ARAGON – eine Liebeserklärung
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ARAGON – eine Liebeserklärung
ARAGON – eine Liebeserklärung Alles begann an einem verregneten Herbsttag im Jahre 2008, als der Papa unserer bis dato vierköpfigen Familie auf der Suche nach einem neuen Bewohner unserer leider verwaisten (Gold –) Hamsterburg im Internet unterwegs war. Da es vom Hamster zum Hund bekanntlich nur ein kleiner Sprung ist, fand er sich plötzlich auf diversen Tierschutz – Seiten, Abteilung Hunde, und schließlich bei der „Tierhilfe Idensen e.V.“ wieder. Zuerst war es nur „Spinnerei“, dieses: “Was wäre, wenn…“ - bis…tja, bis ARAGON, der damals noch RIDER hieß, den Mouse – Zeiger kreuzte… Einige Tage, viele innerfamiliäre und schließlich ein paar Telefon – Gespräche mit Michaela später war klar: wir waren auf den Hund gekommen .Und wider jegliche Vernunft (…es ist ja mit Tieren wie mit Kindern: eigentlich passen sie nie wirklich ins Konzept…) stand unser Entschluss fest: Wir wollten diesem weißen Maremmano – Fellknäuel, das erst kurz zuvor aus den italienischen Abruzzen geholt – nein, gerettet – worden war und aufgrund verschiedenster – offensichtlich recht verheerender Erfahrungen mit Menschen zum großen Teil aus Angst bestand, ein neues zu Hause geben! Bis zum Umzug von Hannover nach Dresden vergingen dann leider noch mal ca. 2 Monate, in denen wir beruflich sehr eingespannt waren. Erst Weihnachten würden die Kinder Ferien und wir Großen Urlaub haben und damit ausreichend Zeit für unser neues Familienmitglied. In diesen „Wochen davor“ standen wir per Telefon und Mail in regelmäßigem Kontakt zu Michaela, die uns stetig mit Informationen und Fotos von ARAGON versorgte und so schon etwas an seinem „deutschen Alltag“ in einer nahe gelegenen Tierpension teilhaben ließ. Während dieser Zeit hatten wir auch Besuch von einem Mitarbeiter des Vereins, der uns und unser Grundstück bezüglich „Hundetauglichkeit“ unter die Lupe nahm (… und zum Glück für gut befand!...). Außerdem entstand ein nagelneuer kleiner Anbau am Haus, der unserem Vierbeiner via eingebauter Hundeklappe später zu jeder Zeit freien Zugang zu Garten bzw. Haus ermöglichen sollte. Dann kam der 23.12. 2008 – der Tag, an dem wir ARAGON erstmals „leibhaftig“ gegenüberstehen und ihn mit in seine neue und endgültige Heimat nehmen sollten und wollten. Wie von Michaela beschrieben, fanden wir zunächst ein in die äußerste Ecke gedrücktes Bündel Angst vor, dem die Invasion so vieler neuer Zweibeiner ein Gräuel sein mußte. ( erste Begegnung ) Für uns aber stand sofort fest, dass diese Internet – Liebe auch im „wahren Leben“ Bestand haben würde – auch wenn wir unseren Wuschel zunächst ziemlich „unlieblich“ ins Auto bugsieren mußten (letztlich mußte er getragen werden!) und ihm den Stress einer relativ langen Autofahrt nicht ersparen konnten. Trotz (oder wegen?) seiner Angst und seines Misstrauens benahm er sich jedoch von Anfang an ausgesprochen „pflegeleicht“, denn er gehört zu den Hunden, die bei Gefahr lieber wegrennen würden als sich aggressiv oder rebellisch zu verhalten… So lag er die ganze Autofahrt über still und unbeweglich an ein und demselben Platz, so ließ er sich zu Hause still und unbeweglich aus dem Auto heben und so blieb er auch genauso still und unbeweglich neben seinem nagelneuen Hundebett ganz nah bei der Tür liegen. Seine ganze Haltung drückte nur Eines aus: „ Bitte lasst mich in Ruhe und tut mir nichts!“ Nun, dies taten wir denn auch – er bekam Futter und Wasser (was er selbstverständlich nicht anrührte), freundliche Worte, wurde noch fix in sein Bettchen gehoben (wo er ebenfalls wieder still und unbeweglich in sprungbereiter Position liegen blieb) und hatte dann endlich seine wohlverdiente Ruhe – einmal davon abgesehen, dass die unvermeidlichen Geräusche eines Vier – Personen – Haushaltes ganz sicher ausreichend Stress für ihn darstellten. Damit begann für uns alle ein großes Abenteuer und eine richtiggehende „Beziehungsarbeit“, die wir aber zu keiner Zeit als Belastung empfunden haben. In den kommenden zwei Wochen luden wir jeglichen Besuch aus (die Familie hatte trotz Weihnachten Verständnis!) und boten ARAGON in erster Linie, ohne zu aufdringlich zu sein, Freundschaft und viel Ruhe an. Die Fortschritte waren von Anfang an verblüffend, zumal jede kleine Veränderung, die man bei „normalen“ Hunden wohl gar nicht wichtig nehmen würde, für uns alle einen bedeutenden Schritt in Richtung Ziel darstellte. Dieses Ziel war es stets, ARAGON ein würdiges, fröhliches und möglichst artgerechtes Leben zu bieten, ihm also einfach Lebensfreude zu schenken und sein Selbstvertrauen so weit zu stärken, dass er sich eines Tages als vollwertiger Hund fühlen könnte. Zunächst freuten wir uns, dass er sich irgendwann deutlich entspannter hinlegte und schließlich sogar tief und fest einschlief; dann waren wir über seine erste „Mahlzeit“ glücklich (standesgemäß konnte er schließlich bei Spaghetti mit Käse nicht länger „nein“ sagen); nach wenigen Tagen merkten wir sogar, dass er unseren streichelnden Händen nicht mehr auswich. Immer aber blieb er still (wir haben monatelang keinen einzigen Laut von ihm gehört!) und geradezu bescheiden; immer darauf bedacht, nur ja nicht aufzufallen oder gar etwas falsch zu machen. Das größte (und eigentlich auch einzige) Problem war seine nicht vorhandene „Stubenreinheit“ … in die feindliche Welt des (äußerst ruhig gelegenen) Gartens wollte er auf gar keinen Fall gehen (nur widerwillig mit uns zusammen und an der Leine) und nicht selten landete anfangs sein „ Geschäft“ im eigenen Bett bzw. vor der Tür – innen !! Die „Spaziergänge im ersten Monat sahen so aus, dass wir in voller Montur gemeinsam in den Garten gingen: 2 Schrittchen vor – stehen bleiben, Schwanz einkneifen, Zittern am ganzen Körper seinerseits – ausgiebiges Loben und Streicheln unsererseits – wieder 2 Schrittchen vorwärts usw.. ( Angst auf 4 Beinen ) Bald hatte er aber begriffen, dass sich seine „Toilette“ im Garten befindet. Die Miniausflüge (am liebsten im Dunkeln, wenn scheinbar weniger menschliche Gefahren lauerten) wurden stetig etwas länger, bis wir eines Tages gemeinsam den ganzen Garten erkundet hatten. Im Haus wurde ARAGON schnell immer zugänglicher; bald genoss er unsere Schmusestunden, fühlte sich in unseren 4 Wänden sichtlich wohl und geborgen und überstand beispielsweise die schon ca. eine Woche nach seiner Ankunft stattfindende Silvesterknallerei mit erstaunlicher Ruhe und Gelassenheit. Erst Wochen später aber bekamen wir ein erstes zaghaftes Schwanzwedeln, über das wir uns wie über das erste zahnlose Lächeln eines Babys freuten, und sagte uns seine ganze Körpersprache, dass er gern mit uns zusammen war. Von Vorteil war seine anfänglich große Zurückhaltung natürlich, als wir wieder arbeiten mußten und er erstmals allein im Haus blieb – er hatte überhaupt kein Problem damit und schien das Alleinsein sogar in gewisser Weise zu genießen. Nach einigen Wochen folgte dann seine nächste große Herausforderung: Spaziergang auf die Straße (bzw. den Fußweg)! Auch hier gingen wir sehr behutsam vor: erst ein Pfötchen vor´s Tor, beim nächsten Mal zwei, dann schon mal alle vier und schließlich zehn Schrittchen vorwärts…Aber auch hier wurde die Geduld bald belohnt. Auch wenn ARAGON noch heute eher ungern das Haus in Richtung Straße verlässt und sich nur äußerst selten wie andere Hunde auf einen gemeinsamen Spaziergang zu freuen scheint, konnten wir schon bald größere Strecken zurücklegen. Nach weniger als drei Monaten wagten wir sogar erstmals in einem nahe gelegenen Wiesengrund, die Leine abzumachen – und er lief wunderbar! ( besser Klettenhund als Kettenhund!!! ) Im Lauf der Monate wurde er immer selbstsicherer; viele seiner alten Angstquellen (alle fremden Menschen, geschlossene Mauern, alle neuen – v.a. menschlichen oder technischen – Geräusche, teilweise andere Hunde, Autofahren usw.) sind heute fast versiegt – einige sind aber natürlich auch geblieben und werden wohl immer zu unserem Alltag gehören (z.B. dunkel gekleidete Männer – v.a. der italienische Typ – , Mopeds/ Motorräder, Menschen mit stockähnlichen Gegenständen, wie z.B. Nordic – Walking – Stöcken, größere Kindergruppen…). Besonders beeindruckend ist sein „natürlicher Gehorsam“ und „Anstand“ – der uns, gepaart mit einigen erlernten Kommandos, einen meist gut folgenden, zuverlässigen Kameraden beschert. Nur wenn er sich sehr gut und sicher fühlt, kommt schon auch mal der typische Maremmano durch, der auch ganz gern mal seinen weißen Dickkopf durchsetzen möchte (…völlig legitim ;)…). Heute können wir gemeinsam große Strecken zurücklegen – die Leine kommt nur zum Einsatz, wenn die Angst überhand nimmt(z.B. an einer stark befahrenen Straße) und ihm diese Verbindung zu uns Sicherheit gibt. Stück für Stück ließ uns ARAGON immer ein bisschen mehr in sein Leben eintreten und genauso zaghaft und schrittweise tapste er auf leisen Pfoten in unseren Alltag, so dass mit gegenseitigem Respekt, Toleranz und viel Liebe ein immer festeres Band zwischen uns entstand – keiner hatte zu hohe Forderungen; jeder nahm dankbar das angebotene Vertrauen entgegen. ( endlich zu Hause ?! ) Als unverkennbaren Schnittpunkt in ARAGONs „Hundwerdungs – Karriere“ kann man unseren gemeinsamen Urlaub sehen, dem wir ein halbes Jahr nach seinem Einzug durchaus mit gemischten Gefühlen entgegensahen. Der Ausgang dieses Experiments war völlig ungewiss, selbst ein Urlaubsabbruch konnte nicht ausgeschlossen werden. Immerhin waren plötzlich viele seiner ursprünglichen Angstquellen gegenwärtig (dummerweise war ausgerechnet dieser Urlaub auch noch mit einem Umzug verbunden – erst 1 Woche Ostsee, dann noch 1 Woche Brandenburg). Die Autofahrt, fremde Unterkünfte, kaum Rückzugsmöglichkeiten, anderer Tagesablauf – dies alles stellte eine gehörige Herausforderung für unseren gerade erst „angekommenen“ ARAGON dar. Aber ihn zu Hause lassen? Keinesfalls! Den Urlaub streichen? Die Kinder würden jubeln…! Also Augen zu und durch…! Und was passierte? Nichts!!! Oder besser: alles!!! Alles, was wir uns so lange gewünscht hatten, trat plötzlich ein: ARAGON sprang bei unserer Abfahrt beinahe freudig und ganz allein ins Auto, akzeptierte die Ferienwohnung sofort, ging gleich erstmal ins Meer baden, fraß ganz normal (wenig wie immer) und suchte erstmals von allein unsere Nähe – zu Hause freute er sich bis dato immer sehr über Streicheleinheiten, wenn wir zu ihm kamen. Nie lief er bisher durch´s Haus oder stand auf, um uns zu begrüßen und trotz allen Lockens verließ er nie seinen angestammten Platz, um in unserer Nähe zu sein…im Urlaub ging all dies plötzlich wie von allein! Wir mieden also allzu große Menschenansammlungen und versuchten, ihm durch Aufgabenteilung so viele feste Rituale wie möglich zu erhalten und hatten im Gegenzug einen Hund, mit dem wir sogar am (Hunde-) Strand aufkreuzen konnten und der uns viele neue Kontakte mit wissbegierigen, tierlieben Menschen bescherte. Eigentlich ist seither kaum ein Tag vergangen, an dem uns ARAGON nicht in irgendeiner Weise überrascht hätte. Inzwischen sind fast 1 ½ Jahre vergangen und noch immer kommen ständig neue Errungenschaften hinzu. Mittlerweile kann man – zumindest im Grundstück – von einem fast normalen Verhalten ARAGONs sprechen: Wenn wir von Arbeit bzw. Schule kommen, kommt er uns meist freudestrahlend und schwanzwedelnd entgegengehüpft; er ist sichtlich entspannt und zufrieden, wenn sein komplettes „Rudel“ zu Hause ist. Aber auch das teils unvermeidliche Alleinsein meistert er problemlos und ohne irgendwelche Schäden zu verursachen. Im Haus geht er nun ganz selbstverständlich in allen Zimmern ein und aus und sucht auch freiwillig unsere Nähe – ob er nun den Geigenübungen unserer Tochter oder dem Klavierspiel des Sohnes lauscht, mit uns fernsieht oder uns beim Wochenend – Frühstück Gesellschaft leistet (ohne zu betteln!) – er ist einfach gern mit dabei. Und er ist ein Wachhund geworden! Wer hätte das gedacht? Damit hätten wir nun wirklich niemals gerechnet. Vorausgesetzt, er weiß seine sicheren 4 Wände ganz nah, lässt er zuverlässig sein Bellen und Knurren hören, sobald sich jemand unbefugt Grundstück oder Haus nähert. Selbst Katzen werden aus dem Garten verscheucht – außerhalb nimmt er von ihnen nicht mal Notiz. Mit anderen Hunden versteht er sich – bis auf eine Ausnahme – sehr gut, ist jedoch immer der Passive. Leider konnte ihm noch niemand so recht zeigen, wie man spielt; weder wir noch andere Vierbeiner. Ab und zu tobt zwar selbst unser sonst so ruhiger und besonnener Eisbär durch die Gegend und deutet kurz Spielbereitschaft an, aber dies ist nie von Dauer (wird seit einigen Wochen aber häufiger).Seine intensivsten und übermütigsten Kapriolen können wir bewundern, wenn er sich unbeobachtet fühlt – besonders nachts im heimischen Garten. Dann ist alles still, viele beängstigende Tagesgeräusche sind verstummt. So zwischen 1:00 und 3:00 Uhr ist ARAGON – Zeit; dann huscht er durch seine Hundeklappe, inspiziert – teils hoch erhobenen Schwanzes – sein ganzes Reich, rennt ungestüm über die Wiese, spielt allein mit Stöckchen, gräbt hier und da ein Löchlein (ich werd´ ihm mal Blumenzwiebeln bereitlegen), hascht nach seinem Schwanz und benimmt sich absolut unbekümmert – ein herrlicher Anblick, für den man auch schon gern mal, hinterm Fenster stehend, etwas Nachtschlaf opfert. Doch auch tagsüber wachsen sein Mut und Selbstvertrauen stetig. So kommt er z.B. immer öfter auch tagsüber mal mit uns in den Garten – im vorigen Jahr noch undenkbar! Auch können wir ihn ganz häufig problemlos mitnehmen (Autofahren liebt er inzwischen beinahe) – er ist zwar letztlich immer fluchtbereit, aber absolut leicht zu führen, denn die Familie geht ihm über alles und sein Vertrauen in uns vier ist enorm. So lösen wir uns mit dem Beschützen einfach immer mal ab: zu Hause ist er der „ Herr im Haus“, unterwegs braucht er meist noch unsere Nähe und Versicherung, dass alles gut ist, um sich entspannen zu können. Ansonsten liebt er es, zu kuscheln (auch gerne stundenlang) und macht ganz oft einen geradezu glücklichen Eindruck. Das Größte sind für ihn gemeinsame Unternehmungen: erst ein Stückchen Auto fahren, dann in neuer, möglichst menschenfreier Umgebung (am liebsten Wälder, Felder und Wiesen) mit uns allen spazieren gehen (perfekt wird´s übrigens, wenn noch ein Bächlein in der Nähe ist ), mit unserer „Kleinen“ um die Wette rennen ( wer da wohl gewinnt?), schließlich nach der Rückkehr feines Futterli bekommen und letztlich eine gemütliche Schmuserunde genießen – das ist der Hundehimmel auf Erden! Momentan üben wir ein wenig, dass auch unsere Kinder mal allein mit ihm ´rausgehen können. Eigentlich ist das kein Problem – so lange man ihn immer gut beobachtet und sorgfältig auf seine Körpersprache achtet, kann er normalerweise auch fast überall ohne Leine mitgehen. Sobald ihn etwas ängstigt – ein Geräusch, eine Person o.ä. – müssen wir ihm schnell zur Seite stehen, damit er sich nicht selbst aus lauter Angst in Gefahr begibt, z.B. indem er plötzlich auf die Straße springt. Meist reichen schon beruhigende Worte, um eine schwierige Situation gut zu überstehen. Also müssen in diesem Fall eher die Kinder trainieren – weniger der Hund. Ansonsten haben wir tatsächlich unseren idealen Hund gefunden und hoffen sehr, für ihn auch die „ideale“ Familie zu sein. Ein Leben ohne ihn können und wollen wir uns überhaupt nicht mehr vorstellen! Allen, die ein großes Herz und etwas Geduld haben, können wir nur raten, vor einem „Second – Hand – Hund“ mit traurigem Hintergrund nicht zurückzuschrecken, sondern sich auf das „Abenteuer“ einzulassen und auf eine lebenslange Liebe zu freuen: es loht sich für beide Seiten gleichermaßen!!!