsregeln die beispielsweise zu Zwecken der Gewährung der Meistbegünstigungsbehandlung nach den Artikeln I, II, III, XI und XIII des GATT 1994, bei der
Erhebung von Antidumping- und Ausgleichszöllen nach Art. VI GATT 1994, der
Anwendung von Schutzmaßnahmen nach Art. XIX GATT 1994, der Anwendung von
Ursprungskennzeichnungserfordernissen nach Art. IX GATT, von diskriminierenden
mengenmäßigen Beschränkungen oder Zollkontingenten verwendet werden. Eingeschlossen sind auch die Ursprungsregeln, die für das öffentlichen Beschaffungswesen
und für Handelsstatistiken herangezogen werden.
474 Diese Frist konnte nicht eingehalten werden. Die erste der drei Phasen des Programms – die unter Art. 9 Abs. 2 i) geregelte Erarbeitung von Begriffsbestimmungen
für vollständig gewonnene oder hergestellte und minimale Be- oder Verarbeitungsvorgänge – konnte größtenteils abgeschlossen werden. Weiterhin besteht Uneinigkeit
bspw. über Agrarerzeugnisse, Teile, die aus gebrauchten Sachen zwecks Recycling
gewonnen werden und solche Waren, die von Schiffen in internationalen Gewässern
gewonnen werden. Bis heute konnte das Harmonisierungsprogramm nicht abgeschlossen werden, siehe Bericht des Sekretariats (G/RO/59) v. Dezember 2004.
475 Gleichzeitig werden laut Fn. 6 des Übereinkommens, Vereinbarungen über die Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit der zolltariflichen Einreihung in Be-
157
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
für die Anwendung der Ursprungsregeln die vorläufigen Disziplinen des Art.
2 RO. Zu den nicht vom Harmonisierungsprogramm erfassten Präferenzursprungsregeln476 haben die Mitglieder eine gemeinsame Erklärung abgegeben, die sich in Anhang II des Übereinkommens findet.
2.5.3. Harmonisierungsbestrebungen
Die Vorschriften zur Harmonisierung von Ursprungsregeln finden sich im
IV Teil des Übereinkommens. Art. 9 RO enthält in Abs. 1 Ziele und Grundsätze der Harmonisierung. Sowohl diese Grundsätze als auch die Disziplinen, die in der Übergangszeit gelten,477 spiegeln eine Vielzahl der Aspekte
wider, die auch in anderen, im Zusammenhang mit Trade Facilitation relevanten WTO-Übereinkommen, zu finden sind.478
a)
Das Harmonisierungsprogramm
Das in Art. 9 Abs. 2 RO niedergelegte Arbeitsprogramm ist in drei Phasen
untergliedert. Zunächst hat der zuständige technische Ausschuss harmonisierte Begriffsbestimmungen für solche Waren zu erarbeiten, die als vollständig in einem Land gewonnen oder hergestellt gelten. Ebenso sollen die
Begriffsbestimmungen für minimale Be- und Verarbeitungsvorgänge, die für
sich gesehen nicht ursprungsbegründend sind, harmonisiert werden (i). In
einer zweiten Phase hat er unter Zugrundelegung des Kriteriums der wesentlichen Be- oder Verarbeitung die Verwendung des Wechsels der Tarifposition oder -unterposition bei der Entwicklung von Ursprungsregeln für einzelne Waren oder für einen Warensektor zu prüfen und zu erarbeiten. Gleiches
gilt gegebenenfalls für die dieses Kriterium erfüllende Mindeständerung der
Einreihung in die Nomenklatur (ii). Sind auch diese Arbeiten abgeschlossen,
so hat der Technische Ausschuss für die Warensektoren und einzelnen Warengruppen, für die das Kriterium der wesentlichen Be- oder Verarbeitung
bei ausschließlicher Verwendung der Nomenklatur des Harmonisierten Sys-
tracht gezogen. Die Ministerkonferenz legt einen Zeitrahmen für das Inkrafttreten des
Anhangs fest.
476 Dies sind – zum Zwecke der Erklärung – die Rechts- und Verwaltungsvorschriften
mit allgemeiner Geltung, die ein Mitglied der Feststellung, ob Waren aufgrund vertragsmäßiger oder autonomer Handelsregelungen eine Präferenzbehandlung erhalten
können, die über die Anwendung des Art. I Abs. 1 GATT 1994 hinaus geht, zugrunde
legt.
477 Und damit auch die in Anhang II befindliche Gemeinsame Erklärung bezüglich der
Präferenzursprungsregeln.
478 Siehe in diesem Kapitel 4.
158
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
tems479 nicht zum Ausdruck gebracht werden kann, die ergänzende oder
ausschließliche Verwendung andere Erfordernisse zu prüfen und zu erarbeiten. Solche Erfordernisse können Wertprozentsätze480 und/oder Be- oder
Verarbeitungsvorgänge481 sein (iii). Der Technische Ausschuss hat seine Arbeit unter Zugrundelegung der Kapitel oder Abschnitte der HS-Nomenklatur
nach Waren aufzuteilen. Die Ergebnisse sind zumindest vierteljährlich dem
Ausschuss für Ursprungsregeln vorzulegen
b)
Grundsätze
Nach Art. 9 Abs. 1 b) RO ist zu gewährleisten, dass „als Ursprungsland einer Ware entweder das Land bezeichnet wird, in dem diese Ware vollständig
gewonnen oder hergestellt worden ist, oder – wenn mehr als ein Land an der
Herstellung einer Ware beteiligt ist – das Land, in dem die letzte wesentliche
Be- oder Verarbeitung durchgeführt worden ist.“ Die Regeln sollen objektiv,
verständlich und vorhersehbar sein und auf einem positiven Konzept beruhen. Für alle in Art. 9 RO genannten Zwecke sind Ursprungsregeln gleichermaßen anzuwenden, wobei sicherzustellen ist, dass sie selbst keine beschränkende, verzerrende oder zerrüttende Wirkung auf den Handel ausüben. Übermäßig strenge Erfordernisse sind zu vermeiden und die Feststellung des Ursprungslands soll nicht von der Erfüllung einer nicht mit der Beoder Verarbeitung zusammenhängenden Voraussetzung abhängig sein. Nicht
unmittelbar damit zusammenhängende Kosten können jedoch für die Zwecke der Anwendung des Wertprozentsatzkriteriums einbezogen werden.
Darüber hinaus sollen Ursprungsregeln kohärent sein und in folgerichtiger,
einheitlicher und unvoreingenommener Weise verwaltet werden können.482
2.5.4. Die Übergangsregelungen
In der Voraussicht, dass sich die Harmonisierungsarbeiten über einen längeren Zeitraum hinziehen werden, haben sich die Mitglieder auf Übergangsdisziplinen verständigt. Da die Harmonisierung aufgrund einiger Differen-
479 Das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung von Waren löst das
Brüsseler Zolltarifschema ab. Die Nomenklatur weist 5019 Warengruppen aus, wobei
jede durch einen sechsstelligen Zahlencode repräsentiert wird. Mehr als 177 Staaten
klassifizieren ihr Waren nach diesem System.
480 „ad valorem percentages“. In diesem Fall ist in den Ursprungsregeln auch die Methode für die Berechnung dieses Prozentsatzes anzugeben.
481 Hier ist der ursprungsbegründende Vorgang genau anzugeben.
482 Siehe Art. 9 Abs. 1 a)–g) RO.
159
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
zen bis heute nicht abgeschlossen werden konnten,483 sind diese Regelungen
weiterhin maßgeblich.
Nach Art. 2 b) RO haben Mitglieder sicherzustellen, dass – unbeschadet der
handelspolitischen Maßnahmen oder Instrumente, mit denen Ursprungsregeln verbunden sind – Ursprungsregeln weder mittelbar noch unmittelbar
zur Erreichung von Handelszielen eingesetzt werden. Sie dürfen nicht selbst
eine beschränkende, verzerrende oder zerrüttende Wirkung auf den Handel
ausüben.484
a)
Transparenz
Auch im Hinblick auf Ursprungsregeln treffen die Mitglieder weitreichende
Transparenzverpflichtungen. Bei Erlass von Verwaltungsvorschriften mit
allgemeiner Geltung haben sie nach Art. 2 a) zunächst sicherzustellen, dass
die zu beachtenden Erfordernisse klar definiert werden.485 Rechtsvorschriften sowie Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen mit allgemeiner Geltung in Zusammenhang mit den Ursprungsregeln müssen gemäß Art. 2 g)
nach Maßgabe des Art. X Abs. 1 GATT so veröffentlicht werden, als ob sie
diesem Artikel unterlägen. Die Feststellung des Ursprungs sind, vorbehaltlich der Regelung des Abs. 2 k), der vertrauliche Informationen schützt, ebenfalls öffentlich bekannt zu machen. Sämtliche Ursprungsregeln sowie
Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen mit allgemeiner Geltung im Zusammenhang mit Ursprungsregeln, die am Tag des Inkrafttretens des WTOAbkommens wirksam sind, sind darüber hinaus innerhalb von 90 Tagen dem
483 Aus dem Bericht des Sekretariats vom 10.12.2004 über den 10. Jahresbericht (2004)
des Ausschusses für Ursprungsregeln geht hervor, dass im Hinblick auf das Harmonisierungsprogramm des Abschnitts IV bis dato noch 94 Kernpunkte nicht gelöst sind.
Schon im Jahre 2002 hatte der Ausschuss 93 Kernfragen an den Allgemeinen Rat zur
Diskussion und Entscheidung weitergeleitet. Seitdem ist dieser damit befasst. Der
Rat für den Warenhandel hat die Frist zur Beendigung am 27.8.2004 bis Juli 2005
verlängert. Werden die Fragen gelöst, so bleibt dem technischen Ausschuss für Ursprungsregeln bis zum 31.12.2005 Zeit, das Harmonisierungsprogramm abzuschließen, sieht G/RO/59; Zu den Problemen des Harmonisierungsprogramms siehe Nell,
WTO Negotiations on the Harmonisation of Rules of Origin, JoWT 1999, S. 45–71.
484 So sollen Ursprungsregeln keine übermäßig strengen Erfordernisse auferlegen und
die Feststellung des Ursprungslandes nicht von der Erfüllung einer nicht mit der Beoder Verarbeitung zusammenhängenden Voraussetzung abhängig machen.
485 Insbesondere muss in Fällen, in denen das Kriterium des Wechsels der zolltariflichen
Einreihung angewendet wird, eine solche Ursprungsregel sowie jede Ausnahme dazu
eindeutig die Unterpositionen oder Positionen der Zollnomenklatur angeben, auf die
sich die Regel bezieht; gleiches gilt bei Anwendung des Wertprozentsatzkriteriums
für die Berechnungsmethode und wenn die Be- und Verarbeitungsmethode vorgeschrieben wird, für den ursprungsbegründenden Vorgang.
160
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
Sekretariat zu notifizieren, Art. 5 Abs.1 RO.486 Bis zum Abschluss der Harmonisierungsarbeiten sind nach Art. 5 Abs. 2 RO auch sämtliche Änderungen bestehender oder neu eingeführter Ursprungsregeln, soweit sie nicht
minimal sind, mindestens 60 Tage vor deren Inkrafttreten bekannt zu machen, damit die interessierten Parteien Kenntnis nehmen können. Nur wenn
sich für ein Mitglied außergewöhnlichen Umstände ergeben, oder zu ergeben drohen, können diese um 60 Tage unterschritten werden. Die geänderten
oder neuen Regeln sind dann so bald wie möglich zu veröffentlichen. Sämtliche Informationen, die ihrer Natur nach vertraulich sind oder von den
betreffenden Behörden als solche behandelt werden, dürfen ohne ausdrückliche Erlaubnis der Person oder Regierung, die solche Informationen zur
Verfügung stellt, nicht weitergegeben werden. Eine Ausnahme gilt, soweit
notwendig, im Rahmen von Gerichtsverfahren.
b)
Rechtssicherheit
Zur Gewährleistung von Rechtssicherheit ist für den Fall der Änderung bestehender oder der Einführung neuer Ursprungsregeln ein Verbot rückwirkender Anwendung normiert. Zudem haben die Händler das Recht, Verwaltungsmaßnahmen, die Mitglieder im Rahmen der Ursprungsfeststellung treffen, unverzüglich durch gerichtliche, schiedsrichterliche oder administrative
Instanzen oder Verfahren prüfen zu lassen. Eine Ursprungsfeststellung vor
Beginn eines Handelsgeschäfts ist in Art. 2 h) RO normiert. Danach ist sicherzustellen, dass der Ausführer, der Einführer oder eine andere Person, die
ein begründetes Interesse nachweist, die Feststellung des Ursprungs, den das
Mitglied verleihen würde, im voraus verlangen kann. Voraussetzung ist allerdings, dass alle erforderlichen Angaben gemacht werden. Eine solche
Feststellung bleibt drei Jahre lang gültig, wenn Tatsachen, Umstände und
Ursprungsregeln vergleichbar bleiben. Ungültig wird sie jedoch dann, wenn
die gerichtliche, schiedsrichterliche oder administrative Instanz in einem
Verfahren nach Art. 2 j) RO eine andere Feststellung trifft.
c)
Beschleunigung von Verfahren
Das Übereinkommen über Ursprungsregeln bringt zudem den Wunsch der
Mitglieder zum Ausdruck, Verfahren zu beschleunigen. Dies drückt sich in
dem Recht auf verbindliche Ursprungsauskunft aus. Die Frist innerhalb derer die Auskunft zu erfolgen hat darf 150 Tage nach Antragstellung nicht
486 Im Dezember 2004 hatten 77 Mitglieder notifiziert, ob sie von nicht-präferentielle
Ursprungsregeln Gebrauch machen oder nicht, und 83 Mitglieder waren zu diesem
Zeitpunkt ihren Notifizierungsverpflichtungen im Hinblick auf präferentielle Ursprungsregeln nachgekommen.
161
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
überschreiten. Die dreijährige Gültigkeit der Feststellung ermöglicht den
Händlern eine bessere Planung und verringert die Abfertigungszeit an den
Grenzen. Auch die Prüfung von Verwaltungsmaßnahmen im Rahmen von
Ursprungsfeststellung muss unverzüglich erreicht werden können.
d)
Nichtdiskriminierung
Zu den Disziplinen während der Übergangszeit zählt ferner die Pflicht, Diskriminierungen zu verhindern. So dürfen Ursprungsregeln gemäß Art. 2 d)
RO für Einfuhren und Ausfuhren nicht strenger sein, als jene, die sie für die
Feststellung zugrunde legen, ob es sich um eine inländische Ware handelt
oder nicht. Zudem dürfen die Regeln keine Diskriminierungen zwischen den
verschiedenen Mitgliedern bewirken. Sie sind daher auch einheitlich und
unvoreingenommen zu verwalten.
2.5.5. Die Gemeinsame Erklärung über Präferenzursprungregeln
Die in Anhang II des RO befindliche gemeinsame Erklärung über Präferenzursprungsregeln487 enthält einen Teil der Grundsätze, die bis zum Abschluss des Harmonisierungsprogramms für nichtpräferentielle Ursprungsregeln maßgeblich sind.488
487 „Für die Zwecke dieser Gemeinsamen Erklärung“ sind dies die „Rechts- und Verwaltungsvorschriften mit allgemeiner Geltung, die von einem Mitglied bei der Feststellung zugrunde gelegt werden, ob Waren eine Präferenzbehandlung aufgrund von vertragsmäßigen oder autonomen Handelsregelungen erhalten können, die zur Gewährung von Zollpräferenzen über die Anwendung des Art. I Abs. 1 GATT 1994 hinaus
führen.“ (Anhang II 2.)
488 Dazu gehört, dass Erfordernisse in Verwaltungsvorschriften mit allgemeiner Geltung
klar definiert werden, dass derartige Regeln auf einem positiven Konzept beruhen
müssen, damit im Zusammenhang stehende Rechtsvorschriften sowie Gerichts- und
Verwaltungsentscheidungen mit allgemeiner Geltung nach Maßgabe des Art. X Abs.
1 GATT veröffentlicht werden, und dass die rückwirkende Anwendung im Falle der
Änderung oder Neueinführung von Präferenzursprungsregeln verboten wird. Auch
die vorab Feststellung des Präferenzursprungs, das Recht auf Überprüfung und gegebenenfalls Aufhebung oder Änderung von Verwaltungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Präferenzursprungsfeststellung und der Grundsatz der Wahrung der Vertraulichkeit finden Eingang in die Erklärung. Darüber hinaus sind die Präferenzursprungsregeln und damit im Zusammenhang stehende Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen mit allgemeiner Geltung, einschließlich einer Liste der Präferenzvereinbarungen, auf die sich die Regeln beziehen, unverzüglich dem Sekretariat mitzuteilen.
162
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
2.5.6. Streitbeilegung
Das Übereinkommen über Ursprungsregeln war bisher einmal, und zwar
erst im Jahre 2003, Gegenstand eines Streitbeilegungsverfahrens.489 In dem
Streit United States – Rules of Origin for Textiles and Apparel Products war
Indien der Ansicht, dass die Ursprungsregeln der USA für Stoffe und zusammengesetzte Nichtbekleidungsartikel, die in einem Land aus einem Stoff
hergestellt werden („flat goods“), mit Art. 2 a)–c) RO nicht zu vereinbaren
seien. Zur Verwaltung von Kontingenten bestimmten die USA den Ursprung
von „flat goods“ nach dem Land, wo der Stoff gewoben, gestrickt oder anders geformt wurde. Spätere Weiterverarbeitungen wurden, außer in zwei
Ausnahmefällen, nicht berücksichtigt. Indien war der Überzeugung, die
USA verfolgten damit das Handelsziel, die heimische Textil- und Bekleidungsindustrie zu schützen. Die Ursprungsregeln hätten eine beschränkende,
verzerrende oder zerrüttende Wirkung, erlegten übermäßig strenge Erfordernisse auf und machten die Feststellung des Ursprungslands von der Erfüllung einer nicht mit der Be- oder Verarbeitung zusammenhängenden Voraussetzung abhängig. Weiter begünstigten die 2 Ausnahmevorschriften Importe im Interesse der Europäischen Gemeinschaft und seien daher diskriminierend.490
In seinem Bericht weist das Panel zunächst darauf hin, dass mangels Abschluss des Harmonisierungsprogramms die Übergangsvorschriften des Art.
2 RO Anwendung finden. Diese legten allein Verbote fest, ließen den Mitgliedern also ein Ermessen innerhalb der vorgegebenen Grenzen.
„Art. 2 RO nimmt den Mitgliedern nicht die Möglichkeit, die Kriterien aufzustellen, die Ursprung verleihen, diese Kriterien im Laufe der Zeit zu ändern oder verschiedene Kriterien für verschiedene Waren aufzustellen.“491
a)
Handelsziele i. S. d. Art. 2 b) RO
Im Hinblick auf einen Verstoß gegen Art. 2 b) RO weist das Panel darauf
hin, dass sich der AB im Zusammenhang mit Art. III Abs. 2 GATT dazu ge-
489 Aus diesem Grund macht das Panel in seinem Bericht anfängliche Bemerkungen zur
Beweislast (Verweis auf WT/DS33/AB/R und Corr.1, para. 335.), zur Auslegung (u.a.
WT/DS/10/AB/R) und Natur der fraglichen Verpflichtungen des Art. 2 RO.
WT/DS243/R, para. 6.15–6.25.
490 Panelbericht United States – Rules of Origin for Textiles and Apparel Products,
WT/DS243/R, para. 6.10.
491 ebenda, para. 6.24.
163
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
äußert habe, wie Panel das Ziel bestimmter Maßnahmen zu ergründen haben.492 Im Anschluss stellt es fest:
„… Artikel 2 b) RO soll sicherstellen, dass Ursprungsregeln dazu benutzt
werden, um handelspolitische Instrumente durchzusetzen und zu unterstützen, anstatt diese zu ersetzen oder die Wirkung des handelspolitischen Instruments zu ergänzen. Erlaubte man Mitgliedern Ursprungsregeln anzuwenden, um ‚die heimische Industrie vor Wettbewerb durch Einfuhren zu
schützen‘ oder ‚Einfuhren eines Mitglieds gegenüber denen anderer Mitglieder zu begünstigen‘, würde dies bedeuten, dass sie handelspolitische
Instrumente ersetzen oder deren beabsichtigte Wirkungen ergänzen und damit dem Zweck von Artikel 2 b) RO zuwiderlaufen.493
(…)
… die Ziele, die ‚heimische Industrie gegen Wettbewerb durch Einfuhren zu
schützen‘ und ‚Einfuhren eines Mitglieds gegenüber jenen anderer Mitglieder zu begünstigen‘ – können grundsätzlich Handelsziele sein, die mithilfe
von Ursprungsregeln nicht verfolgt werden dürfen.“494
b)
„… dass Ursprungsregeln nicht selbst eine beschränkende, verzerrende oder zerrüttende Wirkung auf den Handel ausüben.“
Nachdem das Panel festgestellt hat, dass ‚selbst‘ in diesem Zusammenhang
unterstreichen soll, dass von den Ursprungsregeln, die angewendet werden,
um diese handelspolitischen Maßnahmen zu stützen, keine zusätzliche oder
neue beschränkende, verzerrende oder zerrüttende Wirkung ausgehen
darf,495 konkretisiert es die Bedeutung von „ausüben“:496
„… der Begriff ‚ausüben‘ impliziert, dass die Ursprungsregeln eines Mitglieds nur dann nicht im Einklang mit Art. 2 c) S. 1 RO stehen, wenn eine
kausale Beziehung zwischen diesen Regeln und den in Satz 1 konkretisier-
492 „Auch wenn das Ziel einer Maßnahme nur schwer ermittelt werden kann, so kann
ihre protektionistische Wirkung dennoch meistens anhand ihrer Gestaltung, der Architektur und der Struktur ermittelt werden.“ AB-Bericht Chile – Taxes on Alcoholic
Beverages, WT/DS87/AB/R, WT/DS110/AB/R, para. 62.
493 para. 6.43.
494 para. 6.44.
495 Das Panel weist auf Art. 3.2 des Übereinkommens über Einfuhrlizenzverfahren hin,
wonach nichtautomatische Lizenzverfahren außer der durch die Verhängung der Einfuhrbeschränkungen verursachten Wirkungen keine zusätzlichen handelsbeschränkenden oder handelsverzerrenden Wirkungen haben dürfen.
496 „create“.
164
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
ten, verbotenen Auswirkungen besteht.497 Wir sind der Auffassung, dass der
Begriff ‚ausüben‘ dennoch nicht impliziert, dass die verbotenen Auswirkungen notwendigerweise absichtlich herbeigeführt werden.498
Mit „beschränkende, verzerrende oder zerrüttende Wirkung“ ist, so das Panel, gemeint, dass Art. 2 c) S. 1 RO solche Ursprungsregeln verbietet, die
den Effekt haben, den internationalen Handel zu begrenzen („beschränkende“ Wirkung); die natürlichen Strukturen des internationalen Handels zu
stören („verzerrende“ Wirkung); oder die gewöhnliche Kontinuität des internationalen Handels zu unterbrechen („zerrüttende“ Wirkung). Aus diesem
Grund sei es nicht angebracht, den Begriff „Wirkungen auf den internationalen Handel“ so zu interpretieren, dass nachteilige Auswirkungen für den
Handel mit verschiedenen (aber ähnlichen) Arten von Fertigprodukten entstehen. Er beziehe sich auf den Handel mit den Waren, auf die die einschlägige Ursprungsregel angewandt wird (bspw. Baumwollbettwäsche).499 Dem
Argument Indiens, dass es ausreiche, dass die klagende Partei die beschränkende oder verzerrende Auswirkung der fraglichen Ursprungsregel auf den
Handel eines Mitglieds darlegt, entgegnet das Panel:
„Trotz der Tatsache, dass man Handel zwischen jeglichen zwei Mitgliedern
als ‚internationalen Handel‘ bezeichnen kann, sind wir nicht davon überzeugt, dass es notwendigerweise immer ausreichend ist, nachteilige Auswirkungen auf den Handel eines Mitglieds darzulegen. Vielmehr kann eine bestimmte Ursprungsregel, während sie nachteilige Auswirkungen auf den
Handel eines Mitglieds hat, positive Auswirkungen auf den Handel eines
oder mehrerer anderer Mitglieder haben. Beispielsweise ist die alleinige
Tatsache, dass der Handel eines Mitglieds zurückgeht, unserer Ansicht nach
nicht ausreichend für die Beantwortung der Frage, ob die fragliche Regel
‚beschränkende Wirkung‘ auf den internationalen Handel hat.“
In Übereinstimmung mit Indien nimmt es an, dass es ausreicht, darzulegen,
dass die Anreize und Abschreckungen für den Handel, die von den Ursprungsregeln ausgehen, so sind, dass sie die verbotenen Wirkungen nach
sich ziehen.
497 Der Appellate Body hat sich zu Article 3.2 ILP in seinem Bericht im Verfahren European Communities – Measures Affecting the Importation of Certain Poultry Products
(WT/DS69/AB/R, paras. 126–127) ähnlich geäußert.
498 para. 6.140.
499 Die Frage, ob der Begriff auch den Handel mit Zwischenprodukten (z.B. Baumwollstoff) erfasst, wurde mangels Relevanz nicht näher erörtert.
165
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
c)
„Sie sollen keine übermäßig strengen Erfordernisse auferlegen
…“, Art. 2 c) S. 2 RO
Nach Ansicht des Panel sind Erfordernisse i. S. der Vorschrift auch solche,
die als Vorbedingung erfüllt werden müssen, um das Ursprungsland zu
bestimmen. Diese Interpretation werde von Art. 2 a) RO gestützt. Zur Frage
der Bedeutung von ‚übermäßig streng‘ merkt es an:
„Die passendsten Wörterbuchdefinitionen für das Wort ‚streng‘ sind ‚anspruchsvoll‘ und ‚drastisch‘. Ein strenges Erfordernis ist damit ein anspruchsvolles oder ein drastisches Erfordernis. Im Kontext von Artikel 2
RO, und vor dem Hintergrund unserer Interpretation des Begriffs ‚Erfordernis‘, sind ‚strenge Erfordernisse‘ daher solche, die die Verleihung des Ursprungs von der Übereinstimmung mit einer anspruchsvollen oder drastischen (technischen) Norm abhängig machen.500 (…)
Satz 2 des Artikels 2 c) hält Mitglieder nur davon ab, ‚übermäßig‘ strenge
Erfordernisse aufzuerlegen. Die Wörterbuchdefinition von ‚übermäßig‘ ist
‚mehr als berechtigt oder normal; übertrieben, unangemessen‘. Demnach
kann ein Erfordernis als übermäßig streng gelten, wenn es übertrieben
streng ist.“501
Im Hinblick auf den 2. Halbsatz von Art. 2 c) RO stellt es zwar fest, dass
dieser die Auffassung zulässt, dass die Ursprungsregel eine Beziehung wirtschaftlicher Art zwischen der fraglichen Ware und dem Land herstellen
muss, dessen Ursprung der Ware zuerkannt wird. Jedoch sieht es keine Anhaltspunkte dafür, dass Art. 2 a) RO oder Art. 2 c) RO voraussetzt, dass
notwendigerweise ein signifikanter wirtschaftlicher Zusammenhang bestehen muss. Es sei nicht klar, auf welcher Grundlage die Mitglieder entscheiden, welcher wirtschaftliche Zusammenhang als ‚signifikant‘ eingestuft
wird und welcher nicht.502
d)
Art. 2 d) RO
Auch der Ansicht Indiens, die Ursprungsregeln der USA verstießen gegen
Art. 2 d) RO, folgt das Panel nicht:
„Wir erinnern daran, dass der zweite Halbsatz von Artikel 2 d) besagt, dass
Ursprungsregeln unabhängig von der Verbundenheit der Hersteller der
500 Das Panel merkt dazu an, dass die ”Strenge” der Erfordernisse aus der Perspektive
der Länder zu beurteilen ist, die den Ursprungsstatus erwerben wollen, anstatt aus der
Sicht jener, die diesen loswerden wollen.
501 para. 6.205, 6.206.
502 para. 6.205–6.207.
166
2. Trade Facilitation in Zusatzabkommen
betreffenden Ware keine Diskriminierung zwischen anderen Mitgliedern bewirken dürfen. Er besagt nicht, dass Ursprungsregeln keine Diskriminierung
zwischen ähnlichen Waren anderer Mitglieder bewirken dürfen. Der Ausdruck ‚die betreffende Ware‘ im Singular indiziert, dass der zweite Halbsatz
des Art. 2 d) sich nicht mit der Diskriminierung zwischen verschiedenen
(wenn auch ähnlichen) Waren befasst. Wäre es anders, so hätte sich der
Halbsatz auf die betreffenden Waren im Plural bezogen. Die Verwendung
des Singular lässt darauf schließen, dass für die Feststellung, ob eine Diskriminierung zwischen Mitgliedern besteht, ein Vergleich gezogen werden
soll, zwischen der Ursprungsregel für ein bestimmtes Produkt, welches aus
einem oder mehreren Mitgliedern importiert wird und der Ursprungsregel(n), die auf dieselbe Ware angewandt werden – die betreffende Ware –
wenn sie aus einem oder mehreren anderen Mitgliedern eingeführt wird.
Wenn der zweite Halbsatz des Artikel 2 d) den Zweck hätte, auch Diskriminierungen zwischen verschiedenen aber ähnlichen Produkten zu verhindern,
so halten wir es für wahrscheinlich, dass die Verfasser irgendeine inhaltliche Richtschnur im Hinblick auf die dem Verbot unterfallenden Waren gegeben hätte. So stellen wir fest, dass andere WTO-Diskriminierungsverbote,
wie die Artikel I, III und IX des GATT 1994, die Waren spezifizieren, auf die
sich die in ihnen enthaltenen Verbote beziehen.503
2.5.7. Bewertung mit Blick auf Trade Facilitation
Die Harmonisierung der Ursprungsregeln weltweit wird entscheidende Erleichterungen für den Welthandel bringen. Obwohl die WTO-Mitglieder seit
nunmehr fast 10 Jahren mit der Harmonisierung befasst sind, konnten bis
heute 94 Kernfragen noch nicht gelöst werden. Grund für die Verzögerung
der Verhandlungen ist unter anderem die Tatsache, dass die Bedeutung verschiedener Begriffe des Übereinkommens unklar bleibt. Was beispielsweise
unter der „letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung“ zu verstehen ist,
bleibt offen. Das Übereinkommen betont, dass Ursprungsregeln keine übermäßig strengen Erfordernisse auferlegen dürfen und die Feststellung des
Ursprungslands nicht von der Erfüllung einer nicht mit der Be- oder Verarbeitung zusammenhängenden Voraussetzung abhängig gemacht werden
darf. Sie dürfen weder mittelbar noch unmittelbar zur Erreichung von Handelszielen eingesetzt werden. Dies führt zu einer Begrenzung insoweit, dass
Ursprungsregeln allein die Herstellung berücksichtigen sollen, eine Bezugnahme auf Umweltaspekte, Industrie- oder Handelspolitiken ist demzufolge
503 para. 6.247. So verbietet bspw. Art. I GATT allein die Diskriminierung „gleichartiger“ Produkte.
167
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
nicht möglich.504 Weiterhin ist problematisch, dass das Harmonisierte System (HS) aufgrund der Einreihung neuer Produkte oder der Einführung neuer Tariflinien alle vier Jahre modifiziert wird. Die harmonisierten Bestimmungen müssen diese Verschiebungen im HS berücksichtigen und geeignet
sein, ein gleichzeitiges Inkrafttreten zu bewirken. Der Technische Ausschuss
für Ursprungsregeln muss zudem die Reichweite einer allgemeinen Toleranzregel505 festlegen, die es erlaubt, den Ursprung dem Land zuzuschreiben, in dem die letzte Umwandlung stattgefunden hat, ungeachtet der Tatsache, dass die erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.506 Darüber
hinaus sagt das Übereinkommen über Ursprungsregeln wenig über die Verfahren und Unterlagenerfordernisse aus.
Die hohen technischen Voraussetzungen der Harmonisierung, die fehlende
Möglichkeit, Koalitionen zu bilden, die Vorgehensweise von Produkt zu
Produkt und eine Vielzahl politischer Aspekte machen nach Ansicht von
Kritikern eine Revision des Übereinkommens über Ursprungsregeln erforderlich, die klarstellt, wie sich der Ursprung für Zoll- und Kennzeichnungszwecken, zum Ursprung für Zwecke von Antidumping und Textilkontingente verhält. Rückgriffsvorschriften müssten dem System die notwendige Flexibilität verleihen, um der fortschreitenden Globalisierung, technischen
Entwicklungen und der Produktvielfalt innerhalb der Tarifpositionen gerecht
zu werden. Nur so könne sichergestellt werden, dass Ursprungsregeln keine
504 Geht es beispielsweise um den Ursprung von recycelten Waren, die aus Teilen bestehen, deren Ursprung nicht mehr zu ergründen ist, so besteht nur die Möglichkeit, ihm
den Ursprung des Landes zukommen zu lassen, in dem die Bestandteil gesammelt
oder extrahiert werden. In diesem Zusammenhang aber können Probleme im Hinblick auf radioaktive, gefährliche und giftige Abfälle auftreten. Da die harmonisierten
Regeln gem. Art. 9 Abs. 1 e) einheitlich und gleichförmig verwaltet werden sollen, ist
eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Abfällen nicht möglich (Nell, WTO
Negotiations on the Harmonisation of Rules of Origin, in: JoWT 1999, S. 50).
505 Eine derartige Toleranzklausel sehen bspw. die harmonisierten EWR- und MOELUrsprungsprotokollen für den Fall vor, dass bei einer Produktion Drittlandsvormaterialien verwendet werde, die nach den Listenbedingungen ausgeschlossen sind. Werden sie nur bis zu 10 % des Ab-Werk-Preises eingesetzt, ist die Verwendung
ursprungsunschädlich, Art. 5 Abs. 2 Prot. Nr. 4 EWR; Art. 6 Abs. 2 Prot. Nr. 4
MOEL. Die insgesamt in der Listenbedingung genannte Wertgrenze für Drittlandsvormaterialien darf dadurch aber nicht überschritten werden. Dazu näher: Wolffgang,
in: Witte/Wolffgang, Lehrbuch des Europäischen Zollrechts, Rn. 1645 ff.
506 Nell, WTO Negotiations on the Harmonisation of Rules of Origin, in: JoWT 1999, S.
67.
168
3. Trade Facilitation-Aspekte in GATS und TRIPS
Handelsschranken darstellen, und dass die Ressourcen optimal verteilt werden.507
Die harmonisierten Ursprungsregeln werden, wenn das Harmonisierungsprogramm einmal abgeschlossen ist, aus Definitionen, den allgemeinen Regeln und den Anhängen 1 und 2 bestehen. Der zweite Anhang wird die Regeln für die Waren in den Kapiteln 1 bis 97 des HS enthalten. Anhang 1 wird
Definitionen für die Waren enthalten, die als in einem Land vollständig gewonnen oder hergestellt gelten. Er wird Ursprungslandbestimmungen für
lebende Tiere enthalten, die in einem Land geboren und dort aufgezogen,
und für Pflanzen und Mineralien, die in einem Land geerntet oder gewonnen
worden sind. Anhang 2 wird Ursprungsregeln für die Waren enthalten, deren
Ursprung nicht nach Anhang I bestimmt wird. Es wird die Primärregel und
Auffangregeln (residual rules) sowie Regeln zu deren Anwendung enthalten.
Die Beendigung der Arbeiten ist bis Dezember 2005 vorgesehen. Im Hinblick auf eine Vielzahl offener Grundsatzfragen (bspw. minimale Bearbeitung, Zwischenmaterialien, vertretbare Waren) ist fraglich, ob diese bis dahin einer Lösung zugeführt werden können. Vor dem Hintergrund der Erleichterung des internationalen Handels müssen die Harmonisierungsarbeiten der Mitglieder in jedem Fall die Verwaltungsbelastung im Auge haben,
die eine Umsetzung der Ursprungsregeln zur Folge hat. Fehlen gemeinsame
Disziplinen für Dokumentationsanforderungen, für Verfahren zur Vorlage
von Ursprungsnachweisen und für Überprüfung des Ursprungs, so wird der
Erfolg einer zukünftigen Harmonisierung geschmälert.
3. Trade Facilitation-Aspekte in GATS und TRIPS
3.1.
Das Allgemeine Abkommen über den Handel mit
Dienstleistungen
Das GATS bildet das Gegenstück zum GATT auf dem Gebiet des Dienstleistungshandels und begründet ebenfalls nur zwischen den Mitgliedern Rechte
und Pflichten. Es bildet jedoch nur ein Rahmenübereinkommen mit wenigen
unmittelbaren Verpflichtungen der Vertragsparteien, verschiedenen Verhandlungsaufträgen, institutionellen Bestimmungen und Definitionsnormen.508
Zu den unmittelbaren Verpflichtungen, die das GATS als „Allgemeinen
Pflichten“ bezeichnet, zählt der Grundsatz der Meistbegünstigung, Art. II,
und das Transparenzgebot, Art. III. Diese finden auf sämtliche Dienstleis507 Siehe dazu näher Nell, WTO Negotiations on the Harmonisation of Rules of Origin,
in: JoWT 1999, S. 45–71.
508 Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 835.
169
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
tungen Anwendung. Eine Ausnahme bilden lediglich solche, die „in Ausübung hoheitlicher Gewalt“ und im Zusammenhang mit Luftfahrtrechten
erbracht werden. Das Übereinkommen strebt eine möglichst weitgehende
Liberalisierung an. Es liegt jedoch weiterhin beim einzelnen Mitglied, den
Umfang des Marktzugangs für Dienstleistungen und Dienstleistungserbringer anderer Mitglieder zu bestimmen. Der Marktzugang wird nur im Rahmen der in spezifischen Länderlisten509 vorgesehenen vereinbarten und festgelegten Bestimmungen, Beschränkungen und Bedingungen gewährt.510
Eine Verpflichtung besteht nur zum Eintritt in weitere Verhandlungsrunden,
„um schrittweise einen höheren Stand der Liberalisierung zu erreichen“, Art.
XIX Abs. 1 GATS.
3.1.1. Trade Facilitation und GATS
Bedeutung erlangt das GATS511 im Zusammenhang mit Trade Facilitation
vor allem aufgrund der Tatsache, dass die mit dem Grenzübergang von Waren verbundenen Dienstleistungen512 in vielen WTO-Mitgliedern durch Unternehmen mit Monopolstellung ausgeübt werden. Waren müssen transportiert, aber auch versichert und deren Bezahlung vielfach durch Kredit finanziert werden. Sicherheiten müssen geleistet werden. Daraus resultieren weitere, vom Handel einzuhaltende Vorschriften, die eine Vorlage von Unterlagen, oftmals in physischer Form, verlangen. Diese, von privaten Dritten geschaffenen bürokratischen Hürden, können sich ebenso negativ auf die Handelsströme auswirken wie unnötige Erfordernisse seitens des Staates. Die
Dauer und Sicherheit bankinterner Vorgänge und Transaktionen werden für
Finanzdienstleister im freien Wettbewerb zu entscheidenden Wettbewerbsfaktoren. Staatliche Vorgaben im Zusammenhang mit elektronischen Bezahlungssystemen, eine zeitliche Begrenzungen bankinterner Transaktionen,
Vorgaben zur Kreditwürdigkeit und zum Zahlungsaufschub bei Handelstransaktionen können zur Beschleunigung der Handelstransaktionen beitragen.513 Fehlt es jedoch an einem freien Wettbewerb und an angemessenen
509 Siehe dazu Art. XX GATS: „Jedes Mitglied legt in einer Liste die spezifischen Verpflichtungen fest, die es nach Teil III übernimmt. Jede Liste enthält für die Sektoren,
für die derartige Verpflichtungen übernommen werden, folgende Angaben:.“.
510 Art. XVI Abs. 1 GATS.
511 General Agreement on Trade in Services.
512 Bspw. Konformitätsbewertung im Hinblick auf technische Vorschriften und Standards.
513 Siehe bspw. auf EG-Ebene die Richtlinie des Europäischen Parlaments und Rats v.
27.01.1997 über grenzüberschreitende Überweisungen, 97/5/EG; die Verordnung
(EG) 2001/2560 zur grenzüberschreitenden Zahlung in Euro; die Richtlinie
1998/26/EG über die Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und
170
3. Trade Facilitation-Aspekte in GATS und TRIPS
staatlichen Rahmenbedingungen, so besteht für die Transport- und Finanzdienstleister keinerlei Anreiz zu Vereinfachung und Beschleunigung der unternehmensinternen Vorgänge. Trotz der Tatsache, dass innerhalb der WTO
seit langem anerkannt ist, dass Wettbewerbsregeln eine wichtige Rolle im
Hinblick auf die Sicherung der durch Handelsliberalisierung und Marktreform erzielten Vorteile spielen, existiert auf WTO-Ebene keine umfassendes
Wettbewerbsrecht.514 Stattdessen sind Wettbewerbsfragen in den jeweiligen
zentralen Übereinkommen angesprochen. Das GATS selbst erkennt das
Recht der Mitglieder an, gegen wettbewerbschädliches Verhalten vorzugehen. Dadurch, und durch die angestrebte fortschreitende Öffnung der Märkte
für den Handel mit Dienstleistungen, trägt auch das GATS zur Erleichterung
des internationalen Warenhandels bei.
3.1.2. Grundlegende Inhalte
Das GATS besteht aus einem Hauptteil, der allgemeine Prinzipien und Verpflichtungen enthält, Anlagen, die jeweils Regeln für bestimmte Sektoren
enthalten, aus länderspezifischen individuellen Marktzugangzugeständnissen und zuletzt aus Listen, die Aussagen darüber treffen, auf welchen Sektoren die Mitglieder das Meistbegünstigungsprinzip derzeit nicht anwenden.
Das GATS erfasst alle international gehandelten Dienstleistungen,515 also
auch Kommunikations- und Transportdienstleistungen. Marktzugang wird
den Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern anderer Mitgliedstaaten
nur insoweit gewährt, als das jeweilige Mitglied dies festgelegt hat. Der Liberalisierungsprozess findet „unter angemessener Berücksichtigung der nationalen politischen Zielsetzungen und des Entwicklungsstandes der einzelnen Mitglieder sowohl allgemein als auch in einzelnen Sektoren“ statt. Weniger entwickelten Mitgliedern wird die Flexibilität eingeräumt, eine geringere Anzahl von Sektoren zu öffnen, weniger Arten von Transaktionen zu
liberalisieren, schrittweise und parallel zu ihrem Entwicklungsstand den
Marktzugang zu erweitern und im Falle der Gewährung von Marktzugang,
hieran Bedingungen zu knüpfen, die der Verwirklichung nationalpolitischer
-abrechnungssystemen; Richtlinie 2000/28/EG über die Aufnahme und Ausübung der
Tätigkeit der Kreditinstitute; Richtlinie 2000/46/EG über E-Geld-Instituten und die
Empfehlung 1997/489/EG zu Geschäften, die mit elektronischen Zahlungsinstrumenten getätigt werden.
514 Da die Thematik im Zuge des Juli-Pakets von der Verhandlungsagenda genommen
wurde, ist mit einem solchen in nächster Zeit auch nicht zu rechnen.
515 The Legal Texts, “The General Agreement on Trade in Services”, S. 327, ausgenommen sind gem. Art. I Abs. 3 b) GATT allein solche Dienstleistungen, die „in Ausübung hoheitlicher Gewalt“ erbracht werden.
171
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
Zielsetzungen dient.516 Obligatorisch ist nichtsdestotrotz die Einhaltung der
Grundsätze der Meistbegünstigung517 und der Transparenz.518 Ersterer verbietet die rechtliche und faktische Diskriminierung zwischen gleichen ausländischen Dienstleistungen bzw. Dienstleistungserbringern.519 Eine Marktöffnung bewirkt das Prinzip nicht, und es wird auch keine Pflicht begründet,
die Gleichbehandlung von Dienstleistungserbringern mit Inländern zu gewähren. Das Transparenzgebot beinhaltet die für alle Mitglieder geltende
Pflicht zur Offenlegung aller handelsbeschränkenden staatlichen Gesetze.
Diese Pflicht soll die Datengrundlage für die WTO-Verhandlungen über den
516 Art. XIX GATS. In Betracht kommen die Ziele des Art. IV GATS (Stärkung der Kapazität, Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit ihrer inländischen Dienstleistungen u.a. (a) durch Zugang zu Technologien auf kommerzieller Grundlage; (b) die
Verbesserung ihres Zugangs zu Vertriebswegen und Informationsnetzen und (c) die
Liberalisierung des Marktzugangs in Sektoren und Erbringungsformen, die von Ausfuhrinteressen für diese Länder sind). Obligatorisch ist nichtsdestotrotz die Einhaltung der Grundsätze der Meistbegünstigung und der Transparenz
517 Siehe dazu in diesem Kapitel Ziffer 4.3.
518 Art III und Art. IIIbis GATS enthalten spezielle Regelungen zur Transparenz und
zum damit verbundenen Schutz vertraulicher Informationen im Regelungsbereich des
Übereinkommens. Bis zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens (Ausnahme: Notstandssituationen) sind alle einschlägigen allgemeingültigen Maßnahmen, die sich auf die Anwendung des GATS beziehen oder diese beeinträchtigen, zu veröffentlichen, einschl.
relevante internationale Übereinkünfte, die den Dienstleistungshandel betreffen. Ist
eine Veröffentlichung nicht durchführbar, so müssen die Informationen auf andere
Weise öffentlich zugänglich gemacht werden. Umgehend und mindestens einmal
jährlich ist die Einführung neuer oder die Änderung bestehender Gesetze, sonstiger
Vorschriften oder Verwaltungsrichtlinien im Zusammenhang mit den vom Mitglied
übernommen Verpflichtungen im Dienstleistungshandel beim zuständigen Rat zu notifizieren (siehe dazu „Richtlinien für Notifizierungen unter dem GATS“, angenommen am 1.3.1995, S/L/5) Zudem können Mitglieder relevante Maßnahmen anderer
Mitglieder dort notifizieren, Art. III Abs. 5. Auf Ersuchen eines anderen Mitglieds ist
jedes Mitglied verpflichtet, bestimmte Auskünfte über seine Maßnahmen und internationalen Übereinkünfte i.S. des Absatz 1 zu erteilen. Darüber hinaus gibt Abs. 4 S.
3 den Mitgliedern auf, innerhalb von zwei Jahren (flexibel f. Entwicklungsland Mitglieder, Abs. 4 S. 4) nach Inkrafttreten des WTO-Übereinkommens, eine oder mehrere Auskunftsstellen einzurichten, die Informationen zu allen Angelegenheiten im Zusammenhang mit Art. III Abs. 1 und Abs. 3 erteilen (siehe dazu „Entscheidung über
die Notifizierung der Errichtung von Auskunfts- und Kontaktstellen“, S/L/23). Art.
IIIbis gewährleistet den Schutz vertraulicher Informationen im Dienstleistungshandel, so wie er in Art. X Abs. 1 S. 3 GATT für den Warenhandel niedergelegt ist.
519 Die Frage, ob zwei Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringer „gleichartig“ sind,
erfordert eine sorgfältige, einzelfallbezogene Analyse der Wettbewerbsbeziehungen
zwischen den betroffenen Dienstleistungserbringern.
172
3. Trade Facilitation-Aspekte in GATS und TRIPS
Abbau eben dieser Handelsschranken schaffen und mittelbar den Dienstleistungserbringer Rechtssicherheit bringen.520
3.1.3. Unternehmen mit Monopolstellung
Im Hinblick auf Unternehmen mit Monopolstellung521 erlegt das GATS den
Mitgliedern in Art. VIII zwar die Verpflichtung auf, sicherzustellen, dass
diese Unternehmen auf dem entsprechenden Markt nicht in einer Weise
handeln, die mit dem Gebot der Meistbegünstigung unvereinbar ist. Auch
wenn ein solches Unternehmen direkt oder indirekt außerhalb des Monopolbereichs im Wettbewerb auftritt und die angebotene Dienstleistung spezifischen Verpflichtungen des Mitglieds unterliegt, so muss ein Missbrauch der
Monopolstellung unterbunden werden.522 Das Monopol an sich kann jedoch
nicht verhindert werden. Zwar hat das GATS auch den Wettbewerb behindernde Geschäftspraktiken im Blick, jedoch erkennen die Mitglieder deren
Existenz in Art. IX Abs. 1 GATS lediglich an. Zur Beseitigung solcher Praktiken wird dem betroffenen Mitglied lediglich ein Konsultationsverfahren
zur Seite gestellt. Ein ausdrückliches Verbot besteht nicht, womit wettbewerbsbehindernde Handelspraktiken nicht in einem Verfahren nach dem
Dispute Settlement Understanding angreifbar sind.
3.1.4. Telekommunikations- und Finanzdienstleistungen
Da der Telekommunikationssektor einerseits einen wirtschaftlich selbständigen Sektor darstellt, zum anderen aber die freie Nutzung von Telekommunikationsmedien eine wichtige Voraussetzung für die Tätigkeit anderer Wirtschaftsteilnehmer ist, nimmt er eine Sonderstellung unter den Dienstleistungen ein. Zudem befindet sich der Sektor vielfach noch unter starkem Einfluss der öffentlichen Hand. Soweit eine Privatisierung erfolgt ist, genießt
das betreffende Telekommunikationsunternehmen zumeist eine marktbeherrschende Stellung.523 Aufgrund dieser Besonderheiten haben die Mitglieder eine Anlage zur Telekommunikation, die den Zugang zum Zweck der
520 Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 857.
521 Erfasst sind nur solche öffentlichen oder privaten Unternehmen, denen das Mitglied
Sonderrechte übertragen hat, die zur Einschränkung bzw. Ausschaltung des Wettbewerbs in dem betroffenen Dienstleistungssektor führen, Art. VIII Abs. 4 und Abs. 5
GATS.
522 Gleiches gilt nach Art. VIII Abs. 5 GATS auch für Dienstleistungserbringer mit ausschließlichen Rechten, sofern ein Mitglied formal oder tatsächlich a) eine kleine Zahl
von Dienstleistungserbringern ermächtigt oder einsetzt und b) den Wettbewerb unter
diesen Erbringern in seinem Hoheitsgebiet in erheblichem Maß unterbindet.
523 Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 897.
173
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
Nutzung öffentlicher Netze und Dienste524 gewährleistet, und das 4. Protokoll über Basiskommunikation geschaffen. Das Protokoll erstreckt sich allein auf die Basiskommunikation, d.h. Telefon, Telefax und Telegraphie,
während die computergestützten Dienste (e-mail, voice mail, online Dienste,
online Datenverarbeitung) den Mehrwertdiensten unterfallen.
Die Anlage zu Finanzdienstleistungen konkretisiert den Anwendungsbereich
des GATS in Bezug auf diesen Sektor. Materielle Verpflichtungen der Mitglieder folgen dagegen aus dem 5. Protokoll vom 27.2.1998, das am
1.3.1999 in Kraft trat. Sie wurde als zunächst unverbindliches Dokument in
die Schlussakte der Uruguay-Runde aufgenommen und entfaltet Rechtswirkung, soweit sie Bestandteil der spezifischen Verpflichtungen eines Mitglieds geworden ist.525
Bewertend lässt sich für beide Sektoren festhalten, dass sie jeweils nur Minimalstandards festlegen, die in Industriestaaten ohnehin schon gelten. Den
tatsächlichen Problemen an den Grenzen können sie nur wenig entgegensetzen. Für positive Effekte im Hinblick auf die Erleichterung des internationalen Warenhandels bedarf es einer weitergehenden Liberalisierung des
Dienstleistungshandels.
3.1.5. Potential für Trade Facilitation im Dienstleistungssektor
Für Entwicklungsländer hätte eine Annäherung ihrer Produktivität im
Dienstleistungssektor an die der Industriestaaten weitreichende Auswirkungen. Eine solche Annäherung würde sie in die Lage versetzen, ihre externe
Wettbewerbsfähigkeit und Produktionsleistung zu steigern, Gehälter und die
Wohlfahrt zu erhöhen. Aus Studien geht hervor, dass bspw. eine Produktivitätssteigerung von 1 % im Dienstleistungssektor in Asien mit einem Wohlstandswachstum von 12 Milliarden USD und einem Wachstum des Bruttosozialprodukts von 0.4 % einher gehen würde. Gehälter wüchsen danach
ebenfalls um 0.4 % und Dienstleistungsexporte um 2–3 % an.526 Durch eine
Liberalisierung und Privatisierung der Grenzdienstleistungen ließen sich
Geschäftskosten senken und deren Qualität steigern.527 Für eine Produktivitätssteigerung ist der Einsatz von E-Commerce unverzichtbar. Da er Kosten,
Distanzen und Zeitspannen verkürzt, stellt er ein entscheidendes Instrument
zur Schaffung von Effizienz und damit der Entwicklung dar. Die Erbringung
524 Dies gilt jedoch nur, soweit ein Mitglied irgendwelche spezifischen Verpflichtungen
eingegangen ist. Damit ist die Funktion von Telekommunikationsdienstleistungen als
Voraussetzung für die Erbringung anderer Dienstleistungen angesprochen.
525 Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 900.
526 UNCTAD E-Commerce and Development Report 2001, S. 27.
527 Siehe dazu die 6 Vorteile der Dienstleistungsliberalisierung, GATS – Fact and fiction.
174
3. Trade Facilitation-Aspekte in GATS und TRIPS
von Dienstleistungen im Wege des E-Commerce fällt nach einhelliger Meinung des Rates für den Handel mit Dienstleistungen unter das GATS.528 Aus
diesem Grunde sind auch alle allgemeinen Bestimmungen des GATS, das
Meistbegünstigungsprinzip einschließlich,529 auf den elektronischen Handel
anwendbar. Im Hinblick auf Wettbewerbsfragen innerhalb des GATS ist man
sich im Rat einig, dass eine Ausweitung des E-Commerce dazu beitragen
könne, dass Ausmaß behindernder Geschäftspraktiken zu verringern, unter
anderem dadurch, dass der Zutritt zum Markt für kleinere Dienstleistungserbringer erleichtert wird. Der Bericht hält fest, dass Monopole und behindernde Geschäftspraktiken auch Hindernisse für den elektronischen Handel
darstellen können.530
3.2.
Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der
Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS531)
3.2.1. Schnittstelle von Trade Facilitation und Rechten des geistigen
Eigentums
Der Zusammenhang zwischen Trade Facilitation und dem TRIPS wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Auswirkungen der Schutz des
geistigen Eigentums in der Praxis auf die internationalen Handelsströme
haben kann.
Der Begriff „geistiges Eigentum“ i. S. des TRIPS umfasst alle in den Abschnitten 1–7 des Teils II genannten Arten wie Urheberrechte, Marken, geografische Angaben, gewerbliche Muster und Modelle, Patente, LayoutDesigns integrierter Schaltkreise und nicht offenbarte Informationen. Der
effektive rechtliche Schutz des geistigen Eigentums ist eine wichtige Voraussetzung für die Erleichterung des damit im Zusammenhang stehenden
Handels. Das stark differierende Schutzniveau in den verschiedenen Mitgliedern führt dazu, dass Waren und Dienstleistungen, die in dem einen Hoheitsgebiet produziert und vertrieben werden können, in einem anderen zu
528 Siehe Arbeitsprogramm für E-Commerce, angen. vom Rat für Dienstleistungshandel
(DLH) am 19.07.1999 zur Berichterstattung gegenüber dem Allgemeinen Rat,
S/L/74, S. 1.
529 Im Hinblick auf die „Gleichheit“ der Dienstleistung i.S. des Art. II GATT, so geht aus
einem Bericht des Rates für den DLH hervor, sind sich die Mitglieder einig, dass die
Erbringung der Dienstleistung auf elektronischem Wege keinen Einfluss auf die Bestimmung hat. Arbeitsprogramm für E-Commerce, angen. vom Rat für DLH am
19.07.1999, S/L/74, S. 2.
530 Arbeitsprogramm für E-Commerce, angen. vom Rat für DLH am 19.07.1999,
S/L/74, S. 3.
531 Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights.
175
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
einem Verstoß führen. Die mit dem TRIPS verfolgte Annäherung der rechtlichen Standards und Verfahren zur Durchsetzung begegnet dem, wird diese
Probleme jedoch nie vollkommen beseitigen, da eine Harmonisierung der
Schutzniveaus und Durchsetzungsmechanismen nicht vorgesehen ist.532 Der
ineffiziente Schutz des geistigen Eigentums im Ursprungsland kann dazu
führen, dass zur Durchsetzung verstärkt spezielle Zollverfahren angewandt
werden. Ein funktionierendes nationales Schutzsystem, hingegen, kann zu
Trade Facilitation beitragen, da es in dem Fall weniger stark auf die Durchsetzung an den Grenzen ankommt. Entscheidend ist, dass das Übereinkommen die Rechte des geistigen Eigentums zu schützen sucht, ohne dabei den
internationalen Handel zu beeinträchtigen. Dies spiegelt Absatz 1 der Präambel wider, der davon spricht, dass die Mitglieder dafür zu sorgen haben,
„dass die Maßnahmen und Verfahren zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums nicht selbst zu Schranken für den rechtmäßigen Handel
werden …“.
3.2.2. Durchsetzung der Rechte
Zu den wesentlichen Merkmalen des TRIPS zählen die klaren Vorgaben im
Hinblick auf die zu erzielenden Ergebnisse, während den Mitgliedern bei
der Frage der Umsetzung weitreichende Freiheiten zur Berücksichtigung der
nationalen Rechtssysteme gelassen werden.533 Die Verfahren müssen zum
einen eine effektive Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums garantieren, zum anderen in einer Weise angewandt werden, dass Schranken
für den rechtmäßigen Handel vermieden werden und ein Missbrauch der
Verfahren ausgeschlossen ist, Art. 41 Abs. 1 S. 2 TRIPS. Das Übereinkommen betont die internen nationalen Mechanismen wie Zivil- und Verwaltungsverfahren und Rechtsmittel, einstweilige Maßnahmen und Strafverfahren. Grund dafür ist, dass Verstöße am besten an der Produktionsquelle zu
bekämpfen und interne Mechanismen weniger anfällig für Diskriminierungen eingeführter Waren sind. Zur Vermeidung von Missbrauch existieren
Schutzvorschriften, wie die in Art. 41 TRIPS normierten allgemeinen Pflichten im Zusammenhang mit der Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums. Die Verfahren, einschließlich Eilverfahren, müssen danach ein
wirksames Vorgehen gegen jede Verletzung der Rechte des geistigen Eigentums i. S. des Übereinkommens ermöglichen. Sie müssen fair, gerecht und
dürfen nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein und keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigten Verzögerungen mit sich bringen.
532 Weiß/Herrmann, Welthandelsrecht, Rn. 916.
533 Art. 1 Abs. 1 TRIPS und Abschnitt 2 c) der Präambel.
176
3. Trade Facilitation-Aspekte in GATS und TRIPS
Ihre Anwendung hat so zu erfolgen, dass Beeinträchtigungen des rechtmäßigen Handels vermieden werden.
In dem Fall Canada – Patent Term hat das Panel das Argument Kanadas,
angesichts bestimmter Verzögerungen bei der Gewährung von Patentrechten
genüge die umstrittene Schutzdauer534 den Anforderungen des Art. 33
TRIPS, abgelehnt.535 In der Beurteilung, die im Anschluss nicht mehr vom
Appellate Body angesprochen wurde, bezieht sich das Panel auf Art. 41 Abs.
2 TRIPS und dessen Anwendung i. S. des Art. 62 Abs. 4 TRIPS:
„Wir sind der Ansicht, einen Antragsteller zur Aufgabe, zur Wiedereinsetzung, zur Nichtbegleichung von Gebühren oder zur Nichtbeantwortung eines Berichts eines Patentprüfers zu bringen, ist nicht vereinbar mit dem in
Art. 41 Abs. 2 enthaltenen Grundsatz eines nicht unnötig komplizierten Verfahrens, angewandt i. S. des Art. 62 Abs. 4 als Erwerbsverfahren. Ihrer Natur nach sind die Verzögerungen, die nicht auf einem zulässigen Grund in
Zusammenhang mit den Überprüfungs- und Gewährungsverfahren beruhen,
nicht mit dem Grundsatz zu vereinbaren, dass Verfahren keine ‚ungerechtfertigten Verzögerungen‘ mit sich bringen sollen, (…).“536
Mit dem Ziel, ein faires und gerechtes zivil- und verwaltungsprozessuales
Verfahren zu garantieren, werden spezielle Anforderungen an die Benachrichtigung der beklagten Partei und deren Recht auf anwaltliche Vertretung
gestellt, Art. 42 TRIPS. Die Art. 43–48 TRIPS regeln die Vorlage von Beweisen, die Rechtsfolgen bei Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums (Unterlassungsanordnungen, Schadensersatz sonstige Rechtsbehelfe),
ein Recht auf Auskunft und die Entschädigung des Beklagten bei missbräuchlicher Benutzung des Durchsetzungsverfahrens.537 Art. 50 TRIPS
534 Lediglich 17 Jahre.
535 Hinsichtlich der Behauptung, eine ebenso effektive Schutzdauer könne den Anforderungen des Art. 33 genügen.
536 Panel Report on Canada – Term of Patent Protection, WT/DS170/R, para. 6.117 und
6.118: “In our view, requiring applicants to resort to delays such as abandonment, reinstatement, non-payment of fees and non-response to a patent examiner’s report
would be inconsistent with the general principle that procedures not be unnecessarily
complicated as expressed in Article 41.2 and applied to acquisition procedures by Article 62.4. By their very nature, the delays, which are not tied to any valid reason related to the examination and grant process, would be inconsistent with the general
principle that procedures not entail ‘unwarranted delays’ as expressed in Article 41.2
and applied to acquisition procedures by Article 62.4.”
537 In diesem Zusammenhang hat das Panel im Fall India – Patents (EC), die Ansicht
Indiens abgelehnt, Art. 70 Abs. 9 erfordere nicht die Errichtung eines allgemein verfügbaren Schutzsystems. Dies hatte Indien damit begründet, dass es in den Art. 42–
177
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
normiert den einstweiligen Rechtsschutz. Dabei wird insbesondere auch einem Missbrauch durch den Antragsteller begegnet. Dieser hat alle vernünftigerweise verfügbaren Beweise und gegebenenfalls weitere zur Identifizierung der betreffenden Waren notwendigen Informationen vorzulegen und
Sicherheit zu leisten, Art. 50 Abs. 3 und Abs. 5 TRIPS. Einstweilige Maßnahmen werden auf Antrag des Antraggegners dann aufgehoben oder außer
Kraft gesetzt, wenn das Verfahren, das zu einer Sachentscheidung führt,
nicht innerhalb einer angemessenen Frist eingeleitet wird. Wird festgestellt,
dass keine Verletzung oder drohende Verletzung eines geschützten Rechts
vorlag, so können die Gerichte dem Antragsgegner einen angemessenen
Schadensersatz aussprechen, Art. 50 Abs. 6 und Abs. 7 TRIPS.
Da nicht in allen Staaten eine effektive Rechtsdurchsetzung gewährleistet
ist, vor allem nicht in Nichtmitgliedern, sieht das TRIPS spezielle Verfahren
vor, die dem Rechteinhaber die Hilfe des Zolls garantieren, um eine Überführung von Waren in den freien Verkehr zu verhindern. Diese sind in Abschnitt 4 des III. Teils, den „Besondere Erfordernisse bei Grenzmaßnahmen“, niedergelegt. Die Zollbehörden können unter Voraussetzung der Art.
51 ff TRIPS auf Antrag des Rechtsinhabers die Freigabe der Waren aussetzen. Im Unterschied zu den meisten Durchsetzungsverfahren des TRIPS
sind die Verfahren zur Aussetzung der Freigabe nur bei der Einfuhr nachgeahmter Markenware538 oder unerlaubt hergestellter urheberrechtlich geschützter Waren539 vorgesehen. Werden andere Rechte des geistigen Eigentum verletzt, so können die Mitglieder jedoch vorsehen, dass ein Antrag
48 TRIPS heiße, dass die Justizbehörden befugt sind („shall have the authority“), bestimmte Maßnahmen anzuordnen, und dass im Gegensatz dazu in Art. 70 Abs. 9
TRIPS lediglich die Rede davon sei, dass Vermarktungsrechte gewährt werden
(„shall be granted“), wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien, India – Patents
(EC), WT/DS79/R, para. 7.66.
538 „Nachgeahmte Markenwaren“ sind gemäß Fn. 14 des Art. 51 TRIPS definiert als
„solche Waren, einschließlich Verpackungen, auf denen unbefugt eine Marke angebracht ist, die mit einer rechtsgültig für solche Waren eingetragenen Marke identisch
ist oder die sich in ihren wesentlichen Merkmalen nicht von einer solchen Marke unterscheiden lässt und die dadurch nach Maßgabe des Rechts des Einfuhrlandes die
Rechte des Inhabers der betreffenden Marke verletzt.“
539 „Unerlaubt hergestellte urheberrechtlich geschützte Waren“ sind nach Fn. 14 des Art.
51 TRIPS solche Waren, „die ohne Zustimmung des Rechtsinhabers oder der vom
Rechtsinhaber im Lande der Herstellung ordnungsgemäß ermächtigten Person hergestellte Vervielfältigungsstücke sind und die unmittelbar oder mittelbar von einem
Gegenstand gemacht wurden, dessen Vervielfältigung die Verletzung eines Urheberrechts oder eines verwandten Schutzrechts nach Maßgabe des Rechts des Einfuhrlandes dargestellt hätte.“
178
3. Trade Facilitation-Aspekte in GATS und TRIPS
auch im Bezug auf solche Waren gestellt werden kann, unter der Bedingung,
dass die Vorgaben des Abschnitts beachtet werden. Den Mitgliedern steht es
zudem frei, Verfahren zur Aussetzung der Freigabe auch für Waren vorzusehen, die für die Ausfuhr aus ihrem Hoheitsgebieten bestimmt sind, Art. 51 S.
3 TRIPS. Parallelimporte und Transitgüter dürfen von den speziellen
Grenzmaßnahmen des Abschnitts 4 ausgenommen werden.540 Gleiches gilt
gemäß Art. 60 TRIPS für Kleinstmengen von Waren ohne gewerblichen
Charakter, die sich im persönlichen Gepäck Reisender oder in kleinen Sendungen befinden. Verlangen Mitglieder, dass die zuständigen Stellen in Fällen, in denen ihnen ein prima facie-Beweis für eine Rechtsverletzung vorliegt, von sich aus tätig werden, finden die Bestimmungen des Art. 58 a)–c)
TRIPS Anwendung.
Voraussetzung für diese speziellen Grenzmaßnahmen ist die Designierung
einer zuständigen Stelle gerichtlicher oder verwaltungsrechtlicher Natur, an
die sich der Rechtsinhaber wenden kann. Gemäß Art. 52 TRIPS muss er
ausreichend Beweise vorlegen, um die zuständigen Behörden davon zu überzeugen, dass prima facie eine Verletzung seines Rechts vorliegt. Er hat
die Waren hinreichend genau zu beschreiben, um eine Erkennung durch die
Zollbehörden zu ermöglichen. Innerhalb einer angemessenen Frist haben die
zuständigen Stellen den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen, ob sie
den Antrag angenommen haben und, sofern von diesen festgelegt, innerhalb
welchen Zeitraums die Zollbehörden Maßnahmen ergreifen werden. Besondere Vorschriften sollen verhindern, dass diese Grenzmaßnahmen missbraucht werden und den rechtmäßigen Handel beschränken. So muss die
zuständige Stelle die Kompetenz besitzen, eine Kaution oder eine gleichwertige Sicherheitsleistung zu verlangen, Art. 53 Abs. 1 TRIPS. Der Antragsgegner und die zuständige Stelle sollen dadurch geschützt und der Rechtsinhaber dadurch von grundlosen Antragstellungen abgehalten werden. Dennoch darf die Sicherheitsleistung nicht von der Inanspruchnahme des Verfahrens abschrecken. Missbrauch soll auch durch die zunächst nur kurze
Aussetzungszeit verhindert werden. Nach Art. 54 TRIPS müssen Einführer
und Rechtsinhaber unverzüglich von der Aussetzung in Kenntnis gesetzt
werden. Werden die Zollbehörden nicht innerhalb von 10, in bestimmten
Fällen innerhalb von 20 Arbeitstagen nach Mitteilung der Aussetzung an den
Antragsteller darüber informiert, dass ein zu einer Sachentscheidung führendes Verfahren von einer anderen Partei als dem Antragsgegner in Gang
540 So heißt es in Fn. 13 zu Art. 51 TRIPS: Es besteht einvernehmen, dass keine Verpflichtung besteht, solche Verfahren auf die Einfuhr von Waren, die in einem anderen
Land vom Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht wurden, oder auf Waren im Transit anzuwenden.
179
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
gesetzt worden ist, oder dass die hierzu befugte Stelle einstweilige Maßnahmen getroffen hat, um die Aussetzung der Freigabe der Waren zu verlängern, so sind alle Waren freizugeben, sofern die anderen Voraussetzungen
für die Einfuhr bzw. Ausfuhr erfüllt sind, Art. 55 S. 1 TRIPS. Soweit es um
Waren geht, bei denen eine Verletzung von gewerblichen Mustern und Modellen, Patenten, Layout-Designs oder nicht offenbarten Informationen im
Raume steht, muss der Einführer, Eigentümer oder Empfänger solcher Waren auch in dem Fall, dass ein Verfahren in Gang gesetzt wurde, die Freigabe der Waren erreichen können, indem er hinreichend Sicherheit leistet, Art.
53 Abs. 2 TRIPS. Wird die Aussetzung der Freigabe der Waren nach Maßgabe einer einstweiligen gerichtlichen Maßnahme durchgeführt oder fortgeführt, so findet Art. 50 TRIPS Anwendung. Die zuständigen Stellen müssen
weiter dazu befugt sein anzuordnen, dass der Antragsteller dem Einführer,
dem Empfänger oder Eigentümer der Waren angemessenen Schadensersatz
zu leisten hat, Art. 56 TRIPS.541 Darüber hinaus ist ein verfahrensrechtliches
Gleichgewicht zu gewährleisten. Die zuständigen Stellen haben sowohl dem
Rechtsinhaber als auch dem Einführer ausreichend Gelegenheit zu geben,
die von den Zollbehörden zurückgehaltenen Waren untersuchen zu lassen,
Art. 57 TRIPS. Die Stellen müssen die Vernichtung der rechtsverletzenden
Waren anordnen können oder über sie außerhalb des Vertriebsweges so verfügen können, dass ein Schaden auf Seiten des Rechtsinhabers verhindert
wird. Dies schließt mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit von der Schwere
der Rechtsverletzung und angeordneter Maßnahme, sowie mit Blick auf die
Interessen Dritter, andere zivilrechtliche Rechtsbehelfe des Rechtsinhabers
nicht aus.542 Im Falle von nachgeahmter Markenware darf die Wiederausfuhr in unverändertem Zustand oder die Unterwerfung unter ein anderes
Zollverfahren gemäß Art. 59 S. 2 TRIPS nur ausnahmsweise angeordnet
werden. Aufgrund der statischen oder schwindenden Ressourcen der Zollbehörden und der ständig wachsenden Handelsströme steht der Umfang der
Vorschriften zur Durchsetzung der Rechte an den Grenzen in der Kritik.
3.2.3. Transparenz
Parallel zu Art. X GATT, der für den Handel mit Waren gilt, enthält Art. 63
Abs. 1 TRIPS die Verpflichtung, alle in einem Mitglied wirksam gewordenen Gesetze und sonstigen Vorschriften sowie alle allgemein anwendbaren,
rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen und Verwaltungsverfügungen im
541 Dieser muss die Schäden ausgleichen, die durch die unrechtmäßige Zurückhaltung
der Waren oder aufgrund der Zurückhaltung von mangels Einleitung weiterer Schritte
durch den Antragsteller nach Art. 55 TRIPS freigegebenen Waren, entstanden sind.
542 Siehe Art. 46 und 59 TRIPS.
180
3. Trade Facilitation-Aspekte in GATS und TRIPS
Bezug auf den Gegenstand des TRIPS543 in einer der WTO-Amtssprachen
zu veröffentlichen. Ist dies nicht möglich, so sind sie in einer Weise öffentlich zugänglich zu machen, die es Regierungen und Rechtsinhaber ermöglicht, sich damit vertraut zu machen. Auch einschlägige Übereinkünfte, die
zwischen der Regierung oder den Regierungsbehörden zweier Mitglieder in
Kraft sind, unterfallen diesem Gebot. Zudem besteht eine Notifizierungsverpflichtung gegenüber dem TRIPS-Rat.544 Auf Ersuchen eines anderen
Mitglieds sind Informationen der in Absatz 1 genannten Art bereitzustellen.
Der Schutz vertraulicher Informationen ist in Art. 63 Abs. 4 TRIPS vorgesehen.
3.2.4. Internationale Zusammenarbeit
Ein effektiver Schutz der Rechte des geistigen Eigentums, der gleichzeitig
den rechtmäßigen Handel nicht über Gebühr belastet, lässt sich durch eine
Zusammenarbeit der Zollbehörden beim Aufspüren von rechtsverletzenden
Waren erzielen. Eine Kooperation relevanter Behörden ist zudem auf nationaler Ebene von entscheidender Bedeutung. In Art. 69 TRIPS heißt es dazu:
„Die Mitglieder sind sich darüber einig, mit dem Ziel zusammenzuarbeiten,
den internationalen Handel mit Waren, die Rechte des geistigen Eigentums
verletzen, zu beseitigen. Zu diesem Zweck errichten sie Kontaktstellen in
ihren Verwaltungen, die sie einander notifizieren und sind zum Austausch
von Informationen über den Handel mit rechtsverletzenden Waren bereit.
Insbesondere fördern sie den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den Zollbehörden in bezug auf den Handel mit nachgeahmten
Markenwaren545 und unerlaubt hergestellten urheberrechtlich geschützten
Waren.“546
543 Hinsichtlich der Verfügbarkeit, des Umfangs, des Erwerbs und der Durchsetzung von
Rechten des geistigen Eigentums sowie der Verhütung ihres Missbrauchs.
544 Am 21.11.1995 hat der TRIPS Rat die Entscheidung über Regeln für das Notifizierungsverfahren gemäß 63 Abs.2 (IP/C/2), einschließlich eines möglichen Formats zur
Auflistung „sonstiger Gesetze und Vorschriften“ (IP/C/4) und eine Checkliste für
Durchsetzungsfragen (IP/C/5) angenommen. Der Rat kann beschließen, auf eine solche Pflicht zur Notifizierung unmittelbar an den Rat zu verzichten, wenn Konsultationen mit der World Intellectual Property Organization (WIPO) über die Errichtung
eines gemeinsamen Registers dieser Gesetze und sonstigen Vorschriften erfolgreich
sind. Artikel 2 des Übereinkommens zwischen der WIPO (World Intellectual Property Organization) und der WTO enthält relevante Bestimmungen für Notifizierung
und Übersetzung von Gesetzen und sonstigen Vorschriften gemäß Art. 63.2, das Übereinkommen findet sich in Dokument IP/C/6.
545 Im Sinne des TRIPS sind dies: Waren, einschließlich Verpackungen, auf denen unbefugt eine Marke angebracht ist, die mit einer rechtsgültig für solche Waren eingetra-
181
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
Am 21.9.1995 hat der TRIPS-Rat ein gemeinsames Verfahren für die Notifizierung der zu Zwecken des Art. 69 TRIPS eingerichteten Kontaktstellen
angenommen.547 Die Mitglieder wurden aufgefordert, bis zum 1.1.1996 Informationen zu den Kontaktstellen, insbesondere deren Namen, Adressen,
Telefon- und Faxnummern und gegebenenfalls E-Mail Adressen zu notifizieren. Bis zum 24.11.2004 sind dem 125 der 148 Mitglieder nachgekommen.548
3.2.5. Bewertung und Konsequenzen für Trade Facilitation
Der Schutz der Rechte des geistigen Eigentums lässt sich oftmals nur durch
Kontrollen an den Grenzen effektiv durchsetzen. Für effiziente Kontrollen
und um zu gewährleisten, dass diese den Handel nicht unnötig verzögern, ist
die Einführung moderner Zolltechniken unverzichtbar. Dies ermöglicht dem
Zoll einen gezielten Einsatz seiner Ressourcen. Durch Risikoanalysetechniken lässt sich beispielsweise die Aufspürrate verbotener oder Beschränkungen unterliegender Waren steigern und bei den Händlern eine größere Beachtung der Vorschriften erreichten. Verstöße können dadurch reduziert und
die Kosteneffizienz des Zolls gesteigert werden. Die positiven Auswirkungen von Trade Facilitation auf die Einhaltung der Vorschriften durch den
Händler und die Verbesserung der Kontrollen, auch von Waren die IPRs unterliegen, wurde von der Weltzollorganisation (WCO) anerkannt.549 Erfahrungen in der EG550 haben gezeigt, dass die für Schulung und Umstrukturierung des Zolls erforderlichen zusätzlichen Mittel vergleichsweise schnell
546
547
548
549
550
182
genen Marke identisch ist oder die sich in ihren wesentlichen Merkmalen nicht von
einer solchen Marke unterscheiden lässt und die dadurch nach Maßgabe des Rechts
des Einfuhrlandes die Rechte des Inhabers der betreffenden Marke verletzt, Fn. 14 a)
des TRIPS.
Im Sinne des Übereinkommens sind dies: Waren, die ohne Zustimmung des Rechtsinhabers oder der vom Rechtsinhaber im Land der Herstellung ordnungsgemäß ermächtigten Person hergestellte Vervielfältigungsstücke sind und die unmittelbar oder
mittelbar von einem Gegenstand gemacht wurden, dessen Vervielfältigung die Verletzung eines Urheberrechts oder eines verwandten Schutzrechts nach Maßgabe des
Rechts des Einfuhrlandes dargestellt hätte., Fn.14 b) des TRIPS.
IP/C/M/3, para. 27.
Council for Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights – Notification of
Contact Points under Article 69 of the Agreement – Note by the Secretariat – Addendum, IP/N/3/Rev.8, IP/N/3/Rev.8/Add.1.
Zollreform und -modernisierungsprogramm (Customs Reform and Modernisation
Programme) der Weltzollorganisation.
Trade Facilitation in relation to existing WTO Agreements, Communication from the
European Communities, G/C/W/136, G/L/299, S/C/W/101, IP/C/W/131 vom
10.03.1999.
4. Prinzipen des WTO-Rechts
durch höhere Zolleinnahmen und Effizienzgewinne ausgeglichen werden
können.
4. Prinzipen des WTO-Rechts
4.1.
Die Rolle von WTO/GATT-Prinzipien im Kontext von Trade
Facilitation
Die vorangegangene Analyse der im Hinblick auf Trade Facilitation bedeutenden Artikel des GATT und dessen Zusatzabkommen bringt wiederkehrende Prinzipien, also regulative Rechtskonzepte von grundsätzlicher Bedeutung551 hervor. Als materielle Rechtsgedanken vermitteln sie gewisse
Wertauffassungen, die sich in den zukünftig zu regelnden Bereichen der
Welthandelsordnung wiederfinden müssen. Ob kodifiziert oder auf gewohnheitsrechtlicher Basis, können Prinzipien die Grundlage oder den Rahmen
für eine Konkretisierung des Rechts in Form von Vorschriften und Regeln
bilden.552 Benedek unterscheidet zwischen Strukturprinzipien und Funktionsprinzipien. Erstgenannte enthalten, wie beispielsweise der Grundsatz der
Nichtdiskriminierung, die Axiome eines Rechtssystems. Funktionsprinzipien
hingegen transportieren dessen Inhalte oder Aufgaben (bspw. der Grundsatz
der Reziprozität und des gegenseitigen Vorteils sowie jener der besonderen
Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedürfnisse der Entwicklungsländer).553 Uneinig ist sich die Literatur über die verfassungsrechtliche Dimension der Welthandelsordnung und damit über die ihr zugrundeliegenden
Rechtsgrundsätze. Während eine Auffassung die Prinzipien restriktiv bezogen auf den konkreten Regelungsbereich der Normen interpretiert, erkennen
andere diesen verfassungsrechtliche Wirkung zu.554 Ohne hier weiter auf die
verschiedenen Systematisierungskonzepte in der Literatur555 und die Frage
551 Siehe Benedek, Die Rechtsordnung des GATT aus völkerrechtlicher Sicht, S. 49 ff.;
Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 346.
552 Esser, Grundsatz und Norm, S. 39.
553 Benedek, Die Rechtsordnung des GATT aus völkerrechtlicher Sicht, S. 51.
554 Bejaht wird diese These vom Verfassungscharakter der Prinzipien von Petersmann
(The GATT/WTO Dispute Settlement System, S. 32 ff.) und Evans. Verneint wird sie
hingegen von Bogdandy (Verfassungsrechtliche Dimension der WTO), und Krajewski, Verfassungsperspektiven und Legitimation des Rechts der Welthandelsorganisation (WTO).
555 Petersmann (in World Trade: Principles, in: Encyclopedia of Public International
Law 1985) unterscheidet bspw. zwischen wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Grundsätzen des Welthandels, wobei letztere wieder in außenhandelsrechtliche
und handelsvölkerrechtliche sowie Grundsätze des internationalen Privatwirtschafts-
183
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
nach dem Charakter der Prinzipien eingehen zu müssen, kann festgestellt
werden, dass, wie schon in den Vorbereitungsarbeiten zur Ministerkonferenz
in Seattle von der Europäischen Gemeinschaft gefordert,556 die grundlegenden WTO/GATT-Prinzipien in die Verhandlungen über zukünftige, umfassende Trade Facilitation-Regelungen einbezogen werden müssen. Nur so
kann gewährleistet werden, dass die Balance zwischen Rechten und Pflichten aufrecht erhalten wird und die neuen Bestimmungen mit WTO-Recht im
Einklang stehen. Dass solche Prinzipien auch in der Vergangenheit integraler Bestandteil von Zusatzabkommen geworden sind, belegen die vorangegangenen Untersuchungen.
Wie auch das Mandat der Ministerkonferenz von Singapur den Mitgliedstaaten zur Vorbereitung der Verhandlungen aufgibt, sollen hier in Ausführung
dessen, die grundlegenden WTO/GATT-Prinzipien identifiziert werden, die
für zukünftige Regelungen unverzichtbar sind.
4.2.
Transparenz und das Recht auf ein faires Verfahren
4.2.1. Die Bedeutung der Transparenz im Allgemeinen
Geht es um die Beziehungen von Rechtssubjekten untereinander, so ist der
Transparenz sowohl auf horizontaler (Staat – Staat), als auch auf vertikaler
Ebene (Staat – Bürger) besondere Bedeutung beizumessen. Die bilateral strukturierten Rechtsbeziehungen zwischen Mitgliedern einer internationalen Organisation oder Vertragspartnern untereinander erfordern eine wechselseitige
Offenlegung von Fakten. Ohne diese wäre eine konsequente Anwendung
des jeweiligen Übereinkommens unmöglich. Erst durch Transparenz sind
die Vertragsparteien im Stande, die Einhaltung der auf Gegenseitigkeit beruhenden Verpflichtungen zu kontrollieren. Diese instrumentale Funktion der
Transparenz dient jedoch nicht nur der horizontalen Gerechtigkeit. Innerhalb
rechts gegliedert werden; Roessler (Scope, Limits and Function of the GATT, in:
World Economy 1985) hingegen unterscheidet im Rechtssystem des GATT drei
grund-sätzliche Kategorien von Prinzipien: Prinzipien der Nichtdiskriminierung und
Gleichbehandlung, solche der Offenheit der Märkte und Prinzipien eines „fair trade“.
Benedek (in: Die Rechtsordnung des GATT) wiederum unterscheidet zwischen sieben explizit oder implizit in der GATT-Rechtsordnung enthaltenen Grundsätzen:
Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Gegenseitigkeit, der besonderen Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedürfnisse der Entwicklungsländer (Solidarität), des
Gleichgewichts der Rechte und Verpflichtungen, der staatlichen Verantwortlichkeit
für Schäden aus rechtmäßigem wirtschaftlichen Handeln, des fairen Handels und der
friedlichen Streitbeilegung.
556 Preparations for the 1999 Ministerial Conference, Communication from the European Communities, 28.05.1999, WT/GC/W/190.
184
4. Prinzipen des WTO-Rechts
vertikal konstruierter Rechtsbeziehungen kommt die Schutzfunktion des
Prinzips zum Tragen. In individualistisch konzipierten Gesellschaftssystemen ist die Transparenz ein elementarer Sicherungsmechanismus, da sie die
Voraussetzungen für die Kontrolle des gesetzeskonformen Handelns der
Verwaltung schafft.557 Diese Bewertung lässt sich zusehends auch auf das
internationale Wirtschaftsrecht übertragen. Die Bedeutung der Transparenz
im Recht wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass diese Voraussetzung für die Absicherung einer Rechtsposition des Einzelnen ist. Nur
wenn die Entscheidungsgrundlagen weitestgehend bekannt sind, kann sich
auch ein Gefühl von Gerechtigkeit bei den Rechtssubjekten einstellen. Immer weniger wird Gerechtigkeit als Ergebnis und zusehends stärker als verfahrenstechnischer Anspruch, als „Produkt des Rechtsfindungsprozesses“,
definiert.558 Auf der völkerrechtlichen Ebene wird das Individuum allerdings
nur in mittelbarer Form davon erfasst, da Staaten, nicht aber Individuen,
Inhaber von Rechten und Pflichten sind.
4.2.2. Das Transparenzprinzip im WTO-Recht
Transparenz ist einer der Eckpfeiler des multilateralen Systems. Ohne transparente Handelsvereinbarungen und Handelspolitiken sind die anderen fundamentalen Prinzipien wie Meistbegünstigung, Verhältnismäßigkeit sowie
spezielle und differenzierte Behandlung weniger effektiv. Die von den Mitgliedern gemachten Liberalisierungszugeständnisse könnten in der Theorie
verharren und Rechte und Pflichten nicht gebührend ausgeübt werden. Um
von der Liberalisierung maximal profitieren zu können, benötigen die Unternehmen weitgehende Kenntnisse der in anderen Staaten existierenden
Handelsregulierungen und -praktiken. Transparenz führt zudem zu einer
verantwortungsvolleren Regierung. Dies wiederum schafft Anreiz zu einer
effizienteren und wirtschaftsfreundlicheren Ausgestaltung und Verwaltung
der Handelspolitiken, während Handelsstreitigkeiten vermieden werden.
Transparenz und Rechtssicherheit bei der Anwendung von Handelsregulierungen und -verfahren sind letztendlich wichtige Faktoren der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes.
a)
Veröffentlichungspflichten
Die WTO-Rechtsordnung ist durchzogen von Bestimmungen zur Transparenz. Die grundlegende Norm ist Art. X GATT.559 Dieser stellt eine Veröf557 Hilpold, Das Transparenzprinzip im IWR, S. 597.
558 Hilpold, Das Transparenzprinzip im IWR, S. 597.
559 Dieser gibt den Mitgliedern auf, „sämtliche geltenden Gesetze, sonstige Vorschriften,
Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen von allgemeiner Bedeutung, welche die
Tariffierung oder die Ermittlung des Zollwertes von Waren, die Sätze von Zöllen,
185
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
fentlichung von Handelsvorschriften einschließlich Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen von allgemeiner Bedeutung sicher. Für Einfuhrbeschränkungen allgemeiner Art gilt, dass diese nicht vor ihrer amtlichen Veröffentlichung in Kraft gesetzt werden dürfen. Die Verpflichtung zur Transparenz unter dem GATT hat im Rahmen der Uruguay-Runde durch die Einführung des Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitiken (TPRM560)
eine neue Dimension erlangt.
b)
Notifizierungsverpflichtungen
Einen entscheidenden Beitrag zur Schaffung von Transparenz leisten die
ebenfalls im Rahmen der Uruguay-Runde erheblich ausgeweiteten Notifizierungsverpflichtungen der Mitglieder gegenüber dem WTO-Sekretariat.561
Diese stellen regelmäßig nur eine besondere Ausprägung der allgemeinen
Transparenzverpflichtung dar, die eine wirksame Vertragserfüllung im Sinne
des in Art. 26 der WÜV verankerten Gutglaubensgrundsatzes ermöglichen
Abgaben und sonstigen Belastungen, die Vorschriften, Beschränkungen und Verbote
hinsichtlich der Einfuhr und Ausfuhr sowie Überweisungen von Zahlungsmitteln für
die Einfuhren oder Ausfuhren betreffen oder sich auf den Verkauf, die Verteilung,
Beförderung, Versicherung, Lagerung, Überprüfung, Ausstellung, Veredelung, Vermischung oder eine andere Verwendung dieser Waren beziehen“ in geeigneter Weise
so zu veröffentlichen, dass Regierungen und Wirtschaftskreise sich mit ihnen vertaut
machen können, Art. X. Abs. 1 S. 1 GATT. Ebenso sollen internationale handelspolitische Vereinbarungen veröffentlicht werden, Art. X Abs. 1 S. 2 GATT. Die von diesen Bestimmungen festgelegte Informationspflicht ist jedoch nicht unbegrenzt. Vertrauliche Informationen, deren Veröffentlichung die Durchführung der Rechtsvorschriften behindern oder sonst dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen oder die berechtigten Wirtschaftsinteressen bestimmter öffentlicher oder privater Unternehmen
schädigen würde, unterliegen nicht dem Offenlegungsgebot.
560 Trade Policy Review Mechanism, dazu in diesem Kapitel 4.2.2. d), Mid-Term Review Agreement“, Montreal, Dezember 1988.
561 Beispielsweise die Notifizierungsverpflichtung staatlicher Handelsunternehmen beim
Rat für den Warenhandel; jene, dem Allgemeinen Rat die Einführung o. Änderung
von einfuhrbeschränkenden Maßnahmen aus Gründen der Zahlungsbilanz bekannt zu
geben; die bereits im GATT 1947 in Art. XXIV Abs. 7 lit. a) niedergelegte Notifizierungspflicht, im Falle der Einrichtung einer Zollunion, Freihandelszone o. vorläufigen Vereinbarung zur Bildung einer solchen Integrationszone, die – vor allem hins.
ihrer Konsequenzen – näher spezifiziert wurde. Umfassende Regelungen sind darüber hinaus zu finden in dem Übereinkommen über die Landwirtschaft, jenem über
den Handel mit Textilwaren und Bekleidung, dem SPS, TBT und TRIMs, dem Antidumping–Abkommen und jenem über Vorversandkontrollen, ebenso wie im Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, über Schutzmaßnahmen,
im GATS und TRIPS.
186
4. Prinzipen des WTO-Rechts
soll.562 Vergleichbar mit den Bestimmungen nationaler Handelsrechtsordnungen ist diese Pflicht jedoch nicht unbegrenzt, sondern findet dort Einschränkung, wo der Schutz vertraulicher Geschäftsinformationen betroffen
ist.563 Mit der zunehmenden Verfestigung der „Herrschaft des Rechts“ im
WTO-System rückt die Offenlegungspflicht gegenüber der Welthandelsorganisation als solcher und im konkreten gegenüber dem WTO-Sekretariat
immer stärker in den Vordergrund. Nunmehr werden die betreffenden Verpflichtungen nicht mehr gegenüber den einzelnen Vertragspartnern, sondern
gegenüber der Gesamtheit der Mitglieder erfüllt oder verletzt.
c)
Transparenz im Streitbeilegungsverfahren
Die Transparenz findet zudem auch Eingang in das Streitbeilegungssystem.
So sieht das DSU in Art. 13 ausdrücklich ein „Recht auf Information“ vor.
Danach hat das Panel das Recht, von jeder Einzelperson oder jedem Gremium, die es für geeignet hält, Informationen oder fachlichen Rat einzuholen.
Weiterhin kann es von jeder einschlägigen Stelle Informationen erbitten und
Sachverständige befragen, um deren Gutachten zu bestimmten Aspekten
oder Angelegenheiten einzuholen. Letztlich stehen die gesamten verfahrensrechtlichen Vorschriften des Streitbeilegungsabkommens im Dienste der
Transparenzschaffung, da diese eine möglichst umfassende Sachverhaltsfeststellung erleichtern sollen.
d)
Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik (TPRM564)
Nicht nur Instrument, sondern direktes Ziel ist die Transparenz im Abkommen über den Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik (TPRM).565
Anhang 3 des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation
enthält die Bestimmungen über den im Jahre 1988 zunächst nur provisorisch
eingeführten566 Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik, der zu
einer besseren Einhaltung der Regeln, Disziplinen und Verpflichtungen aller
WTO-Mitglieder und damit zu einem reibungsloseren Funktionieren des
multilateralen Handelssystems beitragen soll. Nationale Handelspolitiken
und Praktiken der Mitglieder sollen durch die Überprüfung transparenter
und so besser nachvollziehbar werden.567 Diesem Gesichtspunkt der Trans562 Hilpold, Das Transparenzprinzip im IWR, S. 602.
563 Siehe Art. X Abs. 1 S. 2 GATT oder Art. 9 des Übereinkommens über Vorversandkontrollen.
564 Trade Policy Review Mechanism.
565 Hilpold, Das Transparenzprinzip im IWR, S. 602.
566 Anlässlich der Halbzeitüberprüfungskonferenz zur Uruguay-Runde in Montreal
1988.
567 A (i) S.1 TPRM.
187
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
parenz kommt, wie aus dem letzten Satz der Zielbestimmung (i) hervorgeht,
unabhängig von einer unmittelbaren instrumentalen Verwertbarkeit durchaus
Eigenwert zu. Der Mechanismus soll jedoch nicht als Grundlage für die
Durchsetzung spezifischer Verpflichtungen im Rahmen der Abkommen, zur
Streitbeilegung oder dazu dienen, den Mitgliedern weitere handelspolitische
Verpflichtungen aufzuerlegen. Im Vordergrund steht nicht die Untersuchung
der Auswirkungen der WTO-Regeln auf die Handelspolitik der Mitglieder,
sondern umgekehrt, die Auswirkungen der nationalen Handelspolitik auf das
multilaterale System.568
Heute stellt der TPRM eine äußerst ergiebige Informationsquelle bezüglich
außenhandelspolitischer Maßnahmen und einschlägiger rechtlicher Instrumentarien der einzelnen Mitglieder dar. Die Frequenz der periodischen Überprüfung richtet sich nach dem Anteil am Welthandel. So werden die führenden vier Handelsmächte alle zwei Jahre einer Kontrolle unterzogen, die folgenden sechzehn alle vier und die übrigen Mitglieder alle sechs Jahre. Der
Arbeit des Mechanismus stützt sich nach Art. C (v) TPRM auf einen Bericht
des überprüften Mitglieds selbst, und auf einen Bericht der in Verantwortung
des Sekretariats – unter Verwendung der ihm ohnehin zugänglichen und der
von dem Mitglied vorgelegten Informationen – erstellt wurde. Beide Berichte mitsamt der Sitzungsprotokolle werden veröffentlicht. Um größtmögliche
Transparenz zu erzielen, sollen die Mitglieder dem Gremium regelmäßig,
auch zwischen den Überprüfungen und in standardisierter Form, Bericht
erstatten. Im Falle von Schwierigkeiten bei der Erstellung der Berichte leistet das Sekretariat den Entwicklungsländern, insbesondere den am wenigsten entwickelten Staaten, technische Hilfe.
e)
Kritik an den bestehenden Bestimmungen zur Transparenz
Wie aus den aktuellen Jahresberichten verschiedener spezieller Ausschüsse
hervorgeht, sind die für die Schaffung von Transparenz höchst bedeutsamen
Notifizierungsverfahren wenig operabel.569 Bis zum heutigen Tage sind relevante Bestimmungen noch nicht beim Sekretariat notifiziert, obwohl sie
schon seit geraumer Zeit angewandt werden. Da dem Sekretariat keinerlei
Instrument zur Durchsetzung der Verpflichtungen zur Verfügung steht, kann
es die Staaten lediglich nachdrücklich dazu auffordern, ihren Verpflichtun-
568 So A (i) S. 2 und (ii) S. 2 TPRM.
569 z.B.: Committee on Import Licensing – 5. Biennial Review of the Implementation
and Operation of the Agreement on Import Licensing Procedures – Background Document by the Secretariat, 2004, G/LIC/12; Committee on Rules of Origin – Ninth
Annual Review of the Implementation and Operation of the Agreement on Rules of
Origin – Note by the Secretariat 2003, G/RO/57.
188
4. Prinzipen des WTO-Rechts
gen nachzukommen. Besonders in den weniger entwickelten Mitgliedern
bestehen Probleme im Hinblick auf den Zugang zu relevanten Wirtschaftsdaten.
Kritiker halten den Mechanismus zur Überwachung der Handelspolitiken
zur Schaffung von Transparenz für ungeeignet. Die Überprüfung erfolge zu
selten, in Anbetracht der Tatsache, dass die meisten Länder nur alle 6 Jahre
überprüft werden. Gerade aber die Entwicklungsländer hätten eine größere
Aufmerksamkeit nötig, um so ihr Informationsdefizit auszugleichen. Gerade
für die Entwicklungsländer sei eine multilaterale Überwachung der Hauptmärkte in kürzeren Abständen sinnvoll. Damit auch sie in die Lage versetzt
werden, von ihren nunmehr durch die Streitbeilegungsvereinbarung gestärkten Rechten Gebrauch zu machen, befürworten Hoekman/Mavroidis570 die
Schaffung eines zum TPRM parallelen, von der WTO unabhängigen Mechanismus’. Da der TPRM nicht das Mandat besitzt, Rechtsverletzungen
festzustellen und spezielle Fälle oder Probleme des privaten Sektors nicht
näher untersucht werden, die Gegenstand von Verhandlungen oder Streitigkeiten sein können, schlagen sie dessen Reform vor. Ihrer Ansicht nach sollte er Analysen beinhalten, Überwachung gewährleisten sowie Kosten und
Nutzen alternativer Methoden zur Durchführung der WTO-Übereinkommen
herausarbeiten. Private Zusammenarbeit bei der Sammlung von Informationen könnte der Identifizierung potentieller WTO-Rechtsverstöße und der
Abschätzung der Kosten rechtmäßiger Handelspolitiken für den privaten
Sektor dienen. Zur Förderung der Transparenz in der Welthandelsordnung
wird die Errichtung einer internationalen Stelle für das öffentliche Interesse
gefordert. Diese könne als Forum dienen, in dem die WTO-Rechtmäßigkeit
angegriffener Maßnahmen diskutiert werde. Deren Unabhängigkeit von der
WTO begegne dem Problem, dass nur Staaten beteiligtenfähig sind. Interessierte Parteien könnten die Tatsachen eines Falls ergründen, die wirtschaftlichen Auswirkungen abschätzen und effizientere mögliche Handelspolitiken
erarbeiten. Damit wären auch die Forderungen der NGOs nach der Öffnung
der WTO für freiwillige Organisationen und Private erfüllt. Eine solche Institution trüge dazu bei, das Verständnis der Bevölkerung für nationale Handelspolitiken und deren Auswirkungen sowohl innerhalb eines Marktes als
auch marktübergreifend zu verbessern. Das Für und Wider multilateraler
Regelungen auf neuen Gebieten und die wissenschaftliche Grundlage für
Regulierungspolitiken bzw. deren Fehlen könnten in einem solchen Gremium ergründet werden.
570 Siehe dazu Hoekman/Mavroidis, WTO Dispute Settlement, Transparency and Surveillance, in: World Economy 2000, S. 529 ff.
189
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
4.3.
Nichtdiskriminierung
4.3.1. Grundlegendes
Den Eckpfeiler des GATT/WTO-Rechtsordnung bildet das Prinzip der
Nichtdiskriminierung. Der bereits in der Präambel des GATT als instrumentales Ziel angesprochene Grundsatz findet sich sowohl durch die allgemeine
Meistbegünstigungsverpflichtung in Art. I GATT als auch durch die Pflicht
zu Inländergleichbehandlung konkretisiert (Art. III, XVII GATT).571 Der
Grundsatz spiegelt sich zudem in Art. XIII GATT im Zusammenhang mit
der Anwendung mengenmäßiger Beschränkungen und in zahlreichen erga
omnes-Verpflichtungen wider. Er kann im Dienste offener Märkte bzw. der
Handelsliberalisierung in Form von Zollunionen und Freihandelszonen sowie im Dienst der Entwicklung durchbrochen werden.572
4.3.2. Meistbegünstigungsprinzip
Der Kern des Meistbegünstigungsprinzips im Warenhandel ist der Art. I
Abs. 1 GATT, wonach alle Vorteile, Vergünstigungen, Vorrechte oder Befreiungen, die für eine Ware gewährt werden, die aus einem anderen Land
stammt oder für ein solches bestimmt ist, unverzüglich und bedingungslos
für alle gleichartigen Waren zu gewähren sind, die aus den Gebieten der anderen Mitglieder stammen oder für diese bestimmt sind. Dies gilt für Zölle
und Belastungen aller Art, die im Zusammenhang mit der Einfuhr oder Ausfuhr oder bei der internationalen Überweisung von Zahlungen für Einfuhren
oder Ausfuhren auferlegt werden, für Erhebungsverfahren und alle Vorschriften und Förmlichkeiten im Zusammenhang mit Einfuhr und Ausfuhr
sowie für alle in Art. III Abs. 2 GATT behandelten Angelegenheiten. Das
Prinzip gilt jedoch nicht schrankenlos. Einschränkungen bilden der Teil IV
des GATT,573 die Vereinbarung über die ‚differenzierte und begünstigende
Behandlung, Reziprozität und stärkere Beteiligung der Entwicklungsländer‘574 und Art. XXV Abschnitt 5 GATT.575
Für den Dienstleistungshandel und den Schutz des geistigen Eigentums gilt
entsprechendes, Art. II GATS und Art. 4 TRIPS.
571 Benedek, Die Rechtsordnung des GATT aus völkerrechtlicher Sicht, S. 53.
572 Benedek, ebenda.
573 Handel und Entwicklung – Zollpräferenzen für Entwicklungsländer (BGBl. 1967 II,
2005).
574 v. 28.11.1979.
575 Ipsen, Völkerrecht, § 45 Rn.3.
190
4. Prinzipen des WTO-Rechts
4.3.3. Inländergleichbehandlung
Nach Art. III Abs. 2 GATT dürfen die aus anderen Mitgliedern eingeführte
Waren weder direkt noch indirekt höheren inneren Abgaben oder sonstigen
Belastungen unterworfen werden als gleichartige inländische Waren. Ebenso
dürfen sie nach Absatz 4 hinsichtlich aller Gesetze, Verordnungen und sonstigen Vorschriften über den Verkauf, das Angebot, den Einkauf, die Beförderung, Verteilung oder Verwendung im Inland keine weniger günstige Behandlung erfahren als gleichartige inländische Waren.576 Art. II TRIPS und
Art. XVII GATS regeln eine vergleichbare Behandlung. Die Inländergleichbehandlung gilt jedoch erst dann, wenn das Produkt, die Dienstleistung oder
das Patentrechten unterliegende Subjekt in den Markt eintritt. Daher stellt
die Erhebung von Einfuhrzöllen keinen Verstoß gegen den Grundsatz des
Art. III GATT dar, auch wenn einheimische Waren nicht vergleichbar besteuert werden. Hauptfunktion des Art. III GATT besteht darin, die Umgehung ausgehandelter Zollbindungen zu verhindern.577 Aus diesem Grund
nimmt Bogdandy eine gegenüber Art. 28 des EG-Vertrags wesentlich zurückhaltendere Interpretation des Artikel III GATT an.578 Danach sollte nur
bei vergleichsweise massiven Beeinträchtigungen spezifisch ausländischer
Erzeugnisse eine indirekte Diskriminierung angenommen werden. Im Hinblick auf die „Gleichheit“ von Produkten haben auch die Streitbeilegungsorgane bisher eine zurückhaltende Auffassung vertreten. So betont der Appellate Body, dass die Gleichartigkeit unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des spezifischen Zusammenhangs von Fall zu Fall zu
bestimmen ist.579
576 Siehe die parallelen Vorschriften Art. 17 GATS und Art. 3 TRIPS.
577 Hudec, Developing Countries in the GATT Legal System, S. 133; Stoll, Freihandel
und Verfassung, in: ZaöRV 1997, S. 119.
578 Bogdandy, Verfassungsrechtliche Dimension der WTO, S. 33.
579 Bericht des AB in Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, S. 21–22, WT/DS8,10,11/
AB/R. In diesem Zusammenhang ist der Streit European Communities – Measures
Affecting Asbestos and Asbestos Containing Products (WT/DS135/R, para. 8.101 ff.)
aufschlussreich, in dem Kanada mit der Gleichartigkeit asbesthaltiger und asbestfreier Produkte argumentierte. Nach verbreiteter Auffassung muss sich der Vergleich von
Produkten auf die Eigenschaften der Produkte selbst beschränken und darf sich nicht
auch auf dessen Herstellungsmethode beziehen. Ein Vermarktungsverbot von Waren
kann daher nicht auf deren Herstellungsmethode (bspw. Kinderarbeit oder Umweltschädlichkeit) gestützt werden. In einem solchen Fall liegt eine prima facie Verletzung des GATT vor, die speziell, etwa gem. Art. XX GATT, gerechtfertigt werden
muss, Bogdandy, Verfassungsrechtliche Dimension der WTO, S. 33.
191
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
4.3.4. Nichtdiskriminierung und Trade Facilitation
Angesichts der bestehenden Diskriminierungen im internationalen Handel
und Transport scheint eine Konkretisierung des Nichtdiskriminierungsprinzips in dem Bereich erforderlich. Ziel muss es sein, eine Gleichbehandlung
aller Händler und Waren zu erreichen, die die Vorgaben eines Mitgliedstaates erfüllen. Sinnvoll wäre es daher, Bestimmungen zu schaffen, nach denen
alle Händler/Transportpersonen an den Grenzen den gleichen, grundlegenden Verfahren unterworfen werden, wobei sie identische Voraussetzungen
erfüllen müssen und dieselben Rechte und Pflichten haben, soweit die Sachverhalte vergleichbar sind. Eine unterschiedliche Behandlung von Händlern
oder Sendungen aufgrund objektiv verschiedener Kriterien, wie sie bspw.
bei der Risikoanalyse verwandt werden, ist bereits durch die bestehenden
Regelungen gedeckt. Grenzverfahren müssen so gestaltet werden, dass ein
gleichwertiger Zugang zum internationalen Handel für alle Unternehmen,
auch kleine und mittelständische (KMU), realisiert werden kann.580 Konkretisierung ist auch insofern wünschenswert, als das Diskriminierungsverbot
auf die verschiedenen Transportwege ausgeweitet wird. Bei der Anwendung
der Transit-, der Ausfuhr- und Einfuhrverfahren darf es keinen Unterschied
machen, ob die Ware zu Land, zu Wasser oder durch die Luft an seinen Bestimmungsort gelangt. Hier sind auch die diesbezüglichen Regelungen des
GATS zu berücksichtigen.
Ein anschauliches Beispiel dafür, wie das Prinzip der Nichtdiskriminierung
konkret auf Handelsverfahren angewendet werden kann, stellt das Abkommen über Einfuhrlizenzverfahren dar. Gemäß Art. 1 Abs. 3 IPL müssen die
Regeln für Einfuhrlizenzverfahren „in ihrer Anwendung neutral sein und in
angemessener und gerechter Weise gehandhabt werden.“ Für automatische
Einfuhrlizenzverfahren findet sich die Konkretisierung, dass diese nicht so
gehandhabt werden dürfen, dass sie sich beschränkend auswirken. Nach Art.
2 Abs. 2 a) ILP gelten sie grundsätzlich als handelsbeschränkend, es sei
denn, dass die explizit in der Norm genannten Bedingungen erfüllt sind.581
Dieser Grundgedanke lässt sich auch auf andere Handelsverfahren übertragen.
580 This would mean, for example, that measures that privileged certain traders (authorised traders, premium procedures, other means to provide less burdensome procedures for traders with a good track record of compliance), or requirements for ITbased systems, should be non-discriminatory and not act to exclude certain kinds of
companies. Provisions of this kind will help to reduce the risk of practices which
would favour or privilege certain companies in a discretionary manner.
581 Siehe dazu oben zum Übereinkommen über Einfuhrlizenzverfahren.
192
4. Prinzipen des WTO-Rechts
4.4.
Verhältnismäßigkeit
4.4.1. Relevante Normbeispiele
Verhältnismäßigkeitsanforderungen finden sich in der WTO-Rechtsordnung
an verschiedenen Stellen.582 In den für Trade Facilitation relevanten Bestimmungen sind sie vornehmlich mit Blick auf eine möglichst geringe Beeinträchtigung des Handels zu finden. So dürfen beispielsweise gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen (SPS-Maßnahmen) gemäß Art. 5.6. SPS nicht handelsbeschränkender als notwendig sein,
um unter Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Durchführbarkeit das angemessene Schutzniveau zu erreichen. Was darunter zu verstehen ist, wurde im Fall Australia – Measures affecting the Importation of
Salmon konkretisiert.583 Panel und Appellate Body bestätigen in ihren Berichten die Fußnote zu Art. 5.6. SPS, aus welcher hervorgeht, dass eine
Maßnahme dem Erfordernis dann genügt, wenn keine andere Maßnahme
unter vertretbaren technischen und wirtschaftlichen Bedingungen zur Verfügung steht (1), die das angemessene Schutzniveau erreicht (2) und wesentlich weniger handelsbeschränkend (3) ist.584 Dem Appellate Body zufolge
bleibt die Bestimmung des angemessenen Schutzniveaus den Mitgliedern
überlassen.585 Die Beweislast liegt bei der beschwerdeführenden Partei. Ziel
und Grund der Maßnahme werden von Art. 5.6. SPS daher nicht in Frage
gestellt. Hat das Mitglied das Schutzniveau einmal festgelegt, so soll das
Panel allein prüfen, ob weniger handelsbeschränkende, alternative SPSMaßnahmen dasselbe Schutzniveau erzielt hätten.586 Das Verhältnismäßig-
582 Bspw. muss die Aussetzung von Zugeständnissen oder sonstigen Pflichten im Rahmen des Streitbeilegungsverfahrens gemäß Art. 22 Abs. 4 DSU dem Umfang der zunichte gemachten oder geschmälerten Vorteile entsprechen; im Übereinkommen über
Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen (SCM) heißt es in Art. 4.10., dass Gegenmaßnahmen angemessen sein müssen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass aufgrund der
Tatsache, dass die im SCM behandelten Subventionen verboten sind, unangemessene
Gegenmaßnahmen zulässig sind (Fn.9 zum SCM).
583 Australia – Measures affecting the Import of Salmon, complaint by Canada,
WT/DS18/R, adopted 6.11.1998 u. WT/DS18/AB/R.
584 WT/DS18/R, para. 8.167 und WT/DS18/AB/R para. 180.
585 WT/SD18/AB/R, para. 199. Ist ein solches jedoch nicht oder nicht hinreichend konkret bestimmt, so könnten Panel diese jedoch auf der Grundlage des Schutzniveaus
bestimmen, welches von der angewandten SPS-Maßnahme wiedergespiegelt wird,
ebenda, para. 206.
586 Desmedt, Proportionality in WTO Law, S. 457.
193
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
keitserfordernis ist somit auf das Mittel zur Gewährleistung eines vorher
festgelegten Schutzniveaus beschränkt.587
Im Bezug auf technische Handelshemmnisse heißt es in Art. 2.2. TBT, dass
technische Vorschriften nicht handelsbeschränkender als notwendig sein
dürfen, um ein berechtigtes Ziel zu erreichen.588 Im Gegensatz zu den SPSMaßnahmen muss die technische Vorschrift nicht nur verhältnismäßig sein,
sondern sie muss zudem ein berechtigtes Ziel verfolgen. Die in Art. 2.2. S. 2
TBT aufgezählten, berechtigten Ziele sind nicht abschließend, so dass die
Mitglieder die Maßnahmen mit anderen Zielen rechtfertigen können.589
Auch wenn klare Vorgaben im Hinblick auf die Berechtigung nicht bestehen, kann das Ziel der Maßnahme in Frage gestellt werden. Liegt ein berechtigtes Ziel vor, so muss die Maßnahme zudem verhältnismäßig sein.590
Verhältnismäßigkeit ist auch im Hinblick auf Konformitätsbewertungsverfahren gefordert. Gemäß Art. 5.1.2. TBT dürfen Konformitätsbewertungsverfahren nicht strenger sein oder strenger angewendet werden als notwendig, um dem Einfuhrmitglied angemessenes Vertrauen in die Übereinstimmung der Waren mit den geltenden technischen Vorschriften oder Normen
zu erlauben. Dabei werden die Gefahren berücksichtigt, die entstünden,
wenn diese Übereinstimmung nicht gewährleistet wäre. Art. VIII GATT, der
Verhältnismäßigkeit zwischen Gebühren und Belastungen und den ungefähren Kosten der erbrachten Dienstleistung fordert, ist ein weiteres Beispiel.
4.4.2. Ungeschriebenes Verhältnismäßigkeitsprinzip?
Die Verhältnismäßigkeit in den beispielhaft genannten Bestimmungen bezweckt zu gewährleisten, dass die Handelsrestriktionen, die aufgrund von
legitimen Erwägungen verhängt werden, nur soweit gehen dürfen, wie zum
Erreichen eines berechtigten Zieles erforderlich ist. Probleme bestehen jedoch mangels Konkretisierung im Hinblick darauf, welche Ziele „berechtigt“ sind und wie diese verwirklicht werden dürfen. Fraglich bleibt bspw.
587 ebenda.
588 Die Gefahr des Nichterreichens des angestrebten, legitimen Ziels wird bei der Beurteilung, ob eine Vorschrift diesem Grundsatz genügt, in Betracht gezogen.
589 So werden TBT-Maßnahmen von Mitgliedern im Rahmen der Notifizierung bspw.
allgemein mit dem Schutz des geistigen Eigentums, der Einhaltung von Qualitätsstandards, Kosteneinsparungen oder Harmonisierung begründet (siehe 9. Jahresbericht des TBT-Ausschusses zur Umsetzung des TBTs vom 5.3.2004, G/TBT/14).
590 Siehe zu der Problematik: Desmedt, Proportionality in WTO law, S. 456. Dieser wirft
in Anlehnung an die Rechtsprechung zum SPS die Frage auf, ob ein Verstoß schon
dann zu bejahen ist, wenn die beschwerdeführende Partei beweisen kann, dass eine
vertretbare, weniger handelsbeschränkende Maßnahme existiert, die das berechtigte
Ziel des Mitglieds erfüllt.
194
4. Prinzipen des WTO-Rechts
ebenfalls, ob das Erfordernis des Art. VIII Abs. 1 a) GATT auch beinhaltet,
dass Kautionen, Bürgschaften und ähnliche Sicherheiten nicht ohne Grund
verlangt werden dürfen und wenn notwendig freigegeben werden, sobald
deren Höhe und das abgesicherte Risiko nicht mehr proportional zueinander
sind. Dies käme allenfalls dann in Betracht, wenn ein allgemeines, ungeschriebenes Verhältnismäßigkeitsprinzip im WTO-Recht existierte, auf welches sich eine Partei im Streitbeilegungsverfahren berufen könnte. Ob ein
solches allgemeines, von konkreten Bestimmungen unabhängiges Verhältnismäßigkeitsprinzip existiert, ist umstritten.591 Selbst wenn ein solches jedoch existieren sollte, ist nicht anzunehmen, dass eine darauf gestützte Beschwerde im Rahmen eines Streitbeilegungsverfahrens erfolgreich sein wird.
Gegen die Annahme einer Verpflichtung bspw. zur Freigabe von Sicherheiten sobald deren Höhe nicht mehr proportional zum abgesicherten Risiko ist,
spricht der Wortlaut des Art. VIII Abs. 1 a) GATT, der allein davon spricht,
dass die Gebühren dem Betrag nach auf die Kosten der erbrachten Dienstleistung zu beschränken sind. Eine weitergehende Interpretation aufgrund
eines ungeschriebenen, allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzips widerspräche schon Art. 3 Abs. 2 und Art. 19 Abs. 2 DSU, wonach die Empfehlungen und Entscheidungen des Streitbeilegungsgremiums (DSB) die Rechte und Pflichten der Mitglieder weder ergänzen, noch beschränken können.
Letztlich wäre ein ungeschriebenes Verhältnismäßigkeitsprinzip im Welthandelsrecht daher jedenfalls praktisch ohne Belang.
4.5.
Integration der Entwicklungsländer in das System des
internationalen Handels
4.5.1. Grundlegende Normen
Ein grundlegendes Element des Welthandelsystems stellt die besondere und
differenzierte Behandlung von Entwicklungsländern (SDT592) dar. So sind
sich die Mitglieder ausweislich der Präambel des Marrakesch-Übereinkommens zur Errichtung der WTO darüber im Klaren, „dass es positiver
Bemühungen bedarf, damit sich die Entwicklungsländer, insbesondere die
am wenigsten entwickelten unter ihnen, einen Anteil am Wachstum des internationalen Handels sichern, der den Erfordernissen ihrer wirtschaftlichen
Entwicklung entspricht.“
591 Bejaht wird dies von Petersmann, in: The GATT/WTO Dispute Settlement System, S.
33, verneinend Desmedt, Proportionality in WTO law, in: JIEL 2001, S. 441 ff.
592 Special and Differential Treatment. Im folgenden wird die in der englischsprachigen
Literatur geläufige Abkürzung für das Prinzip der besonderen und differenzierten
Behandlung „SDT“ verwandt.
195
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
In der WTO-Rechtsordnung finden sich vielerorts Vorschriften mit dem
Ziel, die Integration der Entwicklungsländer in das internationale Handelssystem zu erreichen. Diese etablieren entweder ausdrücklich oder de facto
einen Vorzugstatbestand für die Entwicklungsländer und stellen einen bedeutenden Fall der Rechtsfortbildung im GATT dar. Teil IV des GATT 1947
normiert unter dem Titel „Handel und Entwicklung“ sowohl Ziele (Art.
XXXVI), als auch Verpflichtungen der entwickelten Mitglieder (Art.
XXXVII) und die gemeinsame Vorgehensweise (Art. XXXVIII), um diese
Integration zu realisieren. Instrumente wie die „Enabling Clause“593, die die
rechtliche Grundlage für das Allgemeine Präferenzsystem (APS)594 in der
WTO bildet und die Bestimmungen zur besonderen und differenzierten Behandlung, die im Rahmen der Uruguay-Runde geschaffen wurden, ergänzen
das Bild. Die ministerielle Entscheidung über Maßnahmen zugunsten der
LDCs, der WTO-Aktionsplan für LDCs und dessen Ausbau durch das Integrated Framework,595 die Mainstreaming Schemen, sowie die WTOEntscheidung zum Vorbehalt gegenüber Zollpräferenzen für LDCs596 bilden
593 Decision on Differential and more Favourable Treatment, Reciprocity and Fuller
Participation of Developing Countries. Die „Enabling Clause“ besteht aus vier Teilen: Bevorzugung von Entwicklungsländern im Hinblick auf den Zugang zu Marketing auf den Märkten der entwickelten Länder auf nicht-gegenseitiger, nichtdiskriminierender Basis; bevorzugte Behandlung hinsichtlich der GATT Bestimmungen zu nichttarifären Handelshemmnissen; größere Flexibilität bei der Bildung von
Präferenzregimen zwischen Entwicklungsländern und die Einführung einer speziellen Behandlung der am wenigsten entwickelten Staaten. Ausnahmen von der Meistbegünstigung und Nichtdiskriminierungsverpflichtung des Art. I GATT und die mögliche Ausweitung der differenzierten und bevorzugten Behandlung der Entwicklungsländer durch Präferenzzölle, Nichttarifäre Maßnahmen und regionale und globale
Vereinbarungen werden erlaubt. Durch die Bestimmungen zur speziellen Behandlung
der am wenigsten entwickelten Staaten (LDCs) wurde erstmals zwischen dem Status
des „Entwicklungslands“ und dem des „am wenigsten entwickelten Landes“ differenziert. Dazu: Pangestu, SDT in the Millenium, World Economy 2000, S. 1289.
594 Derzeit existieren 16 nationale APS-Pläne, die dem UNCTAD-Sekretariat notifiziert
sind (Australien, Belarus, Bulgarien, Kanada, the Tschechische Republik, die EG,
Ungarn, Japan, Neuseeland, Norwegen, Polen, die Russische Föderation, die Slowakei, die Schweiz, Türkei und die USA.
595 The Integrated Framework for Trade-Related Technical Assistance to least-developed
countries (IF). Das IF ist ein Entwicklungsprogramm von IWF, ITC, UNCTAD,
UNDP, World Bank und WTO das die LDCs durch Wirtschaftswachstums- und Armutsbekämpfungsprogramme darin zu unterstützen sucht, ihren Anteil an der Weltwirtschaft zu erhöhen. Das Mandat wurde erstmals auf der WTO-Ministerkonferenz
in Singapur 1996 erteilt.
596 Decision on Waiver for Preferential Tariff Treatment of LDCs, adopted 15.6.1999,
WT/L/304.
196
4. Prinzipen des WTO-Rechts
weitere Beispiele. In einem Bericht aus dem Jahre 2000 klassifiziert das
WTO-Sekretariat die verschiedenen Instrumente, wie folgt:
(i) Bestimmungen mit dem Ziel, die Handelsmöglichkeiten für Entwicklungsland-Mitglieder zu verbessern.
(ii) Bestimmungen, die die WTO-Mitglieder dazu anhalten sollen, die Interessen der Entwicklungsland-Mitglieder zu wahren.
(iii) Flexibilität der Zugeständnisse, der Maßnahmen und bei der Anwendung politischer Instrumente.
(iv) Übergangsfristen
(v) Technische Hilfe
(vi) Bestimmungen in Bezug auf LDCs.
Aus dem Bericht des Jahres 2000 geht hervor, dass die besondere Behandlung der Entwicklungsländer in 145 Bestimmungen, zu finden in verschiedenen multilateralen Abkommen über den Warenhandel, im GATS, TRIPS
und DSU, ebenso wie in verschiedenen ministeriellen Entscheidungen, niedergelegt ist. 107 von den 145 Bestimmungen wurden mit Abschluss der
Uruguay-Runde angenommen und 22 davon befassen sich ausschließlich
mit LDCs.597 Bis heute existieren innerhalb der WTO keinerlei Kriterien
anhand derer sich feststellen lässt, welchen Status ein WTO-Mitglied innehat. Ob ein Mitglied Entwicklungsland ist oder nicht, bleibt bis zum heutigen Tag das Ergebnis eines Selbstbestimmungsprozesses. Was unter „besonderer“ Behandlung zu verstehen ist, bleibt ebenso ungeklärt, wie die Frage,
welchen Mitgliedern eine „differenzierte Behandlung“ zukommt.
4.5.2. Die besondere und differenzierte Behandlung von Entwicklungsländern
a)
Die Entwicklung bis zum Abschluss der Tokio-Runde
Trotz der Tatsache, dass elf der ursprünglich dreiundzwanzig Vertragsparteien des GATT 1947 nach heutigem Verständnis als Entwicklungsland einzustufen wären, wurden ihnen zu Beginn keine Sonderrechte eingeräumt.
Vielmehr galt das Prinzip der Gleichbehandlung, Rechte und Pflichten gleichermaßen für alle Vertragsparteien. Im Jahre 1948 wurde jedoch Art. XVIII
dahingehend geändert, dass dieser nunmehr die Anwendung protektionistischer Maßnahmen mit dem Ziel einer Unterstützung einzelner Industrien
597 WTO Secretariat Note on Implementation of Special and Differential Treatment Provisions in WTO Agreements Decisions, WT/COMDT/W/77 v. 25.10.2000, S. 3.
197
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
oder Landwirtschaftszweige zuließ.598 Bis 1955 konnten sich sämtliche Vertragsparteien auf die Ausnahmevorschrift berufen, die den Eingang der besonderen und differenzierten Behandlung zur Förderung von Entwicklungszielen (SDT) in das GATT symbolisiert. Zugrunde lag die Idee, dass weniger entwickelte Staaten lediglich Zeit brauchten, um aufzuholen und sich zu
industrialisieren, um dann besser in das Handelssystem integriert werden zu
können.599 Nach einer weiteren Revision des Artikels in den Jahren
1954/1955 stand die wirtschaftliche Entwicklung durch Unterstützung seitens der Regierung im Vordergrund. Dies hatte zur Folge, dass sich nunmehr
ausschließlich Entwicklungsländer von Verpflichtungen lossagen konnten,
indem sie sich auf die Regelungen der Abschnitte A, B und C des Artikels
beriefen.600 Das Prinzip des SDT im GATT erfuhr eine Ausweitung durch
die Regelung zur Anwendung von Ausfuhrsubventionen (Art. XVI Abs. 4)
und eine weitere Regelung, die größere Flexibilität bei der Anwendung von
Schutzzöllen zulässt. Mit Abschluss der Kennedy-Runde im Jahre 1964
wurde der Teil IV, „Handel und Entwicklung“, dem GATT beigefügt. Mit
dem Ziel, bei der Umsetzung der GATT-Regeln die Entwicklungsinteressen
durch mehr Flexibilität zu wahren, wurden drei Artikel verfasst, denen das
Prinzip der differenzierten und bevorzugten Behandlung zugrunde liegt.601
Diese beinhalten jedoch hauptsächlich Richtlinien, welche die Verhandlungen letztendlich nicht zum Vorteil der Entwicklungsländer beeinflussten oder konkrete Taten zur Folge hatten.602 Die daraus resultierende Unzufriedenheit auf Seiten der Entwicklungsländer führte 1964 zu einem ersten Treffen der UNCTAD603 und der Gründung der Gruppe 77, die sich als Motor
für die Durchsetzung der Interessen der Entwicklungsländer verstand. Unter
Schirmherrschaft der UNCTAD wurde im Jahre 1968 das Allgemeine Präferenzsystem eingeführt. Zwischen 1966 und 1971 wurden in drei Fällen Aus-
598 for the purpose of “economic development and reconstruction”.
599 Pangestu, SDT in the Millennium, in: World Economy 2000, S. 1286.
600 Entwicklungsland war danach eine Volkswirtschaft, die durch einen niedrigen Lebensstandard geprägt ist und die sich in einem frühen Entwicklungsstadium befindet.
601 Differential and more favourable treatment. Dies beinhaltet einen nicht auf Gegenseitigkeit beruhenden bevorzugten Marktzugang für Produkte an denen die Entwicklungsländer ein besonderes Ausfuhrinteresse haben (Art. XXXVI GATT), die Beachtung von Auswirkungen verschiedener durch die entwickelten Staaten angewandter
Handelsinstrumente auf die Entwicklungsländer (Art. XXXVII GATT) und ein gemeinsames Vorgehen im Wege internationaler Übereinkünfte zur Verbesserung des
Marktzugangs für Produkte, die im Interesse der Entwicklungsländer stehen (Art.
XXXVIII GATT).
602 Pangestu, SDT in the Millenium, in: World Economy 2000, S. 1288.
603 Konferenz für Handel und Entwicklung der Vereinten Nationen
198
4. Prinzipen des WTO-Rechts
nahmen von der Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. I GATT bewilligt
und den entwickelten Staaten die Beibehaltung des Allgemeinen Präferenzsystems zugestanden. Auch die zu der Zeit eingeführte Beitrittsklausel des
Art. XXVI GATT ist dem System des SDT zuzurechnen. Diese ermöglichte
den Entwicklungsländern einen Beitritt zum GATT ohne die Bindung ihrer
Zollsätze. Mit der Tokio-Runde, die 1979 endete, kam es zur Einführung der
„Enabling Clause“. Die Klausel führte eine zweite Rechtfertigung für SDT
auf dem Gebiet spezieller Marktzugangsrechte formell in das GATT ein.604
Erstmals wurde eine spezielle Behandlung von LDCs605 vorgesehen, die das
zweigliedrige Entwicklungslandkonzept – die Differenzierung zwischen
weniger und am wenigsten entwickelter Länder – begründete.
Trotz der Einführung der SDT-Bestimmungen nahm die Beteiligung der
Entwicklungsländer im multilateralen Handelssystem nicht zu. Während der
Kennedy-Runde waren 28 der GATT-Vertragsparteien Entwicklungsländer,
in der Tokio-Runde waren es 43.606 Nur wenige beteiligten sich an den verschiedenen, im Rahmen der Tokio-Runde ausgehandelten Übereinkommen,
die auch SDT-Bestimmungen enthielten. Sinn und Zweck der SDTBestimmungen war es, den Entwicklungsländern Zeit zum Aufbau ihrer Industrien zu geben und ihnen Marktzugang zu verschaffen. Die Effektivität
der Bestimmungen und die Importsubventionspolitik zum Schutze der im
Aufbau befindlichen Industrien wurde bezweifelt. Den größten Nutzen zogen die Entwicklungsländer daher aus dem Allgemeinen Präferenzsystem
und dem speziellen Programm für ACP-Staaten. Statt eine zunehmende Integration in das multilaterale Handelssystem zu erreichen, führten die SDTBestimmungen letztlich zu einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der sich
hinter protektionistischen Zöllen entwickelnden Industrien.607
b)
Die veränderte Wahrnehmung von Bestimmungen zur besonderen und differenzierten Behandlung
Bis zur Uruguay-Runde agierten die Entwicklungsländer als Block, wobei
eine Ausweitung der Bestimmungen über die besondere und differenzierte
Behandlung (SDT) im Vordergrund stand. Mit Beginn der neuen Verhandlungsrunde begann jedoch die Erosion der einheitlichen Interessenvertretung. Die Gründe dafür waren unterschiedlich. Zum einen wurde die Strate-
604 Pangestu, SDT in the Millenium, in: World Economy 2000, S. 1289.
605 Gegenwärtig verwendet die WTO das UN-System zur Klassifizierung von LDCs.
Danach gibt es zur Zeit 48 LDCs, von denen 29 Mitglied der WTO sind.
606 Michalopolous, Trade and Development in the GATT and WTO: The Role of SDT,
2000.
607 Pangestu, SDT in the Millenium, in: World Economy 2000, S. 1989.
199
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
gie, die auf Importsubventionierung und dem Schutze der im Aufbau befindlicher Industrien basierte, aufgrund ihrer augenscheinlichen Ineffektivität
überdacht. In der Folge begannen viele Entwicklungsländer in den späten
70er und 80er Jahren mit der Liberalisierung ihrer Handelsregime und verfolgten eine ausfuhrorientierte Industrialisierung. Während einige Reformen
mit Hilfe von Strukturausgleichskrediten der Weltbank initiiert wurden, war
auch ein Wechsel in der Entwicklungspolitik vieler Staaten zu beobachten,
die auf eine Anpassung an veränderte auswärtige und inländische Umstände
gerichtet war. Die Liberalisierung von Handelsrestriktionen war demnach
nicht das Ergebnis multilateraler Zugeständnisse, sondern vielmehr Resultat
unilateraler Initiativen. Andere Entwicklungsländer, aber, behielten Ausfuhrsubventionen bei und wiederum andere blieben von Rohstoffexporten abhängig. Dies hatte zur Folge, dass die nun exportorientierten Staaten eine
Ausweitung ihrer Märkte im Wege einer unbedingten Meistbegünstigung
vornehmlich auf den für sie interessanten Sektoren verfolgten.608 Neben der
in vorherigen Runden verhandelten Reduzierung der Einführzölle für Fertigprodukte und dem Allgemeinen Präferenzsystem sahen diese Vertragsparteien den Marktzugang ihrer Produkte von einer Reihe anderer Faktoren beeinflusst. Freiwillige Selbstbeschränkungen, die zunehmende Anwendung
von Antidumping- und Ausgleichszöllen, vergleichsweise höhere Zölle auf
Produkte, an denen Entwicklungsländer ein besonderes Interesse haben, eine
Ausuferung von Zöllen, die Zunahme mengenmäßiger Beschränkung bei
Textilien und Bekleidung unter dem Multifaserabkommen und die schwindende Effektivität der Bestimmungen über den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten, standen im Vordergrund.609 Das Allgemeine Präferenzsystem erlitt Effektivitätseinbußen, da einerseits die Zölle in mehreren aufeinanderfolgenden Verhandlungsrunden reduziert wurden, was wiederum den
Grad an Bevorzugung schmälerte, und Sektoren von besonderer Bedeutung
für Entwicklungsländer wie etwa Textilien, nicht mehr davon erfasst waren.
Die Verknüpfung der Präferenzen mit dem Grad der Entwicklung und die
damit verbundene Graduierung von Staaten mit höheren Einkommen machten weitere Vorteile zunichte. Die Gewährung von Präferenzen unter dem
Allgemeinen Präferenzsystem wurde zunehmend von nichtökonomischen
Faktoren wie der Achtung der Menschenrechte oder Arbeitsschutzstandards
in den betreffenden Entwicklungsländern abhängig gemacht.610 Die Einsicht
608 Dazu zählten Landwirtschaftliche Produkte, Textilien und Bekleidung, welche beide
nicht unter den Anwendungsbereich des GATT fielen. Pangestu, SDT in the Millenium, in: World Economy 2000, S. 1290.
609 Gibbs, SDT and Globalisation, 1998.
610 Pangestu, SDT in the Millenium, in: World Economy, 2000, S. 1291.
200
4. Prinzipen des WTO-Rechts
einiger Entwicklungsländer, dass die Liberalisierung der eigenen Märkte
entscheidend für die nunmehr verfolgte exportorientierte Handelspolitik ist,
hatte eine erhöhte Beteiligung dieser Staaten auf Welthandelsebene zur Folge. Einige sahen die bis dahin geltenden SDT-Bestimmungen als „ideologische Last“ der Vergangenheit an, die nicht länger von Nöten seien und deren
Abschaffung Voraussetzung dafür sei, Wettbewerbsfähigkeit zu erlangen
und zu erhalten.611 Unter diesen Bedingungen und mit dem Betritt einiger
südamerikanischer Staaten zum GATT, wurde die Uruguay-Runde 1986
eingeläutet. Anders als in vorherigen Runden bestanden die Entwicklungsländer nicht auf das Nicht-Reziprozitätsprinzip und nahmen aktiv an den
Verhandlungen teil. Ziel war es, das SDT abzuschwächen und dafür im Gegenzug einen besseren Marktzugang zu erreichen und die Bestimmungen zu
festigen.612 Trotz dieser Schwächung des Prinzips in dem aus der UruguayRunde hervorgegangen WTO-Übereinkommen, ist es dennoch zentrales Element des Rechtssystems geblieben, was durch den Eingang in jedes der
Zusatzübereinkommen belegt wird.
c)
Die Durchsetzbarkeit der Bestimmungen
Bei der überwiegenden Zahl der SDT-Bestimmungen handelt es sich um
Absichtserklärungen oder allenfalls um Verpflichtungen der entwickelten
Mitglieder zu „bestmöglichen Anstrengungen“. Ein in diesem Zusammenhang oft zitiertes Beispiel bildet Art. XXXVII GATT. In dessen Absatz 1 S.
1 heißt es: „Die entwickelten Vertragsparteien wenden, soweit irgend möglich, (…) die folgenden Bestimmungen an:“.613 Unklare Formulierungen wie
„soll durch spezielle verhandelte Zugeständnisse erleichtert werden“, „die
besonderen Bedürfnisse der Entwicklungsländer sollen berücksichtigt werden“, „einigen sich darauf (…) zu erleichtern“ und „eine wohlwollende Betrachtung“ machen deutlich, dass es sich bei den Bestimmungen um soft law
handelt.614 Gleiches gilt für die Bestimmungen, in denen sich die Mitglieder
611 Gibbs, SDT and Globalisation, 1998.
612 Michalopoulos, WPS 2388, S.14.
613 „The developed contracting parties shall to the fullest extent possible … accord high
priority to …“.
614 Zum soft law im Völkerrecht siehe: Dupuy, Soft Law and the International Law of
the Environment, in: Mich. JoIL 1991, S. 420 ff. Zum soft law-Charakter der Normen
über die besondere und differenzierte Behandlung von Entwicklungsland-Mitgliedern
siehe Jackson, The World Trading System, S. 319; Kessie, Enforceability of the Legal Provisions Relating to SDT, in: JoWIP 2000, S. 955 ff. anders aber die Resolution
des Institut de Droit International, welche auf einen Bericht von Prof. Michel Virally
zurückgeht, wonach soft law „nichtsdestotrotz Recht darstellt und der Verstoß dagegen die selben rechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen müsse wie jede andere
201
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
zu technischer Unterstützung verpflichten. So haben sie bspw. die „ihnen
zur Verfügung stehenden geeigneten Maßnahmen“ zur Unterstützung der
Entwicklungsland-Mitglieder zu treffen oder „technische Unterstützung zu
gegenseitig vereinbarten Modalitäten und Bedingungen“ zu gewähren.615
Dass diese weichen Formulierungen einer effektiven Rechtsdurchsetzung
entgegenstehen, ist offensichtlich. Zwar haben Panel und der Appellate Body in der Vergangenheit generell vertreten, dass, auch wenn sie von einem
Mitglied nicht die Einhaltung nichtobligatorischer Vorschriften616 fordern
können, sie die ‚best endeavour‘-Bestimmungen bei der Urteilsfindung und
den Empfehlungen berücksichtigen und die Länder dazu auffordern können,
bestmögliche Anstrengungen zu unternehmen. Weiter geht die Kompetenz
der Streitschlichtungsgremien jedoch nicht. Insbesondere ist anzunehmen,
dass die Einschätzung darüber, ob die bestmöglichen Anstrengungen unternommen wurden, den Mitgliedern vorbehalten bleibt. Rechtlich effektiv
durchsetzbar sind diese Bestimmungen nicht. Geht es um technische Hilfe
und Capacity Building, bleiben die weniger und am wenigsten entwickelten
Mitglieder auf das Wohlwollen der übrigen Mitglieder angewiesen.
4.5.3. Kritik an den bestehenden Bestimmungen
Die mangelnde Durchsetzbarkeit der Bestimmungen zur besonderen und
differenzierten Behandlung ist immer wieder Thema der Verhandlungen –
auch im Zusammenhang mit Trade Facilitation. Die bisherigen Entwicklungen innerhalb der WTO haben klar die Vorbehalte der weniger und am wenigsten entwickelten Mitglieder im Bezug auf neue WTO-Verpflichtungen
erkennen lassen. Nicht ohne Grund einigte man sich in Doha auf ein Mandat, das die Frage der Integration der wirtschaftlich schwächeren Mitglieder
in das Welthandelssystem in den Vordergrund rückt. Damit es in der neuen
Welthandelsrunde zu einem Konsens der Mitglieder kommen kann, ist es
Voraussetzung, dass die Belange Entwicklungsländer und LDCs angemessen berücksichtigt werden.
rechtliche Verpflichtung. Soft law und rein politische Zugeständnisse unterliegen danach dem generellen Gebot von Treu und Glauben, nach denen Subjekte im Völkerrecht zu handeln haben und ihre Einbeziehung in ein völkerrechtliches Dokument
hängt vom Willen der Parteien ab.“ Siehe: http://www.idiiil.org/idiE/resolutionsE/1983_camb_02_en.PDF.
615 So etwa in Art. 11 TBT oder Art. 9 SPS.
616 EC – Refunds on Exports of Sugar, complaint by Brazil, BISD 27S/69; EECRestrictions on Imports of Apples – Complaint by Chile, 27S/98.
202
4. Prinzipen des WTO-Rechts
a)
Ineffizienz mangels „harter“ Bestimmungen
Für einige Stimmen in der Literatur stellt die Tatsache, dass es sich bei den
Bestimmungen zur besonderen und differenzierten Behandlung größtenteils
um soft law handelt, prima facie eine verfahrensrechtliche Diskriminierung
dar. Aufgrund des rechtlich nicht verpflichtenden Charakters der Bestimmungen bleibe ihnen der Zugang zum WTO-Streitbeilegungsmechanismus
verschlossen, und es entstünde eine im Verhältnis zu den entwickelten Mitgliedern nachteilige Position, die nahezu alle der aus den präferentiellen und
nicht-reziproken Handelsabsprachen resultierenden möglichen Vorteile zunichte mache.617 Der unverbindliche Charakter möge, so die Kritiker, unter
dem GATT à la carte bis zu einem gewissen Grad noch gerechtfertigt gewesen sein. Unter dem neuen, auf Rechtsnormen beruhenden Systems, in dem
Rechte und Pflichten im Wege des Streitbeilegungsmechanismus durchsetzbar sind und welches Effektivität, Rechtssicherheit und Sicherheit zum Ziel
hat, könne dies keinen Bestand haben.618 Wurden den Entwicklungsländern
zu Zeiten des Kalten Krieges vorübergehende Ausnahmen von der Meistbegünstigungsverpflichtung nur im Rahmen einer Ermessensentscheidung zugebilligt,619 und hatte die Eskalation des Nord-Süd Konflikts in der Zeit
nach dem Zweiten Weltkrieg eine Kontrolle der Begünstigungen aus Sicht
der entwickelten Staaten notwendig gemacht, so spielten diese Erwägungen
heute keine Rolle mehr. In der heutigen Zeit gäbe es keine triftigen Gründe
mehr für eine Beibehaltung der soft law-Bestimmungen im gegenwärtigen
„harten“ Rechtssystem.620 Das Überleben des Systems könne heutzutage nur
gewährleistet werden, wenn der Überbrückung der wachsenden Schneise
zwischen armen und reichen Mitgliedern Priorität zukomme. Die „lockeren
Zugeständnisse“ in Bezug auf die besondere und differenzierte Behandlung
der Entwicklungsländer müssten, wie die zahlreichen Verpflichtungen innerhalb des Systems, zu vollständig bindenden und durchsetzbaren Regelungen aufgewertet werden.621 Anderenfalls würde die rechtliche Ungleich617 Olivares, The Case for Giving Effectiveness to GATT/WTO Rules in Developing
Countries and LCDs, in: JoWT 2001, S. 545 ff.
618 ebenda, S. 548.
619 Unter dem APS konnte jedes Industrieland die begünstigten Staaten, die erfassten
Waren und den Anwendungszeitraum der Präferenzen bestimmen.
620 Olivares, The Case for Giving Effectiveness to GATT/WTO Rules in Developing
Countries and LCDs, in: JoWT 2001, S. 549.
621 In der Vorbereitungsphase der Ministerkonferenz von Seattle haben Cuba, die Dominikanische Republik, Ägypten, El Salvador, Honduras, Indien, Indonesien, Malaysia,
Pakistan, Sri Lanka und Uganda vorgeschlagen, dass „alle Bestimmungen zur besonderen und differenzierten Behandlung von Entwicklungsländern in konkrete Verpflichtungen“ konvertiert werden sollten, siehe WT/GC/W/354 v. 11.10.1999, S. 5.
203
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
heit zwischen ohnehin materiell schon ungleichen Subjekten eines einheitlichen Rechtssystems noch verstärkt.622
Hingewiesen wird zudem auf die vielfache Nichtbeachtung der „best endeavours“, wie beispielsweise im Übereinkommen über Textilwaren und Bekleidung, wonach Industriestaaten den LDCs bei mengenmäßigen Beschränkungen höhere Steigerungsraten gewähren sollen,623 die Nichtbeachtung der besonderen Situation von Entwicklungsländern und vor allem
LDCs bei der Anwendung von SPS, TBT624 und Anti-Dumping-Maßnahmen. Selbst für den Fall, dass ein Entwicklungsland die Schädigung seiner
Handelsinteressen nachweisen kann, stehen diesem keinerlei Mittel zur
Schaffung von Abhilfe zur Verfügung.625
b)
Mängel des Allgemeinen Präferenzsystems
Auch das Allgemeine Präferenzsystem wird in verschiedener Hinsicht kritisiert. Zum einen seien vielfach gerade die Waren, an denen Entwicklungsländer ein besonderes Ausfuhrinteresse haben, wie Textilwaren und Bekleidung, vom Allgemeinen Präferenzsystem ausgenommen. Auch die Schemen, die bindende Höchstquoten für einige Produkte vorsehen, produkt- und
sektorbezogene Beschränkungen, die Herkunftslandbestimmungen, die
Aufwertung (Graduation) von Staaten und die Verknüpfung von Präferenzen
mit handelsfremden Zielen wie der Gewährung von Menschenrechten und
Arbeitsstandards, stehen in der Kritik.626 Einige Stimmen sind der Auffassung, dass die Gewährung eines präferentiellen Marktzugangs für einige
Industriestaaten eine Alternative zur Liberalisierung ihrer Märkte darstelle,
622
623
624
625
626
204
Darüber hinaus hat Kenia vorgeschlagen, Bestimmungen zur besonderen und differenzierten Behandlung zu einer „ständigen Einrichtung“ („permanent feature“) zu
machen und Cuba befürwortete die Einrichtung einer Institution, welche die effektive
Umsetzung der Bestimmungen vorantreibe und sichere, siehe: WT/GC/W/233 v.
5.07.1999 S. 6 und WT/GC/W/388 v. 15.11.1999, S. 2.
Olivares, The Case for Giving Effectiveness to GATT/WTO Rules in Developing
Countries and LCDs, in: JoWT 2001, S. 549.
Art. 1 Abs. 2 Übereinkommen über Textilwaren und Bekleidung, Fn. 1.
So „schenken die Mitglieder“ gemäß Art. 12 Abs. 2 TBT „den Bestimmungen dieses
Übereinkommens (des TBT – Anm. d.Verf.) betreffend die Rechte und Pflichten der
Entwicklungsland-Mitglieder besondere Aufmerksamkeit und ziehen bei der Durchführung dieses Übereinkommens auf innerstaatlicher Ebene wie auch bei der Handhabung der institutionellen Vereinbarungen dieses Übereinkommens die besonderen
Entwicklungs-, Finanz- und Handelsbedürfnisse der Entwicklungsland-Mitglieder in
Betracht.“
Pangestu, SDT in the Millenium, in: World Economy 2000, S. 1294.
Siehe dazu den Bericht des WTO-Sekretariats im Rahmen des TPRM zur Handelspolitik der EG aus dem Jahre 2000, WT/TPR/S/136 und 136 Corr.1.
4. Prinzipen des WTO-Rechts
welche der Beschwichtigung der Entwicklungsländern diene, ohne dass diese daraus einen wirklichen Nutzen zögen.627 In der Literatur wird daher vielfach die Abschaffung des Allgemeinen Präferenzsystems befürwortet. Mehr
Erfolg verspricht man sich stattdessen von einer vollständigen und gleichberechtigten Beteiligung der Entwicklungsländer an der Errichtung eines liberalen Welthandelssystems, die die Forderung nach einem offenen Marktzugang für ihre Produkte rechtfertigt.628
c)
Umsetzungsprobleme der Entwicklungsländer
Verschiedene Stimmen bemängeln die Integration der SDT-Bestimmungen
in die Welthandelsordnung. Die Tatsache, dass die Bestimmungen ad hoc
und in einen späten Verhandlungsstadium eingebracht wurden, habe einen
Konsens über die Handelsbedürfnisse der weniger entwickelten Staaten und
die Berücksichtigung der mangelhaften Umsetzungskapazitäten einzelner
Staaten verhindert.629 Schon kurz nach Beginn der Implementierung des Uruguay-Übereinkommens fingen Entwicklungsländer an, sich über Probleme
bei der Umsetzung der getroffenen Regelungen zu beklagen, die gemeinhin
als „Implementation Issues“ bezeichnet werden. Bereits vor Fristablauf
wurden die Umsetzungsfristen, bspw. fünf Jahre für die Umsetzung des
TRIPS oder des Zollwertkodexes, mit Blick auf die dafür erforderlichen
Mittel als unrealistisch bewertet.630 Sie seien vielfach zu kurz, willkürlich
gewählt und orientierten sich nicht an den Entwicklungsbedürfnissen der
Mitglieder. In Seattle sollte sich damit befasst werden, zu einem Ergebnis
gelangte man jedoch nicht. In Doha kam es dann zur Unterzeichnung der
„Erklärung über implementierungsbezogene Fragen und Bedenken“631, die
sich in 14 Punkten mit Problemen bei der Umsetzung verschiedener Übereinkommen befasst.632 Von Vertretern der Entwicklungsländer wird die Ent-
627 Pangestu, SDT in the Millenium, in: World Economy 2000, S. 1295.
628 Srinivasan, Developing Countries in the Multilateral Trading System after Doha,
2002, S. 29.
629 Whalley, S&DT in the Millenium Round, 1999; Gibbs, S&TD and Globalisation,
1998; Youssef, SDT for Developing Countries in the WTO, June 1999; Michalopoulos, Trade and Development in the GATT and WTO: The Role of SDT, 2000.
630 Pangestu, SDT in the Millenium, in: World Economy, S. 1293.
631 Decision on Implementation-related Issues and Concerns.
632 Probleme bestehen bei der Umsetzung des TBT, des SPS, der Übereinkommen über
Textilwaren und Bekleidung, über Handelsbezogene Investitionsmaßnahmen
(TRIMs), über Anti-Dumping, des Zollwertabkommens, der Übereinkommen über
Ursprungsregeln, über Subventionen, über Ausgleichsmaßnahmen und bei der Umsetzung des TRIPS.
205
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
scheidung jedoch als leere Versprechungen angesehen.633 Dennoch bringt sie
einen deutlichen Wandel in der Sichtweise zum Ausdruck. Für Entwicklungsländer stehen nicht mehr der bevorzugte Marktzugang oder besondere
Schutzrechte im Vordergrund.634 Teilweise wird sogar eine Abschaffung all
jener SDT-Bestimmungen gefordert, die weniger entwickelten Staaten mehr
Flexibilität und weniger Disziplin erlauben. Diese seien nicht bloß ineffizient, vielmehr verlangsamten sie die notwendige Integration der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft.635 Die bereitgestellten finanziellen Mittel
für die Umsetzung seien unzureichend, ebenso wie die Kapazitäten des
WTO-Sekretariats bei der technischen Unterstützung. Praktischen Fragen
und Capacity Building werde keine hinreichende Bedeutung beigemessen,
und die Förderung der bedürftigen Staaten mit dem Ziel, diesen eine gestärkte Verhandlungsposition zu verschaffen, sei mangelhaft. Die im Rahmen technischer Hilfe vornehmlich abgehaltenen Seminare dienten hauptsächlich dazu, Bewusstsein zu schaffen. Auch wenn nicht alle soweit gehen,
so rücken die von den Entwicklungsländern angetroffenen Umsetzungsschwierigkeiten in das Blickfeld der Mitglieder. Einig sind sich die Autoren
darin, dass eine erfolgreiche Integration der Entwicklungsländer eine auf die
individuellen Bedürfnisse der Mitglieder abgestimmte Unterstützung voraussetzt. Diese sollte sich auf den Aufbau von Kapazitäten in Entwicklungsländern durch praktische Hilfe und beratende Missionen konzentrieren.
Staaten müssten vor Ort dabei unterstützt werden, Notifizierungen und Gesetze zu entwerfen und die verschiedenen WTO-Übereinkommen umzusetzen.636 Auch Übergangsfristen sollten systematisch von den verschiedenen
individuellen Bedürfnissen der Mitglieder abhängig gemacht und durch
Programme technischer Unterstützung komplettiert werden.637
633 „The package of implementation measures proposed for adoption at Doha is almost a
bare cupboard. Some major countries want to take away what little it contains – such
as the provision for ‘growth on growth’ in textiles”, so ein Vertreter Pakistans bereits
vor der offiziellen Abschlussprüfung der Erklärung von Doha.
634 Auch wenn den weniger entwickelten Staaten längere Übergangsfristen eingeräumt
und mehr Flexibilität zugestanden wurde, so sind diese im Großen und Ganzen dieselben Verpflichtungen wie die Industrienationen eingegangen.
635 Finger/Winters, What can the WTO do for Developing Countries?, S. 365 ff.
636 Youssef, SDT for Developing Countries in the WTO, 1999, III.3.2.
637 Finger/Winters, What can the WTO do for Developing Countries?, S. 365 ff.;
Michalopoulos, Trade and Development in the GATT and WTO: The Role of SDT,
2000 WTO.
206
4. Prinzipen des WTO-Rechts
d)
Fazit
Das Prinzip der besonderen und differenzierten Behandlung bildet einen
entscheidenden Pfeiler der WTO-Rechtsordnung. Solange wesentliche Unterschiede zwischen den Mitgliedern im Hinblick auf die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit bestehen, müssen diese bei der Umsetzung der eingegangenen Verpflichtungen berücksichtigt werden. Die derzeitigen Instrumente
zur Unterstützung der weniger leistungsfähigen Mitglieder begegnen jedoch
erheblichen Bedenken. Abgesehen davon, dass die meisten SDTBestimmungen entweder schon unverbindlich formuliert oder jedenfalls
praktisch nicht durchsetzbar sind, ist auch die Wirkung der Bestimmungen
umstritten, die den Entwicklungsland-Mitgliedern mehr Flexibilität oder
besondere Marktzugangsrechte einräumen. Ein Blick auf die Erfahrungen
mit der besonderen und differenzierten Behandlung lässt erhebliche Zweifel
an dem Allgemeinen Präferenzsystem und der in den frühen Jahren des
GATT verfolgten Entwicklungspolitik aufkommen. Eine Integration sollte
vielmehr im Wege der Gleichberechtigung (und gleichen Verpflichtungen)
der Entwicklungsländer erreicht werden. Die besondere und differenzierte
Behandlung von Entwicklungsländern dürfe in Zukunft nicht länger Mittel
eines anhaltenden Protektionismus sein, es müsse vielmehr zum Instrument
des Übergangs und des notwendigen Strukturwandels werden.
Für zukünftige Regelungen auf dem Gebiet von Trade Facilitation bedeutet
dies, dass der Grundsatz zwar Eingang finden muss, längere Umsetzungsfristen oder andere Bevorzugungen aber nur dort gerechtfertigt und sinnvoll
sind, wo die multilateralen Verpflichtungen aufgrund mangelnder Ressourcen nicht rechtzeitig umgesetzt werden können. Für die Umsetzung der
Nichtdiskriminierungsverpflichtung bei der Anwendung von Verfahren und
Förmlichkeiten gilt dies beispielsweise nicht. Eine zügige Umsetzung selbst
bei Verlängerung der Fristen für Entwicklungsländer lässt sich durch maßgeschneiderte, effektive technische Unterstützung und Capacity Building
erreichen. Sinnvoll wäre es, die Pflicht zur Umsetzung von der konkreten
Bereitstellung technischer Unterstützung seitens der Industriestaaten abhängig zu machen. Da Trade Facilitation auf nationaler Ebene bereits unabhängig von internationalen Verpflichtungen stattfindet und die Gefahr besteht,
dass Entwicklungsländer den Anschluss verpassen, muss auf eine effektive
Umsetzung der Bestimmungen durch alle Mitglieder besonderer Wert gelegt
werden. Zur Kontrolle der Erfolge bietet sich das Benchmarking an.
4.5.4. Programme zur Unterstützung der Entwicklungsländer
Die Bezeichnung als „Runde der Entwicklung“ macht deutlich, dass der Integration der weniger entwickelten Staaten in das multilaterale Handelssys-
207
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
tem in Zukunft Priorität einzuräumen ist. Ausweislich des Doha-Mandates
soll die neue Verhandlungsrunde die Teilnahme der Entwicklungsländer und
LDCs in der WTO und im Welthandel fördern. Durch den Aufbau von Verhandlungskapazitäten, Produktionskapazitäten und Umsetzungskapazitäten
soll dieses Ziel verwirklicht werden. Die bereits existierende finanzielle und
technische Hilfe soll ausgeweitet werden. Die Begrenzung finanzieller Mittel und Expertise innerhalb der WTO macht zur Umsetzung dieses weitreichenden Projekts eine Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen wie der Weltbank, der UNCTAD, UNDP und den regionalen Entwicklungsbanken erforderlich.638
a)
Der Aufbau von Kapazitäten – Capacity Building
Die mangelnden finanziellen und personellen Ressourcen der Entwicklungsländern haben in der Vergangenheit in vielen Fällen deren Interesse an den
Verhandlungen gedämpft. Daher sahen sie sich nach der Uruguay-Runde
scheinbar plötzlich mit einer Fülle von Verpflichtungen konfrontiert, zu deren Umsetzung sie nicht in der Lage waren. Dies führte dazu, dass diese
Mitglieder neuen Regelungen grundsätzlich mit Skepsis begegneten. Die
Entwicklungen der letzten Jahre zeigen deutlich ein wachsendes Interesse
der Öffentlichkeit an den Vorgängen in der Welthandelsorganisation. Eine
Vielzahl von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) vertreten mittlerweile
die vermeintlichen Interessen der Entwicklungsländer und LDCs und nehmen zunehmend indirekten Einfluss auf die Verhandlungen. Unter anderem
haben auch sie zum Scheitern der Konferenz von Seattle im Jahre 1999 beigetragen. Mit dem ergebnislosen Verlauf der Konferenz wurde deutlich, dass
die WTO nur dann ihre Legitimität wahren kann, wenn auch die weniger
und die am wenigsten entwickelten Mitglieder aktiv in die Verhandlungen
einbezogen werden. Andernfalls kommt der Eindruck auf, diese würden vor
vollendete Tatsachen gestellt.
Ziel des Capacity Building639 ist es, die Verhandlungskapazitäten der Staaten auszubauen, deren Vertreter in den Verhandlungen zahlenmäßig unterrepräsentiert sind. Im Wege von Ausbildungsprogrammen in Genf, aber
auch vor Ort in den bedürftigen Ländern, soll ihnen von Experten das nötige
Fachwissen vermittelt werden, damit sie in die Lage versetzt werden, ihre
Interessen und Prioritäten zu identifizieren und diese in späteren Verhand638 Dazu Mildner, Welthandel und Entwicklungsländer – Chancen der Doha-Runde für
die Dritte Welt?, Intern. Politik 2000, S. 29 ff; Technical Assistance and Capacity
Building on Trade Facilitation, Note by the Secretariat, TN/TF/W/5 v. 14.1.2005.
639 Siehe dazu ausführlich: Dicke, Capacity Building: Dicke, DGVN Policy Paper No.
20.
208
4. Prinzipen des WTO-Rechts
lungen durchzusetzen. Darüber hinaus sollen auch ihre Produktionskapazitäten ausgebaut werden. Da sie von einer Liberalisierung der Märkte nur dann
profitieren können, wenn die betreffenden Produkte auch selbst hergestellt
oder vermarktet werden können, sollen sie von Fachleuten dabei unterstützt
werden, ihre Produktionsstärken und -schwächen zu erkennen und Marktanalysen zur Nachfrage und zu einzuhaltenden Normen durchzuführen. Neben Vermarktungshilfen soll letztendlich eine Diversifizierung der Exporte
erzielt werden, um die Abhängigkeit der Staaten von Preisschwankungen zu
verringern. Der Ausbau der Umsetzungskapazitäten der Entwicklungsländer
ist ein weiterer Aspekt des Capacity Building. Bis heute bestehen Schwierigkeiten bei der Umsetzung der im Rahmen der Uruguay-Runde geschlossenen Abkommen. Auch hier gilt es, die Praktiker der Entwicklungsländer
über technische Möglichkeiten aufzuklären und ihnen Wege einer möglichst
bedürfnisorientierten Umsetzung aufzuzeigen.
b)
Technische Hilfe
Eine handelsbezogene technische Hilfe kann eine Reihe von Aktivitäten
beinhalten, von der Errichtung von Institutionen, über die Vermittlung von
Kenntnissen im Bereich der Handelsregeln und Handelsverfahren bis zur
Beratung in Marktzugangsfragen. Das bereits aufgezeigte Entwicklungspotential von Trade Facilitation verdeutlicht, dass Unterstützungsmaßnahmen
zur Erleichterung und Beschleunigung der Grenzverfahren einen besonderen
Nutzen bringen.
Die technische Hilfe der Vergangenheit hat diverse Kritik erfahren. So wird
vorgebracht, diese habe sich vielfach nach den Interessen der Staaten gerichtet, die im Internationalen Währungsfond und der Weltbank über die Mehrheit der Abstimmungsrechte verfügen.640 Werde die Hilfe von Industriestaaten auf bilateraler Ebene geleistet, so sei diese oftmals von eigenen ökonomischen Interessen geleitet, und es bestehe die Gefahr, dass die Geberländer
die im eigenen Land erfolgreich angewandten Politiken oder Verfahren unverändert auf die Empfängerstaaten übertrügen, ohne darauf zu achten, ob
sich diese, in Anbetracht der tatsächlichen Gegebenheiten, zur Anwendung
eignen. Im Kontext von Trade Facilitation, so Kritiker, sei eine solche Gefahr gerade dann besonders hoch, wenn die technische Hilfe während der
Verhandlungsphase von Staaten geleistet werde, die auf die Annahme von
Regelungen drängten, die von ihnen derzeit angewandte innovative Techni640 So Rege, Theory and Practice of Harmonization of Rules on Regional and Multilateral Bases: Its Relevance for World Trade Organization Work on Trade Facilitation,
JoWT 2002, S. 717; Solignac Lecomte, Binding Capacity to Trade, Discussion Paper
No. 33, ECDPM, Maastricht 2001.
209
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
ken beinhalten.641 Kritisch wird zudem die Praxis der Geberländer gesehen,
die Bereitstellung von technischer Hilfe auf private Beratungsfirmen zu übertragen. Sind die Verträge mit diesen Firmen geschlossen, so sind die Kontrollmöglichkeiten der Geberländer begrenzt. Oftmals hätten die Firmen ein
eigenes Interesse daran, die Reformprogramme derart zu gestalten, dass die
Fortführung ihrer Dienstleistung auch nach Einsetzung des Programms sichergestellt sei. In einigen Fällen hätten diese Unternehmen mit Unterstützung des jeweiligen Geberlandes die Regierungen der Entwicklungsländer
davon überzeugen können, ihnen Funktionen zu übertragen, die traditionell
von Regierungen durchgeführt werden. So habe beispielsweise Mosambik
die Verantwortung für die Erhebung von Zöllen und die Zollabfertigung von
Waren auf eine private Beratungsfirma übertragen.642 Die Folge sei, dass die
Mehrheit der Zollbeamten durch neue, von den Beratungsfirmen rekrutierte
Beamte ersetzt würden. Besonders bedauerlich sei, dass die Regierungen der
Entwicklungsländer fundamentale Politikwechsel vorzunehmen hätten, ohne
dass auf nationaler Ebene eine öffentliche Debatte darüber geführt werde, ob
dies wünschenswert oder angebracht sei.643
c)
Integrated Framework
Der jüngst ausgearbeitete umfassende globale Aktionsplan644 zur Integration
der LDCs in das multilaterale Handelssystem stellt eine der bedeutendsten
Kooperationsvorhaben der internationalen Gemeinschaft zur Bekämpfung
der Armut dar.645 Dieser wurde umgesetzt in Form des „Integrated Framework“, dessen Hauptziel es ist, den Nutzen, den LDCs aus der von den sechs
Stellen646 bereitgestellten handelsbezogenen technischen Unterstützung ziehen, zu maximieren. Ihnen soll dabei geholfen werden, auf die Nachfrage
641 Solignac Lecomte, Binding Capacity to Trade, Discussion Paper No. 33, ECDPM,
Maastricht 2001.
642 Siehe dazu: www.crownagents.co.uk.
643 Rege, Theory and Practice of Harmonization of Rules on Regional and Multilateral
Bases: Its Relevance for World Trade Organization Work on Trade Facilitation,
JoWT 2002, S. 718.
644 Plan of Action, ein Aktionsplan welcher die bedeutendsten internationalen Stellen,
Wirtschaftsorganisationen, Geber- und Empfängerländern im Wege von fundierten
Zugeständnissen zu Zusammenarbeit und Goodwill verpflichtet.
645 Olivares, The Case for Giving Effectiveness to GATT/WTO Rules in Developing
Countries and LCDs, in: JoWT 2001, S. 545.
646 WTO, UNCTAD, ITC (Internationales Handelszentrum), IWF, Weltbank und UNDP
(Entwicklungsprojekt der Vereinten Nationen).
210
4. Prinzipen des WTO-Rechts
des Marktes zu reagieren und ihre Integration in das multinationale Handelssystem zu beschleunigen.647
4.5.5. Besondere und differenzierte Behandlung und Trade Facilitation
Um dem Anspruch eines unfassenden Trade Facilitation-Abkommens gerecht zu werden, ist die aktive Beteiligung der Entwicklungsländer an den
Verhandlungen und die Berücksichtigung ihrer besonderen Bedürfnisse unentbehrlich. Wie diese besondere Behandlung allerdings auszusehen hat und
welchen Mitgliedern diese zukommen soll, gilt es zu konkretisieren. Da es
in der WTO derzeit keine Kriterien gibt, anhand derer der Entwicklungslandstatus eines Mitglieds festgestellt werden kann, müssen Indikatoren gefunden werden, um Differenzierungen zu rechtfertigen.648 In dieser Hinsicht
ist fraglich, wie das Mandat von Doha zu interpretieren ist, wenn es dem Rat
für den Warenhandel aufgibt, die besonderen Bedürfnisse und Prioritäten der
Mitglieder zu bestimmen. Soll diese Evaluierung jeweils individuell oder en
bloc vorgenommen werden?649 Zudem besteht bis zum heutigen Tage kein
647 WT/LDC/SWG/IF/1 vom 29. Juni 2000, S. 10.
648 Die unterschiedlichen Pro-Kopf-Einkommen haben in der Vergangenheit zu einem
dreigliedrigen Statuskonzept geführt, der Unterscheidung zwischen den entwickelten
Mitgliedern, den weniger entwickelten Mitgliedern und den am wenigsten entwickelten Mitgliedern. An diese werden jeweils unterschiedliche Anforderungen gestellt.
Ob weitere Unterteilungen sinnvoll sind, um den besonderen Bedürfnissen jedes einzelnen Mitglieds gerecht zu werden, ist jedoch umstritten. In Art. 8.2. lit. b iii) 1.
Spiegelstrich des Übereinkommens über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen
findet sich beispielsweise eine Bezugnahme auf das Pro-Kopf-Einkommen, welches
ein taugliches Differenzierungskriterium darstellen könnte. Danach sind Subventionen von solchen Staaten unanfechtbar, deren Pro-Kopf-Einkommen unter einer bestimmten Schwelle liegt. Forderungen, diese Schwelle anzuheben, etwa auf das Niveau, welches dem Pro-Kopf-Einkommen von „lower middle incomes“ (Terminus
der Weltbank) entspricht, wurden laut. Eine größere Flexibilität im Umgang mit Ausfuhrsubventionen hat allerdings den Nachteil einer Missallokation der kargen Mittel
und schmälert zudem das Budget. Trotzdem, so Pangestu (SDT in the Millenium, in:
World Economy 2000, S. 1297) sei die Anwendbarkeit von SDT auf Entwicklungsländer, die jedoch nicht den Status von LDCs innehaben, sinnvoll, soweit dies auf selektiver Basis geschieht. Pro-Kopf-Einkommen und der Ausfuhrmarktanteil könnten
Kriterien bilden. Weiterhin seien klare „graduation guidelines“ – also Richtlinien
nach denen ein Mitglied „hochgestuft“ wird – und sunset clauses (Ablauffristen) zur
Schaffung von Disziplin vonnöten.
649 Im Zusammenhang mit der Verlängerung von Umsetzungsfristen befürworten Industrienationen erstere, die weniger entwickelten Staaten hingegen letztere Methode. Gegen eine Einzelfallbeurteilung spreche die lange Dauer in Fällen, in denen viele Entwicklungsländer die Umsetzung haben verstreichen lassen, so wie bspw. beim
TRIPS, ebenso wie die Tatsache, dass dies auf bilaterale Verhandlungen hinauslaufen
211
Kapitel D: Bestehendes WTO-Recht mit Bezug zu Trade Facilitation
umfassendes, effizientes und koordiniertes Konzept für Capacity Building
auf internationaler Ebene. Ein solches gilt es in Zusammenarbeit der relevanten Organisationen zu erarbeiten.
Auf den ersten Blick erscheint ein Konzept, welches die Umsetzungsfristen
von den jeweiligen Bedürfnissen der Mitglieder abhängig macht, vielversprechend. Es trüge dazu bei, dass die Verpflichtungen umgesetzt werden,
sobald ein Mitglied dazu finanziell in der Lage ist. Die praktische Umsetzung allerdings dürfte schwierig werden. Neben der Frage, wie eine effektive Kontrolle erfolgen solle, dürfte ein solches Konzept zu Zersplitterung
und Transparenzeinbußen in der Welthandelsordnung führen. Sinnvoller
wäre es daher, den Entwicklungslandstatus an konkreten Kriterien, etwa
dem Pro-Kopf-Einkommen festzumachen und für diese Mitglieder, im Falle
ressourceintensiver Verpflichtungen, einheitlich längere Umsetzungsfristen
vorzusehen. Damit die Einhaltung der Fristen gewährleistet werden kann,
sollten in Zusammenarbeit mit den relevanten internationalen Organisationen konkrete Umsetzungsprogramme entwickelt werden. Diese Umsetzungsprogramme müssen auf die individuellen Bedürfnisse und Prioritäten
des jeweiligen Mitglieds abgestimmt sein und ihnen einzelfallbezogene Hilfe bieten. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass die Programme
eine Überwachung der Fortschritte zulassen und im Falle von Ineffizienz
Abhilfe schaffen. Ein Kontrollmechanismus könnte sich die Informationen
zunutze machen, die durch den TPRM aufbereitet werden.650 Erfüllt ein
Mitglied die multilateralen Verpflichtungen trotz umfassender bedürfnisorientierter Unterstützung nicht innerhalb der Umsetzungsfrist, so ist durchaus
vertretbar, dass die Einhaltung der Verpflichtungen im Wege der Streitbeilegung sichergestellt wird.
5. Ergebnis
Die bisher durchgeführten Untersuchungen machen deutlich, dass das derzeitige WTO-Recht bereits vielerorts Trade Facilitation-Aspekte abdeckt,
umfassende und transparente Regelungen, die die neusten wirtschaftlichen,
technischen und sozialen Entwicklungen berücksichtigen, jedoch nicht existieren. Angesichts der Tatsache, dass heute unter anderem noch Vorschriften
wird, in deren Prozess sie gezwungen wären, Zugeständnisse in anderen Bereichen
zu machen, um eine Verlängerung zu erreichen. So müsse zwischen einer Verzögerungstaktik und wirklichen Umsetzungsproblemen aufgrund von Ressource- und Kapazitätsdefiziten differenziert werden (Pangestu, SDT in the Millenium, in: World
Economy 2000, S. 1297).
650 Siehe dazu in diesem Kapitel Ziffer 4.2.2. d).
212
5. Ergebnis
aus dem Jahre 1947 maßgeblich sind, ist dies nicht gerade verwunderlich.
Einer Vielzahl von Entwicklungen wurde im Wege multilateraler Zusatzabkommen und anderer Instrumente begegnet, was jedoch zur Unübersichtlichkeit der Rechtsnormen beigetragen hat. Trotz Konkretisierung des Regelungsgehalts relevanter Bestimmungen im Wege der Streitbeilegung bestehen weiterhin Unsicherheiten. Dies liegt vor allem daran, dass die Berichte
der Panel und des Appellate Body zwar richtungsweisend sind, diese jedoch
nur eine Entscheidung im konkreten Fall treffen. Schon Gründe der Transparenz und der damit verbundenen Rechtssicherheit sprechen dafür, die Ergebnisse bisheriger Streitbeilegung zu kodifizieren.
Auch bestehen vielerorts zwar effektiv durchsetzbare Verpflichtungen, die
im Zusammenhang mit Trade Facilitation von Relevanz sind, und die gewährleisten, dass zumindest theoretisch ein Mindestmaß an Transparenz,
Gerechtigkeit und Rechtssicherheit im Welthandel existiert. Vielen tatsächlichen Handelshemmnissen, wie etwa die Fülle von Förmlichkeiten und Erfordernissen im Zoll, wird im bestehenden WTO-Recht kein Einhalt geboten. Geht es um den Einsatz moderner Techniken oder Verfahrensvereinfachungen, so ist es nach derzeitigem Recht den Mitgliedern überlassen, in
welchem Umfang sie von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen. Viele
Mitglieder haben auf nationaler und regionaler Ebene bereits Anstrengungen
unternommen, um den Außenhandel zu erleichtern und zu beschleunigen.
Um zu verhindern, dass Entwicklungsländer den Anschluss im Welthandel
aufgrund einer unzureichenden Handelsinfrastruktur verpassen, ist es jedoch
notwendig, multilaterale Verpflichtungen zu Zollreformen zu konstituieren.
Geschieht dies nicht, so droht eine vollständige Verlagerung der Handelsströme in die Staaten, die die besten Voraussetzungen für den Handel bereithalten.
Allgemein ist zudem anzumerken, dass sich Verstöße gegen derzeitige Trade
Facilitation-Verpflichtungen, wie Verstöße gegen andere GATT-Verpflichtungen auch, gegebenenfalls rechtfertigen lassen. Ob ein Rechtfertigungsgrund besteht ist im Einzelfall festzustellen. Da die Bestimmung des Schutzniveaus im Rahmen des Art. XX GATT dem jeweiligen Mitglied überlassen
bleibt, dürfte zu Zwecken der nationalen Sicherheit eine Vielzahl an sich
handelsbeschränkender Maßnahmen – wie etwa die 24h-Regelung der USA –
zulässig sein.
213
Kapitel E: „… drawing on the work of other
organisations …“ – Ergebnisse der Arbeiten in
anderen Organisationen
Effizienzerwägungen haben die Ministerkonferenz der WTO im Jahre 1996
dazu gebracht, die von anderen Organisationen auf dem Gebiet von Trade
Facilitation erzielten Ergebnisse in die Verhandlungen einzubeziehen. In
ihrer Erklärung nehmen die Minister ausdrücklich auf die Arbeit in anderen
Organisationen Bezug. Diese soll den Arbeiten in der WTO zugrundegelegt
werden.651 Dadurch wird Doppelarbeit vermieden und andernorts erarbeitete
Empfehlungen und Instrumente werden im Gegenzug gestärkt, da ihre Annahme und Anwendung bisher zumeist im Belieben der einzelnen Staaten
steht. Durch eine Integration in das WTO-Recht gewinnen diese an Bedeutung und internationaler Beachtung. Werden die zukünftigen WTOBestimmungen zudem dem Streitbeilegungsverfahren unterstellt, so ließe
sich eine Befolgung der andernorts geschaffenen Instrumente auch international durchsetzen.
1. Die World Customs Organisation (WCO)
Angesichts der Tatsache, dass die Geschwindigkeit und die Kosten im Welthandel zum Großteil von der Effizienz der Zollbehörden abhängig sind, bildet die Reform der Zollverfahren den Schwerpunkt in der Diskussion über
Trade Facilitation. Die World Customs Organisation (WCO),652 eine unabhängige zwischenstaatliche Organisation, der 166 Zollverwaltungen weltweit angehören, hat hier eine Vorreiterrolle übernommen. Die Präambel ihres Gründungsabkommens erteilt dem Rat den Auftrag, die Harmonisierung
der unterschiedlichen nationalen Zollsysteme zu fördern. Zu diesem Zweck
hat er internationale zollrechtliche Abkommen auszuarbeiten und Empfeh-
651 „to undertake exploratory and analytical work, drawing on the work of other relevant organisations, on the simplification of trade procedures in order to assess the
scope for WTO rules in this area“.
652 Im Deutschen als Weltzollorganisation bezeichnet, Nachfolgeorganisation des Rates
für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens (RZZ), auch Brüsseler Zollrat). Dieser wurde am 15.12.1950 durch das Abkommen über die Gründung eines Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens zwischen 17 Staaten gegründet. Mit der Institutionalisierung des GATT wurde der Brüsseler Zollrat zur
WCO. Amtssprachen sind Englisch und Französisch. Die WCO-Mitglieder repräsentieren 98% des Welthandels.
215
Kapitel E: „… drawing on the work of other organisations …“ – Ergebnisse der Arbeiten in
anderen Organisationen
lungen zu deren Annahme, zur einheitlichen Auslegung und deren Anwendung auszusprechen, Art. III c) und d) des Gründungsabkommens.
Der WCO sind fundamentale Instrumentarien auf den vier klassischen Gebieten des Zollrechts – Zollwert, Nomenklatur, Zolltechnik und Schmuggelbekämpfung – zu verdanken. Das entwickelte Zolltarifschema ist mittlerweile durch das am 1.1.1988 in Kraft getretene Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (HS) überholt.653
1.1.
Bedeutende Errungenschaften
Der WCO sind verschiedene internationale Übereinkommen zu verdanken.
Im Zusammenhang mit Trade Facilitation ist insbesondere die KyotoKonvention über die Vereinfachung und Harmonisierung der Zollverfahren654 vom 18.05.1973 zu nennen. In ihrer revidierten Fassung vom
26.06.1999655 enthält sie modernste Regelungen für vereinfachte, harmonisierte und standardisierte Zollverfahren. Bevor auf diese näher eingegangen
wird, erfolgt ein kurzer Überblick über weitere bedeutende Instrumente.
1.1.1. Das Internationale Abkommen über das Harmonisierte System
zur Bezeichnung und Codierung von Waren (HS-Ü)
Das Internationale Abkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung von Waren trat am 01.01.1988 in Kraft und löste das
bis dahin geltende Abkommen über das Zolltarifschema, auch Brüsseler
Nomenklatur656 genannt, welches am 15.12.1950 vom Brüsseler Rat verabschiedet wurde, ab. Ziel des neuen Systems ist ein universales Warencodesystem, welches den Bedürfnissen aller Beteiligten – Zollbehörden, Statistik
und Außenwirtschaft – gerecht wird. Im Jahre 1996 erfuhr es eine erste wesentlich Änderung. Neben einer Präambel und 20 Artikeln besteht es aus
einem Anhang, der die eigentliche Nomenklatur – das Harmonisierte System
zur Bezeichnung und Codierung von Waren – enthält. Unterschiede zum
Brüsseler Zolltarifschema werden bei der Codierung offensichtlich. Während das Zolltarifschema auf einem vierstelligen Code basiert, operiert das
HS mit einem sechsstelligen Code. Es weist 5019 Positionen und Unterposi653 Bleihauer, In: Witte/Wolffgang, Lehrbuch des Europäischen Zollrechts, Rn. 1380.
654 International Convention on the Simplification and Harmonisation of Customs Procedures; Convention Internationale pour la Simplification et l’Harmonisation des Regimes Douaniers; v. 18.05.1973 (Kyoto), in Kraft getreten am 25.09.1974.
655 im Rahmen der 93./94. Tagung der WCO in Brüssel verabschiedet; www.wco.org.
656 Die Brüsseler Nomenklatur bestand aus einer systematischen Liste von Gütern, die
nach dem Grundsatz vom Rohprodukt zum verarbeiteten Produkt aufsteigend angeordnet war.
216
1. Die World Customs Organisation (WCO)
tionen aus. Gemäß Art. 3 I a) des Übereinkommens ist jede Vertragspartei
verpflichtet, ihre Zolltarifnomenklatur und ihre Statistiknomenklatur mit
dem HS in Einklang zu bringen.
Im Verfahren European Communities – Customs Classification of Frozen
Boneless Chicken Cuts657 hat das Panel sich zur HS-Nomenklatur geäußert
und bemerkt, dass die Nomenklatur die Grundlage für die Ausarbeitung der
Listen für Agrarerzeugnisse der Uruguay Runde bildete. Zudem hatte der
Appellate Body bereits in dem Fall EC – Computer Equipment dargelegt,
dass das Panel die HS-Nomenklatur und die Explanatory Notes bei der Interpretation der Bedingungen der in Frage stehenden Liste hätte berücksichtigen müssen.658
1.1.2. Die Konvention über die vorübergehende Verwendung von Waren
Im Bereich der Zolltechnik ist die Konvention über die vorübergehende
Verwendung verschiedener Waren vom 26.07.1990,659 die Istanbul-Konvention, zu nennen. Sie stellt eine Modernisierung des ATA-Systems660 dar.
Die Istanbul-Konvention fasst 13 Übereinkommen zu einem einzigen Instrument zusammen und vereinfacht dadurch die Arbeit der Zollbehörden. In
den Anhängen der Konvention sind Regelungen zum Carnet-ATA und zum
Carnet-CDP,661 zur vorübergehenden Verwendung von Waren,662 zu Be-
657 DS269 (Complaint by Brazil) DS286 (Complaint by Thailand).
658 We believe … that a proper interpretation of [EC] Schedule LXXX should have included an examination of the Harmonized System and its Explanatory Notes. Appellate Body Report, EC – Computer Equipment, para. 89.
659 BGBl. II 1993, 2214 ff. vom 09.12.1993, Verordnung zu dem Übereinkommen vom
26.06.1990 über die vorübergehende Verwendung. Sie ist am 27.11.1993 in Kraft getreten.
660 Admission Temporaire – Temporary Admission.
661 Anhang A, der sich mit den internationalen Zolldokumenten, Carnet de Passage en
Douane (CPD) für die vorübergehende Einfuhr von Kraftfahrzeugen und Anhängern
und dem Carnet-ATA für die vorübergehende Einfuhr anderer Waren beschäftigt.
Beide Einfuhrcarnets müssen von den Vertragsparteien der Konvention akzeptiert
werden. Sie ersetzen damit nationale Zolldokumente für die Bezeichnung der zeitweise eingeführten Waren; stellen eine Sicherheit für die Bezahlung von Einfuhrabgaben und Steuern dar und bis zu der durch die Konvention festgelegten Höhe alle
anderen zu zahlenden Beträge, die durch eine nicht sachgemäße Wiederausfuhr der
Waren entstehen.
662 Anhang B.1. Dieser umfasst eine Vielzahl von Gütern, denen gemein ist, dass sie zu
Ausstellungszwecken oder anderen wirtschaftlichen oder anderen Zwecken eingeführt werden. Der Anhang erfasst zwei verschiedene Zollverfahren, die vorübergehende Einfuhr zum Zwecke der Wiederausfuhr und die Einfuhr unter Befreiung von
Abgaben und Steuern bestimmter, klar definierter Waren. Da letztere entweder kos-
217
Kapitel E: „… drawing on the work of other organisations …“ – Ergebnisse der Arbeiten in
anderen Organisationen
rufsausrüstung,663 und für Container, Verpackungen, Muster und ähnliche in
Zusammenhang mit einem Handelsgeschäft eingeführte Waren664 enthalten.
Darüber hinaus sind Waren erfasst, die im Zusammenhang mit einem Herstellungsprozess665 oder für pädagogische, wissenschaftliche oder kulturelle
Zwecke666 eingeführt werden, persönliche Gegenstände Reisender und Gegenstände für sportliche Zwecke.667 Weitere Regelungen bestehen für Werbematerialien der Tourismusindustrie,668 für Waren im Grenzverkehr,669 im-
663
664
665
666
667
668
669
218
tenlos in der Bevölkerung verteilt werden oder von dieser konsumiert werden, vernichtet oder bei der Veranstaltung verbraucht werden, muss eine Ausnahme zur Voraussetzung der Wiederausfuhr bestehen.
Anhang B.2. findet Anwendung auf jegliche Ausrüstung, die notwendig ist, um die
Berufung, das Geschäft oder den Beruf der Person, die zu diesem Zwecke ein anderes Land bereist, auszuführen.
Anhang B.3. Erfasst sind solche Güter, die zeitweise im Zusammenhang mit einem
Handelgeschäft eingeführt werden, nicht aber selbst Gegenstand des Handelsgeschäfts sind, wie Verpackungen, Container, Ersatzteile für zeitweise eingeführte Container, Paletten, Muster, Werbefilme etc. (eine abschließende Liste der Güter ist dem
Anhang angehängt).
Anhang B.4. erfasst solche Güter, die im Herstellungsprozess verwendet werden,
nicht aber die Güter, die selbst verarbeitet werden, wie Rohstoffe. Vielmehr geht es
um die zeitweise Einfuhr solcher Gegenstände anhand derer Waren hergestellt werden, also Matrix, Formen, Modelle u.ä., solche, die der Produktion dienen wie Mess-,
Kontroll- und Überprüfungsinstrumente ebenso wie spezielle Werkzeuge die bei der
Herstellung benötigt werden.
Anhang B.5. dient der Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der schulischen
Ausbildung oder der beruflichen Weiterbildung. Umfasst sind solche Güter, die allein
zur Lehre, wissenschaftlichen oder kulturellen Zwecken vorübergehend eingeführt
werden und die Ersatzteile, die der Erhaltung und Überprüfung derartiger Geräte dienen.
Anhang B.6. erfasst die Güter, neu oder gebraucht, die Reisende für ihren persönlichen Gebrauch benötigen. Zum anderen sind Sportgeräte und andere Ausrüstungsgegenstände, die ein Sportler während eines Wettkampfs, einer Demonstration oder eines Trainings benötigt. Der Begriff „Reisende“ ist für die Zwecke definiert als Tourist, Athlet, Geschäftsreisender, Delegierter eines Treffens einer internationalen Organisation, Student, etc.
Anhang B.7. soll den internationalen Tourismus fördern, in dem er die Verbreitung
von Prospekten und anderen Materialien erleichtert. Auf diese Weise soll die Bevölkerung zum Bereisen anderer Länder angeregt werden.
Anhang B.8. erleichtert die Lebensbedingungen von Menschen, die im Grenzgebiet
eines Landes wohnen und aus verschiedenen Gründen das Grenzgebiet des Nachbarstaates aufsuchen müssen.
1. Die World Customs Organisation (WCO)
portierte Waren für humanitäre Zwecke670 und für die vorübergehende Einfuhr von Transportmitteln, die für kommerzielle sowie private Zwecke eingesetzt werden.671 Ein weiterer Anhang enthält Bestimmungen zur zeitlich begrenzten Einfuhr von lebenden Tieren.672 Anhang E enthält eine Ausnahme
zur allgemeinen Regel der Istanbul-Konvention, dass die zeitlich begrenzte
Einfuhr generell von Einführzöllen und Besteuerung auszunehmen ist. Dieser
Anhang findet Anwendung auf all die vorübergehend eingeführten Waren, die
die notwendigen Voraussetzungen für die gänzliche Befreiung nicht erfüllen.
Da in diesen Fällen immer zumindest ein Teil der Einfuhrzölle oder Steuern
erhoben wird, sollen ähnliche Zolldokumente und Sicherheiten verlangt werden, wie diejenigen, die bei der Abfertigung für den freien Verkehr gefordert
werden. Eine Verpflichtung, das Carnet-ATA und das Carnet-CPD zu akzeptieren, besteht nicht.
1.1.3. Übereinkommen über gegenseitige Verwaltungshilfe
Zur Förderung der Schmuggelbekämpfung wurde das Übereinkommen über
die gegenseitige Verwaltungshilfe zur Verhinderung, Ermittlung und Verfolgung von Zollzuwiderhandlungen (Nairobi-Konvention) vom 09.06.1977
geschaffen. Es ist am 21.05.1980 in Kraft getreten und befasst sich mit
Amtshilfe durch die Zollverwaltung auf eigene Initiative und auf Ersuchen
anderer Vertragsstaaten. Auf Anfrage sollen die Zollverwaltungen Amtshilfe
bei der Berechnung der Ein- und Ausfuhrsteuern und Abgaben, bei Kontrollen
und bei der Überwachung leisten. Zusammenarbeit soll auch bei der Verfolgung von Zollverstößen stattfinden, etwa durch Informationsaustausch und
gezielte Ermittlungen im Inland. Geregelt ist zudem das Auftreten von Zollbeamten vor Gericht oder vor einem Tribunal im Ausland, die Präsenz von
Zollbeamten einer Vertragspartei im Staatsgebiet der anderen Vertragspartei,
Teilnahme an den Ermittlungen im Ausland, die gemeinsame Verwaltung von
Informationen und die Verwaltungshilfe bei Maßnahmen zur Bekämpfung des
Schmuggels von Betäubungsmitteln, Kunstgegenständen, Antiquitäten und
Kulturgütern.
670 Anhang B.9 erfasst die Einfuhr von Waren zu humanitären Zwecken (erleichterte
Einfuhr von dringend benötigten medizinischen und chirurgischen Gütern und Laborausrüstung, von Hilfslieferungen im Falle nationaler Katastrophen.
671 Anhang C (für kommerzielle, industrielle oder private Zwecke zu Land, zu Wasser
und in der Luft).
672 Anhang D. Dieser wurde in Anerkennung der verschiedenen Funktionen von Tieren
in der Gesellschaft geschaffen und lässt die vorübergehende Einfuhr lebender Tiere
und Arten zu den abschließend aufgeführten Zwecken zu.
219
Kapitel E: „… drawing on the work of other organisations …“ – Ergebnisse der Arbeiten in
anderen Organisationen
1.1.4. Die Erklärung zur Integrität im Zollbereich
Die Deklaration der Customs Cooperation Council zur Integrität im Zoll von
1993, bekannt unter der Bezeichnung Arusha-Deklaration, befasst sich mit
dem Problem der Korruption in der Zollverwaltung. Die Erklärung sieht,
ebenso wie neuere Instrumente der WCO, die Standardisierung von Zollverfahren und E-Commerce vor und strebt verbesserte Beziehungen zwischen
Zollagenturen und dem Zoll an.
1.2.
Empfehlungen der WCO
Um eine einheitliche Auslegung und Anwendung der von ihm ausgearbeiteten Abkommen sicherzustellen, obliegt es dem Rat der WCO, Empfehlungen auszusprechen. Diese Empfehlungen sind völkerrechtlich nicht rechtsverbindlich.673 Hat ein Mitgliedstaat allerdings eine Empfehlung angenommen, so muss deren Inhalt in nationales Recht umgesetzt werden. Die Wahl
der Mittel und der Form bleibt jedoch dem jeweilige Staat vorbehalten.674
Auf dem Gebiet der Zolltechnik ist zu unterscheiden zwischen Empfehlungen zur Zusammenarbeit der Zollverwaltungen (1), zu Zollbefreiungen,
Rückerstattungen und Zollerlass (2), Empfehlungen bezüglich Transport,
Reiseverkehr und Tourismus (3) und Empfehlungen für die Anwendung von
EDV im Zollbereich (4). Eine weitere Kategorie (5) bilden die sonstigen
Empfehlungen.675
1.3.
Die Kyoto-Konvention von 1973
Das Internationale Übereinkommen zur Vereinfachung und Harmonisierung
der Zollverfahren ist Ergebnis der Bemühungen der WCO, alle Aspekte der
Zolltechnik, die bis dahin in verschiedenen Einzelabkommen jeweils auf
Anfrage von Mitgliedstaaten oder anderen Internationalen Organisationen
zur Lösung besonders dringender Fälle geregelt wurden, in systematischer
Form zusammenzufassen. Es wurde am 18.05.1973 in Kyoto verabschiedet
und ist 1974 in Kraft getreten. Um eine Anpassung an die Entwicklungen
des internationalen Handels und der Zollverfahren zu gewährleisten, wurde
eine sehr flexible Ausgestaltung gewählt, die die stufenweise Anpassung der
nationalen Gesetze erleichtern soll.676 Die Kyoto-Konvention von 1973 besteht aus einer Grundkonvention und 30 Anhängen. Zu den ursprünglichen
673
674
675
676
220
Ipsen, Völkerrecht, § 18 Rn. 21.
Dorsch, Der Brüsseler Zollratt, in: ZfZ 1985, S. 324 f.
Siehe: www.wcoomd.org/ie/EN/Recommendations/recom_gene.html.
Handbuch zur Kyoto-Konvention, Volume I, „Hintergrund“ vor Text und Kommentierung der Grundkonvention, S. 2.
1. Die World Customs Organisation (WCO)
drei Anhängen677 kamen in der Zeit von 1973 bis 1980 weitere 27 Anhänge
hinzu. Diese sind unabhängig voneinander und bilden in Verbindung mit der
Grundkonvention jeweils ein eigenes Übereinkommen, Art. 8 der Grundkonvention 1973. Die Annahme ist folglich einzeln möglich. Gemäß Art. 11
IV der Grundkonvention von 1973 sind die Mitgliederstaaten jedoch verpflichtet, mindestens eine Anlage anzunehmen. Bedeutung besitzt die Konvention von 1973 heute noch für jene Staaten und Zollunionen, die nicht
Vertragspartei der revidierten Fassung von 1999 sind.
1.4.
Die Kyoto-Konvention von 1999 (revidierte Fassung)
Seit des Inkrafttretens der Kyoto-Konvention von 1973 haben der Zuwachs
internationaler Güter, die Entwicklungen der Informationstechnologie und
der harte Wettbewerb der Unternehmen, der auf qualitativ hochwertigen
Dienstleistungen und Kundenzufriedenheit basiert, immer wieder zu Konflikten mit traditionellen Zollmethoden und -verfahren geführt. Um einerseits diesen neuen Herausforderungen und andererseits den Unzulänglichkeiten der Kyoto-Konvention von 1973 zu begegnen, die daraus resultierten,
dass die Mitgliedstaaten lediglich zur Annahme eines Anhangs verpflichtet
waren, begann die internationale Gemeinschaft der Zollverwaltungen Mitte
der neunziger Jahre damit, die Konvention zu revidieren.678 Die am
26.06.1999 verabschiedete revidierte Fassung ist am 03.02.2006 in Kraft
getreten. Sie steht für moderne und effiziente Zollverfahren im 21. Jahrhundert und wird als Instrument zur Entwicklung von Zollverfahren weltweit
gesehen.
1.4.1. Konzeption der revidierten Fassung679
Die Besonderheit der Kyoto-Konvention von 1999 besteht in der, im Vergleich zur Vorgängerin, gänzlich neuen Struktur. Sie setzt sich zusammen
aus einer Grundkonvention, einer allgemeinen und mehreren speziellen Anlagen.680 Die aus 20 Artikeln bestehende Grundkonvention von 1999 (GK)
677 Jeweils ein Anhang über Zolllager, über die vorübergehende Einfuhr und über Drawback-Verfahren.
678 Handbuch zu Kyoto-Konvention, Volume I, „Hintergrund“ vor Text und Kommentierung der Grundkonvention, S. 3.
679 Sämtliche Fragen zur revidierten Fassung der Konvention lassen sich durch Lektüre
des Handbuchs zur Kyoto-Konvention, auf dem auch diese Untersuchungen basieren,
beantworten. Es existiert in den Amtsprachen der WCO, Englisch und Französich.
680 Darüber hinaus existieren detaillierte Kommentierungen und Richtlinien zur allgemeinen wie auch zur speziellen Anlage, ohne dass sie jedoch einen integralen Bestandteil des Übereinkommens bilden. Es gehen daher weder Rechte noch Pflichten
221
Kapitel E: „… drawing on the work of other organisations …“ – Ergebnisse der Arbeiten in
anderen Organisationen
stellt zunächst Definitionen auf, welche für das gesamte Übereinkommen
Geltung entfalten. Grundkonvention, die allgemeine Anlage und jede von
einer Vertragspartei angenommene spezielle Anlage stellen gemäß Art. 5 GK
ein einheitliches rechtliches Instrument dar.681 Gemäß Art. 12 Abs. 1 GK ist
die Allgemeine Anlage für jede Vertragspartei verbindlich. Im Gegensatz zu
früher übernimmt jede Vertragspartei mit Zustimmung zum Änderungsprotokoll gleichzeitig auch die Verpflichtungen aus den Anlagen I (GK 1999)
und II (Allgemeine Anlage) und hat diese zur Anwendung zu bringen.682 Die
revidierte Konvention kennt drei Regelungstypen, „Norm“, „Übergangsnorm“ und „Empfohlene Praktik.“683 Während sich die beiden erstgenannten
lediglich in ihrer Umsetzungsfrist unterscheiden – Normen sind in 36 Monaten, Übergangsnormen in 60 Monaten umzusetzen – weist die „Empfohlene
Praktik“ einen geringeren Verbindlichkeitsgrad auf. In der verbindlichen
Allgemeinen Anlage finden sich daher die Normen und Übergangsnormen,
deren Umsetzung in nationales Recht als notwendig angesehen wird, um
eine weltweite Vereinfachung und Harmonisierung von Zollverfahren zu
erreichen. Gemäß Art. 12 Absatz 2 Satz 1 können optional eine oder mehrere spezielle Anlagen oder lediglich bestimmte Kapitel der speziellen Anlagen angenommen werden. Jeder Vertragspartei steht es offen, gegen eine
empfohlene Praktik zum Zeitpunkt der Annahme oder danach, einen Vorbehalt einzulegen. Dementsprechend finden sich die empfohlenen Praktiken
auch nur in den speziellen Anlagen. Innerhalb von 36 Monaten nach Inkrafttreten der von den jeweiligen Vertragsparteien angenommenen speziellen
Anlagen oder Kapiteln sind auch die darin enthaltenen empfohlenen Praktiken umzusetzen, wenn nicht ein Vorbehalt erklärt wurde, Art. 13 Abs. 3 GK
1999.684 Nach Inkrafttreten des Protokolls ist es nicht mehr möglich, Ver-
681
682
683
684
222
der Vertragsparteien von ihnen aus, noch sind sie bei der Auslegung als Rechtsquelle
zu berücksichtigen.
Handbuch, Volume I, Kommentar (1) zu Art. 5 der GK.
Siehe Art. 2 u. 3 des Änderungsprotokolls.
„Standard“, „Transitional Standard“ und „Recommended Practice“.
Weiterhin normiert die GK 1999, dass das Übereinkommen durch einen eigens dafür
ins Leben gerufenen Ausschuss verwaltet wird. Aufgabe des Verwaltungsausschusses
ist es, die einheitliche Auslegung und Anwendung der Regelungen des Übereinkommens durch die Vertragsparteien zu gewährleisten. Er ist für die Ausarbeitung eventuell erforderlicher Ergänzungen des Übereinkommens zuständig und hat die Anpassung der Richtlinien zu den speziellen Anlagen an die aktuelle Zollpraxis zu gewährleisten (Handbuch, Volume I, Kommentar (1) zu Art. 6 der GK). Die verbleibenden
Artikel der GK 1999 enthalten Änderungsverfahren (Art. 15 und 16) und die
Schlussbestimmungen (Inkrafttreten, Verwahrung und Registrierung des Übereinkommens, Art. 18 bis 20).
1. Die World Customs Organisation (WCO)
tragspartei des ursprünglichen Übereinkommens zu werden. Bedeutung hat
die ursprüngliche Fassung dann nur noch für die Staaten, die nicht ihre Zustimmung bekundet haben, durch das Protokoll einschließlich der Anhänge I
und II gebunden zu sein.685
1.4.2. Die Allgemeine Anlage
Die Struktur der Kyoto-Konvention von 1999 basiert, ähnlich wie auch das
Bürgerliche Gesetzbuch, auf der Ausklammerungsmethode. Die Allgemeine
Anlage ist vergleichbar mit dem Allgemeinen Teil des BGB. Die dort niedergelegten Grundsätze beanspruchen Geltung für die gesamte Konvention.
Neben den allgemeinen Prinzipien und Definitionen normiert die Allgemeine Anlage Normen für 8 Bereiche des Zolls. In den folgenden Ausführungen
handelt es sich grundsätzlich um Normen, es sei denn die Regelung ist als
Übergangsnorm (TS) gekennzeichnet.
a)
Zollabfertigung und Zollförmlichkeiten
Kapitel 3 enthält Grundsätze zur Zollabfertigung und Zollförmlichkeiten.
Danach bestimmt der Zoll die Zollstellen, bei denen Waren gestellt und abgefertigt werden können. Bei der Festlegung der Zuständigkeit, des Standorts und der Öffnungszeiten sind insbesondere auch die Bedürfnisse der
Wirtschaft zu berücksichtigen. Liegen stichhaltige Gründe vor, so erfüllt der
Zoll seine Aufgaben auf Antrag des Anmelders auch außerhalb des
Amtsplatzes bzw. außerhalb der Öffnungszeiten der Zollstelle. Etwaige Gebühren sind auf die Kosten der erbrachten Dienstleistung zu beschränken.
Liegen Zollstellen an einem gemeinsamen Grenzübergang, so stimmen die
Zollverwaltungen Zuständigkeiten und Öffnungszeiten aufeinander ab (S).
Soweit möglich werden Kontrollen hier gemeinsam durchgeführt (TS).686
Im innerstaatlichen Recht werden die Voraussetzungen festgelegt, unter denen eine Person berechtigt ist, als Anmelder687 zu handeln. Vor Abgabe der
Zollanmeldung ist ihm unter den vom Zoll festgelegten Bedingungen die
Möglichkeit zu geben, die Waren zu prüfen und Muster oder Proben zu
nehmen. Eine eigene Anmeldung wird für Muster oder Proben, deren Ent-
685 Art. 5 und 6 des Änderungsprotokolls.
686 Bei Errichtung oder Ausbau einer Zollstelle am gemeinsamen Grenzübergang wird
eine Zusammenarbeit angestrebt, um verbundene, für gemeinsame Kontrollen geeignete Abfertigungsanlagen zu schaffen.
687 Dies gilt jedenfalls für jede Person, die ein Verfügungsrecht über die Waren hat. Gegenüber dem Zoll ist er für die Richtigkeit der Angaben in der Zollanmeldung und
für die Entrichtung der Zölle und Steuern verantwortlich.
223
Kapitel E: „… drawing on the work of other organisations …“ – Ergebnisse der Arbeiten in
anderen Organisationen
nahme unter Zollaufsicht gestattet ist, nicht verlangt, sofern diese in der
Zollanmeldung für die betreffende Sendung angegeben sind.
Der Inhalt der Zollanmeldung wird vom Zoll vorgeschrieben, und der Vordruck muss dem UN Layout Key688 entsprechen. Bei automatisierter Zollabfertigung ist das Format der elektronisch übermittelten Zollanmeldung anhand der internationalen Normen für den elektronischen Nachrichtenaustausch zu gestalten, die der Rat (CCC) in seinen Empfehlungen zu den Informatikverfahren vorgeschrieben hat. Nur die für Zollzwecke689 notwendigen Angaben werden verlangt.690 Verfügt ein Anmelder aus stichhaltigen
Gründen nicht über alle zur Abfassung der Anmeldung erforderlichen Angaben und Unterlagen, so gestattet der Zoll die Abgabe einer vorläufigen oder
unvollständigen Zollanmeldung, wenn sie alle für erforderlich erachteten
Angaben enthält und sich der Anmelder verpflichtet, diese innerhalb einer
bestimmten Frist zu ergänzen. Wird eine unvollständige Anmeldung entgegen genommen, so dürfen die Waren zolltariflich nicht anders behandelt
werden, als wenn die Anmeldung von vornherein vollständig und richtig
gewesen wäre. Wurde die vorgeschriebene Sicherheit für die zu erhebenden
Zölle und Abgaben geleistet, so darf die Überlassung der Waren nicht verzögert werden. Die Anmeldung kann während der Öffnungszeiten bei jeder
der dazu bezeichneten Zollstellen abgegeben werden (S), auch in elektronischer Form (TS). Eine innerstaatlich gesetzte Abgabefrist muss so bemessen
sein, dass der Anmelder die erforderlichen Angaben und Belege beschaffen
kann. Liegen stichhaltige Gründe vor, so ist sie auf Antrag zu verlängern.
Die Einzelheiten der Abgabe, der Entgegennahme und Prüfung der Anmeldung und Belege vor Eintreffen der Waren werden im innerstaatlichen Recht
festgelegt. Kann eine Anmeldung nicht entgegengenommen werden, so ist
dies zu begründen. Die Berichtigung einer bereits abgegebenen Anmeldung
wird gestattet, sofern der Zoll noch nicht mit der Prüfung der Anmeldung
oder der Beschau der Waren begonnen hat. Bei stichhaltigen Gründen wird
diese auch nach Beginn der Prüfung gestattet (TS). Sofern dies vor Überlas688 Siehe dazu Kapitel E, Ziffer 2.2.
689 Berechnung und Erhebung von Zöllen und Steuern, die Erstellung von Statistiken
und die Anwendung des Zollrechts.
690 Zusätzlich zu der Originalanmeldung werden nur die unbedingt notwendige Anzahl
von Kopien verlangt. Bei der Zollanmeldung werden ferner nur die Belege verlangt,
die notwendig sind, um den Vorgang zu kontrollieren und sicherzustellen, dass alle
Vorschriften zur Anwendung des Zollrechts beachtet worden sind. Sie können bei
stichhaltigen Gründen innerhalb einer bestimmten Frist nachgereicht werden. Die
Abgabe von Belegen ist auf elektronischem Weg zu gestatten (TS). Grundsätzlich
werden keine Übersetzungen der Angaben in Belegen verlangt, es sei denn, dies ist
für die Bearbeitung der Zollanmeldung notwendig, 3.15.–3.19.
224
1. Die World Customs Organisation (WCO)
sung der Waren beantragt wird und stichhaltige Gründe vorliegen, wird dem
Anmelder gestattet, die Zollanmeldung zurückzuziehen und ein anderes
Zollverfahren zu beantragen (TS). Die Prüfung der Zollanmeldung erfolgt
bei Entgegennahme bzw. so bald wie möglich danach und wird auf die
Maßnahmen beschränkt, die der Zoll für unerlässlich hält, um eine Einhaltung des Zollrechts zu gewährleisten.
Für autorisierte Personen, die vom Zoll festgelegte Voraussetzungen691 erfüllen, sind besondere Verfahren zu schaffen (TS). Diese sehen vor, dass der
Zoll die Überlassung der Waren nach Eingang der zur Feststellung ihrer
Nämlichkeit erforderlichen Mindestangaben und die spätere Abgabe der
endgültigen Zollanmeldung gestattet. Zudem ist eine Abfertigung der Waren
in den Räumlichkeiten des Anmelders oder an einem anderen zugelassenen
Ort zuzulassen.692 Beschließt der Zoll die Beschau der angemeldeten Waren,
so hat dies so schnell wie möglich nach Annahme der Anmeldung zu geschehen.693 Müssen Waren auch von anderen zuständigen Behörden geprüft
werden, so sorgt der Zoll dafür, dass die verschiedenen Prüfungen koordiniert und möglichst gleichzeitig durchgeführt werden (TS).694 Ist der Zoll
davon überzeugt, dass Fehler versehentlich unterlaufen sind und keine betrügerische Absicht oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt, so soll von einer
Sanktion abgesehen werde. Wird eine solche jedoch zur Vermeidung von
Wiederholungen für notwendig erachtet, so soll sie nicht härter sein, als für
diesen Zweck erforderlich.
691 Kriterien sind u.a.: die Person hält nachweislich stets alle Zollvorschriften ein und
kann geeignete Buchführungssysteme vorweisen.
692 Soweit möglich kommen andere besondere Verfahren in Betracht, wie die Abgabe
einer einzigen Zollanmeldung für alle innerhalb eines bestimmten Zeitraums durchgeführten Ein- oder Ausfuhren in Fällen, in denen Waren häufig von ein und derselben Person ein- oder ausgeführt werden; die Zugrundelegung der Buchführung der
zugelassenen Person für die Berechnung der geschuldeten Steuern und Zölle durch
den Beteiligten selbst und für die Erfüllung etwaiger anderer Zollvorschriften; oder
die Abgabe der Zollanmeldung durch Anschreibung in den Aufzeichnungen der ermächtigten Person und Nachreichen der ergänzenden Zollanmeldung zu einem späteren Zeitpunkt.
693 Bei der zeitlichen Planung soll der Kontrolle von lebenden Tieren, verderblichen und
anderen für dringlich befundenen Waren, Vorrang eingeräumt werden (S).
694 Der Beschau kann der Anmelder grundsätzlich auf Antrag beiwohnen oder sich dabei
vertreten lassen. Der Zoll kann dies zur Unterstützung oder Erleichterung der Beschau auch verlangen. Die Entnahme von Mustern und Proben wird auf die Fälle beschränkt, in denen sie zur Feststellung der Art und/oder des Wertes der angemeldeten
Waren oder zur Gewährleistung der Anwendung innerstaatlicher Rechtsvorschriften
erforderlich ist. Die Mengen müssen möglichst klein sein.
225
Kapitel E: „… drawing on the work of other organisations …“ – Ergebnisse der Arbeiten in
anderen Organisationen
Angemeldete Waren werden überlassen, sobald der Zoll die Beschau abgeschlossen oder hierauf verzichtet hat, vorausgesetzt ein Verstoß wurde nicht
festgestellt, Ein- oder Ausfuhrlizenzen sowie alle erforderlichen sonstigen
Dokumente und alle für das betreffende Zollverfahren erforderlichen Bewilligungen wurden beigebracht und die geschuldeten Zölle und Steuern wurden entrichtet, oder die zur Gewährleistung ihrer Entrichtung erforderlichen
Maßnahmen wurden getroffen. Hat sich der Zoll vergewissert, dass die Zollförmlichkeiten für die Abfertigung später erfüllt werden, so werden die Waren dem Anmelder überlassen, wenn er ein annehmbares Handels- oder
Verwaltungspapier mit den wichtigsten Angaben der Sendung vorlegt und
gegebenenfalls eine Sicherheit leistet.695
Wurden Waren dem Beteiligten noch nicht zur Überführung in ein Zollverfahren überlassen und ist keine Zuwiderhandlung festgestellt worden, so
wird von der Erhebung der Zölle und Steuern abgesehen bzw. entsteht ein
Anspruch des Beteiligten auf Erstattung, wenn die Waren aufgegeben oder
zerstört werden.696
695 Waren sind bei erforderlichen Laboranalysen oder Gutachten auch ohne Ergebnisse
der Zollbeschau gegen Sicherheit zu überlassen, wenn sich der Zoll vergewissert hat,
dass sie keinen Verboten oder Beschränkungen unterliegen. Wird eine Zuwiderhandlung festgestellt, so überlässt der Zoll die Waren, ohne den Abschluss von Verwaltungs- oder gerichtsverfahren abzuwarten, sofern ausgeschlossen ist, dass die Waren
zu einem späteren Zeitpunkt eingezogen oder beschlagnahmt werden müssen oder als
Beweismaterial gebraucht werden, und sofern der Anmelder die Zölle und Steuern
entrichtet und Sicherheit bezüglich der Nachforderungen zusätzlicher Abgaben und
möglichen Verhängung von Sanktionen leistet.
696 Möglich ist, dass die Waren auf Wunsch des Beteiligten zugunsten der Staatskasse
aufgegeben und je nach Entscheidung des Zolls unter zollamtlicher Überwachung
zerstört oder wertlos gemacht werden, wobei etwaige Kosten vom Beteiligten zu tragen sind. Von der Erhebung wird auch abgesehen bzw. es wird erstattet, wenn die
Waren durch Unfall oder höhere Gewalt zerstört worden oder untergegangen sind
und diese Tatsache dem Zoll nach seinem Ermessen ordnungsgemäß nachgewiesen
wird. Gleiches gilt für Schwund, der mit der Beschaffenheit der Waren zusammenhängt. Etwaige nach der Zerstörung verbleibende Abfälle oder Reste unterliegen bei
einer Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr oder bei einer Ausfuhr den Zöllen und Steuern, die auch bei einer Einfuhr oder Ausfuhr in diesem Zustand auf diese
angewendet würden (S). Veräußert der Zoll Waren, die nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist angemeldet wurden oder die nicht überlassen wurden, obwohl keine Zuwiderhandlung festgestellt wurde, so wird der Verkaufserlös abzüglich der Zölle und Steuern und sonstigen entstandenen Kosten und Auslagen den Berechtigten
ausgehändigt oder, wenn dies nicht möglich ist, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt
zu ihrer Verfügung gehalten (TS).
226
1. Die World Customs Organisation (WCO)
b)
Berechnung, Erhebung und Entrichtung der Zölle und Steuern
Kapitel 4 enthält Vorgaben für die Regelungen der Schätzung, Erhebung und
Zahlung von Abgaben und Steuern. Danach sind Tatbestände, die das Entstehen einer Zoll- und Steuerschuld nach sich ziehen, sowie der bei der Berechnung maßgebliche Zeitraum, im innerstaatlichen Recht detailliert festzuschreiben. Die Berechnung der Schuld wird so bald wie möglich nach
Abgabe der Zollanmeldung oder nach anderweitiger Entstehung der Abgabenschuld vorgenommen.697 Zoll- und Steuersätze werden amtlich bekannt
gemacht. Der nationale Gesetzgeber legt den maßgeblichen Zeitpunkt für
die Ermittlung der Zoll- und Steuersätze fest, die zulässigen Zahlungsweisen
und die für die Entrichtung zuständige(n) Person(en). Der Fälligkeitstag698
und der Ort, an dem Zahlung zu leisten ist, wird von diesem ebenso bestimmt, wie die Frist, binnen der zum Fälligkeitstermin nicht entrichtete
Zölle und Steuern vom Zoll beigetrieben werden können. Ferner sind Höhe
und Voraussetzungen eines Säumniszuschlags national festzulegen. Dem
Zahlenden wird eine Quittung ausgestellt, sofern nicht schon andere Beweismittel als Zahlungsnachweis vorliegen. Für die Zwecke der Erhebung
wird im innerstaatlichen Recht zudem ein Mindestwert bzw. ein Mindestbetrag für Zölle und Steuern festgelegt (TS).
Stellt der Zoll fest, dass Fehler in der Zollanmeldung oder in der Berechnung der Zölle und Steuern eine Erhebung oder die Nacherhebung eines geringeren als des gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrags bewirkt haben oder
noch bewirken werden, so berichtigt er die Fehler und erhebt den Fehlbetrag. Liegt dieser jedoch unter dem im einzelstaatlichen Recht festgelegten
Mindestbetrag, so wird von seiner Erhebung oder Nacherhebung abgesehen.
Ist nach innerstaatlichem Recht ein Zahlungsaufschub möglich, so werden
gleichzeitig die Voraussetzungen der Inanspruchnahme dieser Möglichkeit
bestimmt. Der Zahlungsaufschub wird möglichst ohne Erhebung von Zinsen
gewährt, die Frist beträgt mindestens vierzehn Tage. Wird eine Überzahlung
festgestellt, die auf einem Berechnungsfehler beruht, so werden Zölle und
Steuern erstattet. Eine Erstattung erfolgt auch, wenn eingeführte oder ausgeführte Waren zum Zeitpunkt der Ein- oder Ausfuhr nachweislich schadhaft
waren oder in anderer Hinsicht nicht den Vereinbarungen entsprechen und
697 Die der Berechnung zugrundeliegenden Faktoren und die Einzelheiten, wie diese
ermittelt werden, werden im innerstaatlichen Recht bestimmt.
698 Kann der Fälligkeitstag nach dem innerstaatlichen Recht nach der Überlassung der
Waren liegen, so beträgt der Zeitraum zwischen Überlassung und Fälligkeitstag mindestens zehn Tage. In diesem Zeitraum werden keine Zinsen erhoben.
227
Kapitel E: „… drawing on the work of other organisations …“ – Ergebnisse der Arbeiten in
anderen Organisationen
deshalb zurückgeschickt werden.699 Gestattet der Zoll, dass zu einem abgabenpflichtigen Zollverfahren angemeldete Waren in ein anderes Zollverfahren überführt werden, so erfolgt ebenfalls eine Erstattung (TS). Die Entscheidung über den Erstattungsantrag wird unverzüglich getroffen und dem
Beteiligten mitgeteilt, die Erstattung erfolgt so bald wie möglich nach Überprüfung des Antrags.700 Sind Ausschlussfristen für die Erstattungsanträge
vorgesehen, so müssen diese so bemessen sein, dass die besonderen Umstände der Fälle, in denen eine Erstattung in Betracht kommt, berücksichtigt
werden können. Beträge, die geringer sind als die festgesetzten Mindestbeträge, sind nicht erstattungsfähig.
c)
Sicherheiten
Die Allgemeine Anlage enthält zudem Vorgaben hinsichtlich der vom Zollschuldner zu leistenden Sicherheiten. So hat der nationale Gesetzgeber die
Fälle, in denen eine Sicherheit zu leisten ist, und die Art und Weise der Sicherheitsleistung festzulegen. Der Betrag wird vom Zoll festgelegt. Die zur
Sicherheitsleistung verpflichtete Person kann die Form frei wählen, sofern
sie für den Zoll annehmbar ist.701 Beteiligten, die regelmäßig Waren bei verschiedenen Zollstellen des Zollgebiets anmelden, gestattet der Zoll eine globale Sicherheit zu leisten. Der Betrag der Sicherheit soll so niedrig wie möglich sein und den Betrag der möglicherweise zu erhebenden Zölle und Steuern nicht überschreiten. Sie wird sobald wie möglich freigegeben, wenn der
Zoll sich überzeugt hat, dass die Verpflichtungen, die die Sicherheitsleistung
erforderlich gemacht haben, ordnungsgemäß erfüllt worden sind.
d)
Zollkontrollen
Alle Waren, einschließlich Beförderungsmittel, die in das Zollgebiet oder
aus diesem verbracht werden, sind unabhängig davon, ob sie Zöllen und
Steuern unterliegen oder nicht, Gegenstand der Zollkontrollen. Letztere
699 Voraussetzung ist jedoch, dass die Waren im Einfuhrland bzw. Ausfuhrland weder beoder verarbeitet, ausgebessert oder verwendet wurden und ihre Wiederausfuhr bzw.
Wiedereinfuhr innerhalb angemessener Frist erfolgt. Die Verwendung der Waren hindert die Erstattung jedoch nicht, wenn erst dadurch die Mängel oder anderen Umstände, die zur Wiederein- bzw. -ausfuhr der Waren geführt haben, festgestellt werden konnten. Alternativ können die Waren je nach Entscheidung des Zolls auch zugunsten der Fiskus aufgegeben, zerstört, vernichtet oder für den Handel wertlos gemacht werden. Dabei dürfen dem Staat keine Kosten entstehen.
700 Stellt der Zoll fest, dass die Überbezahlung auf einem diesem unterlaufenen Berechnungsfehler beruht, so wird die Erstattung vorrangig gewährt.
701 Der Zoll verlangt nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts dann keine Sicherheit,
wenn er überzeugt ist, dass die ihm gegenüber bestehende Verpflichtung erfüllt wird.
228
1. Die World Customs Organisation (WCO)
werden auf die Maßnahmen beschränkt, die notwendig sind, um die Einhaltung des Zollrechts zu gewährleisten, und sie werden im Wege von Risikomanagementtechniken durchgeführt. Mithilfe von Risikoanalyse entscheidet
der Zoll, welche Personen und Waren einschließlich Beförderungsmitteln zu
prüfen sind und wie weit die Prüfung gehen soll. Der Zoll entwickelt zur
Unterstützung des Risikomanagements eine Strategie, um den Grad der korrekten Anwendung des Zollrechts zu ermitteln. Die Zollkontrollsysteme umfassen auch Kontrollen auf Betriebsprüfungsbasis. Der Zoll strebt die Zusammenarbeit mit anderen Zollverwaltungen und den Abschluss von Amtshilfeabkommen, sowie die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und den Abschluss entsprechender Vereinbarungen an. Darüber hinaus bedient er sich
zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der Kontrollen möglichst weitgehend
der Informatikverfahren und des elektronischen Geschäftsverkehrs (TS).
Um die Einhaltung der Zollvorschriften zu gewährleisten, bewertet der Zoll
die Betriebssysteme der Unternehmen, soweit diese Zollvorgänge berühren.
e)
Einsatz von Informatikverfahren
Der Zoll setzt Informatikverfahren zur Unterstützung der Zollbehandlung
ein, wenn es für ihn selbst und für die Beteiligten wirtschaftlich und effizient ist. Der Zoll legt die Voraussetzungen ihrer Anwendung im Einzelnen
fest. Bei der Einführung von Computerprogrammen richtet sich der Zoll
nach den einschlägigen international angenommenen Normen. Soweit wie
möglich erfolgt die Einführung im Benehmen mit allen beteiligten Parteien.
Beim Erlass neuer oder bei der Neufassung bestehender innerstaatlicher
Rechtsvorschriften werden Methoden des elektronischen Geschäftsverkehrs
als Alternative zu papiergebundenen Beibringungen der vorgeschriebenen
Unterlagen, elektronische und papiergebundene Authentifizierungsmethoden
vorgesehen. Auch das Recht des Zolls, Unterlagen und Angaben für die eigene Verwendung aufzubewahren und, soweit zweckdienlich, diese mit den
Methoden des elektronischen Geschäftsverkehrs mit anderen Zollverwaltungen und allen anderen gesetzlich befugten Parteien auszutauschen, soll
Eingang finden.
f)
Beziehung zwischen dem Zoll und Dritten
Die Beteiligten entscheiden, ob sie Zollhandlungen selbst vornehmen oder
eine dritte Partei beauftragen. Die Voraussetzungen, unter denen eine Person
in Zollsachen im Namen und für Rechnung einer anderen Person handeln
kann und die Haftung Dritter für Zölle, Steuern und etwaige Unregelmäßigkeiten, werden im innerstaatlichen Recht bestimmt. Die Zollbehandlungen
einer Person, die sich entschließt, für eigene Rechnung zu handeln, werden
nicht weniger günstig behandelt oder strengeren Anforderungen unterworfen
229
Kapitel E: „… drawing on the work of other organisations …“ – Ergebnisse der Arbeiten in
anderen Organisationen
als diejenigen, die ein Dritter für den Beteiligten vornimmt. Sie besitzen
dieselben Rechte. Der Zoll schafft die Voraussetzungen dafür, dass Dritte an
den förmlichen Beratungen mit der Wirtschaft teilnehmen können. Der Zoll
bestimmt die Umstände, unter denen er zu einer Abwicklung der Zollhandlungen mit einer dritten Partei nicht bereit ist. Ist dies der Fall, so teilt der
Zoll dies dem Dritten schriftlich mit.
g)
Zollamtliche Informationen, Entscheidungen und Auskünfte
Das neunte Kapitel unterscheidet zwischen allgemeinen Informationen, besonderen, und Entscheidungen und Auskünften. Geht es um allgemeine Informationen, so stellt der Zoll auf Antrag des Beteiligten die Informationen
über die konkreten Fragen aus dem Gebiet des Zollrechts so schnell und so
genau wie möglich zur Verfügung. Zudem weist er diesen auf jede andere
seines Erachtens sachdienliche Information hin. Dabei stellt er sicher, dass
keine den Zoll oder Dritte betreffende Angaben privater oder vertraulicher
Natur weitergegeben werden, sofern dies nicht nach innerstaatlichem Recht
vorgeschrieben oder zulässig ist. Kann der Zoll die Informationen nicht kostenlos zur Verfügung stellen, so sind etwaige Gebühren auf die ungefähren
Kosten der erbrachten Dienstleistungen zu beschränken. Seine Entscheidungen teilt der Zoll auf schriftlichen Antrag des Beteiligten binnen der im innerstaatlichen Recht festgelegten Frist schriftlich mit. Fällt die Entscheidung
für den Beteiligten negativ aus, so ist sie zu begründen und auf Rechtsbehelfe hinzuweisen. Auf Antrag erteilt der Zoll verbindliche Auskünfte, sofern er
über alle, seines Erachtens nach erforderlichen Angaben und Unterlagen
verfügt.
h)
Rechtbehelfe in Zollangelegenheiten
Innerstaatlich gesetzlich festzulegen ist ferner das Recht einer jeden unmittelbar von einer Entscheidung oder Unterlassung des Zolls betroffenen Person, Rechtsbehelfe in Zollangelegenheiten einzulegen. Dabei ist eine Frist
zu bestimmen, binnen der dem Rechtsbehelfsführer die Gründe für die Entscheidung oder Unterlassung mitzuteilen sind. Ihm ist die Möglichkeit einzuräumen, einen schriftlichen Rechtsbehelf einzulegen. Dieser ist zu begründen. Die gesetzliche Einlegungsfrist muss so bemessen sein, dass dem
Rechtsbehelfsführer eine eingehende Prüfung der in Frage stehenden Entscheidung und eine Ausarbeitung des Rechtsbehelfs möglich ist. Richtet sich
der Rechtsbehelf an den Zoll, so verlangt dieser nicht von Amts wegen eine
gleichzeitige Übermittlung aller Nachweise und Belege, sondern setzt dafür
eine angemessene Frist. Er entscheidet so schnell wie möglich und macht
entsprechende schriftliche Mitteilung an den Rechtsbehelfsführer. Hilft der
Zoll nicht ab, so informiert er den Rechtsbehelfsführer schriftlich über die
230
1. Die World Customs Organisation (WCO)
Gründe und unterrichtet ihn über sein Recht, einen weiteren Rechtsbehelf
bei einer Verwaltungsbehörde oder einer unabhängigen Instanz einzulegen
und die dafür geltende Frist. Wird einem Rechtsbehelf stattgegeben, so
wendet der Zoll die Entscheidung so schnell wie möglich an, sofern er nicht
seinerseits ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung oder das Urteil einlegt.
1.4.3. Die speziellen Anlagen
Gegenstand der speziellen Anlagen A-K sind konkrete Standards und empfohlene Praktiken für die Bereiche Ankunft der Waren in einem Zollgebiet,
Einfuhr, Ausfuhr, für Zolllager und Freizonen, Durchfuhr, Verarbeitung und
vorübergehenden Verwendung, sowie für Zollstraftaten, besondere Verfahren und Herkunft.702 Die speziellen Anlagen sind in Kapitel unterteilt, an
deren Anfang jeweils die für das Kapitel entscheidenden Begriffe definiert
sind.
Da eine ausführliche Darstellung sämtlicher Anlagen hier zu weit führen
würde, wird hier beispielhaft auf die spezielle Anlage E eingegangen, die
Regelungen zur Durchfuhr enthält. Anlage E besteht aus den drei Kapiteln
„Customs Transit“, „Transhipment“ und „Carriage of goods coastwise“. Die
Durchfuhr in Anlage E umfasst sowohl Transit innerhalb eines Zollgebiets
(nationaler Transit) als auch die Durchfuhr durch mehrere Zollgebiete (internationaler Transit). Die Regelung zur internationalen Durchfuhr entsprechen weitestgehend jenen zum Durchfuhrverkehr703 des Art. V GATT. Sie
unterstreicht die in Art. V Abs. 2 und 3 GATT niedergelegten Anforderungen704 und gibt detaillierte Anweisungen zu deren Umsetzung. Darüber hinaus sind weitergehende Maßnahmen festgelegt, die eine Beseitigung unnötiger Beschränkungen und Verzögerungen zum Ziel haben. Dazu zählen vereinfachte Verfahren für autorisierte Versender und Empfänger im Transit,705
702 Sämtliche spezielle Anlagen sind im Internet auf der Webseite der WCO zu finden.
(www.wcoomd.org/ie/en/Topics_Issues/FacilitationCustomsProcedures/Kyoto_).
703 Gemäß Art. V Abs. 1 GATT gelten Waren (einschließlich Gepäck), Wasserfahrzeuge
und andere Beförderungsmittel als auf der Durchfuhr durch das Gebiet eines Mitglieds befindlich, „wenn die Durchfuhr durch dieses Gebiet – mit oder ohne Umladung, Einlagerung, Umpackung oder Änderung der Beförderungsart – nur einen Teil
des Gesamtbeförderungswegs ist, dessen Anfang und Ende außerhalb der Grenzen
des Mitglieds liegen, durch dessen Gebiet die Durchführ stattfindet.“
704 Anmeldung beim zuständigen Zollamt, außer bei Verletzung von Zollvorschriften
keine unnötige Verzögerung oder Beschränkung, Befreiung von Zöllen.
705 Danach räumt der Zoll Händlern mit stets nicht zu beanstandenden Praktiken den
Status autorisierter Versender und Empfänger ein. Diese dürfen bestimmte Zolloperationen auf ihrem Betriebsgelände vornehmen. Dies verhindert Verzögerungen an der
Grenze, der Zoll kann seiner Kontrollbefugnis effektiver nachkommen und seine
231
Kapitel E: „… drawing on the work of other organisations …“ – Ergebnisse der Arbeiten in
anderen Organisationen
die Verwendung von Handelspapieren oder Frachtbriefen für den deskriptiven Teil der Durchfuhrerklärung und deren Akzeptanz ebenso wie einfache
und klare Verfahren für die Versiegelung und Identifizierung von Sendungen.706 Letztgenannte Empfehlung erlangt vor dem Hintergrund der derzeitigen Sicherheitsdebatte, vor allem hinsichtlich der Containersicherheit, Bedeutung. Erlauben nationale Gesetze im Falle intakter Siegel eine Abfertigung ohne Öffnung, so minimiert dies mögliche Verzögerungen bei den
Durchfuhraktivitäten.
1.4.4. Bedeutung der Konvention für Trade Facilitation
Die revidierte Fassung der Kyoto-Konvention stellt das derzeit wichtigste
internationale Instrument auf dem Gebiet der Zolltechnik dar. Zum einen
berücksichtigt sie modernste Techniken mit denen eine erhebliche Beschleunigung und Vereinfachung der Zollverfahren erzielt werden kann,
zum anderen lässt ihre Konzeption eine flexible Handhabung zu. Staaten,
deren Entwicklung eine weitergehende Verpflichtung erlaubt, steht der Weg
offen, dies auch zu tun. Ist ein Staat mangels finanzieller und personeller
Ressourcen nicht zur Umsetzung der in den speziellen Anhängen enthaltenen Verpflichtungen in der Lage, so braucht er diese Anhänge auch nicht
anzunehmen. Allein die Umsetzung der in der Grundkonvention von 1999
und der allgemeinen Anlage enthaltenen Verpflichtungen hätte erhebliche
Auswirkungen auf den Welthandel. Um die Einhaltung der niedergelegten
Verpflichtungen effektiv zu erreichen, wäre es möglich, die Konvention
durch Verweis in das WTO-Recht zu integrieren und diesbezügliche Streitigkeiten der Streitbeilegung nach dem DSU zu unterwerfen.
Festzustellen ist jedoch, dass die Konvention nur für Zollverfahren Bedeutung erlangt. Nach dem Wunsch vieler Vertreter der Wirtschaft, die die
WTO-Verhandlungen dazu nutzen wollen, auch Vereinfachungen außerhalb
des Zolls durchzusetzen, ginge eine Bezugnahme auf die revidierte Fassung
der Konvention allein nicht weit genug.
Ressourcen gezielter einsetzen, siehe: Communication from the WCO on Art. V,
8.10.2002, G/C/W/426, II C i).
706 Siehe dazu: Annex 1: New Guidelines to Chapter 16 of the Revised Kyoto Convention, 9. Security and Facilitation of the international Supply Chain: Seals and their
application for security purposes.
232
1. Die World Customs Organisation (WCO)
1.5.
Die Initiative für die Sicherheit und Leichtigkeit der
internationalen Versorgungskette
Die zunehmende Besorgnis über internationale Terrorakte, organisierte Kriminalität und das Wissen um die Bedeutung und Verletzlichkeit des globalen
Handels, haben die Mitglieder der Weltzollorganisation im Sommer 2002
erstmals zu einer gemeinsamen Betrachtung von Trade Facilitation und Sicherheit gebracht. Im Juni 2002 nahm der Rat eine erste Resolution zur Sicherheit und Leichtigkeit der internationalen Versorgungskette an. Im Juni
2004 folgte eine zweite Resolution, auf deren Grundlage eine High Level
Strategic Group gebildet wurde, die Richtlinien erarbeiten sollte, um die
Rolle der Weltzollorganisation und der nationalen Zollverwaltungen auf
dem Gebiet der Sicherheit und der Erleichterung des Welthandels zu stärken. Deren Arbeit mündete in einem Rahmenübereinkommen, dem Framework of Standards to Secure and Facilitate Global Trade (SAFE), welches in
der Sitzung des Rates am 24. Juni 2005 verabschiedet wurde. Es beinhaltet
einen strukturierten und freiwilligen Rahmen für Zollverwaltungen und
Wirtschaftstreibende mit dem Ziel, die internationale Lieferkette zu sichern
und den rechtmäßigen Warenhandel zu erleichtern.
Das Framework umfasst 17 Zollkontrollstandards707, welche die Sicherheit
und Leichtigkeit der Versorgungsketten fördern, Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit stärken und ein integriertes Versorgungskettenmanagement für
sämtliche Transport-wege ermöglichen sollen.
Das Konzept beruht auf zwei Säulen. Erstere umfasst die Maßnahmen innerhalb des Zolls. Durch die Vernetzung von Zollverwaltungen, die Verwendung elektronischer Informationen vorab und eines einheitlichen Risikomanagements sowie durch den Einsatz „schlauer“, sicherer Container soll
das Aufspüren von Risikogütern erleichtert werden. Um den legitimen Handel nicht zu beeinträchtigen ist weiter die Verwendung möglichst wenig
intrusiver Aufspürtechniken, wie etwa große Röntgenaperrate und Strahlungsdetektoren, bei der Ausfuhrkontrolle vorgesehen.
Die zweite Säule sieht die Bildung von Partnerschaften zwischen Zollverwaltungen und Unternehmen, sowie die Registrierung verlässlicher Wirtschaftsbeteiligter vor. Diesen „autorisierten Händlern“, die gewisse Sicherheitsstandards in der Lieferkette und die Einhaltung von best practices ge-
707 11 Standards auf dem Gebiet der Zollzusammenarbeit, 6 Standards auf dem Gebiet
der Kooperation mit der Wirtschaft.
233
Kapitel E: „… drawing on the work of other organisations …“ – Ergebnisse der Arbeiten in
anderen Organisationen
währleisten, will der Zoll durch festgelegte, greifbare Erleichterungen entgegenkommen.708
Die Umsetzung des Frameworks soll schrittweise erfolgen, je nach Möglichkeiten der jeweiligen Mitgliedsadministration. Um eine Umsetzung auch
in den Entwicklungsländern zu gewährleisten, wurde die Errichtung eines
Fonds beschlossen, der Capacity Building-Initiativen einschließlich diagnostischer Studien zu den gegenwärtigen Umsetzungskapazitäten der Mitglieder
finanzieren soll. Allen Mitgliedsadministrationen, die sich dem Rahmenabkommen angeschlossen haben, soll beim Ausbau ihrer Kapazitäten zur Umsetzung des Frameworks Unterstützung durch die anderen Mitglieder zukommen.709
2. Die Vereinten Nationen
Unter dem Dach der Vereinten Nationen gibt es mehrere Organisationen, die
sich jeweils mit verschiedenen Aspekten von Trade Facilitation auseinandergesetzt haben.
2.1.
UNCTAD (United Nations Commission for Trade and
Development)
Die UNCTAD ist bereits seit über 30 Jahren bestrebt, den Welthandel durch
Verfahrensvereinfachungen zu erleichtern. Primäres Ziel ihrer Arbeit ist es,
auf diesem Gebiet den Input und die Beteiligung der Entwicklungsländer an
Trade Facilitation-Initiativen zu fördern. Im Fokus steht der Transportsektor.
So gehen Initiativen zur Hafenentwicklung, die Entwicklung eines elektronischen Transportmanagementsystems (Advance Cargo Information System) und die Idee, nationale Ausschüsse für die Erleichterung des Handels
und Transports (NTTFC710) einzurichten, auf die Kommission zurück. 1992
wurde eine Expertengruppe für Handelseffizienz ins Leben gerufen, deren
Arbeit im 2 Jahre später veranstalteten Internationalen Symposium der Ver-
708 Zu den einzelnen Standards siehe: Framework of Standards – to Secure and Facilitate
Global Trade, Broschüre der Weltzollorganisation, download auf der Internetseite der
WCO: www.wcoomd.org.
709 In Ausführung dessen wurde im Januar 2006 das Columbus-Programm ins Leben
gerufen.
710 National Trade and Transport Facilitation Committees. Dieses bringt die Entscheidungsträger im Transportsektor innerhalb eines Landes zusammen mit dem Ziel der
gemeinsamen Entwicklung und Förderung von Trade Facilitation-Politiken.
234
2. Die Vereinten Nationen
einten Nationen zur Effizienz im Handel711 gipfelte. Dort wurden verschiedene Trade Facilitation-Empfehlungen der WCO angenommen. Die als Columbus-Deklaration bezeichneten Empfehlungen712 fordert die Regierungen
auf, über ihre Zollbehörden die Verfahren zur Zollwertbestimmung durch
die Anwendung der vom GATT vorgegebenen Bewertungsmethode zu vereinfachen. Darüber hinaus sei grundsätzlich auf die Inanspruchnahme privater Vorversandkontrollfirmen zu verzichten. Falls unter besonderen Umständen jedoch notwendig, solle dies nur übergangsweise und in Übereinstimmung mit dem PSI geschehen. Das Symposium brachte zudem das „Trade
Point Global Network“ hervor. Dieses Programm zielt darauf ab, 180 „Trade
Points“ in 109 Ländern zu errichten. Diese Informationsstellen sollen mit
nationalen Trade Facilitation-Zentren elektronisch verbunden werden und
eine Versorgung mit handelsbezogenen Auskünfte und Daten sicherstellen.713 Im Rahmen einer Umgestaltung der UNCTAD wurde die Abteilung
für Dienstleistungsinfrastruktur für Entwicklung und Handelseffizienz
(SITE714) geschaffen, bei der eine Unterabteilung für Trade Facilitation angesiedelt ist. Ziel von SITE ist es, Handelsverfahren weltweit zu vereinfachen und zu harmonisieren sowie Regierungen und Handel Zugang zu neuen Technologien und Informationsnetzwerken zu ermöglichen. Das von der
711 United Nations International Symposium of Trade Efficiency, Columbus, Ohio, Oct.
1994. Das Symposium kam zu dem Ergebnis, dass die Annahme von Maßnahmen
zur Steigerung der Handelseffizienz die Kosten für Handelstransaktionen signifikant
verringern kann. Diese Kosten werden auf 7 bis 10 % des Gesamtwertes des Welthandels geschätzt.
712 Diese enthält Aktionen, Empfehlungen und Richtlinien für Regierungen, nationale
und internationale Organisationen und Unternehmen. Diese befassen sich mit 6 Bereichen, welche als reif für greifbare Ergebnisse im internationalen Handel gehalten
wurden: Zoll, Transport, Banken- und Versicherungswesen, Handelsinformationen,
Handelspraktiken und Telekommunikation. Es wurde sich darauf geeinigt, dass die
UNCTAD im Mittelpunkt der Umsetzung der Deklaration stehe, welche wiederum
koordinierte Bestrebungen nationaler und internationaler Gremien, besonders der UN
voraussetze.
713 Vor allem durch den Einsatz moderner E-Commerce-Techniken soll kleinen und mittelständischen Unternehmen so der Zugang zu internationalen Märkten erleichtert
werden. Durch ein elektronisch verbundenes Netzwerk von Trade Points in vielen
Ländern der Welt, das Global Trade Point Network (GTPNet), erhalten KMU Zugang
zu den neusten Informations- und Telekommunikationstechnologien und Dienstleistungen. Dies ermöglicht ihnen, ihre Produkte bekannt zu machen und Geschäftspartner in anderen Ländern zu finden. Die Dienstleistungen werden kostengünstig und
mit dem übergreifenden Ziel angeboten, das Risiko eines Ausschlusses zu verringern
und die Teilnahme der KMU – vor allem aus Entwicklungs- und Schwellenländern –
am Welthandel zu erhöhen.
714 Division of Services Infrastructure for Development and Trade Efficiency.
235
Kapitel E: „… drawing on the work of other organisations …“ – Ergebnisse der Arbeiten in
anderen Organisationen
Kommission entwickelte automatisierte System für Zolldaten und deren
Management (ASYCUDA),715 eine Zollsoftware, stellt das bedeutendste
Programm technischer Hilfe in über 70 Schwellenländern dar. In den meisten Fällen hat die Anwendung zu höheren Staatseinnahmen, einer schnelleren Frachtabfertigung und einer besseren Datenerhebung und -verbreitung
geführt.
2.2.
UN/ ECE
Die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UN/ECE)
befasst sich vornehmlich mit der Implementierung von Trade FacilitationStrategien. Die Tatsache, dass eine Vielzahl der Bestimmungen des GATT
1994 vor allem in Entwicklungsländern noch nicht umgesetzt werden konnten, macht die von der UN/ECE erarbeiteten Empfehlungen zu einem der
bedeutendsten Instrumente der Handelsentwicklung. Seit ihrer Gründung im
Jahre 1973 hat die Kommission eine Vielzahl internationaler Normen und
Standards entwickelt und bewahrt, die das effektive Funktionieren der Handelsinfrastruktur weltweit sicherstellen. Der UN Layout Key beispielsweise,
die erste Empfehlung der UN/ECE, ist ein Standard für die Ausgestaltung
von Handels- und Transportpapieren auf dem heute die Mehrheit der Handelspapiere weltweit basieren. Dieser bildet auch die Grundlage für das EUEinheitspapier. Im Laufe der Jahre hat die UN/ECE weitere Empfehlungen
ausgearbeitet, die sich bspw. auf die Platzierung von Codes in Handelsdokumenten, einen Verhaltenskodex für E-Business oder, wie die aktuellste
Empfehlung, auf das Single Window-Konzept beziehen.716
Aus einer Arbeitsgruppe der UN/ECE für die Vereinfachung Internationaler
Handelsverfahren (WP.4.) ist UN/CEFACT, das Zentrum für die Vereinfachung von Verfahren und Praktiken in der Verwaltung, im Handel und
Transport,717 hervorgegangen. Dieses hat sich zur Aufgabe gemacht, die Bürokratie im Welthandel abzubauen, Transparenz zu fördern und den Datenaustausch durch E-Commerce zu verbessern. Durch Vereinfachung und
Senkung der Transaktionskosten soll vor allem auch kleinen und mittelständischen Unternehmen eine Beteiligung am Welthandel ermöglicht werden.
Dem UN/CEFACT ist unter anderem der internationale EDI-Standard
715 UNCTAD’s Automated System for Customs Data and Management.
716 Sämtliche Empfehlungen sind zu finden unter http://www.unece.org/cefact/trafix/
bdy_recs.htm.
717 The Centre for Facilitation of Procedures and Practices for Administration, Commerce and Transportation.
236
2. Die Vereinten Nationen
UN/EDIFACT718 zu verdanken. Derzeitiges Projekt ist, in Zusammenarbeit
mit der Wirtschaft, die Entwicklung der nächsten Generation von elektronischen Handelsstandards (e-business standards), ebXML. Darüber hinaus
dient die UN/ECE auch als Diskussionsforum für Handelspolitiken. In dieser Funktion hält die Kommission regelmäßig Konferenzen und Workshops
ab. Während die Trade Facilitation-Konferenzen in den Jahren 2002 und
2003 eher den ökonomischen Nutzen, die Bedürfnisse des Handels und die
Bestrebungen in der Welthandelsorganisation thematisierten, ging es in dem
Workshop im Jahre 2004 konkret um die Vermittlung von Know-how, in
erster Linie zur Unterstützung weniger entwickelter Staaten.719
2.2.1. UN/ EDIFACT
Da die Übermittlung per EDI ohne eine Standardisierung und Codierung
von Informationen auf allen Ebenen wenig effizient wäre, wurde der einheitliche internationale Standard für den Austausch von Geschäftsinformationen, UN/EDIFACT, entwickelt. Dieser besteht aus einer Gesamtheit von
Regeln und Verfahren, wobei jede Information durch ein unzweideutiges
Symbol repräsentiert wird. Auch die Reihenfolge, in der die Symbole anzugeben sind, ist standardisiert. Diese Codes und deren Format werden
durch UN/EDIFACT vorgegeben. Das Format, das als EDIFACT Syntax
bezeichnet wird, kann als elektronisches Äquivalent zum UN Layout Key
bezeichnet werden. Die Syntax, ein ISO-Standard,720 enthält Regeln zur
Strukturierung der Nachrichten. Eine EDIFACT-Nachricht ist definiert
durch eine Serie von Bausteinen, wobei jeder Baustein standardisiert ist und
für jeden eine separates UN/EDIFACT Verzeichnis existiert, das wiederum
Teil des UN/EDIFACT-Standards ist. Die Syntax-Regeln bestimmen auch
die Struktur der Standardnachricht der Vereinten Nationen (UNSM).
UN/EDIFACT bezieht sich jedoch nur auf die Nachricht, die Kommunikationsmethode ist nicht vom Standard erfasst. Die Übermittlung kann daher
über geschäftliche oder öffentliche Netzwerke aber auch über das Internet
erfolgen. UN/EDIFAC ist zudem unabhängig von Hard- und Software. Heute befinden sich etwa 200 Nachrichten721 in dem aktuellen Verzeichnis für
Standardisierte Nachrichten der Vereinten Nationen (UNSMD). Die Verzeichnisse sind sowohl über die UN/ECE Trade Facilitation Internetseite722
718 United Nations Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and
Transport.
719 Siehe http://www.unece.org.
720 ISO 9735.
721 Im Jahre 2000.
722 http://www.uncefact.org.
237
Kapitel E: „… drawing on the work of other organisations …“ – Ergebnisse der Arbeiten in
anderen Organisationen
als auch über nationale, regionale oder internationale Organisationen, die
den Prozess unterstützen, und das UN/ECE-Sekretariat zugänglich. Mittlerweile findet EDIFACT Anwendung in einer Vielzahl von Branchen.723
2.2.2. UNeDocs
In den neunziger Jahren wurde deutlich, dass die technologische Komplexität und die Fokussierung von UN/EDIFACT auf die Automatisierung weit
fortgeschrittener Bereiche der Versorgungskette allenfalls den Industriestaaten zur Entwicklung ihres E-Business-Sektors dienen könne. E-Business als
globale Lösung für die durch Papier erwachsenden Probleme in der Wertschöpfungskette war gescheitert. So wurde 2000 das UNeDocs Projekt ins
Leben gerufen. Von Regierungen, Industrieverbänden und Forschungsinstituten unterstützt, hat das Projekt ein Konzept für ein globales Handelsdokumentationssystem entwickelt. Es basiert auf der Erkenntnis, dass Papier
noch lange nicht ausgedient hat und sich die Umstellung auf elektronische
Handelspapiere in den Staaten und im Handel unterschiedlich schnell vollziehen wird. Mit dem Ziel, Papier und elektronische Dokumente zu integrieren, wurde das Konzept digital paper for trade entwickelt. Danach werden
Handelspapiere durch Dokumentdatendefinitionen, anwendbare Standards
und beste Handelspraktiken definiert. Das Dokument, welches auf dem UN
Layout Key basiert, kann sowohl in Papierform als auch in elektronischer
Form (UN/EDIFACT, XML) benutzt werden.724 Dokumentbasierende Daten
können so auf einfache und günstige Weise ausgetauscht werden, so dass
auch kleinen und mittelständischen Unternehmen die Teilnahme an fortgeschrittenen Versorgungsketten möglich ist. Das Konzept inkorporiert die
UN/CEFACT Trade Facilitation-Empfehlungen, die elektronischen Handelsstandards für einen effizienten und sicheren Handel und erfasst Schlüsseldokumente wie Rechnung, Zollanmeldung und Versandanweisung. Die UNeDocs stellen eine offene und technologisch neutrale Lösung dar, die auf Papier, in XML-, PDF- und EDI-Format generiert, mit gewöhnlichen Internetbrowsern visualisiert und mit Standardsoftware angewendet werden kann.
UNeDocs unterstützen zudem die elektronische Signatur. Damit gewährleis-
723 Darunter: Einkauf, Transport, Bank- und Versicherungswesen, Produkt- und Qualitätsdaten, Materialwirtschaft, Statistik, Reisen, Tourismus und Freizeit, Zoll, Architektur, Ingenieurwesen und Baugewerbe, Gesundheitswesen, Sozial- und Arbeitsverwaltung.
724 Weiterhin basiert es auf dem UNTDED/ISO 7372 UN Trade Data Elements Directory.
238
3. Die Weltbank
tet das Konzept die Interoperabilität für den Austausch papierbasierter Informationen zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor.725
3. Die Weltbank
Erste Unternehmungen mit dem Ziel, Vereinfachungen und Erleichterungen
im Transportsektor zu erreichen, hat die Bank im Jahr 1976 in Südamerika
durchgeführt. Es folgten ähnliche Projekte, vor allem in Afrika, wo Studien
über corridor economics, die Logistik von Binnenländern, und Trade Facilitation unternommen wurden. Die Auswirkungen von Dienstleistungen und
dem damit verbundenen Infrastrukturmanagement wurden erstmals 1989 in
Indien untersucht.
In jüngerer Zeit ist die Weltbank neben diesen auf bestimmte Regionen begrenzte Studien dazu übergegangen, Trade Facilitation auch global zu betrachten. So hat die 1995 veröffentlichte Studie zur Entwicklung des Finanzund Privatsektors (FPD)726 die Bedeutung der Informationstechnologie bei
der Abfertigung von Waren in verschiedenen Staaten analysiert und verglichen. Es wurde festgestellt, dass ein vereinfachter und beschleunigter Austausch von Handelsdaten auf elektronischem Weg auf nationaler Ebene zu
einer Verringerung von Zwischenschritten, weniger Personal und einer kürzerer Verfahrensdauer führt, was niedrigere Kosten und damit Einsparungen
sowohl auf Seiten der Behörden als auch auf Seiten der Nutzer zur Folge
hat. Waren können so effizienter be- und entladen, Probleme antizipiert und
rechtzeitig behoben, Einrichtungen optimal genutzt und Straßen, Schienen,
Häfen sowie Hafeninfrastruktur und Hafeneinrichtungen vollständig ausgelastet werden. Die gewonnenen Erkenntnisse haben zu einer Formulierung
einer „Besten Praxis“ für den Einsatz von Informationstechnologien geführt.
Damit reagierte die Weltbank auf die gestiegene Nachfrage der Staaten nach
technischen und institutionellen Richtlinien zur praktischen Umsetzung von
Trade Facilitation. Im Vordergrund der Empfehlungen steht der Einsatz von
Techniken für den elektronischen Handel, allen voran EDI (Electronic Data
Interchange). Neben neueren Studien zur Trade Facilitation auf nationaler
Ebene727 ist im Februar 2004 eine weitere Studie zur Abschätzung der potentiellen Gewinne durch Trade Facilitation weltweit veröffentlicht wor-
725 Siehe näheres unter http://www.unece.org/etrades/unedocs.
726 Schware/Kimberley, Information Technology and National Trade Facilitation – Making the Most of Global Trade, World Bank Technical Paper Number 316, 1995.
727 Alavia, Good practice in trade facilitation: lessons from Tunesia, Premnotes Worldbank No. 89, Juli 2004.
239
Kapitel E: „… drawing on the work of other organisations …“ – Ergebnisse der Arbeiten in
anderen Organisationen
den.728 Der weltweite Gesamtgewinn im Handel mit Fertigprodukten durch
Trade Facilitation-Maßnahmen wird darin auf 377 Milliarden USD geschätzt. Danach werden Einfuhren und Ausfuhren in allen Regionen zunehmen.
4. Das internationale Handelszentrum der
UNCTAD/WTO (ITC)
Als Organisation der technischen Zusammenarbeit hat sich das gemeinsam
von WTO und UNCTAD geführte internationale Handelszentrum zum Ziel
gesetzt, Entwicklungs- und Schwellenländer, insbesondere deren Wirtschaftssektoren darin zu unterstützen, ihr Ausfuhrpotential zu entwickeln
und die Einfuhroperationen zu verbessern, um auf lange Sicht eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Dabei ist das ITC vor allem mit der praktischen Seite der Handelsförderung und Exportentwicklung befasst. Neben
einer direkten Unterstützung einzelner Unternehmen sucht das Zentrum
durch Partnerschaften mit relevanten Service-Institutionen größere Entwicklungsimpulse zu erzielen. Zu den sechs Hauptaufgaben zählen Produkt- und
Marktentwicklung, die Entwicklung von Support-Dienstleistungen, Handelsinformation, Personalentwicklung, internationales Einkaufs- und Beschaffungsmanagement, Bedarfsanalyse und Programmdesign. Die Reichweite der Dienstleistungen, die Expertise und Lieferweisen werden kontinuierlich überprüft und den wechselnden Bedürfnissen ihrer Klienten angepasst. Das ITC bezieht auch Fragen von allgemeinem Interesse, wie Umweltaspekte, Unternehmensentwicklung, Frauenförderung, Armutsbekämpfung und Beschäftigungsförderung, sowie wirtschaftliche und technische
Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsländern, mit ein.
5. Die Internationale Handelkammer (ICC)
Die Internationale Handelskammer (ICC729), die Unternehmen in 130 Staaten vertritt, gehört neben den internationalen Transportorganisationen730 und
728 Wilson/Mann/Otsuki, Assessing the Potential Benefit of Trade Facilitation (siehe
Kapitel A 4.1.2.).
729 International Chamber of Commerce.
730 International Express Carrier’s Conference (IECC); International Air Transport Association (IATA); International Chamber of Shipping (ICS); International Road Transport Union (IRU); International Federation of Freight Forwarders Associations
(FIAA); International Federation of Customs Brokers Association (IFCBA).
240
5. Die Internationale Handelkammer (ICC)
der ISO731 zu den wohl bedeutendsten auf dem Gebiet von Trade Facilitation
tätigen Nichtregierungsorganisationen. Die Mehrheit der mehrere tausend
Mitglieder zählenden Kammer sind kleine und mittelständische Unternehmen, die ihren Sitz zum Großteil außerhalb der OECD-Staaten haben. Seit
den frühen zwanziger Jahren verfolgt die ICC die Vereinfachung und Harmonisierung des Zolls. Durch verschiedene Kommissionen732 wirbt sie für
harmonisierte Geschäftspraktiken. Ergebnisse ihrer Aktivitäten sind u.a. die
„ICC Incoterms“, Standardbegriffe und -definitionen zur Verwendung in
internationalen Verträgen, internationale Praktiken für die Bezahlung von
Einfuhren und Ausfuhren (UCP500733) und einheitliche vertragliche Regeln
für Vertriebsverträge.734 Zusammen mit der WCO verwaltet die ICC das
System der Carnets-ATA für die vorübergehende Einfuhr von Waren. In Kooperation mit der UNCTAD wurden des weiteren Regeln für multimodale
Transportdokumente geschaffen. Der Beobachterstatus in der WCO ermöglicht der ICC eine Beteiligung an verschiedenen WCO-Initiativen. So gibt
sie gegenüber dem für Bewertungsfragen zuständigen Technischen Ausschuss der WCO Stellungnahmen ab, unterrichtet ihre Mitglieder über die
Arbeiten in der WCO hinsichtlich der nichtpräferentiellen Ursprungsregeln
und beobachtet die Entwicklungen bei der Einreihung und dem Harmonisierten System. Sowohl im Hinblick auf die nicht-präferentiellen Ursprungsregeln als auch auf das Harmonisierte System beschränkt sich das Engagement der ICC auf solche Fragen, die nicht im Zusammenhang mit einem
speziellen Sektor stehen.
Dass Trade Facilitation in Singapur auf die WTO-Agenda gesetzt wurde, ist
nicht zuletzt der ICC zu verdanken. So hat sie sich bereits im Jahre 1996 mit
verschiedenen Trade Facilitation-Aspekten wie der Reduzierung von Papier,
dem Einsatz von E-Commerce, der Einführung von Risikoanalysetechniken
und der Weiterbildung der Zollbeamten beschäftigt. Ergebnis waren die Internationalen Zollrichtlinien aus dem Jahr 1997. Zudem hat sie die WTO
dazu ermutigt, Empfehlungen mit dem Ziel abzugeben, eine größtmögliche
Zahl der Mitgliederregierungen zur Einhaltung der revidierten und gestärkten Kyoto-Konvention zu bewegen, an deren Überarbeitung die ICC maßgeblich beteiligt war. Die Bildung der WTO-Arbeitsgruppe zur Modernisie-
731 International Organisation for Standardization.
732 Kommission für Techniken und Praktiken im Bankwesen; Kommission für Transport; Kommission für Internationale Handelspraktiken; Ständige Kommission für Erpressung und Bestechung.
733 Uniform Customs and Practice for Documentary Credits.
734 ICC Model Distributorship Contract.
241
Kapitel E: „… drawing on the work of other organisations …“ – Ergebnisse der Arbeiten in
anderen Organisationen
rung des Zolls erfolgte ebenfalls auf ihre Initiative hin.735 Die ICC ist der
Ansicht, dass eine Einigung innerhalb der WTO auf dem Gebiet von Trade
Facilitation notwendige Voraussetzung für die Beendigung der Arbeiten zum
Zollwert, zu den nichtpräferentiellen Ursprungsregeln und zu den Vorversandkontrollen ist.
6. Die ISO
Bei der ISO handelt es sich um ein Netzwerk nationaler Normungsinstitute
aus 146 Staaten, das vom Sekretariat in Genf aus koordiniert wird. Dieser
Nichtregierungsorganisation kommt eine besondere Brückenfunktion zwischen privatem und öffentlichem Sektor zu, da die ihr angehörenden Institute teilweise von den nationalen Regierungen beauftragt oder diesen untergliedert, teilweise aber auch fest im Privatsektor verwurzelt sind. Die ISO
ermöglicht somit die Erzielung eines Konsenses, der die Bedürfnisse des
Privatsektors und jene der Allgemeinheit, beispielsweise der Konsumenten
und Nutzer, vereint. Jede Mitgliedsinstitution kann sich an der Entwicklung
der ISO-Normen beteiligen, wobei jeder Institution eine Stimme zusteht,
unabhängig von der wirtschaftlichen Situation des jeweiligen Heimatlandes.
Die in der ISO im Wege des Konsenses angenommenen Normen sind freiwilliger Natur. Einen Teil der 13 000 entwickelten internationalen Normen,736 vor allem auf dem Gebiet der Gesundheit, der Sicherheit und Umwelt, haben Staaten durch Annahme zur staatlichen Regelungen oder zur
technischen Grundlage ihrer Gesetze gemacht. Trotz der grundsätzlich freiwilligen Natur können die Normen jedoch praktisch zur Voraussetzung für
den Marktzugang werden.737 Alle 5 Jahre werden die Standards überprüft,
und es wird entschieden, ob sie beibehalten, an die Anforderungen des
Marktes angepasst oder abgeschafft werden.738
735 Aufgabe der Arbeitsgruppe sollte es nach Vorstellung der ICC sein, die Auswirkungen von zollbedingten Handelsschranken auf WTO-Verpflichtungen zu analysieren,
Schritte auszuarbeiten, die unter dem gegenwärtigen WTO-Recht – bspw. die Transparenzerfordernisse nach Art. X GATT – zur Reduzierung dieser zollbedingten Handelsschranken unternommen werden können und dabei enge Rücksprache mit Vertretern der Unternehmen zu halten.
736 Zu den geläufigsten ISO-Normen gehören die ISO-Codes für die Bezeichnung von
Staaten (ISO 3166), die Währungscodes (ISO 4217), Sprachencodes (ISO 639), das
Daten- und Zeitformat (ISO 8601), die Normen für Frachtcontainer, für Managementsysteme und für Datensicherheit (ISO/IEC 17799).
737 So etwa die ISO 9000 Qualitätsmanagementsysteme, oder die Abmessungen für
Frachtcontainer und Bankkarten.
738 Siehe Näheres unter: http://www.iso.org.
242
7. Global Facilitation Partnership (GFP)
7. Global Facilitation Partnership (GFP)
Im Jahre 1999 wurde die Global Facilitation Partnership von WCO,
UNCTAD, UN/ECE der ICC und der Weltbank ins Leben gerufen. Dabei
handelt es sich um ein Netzwerk von mittlerweile über 150 öffentlichen und
privaten Partnern, die das gemeinsame Ziel verbindet, für die Umsetzung
von Trade Facilitation-Programmen an der Basis, in jedem Staat und innerhalb regionaler Wirtschaftszusammenschlüsse, zu werben. Eine Koordinierung der jeweiligen Expertise der Partner hat zur Entwicklung und Durchführung konkreter Projekte auf dem Gebiet von Trade Facilitation geführt.
So hat die GFP eine umfassende Facilitation-Audit-Methodologie verbreitet
und umgesetzt.739 Damit kann die Effizienz von Handels- und Transporttransaktionen im Wege vereinfachter Datensätze qualitativ eingeschätzt
werden. Weiter hat sich die GFP mit der Messung von Transitzeiten und
-kosten beschäftigt und eine Datenbank errichtet, die sich auf Angaben der
mit der Durchfuhr betrauten Stellen und Privater stützt. Diese Indikatoren
werden überwacht und regelmäßig veröffentlicht. Ein großer Teil der Aktivitäten umfasst Sammlung und Austausch von Wissen sowie Weiterbildung.
So existiert neben der Trade Facilitation-Webseite eine Initiative für Fernunterrichtsprogramme (GFP-DLI).
739 Veröffentlicht 2001 unter dem Titel „Trade and Transport Facilitation: A Toolkit for
Audit, Analysis and Remedial Action.“ Die Onlineversion wurde mittlerweile in Anbetracht der Sicherheitsproblematik überarbeitet.
243
Kapitel F: Positionen zu Trade Facilitation auf
WTO-Ebene
Die Stimmen zur Normierung weitergehender Trade Facilitation-Maßnahmen auf Welthandelsebene sind vielfältig. Das Spektrum reicht von der
Forderung nach umfassenden verbindlichen Verpflichtungen bis zur vollständigen Ablehnung jeglicher neuer WTO-Verpflichtungen. Der folgende
Überblick spiegelt auch die in den WTO-Verhandlungen immer wieder vorgebrachten Argumente wider.
1. Trade Facilitation aus Sicht der Europäischen
Gemeinschaft
Die Europäische Gemeinschaft zählt zu den Vorreitern in der Diskussion
über umfassende Trade Facilitation-Regelungen auf WTO-Ebene. Sie war
das erste Mitglied, das auf das Mandat von Singapur hin im August 1997
eine Stellungnahme abgab.740 Auch in der Folgezeit hat sie der Diskussion
zu immer neuen Dimensionen verholfen.741 Das Trade Facilitation-Konzept
der EG, welches deutlich die Schaffung verbindlicher WTO-Regelungen
zum Ziel hat, stützt sich in weiten Teilen auf die Erfahrungen, die bei der
Beseitigung innergemeinschaftlicher Handelshemmnisse gemacht werden.742
740 Stellungnahme vom 20.08.1997, G/C/W/85.
741 Assessment of Scope for WTO Rules in the field of Import, Export and Customs
Procedures (G/C/W/122), Issues Relating to the Physical Movement of Consignments (G/C/W/133), Trade Facilitation and E-Commerce (G/C/W/138), Trade Facilitation in relation to existing WTO Agreements (G/C/W/136, G/L/299, S/C/W/101,
IP/C/W/131), Trade Facilitation in relation to Development (G/C/W/143,
WT/COMTD/W/60), Proposal on trade facilitation (WT/GC/W/190), Basic
GATT/WTO principles as applied to trade facilitation (G/C/W/211), Technical assistance and capacity building in relation to trade facilitation (G/C/W/235), etc.
742 Unnötig komplizierte und veraltete Verfahren, die dem IT-basierten Handelsumfeld
nicht mehr entsprechen, haben in den EG-Mitgliedstaaten zu einer unilateralen Automatisierung der Verfahren geführt. Hemmnisse papierbasierter Verfahren konnten
so abgeschwächt und die Kontrollen verbessert werden. Das einzelstaatliche Vorgehen hat jedoch dazu geführt, dass sich die IT-Systeme nun von Staat zu Staat unterscheiden. Das Fehlen gemeinsamer Standards für die Verwendung der Systeme im
Zollbereich – mit Ausnahme von NCTS – verhindert eine Kommunikation untereinander und damit eine effiziente Zollabfertigung und risikobasierte Kontrollen innerhalb des Binnenmarktes. Die Erkenntnis, dass diese Realitäten der Trade FacilitationPolitik und den verstärkten Sicherheitsanforderungen an den Außengrenzen der Ge-
245
Kapitel F: Positionen zu Trade Facilitation auf WTO-Ebene
1.1.
Hindernisse und deren Ursachen
Die Hemmnisse für den Handel, vornehmlich zusätzlich anfallende Kosten
und Verspätungen der Sendungen, lassen sich nach Auffassung der Gemeinschaft zusammenfassend auf vier Kategorien zurückführen743:
– unnötige oder übermäßige Erfordernisse hinsichtlich Angaben und Unterlagen;
– die wiederholte Abschrift und Vorlage derselben Informationen und
Nachweise auf verschiedenen Stufen des Transaktionsprozesses;
– wiederholte und mehrfache Anforderung derselben Informationen und
Nachweise durch verschiedene Verwaltungsstellen, sowohl im Import- als
auch im Exportstaat. Wenige Anstrengungen, diese Erfordernisse zu rationalisieren oder zu koordinieren;
– mangelnde Harmonisierung sowohl der Formulare als auch des Datengehalts innerhalb einzelner Staaten und international, die dazu führt, dass
die Informationen kontinuierlich für die verschiedenen Märkte modifiziert werden müssen.
1.2.
Trade Facilitation-Konzept der EG
Verbindliche Verpflichtungen der WTO-Mitglieder zu Zollreformen würden
nach Ansicht der EG erheblich zur Erleichterung des internationalen Handels beitragen. Diese Reformen müssten neben einer Vereinfachung und
meinschaft, wie bspw. der Container Security Initiative, entgegenstehen, hat die Gemeinschaft zum Handeln veranlasst. Durch eine Revision des Zollkodex und die Einbeziehung autonomer Zollgesetze (Zollbefreiung, die Erstellung von Ursprungszeugnissen, Gepäckkontrollen) sollen Zollverfahren und Prozesse angeglichen und Regeln
über gemeinsame Standards für IT-Systeme entwickelt werden. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der Gemeinschaft und jener, die mit der Gemeinschaft
handeln, soll dadurch verbessert werden. Gemeinsame Standards, u.a. für Risikoanalyse, und deren Management durch eine gemeinsame IT-Infrastruktur sollen die Sicherheit an den Außengrenzen erhöhen und das Betrugsrisiko senken. Die Reform
realisiert zudem die eGovernment-Initiative auf dem Gebiet des Zolls und stellt eine
effektive Umsetzung der Kommissionsinitiative zur „besseren Regulierung“ (Better
Regulation initiative) dar. Auch anderen Gemeinschaftspolitiken, wie dem Schutz vor
indirekter Besteuerung, dem Schutz der Landwirtschaft, des Handels, der Umwelt,
der Gesundheit und der Verbraucher wird dadurch in verbesserter Form Rechnung
getragen.
743 Trade Facilitation – Assessment of the Scope for WTO Rules in the Field of Import,
Export and Customs Procedures, Communication by the European Community,
G/C/W/122 v. 22.09.1998.
246
1. Trade Facilitation aus Sicht der Europäischen Gemeinschaft
Harmonisierung der Daten und Verfahren auch den Einsatz moderner Technologien beinhalten, u.a. um einen kostenlosen Zugang zu Zollinformationen zu ermöglichen. Für dauerhafte Effekte sei in einigen Staaten eine generelle Verwaltungsreform unumgänglich, wobei die Bekämpfung der Korruption besondere Anstrengungen bedürfe. Zur Verwirklichung dieser Ziele
schlägt die EG ein sämtliche Grenzverfahren umfassendes Konzept vor, dessen Grundlage das Übereinkommen über technische Handelshemmnisse
(TBT) bildet.744 Dieses stelle, bezogen auf das konkrete Regelungsgebiet,
eine pragmatische und ausgewogene Lösung dar, die allgemeine und konkrete Verpflichtungen mit allgemeinen Rechtsprinzipien verbinde, bestimmte Maßnahmen zur Erreichung legitimer Ziele zulasse und dabei sicherstelle,
dass diese Maßnahmen den Handel so wenig wie möglich beeinträchtigen.
Darüber hinaus beziehe es die Errungenschaften andere internationaler Organisationen ohne Duplikation ein und beinhalte Maßnahmen zur besonderen und differenzierten Behandlung und zu technischer Hilfe.745 Neben der
Übertragung der im TBT zu findenden Trade Facilitation-Aspekte und allgemeinen WTO-Prinzipien746 sieht der Entwurf die Einbeziehung moderner
Trade Facilitation- Instrumente vor.
1.3.
Maßnahmen und Instrumente zur Handelserleichterung
1.3.1. Modernisierung und Automatisierung des Zolls
Eine unverzichtbare Voraussetzung einer umfassenden Handelserleichterung, vor allem in Ländern mit hohem Transaktionsaufkommen, ist nach
Ansicht der EG die Automatisierung von Zollunterlagen und Zollverfahren.
Dabei müsse verhindert werden, dass die bestehenden, auf Papier basierenden Verfahren lediglich in elektronische Form gebracht werden. Vielmehr
müssten diese zuallererst auf Vereinfachungen hin überprüft und eventuell
neu gestaltet werden.
Notwendige allgemeine Kernfunktionen eines automatisierten Zollsystems –
wobei gewisse Variationen möglich seien – sind danach:
744 Zunächst solle sich die Umsetzung des Konzepts auf den Zoll beschränken und sei
dann nach und nach auf die anderen Stellen auszuweiten.
745 Submission from the EC, WTO Trade Facilitation – Improvements to GATT Article
VIII on fees and formalities connected with importation and exportation, G/C/W/394,
S. 2.
746 Siehe dazu: Communication from the European Communities, Basic GATT/WTO
Principles as applied to Trade Facilitation, v. 6.6.2000, Docs. online G/C/W/211;
Lux/Malone, WTO Trade Facilitation negotiations, in: AW-Prax 2002.
247
Kapitel F: Positionen zu Trade Facilitation auf WTO-Ebene
– Anmeldung und Freigabe von Waren durch den Einsatz von Datenverarbeitung zur Durchführung der gängigen Zollverfahren (zumindest Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr, Versandverfahren, Zolllagerund Ausfuhrverfahren)
– Verhinderung neuer Handelshemmnisse (z.B. begrenzter oder teurer Zugang, Beschränkungen bei elektronischen Signaturen etc.) oder deren Intensivierung.
– „Single Window“ für alle Stellen, die bei Ein- und Ausfuhrverfahren involviert sind.
– Internationale Standards, Protokolle und Formate.
– Bereitstellung von Informationen zu Zollvorschriften im Internet.
Nicht nur Zollverwaltungen sollten zur Automatisierung der Verfahren und
zum Einsatz von EDI verpflichtet werden. Vielmehr sollten diese Techniken
an allen Schnittstellen von Handel und Regierung, einschließlich sämtlicher
Kontrollen, eingesetzt werden, da anderenfalls der Nutzen computerbasierter
Verfahren für die Abfertigung und Freigabe von Waren geschmälert werde.747 Dem Handel müsse ein elektronischer Zugang zu sämtlichen relevanten Informationen, auch über Normen und Kontrollvoraussetzungen, verschafft und diesem ermöglicht werden, EDI auch bei Kontroll- bzw. Konformitätsbewertungsverfahren einzusetzen. Zolltechniken wie Vorabfertigung, Risikoanalyse, Abgabenentrichtung nach Freigabe der Waren und die
Zollanmeldung aus der Ferne seien notwendige Bestanteile einer Modernisierung. Automatisierung und EDI sollten auf offenen, interoperablen und
international anerkannten Standards und Codes beruhen, nicht unnötig beschränkend sein und keine Technologien vorschreiben. Die Wahl der Technologie und der Schnittstelle solle im Einvernehmen von öffentlichen und
privaten Anwendern erzielt werden.748
1.3.2. Single Window und Bündelung von Kontrollen
Das Konzept sieht weiter vor, dass sich Ein- und Ausführer nur ein einziges
Mal an eine Stelle – normalerweise den Zoll oder ein Handelsministerium –
wenden müssen, die für die Weiterleitung der Daten an die anderen relevanten Stellen und die Koordination der Stellen untereinander sorgt. Optimale
747 Auch Lizenzverfahren und Verfahren anderer Kontrollstellen, wie Veterinär- und
Gesundheitskontrollen, Transport und Transitvorkehrungen, Banken und Zahlungssystemen sollten automatisiert und EDI-fähig gemacht werden.
748 Trade Facilitation and Electronic Commerce – Communication from the European
Community, v. 4.03.1999, G/C/W/138.
248
1. Trade Facilitation aus Sicht der Europäischen Gemeinschaft
Ergebnisse würden durch den Einsatz von IT749 und die Bündelung offizieller Kontrollen erzielt. Ziel müsse es sein, die Kontrollen zu koordinieren
und zu delegieren, so dass der Zoll – in Vertretung der anderen Stellen – dazu in der Lage ist, sämtliche Überprüfungen750 einmal und am selben Ort
vorzunehmen, soweit er über die notwendige Expertise verfügt. Die Kontrollzeiten sollten dem Handel entgegenkommen.
1.3.3. Harmonisierung und Standardisierung von Unterlagen
Der Computerisierung von Daten muss nach Ansicht der EG eine Reduktion, Vereinfachung und Harmonisierung der Daten- und Unterlagenerfordernisse vorausgehen. Die WTO-Mitglieder sollten verpflichten werden, offene, interoperabele, internationale Standards, wie z.B. UN/EDIFACT zur
Grundlage harmonisierter und vereinfachter Daten- und Unterlagenerfordernisse zu machen. Verfahren könnten bspw. auf die Standards der revidierten
Kyoto-Konvention gestützt werden. Die Vorlage von Dokumenten in elektronischer Form sollte in der Regel, soweit sie mit den von Regierungen angenommenen Standards in Einklang stehen, vom Zoll akzeptiert werden.
Die Normen seien so zu gestalten, dass deren Anwendung durch kleine und
mittelständische Unternehmen erleichtert werde. Wahlweise solle es jedem
Mitglied möglich sein, zusätzlich papierbasierte Verfahren beizubehalten,
z.B. für gelegentliche Händler. Wünschenswert sei zudem ein einheitliches
Anmeldeformular für sämtliche Zollverfahren, wie bspw. das EGEinheitspapier.
1.3.4. Vereinfachte Verfahren für autorisierte Händler
Im Zusammenhang mit der Vereinfachung von Verfahren wird betont, dass
die Reichweite der Rationalisierungen bestimmt werden müsse. Neben dem
allgemeinen Abbau der bürokratischen Hürden müssten weitere Vereinfachungen wie Anschreibung und die Gestellung in den Geschäftsräumen für
zuverlässige Händler erreicht werden. Die Gewährung einer speziellen Behandlung sowie der Ausschluss davon sei anhand konkreter Kriterien (bspw.
der Nachweis bisherigen Wohlverhaltens, finanzielle Stabilität, verlässliche
Rechnungslegung zwecks Rechnungsprüfung) zu definieren. Beispielhaft
nennt die EG das schwedische „Treppenmodell“, wonach der Grad der Ver749 Das Single Window Konzept ist bereits Teil des E-Commerce Projekts der Kommission. Besonderer Wert sei bei der Umsetzung auf die Verbesserung der amtsinternen
Koordination und Zusammenarbeit und die Schaffung elektronischer Netzwerke zu
legen. Diese seinen Voraussetzungen für ein Gelingen des Projekts.
750 Bspw. Gesundheits- und Sicherheitsangaben und Zertifikate, Kontrollen im Hinblick
auf Verbote, Überwachung der Einhaltung von Rechten des geistigen Eigentums,
Einfuhrlizenzkontrollen, Ausfuhrsubventionsüberwachung.
249
Kapitel F: Positionen zu Trade Facilitation auf WTO-Ebene
einfachung von der Verlässlichkeit und dem Wohlverhalten abhängig ist.
Unter bestimmten Voraussetzungen müsse eine sofortige Freigabe der Waren
bei unvollständiger Anmeldung ermöglicht werden, wenn sie von einer ergänzenden periodischen Anmeldung oder Anschreibung der Waren gefolgt
wird.751
1.3.5. Einbeziehung Privater
Zur Schaffung eines vertrauensvollen Verhältnisses zwischen Handel und
Zoll schlägt die EU gemeinsame Absichtserklärungen und den Erlass von
Verwaltungsrichtlinien vor. In Zusammenarbeit von Handel und Zoll seien
auf EU-Ebene bspw. ergänzende Texte auf Gebieten geschaffen worden, die
Zollvorschriften unterliegen (z.B. zur Zollbefreiungen und Zollverfahren mit
wirtschaftlichen Auswirkungen). Im Hinblick auf den Transit sei neben einem automatisierten TIR-System eine Ausweitung und Verbesserung des
bestehenden, auf Papier basierenden Systems, zu verfolgen. So müsse bspw.
die Akzeptanz von Garantien, soweit es sich um Transitbewegungen auf hinreichend sicherem Gebiet handelt, erreicht werden. Das bislang auf den
Straßenverkehr fokussierte TIR-System müsse auf sämtliche Transportformen ausgeweitet werden.
Zukünftige WTO-Regeln müssten verhindern, dass ein zu starrer Privatsektor der Leichtigkeit des Handels entgegen steht. Das Bestehen der Banken
auf den Empfang physischer Dokumente vor Auszahlung oder Devisenfreigabe, oder Verzögerungen beim Banktransfer stellen solche Hemmnisse dar.
Es sollte daher über ein Regelwerk nachgedacht werden, das die Akzeptanz
elektronischer Akkreditive und elektronischer Äquivalente anderer, von
Banken geforderter Handelsdokumente, vorsieht, und welches den elektronischen Transfer von Geldern beschleunigt.752 Da die Einführung von EDI
jedoch von der Akzeptanz und Unterstützung des Privatsektors abhängt, sei
eine Zusammenarbeit zwischen privaten Akteuren und der Verwaltung essentiell. Nur durch Kooperation ist eine Berücksichtigung der Bedürfnisse
des Handels bei der Entwicklung alternativer elektronischer Übermittlungstechniken zu gewährleisten und damit eine spätere Kompatibilität zu erreichen.
1.3.6. Technische Hilfe und Capacity Building
In Anerkennung der Schwierigkeiten mancher Mitglieder bei der Umsetzung
der während der Uruguay-Runde kreierten Verpflichtungen schlägt die Ge751 Siehe dazu Kapitel E, 1.4.2 a).
752 Communication by the EC, Trade Facilitation and Electronic Commerce, 4.03.1999;
G/C/W/138.
250
1. Trade Facilitation aus Sicht der Europäischen Gemeinschaft
meinschaft Neuerungen im Hinblick auf die Bestimmungen zur Unterstützung der Entwicklungsland-Mitglieder und LDCs vor.753 Die diesbezüglich
in Betracht gezogenen, konkreten Maßnahmen sollten danach über einen
längeren Zeitraum angewendet und verfolgt werden, um sie langfristig zu
verwurzeln. In diesem Zusammenhang mahnt die EG mehr Transparenz und
eine bessere Koordination der Technischen Hilfe zur Schaffung von Kapazitäten an. Es bestünden bereits Hilfsprogramme im Bezug auf Trade Facilitation auf bilateraler und multilateraler Ebene, jedoch seien diese entweder zu
speziell oder für viele Staaten technisch zu fortgeschritten, teilweise überschneiden sie sich und sind untereinander nicht koordiniert. Darüber hinaus
existierten keine global verwandten Standards und Regeln, nach denen Handelsverfahren vereinfacht würden und keine einheitlichen Maßstäbe, an denen die Geberländer die Erfolge messen könnten. Bereits während der Verhandlungen müsse daher erörtert werden, wie die Umsetzung erfolgen soll.
Kernpunkte sei ein Informationsaustausch über bestehende technische Hilfe
auf dem Gebiet, die Identifikation der Bedürfnisse, Hilfeleistung auf Anfrage bedürftiger Mitglieder, die Überwachung der Hilfsprogramme und ihre
Auswertung mit Blick auf die Effektivität.
1.3.7. Benchmarking
Um die Freigabezeiten merklich zu verringern wird weiterhin vorgeschlagen, dass ein zukünftiges Trade Facilitation-Abkommen spezielle Bestimmungen über die Messung der Leistungen, beispielsweise der Abfertigungszeiten, enthält.754 Möglich sei, diese Zeiten zu notifizieren und sie innerhalb
realistischer Ziele fortschreitend zu reduzieren. Erfahrungen hätten gezeigt,
dass Benchmarking eine aktive Beteiligung der Wirtschaft erfordert. Es führe zu einem Verständnis für Zollvorschriften und deren Anwendung, und das
so geschaffene gegenseitige Vertrauen wirke sich zeit- und kostensparend
aus.
Eine Einbeziehung von Benchmarking in neue Regelungen brächte zum
Ausdruck, dass echte und messbare Ergebnisse erwartet werden. Die WTOMitglieder sollten daher mit Benchmaking-Maßnahmen beginnen und Indikatoren bestimmen, an denen die Erleichterung der Verfahren später gemes-
753 Communication by the EC, Technical assistance and capacity building in relation to
Trade Facilitation, 2.10.2000, G/C/W/235.
754 So haben die Gemeinschaft und die Zollverwaltungen der EU-Beitrittskandidaten
bestimmte Maßstäbe genutzt, um einerseits die Arbeitsweisen in der Gemeinschaft
anzugleichen und andererseits die Durchführung von Kontrollen und Verfahren zu
verbessern. Auf diese Weise konnten in der EU bereits beträchtliche finanzielle Einsparungen erzielt werden.
251
Kapitel F: Positionen zu Trade Facilitation auf WTO-Ebene
sen werden könne. Die so gefundenen Ergebnisse sollten veröffentlicht werden.
1.4.
Konkrete Vorschläge im Hinblick auf das WTO-Recht
Während der Vorarbeiten zu den Verhandlungen über Trade Facilitation in
der WTO hat die EG konkrete Vorschläge zur Änderung und Verschärfung
existierenden WTO-Rechts gemacht. Neben den drei maßgeblichen Artikeln
des GATT755 beziehen sich diese auf Art. VII GATT, die relevanten Zusatzübereinkommen des GATT und auf das GATS- und TRIPS-Übereinkommen.
1.4.1. Artikel X
a)
Zugang zu relevanten Informationen
Im Hinblick auf Art. X GATT schlägt die EG eine Ergänzung der zu veröffentlichenden Handelsvorschriften vor.756 Vorabentscheidungen, vor allem
verbindliche Auskünfte über die zolltarifliche Einreihung und den Ursprung
von Waren, könnten erfasst werden, vorausgesetzt vertrauliche Informationen und Geschäftsgeheimnisse blieben gewahrt. Es bedürfe Bestimmungen,
nach denen eine solche verbindliche Entscheidung zurückgenommen werden kann, wenn sie auf unwahren, fehlerhaften oder unvollständigen Angaben beruht. Ansonsten dürfe sie nicht rückwirkend oder ohne vorherige Benachrichtigung der interessierten/betroffenen Parteien zurückgenommen
werden. Zu veröffentlichende Informationen sollten übersichtlich, leicht
verständlich und nicht in einer Weise dargestellt werden, die ausländische
Parteien diskriminiert.757 Zudem sollte unterstrichen werden, dass administ755 G/C/W/363 v. 12.04.2002; G/C/W/394; v. 12.07.2002; G/C/W/422v. 30.09.2002.
756 “All relevant laws, regulations, administrative guidelines, specific decisions of or
having general application, information on customs and other agency processes, conditions and qualifications for different forms of customs treatment, right of appeal
procedures, fees and charges, port, airport and other entry-point procedures etc., relating to border crossing trade, should be published and made easily available via an
officially designated medium, (including electronic form) and accessible to any interested party on a non-discriminatory basis. All amendments thereto should be made
public in the same way. Any fees charged for the provision of information to interested parties should be commensurate with the cost of providing that service. The information to be made public could include also details of customs’ and other government agencies’ management plans relating to implementation of WTO commitments, or of their relevant reform and modernisation programmes, including for example targets, deadlines and benchmarks set in such programs”, G/C/W/363, S. 2.
757 Dies werde auch von der WCO im Hinblick auf Informationen im Zusammenhang
mit dem Zoll gefordert.
252
1. Trade Facilitation aus Sicht der Europäischen Gemeinschaft
ratives Eingreifen, Beschlüsse oder Entscheidungen, die Einführer oder Ausführer betreffen, nur aufgrund Gesetz erfolgen dürfen. Die Mitglieder sollten
sich dazu verpflichten, Auskunftsstellen einzurichten, die Regierungen und
Händler diskriminierungsfrei nutzen können. Diese Stellen sollten beim
WTO-Sekretariat notifiziert werden.758 Wird technische Hilfe geleistet, so
müsse diesem Projekt Priorität eingeräumt werden. Möglich sei zudem, eine
per Internet zugängliche WTO-Datenbank zu kreieren, die sämtliche der
dem Sekretariat notifizierten Informationen enthält.
b)
Konsultationen zwischen öffentlichem und privatem Sektor
Erweiterte Bestimmungen könnten zudem Konsultationen zwischen interessierten Parteien, Regierungen und dem privaten Sektor vorsehen, rechtzeitig
bevor geplante Gesetze, Bestimmungen und Verfahren, die die Ein- und
Ausfuhrverwaltung betreffen, angenommen werden oder in Kraft treten. In
diesem Zusammenhang sei auch ein geregeltes Konsultationsverfahren
denkbar. Es sollten einheitliche und ausreichende Fristen für Bemerkungen,
sowie zwischen Annahme neuer Bestimmung und deren Inkrafttreten vorgesehen werden, damit sich der Handel darauf einstellen kann. Der Hinweis
auf die geplante Bestimmung könnte auch die ihr zugrundeliegende Motivation, deren Ziele und evtl. Alternativen enthalten.759 Zudem wäre eine Verpflichtung möglich, wonach primäres Recht regelmäßig überprüft und gegebenenfalls konsolidiert wird, um dessen Aktualität zu sichern.
c)
Beschwerdeverfahren und Rechtsstaatlichkeit
Darüber hinaus müsse es in jedem Mitglied ein diskriminierungsfreies Beschwerderecht gegen Entscheidungen des Zolls bei der Durchfuhr, im Einund Ausfuhrverfahren geben. Es müsse die Möglichkeit bestehen, sich zunächst an eine höhere Stelle innerhalb derselben oder einer anderen Behörde
zu wenden und bei Nichtabhilfe eine unabhängige, gerichtliche oder administrative Stelle anzurufen. Alle relevanten Verfahrensinformationen, die
Fristen und Voraussetzungen müssten öffentlich zugänglich sein. Für die
Entscheidung über die Beschwerde auf Behördenebene sollte eine einheitliche Frist festgelegt werden. Unternehmen sollten das Recht haben, sich in
jedem Verfahrensstadium vertreten zu lassen. Steht die Entscheidung im
758 Dahingehende Bestimmungen seien bereits in TBT und SPS enthalten, nicht aber in
Art. X GATT allgemein für den Zoll und andere Stellen, die beim Handel mit Waren
eine Rolle spielen.
759 G/C/W/363, S. 3.
253
Kapitel F: Positionen zu Trade Facilitation auf WTO-Ebene
Beschwerdeverfahren über den zu zahlenden Zoll noch aus, so sollten die
Waren gegen Sicherheitsleistung freigegeben werden.760
1.4.2. Artikel VIII
Das Fehlen operabeler Verpflichtungen zur Vereinfachung und Reduzierung
von Gebühren und Förmlichkeiten stellt nach Ansicht der Gemeinschaft eine
entscheidende Schwäche des derzeitigen WTO-Rechts dar. Eine Reform des
Art VIII GATT sollte ihrer Ansicht nach allgemeine und spezielle Zugeständnisse der Mitglieder vorsehen.
a)
Allgemeine Bestimmungen
Die allgemeinen Regelungen erfassen alle Verfahren, Förmlichkeiten und
Erfordernisse, Gebühren und Belastungen, die vom Zoll oder anderen Behörden im Zusammenhang mit der Ein- oder Ausfuhr von Waren angewandt
werden. Soweit angemessen, sollen auch die von Behörden unterhalb der
Bundesebene und die von Zollunionen angewandten Verfahren und Erfordernisse erfasst sein. Für deren Gestaltung, Anwendung und Auswirkungen
müsse der Grundsatz der Nichtdiskriminierung, der Rechtssicherheit, der
Transparenz und der möglichst geringen Beeinträchtigung des Handels gelten. In Anlehnung an Art. 2.2. und 2.3. des TBT sollte eine Bestimmung geschaffen werden, wonach Verfahren oder Erfordernisse dann nicht beibehalten werden sollen, wenn die Umstände oder Ziele, die zu ihrer Annahme
geführt haben, nicht mehr bestehen, oder wenn veränderten Umständen oder
Zielen in weniger handelsbeschränkender Weise begegnet werden kann. Die
Mitglieder sollten ihre Ein- und Ausfuhrverfahren auf internationale Normen und Instrumente stützen, es sei denn, diese sind zur Verfolgung eines
legitimen Zwecks ungeeignet.
b)
Spezielle Bestimmungen zu Gebühren und Abgaben
Unsicherheiten im Hinblick auf den Regelungsumfang des Art. VIII Abs. 1
a) GATT, die trotz der Konkretisierung im Wege der Streitbeilegung weiterhin bestehen, will die Gemeinschaft durch eine einheitliche Interpretation
begegnen. Die Mitglieder sollten sich wie folgt einigen:
– Die erbrachte Dienstleistung muss sich auf die jeweiligen Waren beziehen.
– Der Berechnung der Gebühren und Abgaben darf nicht der Wert der Ware
zugrunde gelegt werden (ad valorem).
760 ebenda, S. 4.
254
1. Trade Facilitation aus Sicht der Europäischen Gemeinschaft
– Verwaltungs- oder Betriebskosten, die nicht mit der Behandlung der einoder ausgeführten Waren in Zusammenhang stehen, dürfen nicht erhoben
werden.
Weiter sollte eine Verpflichtung zur Überprüfung und gegebenenfalls zur
Konsolidierung und Reduzierung der existierenden Gebühren und Abgaben
geschaffen werden. Die verbleibenden Gebühren sollten zusammen mit ihrer
Rechtfertigung nach Art. II und Art. VIII GATT notifiziert werden. Denkbar
wäre zudem eine illustrative Liste, welche die zulässigen Gebühren und Abgaben enthält.761
c)
Spezielle Bestimmungen zu Daten- und Dokumentationserfordernisse und Verfahren
Im Hinblick auf die vielfältigen Daten- und Dokumentationsanforderungen
wäre es sinnvoll, dass die Mitglieder sich zu deren Vereinfachung und Reduzierung auf ein absolutes Minimum verpflichten. Dieses Minimum sollte
der Verfolgung legitimer Politiken Rechnung tragen und auf internationalen
Normen (bzgl. Format und Inhalt) beruhen. Unnötige Erfordernisse, wie
etwa konsularische Rechnungen könnten abgeschafft werden. Für den Fall,
dass ein physisches Dokument verlangt wird, könnte normiert werden, dass
grundsätzlich eine Kopie ausreicht, es sei denn, es liegt ein klar definierter
Ausnahmefall vor. Hilfreich wäre die Einführung eines einheitlichen inländischen Zollkodexes oder ähnlichen Rechts durch jedes WTO-Mitglied oder
jede Zollunion. Grundsätzlich sollten kommerziell zugängliche Informationen und Dokumente akzeptiert werden. Daten- und Dokumentationsanforderungen sollten regelmäßig – unter Hinzuziehung von Vertretern des Handels
– überprüft werden. Ein Grundsatz, nach dem alle Daten- und Dokumentationsanforderungen einfach und einmalig bei einer Behörde, für gewöhnlich
beim Zoll, vorzulegen sind, ergänzen das Konzept. Ausnahmen davon seien
noch näher zu bestimmen. Für Entwicklungsländer sollte diesbezüglich eine
progressive Umsetzung vorgesehen werden.762
Darüber hinaus müsse eine Diskriminierung gleichartiger Produkte im Hinblick auf Dokumentations- und Verfahrenserfordernisse, unabhängig davon,
wie diese transportiert werden, ausgeschlossen werden. Nichtdiskriminierung sollte auch bei der Lizenzierung von Zollagenturen festgeschrieben
werden. Deren obligatorische Inanspruchnahme sollte im Laufe der Zeit abgeschafft werden sollte.
761 G/C/W/394, S. 5.
762 ebenda, S. 6.
255
Kapitel F: Positionen zu Trade Facilitation auf WTO-Ebene
1.4.3. Artikel V GATT
a)
Nichtdiskriminierung
Im Hinblick auf Artikel V des GATT ist nach Ansicht der Gemeinschaft zu
klären, wie der Grundsatz der Nichtdiskriminierung auf verschiedene Beförderungsarten im Transitverfahren konkret anzuwenden sei. Trotz Verbots der
Diskriminierung zwischen Beförderungsarten sei es in vielen Staaten aufgrund von Handelsgepflogenheiten und legitimen Transportpolitiken (Umwelt- oder Gesundheitsschutz, Sicherheit) naturgemäß oftmals einfacher,
bestimmte Transportwege zu benutzen. Die Klarstellung müsse daher dem
Flexibilitätsbedürfnis der Mitglieder im Hinblick auf legitime Politiken
Rechnung tragen. Zu klären sei weiter, ob neben den klassischen Beförderungsarten auch der Transport beispielsweise von Gas oder Öl durch Pipelines o.ä. von Art. V GATT erfasst sei.763 Die Diskriminierung individueller
Beförderer im Transitverfahren müsse ebenso effektiv verhindert werden.
Die Mitglieder sollten sich daher über die von Art. V Abs. 2 GATT erfassten
Verhaltensweisen verständigen. Um zu gewährleisten, dass die zukünftige
Arbeit im Rat für Warenhandel mit jener im Rat für den Dienstleistungshandel im Einklang steht, sei es notwendig, die Unklarheiten bei der Abgrenzung der Freiheit der Durchfuhr vom liberalisierten Dienstleistungshandel
nach dem GATS zu beseitigen. Die unterschiedliche Behandlung verschiedener Sendungen sei anzugehen. Beispielsweise haben lokale Beförderer in
einigen Staaten, ungeachtet der vom Ausfuhr- oder Einfuhr-Mitglied gegebenen Sicherheitsgarantien, das alleinige Transportrecht für bestimmte,
meist kontrollierte Waren. In diesen Fällen müsse notwendigerweise abgegrenzt werden, ob dem ein legitimer Zweck zugrunde liegt, oder ob es sich
schlicht um eine Bevorzugung einheimischer Unternehmen handelt. Anerkannt werden sollte, dass bestimmte Waren immer speziellen Bestimmungen
unterliegen werden oder ganz von der Durchfuhrfreiheit ausgenommen werden. Zukünftige Regelungen könnten bspw. vorsehen, dass die Mitglieder
Listen zu veröffentlichen haben, die diese sensiblen Güter enthalten. Für den
Fall, dass die Durchfuhr dieser sensiblen Güter nur unter bestimmten Voraussetzungen gewährt wird, müsse sichergestellt werden, dass diese verhältnismäßig sind und einheitlich angewandt werden.
b)
Vereinfachung
Da sich Art. VIII GATT gerade nicht auf die Durchfuhr bezieht, müssen
nach Ansicht der EG spezielle Regelungen zur Vereinfachung getroffen
werden. Da es ihrer Einschätzung nach unwahrscheinlich ist, dass innerhalb
763 G/C/W/422, S. 5, para. 5.A.
256
1. Trade Facilitation aus Sicht der Europäischen Gemeinschaft
der WTO eine Einigung auf einheitliche Datensätze für die Durchfuhr möglich ist, schlagen sie vor, dass Datenerfordernisse (a) auf internationalen
Standards basieren, soweit diese existieren, diese (b) einen legitimen Zweck
erfüllen und auf das erforderliche Minimum beschränkt sind, und (c) auf der
Annahme gründen, dass sie weniger umfassend und belastend sein müssen,
als die für die Einfuhr geforderten Daten.764
c)
Gebühren und Belastungen in der Durchfuhr
Unklarheiten bestünden weiter bei der Angemessenheit von Gebühren und
Belastungen anlässlich der Durchfuhr, wie in Art. V Abs. 4 GATT niedergelegt. Sinnvoll wäre eine Konkretisierung des Absatzes und eine Klarstellung,
dass Gebühren nur für legitime, die Effektivität der Durchfuhr sicherstellende Dienstleistungen erhoben werden dürfen. Die Mitglieder könnten eine
Liste mit den erfassten Dienstleistungen aufstellen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Gebühren nicht nur im Falle direkter und konkreter Dienstleistungen gerechtfertigt seien, sondern auch durch solche, die dem Transporteur allgemein zu Gute kommen, wie etwa die Nutzung von Hafengewässern
oder die vom Staat zu gewährleistende Instandhaltung der Infrastruktur.
Auch exzessive Gebühren für die Nutzung des Luftraums eines WTOMitglieds müssten nach Ansicht der EG erfasst sein, soweit diese unter Art.
V Abs. 7 GATT fallen. Im Hinblick auf die zu leistenden Sicherheiten wäre
es sinnvoll, Regelungen zur Höhe, zur Art und zu deren Verwaltung aufzustellen. Was die im Zusammenhang mit der Durchfuhr erwachsenden Kosten
angeht, so verweist die EU auf ihre Vorschläge zu Art. VIII GATT.
d)
Regionale Durchfuhrvereinbarungen
Reformpotential bestehe auch insoweit, als die bestehenden Regelungen
keinerlei Bezug auf regionale Transitvereinbarungen nehmen. Neue Bestimmungen könnten zur Einrichtung regionaler Zonen auffordern und Orientierung bzgl. der wesentlichen Elemente bieten. Möglich wäre auch, den
Beitritt zu internationalen Zolltransitinstrumenten anzuregen oder deren
Standards bei regionalen Vereinbarungen zu beachten.765
764 G/C/W/422, S. 6.
765 ebenda, S. 7.
257
Kapitel F: Positionen zu Trade Facilitation auf WTO-Ebene
1.4.4. Weitere Aspekte
a)
Artikel VII GATT
Zusätzliche Trade Facilitation-Regelungen können nach Ansicht der EG766
dazu beitragen, dass die Mitglieder den Zollwertkodex, der bereits einen
erheblichen Beitrag zur Handelserleichterung leistet, auch sachgemäß anwenden. Eine Datenverarbeitung aufgrund von Daten, die auf elektronischem Wege vor der Ankunft der Waren an den Grenzen übermittelt wurden,
reduziere Fehlerquellen, beschleunige die Abfertigung und schaffe Kapazitäten für die korrekte Anwendung des Zollwertkodex. Gleiches gelte für andere moderne Zolltechniken wie Risikoanalyse, vereinfachte Verfahren für
autorisierte Händler, etc. Dadurch könne der Zoll seine Expertise auf Risikogüter konzentrieren und den Betrug durch Unterbewertung oder falsche
Einreihung reduzieren.
b)
Technische Handelshemmnisse
Nach Ansicht der EG sollte der für technische Handelshemmnisse zuständige Ausschuss vor allem die Normung auf internationaler Ebene vorantreiben
und, falls die Harmonisierung der Normen nicht hinreichend zügig zu erreichen ist, auf eine gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit existierender Normen setzen. Erfahrungen auf EG-Ebene haben gezeigt, dass die
Harmonisierung und gegenseitige Anerkennung technischer Vorschriften
sehr aufwendig und die dahingehenden Bestrebungen vielfach unproduktiv
sind.767 Im Gegensatz dazu sei die multilaterale Harmonisierung freiwilliger
Normen wesentlich unkomplizierter. Eine solche Harmonisierung müsse
von kollektiven Anstrengungen technisch kompetenter Unternehmen mit
ausreichend Prestige in den speziellen Sektoren ausgehen. Weiter sei eine
766 Trade Facilitation in relation to existing WTO Agreements, Communication from the
EC, G/C/W/136, G/L/299, S/C/W/101, IP/C/W/131.
767 In den ersten 28 Jahren verfolgte die Gemeinschaft eine Harmonisierung von technischen Vorschriften, wobei Vorschläge von der Kommission gemacht wurden und diese im Ministerrat zwischen den Mitgliedstaaten ausgehandelt wurden. Zähe Verhandlungen gingen zu Lasten des umfassenden Anspruchs (Harmonisierung wurde zur
Option, auf Teilbereiche beschränkt, minimiert, Alternativen vorgesehen oder stückchenweise realisiert), was wiederum zu einer Vielzahl verschiedener, im Anwendungsbereich sehr beschränkter Richtlinien führte. Die Folge davon sind häufige und
substantielle Neufassungen, die wiederum zu wiederkehrenden und schwierigen
Konflikten führen. In ihrer Stellungnahme „Trade Facilitation in relation to existing
WTO Agreements“ (G/C/W/136) befürwortet die Europäische Gemeinschaft die Deregulierung und eine „Gute Praxis“ bspw. durch Rückgriff auf Konformitätserklärung
durch den Lieferanten in den Fällen, in denen eine Konformitätsbewertung durch einen Dritten nicht unbedingt notwendig ist.
258
1. Trade Facilitation aus Sicht der Europäischen Gemeinschaft
Deregulierung erforderlich und eine „gute Regelungspraxis“768 zu erarbeiten. Möglich wäre der Rückgriff auf eine Konformitätserklärung des Lieferanten, wenn eine Bewertung durch Dritte nicht absolut notwendig ist.
c)
Vorversandkontrollen
Im Hinblick auf Vorversandkontrollen schlägt die EG einen Langzeitplan
vor, der durch ein Trade Facilitation-Recht gestützt werden könnte.769 Durch
moderne, die Effizienz steigernde Zolltechniken werde den Benutzermitgliedern eine Alternative zu Vorversandkontrollen eröffnet. Für jedes einzelne Benutzermitglied sollte in Zusammenarbeit mit WCO, Weltbank,
UNCTAD und in einigen Fällen auch spezieller UN Behörden und Organisationen, wie bspw. der ICC, ein Umsetzungsplan aufgestellt werden. Bis
zur vollständigen Abschaffung müssten die derzeit praktizierten Vorversandkontrollen verbessert werden, um einen nahtlosen Übergang zu erreichen. Von einer physischen Kontrolle sämtlicher Sendungen müsse Abstand
genommen und zu selektiven Inspektionen gewechselt werden, die sich Risikoanalysemethoden zu Nutze machen. Die von PSI-Firmen erhobenen Daten sollten mit den im Einfuhrland vorliegenden abgeglichen werden. Eine
freiwillige Verpflichtung der Vorversandkontrollstellen zu fortschreitender
Automatisierung und Standardisierung der Verfahren sei wünschenswert.
Vorversandkontrollen lassen sich nach Ansicht der EG zudem durch eine
frühzeitige Versorgung mit Informationen und durch die Koordination der
Informationen zwischen verschiedenen Stellen verbessern. Innerhalb festgelegter Fristen sollten Bewertungsmethoden auf Grundlage des Zollwertabkommens eingeführt werden.
d)
Einfuhrlizenzverfahren
Zur Verwirklichung des EG-Konzepts bedürfte es auch einer Änderungen
der Bestimmung über Einfuhrlizenzverfahren. Im Hinblick auf das Single
Window-Konzept müsse die Bestimmung, nach der sich der Antragsteller an
maximal drei Behörden zu wenden hat, abgeschafft werden. Die Verfahrenserfordernisse sollten so weit wie möglich durch kommerziell zugängliche
Informationen erfüllt werden können.770 Zur Beschleunigung und zur Verringerung von Fehlerquellen müssen Regelungen zur Automatisierung von
Lizenzverfahren mit der Möglichkeit, Lizenzanträge in elektronischer Form
768 “good regulatory practice”.
769 European Communities, Trade Facilitation in relation to existing WTO Agreements,
G/C/W/136, G/L/299, S/C/W/101, IP/C/W/131.
770 Trade Facilitation in relation to existing WTO Agreements, Communication from the
EC, G/C/W/136; G/L/299; S/C/W/101; IP/C/W/131.
259
Kapitel F: Positionen zu Trade Facilitation auf WTO-Ebene
einzureichen, getroffen werden. Eine umfassende Bestimmung könnte alle
zu stellenden Anträge erfassen.
e)
Ursprungsregeln
Mit Blick auf die von der EG befürwortete unfassende Trade FacilitationLösung muss geprüft werden, inwieweit ein harmonisiertes Datenformat für
Ursprungsnachweise realisiert werden kann und das „Single WindowKonzept“ auf Herkunftslandnachweise anwendbar ist. Auch die Kommunikation zwischen Einführer, Ausführer und staatlichen Stellen mit Hilfe von
EDI und vereinfachte Verfahren für autorisierte Händler seinen zu erörtern.
Ein Beispiel bildet die Ursprungserklärung, mit der ein Wareneinführer auf
der Rechnung oder einem anderen Handelsdokument selbstverantwortlich
den Präferenzursprung einer Ware bescheinigen kann. Einer Einschaltung
der Zollbehörden bedarf es nicht.
1.5.
Bewertung
Das Trade Facilitation-Konzept der Europäischen Gemeinschaft ist zweifelsohne umfassend, und seine Umsetzung hätte weitreichend positive Auswirkungen auf den Welthandel. Jedoch ist die Verwirklichung des Konzepts
in weiten Teilen unrealistisch. Dies liegt zum einen daran, dass das Konzept
teilweise aus den späten neunziger Jahren stammt, in denen die Entwicklungen in der WTO – vor allem das Scheitern der Ministerkonferenz in Cancún
– nicht abzusehen waren. Der Blick auf die derzeit stattfindenden Verhandlungen in der WTO macht deutlich, dass eine derart weitgehende Reform,
mag sie auch wünschenswert sein, auf WTO-Ebene in den nächsten Jahren
jedenfalls nicht zu erwarten ist. Schon die Einigung auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner bis zur Ministerkonferenz in Hongkong Ende 2005 dürfte schwierig werden. Die Diskrepanzen zwischen Konzeption und realistischer Erwartungen an die Reformen dürften zudem damit zu begründen
sein, dass es sich in weiten Teilen um politisch motivierte Forderungen handeln, die im Kontext der gesamten Doha-Runde zu sehen sind, in der es in
erster Linie um Landwirtschaft und die Liberalisierung des Dienstleistungssektors geht. Die Forderungen dienen folglich auch der Positionierung der
Gemeinschaft. Wie aus dem Entwurf stellenweise selbst hervorgeht, ist das
Konzept auf einen längeren Zeitraum angelegt, und auch aus Brüssel wird
nicht erwartet, dass soweit eine Einigung der Mitglieder auf diesem Gebiet
in naher Zukunft erzielt wird, die Neuerungen derart weitreichend sein werden.
Dennoch ist das Konzept richtungsweisend. Neben der starken Anlehnung
an das in Doha formulierte und später konkretisierte Trade Facilitation-
260
2. Trade Facilitation aus Sicht der Literatur
Mandat, und unter Einbeziehung der in den Verhandlungen geäußerten Vorschläge der Mitglieder, enthält das Konzept konkrete Vorschläge zur Vereinfachung und Beschleunigung der Zollverfahren weltweit. Diese wiederum
basieren auf Ergebnissen anderer internationaler Organisationen, vor allem
der WCO und auf den Erfahrungen auf Gemeinschaftsebene. Letzteres
macht deutlich, dass die Vorschläge in vielen Fällen nicht 1:1 umsetzbar sein
werden, da die Mitgliederstruktur der WTO eine wesentlich geringere Homogenität aufweist als jene der EG. Es ist zu beachten, dass Verfahren und
Techniken, die sich in Industrieländern bewährt haben, selbst bei hinreichender finanzieller Unterstützung nicht ohne weiteres in Entwicklungsländern eingeführt werden können. Vielmehr müssen deren individuellen Bedürfnisse und Möglichkeiten berücksichtigt werden. Neue WTOVerpflichtungen sind folglich nur realistisch, wenn die zur Umsetzung erforderliche technische und finanzielle Hilfe bereitgestellt und praktische
Unterstützung beim Ausbau der Leistungsfähigkeit der Mitglieder geleistet
wird.
2. Trade Facilitation aus Sicht der Literatur
Neben den politisch motivierten Forderungen der WTO-Mitgliedstaaten, die
zumeist die ökonomischen Aspekte von Trade Facilitation in den Vordergrund stellen und die rechtlichen Aspekte eher vernachlässigen, existieren in
der Literatur vereinzelt Stellungnahmen zu Trade Facilitation vor dem Hintergrund des WTO-Rechts. Eine Auswahl der Visionen wird im folgenden
näher dargestellt und einer Bewertung unterzogen.
2.1.
Das Übereinkommen über Maßnahmen zur Förderung von
Trade Facilitation
Aus den Reihen der Juristen hat sich beispielsweise Yukyun Shin mehrfach
zu Trade Facilitation in der WTO geäußert.771 Sein vorläufiger Entwurf eines Übereinkommens über Maßnahmen zur Förderung von Trade Facilitation,772 bestehend aus einer Präambel und 24 Artikeln, stellt einen Versuch
dar, die Masse der von verschiedenen Seiten hervorgebrachten Vorschläge
771 Siehe dazu Yukyun Shin, New Round and Trade Facilitation: Proposing a Tentative
Draft Agreement on Trade Facilitation Measures, in: JoWT 2001, S. 229 ff. und derselbe, Trade Facilitation and WTO Rules, in: JoWT 1999, S. 131 ff.
772 Agreement on the Measures to Promote Trade Facilitation.
261
Kapitel F: Positionen zu Trade Facilitation auf WTO-Ebene
zusammenzufassen und diesen oftmals politischen Forderungen ein rechtliches Gewand zu geben.773
2.1.1. Grundlegendes
Art. 1 des Entwurfs enthält neben einer Definition von Trade Facilitation774
den ausdrücklichen Hinweis, dass die anlässlich des Grenzübertritts von Waren angewandten administrativen Verfahren775 mit dem GATT 1994 in Einklang stehen und einheitlich sowie transparent angewandt werden müssen.
Zudem dürfen Einfuhren oder Ausfuhren nicht aufgrund geringfügiger Abweichungen im Hinblick auf Quantität, Gewicht oder Maß untersagt werden.
Ausdrücklich ist zudem erwähnt, dass die Ausnahmen zur Wahrung der Sicherheit gemäß Art. XIX GATT unberührt bleiben. In Art. 2 schlägt er die
Niederlegung von Prinzipien wie Nichtdiskriminierung, Gleichbehandlung
ausländischer und inländischer Waren, Transparenz und Verhältnismäßigkeit
auf dem Gebiet von Trade Facilitation, vor. Vorgesehen ist zudem eine Bekräftigung der Vereinfachung- und Harmonisierungsbestrebungen, wie sie in
Art. V, VII, VIII, IX, X des GATT 1994 zu finden ist und eine Anerkennung
der bedeutenden Rolle des Zollwertkodex und der anderen relevanten multilateralen Zusatzübereinkommen zur Erleichterung des Handels.776 Zur Umsetzung der darin enthaltenen Verpflichtungen bekennen sich die Mitglieder
in einem gesonderten Artikel des Entwurfs. Darüber hinaus wird die Bedeu-
773 Shins Abkommensentwurf ist in sechs Abschnitte untergliedert. Abschnitt I enthält
allgemeine Vorschriften und grundlegende Prinzipien, Abschnitt II die Zollverwaltung und damit verbundene Reformen, und ein dritter Abschnitt regelt Verpflichtungen unter dem GATT und deren Änderung mit Blick auf Trade Facilitation. Der besonderen und differenzierten Behandlung der Entwicklungsländer ist der Abschnitt
IV des Entwurfs gewidmet, und ein fünfter regelt die Beilegung von Streitigkeiten.
Die Schlussbestimmungen finden sich in Abschnitt VI.
774 „Vereinfachung und internationale Harmonisierung von Handelsverfahren, wobei es
sich bei letzteren um die Aktivitäten, Praktiken und Formalien zur Sammlung, Präsentation, Kommunikation und Verarbeitung von Daten handelt, die notwendig für
Warenbewegungen im internationalen Handel sind.“
775 Dies beinhaltet Kontrollmaßnahmen des Zolls, zur Überprüfung ob Zollgesetze und
-vorschriften eingehalten wurden wie beispielsweise: Einhaltung von technische Vorschriften, veterinäre Untersuchungen von Tieren und Tierprodukten auf Seuchen,
pflanzenschutzrechtliche Untersuchung von Pflanzen und deren Produkten, andere
Qualitätskontrollen, um sicherzustellen, dass die Ware den nationalen oder internationalen Mindeststandards entspricht.
776 Übereinkommen über Vorversandkontrollen, über Ursprungsregeln, gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen und das Übereinkommen über
technische Handelshemmnisse.
262
2. Trade Facilitation aus Sicht der Literatur
tung des GATS777 samt seiner Länderlisten und die des TRIPS778 für Trade
Facilitation anerkannt.
2.1.2. Einbeziehung anderer internationaler Vereinbarungen
Shins Entwurf nimmt zudem auf die in der UN/ECE erarbeiteten Normen,
Codes und Richtlinien sowie die nonstop-Verfahren zur elektronischen Abfertigung von Waren Bezug, deren Entwicklung der Weltzollorganisation
übertragen wurde. Explizite Erwähnung findet die in der revidierten KyotoKonvention vorgesehene Vorabfertigung und die Berechnung der Zölle und
Steuern anhand der Geschäftsbücher. Zu diesem Zweck sollte den einschlägigen Normen und Übergangsnormen der Allgemeinen Anlage sowie den
einschlägigen Normen der Spezifischen Anlagen der Konvention mit Inkrafttreten des Trade Facilitation-Übereinkommens Rechtsverbindlichkeit
zuerkannt werden. Die Bekämpfung der Korruption sollte nach Ansicht
Shins statt im Wege der vielerorts erwähnten Arusha-Deklaration779 der
WCO, durch Einbeziehung der OECD-Konvention zur Strafbarkeit der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr780
vorangetrieben werden.
2.1.3. Konkretisierung von GATT-Artikeln
Neben der bestehenden Veröffentlichungspflicht des Art. X GATT sieht der
Entwurf eine Notifizierung von Informationen über Zoll- und Grenzverfahren sowie deren Änderungen beim WTO-Sekretariat vor. Zudem sollten nationale Gesetze Fristen für Entscheidungen der Zollbehörden festlegen. Jegliche mit der Einfuhr oder Ausfuhr von Waren verbundenen Gebühren und
Kosten – ausgenommen der Ein- und Ausfuhrzölle und der Abgaben i. S.
des Art. III GATT – sollen danach unterhalb der Grenze von 0.15 % des Warenwertes bleiben. Die in Art. VIII 1 c) GATT niedergelegte Notwendigkeit
777 General Agreement on Trade in Services, v. 15.04.1994, Abl. 1994 L 336/184.
778 Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Right, zu Deutsch:
Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums.
779 The declaration of the World Customs Organisation concerning integrity in customs.
780 Die OECD Anti-Korruptions-Konvention trat im Februar 1999 in Kraft, und bis heute wurde sie von allen 30 OECD-Mitgliedern und 5 Nichtmitgliedern ratifiziert. Auf
diese Länder konzentriert sich mehr als ¾ des weltweiten Handels. Die OECD Konvention verbietet die Bestechung ausländischer Amtsträger. Sie sanktioniert die natürliche oder jur. Person, die ausländische Beamte im Zusammenhang mit internationalen Wirtschaftstransaktionen besticht. Eine effektive Umsetzung der Konvention
wird durch die OECD-Arbeitsgruppe für Bestechung überwacht, siehe näheres unter:
http://www.oecd.org/dataoecd/43/8/34107314.pdf.
263
Kapitel F: Positionen zu Trade Facilitation auf WTO-Ebene
zur Reduzierung und Vereinfachung der Ein- und Ausfuhrförmlichkeiten
mache zudem die Einführung moderner Zolltechniken erforderlich.781
2.1.4. Besondere und differenzierte Behandlung
Den Bedürfnissen der weniger und am wenigsten entwickelten Mitglieder
trägt der Entwurf mit längeren Umsetzungsfristen oder der Möglichkeit eines geringeren Verpflichtungsgrades bei der Verwirklichung des SingleWindow-Konzepts oder der Einführung automatisierter Abfertigungsverfahren, Rechnung. Ziel ist es, diese Mitglieder dazu zu motivieren, eine aktive
Rolle im multilateralen Handelssystem zu übernehmen. Technische Hilfe,
auf bilateralem Wege oder durch internationale Organisationen, ist ebenfalls
vorgesehen. Ob diesen Bestimmungen jedoch rechtliche Verbindlichkeit
zukommen soll, lässt Shin offen. Seiner Ansicht nach haben die bisherigen
WTO-Regelungen zur besonderen und differenzierten Behandlung den Anschein, als seien damit keine konkreten Verpflichtungen verbunden.782
2.1.5. Streitbeilegung und Umsetzung des Übereinkommens
Der Entwurf sieht vor, Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern auf dem Gebiet von Trade Facilitation dem WTO-Streitbeilegungsmechanismus zu unterwerfen. Innovativ ist der Vorschlag Shins, dass die betroffenen Ein- oder
Ausfuhren einen bestimmten Gesamtwarenwert erreichen müssen, bevor
sich Mitglieder an den Dispute Settlement Body wenden können. Steht ein
Zoll- oder ein sonstiges Grenzverfahren im Mittelpunkt des Streits, so müssen die betroffenen Waren eines einzelnen Einführers oder Ausführers einen
bestimmten Gesamtwert (bspw. 500 000 USD) erreichen, der sich innerhalb
von drei Monaten akkumulieren muss.
In Anlehnung an bestehende Zusatzabkommen soll die Umsetzung und
Durchführung des Abkommens regelmäßig überprüft werden. Dies erfordere
die Bildung eines Trade Facilitation-Ausschusses oder könne hilfsweise
durch den in Art. 4 ILP vorgesehenen Ausschuss geschehen, dem die Entscheidungsgewalt zu übertragen wäre. Für die technischen Aspekte des
781 Artikel 10, 12 und 19 des Entwurfs.
782 Shin, New Round and Trade Facilitation: Proposing a Tentative Draft Agreement on
Trade Facilitation Measures, in: JoWT 2001, S. 234; mwNw. auf: Kessie, Enforceability of the Legal Provisions relating to Special and Differential Treatment under
the WTO, in: JoWIP 2000, S. 955–975: “In other words, it is up to a developed country Member to decide whether or not it is going to provide assistance to a particular
developing country. The same applied to technical assistance provided by WTO and
multilateral institutions. The provision of technical assistance is usually dependent on
the availability of funds.”
264
2. Trade Facilitation aus Sicht der Literatur
Übereinkommens ist nach dem Entwurf nicht das WTO-Sekretariat, sondern
der Technische Ausschuss der Weltzollorganisation zuständig.
2.1.6. Bewertung
An dem Modell-Übereinkommen von Shin ist zu kritisieren, dass es vielerorts bereits bestehende WTO-Verpflichtungen wiederholt, ohne eine Verschärfung dieser vorzusehen. Die Bekräftigungen des existierenden Trade
Facilitation-Rechts in einem gesonderten Übereinkommen mag zwar der
Übersichtlichkeit dienen, eine konkrete Vereinfachung und Beschleunigung
der Verfahren wird damit jedoch nicht erzielt. Die derzeit wenig effektiven
Regelungen des Art. VIII Abs. 1 b) und c) GATT beispielsweise bedürfen
dringend einer Änderung, wenn es zu einer Vereinfachung der Grenzverfahren kommen soll. Der ausdrückliche Hinweis auf die Tatsache, dass die
Ausnahmebestimmungen zur Wahrung der Sicherheit gemäß Art. XIX
GATT unberührt bleiben ist zwar nur deklaratorischer Natur, dürfte aber die
Einigungsbereitschaft der Mitglieder fördern. Innovativ ist zudem die Einbeziehung der OECD-Konvention zur Korruptionsbekämpfung. Da deren
effektive Umsetzung durch eine OECD-Arbeitsgruppe überwacht wird, erscheinen vorzeigbare Erfolge wahrscheinlicher als im Falle einer Einbeziehung der Arusha-Deklaration der WCO. Dem Ansatz, Streitigkeiten zwischen Mitgliedern erst ab einem bestimmten Gesamtwarenwert dem Streitbeilegungsmechanismus zu unterwerfen, ist abzugewinnen, dass Verstöße
mit geringen wirtschaftlichen Folgen nicht über Gebühr Aufmerksamkeit
erregen. Fraglich ist, ob nicht schon der Aufwand eines Streitbeilegungsverfahrens die Mitglieder davon abhalten dürfte, wenig folgenreiche Verstöße
zu rügen. Der vorgeschlagene, abweichend von den Regelungen des Art.
VIII GATT vom Warenwert abhängige Höchstbetrag für Gebühren und Belastungen im Zusammenhang mit Ein- und Ausfuhr, dürfte wohl nicht auf
die Zustimmung der Mitglieder stoßen. Die Streitbeilegungspraxis jedenfalls
steht dem entgegen. Zur entscheidenden Frage, ob den Bestimmungen zur
besonderen und differenzierten Behandlung Verpflichtungscharakter zukommen soll oder nicht, bezieht Shin keine Stellung und umgeht damit einen wesentlichen Streitpunkt.
2.2.
Harmonisierung zur Erleichterung des internationalen
Handels
Mit der Relevanz der Harmonisierung für Trade Facilitation hat sich Vinod
Rege näher auseinander gesetzt. Anhand von Theorie und Praxis der Har-
265
Kapitel F: Positionen zu Trade Facilitation auf WTO-Ebene
monisierung783 auf multilateraler und regionaler Ebene versucht er unter der
Prämisse, dass die Argumente für eine Harmonisierung dann schwach sind,
wenn die Unterschiede in nationalen Vorschriften „legitim und gerechtfertigt“ sind, die Ergebnisse der Trade Facilitation-Verhandlungen in der WTO
abzuschätzen.784
2.2.1. Erfolgsfaktoren bei der Harmonisierung
Legitim können Unterschiede nach Auffassung Reges aus Gründen sein, die
auf einem unterschiedlichen Grad wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung,785 auf technologischen Disparitäten,786 auf unterschiedlicher administrativer Leistungsfähigkeit787 oder den Handelsrealitäten von Staaten beruhen. Für die Erfolgsaussichten einer Harmonisierung spiele neben der Tatsache, ob diese auf regionaler oder multilateraler Ebene angestrebt werde, ihr
Gegenstand eine entscheidende Rolle. So können Konzepte und Prinzipien,
Politikziele oder aber Verfahren angeglichen werden. Die Harmonisierungspraxis auf multilateraler und regionaler Ebene habe gezeigt, dass die Bereitschaft zur Annahme harmonisierter internationaler Regeln, die allgemeine
Prinzipien und Konzepte verbindlich niederlegen, generell groß ist. Geht es
hingegen um die Harmonisierung von Politikzielen durch Schaffung gemeinsamer Kriterien, so seien Staaten – auch wenn ein Spielraum bei der
Wahl der politischen Mittel bestehe – grundsätzlich zögerlich. Eine solche
lasse sich vor allem innerhalb wirtschaftlich zunehmend integrierter Zusammenschlüsse realisieren.788 Der Harmonisierung von Verfahrensregeln,
so Rege, werde mit vielfach größerem Widerstand begegnet, da nationale
783 Die Harmonisierung ist der Prozess, in dem zwei oder mehr Staaten die Verschiedenartigkeit ihrer Regulierungen verringern bzw. diese mehr oder weniger angleichen,
führt vor allem zur Verbesserung der Transparenz und zu niedrigeren Kosten für die
Importeure.
784 Rege, Theory and Practice of Harmonisation of Rules on Regional and Multilateral
Bases: Its Relevance for WTO Work on Trade Facilitation, in: JoWT 2002, S. 699–
720.
785 Als Beispiel werden Arbeitsrechtsstandards genannt. Diesbezüglich seien Unterschiede zwischen Ländern mit einem hohen Lebensstandard und Ländern mit einem
niedrigen Lebensstandard gerechtfertigt.
786 Die mangelnde Computerisierung in Entwicklungsländern erschwere diesen die Annahme moderner Methoden zur Steuererhebung.
787 Unterschiede in rechtlichen oder administrativen Traditionen und Präferenzen, der
Leistungsfähigkeit der Beamten Gesetze und Regelungen zu verwalten, Unterschiede
in Handelspraktiken und Handelsrealitäten.
788 Die allmähliche Harmonisierung wirtschaftlicher und sozialer Bedingungen, bspw. in
den Mitgliedstaaten der EG, habe die Rechtfertigung für die Beibehaltung unterschiedlicher Verfahren geschwächt.
266
2. Trade Facilitation aus Sicht der Literatur
Verfahrensvorschriften die wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten, die
administrative Leistungsfähigkeit und die Handelsrealitäten der Staaten berücksichtigen müssen. Das Verfahrensrecht sei das Gebiet, auf dem Regelungsunterschiede zwischen Staaten aus theoretischer Sicht grundsätzlich als
legitim gelten.
Die Schaffung der Zusatzübereinkommen zum GATT 1994 haben gezeigt,
dass eine multilaterale Harmonisierung von Verfahrensregeln dann als gerechtfertigt angesehen wird, wenn diese Verfahren der Durchsetzung substanzieller WTO-Verpflichtungen dienen. Ging es in der Vergangenheit beispielsweise um die Anwendung von Schutzmaßnahmen (bzw. Antidumpingund Ausgleichsmaßnahmen) oder um die Regelung von Importlizenzverfahren oder des staatlichen Beschaffungswesens, so war eine Harmonisierung
erfolgreich. Beziehen sich nationale Verfahrensregeln jedoch nicht direkt auf
die Durchsetzung von WTO-Verpflichtungen, so gelten Unterschiede allgemein als gerechtfertigt. Den Versuch, Trade Facilitation-Regeln im Wege der
Harmonisierung zu entwickeln, stelle daher einen bisher auf WTO-Ebene
nicht gewagten Vorstoß dar.789
2.2.2. Gründe für Verfahrensunterschiede im Zoll
Die unterschiedliche Bedeutung der Zolleinnahmen für den Staatshaushalt
in Industriestaaten und Entwicklungsländern hat dazu geführt, dass auch die
Verfahren stark divergieren.790 Während der Zoll in Industriestaaten mehr
und mehr als zuständige Stelle für Handelserleichterung angesehen wird,
kommt ihm in Entwicklungsländern vornehmlich die Rolle als Kassierer von
Staatseinnahmen zu. Zwar erkennen die Entwicklungsländer vielfach die
Bedeutung von Trade Facilitation an, generell waren sie jedoch noch nicht
dazu in der Lage, jene innovativen Methoden anzunehmen, von denen entwickelte Staaten zur Beschleunigung der Verfahren zunehmend Gebrauch
machen. Diese Tatsache basiert nach Ansicht von Rege auf drei Faktoren.
Neben der Notwendigkeit sicherzustellen, dass sämtliche Einnahmen kassiert werden, sei die Methode von Prüfung und Gegenprüfung ein Grund.
Wegen der Versuche des Handels, die relativ hohen Zollsätze zu umgehen,
sei diese jedoch notwendig. Ein weiterer Grund liege in der verbreiteten
789 Rege, Theory and Practice of Harmonisation of Rules on Regional and Multilateral
Bases: Its Relevance for WTO Work on Trade Facilitation, in: JoWT 2002, S. 709.
790 Während die Zolleinnahmen in den meisten Industriestaaten nur ca. 3 Prozent zu den
gesamten Staatseinnahmen beitragen, ist der Prozentsatz in der Mehrheit der Entwicklungsländern mit 25–30 Prozent wesentlich höher. Zudem bergen die niedrigen
Zollsätze in Industriestaaten eine geringere Gefahr im Hinblick auf Unterbewertung
oder Schmuggel.
267
Kapitel F: Positionen zu Trade Facilitation auf WTO-Ebene
Korruption. Diese Realitäten in vielen Entwicklungsländern verhinderten
beispielsweise die Annahme vereinfachter Verfahren für autorisierte Händler
oder Techniken wie das Risikomanagement. Nach Auffassung Reges könne
selbst geeignete technische Hilfe und Modernisierung keine Änderung bringen, solange diese grundlegenden Probleme bestünden.
2.2.3. Konsequenzen
Konsequenterweise sieht Rege der Harmonisierung von Zollverfahren auf
WTO-Ebene enge Grenzen gesetzt, vor allem dann, wenn es um die verpflichtende Anwendung der Verfahren in allen Mitgliedern geht. Da die realen ökonomischen und sozialen Unterschiede zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten die bestehenden Verfahrensunterschiede im Zollbereich rechtfertigten, sei eine Harmonisierung auf internationaler Ebene,
die den Entwicklungsländern harmonisierte, verpflichtende Regeln vorschreibt, der falsche Weg.791 Um eine Beschleunigung der Warenbewegungen und Abfertigungen zu erreichen, sollten die Entwicklungsländer als erstes darin unterstützt werden, die auf nationaler Ebene angewendeten Verfahren zu verbessern und zu rationalisieren. Mit Blick auf zukünftige Regelungen weist Rege auf die im WTO-Recht vielerorts zu findenden unverbindlichen Regelungen hin, die den Mitgliedern ‚best endeavours‘, also ihr bestmögliches Tun, abverlangen.792 Die Anwendung harmonisierter Trade Facilitation-Regelungen sollte seiner Ansicht nach allenfalls freiwillig erfolgen,
da Entwicklungsländer in diesem Falle kein gegen sie gerichtetes Streitbeilegungsverfahren fürchten müssten. Nur ein solches Vorgehen gestehe den
Entwicklungsländern einen Lernprozess und die schrittweise Identifikation
mit den harmonisierten Bestimmungen zu, gerade wenn sich diese signifikant von den nationalen Bestimmungen unterscheiden.
791 Das WTO-Zollwertübereinkommen stelle ein Beispiel für harmonisierte zwingende
Vorschriften dar, die die Realitäten in Entwicklungsländern nicht berücksichtigen,
und deren Anwendung in diesen Ländern daher unzulänglich sei. Dass die Bewertung
in der Regel anhand des vom Einführer angegebenen Preises, der für die Transaktion
im Einfuhrland gezahlt werden muss erfolge, sei angesichts der verbreiteten Unterbewertung von Waren bei der Einfuhr in Entwicklungsländer verfehlt. Auch die während der Uruguay-Runde in diesem Zusammenhang getroffene Entscheidung, die den
Zollbehörden in bestimmten Fällen eine Zurückweisung des Rechnungspreises erlaubt, ändere wenig an den bestehenden Schwierigkeiten bei der Warenabfertigung.
Grund sei, dass das Abkommen, wenn der Rechnungspreis zurückgewiesen werde,
Natur und die Art des anzuwendenden Wertes beschränke.
792 So z.B. die meisten der Bestimmungen zur besonderen und differenzierten Behandlung von Entwicklungsländern und die Bestimmungen in TBT und SPS bezogen auf
die Länder- und Lokalregierungen die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen.
268
2. Trade Facilitation aus Sicht der Literatur
Rege schlägt darüber hinaus die Schaffung von Mechanismen vor, die die
Einhaltung der Bestimmungen zur besonderen und differenzierten Behandlung sichern. Entsprechend modifiziert könnten diese zur Einhaltung von
Bestimmungen über Trade Facilitation, über die Transparenz im staatlichen
Beschaffungswesen oder andere Bereiche, bei denen ‚best endeavours‘
sinnvoll seien, beitragen. Ein eigens dafür geschaffenes, ständiges Gremium
könne Beschwerden über die Nichteinhaltung solch weicher Regelungen
prüfen und anschießend dem Allgemeinen Rat berichten. Dieser wiederum
könne geeignete Empfehlungen an das Mitglied, welches sich im Bruch der
Bestimmung befindet, richten. Ist er der Auffassung, dass der Verstoß auf
einem Mangel administrativer Kapazitäten zurückzuführen sei, so könne er
die Bereitstellung angemessener technischer Hilfe empfehlen.
2.2.4. Bewertung
Während Shin einen konkreten Vorschlag für ein Trade FacilitationÜbereinkommen macht, das sich wie auch das Konzept der Europäischen
Gemeinschaft eng am Wortlaut des Doha-Mandats hält aber weniger weitgehend und damit realistischer ist, steht Rege verbindlichen Verpflichtungen
auf dem Gebiet der Zollverfahren aufgrund der verschiedenen wirtschaftlichen und kulturellen Ausgangspositionen der WTO-Mitglieder ablehnend
gegenüber. Zwar mag es sein, dass die Ausgestaltung von Verfahren oftmals
von den nationalen Bedingungen geprägt ist, für den Fall der Zollverfahren
allerdings kann das Argument der Heterogenität der WTO-Mitgliedschaft
nur im Hinblick auf Maßnahmen gelten, die hohe Implementierungskosten
nach sich ziehen. Nachdem zahlreiche Studien Trade Facilitation als eines
der Entwicklungsinstrumente der heutigen Zeit klassifiziert haben, ist klar,
dass sich kein Land leisten kann, sich dem technologischen Fortschritt auf
Dauer zu entziehen. Nur durch die Vereinfachung und Bescheunigung der
Grenzverfahren auch in Entwicklungsländern lässt sich der Verlagerung der
Handelsströme entgegenwirken. Sind die weniger entwickelten Staaten nicht
auf die modernen Handelsmethoden eingerichtet, so wird es ihnen nicht gelingen, ihre Außenwirtschaft zu beleben, eine Integration in den Welthandel
bliebe aus. Erfahrungen haben gezeigt, dass unverbindliche WTOBestimmungen selten den gewünschten Erfolg gebracht haben. Auch die
unterschiedlichen Ausgangslagen, die nach Ansicht Reges die Unterschiede
bei den Verfahren rechtfertigen, sprechen nicht gegen eine Angleichung der
Verfahren weltweit. So ermöglichen moderne Zolltechniken wie Risikoanalyse ebenso wie manuelle Kontrollen sicherzustellen, dass Verstöße gegen
die Zollvorschriften aufgedeckt und Abgaben erhoben werden können. Auch
die in Entwicklungsländern existierende Korruption ist kein Grund, der Verfahrensunterschiede rechtfertigt. Die Automatisierung der Verfahren redu269
Kapitel F: Positionen zu Trade Facilitation auf WTO-Ebene
ziert vielmehr die Gelegenheiten zur Bestechung der Zollbeamten, da sie ein
manuelles Eingreifen in weiten Teilen überflüssig machen. Damit sind es
vor allem die Implementierungskosten, die die Staaten unterschiedlich stark
belasten. Dem kann jedoch bei der Umsetzung eines Trade FacilitationKonzepts Rechnung getragen werden. Beispielsweise ist eine Abstufung der
Verpflichtungen denkbar, wobei sich die Mitglieder im Verhältnis zu ihrer
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu Erleichterungsmaßnahmen verpflichten. Werden von den anderen Mitgliedern weitergehende Verpflichtungen
verlangt, so könnte man deren Umsetzung von der Gewährung der benötigten technische Hilfe und von Capacity Building abhängig machen.
270
Kapitel G: Fazit
1. Die gegenwärtige Rechtslage
Die Analyse des relevanten WTO-Rechts hat gezeigt, dass bereits eine Vielzahl von Bestimmungen existiert, die eine Erleichterung der internationalen
Grenzverfahren zugunsten des Handels zum Ziel haben. Konkrete Verpflichtungen zur Vereinfachung und Verringerung der beizubringenden Unterlagen
und zur Beschleunigung der Verfahren existieren jedoch nur vereinzelt.
Während die Zusatzübereinkommen zum GATT 1994 nur für spezielle Bereiche des internationalen Handels wirksame Verpflichtungen normieren,
mangelt es den relevanten GATT-Artikeln, die einen vergleichsweise allgemeineren Anwendungsbereich aufweisen, hingegen vielfach an der Verbindlichkeit. Neben einzelnen durchsetzbaren Regelungen beschränken sich diese auf Absichtserklärungen und Anregungen. So wird vielfach die Notwendigkeit konkreter Trade Facilitation-Maßnahmen „anerkannt“, ob diese aber
umgesetzt werden, steht im Belieben des jeweiligen Mitglieds. Aber auch
die neueren Zusatzübereinkommen zum GATT, die echte Verpflichtungen
zur Beschleunigung und transparenten Gestaltung der Verfahren oder zur
Harmonisierung der Verfahren und Vorschriften enthalten, sind unvollkommen. Die vielerorts verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe wurden zwar
teilweise im Rahmen der Streitbeilegung näher konkretisiert, sind aber weiterhin unter dem Gesichtspunkt der Transparenz zu bemängeln. Darüber hinaus fehlt es dem gegenwärtigen WTO-Recht an einer (umfassenden) Einbeziehung moderner Kommunikationsmittel wie Internet und EDI und moderner Zolltechniken. Risikoanalyse, das Single Window-Konzept oder andere
moderne Zolllösungen finden entweder gar nicht oder nur sehr begrenzt Erwähnung.
Ineffektiv sind darüber hinaus die existierenden Bestimmungen, die eine
Unterstützung der weniger entwickelten Staaten und LDCs bei der Implementierung der von diesen eingegangenen Verpflichtungen bezwecken. Diese stellen lediglich ‚soft‘ law dar und geben den Mitgliedern lediglich „best
endeavours“, also bestmögliche Bemühungen auf. In der Praxis sind die
Entwicklungsland-Mitglieder gänzlich auf das Wohlwollen der Geberstaaten
angewiesen. Darüber hinaus erfolgt die Unterstützung vielfach unkoordiniert. Messbar sind die Ergebnisse selten. Vor dem Hintergrund der grundlegenden Bedeutung von Trade Facilitation für die Entwicklung und Integration der Entwicklungsländer in das multilaterale Handelssystem wird die
WTO nicht umhinkommen, deren Bedürfnissen in Zukunft mehr Gewicht
beizumessen.
271
Kapitel G: Fazit
Trotz der recht weitgehenden Transparenzverpflichtung der Mitglieder besteht in der Realität ein Transparenzdefizit, welches nach wie vor eines der
Hauptprobleme im Welthandel darstellt. Ein Verstoß gegen die Veröffentlichungsverpflichtungen scheint angesichts von Problemen wie Korruption
und anderer krimineller Verhaltensweisen zwar eher nebensächlich, hat aber
durchaus weitreichende Auswirkungen auf den internationalen Handel. Vor
allem kleine und mittelgroße Unternehmen sind auf leicht zugängliche Informationen über Handelsvoraussetzungen und Verfahren angewiesen, um
international agieren zu können. Auch das Welthandelsrecht selbst weist ein
Transparenzdefizit auf. Die Bemühungen der Mitglieder, die veralteten Verfahrensregelugen des GATT im Laufe der Jahre durch verschiedene Zusatzübereinkommen und Einzelentscheidungen an die Realitäten im Welthandel
anzupassen, haben dazu geführt, dass die für Trade Facilitation relevanten
Normen im Regelwerk verstreut sind und Mitglieder sowie Private vor das
Problem der Unübersichtlichkeit stellt.
2. Notwendige Neuerungen
Die Reichweite möglicher Neuerungen im Zusammenhang mit Trade Facilitation ist, wie die von verschiedenen Autoren vorgelegten Entwürfe erahnen
lassen, theoretisch nahezu unbegrenzt. Das Mandat von Doha gibt allein das
Ziel, die Bescheunigung der Warenbewegungen vor, lässt die Mittel jedoch
offen. Ohne Zweifel besteht die Möglichkeit, den in anderen internationalen
Organisationen gefundenen Ergebnissen durch Einbeziehung in das WTORecht einen verbindlichen und durchsetzbaren Charakter zu verleihen. Auch
der Einsatz moderner Zolltechniken und Informatikverfahren ließe sich auf
diesem Wege weltweit verbindlich vorschreiben.
Von diesen weitreichenden Möglichkeiten sind die notwendigen Neuerungen zu unterscheiden, ohne deren Zustandekommen das Projekt Trade Facilitation als gescheitert anzusehen wäre. Dazu gehört, den bislang unverbindlichen Absichtserklärungen im Hinblick auf die Vereinfachung und Rationalisierung von Verfahren und Förmlichkeiten, Verpflichtungscharakter zukommen zu lassen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass ‚best endeavour‘Regelungen in der Vergangenheit wenig bewirkt haben. Um das mögliche
Einsparpotential von Trade Facilitation weltweit realisieren zu können, müssen umfassende Verpflichtungen geschaffen werden. Auch wenn mit Blick
auf die finanzielle Situation vieler Mitglieder keine bedingungslose Verpflichtung zum Einsatz kostenintensiver Zolltechniken erwartet werden
kann, so ist es an der Zeit, moderne Entwicklungen auf dem Gebiet der Verfahrenstechnik im WTO-Recht zu verankern, nicht zuletzt, um ihnen die
272
3. Aussichten
gebührende Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen. Ist ein Staat nicht in
der Lage, kostenintensive Reformen durchzuführen, so müssen weniger
kostspielige Alternativen in Betracht gezogen werden. Maßnahmen wie etwa
das Single Window lassen sich auch ohne eine Technisierung der Verfahren,
etwa durch einen alleinzuständigen Schalter in einer Behörde, umsetzen.
Um zu verhindern, dass die weniger entwickelten Staaten im internationalen
Wettbewerb weiter zurückfallen, ist es zudem unverzichtbar, auch diesen die
Einführung der modernen Techniken zu ermöglichen. Studien haben gezeigt,
dass Trade Facilitation-Maßnahmen nicht nur dem jeweiligen Handelspartner Vorteile bringen, sondern auch dem sie einführenden Staat nutzen – sei
es durch die erzielbaren Einsparungen oder durch Wachstum des Außenhandels. Trade Facilitation muss daher, statt als ungeliebte Pflicht, als Möglichkeit zur Entwicklung begriffen werden. Dies setzt jedoch voraus, dass sich
die Industriestaaten ihrerseits zu Unterstützungsleistungen verpflichten. Die
Entwicklungsländer wiederum müssen, wenn sie Erleichterungen erreichen
wollen, auf technische Hilfe und Capacity Building zählen können. Möglich
wäre es, den verpflichtenden Charakter kostenintensiver Maßnahmen von
der Gewährung der im Einzelfall notwendigen technischen Hilfe abhängig
zu machen. Für den Fall, dass ein Mitglied aus finanziellen Gründen nicht
zur Umsetzung in der Lage ist, ließe sich von vorn herein festschreiben, dass
in diesen Fällen die Anrufung des Streitbeilegungsgremiums nicht in Betracht kommt. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass die fundamentale
Rolle des existierenden Streitbeilegungsverfahrens nicht geschmälert wird.
Empfängt ein bedürftiges Mitglied aber Unterstützung, so muss gewährleistet sein, dass die Mittel entsprechend verwandt werden und zu messbaren
Ergebnissen führen. Die Umsetzung kann beispielsweise durch die Koordination der Mittel und eine effiziente Überwachung, im Idealfall durch die
WTO oder ein anderes internationales Gremium, erzielt werden.
Unabhängig davon ist es unter dem Gesichtspunkt der Transparenz und der
damit verbundenen Rechtssicherheit sinnvoll, die existierenden unbestimmten Rechtsbegriffe auf diesem Gebiet im Sinne der dazu ergangenen Streitbeilegungsberichte zu konkretisieren. Ein separates, umfassendes Trade Facilitation-Übereinkommen sorgt darüber hinaus für die notwendige Übersichtlichkeit.
3. Aussichten
Die Meinungsverschiedenheiten unter den Mitgliedern der Welthandelsorganisation lassen einen baldigen Abschluss eines solchen umfassenden Trade Facilitation-Übereinkommens jedoch fraglich erscheinen. Abgesehen
273
Kapitel G: Fazit
davon, dass sämtliche Verhandlungspunkte der Doha-Runde zu einem Paket
gehören und die Verhandlungen im Agrarsektor erheblichen Einfluss auf die
Ergebnisse haben werden, ist eine Einigung auf substantielle Trade Facilitation-Bestimmungen noch nicht in Sicht. Viele Fragen sind noch offen. Sicher ist, dass jegliche Regelungen auf dem Gebiet von Trade Facilitation
den nationalen und internationalen Sicherheitsinteressen im Außenhandel
gerecht werden müssen. Vor allem aber muss eine Integration der Entwicklungsländer in das multilaterale System gewährleistet sein. Im „Juli Paket“
kommt klar zum Ausdruck, dass die Entwicklungsland-Mitglieder die Beachtung ihrer individuellen, besonderen Bedürfnisse und die effektive Unterstützung seitens der Industriestaaten zur Voraussetzung weiterer Verhandlungen machen. Insofern ist § 6 des Anhang D bezeichnend, in dem die Mitglieder anerkennen, dass ein Entwicklungsland-Mitglied für den Fall der
Nichtleistung benötigter Unterstützung nicht zur Umsetzung der Maßnahmen verpflichtet sein soll. Wenn auch explizit niedergelegt ist, dass die Erklärung nicht als Interpretationshilfe für bestehende Rechte und Pflichten
der Mitglieder herangezogen werde, so geht aus ihr doch klar hervor, dass
ohne substantielle Regelungen zur Unterstützung EntwicklungslandMitglieder bei der Umsetzung zukünftige Trade Facilitation-Regelungen auf
WTO-Ebene unrealistisch sind. Auch wenn der Nutzen einer Entbürokratisierung der Grenzverfahren mittlerweile auch von den EntwicklungslandMitgliedern nicht mehr bestritten wird, so ist diesen derzeit noch nicht hinreichend bewusst, dass Trade Facilitation auch ohne ein WTO-Abkommen
in der entwickelten Welt voranschreiten wird, und dies zu einer weiteren
Verlagerung der Handelströme führen dürfte. Ein im Welthandelsrecht verankertes umfassendes Trade Facilitation-Recht sollte von allen Mitgliedern
mehr als Chance denn als Last gesehen werden. Entwicklungsländer sollten
Trade Facilitation als Instrument der Handelsentwicklung begreifen und Anstrengungen unternehmen, sich auf die veränderten Gegebenheiten im Welthandel einzustellen. Nur so können ihre Märkte für den internationalen
Handel an Attraktivität gewinnen. Damit eine Integration dieser Staaten in
den Welthandel gelingt, müssen deren Bedenken mit Blick auf die Umsetzungskosten begegnet werden. Dies kann etwa durch gezielte, koordinierte
Entwicklungshilfe geschehen, deren Erfolge überprüfbar sein müssen. Bis
allen Mitgliedern das Potential und die Notwendigkeit von Trade Facilitation einleuchtet, ist es auch in Zukunft essentiell, Aufklärungsarbeit zu leisten. Noch wird der Thematik nicht die ihr gebührende Aufmerksamkeit gewidmet. Bis dahin sollten alle Anstrengungen unternommen werden, Trade
Facilitation auf regionaler Ebene voranzutreiben. Diese müssen sich an internationalen Konventionen, wie etwa der revidierten Fassung der KyotoKonvention und an internationalen Normen orientieren. Nur so kann ge274
3. Aussichten
währleistet werden, dass es eines Tages zu einer umfassenden Regelung der
Grenzverfahren auf Welthandelsebene kommt.
Bis zur Ministerkonferenz in Hongkong erscheint allenfalls die Verschärfungder drei relevanten GATT-Artikel realistisch. Allen Mitgliedern ist zum
derzeitigen Punkt klar, dass umfangreiche und kostenintensive Reformen
nicht ohne ein klares Konzept zu deren Umsetzung einigungsfähig sind. Die
Diskussionen haben deutlich gemacht, dass zukünftige Verbindlichkeiten,
wenn überhaupt im Wege des Streitbeilegungsmechanismus, jedenfalls dann
nicht dem gewöhnlichen Verfahren nach der „Vereinbarung über die Streitbeilegung“ (DSU) unterliegen werden, wenn das Entwicklungsdefizit eines
Mitglieds, d.h. dessen defizitäre finanzielle oder infrastrukturelle Situation,
oder ein anderer, dem jeweiligen Mitglied nicht anzulastender Faktor, Grund
für die Nichtumsetzung der Verpflichtungen ist. Dies wurde mittlerweile
auch von den Befürwortern umfassender, verbindlicher Regelungen auf
WTO-Ebene, wie etwa der EG und den USA, anerkannt.793 Stattdessen sollten alternative Durchsetzungsmechanismen erarbeitet werden. Vielversprechend sind Entwürfe, die für Streitigkeiten im Bereich von Trade Facilitation ein alternatives Verfahren, eine Art Mediation oder eine Variante des bestehenden „Mechanismus zur Überwachung der Handelspolitik“794 in Erwägung ziehen.
793 Siehe dazu: Trade facilitation: An Integrated and Comprehensive Approach to Special and Differential Treatment, Submission by the United States, 11.03.2003,
G/C/W/451.
794 TPRM – Trade Policy Review Mechanism, enthalten in Anhang 3 zum WTOÜbereinkommen. Siehe dazu Kapitel D, Ziffer 4.2.2.d).
275
Literaturverzeichnis
I.
Lehrbücher
Benedek, Wolfgang, Die Rechtsordnung des GATT aus völkerrechtlicher
Sicht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Bd.
100 (Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Springer Verlag 1990, zit.: Benedek, Die Rechtsordnung des GATT
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EC – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas, Complaint by Honduras, WT/DS27/R/HND, adopted 25.09.1997 as mod. by AB
report WT/DS27/AB/R.
EC – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas, Complaint by Ecuador, WT/DS27/R/ECU, adopted 25.09.1997 as mod. by AB
report WT/DS27/AB/R.
EC – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas, Complaint by Mexico, WT/DS27/R/MEX, adopted 25.09.1997 as mod. by AB
report WT/DS27/AB/R.
EC – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas, Complaint by US, WT/DS27/R/USA, adopted 25.09.1997 as mod. by AB report
WT/DS27/AB/R.
Argentina – Measures affecting Imports of Footwear, Textiles Apparel and
other Items, WT/DS56/R, adopted 22.4.1998.
Japan – Measures Affecting Consumer Photographic Film and Paper, Report
of the Panel, WT/DS44/R, adopted 22.04.1998.
India – Patents (EC), WT/DS79/R, adopted 2.9.1998.
Australia – Measures affecting the Import of Salmon, Complaint by Canada,
WT/DS18/R, adopted 6.11.1998.
Canada – Patent Term, WT/DS170/R, adopted 12.10.2000
European Communities – Measures Affecting Asbestos and AsbestosContaining Products, WT/DS135/R, adopted 5.4.2001 as mod. by AB report
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United States – Import Measures on Certain Products from the European
Communities, WT/DS165/R, adopted 10.1.2001.
United States – Anti-Dumping Measures on Stainless Steel Plate in Coils
and Stainless Steel Sheet and Strip from Korea, WT/DS179/R, adopted
1.2.2001.
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of Finished Leather, WT/DS155/R, adopted 16.02.2001.
US – Hot-Rolled Steel, Panel Report, WT/DS184/R, adopted 23.08.2001.
United States – Rules of Origin for Textiles and Apparel Products,
WT/DS243/R, adopted 21.07.2003.
Japan – Measures Affecting the Importation of Apples, WT/DS245/R,
adopted 10.12.2003.
US – Sunset Review of Anti-Dumping Duties on Corrosion-Resistant Carbon Steel Flat Products from Japan, WT/DS244/R, adopted 14.8.2003.
Dominican Republic – Measures affecting the importation and internal sale
of cigarettes, WT/DS302/R, 26.11.2004, not yet adopted.
AB-Berichte
United States – Standards for Reformulated and Conventional Gasoline,
WT/DS2/AB/R, adopted 20.5.1996.
Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, WT/DS11/AB/R, adopted
25.11.1996.
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EC – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas, Complaint by Guatemala/Honduras, Ecuador, Mexico, United States,
WT/DS27/AB/R adopted 25.09.1997.
EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), Complaint by the United States, WT/DS26/AB/R, adopted 16.01.1998.
EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), Complaint by Canada, WT/DS48/AB/R, adopted 16.01.1998.
European Communities – Measures Affecting the Importation of Certain
Poultry Products, WT/DS69/AB/R, adopted 23.07.1998.
Australia – Measures affecting the Import of Salmon, Complaint by Canada,
WT/DS18/AB/R, adopted 6.11.1998.
Chile – Taxes on Alcoholic Beverages, WT/DS87/AB/R, WT/DS110/AB/R,
adopted 12.01.2000.
Canada – Patent Term, WT/DS170/AB/R, adopted 12.10.2000.
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http://www.worldtradelaw.net/reports/gattpanels/
Sämtliche Dokumente zu finden unter: http://docsonline.wto.org/
Mitteilungen der Europäischen Gemeinschaften (WTO):
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and its Member States, 10.03.2003, G/C/W/442/Rev.1
WTO Trade Facilitation – Strengthening WTO rules on GATT Article V on
freedom of transit, 30.09.2002, G/C/W/422.
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formalities connected with importation and exportation, 11.07.2002,
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Trade Facilitation: Article X of GATT on the publication and administration
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Technical assistance and capacity building in relation to Trade Facilitation,
23.10.2000, G/C/W/235.
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Trade Facilitation and development, 10.03.1999, G/C/W/143.
Trade Facilitation and E-Commerce. 4.03.1999, G/C/W/138.
Trade Facilitation in relation to existing WTO Agreements, 10.03.1999,
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Issues relating to the physical movement of consignments (transport & transit) & payment, insurance and other financial questions affecting crossborder trade in goods, 3.12.1998, G/C/W/133.
Assessment of the scope for WTO rules in the field of import, export and
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Andere Dokumente
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International Forum on Trade Facilitation, Geneva, 29.–
30.5.2002.
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the International Forum on Trade Facilitation in May 2002, edited by Cosgrove-Sacks, Carol, and Apostolov, Mario, Vereinte
Nationen, New York und Genf, 2003, zit.: Trade Facilitation:
the Challenges for Growth and Development, UN/ECE 2003, S.
UNECE/CEFACT Recommendation on PSI, No. 27,
ECE/TRADE/237.
OECD
Übereinkommen vom 1. April 1978 über Richtlinien für öffentlich unterstützte Exportkredite OECD Doc. OECD/GD(92)95
(1992).
Trade Facilitation Reforms in the Service of Development,
Working Party of the Trade Committee,
TD/TC/WP(2003)11/FINAL, 30.07.2003, zit.: Trade Facilitation Reforms in the Service of Development, OECD 2003, S.
UNCTAD E-Commerce and Development Report 2001
United Nations Conference for Trade and Development
(UNCTAD) http://www.unctad.org/en/docs/ecdr01ove.en.pdf
E-Commerce and Development Report 2001
United Nations Conference for Trade and Development
(UNCTAD)
http://www.unctad.org/en/docs/ecdr2004overview_en.pdf
Andere
Resolution des Institut de droit international, Session of Cambridge – 1983, International Texts of Legal Import in the Mutual Relations of their Authors and Texts Devoid of Such Import
(7th Commission, Rapporteur: Michel Virally).
(http://www.idi-iil.org/idiE/resolutionsE/1983_camb_02_en.PDF)
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Atlantic Free Trade Agreement, Final Report: In the Matter of
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293
Vita
Geboren 1977 in Oldenburg; Abitur 1996; Studium an der California State
University in Chico 1996–1997; Studium der Rechtswissenschaften an der
Westfälischen Wihelms-Universität in Münster 1997–2001; Studium der
Rechtswissenschaften an der Université de Genève 1998–1999; 1. juristisches Staatsexamen 2002; Promotion an der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster 2002–2006; Forschungsaufenthalt bei der WTO in Genf
2003 und 2004; 2003–2006 Referendariat LG Duisburg; 2. juristisches
Staatsexamen 2006; Forschungsaufenthalt bei der WCO 2006; Seit Juli 2006
wissenschaftliche Hilfskraft an der Westfälischen Wihelms-Universität
Münster und juristische Mitarbeiterin bei den Rechtsanwälten Buscher
Theurer Krümpel in Berlin.
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