Vorlesung_KiJu_Störung der Ausscheidung [Kompatibilitätsmodus]
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Vorlesung_KiJu_Störung der Ausscheidung [Kompatibilitätsmodus]
Fallbeispiel • Michael (8 J.) lebt allein mit seiner Mutter, da sich diese kurz nach seiner Geburt von seinem Vater trennte. Die Mutter berichtet, dass ihr Sohn häufig nachmittags beim Spielen einkotet, was dann immer wieder zu Streit führt. Der Kinderarzt fand keinen organischen Befund, und die Mutter versuchte bislang, dieses Problem mit der Verhängung von Stubenarrest oder Schlägen in den Griff zu bekommen. Es vergeht fast kein Tag, an dem Michael nicht einkotet. Das Toilettenverhalten von Michael ist unregelmäßig. Er geht an manchen Tagen gar nicht, an manchen Tagen morgens und an manchen Tagen abends zur Toilette. Störungen der Ausscheidung Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 1 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 2 Störungen der Ausscheidung • Enuresis Enuresis • Nur Enuresis nocturna • Nur Enuresis diurna • Enuresis nocturna und diurna • Enkopresis • Enkopresis ohne Verstopfung und Überlaufinkontinenz • Enkopresis mit Verstopfung und Überlaufinkontinenz Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 3 Definition Enuresis Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 4 Enuresis: Klassifikation nach Beginn • Wiederholtes unwillkürliches und willkürliches Einnässen ohne organische Läsion (ICD: und ohne andere psychiatrische Erkrankung) ab einem Alter von 5 Jahren • mindestens drei Monate • Häufigkeit: • Primäre Enuresis: von Geburt an • Sekundäre Enuresis: trockenes Intervall • von mindestens 6 Monaten • Beginn meist zwischen 5. und 8. LJ • Beginn nach 11 Jahren sehr ungewöhnlich • ICD-10: mdst. 2x/Monat bis 7Jahre, mdst. 1x/Monat ab 7 Jahre • DSM-IV: 2x/Woche oder klinisch relevante Belastung und • Einschränkung in sozialen, schulischen und sonstigen Bezügen • Empfehlung nach Gontard (1998): Einschätzung von Einnässen als klinisch bedeutsam, wenn es mdst. 1x wöchentlich auftritt Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 5 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 6 1 Enuresis: Klassifikation nach tageszeitlichem Auftreten Enuresis diurna: Unterformen • Enuresis nocturna: Einnässen lediglich während des Schlafens, Kind erwacht nicht (häufigste Form: 7090%) • Enuresis diurna: Einnässen am Tag im Wachzustand (5%) • Enuresis nocturna et diurna: Einnässen sowohl im Wachzustand als auch während des Schlafens (1520%) Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten • Auch als funktionelle Harninkontinenz bezeichnet, da fast immer eine periphere Störung der Blasenfunktion vorhanden • Häufigste Formen: • • • • • • 7 Enuresis diurna: Idiopathische Dranginkontinenz • Wahrscheinlich häufigste Form • Genetisch bedingte Störung der Füllungsphase der Blase (geringe Blasenkapazität) • Einnässen Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 8 Enuresis diurna: Harninkontinenz bei Miktionsaufschub • Erlerntes Verhalten: Miktion wir so lange aufgeschoben, bis es zum Einnässen kommt • Typische Situationen (nach Olbing, 1993): • • • • • • • Mit plötzlichem, starken Harndruck • Häufige Entleerung kleiner Harnmengen • Einsatz von Haltemanövern (z.B. Tänzeln) • v.a. bei Mädchen häufiges Auftreten von Harnwegsinfekten • Mädchen sind 10 mal häufiger betroffen Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Idiopathische Dranginkontinenz Harninkontinenz bei Miktionsaufschub Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination Seltene Formen: Stressinkontinenz (z.B. beim Husten, Niesen) Lachinkontinenz Heimweg nach der Schule Ekel vor dem Toilettenraum Angst vor Störung auf der Toilette Scheu, während Unterricht um Erlaubnis zu fragen Weit entfernte Lage der Toilette Angst, etwas Spannendes zu verpassen (Spiel, Fernsehen) • Häufig geringer Leidensdruck bzw. geringe Motivation zur Behandlung • Erhöhte Raten der Störung des Sozialverhaltens und des Hyperkinetischen Syndroms 9 Enuresis diurna: Detrusor-SphinkterDyskoordination Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 10 Epidemiologie Enuresis: Prävalenzen • Erworbene Störung • Pressen zu Beginn des Wasserlassens • „Stottern“ während der Miktion: unterbrochener Harnstrahl • Während der Blasenentleerung kommt es zu einer paradoxen Anspannung des Beckenbodens anstelle einer Relaxation • Häufig zusätzliches Auftreten von Harnwegsinfekten, Obstipation, Enkopresis Geschlecht Alter 5 Jahre 10 Jahre 18 Jahre Jungen 7% 3% 1% Mädchen 3% 2% <1% Achtung!!! Hohe Spontanremissionsrate von 13-15% Aus: Wyschkon & Esser, 2008; Petermann et al., 2001 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 11 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 12 2 Enuresis: Komorbidität Enuresis nocturna: Ätiologie • Sekundäre Enuresis nocturna • Genetische Aspekte: genetisch bedingte Reifungsstörung des zentralen Nervensystems: • 4-mal höhere Rate an zusätzlichen kinderpsychiatrischen Störungen im Vergleich zur primären Enuresis nocturna • Häufigeres Auftreten emotionaler Störungen (Primäre Enuresis: häufiger expansive Störungen) • Bei 60-80% der Kinder haben auch Verwandte eingenässt • Höhere Konkordanz bei eineiigen (68%) als bei zweieiigen (36%) Zwillingen • Einnässen tagsüber • Psychische Faktoren: • Kinder weisen häufiger psychiatrische Auffälligkeiten auf als solche, die nur nachts einnässen • V. a. externalisierende Störungen treten etwa doppelt so häufig auf wie bei tagsüber trockenen Kindern • Zusätzliches Einkoten bei etwa einem Drittel Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten • Spielen keine Rolle bei der primären Enuresis nocturna • Bei der sekundären Enuresis nocturna können bei genetischer Disposition Rückfälle durch belastende Lebensereignisse (z.B. Trennung der Eltern oder Geburt eines Geschwisterkindes) ausgelöst werden 13 Enuresis: Diagnostik Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 14 Enuresis: Explorationsschema nach Steinhausen • Spezifische Exploration der Symptomatik: • Häufigkeit, Menge und Zeitpunkt des Einnässens, • Entwicklung der Symptomatik, situative Faktoren • Einstellung, bisherige Maßnahmen etc. • Allgemeine Exploration: • Entwicklungsstand und Persönlichkeit, Beziehungen zu • Familie, Freunden, Schule, Erziehungsverhalten der Eltern etc. • Miktionsprotokoll: • Einnässen und Miktionsmengen, Drangsymptome, • Stottern, Pressen, Trinkmenge • Klinische Differenzialdiagnose • Laboruntersuchungen Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 15 Enuresis: Explorationsschema nach Steinhausen Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Enuresis nocturna: Therapie • • • • • Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 17 16 Operante Methoden Bettnässer-Alarmgerät Retention-Control-Training Dry-bed-Training (DBT) Medikamentöse Behandlung Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 18 3 Enruresis nocturna: Operante Methoden Enruresis nocturna: Bettnässer-Alarmgerät • Emotionale Verstärkung (z. B. Lob) statt Bestrafungen • Kind in Reinigungsprozess einbeziehen (auch eine Form der Bestrafung) • Einsatz materieller Belohnungen • Kalender (Token-Plan): abgesprochene Symbole für trockene und nasse Nächte • Erstes Gerät von Mowrer und Mowrer (1938) entwickelt: Auftreffen von Urin auf Alarmgerät Stromkreis Signal Kind erwacht • Arten: Klingelhose oder Klingelmatte • Gute Wirksamkeit, aber innerhalb von 6 Monaten relativ viele Rückfälle • enge Supervision der Eltern notwendig • Überlernen (gesteigerte Flüssigkeitszufuhr) • Sollte vom Kind selber geführt werden • Sichtbar über dem Bett aufhängen • Symbol, wenn Kind zwar einnässt, aber erwacht und selbständig auf die Toilette geht • Belohnung für bestimmte Anzahl trockener Nächte • Lob nach jeder trockenen Nacht Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 19 Enruresis nocturna: Bettnässer-Alarmgerät Ursachen für Misserfolge • • • • • Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 20 Enuresis nocturna: Retention-Control-Training (Blasentraining) • Ziele: Kontrolle über Muskeln, Sensibilität für Füllungsstand der Blase, Steigerung der Blasenkapazität • Miktion bei Auftreten von Harndruck zurückhalten und schrittweise Verlängerung von 3-45 Minuten • Möglichst erhöhte Flüssigkeitszufuhr • Genaue Protokollierung von Erfolgen und Misserfolgen • Wirksamkeit: RCT alleine ist nicht ausreichend, Schlechte Schlafbedingungen Trennungen Kind erwacht von Alarm nicht Ängste vor dem Gerät Gerät wird nicht sachgemäß gehandhabt • aber ein wichtiger Schritt, um die Effektivität nachfolgender Interventionen zu erhöhen • Weniger effektiv bei seltenem Einnässen und sekundärer Enuresis Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 21 Enuresis nocturna: Dry-bed-Training (DBT) Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Dry-bed-Training: Intensivnacht • Beinhaltet verschiedene Einzeltechniken • Aufbau: Intensivnacht und Posttrainingsphase • Installation eines Alarmgerätes • Kind trinkt möglichst viel vom Lieblingsgetränk • Stündliches Wecken durch den Trainer ins Bad Frage, ob es urinieren muss Loben für Urinieren oder Aushalten • Zurück im Bett soll Kind Bettwäsche anfassen und Trockenheit registrieren Lob erneutes Trinken • Bei Einnässen • • • • Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 22 23 Signal des Alarmgeräts Negatives Feedback durch Trainer Kind soll im Bad Urinieren Kind zieht Schlafanzug aus, bezieht das Bett neu Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 24 4 Dry-bed-Training: Posttrainingsphase Enuresis nocturna: Medikamentöse Behandlung • Alarmgerät vor dem Schlafengehen installieren • Toilettentraining, falls in Nacht vorher eingenässt wurde: • Insgesamt sind verhaltenstherapeutische Interventionen wirksamer als medikamentöse • Indikation nach von Gontard (1998): • Eltern wecken Kind, bevor sie schlafen gehen, damit dieses ins Bad geht • Loben bei trockenen Nächten, fünf weitere Male im Laufe des Tages (auch Personen aus dem Verwandtenkreis) • • • • • Ende der Posttrainingsphase: 7 trockene Nächte in Folge Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten • Desmopressin (Minirin): Synthetisches Analogon des antidiuretischen Hormons (ADH) • Hohe Rate an Non-Respondern, hohe Rückfallrate, Nebenwirkungen 25 Von Eltern werden folgende Methoden häufig angewandt: • Nächtliches Wecken • Flüssigkeitseinschränkung • Windeln 26 • beachtliche, jedoch nicht stabile Anfangserfolge • Komplexität • Aufwand • Durchführungsprobleme, • Motivationsverlust und daraus resultierende Misserfolge erschweren erneute Enuresis-Erwartung (aufgebaute Misserfolgserwartung) • Erfolg der psychologischen Methoden kann durch den Einsatz von Medikamenten unterstützt werden • Besonders wichtig für Therapieerfolg: Konsequenz und Ausblendplan sowie Anleitung zum Umgang mit Rückfällen Das Kind lernt dadurch nicht, seine Organfunktionen unter natürlichen Gegebenheiten wahrzunehmen und diese zu kontrollieren 27 Therapieempfehlung für Idiopathische Dranginkontinenz Enuresis diurna: Therapien • Operante Methoden: • Ziel: Kontrolle der Drangsymptome, Verzicht auf Haltemanöver • Führen eines Kalenders (Symbole für Harnlassen mit bzw. ohne Einnässen) zusätzliche Verstärker • Klingelgeräte empfohlen • Oxybutynin (Dridase) (Anticholinergikum): • Zeiten des Tagnässens identifizieren • Belohnungen für Toiletten-Gänge • Belohnung trockener Tage • Alarmgerät: • Variante 1: Signal ertönt nach dem Einnässen • Variante 2: Signal ertönt nach einem festgelegten Zeitabstand (z.B. 90 Minuten) Aufsuchen der Toilette Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Enruresis nocturna: Therapien (Zusammenfassende Bewertung) Enuresis nocturna: Nicht hilfreiche Methoden Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Therapieresistenz Kombinationstherapie Familiäre oder sonstige Belastungen Andere spezifische Indikationen (z.B. kurzfristiges Trockenwerden z.B. im Schullandheim) • ausschließlich hier indiziert, mindestens 8 Wochen • Nur wenn vier Wochen verhaltenstherapeutische Behandlung kein Erfolg zusätzlich vier Wochen Oxybutynin, evtl. Dosissteigerung, wenn erfolglos 29 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 30 5 Therapieempfehlung bei Harninkontinenz bei Miktionsaufschub Enuresis: Kinderbücher • Entlastung der Eltern • Aufweisen der Zusammenhänge zwischen Einnässen und Miktionsaufschub • Unangenehme Begleitumstände (z.B. ungünstige Bedingungen für den Toilettengang) möglichst beseitigen • Anwendung verhaltenstherapeutischer Methoden • • • • • Digitaluhr (Alarm alle 3-4 Stunden) Kalender führen Belohnungspläne Loben Einbezug des Kindes in Reinigung Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 31 Therapieempfehlung bei Detrusor-SphinkterDyskoordination • • • • Prognose der Enuresis • Günstiger bei primärer Enuresis • Häufig bei beiden Arten Spontanremissionen in der Pubertät • Dennoch ist eine frühe Behandlung aufgrund der sozialen Ächtung und möglicherweise auftretender sekundärer Probleme notwendig Häufig im stationären Setting Kognitive und verhaltenstherapeutische Elemente Biofeedback-Training Hypnose Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 33 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 34 Enruresis nocturna: Prädiktoren von Behandlungserfolgen Ungünstige Prädiktoren familiäre Probleme negative Einschätzung durch die Eltern Günstige Prädiktoren hochängstliche Mütter Bewertung des Kindes als sozial unsicher mehrmaliges Einnässen pro Nacht Unterstützung durch die Eltern Hänseln durch die Geschwister Keinen Einfluss Alter & Geschlecht Geschwisterkonstellation Druck der Gleichaltrigen Fähigkeit, den Toilettengang aufzuschieben unorganisierte Familien kein eigenes Zimmer zum Schlafen unzureichende (verfügbare) Toiletten Enkopresis soziale Herkunft (nur relevant bei Dauer: schneller trocken, je höher sozialer Status) Familiengröße bisherige familiäre Belastung Bewertung der Enuresis durch die Eltern und das Kind vorherige medizinische Behandlungen Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 36 6 Definition Enkopresis Enkopresis: Klassifikation • wiederholtes unwillkürliches und willkürliches Absetzen von Stuhl in die Kleidung oder an nicht dafür vorgesehene Stellen • Primäre Enkopresis: Stuhlgang konnte niemals länger als ein Jahr kontrolliert werden • Sekundäre Enkopresis: Kind war bereits länger als 1 Jahr sauber • ab einem Alter von 4 Jahren, • mindestens einmal pro Monat • über ein halbes Jahr (ICD-10) bzw. über 3 Monate (DSMIV) • Nicht Folge einer organischen Erkrankung Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 37 Enkopresis: Klassifikation • In schweren Fällen: größere Mengen geformten Stuhls • Meistens wird tagsüber „eingeschmiert“ • Beschmutzung ist manchmal so gering, dass Eltern von mangelhaften hygienischen Verhaltensweisen ausgehen • Manche Kinder bemerken Einkoten erst durch Wahrnehmung des Geruchs • Die meisten Kinder leiden sehr stark darunter, nur ganz wenige bleiben emotional unberührt 39 Enkopresis: Epidemiologie • • • • 38 Enkopresis: Symptomatik • Enkopresis mit Obstipation • seltene Stuhlgänge • große Stuhlmengen, • Nicht normale Konsistenz • Bauchschmerzen/Schmerzen bei Defäkation • Reduzierter Appetit • häufig Komorbidität mit anderen Störungen • Enkopresis ohne Obstipation • Selteneres Einkoten • kleinere Mengen Stuhl, • Normale Konsistenz • keine Schmerzen, • Normaler Appetit • Toilettenverweigerungssyndrom: Kinder verlangen für Däfakation eine Windel Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 40 Enkopresis: Komorbiditäten Prävalenz: 1-3% im Kindesalter Absinken mit höherem Alter Jungen sind drei- bis viermal häufiger betroffen Mehrzahl kotet tagsüber ein • • • • • • • • Enuresis nocturna (55%) Emotionale Störungen (34%) Hyperkinetisches Syndrom (17%) Störungen im Sozialverhalten (7%) Häufig vor allem nach längerem Verlauf soziale Beeinträchtigung In Einzelfällen an sexuellen Missbrauch denken Meist unspezifische psychische Begleitstörungen • Scham- und Insuffizienzgefühle • Dysphorie, depressiv, ängstlich, stimmungslabil, frustrationsintolerant, manchmal auch oppositionelles Verhalten Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 41 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 42 7 Enkopresis: Verlauf Enkopresis: Ätiologie • Häufig Spontanremissionen mit dem Älterwerden: 53 Monate nach Erkrankungsbeginn zeigen 58% Remission, 29% Besserung, 13% keine Veränderung • Günstige Prognosefaktoren: • Unauffällige psychosoziale Bedingungen • Höhere Intelligenz • stuhlregulierende Maßnahmen • Gering ausgeprägte begleitende Verhaltensstörungen • Ungünstige prognostische Faktoren: • Niedrige Intelligenz • fehlende Stuhlregulation, • Fehlendes Toilettentraining, • Keine weiteren Störungen (Enuresis, ADHS) Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten • Physiologische Ebene: Störungen der Defäkationssteuerung • Genetische Zusammenhänge: Häufig zu beobachten, aber nicht nachgewiesen • Körperlich begründete Risikofaktoren: Verstopfung, Essstörung, schmerzhafter Stuhlgang, • Entzündungen, Nahrungsunverträglichkeiten • Psychosoziale Risikofaktoren: Übermäßige oder vernachlässigte Sauberkeitserziehung, Belastungssituationen • Situative Schwierigkeiten: z. B. Scheu, nach Toilette zu fragen, umständlich 43 Enkopresis: Ätiologie Emotionale Störungen können begleitend sein Störungen der Eltern-Kind-Beziehung allgemeine familiäre Konfliktsituationen beachten Auszuschließen bzw. zu erfassen: Funktionelle Störungen des rektoanalen Sphinkterapparates • Ätiologie von Enkopresis mit Obstipation weitgehend geklärt: Genetik, psychische, somatische Auslöser • Ätiologie von Enkopresis ohne Obstipation nicht geklärt: Anteil organischer Ursachen < 1% überwiegend umweltvermittelt • Allgemeine Diagnostik: Anamnese, Exploration, Erhebung des psychopathologischen Befunds, Psychodiagnostik, neurologische und internistische Untersuchungen (einschl. EEG, Sonografie) • Symptombezogene Diagnostik • • • • • • • 45 Enkopresis: Diagnostik Störungsspezifische Entwicklungsgeschichte Symptombeschreibung Beginn, Form der Sauberkeitserziehung Bisherige symptomfreie Intervalle und Rückfälle Leidensdruck verschiedener beteiligter Personen Krankheitskonzept des Betroffenen Bisherige Therapieversuche Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 46 Enkorpesis: Differenzialdiagnose • Aktuelle Symptomatik der Enkopresis: • Unzureichendes Toilettentraining • Unzureichendes Entwicklungsalter (geistige Behinderung) • Andere primäre Störung • Internistische oder neurologische Krankheiten • z. B. Fragebogen von Gontard (2004): Fragen zur Einkothäufigkeit, -symptomatik, Rückfällen, Stuhlverhalten, Wahrnehmung und Reaktion auf Einkoten, Einnässen • Labordiagnostik: • • • • • 44 Enkopresis: Diagnostik • • • • Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Urinstatus Urin-Stuhlbakteriologie Magnetic Resonance Imaging (MRI) Manometrie (Druckmessung) Kolon-Kontrast-Einlauf Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 47 Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 48 8 Enkopresis: Therapie Phase 1: Diagnostik und Psychoedukation Enkopresis: Therapie • Aufklärung über Krankheit, Beratung zu adäquatem Trink- und Essverhalten • Basisdiagnostik • Motivierung, Entlastung • Sachliche Erklärung der Ausscheidungsvorgänge • Sorgen, Ziele, Klärung der Übernahme von Verantwortung • Erläuterung des Behandlungsplans • Erziehungsberatung • Grundannahme der integrierten Therapie: • Ausscheidungskontrolle muss erlernt werden • Kombination verhaltenstherapeutischer und medikamentöser Therapie • Berücksichtigung organischer, psychischer, psychosozialer Symptombereiche • Vier Phasen (Diagnostik & Psychoedukation, Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 49 Enkopresis: Therapie Phase 2: Reinigung und Verhaltensfuh ̈ rung • Therapiemaßnahmen in Tagesplan integrieren Absprachen mit Kindergarten/Schule • Einzelpsychotherapie • Elternberatung • Wenn kein Erfolg erzielt (teil-)stationäre Aufnahme • Bei Begleitstörungen: Psychotherapie oder Medikation (Therapie von Enuresis nach der Therapie der Obstipation) • Toilettentraining: drei 5-10-minütige Toilettengänge pro Tag (feste Zeit, i.d.R. nach dem Essen) • wenn erfolgreich, verstärken (Belohnungsplan) • Wichtig: positive Gestaltung der Umgebung • Selbstmanagement: Kind einbeziehen bei Reinigung der Wäsche, Körperhygiene • Relaxations-, Kontraktionsübung • Emotionale Unterstützung 51 Enkopresis: Therapie Phase 4: Abschluss (Erhaltungstherapie) Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 52 Take home messages • Schrittweise Zurücknahme (von Medikation, Verstärkerpläne, Übungseinheiten) • Normalisierter Stuhl orale abführende Mittel statt Einläufe • Keine Verschmutzung mehr Beenden von medikamentösen Abführmitteln • Monatliche Kontrolluntersuchung noch 6-24 Monaten Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 50 Enkopresis: Therapie Phase 3: Ergänzende psychoth. Behandlung • Bei Obstipation: Entleerung des Dickdarms durch abführende Maßnahmen 2-3 mal wöchentlich • Verhaltenstherapeutische Maßnahmen Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten • Starke Belastung der Kinder und ihrer Eltern durch das Einnässen und Einkoten. • Ursachen meist sowohl genetisch als auch umweltbedingt • Häufig komorbide Störungen • Therapie: Psychoedukation und Verhaltenstherapie (zum Teil aparativ unterstützt), selten Medikation • Hohe Remissionsraten mit zunehmendem Alter 53 9 30 Minuten Pause Vorlesung Klinische Kinder – und Jugendpsychologie, Dr. Margarete Bolten 55 10