Tod und Sterben begegnen - Evangelische Frauenhilfe in Westfalen

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Tod und Sterben begegnen - Evangelische Frauenhilfe in Westfalen
Frauenhilfe zum Selbermachen 1/09
„Tod und Sterben begegnen“
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-1Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Zur Einführung
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Zur Einführung
Die Idee zu dieser „Frauenhilfe zum Selbermachen“ stammt von Frauen, die an den Tagungen zum Jahresthema des vergangenen Jahres teilgenommen haben. In einer Einheit
hatten Frauen Gelegenheit, Räume des Glaubens, Räume des Lebens zu gestalten. Einer
dieser Lebensräume war der Raum der Trauer, der Raum der Begegnung mit Sterben und
Tod.
Zu unserem Erstaunen war dieser Glaubensraum in den Tagungen besonders gut besucht. „Wir haben viel zu selten Gelegenheit, uns über unsere Erfahrungen mit unserer
Trauer, aber auch mit dem eigenen Sterben auszutauschen.“
So kam es in einigen Abschlussrunden zu der Bitte: „Wir hätten gerne mehr Material zum
Thema, das wir in unsere Leiterinnenrunden und in die Frauenhilfen einbringen können.“
Wir möchten mit dieser Arbeitsmappe auf diesen Wunsch mit sechs unterschiedlichen
Vorschlägen zur Behandlung des Themas antworten.
Enthalten sind zwei Einheiten, die sich besonders für Leiterinnenkonferenzen oder Veranstaltungen mit Multiplikatorinnen eignen. Zum einen ist das die oben angesprochene und
für das Thema der Arbeitsmappe veränderte Einheit aus dem Jahresthema 2008 „Meine
Zeit steht in deinen Händen“. Zum anderen finden Sie eine neu entwickelte Einheit für einen ganzen Tag mit drei Themenblöcken: „Krankheit und Sterben leben - Wege des Abschieds finden - mein Haus bestellen“. Bestimmt ist es für Sie auch möglich, Material und
Methoden aus diesen größeren Einheiten in Gruppenstunden zu nutzen, nachdem Sie in
das Thema eingeführt haben.
Hilfreich zur allgemeinen Einführung können die Zitate und Gedichte zum Thema sein,
denen ein Hinweis zur Nutzung in den Gruppen beigefügt ist.
Als außergewöhnliche Idee zur Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit von „Sterben und
Tod“ ist uns das Kunstprojekt „Ein Koffer für das Jenseits“ unter der Federführung des Bestatters Fritz Roth begegnet. In einer ausgearbeiteten Andacht und Gruppenstunde werden Sie an die Idee des Projektes herangeführt, was Menschen im Angesicht des Jenseits
in ihren Koffer packen würden. Sie haben die Gelegenheit, sich zu den verschiedenen Kofferinhalten und den Lebens- und Sterbens-Haltungen, für die sie stehen, auszutauschen.
Wer mag, ist eingeladen zu überlegen, was sie selbst in einen solchen Koffer packen würde.
Auch Kindern bleibt die Erfahrung nicht erspart, dass Menschen, die sie lieb haben, sterben. Wie kann auf diese Erfahrung eingegangen werden? Wie können Frauen als Großmütter ihre Enkelkinder darin begleiten?
Der Vortrag „Gehört Sterben zum Leben?“ fragt nach der Notwendigkeit, mit Abschieden
in der eigenen Lebenszeit umzugehen. Nicht nur das Sterben, auch Verlusterfahrungen
werden dabei angesprochen.
Als zusätzliches Material zur Nutzung fügen wir Ihnen die Grundsätze der Hospizarbeit in
NRW bei.
In der Bibelarbeit zur Frau Lots folgen Sie den Spuren einer Frau, der keine Zeit zum Abschiednehmen bleibt.
Wir wünschen Ihnen und Ihren Gruppen Begegnungen mit diesem Thema, die die vielen
Erfahrungen der Frauen nutzen und den Wert des Lebens im Sterben gemeinsam entdecken lassen.
Mit herzlichen Grüßen aus dem Landesverband
Ihre
Katja Jochum
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Inhaltsverzeichnis
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„Tod und Sterben begegnen“
Zur Einführung
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Inhaltsverzeichnis
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„Meine Zeit steht in deinen Händen“
- Besondere Lebenszeiten bewusst gestalten…
Anlage 1:
Sermon von der Bereitung zum Sterben
Anlage 2:
Andacht mit einer/m Sterbenden mit Demenzerkrankung
Anlage 3:
Auszug aus: Trauer ist Liebe
Anlage 4:
Gegenwind. Erinnerungen
4
8
9
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Leiterinnenfortbildung: Krankheit und Sterben leben - Wege des Abschieds
finden - mein Haus bestellen
Anlage 1:
Lied: „Nichts soll uns trennen“
Anlage 2:
Arbeitsblatt zur Gruppenphase „Bleib bei mir! Lass mir Raum!“
Anlage 3:
Was nach dem Tod eines Menschen zu tun ist - Checkliste
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22
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•
Zitate und Gedichte zu Tod und Sterben
26
•
Ein Koffer für die letzte Reise… - Das Leben betrachten mit Blick auf die
eigenen Grenzen, die eigene Endlichkeit. - Andacht und Gruppenstunde
29
•
Gehört Sterben zum Leben?
Anlage 1:
Gedicht von Hermann Hesse, Stufen
35
38
•
Zum Weiterlesen: Grundsätze der Hospiz-Arbeit, Nordrhein-Westfalen
39
•
Kinder fragen nach dem Tod
Anlage 1:
Sie haben mir nichts gesagt
Anlage 2:
Kinder fragen nach dem Tod
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45
47
•
Lots Frau - Abschied ohne Zeit - Bibelarbeit zu Genesis 19
Anlage 1:
Bibeltext: 1. Mose 19, 15 - 17. 24 - 26
Anlage 2:
Arbeitsblatt: Bibelarbeit zu Lots Frau
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51
52
•
IMPRESSUM
Herausgeberin:
Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Postfach 13 61, 59473 Soest
Telefon: 02921 371-0
Fax: 02921 4026
www.frauenhilfe-westfalen.de
[email protected]
Zusammenstellung, Bearbeitung:
Redaktionelle Arbeit und Druck:
Titelbild:
Stand:
Preis:
Preis:
02/2009
3,00 Euro
6,00 Euro
Katja Jochum, Birgit Reiche
Manuela Beckheier, Manuela Schunk, Martina König
Katja Jochum
zzgl. Porto und Verpackung
zzgl. Porto und Verpackung
Nicht-Mitglieder
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Frauenhilfe zum Selbermachen
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„Meine Zeit steht in deinen Händen…“
Besondere Lebens-Zeiten bewusst gestalten
Ziele:
Die Teilnehmerinnen sollen
•
ihre Erfahrungen in der Gestaltung des gewählten Lebensraums austauschen.
•
ihre persönlichen Ressourcen im Umgang mit diesem Raum erkennen und im Austausch der Gruppe ausbauen.
•
das gemeinsam Erfahrene und Erarbeitete kreativ im Gruppenbild ausdrücken.
Material:
eventuell Meditationsmusik
Wasserfarbe
Din-A2 oder DIN-A3-Bögen (Zeichenblock)
Für die Gruppenarbeit:
Arbeitsblätter in Anzahl der Teilnehmerinnen pro Gruppe
•
Martin Luther, Sermon von der Bereitung zum Sterben, (1519),
übersetzt von Karin Bornkamm, in: Martin Luther, Ausgewählte
Schriften, hrsg. v. Karin Bornkamm und Gerhard Ebeling,
Frankfurt am Main 1982, Zweiter Band, S. 30 - 32. (Anlage 1)
•
Andacht mit einer/m Sterbenden mit Demenzerkrankung, aus:
Friederike Schuppener, Wir bleiben, wenn du gehst. Gebete,
Lesungen und Lieder am Sterbebett, Gütersloh 2004, S. 34f.
(Anlage 2)
•
Marias Trauer, aus: Fritz Roth und Sabine Bode, Trauer ist Liebe. Was menschliche Trauer wirklich braucht, Gütersloh 2006,
S. 26 - 29. (Anlage 3)
•
Steine, eine Kerze, ein Tuch, eine Bibel, eine Beileidskarte, ein
Gesangbuch, ein Engel…
Zum Weiterlesen:
•
Dorothee Sölle, Gegenwind. Erinnerungen, München 20046, S.
160 - 164. (Anlage 4)
Zur Einstimmung
für die Leiterin:
Spiritualität kann sich nicht nur in der persönlichen Praxis, sondern
auch im geschützten Austausch entfalten. Dazu soll dieser Nachmittag Gelegenheit geben. Gewähren Sie den Frauen die Freiheit, sich
für einen der Räume zu entscheiden.
Es wäre gut, wenn Sie für jede Gruppe einen eigenen Raum vorbereiten könnten. Sagen Sie den Frauen, wo Sie erreichbar sind, falls
Sie als Ansprechpartnerin gebraucht werden.
Der Austausch nach der Gruppenphase soll freiwillig sein. Keine
Gruppe muss Ergebnisse vortragen; laden Sie dazu ein, persönliche
Eindrücke, falls Frauen das mögen, miteinander zu teilen.
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Frauenhilfe zum Selbermachen
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Impuls zur
Einführung:
(10 Minuten)
„Das geistliche Leben spielt sich nicht im Kopf ab. Es besteht nicht
aus erbaulichen Gedanken, sondern es will sich ganz konkret im Alltag ausdrücken. Es braucht Alltagsrituale, damit es unser Herz und
die Herzen unserer Mitmenschen verwandeln kann.“
(Anselm Grün in Pierre Stutz, Alltagsrituale, S. 13)
Was Anselm Grün in diesen Worten andeutet, gilt besonders für die
Zeiten, in denen der Tod in unser Leben tritt. Sei es, dass eine
Krankheit das eigene Leben bedroht. Sei es, dass wir einen Menschen in seinem Sterben begleiten. Sei es, dass wir mit dem Verlust
einer geliebten Person umgehen müssen. Auch und gerade diese
Zeiten unseres Lebens verlangen danach, dass wir sie bewusst
wahrnehmen, sie mit unseren Erfahrungen und mit Formen unseres
Glaubens füllen. Was gibt uns gerade dann Halt, wenn der Boden
unter unseren Füßen ins Schwanken geraten ist?
Wir werden in drei Gruppen diese besonderen Lebensräume betreten und uns mitteilen, was uns in ihnen bereichert, was wir uns in ihnen wünschen und wie wir in ihnen zu Gemeinschaft finden wollen.
Sie dürfen sich aussuchen, in welchem Raum Sie den Nachmittag
verbringen möchten.
Für alle drei Räume gibt es Material, das Sie in Ihrem Nachdenken
und in Ihrem Austausch unterstützen und anregen will. Und alle drei
Räume stellen Ihnen die Aufgabe, dass Sie als Gruppe gemeinsam
einen Weg beschreiben oder gestalten, der für Sie durch diesen Lebensraum führt.
Benennen Sie dabei Punkte, die in Ihrem Gespräch wichtig geworden sind, und Formen, die Ihnen helfen, das Leben in diesem besonderen Raum Ihrer Zeit zu gestalten.
Zunächst möchte ich Ihnen die drei Räume vorstellen.
Sie begegnen uns mit Stille, mit Dornen, mit Tränen. Aber sie halten
auch den Grund unserer Hoffnung und ein langes Ausatmen bereit.
In den Räumen des Abschieds, des Sterbens und der Trauer warten
Sehnsucht und Erinnerung auf uns.
Der Raum des Abschiednehmens fragt uns nach dem, was in dieser
Phase des Lebens hilft.
Welche Worte, welche Gesten, welche Handlungen helfen Ihnen, in
diesem Raum Leben zu gestalten?
Der Text von Martin Luther aus seinem „Sermon von der Bereitung
zum Sterben“, den Sie in diesem Raum nutzen können, erinnert an
die Grundlage unseres Lebens, die Gott für uns gelegt hat – sie gilt
für das Leben, das Sterben – und darüber hinaus.
Der Raum der Begleitung des Sterbens erinnert an Stunden geteilter
Nähe, an das gemeinsame Reden oder Schweigen vor dem Tod, an
die gemeinsame Besinnung auf das gelebte Leben, an Situationen,
die abgeschlossen werden oder es nicht werden können.
Welche besonderen Eindrücke aus diesem Raum des Sterbens als
eines Raumes des Lebens möchten Sie miteinander teilen? In welcher Sprache möchten Sie dem Sterben begegnen; wie soll das
Sterben und der Tod anderer Menschen zur Sprache kommen?
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Frauenhilfe zum Selbermachen
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Welche Haltung hat es Ihnen ermöglicht, einen Menschen in seinem
Sterben zu begleiten?
Wenn Sie mögen, nutzen Sie die Andacht aus dem Buch „Wir bleiben, wenn du gehst“, als Anstoß zum Gespräch.
Der Raum der gelebten Trauer steht Ihnen als dritter Raum zur Wahl.
Was hat Ihnen in Ihrer eigenen Trauer geholfen? Was hätten Sie sich
im Nachhinein gewünscht? Welchen Weg sind Sie gegangen, um Ihr
Leben neu zu finden und zu gestalten? Was ist Ihnen Hilfreiches von
anderen Menschen entgegengebracht worden?
Die Schilderung der Trauerarbeit einer Frau aus dem Buch „Trauer
ist Liebe“ kann Ihnen in Ihrem Austausch als Impuls dienen.
Welchen Raum auch immer Sie wählen: Was wünschen Sie sich von
Menschen, denen Sie dort begegnen?
Nutzen Sie die Möglichkeit, sich auszutauschen zu den Geländern
auf dem Weg zwischen Rückblick, Schmerz, Lebensbewältigung in
der Trauer und Spuren neu erwachender Hoffnung.
In allen drei Lebensräumen haben Sie in der ersten Stunde Zeit, sich
über Ihre Erfahrungen auszutauschen. Sie können sich dabei von
den ausliegenden Texten und Gegenständen anregen lassen.
Kommen Sie ins Gespräch darüber, was Ihnen beim Leben in diesem besonderen Raum hilft, was Sie bereichert und was Sie sich
wünschen.
Nach einer guten Stunde haben Sie Gelegenheit, Ihre Eindrücke
gemeinsam kreativ umzusetzen.
Entscheiden Sie sich jetzt, in welchem der vorgestellten LebensRäume Sie den Nachmittag verbringen möchten!
Bitte machen Sie die Pause in Ihrer Gruppe in eigener Verantwortung.
Für die Leiterin:
Geben Sie nach einer guten Stunde jeder Gruppe ein DIN-A2-Plakat,
einen Wasserfarbkasten, Pinsel und Wasser - und den Arbeitsauftrag.
Impuls:
Bisher haben Sie sich mit Worten ausgetauscht. In der folgenden
Dreiviertelstunde haben Sie Gelegenheit, den Eindrücken nachzugehen und sie ohne Worte gemeinsam zu vertiefen.
Gestalten Sie gemeinsam - ohne vorherige Absprache - ein (nicht
gegenständliches) Plakat mit Wasserfarben.
Bilden Sie das, was Sie in der letzten Stunde miteinander ausgetauscht haben, nun in Farben und Formen ab, wie Sie Ihnen jetzt
passend erscheinen.
Seien Sie bei sich und gestalten Sie dennoch gemeinsam.
Für die Leiterin:
Geben Sie den Gruppen fünf Minuten vor Ende der Zeit das Signal,
dass sie zum Abschluss kommen sollen.
Geben Sie den Gruppen jetzt 15 Minuten Zeit, sich über die Eindrücke des gemeinsamen Malens auszutauschen.
Laden Sie alle Gruppen zur gemeinsamen Abschlussrunde ein. Die
Bilder sollen in die Mitte gelegt werden.
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Frauenhilfe zum Selbermachen
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Impuls:
Räume des Lebens - wir haben sie in den vergangenen Stunden besucht, uns darüber ausgetauscht, was wir in ihnen erlebt haben und
wie wir sie zukünftig weiter (und vielleicht auch anders) gestalten
möchten. Unser Austausch ist in gemeinsame Werke gemündet.
Jetzt haben wir die Bilder der Lebensräume in unserer Mitte. Wir haben Gelegenheit, sie zu betrachten, ihre Farben auf uns wirken zu
lassen.
Gemeinsames Betrachten der Bilder aus den Gruppen.
Impuls:
Aus dem Psalm 31, der das Leiden eines Menschen vor Gott bringt,
ungewisse Angst in Worte fasst und Vertrauen wie einen Anker auswirft, stammen die folgenden Verse:
Ich aber, Lebendiger, hoffe auf dich und spreche: Du bist mein Gott.
Meine Zeit steht in deinen Händen. (Ps 31, 15 - 16)
Unsere Lebenszeit, in Gottes Händen.
Wir - gehalten von Gottes schützenden, stärkenden, bewahrenden
Händen ganz gleich, ob wir uns mühen oder ruhen,
ob wir unser Glück kaum fassen können oder an Trauer schwer zu
tragen haben.
Ein kleines Stück Lebenszeit haben wir gerade miteinander geteilt,
unsere Hoffnung wie einen Schatz, unsere Sehnsucht wie einen
Kompass.
Wir singen zum Abschluss gemeinsam die erste Strophe von Lied
171:
Lied:
„Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott“ (EG 171, 1 - 4)
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Anlage 1
Sermon von der Bereitung zum Sterben
Zum achtzehnten soll kein Christenmensch an seinem Ende daran zweifeln, dass er nicht
allein sei in seinem Sterben. Sondern er soll gewiss sein, dass nach der Aussage des
Sakraments auf ihn gar viele Augen sehen. Zum ersten Gottes selber und Christi, weil er
seinem Wort glaubt und seinem Sakrament anhängt; danach die lieben Engel, die Heiligen
und alle Christen. Denn da ist kein Zweifel, wie das Sakrament des Altars zeigt, dass die
allesamt wie ein ganzer Körper zu seinem Glied hinzulaufen, helfen ihm den Tod, die
Sünde, die Hölle überwinden und tragen alle mit ihm. Da ist das Werk der Liebe und der
Gemeinschaft der Heiligen im Ernst und gewaltig im Gange, und ein Christenmensch soll
es sich auch vor Augen halten und keinen Zweifel daran haben; woraus er dann Mut
schöpft zu sterben. Aber wer daran zweifelt, der glaubt nicht an das hochwürdige Sakrament des Leibes Christi, in dem gezeigt, zugesagt, versichert wird Gemeinschaft, Hilfe,
Liebe, Trost und Beistand aller Heiligen in allen Nöten. Denn wenn du glaubst an die Zeichen und Worte Gottes, so hat Gott ein Auge auf dich, wie er sagt Ps. 32, 8: „(…) Ich will
meine Augen stets auf dich haben, dass du nicht untergehest.“ Wenn aber Gott auf dich
sieht, so sehen ihm nach alle Engel, alle Heiligen, alle Kreaturen; und wenn du in dem
Glauben bleibst, so halten sie alle die Hände unter. Geht deine Seele aus, so sind sie da
und empfangen sie, du kannst nicht untergehen. Das ist bezeugt von Elisa 2. Kön. 6, 16,
der zu seinem Knecht sprach: „Fürchte dich nicht, ihrer sind mehr mit uns denn mit ihnen“,
wo doch die Feinde sie umringt hatten und sie niemand anderen sahen. Aber Gott tat dem
Knecht die Augen auf, da war um sie ein großer Haufe feuriger Pferde und Wagen. So ist
es auch gewiss um einen jeden, der Gott glaubt. Da gehen dann die Sprüche her, Ps. 34,
8: „Der Engel Gottes wird sich eindrängen rings um die, die Gott fürchten, und wird sie
erlösen“; PS. 125, 1 f.: „Welche Gott vertrauen, die werden unbeweglich sein wie der Berg
Zion. Er wird ewiglich bleiben. Hohe Berge (das sind Engel) sind in seinem Umkreis, und
Gott selber umringt sein Volk von nun an bis in Ewigkeit“; Ps. 91,1 116: „Er hat seinen Engeln dich befohlen. Auf den Händen sollen sie dich tragen und dich bewahren, wo du hingehst, dass du nicht stoßest deinen Fuß an irgendeinen Stein. Auf der Schlange und dem
Basilisken sollst du gehen, und auf den Löwen und Drachen sollst du treten (das ist, alle
Stärke und List des Teufels werden dir nichts tun). Denn er hat in mich vertraut. Ich will ihn
erlösen, ich will bei ihm sein in allen seinen Anfechtungen, ich will ihm heraushelfen und
ihn zu Ehren setzen. Ich will ihn voll machen mit Ewigkeit. Ich will ihm offenbaren meine
ewige Gnade.“ Ebenso spricht auch der Apostel, dass die Engel, deren unzählig viele sind,
allzumal dienstbar sind und ausgeschickt werden um derer willen, die da selig werden.
(Hebr. 1, 14)
Dies sind alles große Dinge, wer kann's glauben? Darum soll man wissen, dass das Gottes Werke sind, die größer sind, als jemand denken kann, und die er doch wirkt in solchem
kleinen Zeichen der Sakramente, damit er uns lehre, ein wie großes Ding sei ein rechter
Glaube an Gott.
Martin Luther, Sermon von der Bereitung zum Sterben, (1519), übersetzt von Karin Bornkamm,
in: Martin Luther, Ausgewählte Schriften,
hrsg. v. Karin Bornkamm und Gerhard Ebeling, Frankfurt am Main 1982, Zweiter Band, S. 30-32.
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Frauenhilfe zum Selbermachen
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Anlage 2
Andacht mit einer/m Sterbenden mit Demenzerkrankung
Psalm 73
Dennoch bleibe ich stets an dir;
denn du hältst mich bei meiner rechten Hand,
du leitest mich nach deinem Rat
und nimmst mich am Ende mit Ehren an.
Wenn ich nur dich habe,
so frage ich nichts nach Himmel und Erde.
Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet,
so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.
Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte
und meine Zuversicht setze auf Gott, den Herrn, dass ich verkündige all dein Tun.
Psalm 73, 33 - 26.28
Gebet
Wir rufen zu dir, du unser Gott.
Das Leben ist nur noch ein Hauch und die Tage werden lang.
Wir legen vor dich das ganze Leben von ...
Für alles, was sie/ihn erfreut hat, für alles, was das Leben für sie/ihn schön und lebenswert
gemacht hat, dafür danken wir dir.
Alles, was schwer war, was ... hat straucheln lassen, was sie/ihn bekümmert hat,
alles legen wir in deinen Schoß.
Alles, worin ... unverstanden blieb, das legen wir dir ans Herz.
Du wirst sie/ihn längst verstanden haben.
Nimm ... in deine Geborgenheit auf.
Schenke ihr/ihm Frieden für Seele, Leib und Geist.
Bleibe bei ihr/ihm von nun an bis in Ewigkeit.
Amen.
Biblisches Trostwort
Gott spricht: Ich will euch trösten wie eine Mutter tröstet.
Jesaja 66, 13
Lesung aus der Literatur
Stern, auf den ich schaue,
Fels, auf dem ich steh,
Führer, dem ich traue,
Stab, an dem ich geh,
Brot, von dem ich lebe,
Quell, an dem ich ruh,
Ziel, das ich erstrebe,
alles, Herr, bist du.
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-9Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Ohne dich, wo käme
Kraft und Mut mir her?
Ohne dich, wer nähme
meine Bürde, wer?
Ohne dich, zerstieben
würden mir im Nu
Glauben, Hoffen, Lieben,
alles, Herr, bist du.
Drum so will ich wallen
meinen Pfad dahin,
bis die Glocken schallen
und daheim ich bin.
Dann mit neuem Klingen
jauchz ich froh dir zu:
nichts hab ich zu bringen,
alles, Herr, bist du!
Cornelius Friedrich Adolf Krummacher, EG 407
Vaterunser
Vergebender Zuspruch
Sei getrost. Gott schaut dich gnädig an.
Er hört dein Klagen.
Er weiß um deine Angst.
Er nimmt dich schützend bei sich auf.
Segen
Herr, wir sind vor dir - segne uns.
Wir straucheln so sehr - behüte uns.
Wir ängstigen uns - lass dein Angesicht über uns leuchten.
Wir haben oft versagt - sei uns gnädig.
Wir sind einsam - erhebe dein Angesicht über uns.
Wir fühlen uns zerrissen mit unserem Leben - gib uns und der Welt Frieden.
Amen.
Lieder
Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren (EG 317)
Befiehl du deine Wege (EG 361)
Stern, auf den ich schaue (EG 407)
Jesus, meine Zuversicht (EG 526)
Andacht mit einer/m Sterbenden mit Demenzerkrankung,
aus: Friederike Schuppener, Wir bleiben, wenn du gehst. Gebete, Lesungen und Lieder am Sterbebett,
Gütersloh 2004, S. 34f.
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Frauenhilfe zum Selbermachen
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Anlage 3
Auszug aus: Trauer ist Liebe
Nach den Trauerfeierlichkeiten zog sie sich allein in ihr Haus zurück. Sie wollte zu diesem
Zeitpunkt niemanden mehr sehen, sie wollte Johannes nah sein. Deshalb legte sie CDs
mit ihrer gemeinsamen Lieblingsmusik auf. Sie weinte und sie tanzte. „Ich habe so lange
getanzt und geweint, bis ich leer war. Es gibt diesen Punkt. Dann will man nur noch schlafen. Ich glaube, man kann in diesem Zustand erst dann schlafen, wenn man wirklich leer
ist. Aber“, fügt sie hinzu, „das füllt sich danach natürlich wieder auf. Der Schmerz sammelt
sich erneut an, wie ein unterirdischer See, der wieder voll läuft. Also habe ich das später
noch oft wiederholt: tanzen und weinen.“
Als sie zum ersten Mal an seinem Grab stand, überfiel sie eine ungeheure Wut. Er hatte
sie allein gelassen! Er hatte auch ihr Leben zerstört! „Ich konnte am Anfang nie lange bleiben“, erinnert sich Maria Korbes. „Es war ein Zwiespalt, den ich nicht aushielt, einerseits
die Sehnsucht und die Liebe, andererseits die Wut.“
Einige Wochen später hörte sie am Grab seine Stimme, die sagte: „Ich konnte nicht mehr
bei dir bleiben. Ich musste gehen, meine Zeit war abgelaufen.“ Von diesem Moment an
war sie von ihrer inneren Zerrissenheit erlöst. „Ich spürte plötzlich, wie sehr er sich nach
Ruhe sehnte, und da hatte ich das Gefühl, ich muss ihn freigeben“, beschreibt sie ihren
inneren Prozess. „Was nicht heißt, dass ich ihn gern habe gehen lassen.“
Es war für Maria Korbes ein neuer Gedanke, der sich für sie als tragfähig erwies: dass die
Lebenden nicht nur die Sterbenden freigeben müssen, sondern auch noch einmal die Toten. Sie tat es sehr bewusst - auch dies wieder ein Abschied, dem noch viele weitere folgen sollten.
Maria erlebte, dass nicht nur der Schmerz, sondern auch die Wut immer wieder auftauchte. „Im Nachhinein kommt es mir vor, als hätte ich diese Wut genutzt, um mich nach und
nach von seinen Sachen zu trennen. Johannes hatte alles, aber auch alles gesammelt. Er
war nie fähig gewesen, irgendetwas wegzuwerfen.“ Es handelte sich also um tausend
Dinge, für die niemand Verwendung hatte und die sie immer schon gestört hatten - und
nun erst recht! „Plötzlich hörte ich mich rufen: Du hast dich vom Acker gemacht - dafür
kommt jetzt dein ganzes Zeug in den Container!“
Unmittelbar vor seinem Tod war er damit beschäftigt gewesen, sein Zimmer zu renovieren.
Seine ganzen Sachen, auch die Kleidung, befanden sich deshalb auf dem Speicher, und
dort blieben sie auch nach seinem Tod. Durch diesen Umstand fiel es der Ehefrau leicht,
womit sich andere Hinterbliebene in der Regel sehr schwer tun: das Zimmer des Verstorbenen aufzulösen. Maria Korbes nahm den Raum schon zu Beginn ihrer Trauerzeit in Besitz, indem sie ihn für ihre persönlichen Bedürfnisse einrichtete und dabei auch Teile seiner Einrichtung - wichtige Erinnerungsstücke wie beispielsweise seinen Schreibtisch und
seine Couch - mit einbezog.
Marias Trauer,
aus: Fritz Roth und Sabine Bode, Trauer ist Liebe. Was menschliche Trauer wirklich braucht,
Gütersloh 2006, S. 26 - 29.
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Frauenhilfe zum Selbermachen
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Anlage 4
Gegenwind. Erinnerungen
Das Wissen, die Vorbereitung auf das Sterben, der Wunsch, das eigene Haus zu bestellen, das sind Versuche, den Tod zu humanisieren. So wie wir die menschliche Sexualität
durch etwas, das wir Liebe nennen, humanisieren können, so ist das auch fürs Sterben
möglich. Zur Gnade gehört aber Bewusstheit, die wir mit anderen teilen. Bewusstheit und
Kommunikation, das ist mehr als der schnelle Tod, von dem wir träumen. Es müsste
schön sein, in einem Land zu leben, wo niemand allein stirbt und niemandem die Würde
des Sterbens angetastet wird.
Die Frage nach der verlorenen Kommunikation stellt sich nicht nur im Angesicht des Todes, sondern auch danach. Fulbert und ich waren einmal auf einer Beerdigung. Ein Kollege und Freund war plötzlich gestorben. Er war noch nicht alt. Am Tage vorher hatten wir
noch zusammen gesessen und unsere gemeinsame Arbeit geplant. Er war ein guter Lehrer, geachtet bei den Studenten. Er stand für das, was er sagte. Dieser Freund war ein
gebildeter Atheist, ebenso seine Frau. Beide waren aus der Kirche ausgetreten. Nun waren wir auf seiner Beerdigung. Wir saßen in der Leichenhalle. Vorne stand der Sarg.
Stumm warteten wir etwa zehn Minuten. Dann hoben Träger den Sarg auf den Wagen.
Wir gingen zum Grab. Der Sarg wurde hinab gelassen. Als die letzten des Zuges ankamen, war der Sarg schon im Grab. Wir standen noch ein paar Minuten da. Dann gingen
wir nach Hause.
Die hoffnungslose Stummheit der Beerdigung ist mir in schauerlicher Erinnerung. In uns
schrie alles: Warum musste dieser Freund so früh sterben? Was ist der Sinn eines solchen Todes? Wir alle waren voll von Zorn und Trauer, aber jeder behielt seine Trauer für
sich, sie kam nicht heraus. Sie fand keine Sprache, keine Gesten, kein Lied, keinen Fluch.
Wir blieben stumm.
Am nächsten Tag hatten wir eine Sitzung. Der Leiter dieser Sitzung nahm noch einmal
kurz Bezug auf diesen Tod des Kollegen und sagte: „Wir wollen keine großen Worte machen. Aber ich bitte Sie, sich zu erheben und des Toten schweigend zu gedenken!“ Der
Tod hatte keine Sprache und keinen Ausdruck mehr. Der dürre Rest von Ausdruck war,
dass man sich für einen Augenblick erhob, verlegen herumstand und nicht wusste, wohin
man mit den Händen sollte. Man war erleichtert, als der Sitzungsleiter in der Tagesordnung fortfuhr.
Aber kann man „in der Tagesordnung“ fortfahren, wenn jemand stirbt? Kann man, wenn
sich in unserem Leben wichtige Dinge ereignen, auf Klagen, Loben, Danken, Fluchen,
Schreien, Anklagen, Preisen, Rühmen verzichten? Was geschieht mit uns, wenn unser
Leben so sang- und klanglos wird? Verdorrt nicht das Leben selber, wenn man keine
Sprache mehr hat für alles das, was in ihm vorgeht?
Aber ist es ein Trost, weinen zu können? Ist es ein Verlust, wenn uns die Tränen wegbleiben? Ich versuche über diese Frage nachzudenken im Zusammenhang meiner eigenen
Erfahrung mit dem Weinenkönnen.
Ich erinnere mich genau an ein Gespräch, das ich vor zwanzig Jahren mit einem Rundfunkredakteur führte. Fast beiläufig erzählte er mir, es gebe in der katholischen Liturgie die
Bitte um Tränen. Ich erschrak, weil ich merkte, dass mir etwas fehlte.
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- 12 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Heute glaube ich, dass diese Bemerkung eines älteren Freundes keineswegs beiläufig
war. Vielleicht kannte er mich besser, als ich mich kannte, und ahnte etwas von der Trauer, die in mir steckte. Er wollte mich hinweisen auf die lösende und reinigende Kraft der
Tränen. Es ging nicht um eine Aussprache, und unser Medium war nicht die psychologische Analyse.
Es ging um das Weinenkönnen, und das Medium war Religion. Ich erschrak, weil ich
merkte, wie lange ich nicht mehr geweint hatte, und dieser Schrecken war der Anfang des
Gebets.
Noch nicht sehr lange her, da sind Jugendliche verzweifelt und aggressiv in Zürich durch
die Straßen gezogen; einer der Sätze, die sie an die Häuser sprühten, hieß: „Wir haben
schon genug Grund zum Weinen, auch ohne euer Tränengas.“ Dieser Satz hat mich sehr
betroffen. Wenn ich heute über das Weinen nachdenke und über die Gabe der Tränen,
dann fallen mir nicht nur die Opfer von Hiroshima ein, die nicht mehr weinen konnten,
sondern auch das Gas, das die, die nicht mehr weinen wollen, denen verordnen, die
„schon Grund genug zum Weinen“ haben.
Oft erscheint es mir so, als seien nur zwei Sprachen erlaubt in unserer Welt: die Sprache
der Wissenschaft, die wertfrei und gefühllos ist, und die Sprache, die wir täglich in der
Werbung hören, die banal ist und alle Gefühle trivialisiert, so dass Liebe mit einem Auto
und Reinheit mit einem Waschmittel zusammengebracht werden. Unter diesen Oberflächlichkeiten gibt es eine Nicht-Sprache der dumpfen Gereiztheit, das Gefühl, dass einem
Gewalt angetan worden ist, und den Wunsch nach Gegengewalt. Was in den Schulen und
Ausbildungsstätten gelehrt wird, ist die rationale, abgehobene, möglichst handlungsentfernte Sprache, eine Rede, aus welcher der Gestus der Bewegungen, die Farbe des Dialekts, aus der Verlangsamung und Beschleunigung, Rhythmus und Ausdruck von Schmerz
und Freude entfernt worden sind. Eine Art Plastiksprache, wie Politiker sie gebrauchen,
denen zur Neutronenbombe zunächst nur einfällt, dass sie eigentlich nichts Neues beinhalte.
Die Gefühle, die Ängste und die Freuden werden in dieser Sprache verleugnet, sie zählen
nicht. Emotional sein, das wird in dieser Sprache zum Schimpfwort. „Seien Sie doch nicht
so emotional“ oder „Sie sind einfach viel zu emotional“, solche Sätze habe ich hundertfach
gehört, immer wieder. In ihnen schwingt ein Misstrauen mit: Die Gefühle sollen so unterhalb dessen bleiben, was sprachlich zugelassen ist, sie dürfen sich nicht äußern und können, wie totgeboren, nichts bewirken. Es darf nicht geweint werden in unserer Kultur, und
somit haben wir auch auf die reinigende und tröstende Kraft, die die christliche Tradition
den Tränen zuschrieb, verzichtet.
Ohne Tränen zu sein, das bedeutet, in einer ausdrucksarmen und gefühlsunfähigen Kultur
zu leben. Wir verleugnen das Bedürfnis nach dem Geist, der tröstet und zur Wahrheit
führt, wir bilden uns ein, wir könnten ohne Geist leben, ohne ausgedrückten Schmerz und
ohne Trost. Wir haben die Bitte um die Gabe der Tränen vergessen.
Dorothee Sölle, Gegenwind. Erinnerungen, München 20046, S. 160-164.
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- 13 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Leiterinnenfortbildung:
Krankheit und Sterben leben - Wege des Abschieds finden mein Haus bestellen
In diesem Studientag sollen sich die Frauen über drei Blöcke, die als Impulse in die Frauenhilfen übernommen werden können, mit dem Thema „Den eigenen Abschied gestalten“
beschäftigen.
„Das Haus bestellen“, mich auf das eigene Sterben vorbereiten, so die Einsicht vieler
Frauen, sollte nicht erst dann beginnen, wenn das Sterben unausweichlich nahe gekommen ist. Auch wenn durch medizinische Notwendigkeiten nicht alles vorgeplant werden
kann, der Prozess des Sterbens kann von mir gestaltet werden - und damit zum letzten
Teil meines Lebens werden.
Um sich den damit verbundenen Fragen nähern zu können, braucht es eine liebevolle,
annehmende Atmosphäre, in der Frauen reden können, es aber nicht müssen.
Liturgische Stationen an drei Stellen sollen es ermöglichen, bei sich und im Thema anzukommen und sich den inhaltlichen Fragen zuzuwenden:
•
„Was bei meiner Beerdigung auf keinen Fall gesagt, gesungen, getan werden soll…“
•
„Wie sollen Menschen mit mir in meiner letzten Lebensphase umgehen?“
•
„Was die anderen wissen müssen…“
Wenn Sie mögen, feiern Sie als Abschluss des Tages ein „Fest des Lebens“. Je nach Ihren Wünschen und Möglichkeiten können Sie es gestalten mit einem liebevoll vorbereiteten Essen, mit Bewegung und Tanz, mit Lieblingsgedichten, einer (Blumen-)Pflanzaktion,
einem Offenen Singen oder einem gemeinsamen Sinnen-Spaziergang, bei dem Sie ganz
bewusst auf Geräusche, Anblicke, Düfte, Materialbeschaffenheiten, vielleicht sogar auf
den Geschmack von Kräutern oder Obst achten.
Zur Einführung
in den Tag:
Die Spirale (20 Minuten)
Material:
Viele Steine, aus denen die Spirale gelegt wird.
Vorbereitung:
Auf dem Boden in der Mitte eines Stuhlkreises ist eine große Spirale
aus Steinen gelegt.
Einführungsimpuls:Wie schön, dass Sie sich Zeit genommen haben, mitten im Leben
über das Sterben nachzudenken!
Wenn es nach der Menge der Ratgeberbücher und sonstiger Veröffentlichungen ginge, müsste das Thema in aller Munde sein. Tatsächlich können wir im Alltag eher das Gegenteil erleben: Die meisten Menschen beschäftigen sich erst dann mit dem Tod, wenn er in
ihr Leben eingebrochen ist.
Früher betete und sang man, vor solch „jähem Tod“ verschont zu
bleiben, gewissermaßen vorbereitet zu sterben oder Abschied zu
nehmen. Gestorben wurde in den meisten Fällen an dem Ort, an
dem der Mensch auch sein bisheriges Leben gelebt hatte.
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- 14 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Das Nachlassen der Kräfte hatten die nächsten Menschen geteilt,
das Vermächtnis und der Segen wurden an die nachfolgende Generation weiter gegeben.
Solche Szenarien sind heute selten geworden. Dennoch leben Frauen auch in unserer Gegenwart ihren Wunsch, ihr Sterben als Leben
zu gestalten und es mit den Menschen zu teilen, die ihnen wichtig
sind. Was ihnen in ihrem Leben wichtig war, soll auch in ihrem Sterben und in ihrer Bestattung Ausdruck bekommen.
Zu ihrem Gedächtnis und in Anknüpfung an ihre Hoffnung feiern wir
miteinander Andacht.
Im Namen Gottes, der das Leben schenkt und es zurück in seine
Hand nimmt.
Im Namen Jesu Christi, der im Fragen, Klagen und Hoffen an unserer Seite bleibt.
Im Namen Heiliger Geistkraft, die uns verbindet, tröstet und uns
Stimme gibt.
Amen.
Lied:
„Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht“ (EG 667)
Gebet:
Nichts soll uns trennen
von deiner Liebe
nichts soll uns mutlos
nichts ängstlich machen
Beten und Schweigen
Singen und Lachen
alles strömt zu dir
(Carola Moosbach, Himmelsspuren. Gebete durch Jahr und Tag, S. 95f)
Impuls:
Die Frauenforscherin Gerda Weiler hatte erfahren, dass sie sterben
würde - in wenigen Wochen. Intensiv begann jetzt das, was sie sich
für ihren Abschied gewünscht hatte. Sie saß zusammen mit Frauen,
die ihr besonders wichtig waren und plante mit ihnen. Sie wünschte
sich, was bei ihrer Bestattung passieren sollte, wer welche Aufgabe
übernehmen konnte. Inge Müller, die den Auftrag bekam, die Todesanzeige zu formulieren, geht als erstes durch den Kopf: „Aber sie lebt
doch noch! Wie soll ich da ihre Todesanzeige formulieren?“ Wie die
Worte finden, die eine Brücke zwischen den unterschiedlichen Personengruppen schaffen, die eine Rolle im Leben der Freundin gespielt haben?
Inge Müller kommt dem Wunsch nach. Sie und die anderen Frauen,
die sich um das Begräbnis kümmern. Sie alle bringen das Leben von
Gerda Weiler noch einmal zum Klingen – gemeinsam. Jede Frau hat
einen Stein mitgebracht. Jede legt ihren Stein ab – und allmählich
wächst eine Spirale – als Zeichen des geteilten Lebens, der Begegnungen, der gegenseitigen Prägungen. Steine gemeinsamer Trauer,
Steine, die an Wachsen, Feiern, Reden, Warten erinnern.
Allen, die diese Beerdigung miterlebt haben, war danach deutlich:
Gerda Weiler hatte sich den roten Faden ihres Lebens nicht aus den
Händen nehmen lassen. Mit ihrem Abschied hatte sie ein Zeichen
gesetzt.
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- 15 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Inge Müller berichtete im November 1996 in ihrem Artikel „Den roten
Faden über die Grenze werfen. Neue Formen des Abschieds finden“
(Schlangenbrut „Sterben und Tod“, November 1996) über die Folgen der Abschiedsfeier für Gerda Weiler.
Seminare waren daraus gewachsen, in denen Frauen neue Formen
des Abschieds gemeinsam entwickelten oder das Bekannte miteinander bewusster machten. Welche Bräuche waren ihnen wichtig?
Wo hatten sie selbst in eigenen Verlusten Trost gefunden? Welche
Bibelworte waren für sie lebendige Begleiter in ihrem Abschied?
Wir sprechen vor Gottes Angesicht über dieses unverwechselbare
Leben. Beides soll Raum bekommen. Davon wollen wir uns heute
anregen lassen.
In Gottes Namen, der uns, unser Leben und die Menschen, mit denen wir verbunden sind, sieht und annimmt. Amen.
Lied:
Nichts soll uns trennen (Anlage 1)
Segensbitte:
Gott, stärke uns mit deinem Segen.
Erfülle uns mit der lebendigen Kraft deines Geistes,
der uns kommen, bleiben und gehen lässt.
Amen.
A)
Was bei meiner Beerdigung nicht gesagt, gesungen oder getan werden
soll…
Impuls:
Hinweis für
die Leiterin:
(5 Minuten)
Im ersten Teil dieses gemeinsamen Tages haben Sie jetzt die Gelegenheit, sich von Gerda Weiler und ihren Abschied im eigenen
Nachdenken anstoßen zu lassen.
Lassen Sie in beiden folgenden Gesprächsphasen Zeit, dass das
Gespräch in Gang kommen kann.
Sie alle haben viele Erfahrungen mit Beerdigungen gemacht. Sie
werden bestätigen können: Es gibt sie wirklich: „Schöne“ Beerdigungen, die wir als tröstlich und stimmig erleben. Sie treffen den Ton und
lassen Raum für Erinnerung. Daneben gibt es die anderen Beispiele,
die uns die Negativfolie zeigen, wie es für uns nicht sein sollte.
Erinnern Sie sich: Was sind für Sie solche negativen Beispiele?
Was soll bei Ihrer Beerdigung nicht gesagt oder getan werden?
Austausch im Plenum nach freiwilligen Meldungen (20 Minuten)
Impuls:
Lassen Sie uns jetzt den Hebel umlegen: Was bei Beerdigungen haben Sie als heilsam, als tröstlich, als kraftvoll erlebt, dass Sie es sich
für die eigene Beerdigung wünschen?
Plenum:
Austausch im Plenum nach freiwilligen Meldungen (20 Minuten)
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Frauenhilfe zum Selbermachen
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Hinweis für
die Leiterin:
Impuls:
Wenn Sie diesen Aspekt vertiefen wollen, können Sie den Frauen
Zeit in Kleingruppen geben, um konkret Lieder, Texte und Zeichen zu
besprechen, die sie sich für die eigene Beerdigung wünschen. Lassen Sie die Kleingruppen danach berichten, was für sie die wichtigsten Eindrücke des Gesprächs waren.
Gehen wir noch einen Schritt weiter: Gerda Weiler hatte sich als persönliches Zeichen die Spirale als Form gewünscht, in der die Frauen
ihr Steine ablegten. Bitte überlegen Sie in Vierergruppen, welches
persönliche Lebens- und Erinnerungszeichen Sie sich vorstellen
könnten. Stellen Sie es im Anschluss den anderen Frauen vor.
Gruppenarbeit (60 Minuten) und Vorstellung der Ergebnisse (30 Minuten).
Blitzlicht zu den Eindrücken des Vormittags: Jede Frau sagt in einem
Satz, was für sie besonders wichtig war. (15 Minuten)
Impuls:
B)
An diesem Vormittag können wir nur erste Spuren legen. Wenn Sie
mögen, nehmen Sie die Anregung mit nach Hause und überlegen
dort allein oder mit anderen weiter, was Sie sich als Elemente für die
eigene Beerdigung wünschen. Die allermeisten Pfarrerinnen und
Pfarrer sind gerne bereit, Ihre Gedanken in die Trauerfeier aufzunehmen.
Bleib bei mir! Lass mir Raum! Teile die Trauer, die Angst, die Hoffnung!
Wie wünsche ich mir, dass Menschen in meiner letzten Lebensphase mit
mir umgehen?
Lied:
Hinweis für
die Leiterin:
Übung
zum Einstieg:
Weiterführender
Impuls:
„Ich möcht’, dass einer mit mir geht“ (EG 209)
Bitte stimmen Sie das Lied so an, dass es nicht zu schleppend gesungen wird.
(10 Minuten)
Finden Sie sich zu zweit zusammen. A macht eine feste Faust. B hat
die Aufgabe, auf die Faust zu reagieren, ihr zu begegnen. (Drei Minuten Zeit)
Dann wechseln die Rollen: B macht eine Faust, A reagiert auf sie.
(Drei Minuten Zeit)
Austausch über die Erfahrungen in den Zweiergruppen.
(5 Minuten)
Mit dieser kleinen Begegnung sind Sie in unser nächstes Thema eingestiegen. Sie haben erlebt, was Ihnen gut getan hat und was für Sie
unangenehm war. So unterschiedlich, wie Sie als Personen sind, so
unterschiedlich mag auch Ihr Erleben in den Zweiergruppen gewesen sein.
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- 17 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Sie haben sich über diesen Momenteindruck ausgetauscht, sich gesagt, was für Sie angenehm, was störend war, vielleicht auch, was
Sie vermisst haben.
Möglicherweise hat Sie der Umgang mit Ihrer Hand an andere Situationen in Ihrem Leben und Menschen, die Sie behandelt haben, erinnert.
Damit sind wir bei unserem nächsten Punkt:
Was erleben Menschen in ihrer letzten Lebensphase als hilfreich?
Wie können Angehörige und professionelle Helferinnen und Helfer
wirklich hilfreich sein? Welche Behandlungen werden als übergriffig
oder zurückweisend erlebt?
Im zweiten Teil unseres Thementages zu Sterben und Tod wenden
wir uns mit diesen Fragen der letzten Phase des Lebens zu. Die an
Krebs erkrankte Psychologie-Professorin Anne-Marie Tausch sagte
in einem ihrer letzten Interviews, wie wichtig ihr in ihrem Sterben die
Aussage ihrer Tochter Daniela war: Wir werden sehr traurig sein,
wenn du gehen musst, aber wir lassen dich gehen und werden es
schaffen, weiter zu leben.
Gehalten sein und doch gehen dürfen, wenn es so weit ist.
Nur ein Beispiel für einen mutigen Satz, der gleichzeitig Freiheit und
Halt gibt.
Anne-Marie Tausch hat über ihre eigenen Erfahrungen und zahlreiche Gespräche mit schwer Erkrankten das Buch „Gespräche gegen
die Angst“ geschrieben. Mit ihren Gesprächspartnerinnen und
-partnern versucht sie darin, hilfreiche Haltungen im Umgang miteinander herauszufinden. Sie unterstreicht in einer Passage die Notwendigkeit von Ehrlichkeit und Einfühlung. Bitte lesen Sie die Passage, markieren Sie die Ihnen wichtigen Aspekte und tauschen sich
anschließend in Vierergruppen über den Text und die weitergehenden Fragen aus.
Gruppenarbeit:
Lesephase und Gruppenarbeit (45 Minuten)
Plenum:
Rückmeldungen ins Plenum (20 Minuten)
Impuls zum Lied:
Die Menschen auf beiden Seiten des Krankenlagers haben ein Recht
darauf, in ihrem Fühlen ernst genommen zu werden. Mit ihnen, die
es wagen, sich nahe zu bleiben, sich einander auszusetzen, singen
wir das Lied von den engen Grenzen, von Angst und Sehnsucht, das
Lied von Erbarmen, Wärme und Geborgenheit:
Lied:
„Meine engen Grenzen“ (EG 600)
C)
Das Haus bestellen für die, die bleiben
Impuls
zur Einleitung:
(5 Minuten)
Kommen wir im dritten Teil unseres Studientages zu ganz praktischen Fragen.
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- 18 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Was ist für die Angehörigen nach einem Todesfall zu bedenken?
Was muss getan werden?
Natürlich sind Bestatter und Bestatterinnen in diesen Fragen ansprechbar; Informationen finden sich aber auch in Patientenverfügungen, in der umfangreichen Literatur zum Thema und auf Internetseiten.
Frauen der Frauenhilfe erzählen, wenn sie an das Sterben ihrer eigenen Eltern denken, oft von den Schwierigkeiten, im eingetretenen
Todesfall organisatorische Fragen erst klären zu müssen. „Wie gut
wäre es gewesen, wenn wir darüber früher hätten sprechen können.“
Für die nachfolgende Generation der eigenen Kinder ist es eine große Hilfe, wenn solche Gespräche von den Eltern angeregt werden.
Aber an was ist zu denken?
Welche Einrichtungen, welche Personen können unterstützen?
Erfahrungssammlung und Weiterarbeit im Plenum: (50 Minuten)
Lassen Sie uns zusammentragen, woran gedacht, was getan werden
muss, wenn ein Mensch gestorben ist.
Hinweis für
die Leiterin:
Impuls:
Notieren Sie die Beiträge der Frauen als Stichworte auf Karten und
legen Sie sie sichtbar in die Mitte.
Klären Sie mit den Frauen, welche Aufgaben ihrer Meinung nach
Priorität haben.
Verteilen Sie im Anschluss die Liste im Material (Anlage 3) und vergleichen Sie.
Gibt es Dinge, an die Sie noch nicht gedacht hatten?
Manche Menschen weichen der Beschäftigung mit diesen Fragen
aus, weil sie Angst haben, dass der Tod ihnen dadurch näher
kommt. Die meisten aber, die den Mut gefasst haben, sich dennoch
um das zu kümmern, was ihren Tod angeht und das, was nach ihm
kommt, erzählen davon, dass es ihnen gut getan hat, Verantwortung
für ihr ganzes Leben zu übernehmen. Das Bewusstsein, nicht unendlich leben zu können, hat sie das Gegenwärtige und die verbleibende
Zeit umso lebendiger als ihr Leben wahrnehmen lassen.
Gespräche mit Kindern, nahen Angehörigen oder engen Freundinnen und Freunden haben das Vertrauensverhältnis zueinander und
den Mut offen miteinander umzugehen gestärkt – ohne Tabubereiche
krampfhaft umschiffen zu müssen.
Liturgischer Abschluss des Tages: (35 Minuten)
Material:
Teelichter und Untersetzer oder Teelichtgläser
2 große Kerzen und Untersetzer
Vorspruch:
Aus deiner Hand, Lebendiger,
nehmen wir das Leben,
die Sehnsucht, das Glück, das Leiden, unseren Tod.
Jeder Tag, auch unser letzter, ist Leben aus deiner Hand.
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- 19 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Von deiner Liebe sind wir in das Leben hineingeführt worden.
Deine Hand erwartet uns, wenn wir gehen.
In deinem Namen sind wir zusammen:
Gott, Quelle unseres Lebens!
Jesus Christus, Grund unserer Hoffnung!
Heiliger Geist, Kraft, die uns belebt und begeistert!
Amen.
Lied:
„Laudate omnes gentes“(EG 181.6)
Impuls:
Zu Anfang des Tages haben Sie von Gerda Weiler gehört, der Frau,
die sich für ihre Abschiedsfeier die von Freundinnen gelegte Lebensspirale gewünscht hatte. Die Spirale hat uns durch diesen Tag begleitet: als Symbol für das Leben und seine Phasen, die Menschen,
die unseren Weg in den unterschiedlichen Lebensabschnitten teilen,
die Möglichkeiten, auch die letzte Phase unserer Zeit im offenen Miteinander zu erleben.
Jetzt entzünden wir eine Kerze für das Ja Gottes, das uns in unser
Leben hinein begleitet.
Hinweis für die Leiterin:
Entzünden Sie die Kerze und stellen Sie sie in die Mitte der Spirale.
Und wir entzünden eine zweite Kerze. Gottes Liebe erwartet uns am
Ende unseres Lebens.
Hinweis für die Leiterin:
Entzünden Sie die zweite Kerze und stellen Sie sie an das offene
Ende der Spirale.
Stille
Jetzt ist Zeit, miteinander das zu teilen, was Sie für sich aus diesem
Tag mitnehmen.
Wenn Sie mögen, teilen Sie einen Gedanken, der Ihnen wichtig geworden ist, mit uns. Nehmen Sie sich dazu ein Teelicht, entzünden
Sie es und stellen es an einen Ort der Spirale, der Ihnen passend erscheint.
Hinweis für
die Leiterin:
Lassen Sie sich Zeit für diese Austauschrunde.
Wir dürfen unsere Wege des Lebens und des Sterbens unter dem
Segen und Zuspruch Gottes gehen. So singen wir ein Lied, das die
Vertrauensworte von Psalm 23 in eine Melodie gesetzt hat:
Lied:
„Der Herr mein Hirt“ (EG 613)
Vaterunser
Segensbitte:
Gott, stärke die Hoffnung, die in uns wachsen will.
Gott, bewahre, was wir freigeben
Und segne uns, wenn wir aufbrechen - auf dein Wort!
Amen.
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- 20 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Anlage 1
Lied: „Nichts soll uns trennen“
Zu singen nach der Melodie von: Nada te turbe (Gesang aus Taizé)
Nichts soll uns trennen
von deiner Liebe
nichts soll uns mutlos
nichts ängstlich machen
Beten und Schweigen
Singen und Lachen
alles strömt zu dir
(Carola Moosbach, Himmelsspuren. Gebete durch Jahr und Tag, S. 95f)
Lied: „Nichts soll uns trennen“
Zu singen nach der Melodie von: Nada te turbe (Gesang aus Taizé)
Nichts soll uns trennen
von deiner Liebe
nichts soll uns mutlos
nichts ängstlich machen
Beten und Schweigen
Singen und Lachen
alles strömt zu dir
(Carola Moosbach, Himmelsspuren. Gebete durch Jahr und Tag, S. 95f)
Lied: „Nichts soll uns trennen“
Zu singen nach der Melodie von: Nada te turbe (Gesang aus Taizé)
Nichts soll uns trennen
von deiner Liebe
nichts soll uns mutlos
nichts ängstlich machen
Beten und Schweigen
Singen und Lachen
alles strömt zu dir
(Carola Moosbach, Himmelsspuren. Gebete durch Jahr und Tag, S. 95f)
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- 21 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Anlage 2
Arbeitsblatt zur Gruppenphase „Bleib bei mir! Lass mir Raum!“
Lesen Sie den Text und tauschen Sie sich anschließend zu seinen Aussagen und
den weiterführenden Fragen aus. Sie haben dazu insgesamt 45 Minuten Zeit.
Jeder lebt in seiner eigenen inneren Welt des Fühlens und Denkens. Diese seelische Welt ist für ihn Realität, auf sie reagiert er. Es gibt so viele seelische Welten, wie es Menschen gibt. Das hat zur Folge, dass Menschen auf ein etwa
gleiches Ereignis, zum Beispiel eine Krankheit, so unterschiedlich reagieren:
der eine still und verschlossen, der andere laut, erregt und aggressiv. Wie können wir als Gesunde uns in die seelische Welt eines Erkrankten einfühlen, um
zu verstehen, warum er so und nicht anders reagiert?
Die „Klopfzeichen“, durch die er sein Bedürfnis nach Zuwendung und Verständnis mitteilt, sind während einer langen Krankenzeit oft so leise geworden, dass
sie kaum noch einer zu hören vermag. Bei einigen verstummen diese seelischen „Klopfzeichen“ ganz, und das große Schweigen bricht aus. Dieses Verstummen ist oft das Ergebnis eines Entwicklungsprozesses, in dem ihre Versuche, sich mitzuteilen, missverstanden oder überhaupt nicht wahrgenommen
wurden.
Wie sehr Erkrankte oft unter dem Unverständnis ihrer Angehörigen leiden, wird
im folgenden Gespräch zwischen einer dreiunddreißigjährigen, an Krebs erkrankten Lehrerin und mir deutlich:
Lehrerin:
„Wenn ich meinem Mann sage ‚Die Lymphdrüsen am Hals sind
dick’, reagiert er mit Panik: „Ja, warum sagst du mir das? Jetzt
kann ich nicht mal mehr Abendbrot essen. Das schlägt mir auf
den Magen.“ Er ist also jedes Mal sehr mitgenommen, aber
auch sauer darüber, dass ich ihn damit belaste. Und ich hör
dann damit auf. Aber ich muss manchmal eben auch sagen
können, dass mir mein Hals weh tut.
Etwas später fährt sie fort: Es wird abgewiesen, wenn ich sage:
‚Vielleicht bin ich in einem halben Jahr nicht mehr.’ - ‚Nein, das
passiert nicht.’“
Anne-Marie:
„Sie haben keinen Menschen, der versteht, was Sie fühlen?“
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- 22 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Lehrerin:
„Meine Mutter erträgt das auch nicht. Das können die wenigsten
ertragen. Eine Freundin hab ich, ja, die kann es akzeptieren.
Mit der hab ich alles durchgesprochen, was wäre, wenn ich
noch kranker werde und sterben würde, und wie alles weiterlaufen kann mit meinem Dreijährigen. Und das find ich auch sehr
beruhigend, das so zu machen.“
Anne-Marie:
„Diese Freundin ist bereit, das zu hören, was in Ihnen ist. Und
das tut Ihnen gut.“
Lehrerin:
„Ja, sie hat auch die Bücher von Kübler-Ross übers Sterben gelesen. Das hat mein Mann alles abgelehnt und meine Mutter
auch. Die sagen nur: ‚Ach, du liest solche Bücher.’ Im Grunde
genommen muss man doch lernen, den Tod mit einzubauen in
sein Leben. Viele Leute machen mir deswegen Vorwürfe: Ich
würde nicht genug am Leben hängen, und deshalb wäre ich so
krank.“
Neben der Ehrlichkeit gegenüber dem Erkrankten, der Achtung, Warmherzigkeit
und der Fürsorge für ihn werden ihm auch durch das Einfühlen in seine Erlebniswelt heilsame Erfahrungen ermöglicht. Einfühlend die seelische Welt des
anderen zu betreten, sie zu akzeptieren und zu verstehen und ohne Wertung
dem anderen mitzuteilen bedeutet, in seiner Seele zentriert zu sein. Eine solche
Einfühlung bewirkt in ihm seelische Veränderungen, die den Heilungsprozess
fördern: das Gefühl, verstanden zu werden, nicht allein zu sein, Dankbarkeit,
Wohlbefinden, Erleichterung. Er fühlt sich ermutigt, weiter seine Gefühle und
Ängste mitzuteilen und ihnen nachzugeben. Er wagt es, sich mit sich selbst
auseinanderzusetzen, klarer seine Situation zu überschauen. Er kommt sich
selbst näher: „Wenn man seine Gefühle unterdrückt und sich eigentlich gar
nicht kennt, lebt man nur am Rande.“
Auszug aus: Anne-Marie Tausch, Gespräche gegen die Angst, Reinbek bei Hamburg 1987, S. 139 - 141.
Fragen zur Vertiefung:
•
Was haben Sie in der Begleitung Sterbender als förderlich erlebt?
•
Was wünschen Sie sich selbst, wie Menschen mit Ihnen in Ihrer letzten Lebenszeit umgehen sollen?
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- 23 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Anlage 3
Was nach dem Tod eines Menschen zu tun ist
Checkliste
In den ersten Stunden nach Eintreten des Todes
•
Arzt verständigen, der den Totenschein ausstellt (wenn ein Mensch zu Hause gestorben ist).
•
Kontakt mit engen Angehörigen bzw. Freunden aufnehmen und weiteres Vorgehen
besprechen.
•
Entscheiden, ob der Verstorbene noch einige Zeit zu Hause verbleiben / aufgebahrt
werden soll. In Bremen ist dies bis zu 36 Stunden möglich. So können sie in Ruhe
Abschied nehmen.
•
Entscheiden, ob ein Pastor / eine Pastorin in den ersten Stunden kommen bzw. die
Notfallseelsorge kommen sollen, und ob eine Aussegnung am Bett des Verstorbenen
stattfinden soll.
•
Verträge und Verfügungen des / der Verstorbenen suchen und entsprechend handeln (z. B. Vorsorgevertrag mit einem Bestattungsinstitut, Willenserklärung zur Feuerbestattung, Körperspende, Organspende, Testament)
•
Wichtigste Unterlagen suchen (Personalausweis, Familienstammbuch bzw. Geburtsurkunde, Heiratsurkunde, Scheidungsurteil bei Geschiedenen, Sterbeurkunde des
Ehepartners bei Verwitweten).
•
Wohnung versorgen (Haustiere, Blumen und Pflanzen versorgen, Heizung regulieren, Fenster schließen, Stecker aus den Steckdosen ziehen, Tür abschließen).
Bis zur Trauerfeier und Beisetzung (Erdbestattung)
•
Bestatter verständigen, um den Toten in die Leichenhalle zu überführen.
Mit Bestatter die Organisation der Trauerfeier und Beisetzung besprechen.
Klären welche Aufgaben sie selbst übernehmen und um welche sich das Bestattungsinstitut kümmert.
•
Pastor / Pastorin verständigen (auch über Bestatter möglich), Ort und Zeit für die
Trauerfeier (auch möglich: in der Kirche) und das Trauergespräch vereinbaren.
Auswahl der Totenbekleidung (auch möglich: persönliche Kleidung des Verstorbenen) und des Sarges.
•
Bestattungsart, Friedhof und Grab auswählen. Grabnutzungsrechte erwerben bzw.
verlängern.
•
Bei Feuerbestattung Genehmigung des Krematoriums einholen.
•
Gärtnerei mit Blumenschmuck / Kränzen für den Sarg, die Trauerhalle, das Grab,
ggf. den Gasthof beauftragen.
•
Liste zusammenstellen, wer benachrichtigt werden soll.
•
Arbeitgeber und Berufsverband über Sterbefall verständigen, Kunden benachrichtigen.
•
Trauerkarten und Todesanzeige erstellen und versenden. Vorsicht: Auch Betrüger
und Einbrecher lesen Todesanzeigen. Entscheiden sie, ob eine vertraute Person
währen der Trauerfeier auf die Wohnung bzw. das Haus aufpasst. Prüfen sie zweifelhafte Rechnungen, bevor sie sie bezahlen.
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- 24 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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•
•
•
•
•
Trauergespräch mit dem Pastor / der Pastorin zur Vorbereitung der Trauerfeier und
Auswahl der Musik führen.
Sterbeurkunden beim Standesamt ausstellen lassen.
Erbschein beantragen.
Eigene Trauerkleidung besorgen.
Gasthof / Cafe für Beerdigungskaffee reservieren
Nach der Trauerfeier
•
Danksagungen per Brief oder Zeitungsinserat verschicken.
•
Wohnsituation klären (ggf. Mietvertrag, Strom, Wasser, Telefon, Internet, ... kündigen)
•
Verträge, Versicherungen, Mitgliedschaften, Abos, Daueraufträge, Einzugsermächtigungen, Dienstleistungen (z.B. „Essen auf Rädern") kündigen, umschreiben lassen
oder neu abschließen.
•
Versicherungen und Ämter informieren, Zahlungen einstellen bzw. Leistungsansprüche einfordern (z.B. Krankenkasse / Rente abmelden, Unfall- und Lebensversicherung auszahlen lassen, Überbrückungsgeld bei der Rentenversicherungsstelle beantragen, Versorgungsbezüge für Beamte beantragen, Rentenansprüche geltend machen).
•
Rechnungen bezahlen.
•
ggf. Kreditgeber benachrichtigen.
•
ggf. Notar (bei Erbangelegenheiten),
Rechtsanwalt (bei Rechtsstreitigkeiten),
Steuerberater bzw. Steuerberatungsverein (in Steuerangelegenheiten) hinzuziehen
Bis zur Beisetzung einer Urne (bei einer Feuerbestattung)
•
Termin der Urnenbeisetzung mit dem der Friedhofsverwaltung / dem Bestatter / dem
Pastor / der Pastorin abstimmen.
•
Gärtnerei mit dem Grabschmuck für die Beisetzung beauftragen.
Wochen nach der Beisetzung •
Akte mit allen wichtigen Dokumenten anlegen (z.B. Sterbeurkunde, Grabnutzung &
Grabpflege, Abrechnungen, Kündigungsbestätigungen und Bescheide)
•
Nach sechs Wochen das Grab abräumen, mit Angehörigen die Grabpflege planen
bzw. in Auftrag geben.
•
Nach sechs bis acht Monaten den Steinmetz mit der Einfassung des Grabes, Aufstellung und Beschriftung des Grabmales beauftragen.
•
Erbschein erhalten / ggf. Testament eröffnen lassen.
•
Finanzamt ggf. innerhalb von drei Monaten über eine Erbschaft informieren. ggf. Antrag auf vorzeitigen Lohnsteuerjahresausgleich stellen.
© Bremische Evangelische Kirche, 2006
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- 25 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Zitate und Gedichte zu Tod und Sterben
Mit den folgenden Zitaten und Gedichten können Sie sich und Ihre Gruppe auf unterschiedliche Aspekte des Themas einstimmen.
Falls Sie sich in mehreren Gruppenstunden mit „Tod und Sterben“ beschäftigen wollen,
kann eine erste Stunde so aussehen, dass Sie die Frauen aus den Zitaten das auswählen
lassen, das sie besonders anspricht. Die Frauen haben dann zunächst in einer Kleingruppe die Gelegenheit, ihr ausgewähltes Zitat und ihren Bezug dazu den anderen vorzustellen und anschließend im Plenum eine Gruppenrückmeldung zu den Eindrücken des gemeinsamen Gesprächs zu geben.
Das gemeinsam gesprochene Vaterunser und ein Segenslied oder das Lied „Von guten
Mächten“ kann den Abschluss bilden.
Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde:
Geboren werden hat seine Zeit; sterben hat seine Zeit.
(Prediger 3,1)
Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.
(Psalm 90,12)
Alles haltet ihr fest, und doch müsst ihr sterben.
Alles begehrt ihr, als solltet ihr ewig leben.
(L. Annaeus Seneca, Von der Kürze des Lebens)
Wir haben nicht zu wenig Zeit - wir vergeuden zu viel!
(L. Annaeus Seneca, Von der Kürze des Lebens)
Mitten wir im Leben sind
mit dem Tod umfangen.
(Martin Luther)
Und solange du das nicht hast,
Dieses: Stirb und werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.
(Johann Wolfgang von Goethe, Selige Sehnsucht)
Nicht die Jahre in unserem Leben zählen,
sondern das Leben in unseren Jahren.
(Adlai Ewing Stevenson)
Als ob Geld noch eine Rolle spielt,
wenn du als schwarzer Rauch durch den Schornstein fährst.
(Louis Begley)
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- 26 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
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Und wir haben den Mut: Und wohnen.
Und wir haben den Mut: Und planen.
Und lachen. Und lieben.
Wir leben! Wir leben, leben ohne Tod,
und unser Tod war beschlossen von Anfang an.
Abgemacht. Von vornherein.
(Wolfgang Borchert, Gespräch über den Dächern)
Werd ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! Du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehen!
Dann mag die Totenglocke schallen,
Dann bist du deines Dienstes frei,
Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,
Es sei die Zeit für mich vorbei!
(Johann Wolfgang von Goethe, Faust I, Studierzimmer)
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.
(Rainer Maria Rilke, Das Buch vom mönchischen Leben)
Doch jetzt ist’s Zeit fortzugehen:
Für mich, um zu sterben, für euch, um zu leben.
Wer von uns dem besseren Los entgegengeht,
ist uns allen unbekannt - das weiß nur Gott.
(Platon, Apologie des Sokrates 33)
Lebe, wie du, wenn du stirbst,
wünschen wirst, gelebt zu haben.
(Christian Fürchtegott Gellert. Vom Tode)
Einschlafen dürfen, wenn man müde ist
und eine Last fallen lassen dürfen, die man sehr lange getragen hat,
das ist eine köstliche, eine wunderbare Sache.
(Hermann Hesse, Das Glasperlenspiel)
Ich sagte zum Leben: „Ich möchte den Tod sprechen hören.“
Und das Leben redete ein wenig lauter und sagte:
„Jetzt hörst du ihn.“
(Kahlil Gibran)
Wenn der Mensch eine Mutter hätte
Die ihn aufnimmt am Ende
Wie eine Mutter ihn hergab
Am Anfang Wie leicht wäre der Tod.
(Heinz Kahlau)
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- 27 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Erst wenn man den Sargdeckel schließt
Kommen die Leute und hämmern
Bei den Toten gegen die Tür
Erst dann sagen die Leute
Ich hätte dir doch meinen Schal geliehn
Und die Toten leihen ihnen
Ein totes taubes Ohr.
(Edna O’Brian, Goodbye)
Es fragt uns keiner, ob es uns gefällt,
ob wir dies Leben lieben oder hassen.
Wir kommen ungefragt in diese Welt
und werden sie auch ungefragt verlassen.
(Mascha Kaleko)
Du kannst den Gedanken nicht ertragen,
dass es dir einmal nicht mehr weh tut.
(William Faulkner)
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück,
denn du bist bei mir: Dein Stecken und Stab trösten mich.
(Psalm 23)
Niemals bin ich allein.
Viele, die vor mir lebten
Und fort von mir strebten,
Webten, webten
An meinem Sein.
(Rainer Maria Rilke, Die frühen Gedichte)
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- 28 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Ein Koffer für die letzte Reise…
Das Leben betrachten mit Blick auf die eigenen Grenzen,
die eigene Endlichkeit.
- Andacht und Gruppenstunde
Andacht zur Einführung
Votum:
Im Namen des lebendigen Gottes feiern wir Andacht.
Gott hat uns in unser Leben gerufen.
Jesus Christus steht ein für unseren Platz in Gottes Wohnungen.
Kraft Heiligen Geistes lässt uns Vertrauen fassen - über alles Verstehen hinaus.
Amen.
Lied:
„Jesu, meine Freude“ (EG 396, 1 - 3)
Impuls:
„Erd und Abgrund muss verstummen - ob sie noch so brummen.“
Das haben wir gerade gesungen. Selbstverständlich konnten wir einstimmen in vertraute Verse. Aber lassen Sie uns noch einmal genauer auf das blicken, was wir uns da eben mit dem Lied in unseren
Kehlen zu Eigen gemacht haben:
Wie singen wir, wenn die Welt um uns tatsächlich „tobt und springt“?
Singen wir überhaupt noch - oder hat uns die Furcht allen Gesang
geraubt?
Woher kommt unsere Zuversicht?
Woher nehmen wir die Kraft zum Lied?
Oder ist es eher ein Singen wie im dunklen Keller, mit dem wir uns
selbst Mut machen?
Und wäre das so schlimm? Manchmal muss man sich selbst erinnern
an das, was einem durch die Finger zu gleiten droht.
Die Verse von „Jesu, meine Freude“, die mit so sanften Bildern beginnen, zeigen schnell die andere Seite des Lebens. Gerade dadurch
wird das Lied aus dem 17. Jahrhundert so glaubwürdig.
Da gibt es Stürme, die an uns zerren, Gefahr, der wir begegnen
müssen.
Und - es gibt die andere Seite: Die Strophen ziehen uns hinein in eine Kraft, die noch dem letzten Feind, dem Tod, aufrecht begegnet die Kraft Gottes, die bewahren will.
„Jesus will mich decken.“
Unter diesem Schutz schwingt sich die dritte Strophe auf zum Hohngesang gegen alles, was dem Leben feindlich begegnet, was uns
klein machen will. „Trotz dem alten Drachen, Trotz dem Todesrachen, Trotz der Furcht dazu!“
Trotz den Ängsten, die uns lähmen, die uns handlungsunfähig machen!
Trotz allen Kräften, die die Farben aus unserem Leben saugen!
Welche Organistin, welcher Organist zieht nicht größere Register,
um diesen Worten den angemessenen Rahmen zu geben?
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- 29 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Die großen Töne des Drohens müssen verstummen. Was bleibt, ist
Gottes Macht, die darin ihre Kraft entfaltet, dass sie bewahrt, beschirmt, Schutz und Halt bietet.
Dauerhaft - hier und über unsere Erdenzeit hinaus.
Deshalb: „Weicht, ihr Trauergeister, denn mein Freudenmeister, Jesus, tritt herein!“
Auf diesem Grund dürfen wir unser ganzes Leben betrachten - das
hat Bestand.
So bezeugt es das Lied.
So darf es auch für uns gelten.
Amen.
Lied:
Noch einmal: „Jesu, meine Freude“ (EG 396, 1 - 3)
Impuls:
Nach dem ersten Singen haben wir uns gefragt, ob wir selbst noch
singen können, wenn Kräfte auf uns eindringen, die uns in unserer
Entfaltung begrenzen oder zurückdrängen.
Was meinen Sie, was können das für Kräfte sein, die Sie begrenzen? Tauschen Sie sich kurz mit Ihrer Nachbarin darüber aus.
Partnerinnengespräche (3 Minuten)
Impuls:
Bestimmt haben Sie gerade an sehr unterschiedliche Grenzen gedacht.
An die ehemalige deutsch-deutsche Grenze.
An politische Mächte, die ihre Bürgerinnen und Bürger an freier Entfaltung hindern oder sie willkürlich und gewalttätig behandeln. An
Diktaturen.
Vielleicht haben Sie aber auch an Krankheiten gedacht, die Sie daran hindern, körperlich so aktiv wie früher zu sein. Die Ihre Kräfte
mindern. Oder Sie haben noch weiter gedacht - an den Tod als die
Begrenzung des irdischen Lebens.
Grenzen sind Teil unseres Lebens. Wir sind herausgefordert mit ihnen umzugehen.
Das Lied „Jesu, meine Freude“ erinnert uns an die Kraft, die uns geschenkt ist, den Grenzen zu begegnen.
Kraft zum Widerspruch, Kraft zum Annehmen und Wachsen, Kraft
zum Gestalten.
Bestimmt nicht immer in sicherer Ruh, aber immer gehalten. Amen.
Psalm:
Psalm 73 (EG 734) gemeinsam beten
Lied:
„Stern, auf den ich schaue“ (EG 407, 1 - 2)
Vaterunser
Segensbitte:
Gott, wir bitten dich um deinen Segen,
der uns die Kraft gibt, unseren Grenzen zu begegnen.
Geh mit uns, wenn wir Angst haben, den Grund unter den Füßen zu
verlieren.
Gib uns die Stärke, für uns und andere einzutreten.
Erfülle uns mit deinem Geist, der uns die Hoffnung bewahren lässt.
Amen.
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- 30 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Arbeitseinheit:
Ein Koffer für die letzte Reise…
Lied:
„Stern, auf den ich schaue“ (EG 407, 3)
Impuls:
(5 Minuten)
„Drum, so will ich wallen, meinen Pfad dahin, bis die Glocken schallen und daheim ich bin…“ In den Frauenhilfen singen wir diese Strophe häufig. Zuversicht und das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit
haben in den Worten ihren Platz.
Viele von Ihnen haben sich viel mit der Begrenztheit Ihres eigenen
Lebens beschäftigt.
Manche haben einen Elternteil gepflegt, haben Anteil genommen am
Sterben von Angehörigen, Freundinnen oder Freunden, von Frauenhilfeschwestern.
„Sterben“ und „Tod“ sind für Sie keine Fremdworte.
Und dennoch: Stellen Sie sich die folgende Situation vor. Der Postbote bringt Ihnen ein großes Paket. Erstaunt nehmen Sie es in Empfang - eigentlich erwarten Sie doch gar nichts.
Sie packen das Paket aus - und entdecken einen Koffer.
In dem Begleitschreiben werden Sie freundlich eingeladen, an einer
Aktion teilzunehmen, die ein Kunstprojekt werden soll. „Packen Sie
den Koffer, der Sie auf Ihrer Reise aus diesem Leben begleiten
könnte.“ So umschreibt der Bestatter Fritz Roth im Buch „Einmal
Jenseits und zurück“ die Aufforderung an die Teilnehmenden. Mehr
als 100 Menschen sahen sich damals vor einem Koffer und der Einladung zur Beschäftigung mit ihrem Leben, ihrem Sterben und dem,
was sie glauben, das danach auf sie wartet…
Lassen Sie uns an diesen besonderen Moment anschließen: Da stehen Sie, um sich herum das Packpapier. Vielleicht haben Sie gerade
noch Kartoffeln für das Mittagessen geschält - und auf einmal ist der
Gedanke da: „Das wird nicht immer so weiter gehen. Es kommt der
Tag, an dem ich diesen Koffer brauchen werde - oder was auch immer ich meine, dabei haben zu müssen.“
Austausch in
Kleingruppen:
(10 Minuten)
•
Was meinen Sie - wie hätten Sie auf den Koffer reagiert?
•
Hätten Sie sich auf die Teilnahme eingelassen?
•
Was wäre durch das unerwartete Paket für Sie anders geworden?
Rückmeldungen ins Plenum (10 Minuten)
Impuls:
(10 Minuten)
103 Menschen haben sich auf diese ungewöhnliche Aktion eingelassen. Sie haben sich Zeit genommen zu überlegen, was für sie so
wichtig und bestimmend ist, dass sie es an diese letzte Grenze mitnehmen wollen - als ein Teil von sich, der für ihre Individualität steht.
Die Frauen und Männer haben die Entscheidung getroffen, ob ihr
Kofferinhalt ihre Zeit des Sterbens oder das begleiten soll, was nach
dem Tod kommt.
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- 31 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Eine Frau beschreibt zu einem Stück ihres Kofferinhaltes: „… die
Glückskekse sind für Gott - zu einer Einladung bringt man doch etwas mit!“
Ich habe Ihnen einige Kommentare zu den Kofferinhalten herausgesucht.
Hören Sie, was die Männer und Frauen in ihre Koffer gepackt haben.
Hinweis für
die Leiterin:
Wählen Sie aus den abgedruckten Stellen aus. Alle Auszüge stammen aus dem Buch: Fritz Roth, Einmal Jenseits und Zurück. Ein Koffer für die letzte Reise, Gütersloh 2006. Gut ist es, wenn Sie die ausgewählten Zitate auf verschiedene Vorleserinnen verteilen. Lesen
Sie langsam und lassen Sie Pausen zwischen den einzelnen KofferKommentaren.
Hermann Josef Baus, (60 Jahre), Fotograf, hat seinen Koffer mit
Rätselheften vollgepackt. In der Rubrik „Über meinen Koffer“ schreibt
er: „Damit ich weiterrätseln kann.“ (S. 25)
Etienne del Moral, (16 Jahre), Schüler: „Der Inhalt: Etwas Wasser,
denn Wasser bedeutet Leben. Fotos meiner Familie. Eine Uhr. Denn
die Zeit ist unendlich, sie läuft immer weiter. Egal, was passiert. Das
Universum wird von Raum und Zeit umhüllt. Und ich nenne es
GOTT. Mein altes T-Shirt mit Aufdruck: Die Würde des Menschen ist
unantastbar (gegen Rassismus jeder Art). Denn dieser Satz ist mir
wichtig. In diesem Koffer liegt auch unsichtbar die Erinnerung an
meinen 13. Geburtstag.“ (S. 69)
Ingeborg Buss, (45 Jahre), Hebamme, Kinderkrankenschwester: „Da
ich glaube und hoffe, dass es ein Weiterleben in einer anderen Form
gibt, zum Inhalt meines Koffers: Persönliche Bilder meiner Kinder,
meines Mannes und Menschen, die einen Platz in meinem Leben
haben. Mein Tagebuch aus meiner Jugendzeit. Die letzte Karte meines Bruders an mich. Eine rote Samtdecke mit Bergamotte-Duft, falls
dort, wohin ich gehe, eine Frühlingswiese ist. Und zum Schluss: Ein
Hörrohr, da ich meinen Beruf immer wieder auswählen würde und
vielleicht gibt es ja auch dort Schwangere?“ (S. 59)
Maria Rita Meye, (51 Jahre), Diplom-Volkswirtin, Referentin: „Ich
wünsche mir, dass ich vor meiner letzten Reise lebenssatt und ohne
Bedauern alles loslassen kann. Deshalb ist mein Koffer fast leer. Die
Kastanie steckt normalerweise in meiner Manteltasche als Erinnerung an einen lieben Freund, den ich im Sterben begleiten durfte.“
(S. 131)
Tanja Schäfer, (31 Jahre), Kaufmännische Angestellte: „Ich möchte
diesen Koffer meiner Mama widmen. Sie ist vor langer Zeit auf ihre
eigene Reise gegangen und ich möchte ihr mit meinem Koffer begegnen. Dann kann ich ihr von meinem Leben, Wünschen und
Träumen erzählen und Dinge zeigen, die mir wichtig sind.“ (S. 177)
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- 32 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Purple Schulz, (50 Jahre), Musiker, Texter, Bühnenarbeiter: „Ich
denke, es ist so: Wir kommen mit einem leeren Koffer auf die Welt
und im Laufe des Lebens packen wir ihn immer voller. Mit Lachen
und Weinen, Liebe und Hass und allen unseren Erfahrungen. Einige
dieser Dinge sind federleicht, andere aber werden schwerer und
schwerer, je länger sie im Koffer liegen. Am schwersten jedoch sind
all die ungesagten Worte und ungeweinten Tränen. Wenn wir uns
aber vor der letzten Reise (ist es überhaupt die letzte?) von diesem
Ballast befreien, wird der Koffer leichter. Und mit einem leichten Koffer lässt es sich nun mal leichter reisen. Denn eines ist klar: Wenn
Du einen Gepäckwagen brauchst, ist keiner da! PS: Die Maus hat
mir meine Frau (die Beste von allen) vor zwanzig Jahren geschenkt.
Seitdem ist sie immer dabei (die Maus und die Frau).“ (S. 189)
Dr. Rita Müller-Fieberg, (38 Jahre), Dozentin für biblische Theologie:
„Mir fallen schon einige Dinge ein, die ich - sagen wir mal: aus unserem brennenden Haus - möglichst retten würde: meine zahlreichen
Tagebücher z.B. oder unsere Fotoalben. Auf meiner letzten Reise
bleibt das alles zurück - bei denen, die es hoffentlich erfreuen wird.
Ich dagegen nehme mit: Unzählige Momente des Fragens und Suchens, des Verletzens und Verzeihens, des Schenkens und Beschenktwerdens - und bin mir sicher, dass sie gut aufgehoben sein
werden.“ (S. 141)
Dagmar Bartlakowski, (49 Jahre), Altenpflegerin, die in einem Hospiz
arbeitet, schreibt, „Es ist UNSER Handgepäck! Ich brauche DICH an
meiner Seite, wenn ich die letzte Reise antrete! DEINE Hand spüren,
DEINE Nähe fühlen wünsche ich mir. Wenn DIR kalt ist, weil DU die
Situation nicht aushältst, kuschele DICH in die Decke. Zünde uns eine Duftkerze an. Wenn DIR die Worte fehlen und DU das Schweigen
nicht aushältst, lies mir vor. Von guten Mächten wunderbar geborgen
mag ich besonders gern. Feuchte meinen Mund und die Lippen mit
der kleinen Sprühflasche oder Waschlappen an. Creme meine
Haut… - lass mich los, damit ich den letzten Schritt allein gehen
kann. ICH DANKE DIR!“ (S. 23)
Prof. Dr. Christoph Hommerich, (58 Jahre), Professor für Soziologie,
Marketing und Management: „Er bleibt leer. Ich hoffe auf das Licht.“
(S. 107)
Ruth Hänssler, (90 Jahre), Kinderkrankenschwester, Medizinerin:
„Mein Mann ist 106 Jahre alt, ich möchte nicht so alt werden. In den
52 Jahren, die wir in Jena wohnen, hat sich viel angesammelt, was
ich nicht mitnehmen möchte. Mitnehmen möchte ich das Kissen, um
weich zu liegen, mein Sterbehemd, ein Fotoalbum von Haus und
Garten, das goldene Kreuz als Bekenntnis zu Jesus und die Bibel
meines Mannes.“ (S. 95)
Nicole Borheier, (45 Jahre), Sekretärin: „Mitnehmen können wir
nichts - doch habe ich in meinen Koffer Dinge gepackt, die Symbole
sind für Menschen und Ereignisse, die mich in diesem Leben weitergebracht haben - sei es durch Liebe, durch Denkanstöße oder tiefgreifende Erfahrungen. Symbole, die mir viel bedeuten, deren materielle Form aber zufällig ist.“ (S. 45)
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- 33 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Gruppenarbeit:
(10 Minuten)
Tauschen Sie sich in Gruppen von vier Frauen über Ihre Eindrücke
aus:
•
Was ist Ihnen in den persönlichen Erklärungen zum Inhalt der
Koffer besonders aufgefallen?
•
Was spricht Sie persönlich an?
•
Was hat Sie befremdet?
Plenum:
Austausch im Plenum (10 Minuten)
Impuls
zum Abschluss:
Fritz Roth, der Bestatter, der sein Institut „Haus der menschlichen
Begleitung“ genannt hat und in Bergisch Gladbach persönliche Wege
der Verarbeitung von Trauer anbietet, schreibt nach Abschluss des
Projektes:
„Womit wir nicht rechnen konnten, war (…) die Intensität, mit der jeder einzelne Koffer uns konfrontieren würde. Jedes einzelne Stück
„Reisegepäck“ sprach uns mit Macht unmittelbar an, bewirkte Kaskaden emotionaler Assoziationen, die uns mal verstört, mal euphorisiert (begeistert) zurückließen.
Ganz ähnlich war es zuvor den Packenden ergangen. Oft schon am
Tag nach Eingang der Einladung, so berichteten uns viele Teilnehmende, kreisten ihre Gedanken unaufhörlich um den Koffer und um
die Bedeutung dessen, was mitgenommen werden sollte. Manch einer kam am Ende darauf, dass der Koffer leer bleiben müsse - mal
aus Überzeugung, mal als Ausdruck der Unlösbarkeit der Aufgabe.
Manch einer sagte überfordert ab. Andere, mit der Mitteilung konfrontiert, dass die angestrebte Zahl von 100 Teilnehmenden erreicht sei
und ihre Zusage nicht mehr berücksichtigt werden könne, erlebten
daraufhin persönliche Krisen. So kam es, dass unser Projekt nun 103
statt der geplanten 100 Koffer umfasst. (…)
In der Gesamtschau ergab das Projekt ein berührendes, faszinierendes Bild dessen, was Menschen wirklich wichtig und nahe ist - oder
dessen Nähe wir uns wirklich wünschen.“ (S. 6)
In die Koffer habe Menschen das gepackt, was sie hoffen, was sie
trägt - und auch das, was sie persönlich in ihrem Leben ausmacht.
Wir durften einen Blick in ihre Koffer werfen.
Was findet sich wohl in unseren Koffern?
Lied
zum Abschluss:
Hinweis:
„Von guten Mächten wunderbar geborgen“ (EG 652)
zur Weiterführung des Themas für die Leiterin:
Wenn Sie mögen, fragen Sie Ihre Gruppe, ob die Frauen Lust haben,
beim nächsten Mal das mitzubringen, was sie in ihren Koffer packen
würden. Schon die Andacht könnte dann aus Liedern, Psalmen,
Texten und Gebeten bestehen, die die Frauen für „koffertauglich“
befinden. Bringen Sie einen Koffer mit und stellen Sie ihn in die Mitte
oder so, dass alle Frauen ihn sehen können. Der Koffer dient als
Symbol für die Aktion und bleibt die ganze Zeit über leer.
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- 34 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Gehört Sterben zum Leben?
Wir beschäftigen uns heute mit der Frage „Gehört Sterben zum Leben?“. Ich habe Ihnen
ein Gedicht von Hermann Hesse mitgebracht.
Verlesen des Gedichtes. (Anlage 1)
Woran erinnern Sie die Worte dieses Gedichtes? (Zeit lassen zum Austausch)
Gehört Sterben zu dem Leben, auf das Sie zurückblicken?
Sterben können wir auch übertragen verstehen. „Jeder Abschied ist ein kleiner Tod.“ oder
„Ich sterbe vor Heimweh.“ sind übliche Redewendungen...
Vortrag:
Wir haben jetzt schon viele Gedanken zum Thema „Gehört Sterben zum Leben?“ zusammengetragen. Sie haben von vielen Abschieden berichtet: Abschieden von Menschen, von der Heimat, von liebgewordenen Gewohnheiten.
Ich möchte Sie noch einmal besonders auf einen Satz des Gedichtes hinweisen:
„Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe/ Bereit zum Abschied sein und
Neubeginne,/ um sich in Tapferkeit und ohne Trauern/ in andre, neue Bindungen zu geben.“
Ich glaube, dass es nicht richtig ist, Abschied zu nehmen, ohne zu trauern.
Wo wir die Trauer über einen Verlust - über das Sterben eines Lebensabschnitts - nicht zulassen, können wir auch nicht damit abschließen.
Wenn ich so darüber nachdenke, was Sie erzählt haben, und was mir einfällt,
so glaube ich, dass unser Leben ein Leben voller Abschiede sein muss und
damit auch ein Leben voller Sterbeerfahrungen.
Viele von Ihnen blicken auf ein sehr bewegtes Leben zurück. Auch das reale
Sterben und der echte Tod sind Ihnen nicht fremd. (Was ich weiß über das
Sterben in früheren Zeiten, habe ich mir angelesen.) Sie erinnern sich sicherlich noch daran, dass die meisten Leute zu Hause gestorben sind. Die Familienangehörigen waren dabei, auch die kleinen Kinder. Das war sicherlich
nicht immer leicht, auch früher sind die Menschen schwer gestorben und haben schlimm gelitten, aber sie waren nicht allein.
Zu Hause starben die Menschen und wurden auch dort aufgebahrt. Nachbarn zogen von Haus zu Haus und verbreiteten die Nachricht über den Tod,
Nachbarn übernahmen auch die Vorbereitung des Leichenschmauses. Und
sie taten das häufig, denn wie oft sind auch kleine Kinder gestorben oder
junge Menschen? Viele schwere Schicksalsschläge hatten die Familien zu
tragen.
Und heute? Haben wir heute nicht den Kontakt zum Sterben und - was viel
schlimmer ist - zu den Sterbenden verloren? Wie viele Menschen sterben allein, ungetröstet und ungehalten von einer liebenden Hand?
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- 35 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Immer wieder steht in der Zeitung, dass jemand Tage und Wochen tot in der
Wohnung lag und die Nachbarn haben sich nicht gekümmert. Oder die Menschen sterben im Krankenhaus, in der Hektik der Stationen, wo am Nachbarbett vielleicht ein Leben gerettet wird.
Irgendwo habe ich gelesen „Wir leben heute länger, aber wir sterben auch
viel länger“.
Gehört Sterben auch heute noch zum Leben? Haben wir es nicht aus dem
gesellschaftlichen Leben weitgehend ausgeklammert, abgeschoben in die
Kliniken und Heime, wo wir es nicht mehr sehen und riechen müssen? Jagt
nicht die ganze Gesellschaft einem Unsterblichkeitswahn nach? Es sieht vieles danach aus, und diese Realität ist nicht gerade schön.
Doch seit einiger Zeit können wir auch andere Entwicklungen mitbekommen.
Es gibt immer mehr Gruppen der Hospiz-Bewegung. Die Hospiz-Gruppen
wollen es Menschen ermöglichen, zu Hause zu sterben, oder - wo das nicht
geht - in Sterbehäusern, den Hospizen.
Die Geschichte der Hospize ist schon sehr alt. Früher waren es christliche
Rasthäuser auf den alten Pilgerwegen. Dort konnten sich Pilger von den
Strapazen erholen, Wunden und Krankheiten heilen lassen und neue Kraft
für die weitere Strecke schöpfen. Für viele waren die Hospize auch damals
schon Sterbehäuser.
Heute haben sich die Hospizgruppen zur Aufgabe gemacht, Menschen auf
ihrer letzten Wegstrecke beizustehen. Hier in Deutschland werden einige
Hospize auch von unserer Kirche finanziell unterstützt, und viele Christinnen
und Christen arbeiten haupt- und ehrenamtlich in diesen Hospizgruppen mit.
Und wahrscheinlich haben auch Sie sich schon über die Hospizarbeit informiert.
Eine andere Entwicklung finde ich eher erschreckend, eine Entwicklung, die
auch mit der neuen Beschäftigung mit dem Sterben einhergeht: Es gibt
Gruppen, die Sterben und Tod verharmlosen. Auch deren Gedanken können
wir über das Fernsehen kennen lernen. Sie haben sicherlich alle schon Berichte über Menschen gesehen, die wiederbelebt worden sind. Diese Menschen erzählen von ihren Erlebnissen, die sie z. B. während ihres Herzstillstandes hatten. In diesen Berichten wird immer betont, wie schön das Erleben war, dass sie zum Licht gegangen sind und keine Furcht hatten.
Manche Leute halten es nun damit für erwiesen, dass es ein Leben nach
dem Tod gibt, manche leiten daraus eine Wiedergeburtsvorstellung ab. Das
ganze Erleben lässt sich aber auch ganz anders erklären: Wenn ein Herz
aufhört zu schlagen, ist das Gehirn noch nicht sofort tot. Unser Körper kann
in einer Schocksituation Stoffe freisetzen, die dafür sorgen, dass es uns gut
geht, dass wir keine Schmerzen fühlen und keine Angst haben. Diese Stoffe
wirken wie ein Rauschmittel, wie Morphium. Menschen, die diese Erlebnisse
hatten, haben etwas miterlebt, was ganz nah am Tod ist, aber nicht den Tod
selbst.
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- 36 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Mich ärgert es, wenn das Sterben mit einer Geburt verglichen wird. Eine Geburt ist schmerzhaft, sie kann gefährlich werden für Mutter und Kind, sie kann
uns an die Grenzen unserer Kräfte bringen - aber sie führt ins Leben. Das
Sterben kann eine ähnliche Strapaze sein, noch viel schmerzhafter, körperlich und seelisch, es ist ein Kampf und es führt in den Tod. Mit dem Tod sind
unsere Beziehungen beendet. Wer stirbt, lässt andere zurück, verliert den
Kontakt. Der Tod ist das Ende. Wer Geburt und Sterben gleichsetzt, verharmlost den Tod.
In der Bibel wird der Tod nicht verherrlicht, sondern in seiner ganzen Härte
gesehen. Aus den Psalmen wissen wir, wie sehr alttestamentliche Beterinnen und Beter den Tod fürchteten. Jesus ist nicht gelassen in seinen Tod
gegangen, sondern verzweifelt. Paulus hat den Tod als letzten Feind beschrieben. Auch für ihn ist mit dem Tod das Leben zu Ende.
Und doch können wir Hoffnung haben über den Tod hinaus. Jenseits aller
Verharmlosung und Verniedlichung bietet die Bibel uns Glaubensgrund an.
Durch das Kreuz und die Auferstehung Jesu Christi ist die ganze Existenz
der Glaubenden verändert. Wir dürfen mit Paulus glauben „Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben
oder sterben, so sind wir des Herrn.“ (Röm 14, 8). Auch Sterben und Tod
können uns nicht von Gottes Liebe trennen.
Alle unsere menschlichen Beziehungen zerbrechen im Tod. Das schmerzt so
unendlich, darüber dürfen wir auch klagen und trauern. Unser Leben ist nun
mal nicht rund und heil, sondern ist Leben mit Trauer, ist Leben mit Abschied
und ist Leben mit Schmerzen. Aber in der Klage dürfen wir uns aufgehoben
wissen in der Liebe Gottes.
Diese Liebe Gottes verpflichtet uns aber auch, Trost und Liebe an Sterbende
weiterzugeben. Sterben ist meistens unmenschlich und der Tod ist der Feind.
Deshalb kann es kein humanes Sterben geben, aber ein getröstetes, wo
Sterbende einstimmen können in das Psalmwort:
„In deine Hände befehle ich meinen Geist;
du hast mich erlöst, du treuer Gott.“
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- 37 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Anlage 1
Gedicht von Hermann Hesse, Stufen
Stufen
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit und auch jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf’ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegensenden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden ...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Hermann Hesse
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- 38 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Zum Weiterlesen:
Grundsätze der Hospiz-Arbeit
Nordrhein-Westfalen
Menschen brauchen im Leben und Sterben Bedingungen, die ihnen geistige, seelische,
materielle und soziale Sicherheit gewähren. Geburt und Tod stellen das Leben vor die
endgültige Alternative. Da gibt es nicht die Möglichkeit des probeweisen Handelns. Deshalb muss Sterbebegleitung mehr als alle anderen Lebenshilfen die Endgültigkeit vor Augen haben.
Das Leben eines Menschen mit seiner einmaligen Geschichte kommt zum irdischen Abschluss. Sein Sterben bringt auch das Leben der ihn Begleitenden in eine unwiderrufliche
Entscheidung. Die letztgültige Wahrheit über die tatsächliche Qualität der menschlichen
Beziehung zu dem Sterbenden offenbart sich. Sterben und Sterbebegleitung stellt alle vor
letzte Fragen und kann Versagensängste auslösen.
„Hospize bejahen das Leben. Hospize machen es sich zur Aufgabe, Menschen in der letzten Phase einer unheilbaren Krankheit zu unterstützen und zu pflegen, damit sie in dieser
Zeit so bewusst und zufrieden wie möglich leben können. Hospize wollen den Tod weder
beschleunigen noch hinauszögern. Hospize leben aus der Überzeugung und der Hoffnung, dass sich Patienten und ihre Familien so weit geistig und spirituell auf den Tod vorbereiten können, dass sie bereit sind, ihn anzunehmen. Voraussetzung hierfür ist, dass
eine angemessene Pflege gewährleistet ist und es gelingt, eine Gemeinschaft von Menschen zu bilden, die sich der Bedürfnisse der Sterbenden verständnisvoll annimmt.”
(USA-Erklärung)
In den meisten Hospizen engagieren sich Menschen auf der Grundlage christlicher Lebenswerte, um die Würde des Menschen in seinem ganz persönlichen und unverwechselbaren Sterben zu schützen. Das ist nur möglich, wenn die persönliche und unverwechselbare Lebensgeschichte, die Weltanschauung und religiöse Überzeugung des Sterbenden
uneingeschränkt anerkannt werden.
Die Sterbebegleiter dürfen dem Sterbenden nicht ihre eigenen Wertmaßstäbe und religiösen Überzeugungen aufdrängen. Wenn Sterbende im Angesicht des Todes Hilfe suchen
bei der Antwort nach existentiellen Sinnfragen oder der Frage nach dem Leben jenseits
des Todes, so werden Begleitende sich nicht verweigern. Sie können ihre eigenen Erfahrungen und Überzeugungen mitteilen. Aber der Sterbende wird bis zum letzten Atemzug
selbst entscheiden müssen, wie er sich orientiert.
Die Hospizbewegung will Bedingungen schaffen, die es erleichtern, das Sterben als einen
intensiven Teil des Lebens wieder anzunehmen. Das gelingt nur, wenn der existentielle
Wunsch der meisten Menschen erfüllt wird, geachtet in Würde bis zum Tod zu leben
Daraus ergibt sich als Grundsatz der Hospizarbeit:
Die persönlichen Wünsche und die körperlichen, sozialen psychischen und spirituellen Bedürfnisse des sterbenden Menschen stehen im Mittelpunkt.
Da Sterbenskranke sehr häufig den Wunsch haben, bis zuletzt in vertrauter Umgebung,
wenn möglich zu Hause, zu leben, ist es Ziel der Hospiz-Arbeit, in erster Linie die häusliche Pflege und Begleitung zu fördern.
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- 39 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Die Begleiter besuchen den schwerkranken Menschen in seinem eigenen Lebensbereich
und unterstützen seine Familie, Partner, Freunde, Nachbarn oder auch den Krankenpflegedienst. Sie bringen den Angehörigen in Abschieds- und Trauerbegleitung die gleiche
Aufmerksamkeit entgegen, wie dem Sterbenden, auch über dessen Tod hinaus.
In Würde bis zum Tode leben heißt, möglichst beschwerde- und schmerzfrei sein.
Um dies zu erreichen, vermittelt die Hospizarbeit Zugang zu einer optimalen Pflege und
einer speziellen ärztlichen Schmerztherapie und Symptomkontrolle. Dadurch hat der
Kranke die Möglichkeit, seine soziale, psychologische und spirituelle Situation wieder
wahrzunehmen und sich damit auseinanderzusetzen. Palliativstationen in Krankenhäusern
tragen die Hospiz-Idee auch in bestehende Krankenhausstrukturen.
Geachtet in Würde bis zum Tod leben heißt, soweit wie eben möglich frei zu sein in
der Gestaltung der noch verbleibenden Lebenszeit, insbesondere in der Entscheidung über Art und Ausmaß der Therapie.
Die Selbstbestimmung beinhaltet nach erfolgter Aufklärung auch die Entscheidung über
das Ausmaß der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen. Der bekundete Wille
des Kranken, den er im Gespräch mit anderen geprüft und geklärt hat, ist auch dann zu
achten, wenn er selbst nicht mehr in der Lage ist, diesen zu äußern. Es werden keine lebensverlängernden oder lebensverkürzenden Maßnahmen ergriffen.
Durch ein hohes Maß an Zuwendungspflege und möglichste Schmerzfreiheit wird eine
Alternative geboten zu der in unserer Gesellschaft wachsenden Bereitschaft, aus Angst
vor Schmerzen, Unfähigkeit zur Selbstbestimmung und Einsamkeit Tötungs-Endlösungen
zu wählen. Die Hospizbewegung lehnt daher die “Sterbehilfe”, d.h. die Tötung auf Verlangen, in jeder Art und Weise ab.
Aus diesen Grundsätzen der Hospizarbeit ergeben sich die folgenden
strukturellen und organisatorischen Rahmenbedingungen:
1.
Hausbetreuungsdienst und stationäre Einrichtung bilden zusammen das Hospiz. Das
ambulante Hospiz als Hausbetreuungsdienst, das vielerorts auch ohne unmittelbare
Anbindung an ein stationäres Hospiz arbeitet, beinhaltet immer die zwischenmenschliche, psychosoziale Sterbebegleitung und die Unterstützung in der Pflege. Der
Hausbetreuungsdienst arbeitet mit den Trägern, die ebenfalls Dienste im ambulanten, pflegerischen und sozial-betreuenden Bereich anbieten, zusammen.
Der Hausbetreuungsdienst sollte möglichst bei keinem Hospiz fehlen. In diesem
Dienst wird dafür gesorgt, dass eine dem Schwerkranken und seinen Angehörigen
vertraute Person jederzeit erreichbar ist und so der Sterbende vor dem Gefühl des
Alleingelassenseins bewahrt wird. Das stationäre Hospiz nimmt Sterbende auf, die
ambulant nicht gepflegt werden können. In manchen Einrichtungen ist zusätzlich eine
kurzzeitige oder nur Tages-/Nachtbetreuung möglich.
Das stationäre Hospiz dient auch als exemplarischer Lernort der Hospiz-Idee und ist
als regional übergreifende und nicht als flächendeckende Einrichtung gedacht.
2.
Wegen der betont ganzheitlichen Begegnung mit dem Kranken und seinen Angehörigen sowie wegen seiner besonders intensiven Lebenssituation im Angesicht des
Todes ist eine persönliche, von Wärme und Geborgenheit geprägte Atmosphäre, ein
„Wie-zu-Hause” im Hospiz zu schaffen. Die Anzahl der Wohneinheiten sollte dem
entsprechen.
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- 40 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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3.
Da das Zusammensein des Kranken mit seinen Angehörigen und Freunden für ein
gutes Abschiednehmen oft sehr bedeutsam sein kann, sollten einige Möglichkeiten
zum Mitwohnen für pflegende Angehörige oder Pflegepaten zusätzlich im Hospiz bereitgehalten werden. So können sich die Angehörigen und Freunde in Pflege und
Begleitung besser eingewöhnen.
Diese Nähe mindert Ängste und Hilflosigkeit. Möglicherweise trauen es sich die Begleitenden nach einigen Tagen zu, den Schwerkranken wieder zu Hause zu pflegen.
Das stationäre Hospiz wird so zum Erfahrungs- und Übungsfeld. Die daraus erwachsende Selbstverantwortung bildet ein Gegengewicht zum Delegieren und hat - wie in
England nachgewiesen - Kosten sparende Wirkung.
4.
Die ärztliche Versorgung erfolgt in der Regel durch den Hausarzt und/oder einen in
der Schmerztherapie und Symptomkontrolle kompetenten Facharzt.
5.
Aufgrund der vom Krankheitsbild her notwendigen intensiven Schwerstkrankenpflege
ist ein angemessener Personalschlüssel erforderlich. Die Pflege wird von examinierten Fachpflegekräften ausgeführt. In das Team können einbezogen werden: Sozialarbeiter, Psychologen, Seelsorger und Mitarbeiter aus therapeutischen Diensten.
6.
In der ambulanten und stationären Hospizarbeit sind sorgfältig ausgewählte und befähigte ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unverzichtbar. Als Grundlage
für Auswahl und Befähigung dienen die Richtlinien von ALPHA, Velkt und der AG zur
Förderung der Hospizbewegung beim Ministerium für Arbeit und Sozialordnung in
NRW.
7.
Die ehrenamtlich und hauptamtlich Tätigen im ambulanten und stationären Hospiz
bedürfen zur Erfüllung ihrer Aufgaben einer sorgfältigen Vorbereitung in Aus- und
Weiterbildung, Begleitung und Supervision. Der Hospizdienst macht ausreichende
Angebote, um psychischer und physischer Überlastung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen entgegenzuwirken. Der regelmäßige Erfahrungsaustausch im interdisziplinären Team ist unverzichtbar.
8.
Das Hospiz arbeitet möglichst mit den vorhandenen psychosozialen, medizinischpflegerischen und seelsorgerischen Diensten der ambulanten, teilstationären und
stationären Einrichtungen zusammen.
9.
Aufnahmekriterien: Die Begleitung durch das Hospiz ist unabhängig von Alter, Herkunft, Glaube, Weltanschauung und finanzieller sowie sozialer Situation des Kranken. Das Hospiz ist ein Angebot für erkrankte Menschen, bei denen nach menschlichem Ermessen und nachdem heutigen Stand der Medizin weder Heilung noch Stillstand des Leidens erreicht werden können und bei denen Therapieversuche, außer
Schmerz- und Symptomlinderung, nicht mehr gewollt und verantwortbar scheinen.
Hospizbewohner sind Schwerstkranke, die nur noch eine kurze Lebenserwartung
haben und wegen der intensiven Schmerztherapie und Symptomkontrolle oder wegen anderer schwerwiegender Umstände nicht zu Hause bleiben können.
Quelle: www.hospiz-nrw.de
(Download auf der angegebenen Seite ohne Jahresangabe)
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- 41 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Kinder fragen nach dem Tod
Vorlesen der Geschichte: „Sie haben mir nichts gesagt“ aus „Ich will etwas vom Tod wissen“ (Anlage 1).
Tommy ist empört, er fühlt sich belogen und betrogen um seine Trauer. Die Eltern haben
es gut gemeint, als sie ihn wegschickten, um ihn zu schonen. Doch sie haben alles gründlich falsch gemacht.
Lassen Sie uns zunächst ins Gespräch über eigene Erfahrungen kommen:
Welche Erfahrungen haben Sie selbst als Kinder mit dem Tod gemacht?
Wie haben Sie sich eigenen Kindern oder Enkelkindern gegenüber verhalten, wenn jemand gestorben ist?
(Zeit lassen für den Austausch)
Vortrag; Vom Alter des Kindes oder Enkelkinder und der Sicht auf den Tod
Um zu überlegen, wie wir unsere Kinder besser an das Thema Tod heranführen können,
müssen wir etwas über ihre seelische Entwicklung wissen. Die Fähigkeit von Kindern, die
Wirklichkeit des Todes zu verstehen, ist stark abhängig von der Intensität und Qualität der
Auseinandersetzung mit diesem Thema in Elternhaus, Kindergarten und Schule sowie von
persönlichen Erfahrungen des Kindes mit der hereinbrechenden Todeswirklichkeit. Dennoch können alterstypische Wahrnehmungen beschrieben werden.
Es gibt Untersuchungen, die das kindliche Verständnis vom Tod in Phasen einteilen. Ich
möchte Ihnen kurz diese Phasen vorstellen:
Im Kleinkindalter (bis ungefähr 3. Lebensjahr) reagieren Kinder direkt auf ihre unmittelbaren Bezugspersonen. Sie leiden mit ihnen und freuen sich mit ihnen. Sie brauchen das
Vertrauen, aus wichtigen Lebenserfahrungen nicht ausgeschlossen zu sein. Diese Kinder
spüren Trauer und Abschied, sie bedenken diese aber noch nicht. Ihr Interesse am Tod
korrespondiert mit dem Interesse am Ursprung des Lebens. Die Frage: „Wann stirbst Du?“
ist Ausdruck für das Interesse an allen Umständen des Lebens.
Kinder im Kindergarten- und Vorschulalter haben meist eine diffuse, kaum worthaft gefasste Vorstellung vom Tod: Es ist vor allem die Angst vor Verlust und Trennung, die sie beschäftigt und sich in erhöhter Reizbarkeit, „Klammerverhalten“ und psychosomatischen
Störungen äußern kann. Tote sind nach ihrer Vorstellung nicht endgültig verstorben, sondern nur „etwas weniger lebendig“; sozusagen „verdünnte Persönlichkeitsreste“. Da der
Tod in der Entwicklungsphase der ersten Lebensjahre zumeist gestaltlos bleibt, rückt mit
zunehmender Sprachfähigkeit die Frage nach den Toten und ihrem Zustand in den Vordergrund. Kinder wollen wissen, wodurch (nicht warum!) Lebewesen sterben und was mit
denen passiert, die gestorben sind.
In dieser Altersphase möchten Kinder die Welt als heil erleben. Sie wünschen sich, dass wie im Märchen - alles gut ausgeht. In einer Abschiedssituation suchen sie nach Antworten, die verdeutlichen, dass die oder der Verstorbene gut aufgehoben ist. Ohne in Plattheiten oder Unwahrheiten zu gehen, kann der christliche Glaube hier hilfreiche Antworten
geben, zum Beispiel: „Oma ist bei Gott“.
Im Alter von 5 Jahren haben die Kinder bereits ein anschauliches Denken. Der Tod wird
mit Alter gleichgesetzt; gleichzeitig haben die Kinder noch eine animistische Vorstellung:
Alle Gegenstände sind beseelt. Der Tod wird personifiziert als „schwarzer Mann“, „Geist“,
„Dunkelheit und Nacht“. Tote Menschen können sich nicht bewegen und nicht sehen (vorübergehend). Die Möglichkeit des eigenen Todes wird nicht wahrgenommen. Der Tod
wird als umkehrbar wahrgenommen, deshalb haben Kinder in diesem Alter kein Unrechtsbewusstsein beim Spiel um Totschießen oder beim Töten von Insekten.
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- 42 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Im Grundschulalter entwickeln die Kinder eine zunehmend realistische Einschätzung des
Todes. Auch die eigene Endlichkeit wird wahrgenommen. Sie haben ein sachliches Interesse an den Riten der Beerdigung, aber auch Ängste beim Erleben des Todes. Die Sinnfrage wird jetzt bewusst gestellt.
Das stärkste angstbesetzte Interesse haben Kinder bis circa 7 Jahren am Tod. Nicht der
eigene Tod ist von Interesse, sondern der der Bezugsperson. Dahinter stecken Verlustängste der Kinder, die sich von ihren Bezugspersonen abhängig wissen. „Was wird aus
mir, wenn Ihr nicht mehr seid?“ Mit zunehmender Ablösung und Verselbständigung erlischt
das Interesse an der Thematik. Die Kinder stellen sich für sich selbst das Sterben erst im
hohen Alter vor.
Im Alter von ungefähr 10 Jahren beginnen die Kinder damit, den Tod realistisch zu deuten.
Sie verstehen ihn mehr und mehr als den biologischen Ausfall aller Organfunktionen eines
Lebewesens. Diese realistische Wende ist klärend, aber der Wegfall magisch-mythischer
Vorstellungen kann Kindern auch große Schwierigkeiten bereiten, weil dadurch die Unausweichlichkeit und Endgültigkeit des Todes besonders zu Tage tritt.
Am Ende der Kindheit gleichen sich die Vorstellungen der Heranwachsenden und der Erwachsenen an. Mit der Pubertät erwacht das Interesse an der eigenen Endlichkeit.
Kinderfragen
In Untersuchungen wurde ermittelt, dass 80 % der kindlichen Ängste mit dem Tod zu tun
haben und dass das religiöse Interesse von Kindern sich hauptsächlich um den Tod dreht.
Wenn Kinder nach dem Tod fragen, ist es wichtig, den Grund herauszufinden.
Häufig handelt es sich nämlich nicht um ein verstandesmäßiges Interesse, sondern um
den Wunsch, beruhigt zu werden. Vor allem kleine Kinder haben Verlustängste. Deshalb
ist es wichtig, die Fragen nicht abzuwiegeln, weil sonst eine diffuse Angst verstärkt wird.
Auch unbegründete Kinderängste sind reale Ängste!
Mit älteren Kindern sollte ruhig besprochen werden, was in dem unwahrscheinlichen Fall
geschehen soll, wenn beide Eltern versterben. Wer sich dann um die Kinder kümmert,
sollte mit ihnen gemeinsam überlegt werden.
Kindgerechte Antworten
Wenn wir auf die Fragen unserer Kinder eingehen, müssen wir uns um kindgerechte Antworten bemühen. Manche Bilder, die beschönigend für den Tod verwendet werden, sind
für Kinder völlig ungeeignet:
„Oma ist eingeschlafen“, „Entschlafen“, „ewige Ruhe“ usw. sind Formulierungen, die bei
Kindern massive Einschlafstörungen hervorrufen können.
Auch Formulierungen „Jemand ist weit weggegangen und kommt nicht mehr wieder“ können Verlustängste verstärken. Wenn kleinen Kindern nicht gesagt wird, dass eine Bezugsperson gestorben ist, sondern sie nur die Erfahrung machen, dass sie nicht mehr da ist,
können sie ihre Verlustängste auf andere Bezugspersonen übertragen und aus ihnen heraus mit Klammern und Nicht-Lösen-Können reagieren.
Wenn ein Haustier stirbt, sollte dem Kind gesagt werden, dass das Tier bei Gott ist. Ihm
sollte die Trauer ermöglicht werden, deshalb ist ein Bestattungsritual wichtig. Es sollte
nicht zu schnell ein neues Tier angeschafft werden. Das nimmt die Liebe des Kindes zu
diesem individuellen Tier nicht ernst.
Vier- bis fünfjährige Kinder fragen, warum Menschen sterben müssen. Mögliche Antwort:
Der Körper ist krank und verbraucht, deshalb muss er irgendwann sterben. Geburt und
Tod gehören zum Lebensplan dazu. Wenn Menschen nicht sterben würden, wäre die Erde
irgendwann zu voll.
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Frauenhilfe zum Selbermachen
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Da auch junge Menschen im Umkreis der Kinder sterben können, sollte nicht gesagt werden, dass der Tod Gottes Wille ist. Daraus kann Gotteshass auf einen derart grausamen
Gott entstehen, der so etwas will. Besser ist es, unser Unwissen über die Ursache des
Sterbens zum Ausdruck zu bringen. Gott ist bei den Menschen und leidet mit ihnen, im
Sterben und in der Trauer.
Wir müssen unseren Kindern auch erzählen, dass es Krankheiten zum Tode gibt, die noch
unheilbar sind. Vielleicht werden heutige Kinder einmal Ärztinnen und Ärzte, die diese
Krankheiten dann heilen können.
Wo sind die Toten?
Besser nicht vom Himmel sprechen, denn das antike Weltbild kollidiert mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und mit Raumschiff Enterprise. Der christliche Begriff vom ewigen Leben ist besser geeignet. „Ewiges Leben“ bedeutet Leben in der Gemeinschaft mit
Gott und Leben in Liebe, hier und jenseits des irdischen Lebens. Einzelheiten über den
Himmel und über das ewige Leben können wir nicht wissen, weil wir es nicht erlebt haben.
Das müssen wir den Kindern auch sagen.
Trauer mit Kindern teilen
Was können wir für Kinder tun, wenn es zu einem Tod in ihrem Umkreis kommt?
Wir müssen ihnen Trauer und Kummer ermöglichen. Sie nehmen Schaden, wenn der Tod
von ihnen geheim gehalten wird.
Sie sollen auch unsere Trauer sehen. Wenn wir ihnen sagen, dass es dem verstorbenen
Menschen bei Gott gut geht, werden sie es uns angesichts unserer Trauer nicht glauben,
oder werden unsere Trauer nicht verstehen. Deshalb müssen wir ihnen unsere Trauer erklären: Wir trauern nicht darum, dass es diesem Menschen bei Gott jetzt gut geht, sondern
um unseren Verlust der Nähe zu diesem Menschen.
Wir müssen den Kindern behutsam klar machen, dass die irdische Beziehung zu diesem
Menschen mit dem Tod ein radikales Ende hat. Nur so können wir Phantasien der Umkehrbarkeit des Todes entgegenwirken.
Kinder sollten - wenn irgend möglich - an der Beerdigung teilnehmen, allerdings in der
Obhut eines vertrauten Erwachsenen, der beherrscht genug ist, ihnen während und nach
der Beerdigung alle Fragen zu beantworten.
Bei dem Verlust naher Angehöriger sollten die Kinder in der Ansprache direkt angesprochen werden. Ihnen sollte die Möglichkeit gegeben werden, einen Brief, ein Bild, ein Kuscheltier auf oder in den Sarg zu legen.
Wichtig ist es, abzuwägen: Wenn davon auszugehen ist, dass es auf der Beerdigung zu
psychischen Zusammenbrüchen von trauernden Erwachsenen kommen kann, sollte von
der Teilnahme der Kinder abgesehen werden.
Auch später soll den Kindern in vertrauensvoller Umgebung Gelegenheit zum Trauern gegeben werden. Geschichten und Begebenheiten mit den Verstorbenen sollten erzählt werden, Bilder betrachtet usw.
Gerade bei kleinen Kindern ist es aber ganz normal, wenn sie schon bald wieder fröhlich
spielen, da sie die Bedeutung des Todes nicht verstehen.
Größere Kinder können sich am Tod schuldig fühlen, wenn sie vorher heimliche Todeswünsche gehabt haben. In ihrem magischen Weltbild sehen sie in ihren Todeswünschen
die Todesursache. Ihnen muss klar mitgeteilt werden, wie der Verstorbene zu Tode gekommen ist und dass sie keine Schuld trifft.
Ich habe Ihnen als Gedankenstütze einige Leitlinien mitgebracht, die Sie mit nach Hause
nehmen können. Diese verteile ich Ihnen zum Abschluss. (Anlage 2)
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Frauenhilfe zum Selbermachen
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Anlage 1
Sie haben mir nichts gesagt
Tommy lag schon eine Weile im Bett und konnte nicht einschlafen. ‚Warum war Mama so
komisch zu ihm gewesen?‘
„Schlaf gut, komm schlaf, mein Lieber, alles ist in Ordnung - alles ist in Ordnung, nicht
wahr?“
‚Warum hatte sie das gefragt?‘
Er hörte die Eltern im Wohnzimmer zusammen sprechen. Er hörte auch die Stimme von
Onkel Paul, Papas Bruder, der in einem Reihenhaus gegenüber wohnte. Plötzlich setzte
sich Tommy in seinem Bett auf: er hörte jemanden weinen. Die Tür des Wohnzimmers
ging auf, es war wohl Mama, die in die Küche ging. Er hörte Wasser ins Spülbecken laufen. „Mama“, rief er erschrocken. Aber sie hörte ihn nicht. Er legte sich wieder hin. ‚War
denn Moritz noch nicht zu Hause?‘
Tommy liebt diesen Vetter sehr. Moritz ist Lehrling bei Mercedes. Zurzeit baut er einen
kleinen Lastwagen. Er muss alle Teile aus Roheisen selbst anfertigen. Das gehört zu seiner Ausbildung und wird sein Lehrstück. Moritz hat außerdem ein ganz tolles Mofa. Tommy träumt davon. Manchmal darf er es mit Moritz putzen. Heute ist Moritz im Segelkurs
und kommt später nach Hause. ‚Ah, da kommt er endlich‘, denkt Tommy, als er ein Mofa
hört. Aber das Mofa hält nicht, es fährt weiter. ‚Aber jetzt kommt er, das ist sein Mofa.‘ Das
Mofa hält. Der Motor wird abgestellt. Jemand läuft auf dem Kiesweg durch den Garten zur
Türe und klingelt. Nach einer Weile fährt das Mofa wieder los. Nein, das war nicht Moritz.
Am nächsten Morgen hat Mama rote Augen. „Warum weinst du?“, fragt Tommy beim
Frühstück.
„Ich habe Schnupfen“, antwortet sie und schnäuzt sich. Aber Tommy hat das Gefühl, dass
es nicht stimmt.
„Du, Tommy“, sagt Mama, „ich bringe dich heute schon zu Oma Riekchen.“ Tommy geht
immer zu ihr während der Pfingstferien.
„Aber Mama, wir haben doch morgen noch Schule.“
„Noch einen halben Tag, das ist nicht so schlimm.“
„Aber ich geh doch heute zu Susanne zum Geburtstag!“
„Ich weiß, Tommy, aber es passt uns heute besser. Wir wollen streichen; da hast du es
schöner bei Oma Riekchen.“
Tommy ist unglücklich. Schweigend packt er sein rotes Köfferchen. Er nimmt das Memory
und sein Vogelbuch mit, Schnüre, das Pfadfindermesser, das er von Moritz bekommen
hat, und die Lupe.
Die Ferien waren schön. Tommy hat es gut gehabt. Er war viel im Stall bei den Tieren oder auf dem Feld mit dem Traktor und Tante Anneliese. Als ihn die Eltern abholen, tut es
ihm leid fortzugehen. Zu Hause beim Auspacken sagt Tommy plötzlich: „Wo ist denn Moritz; ich geh nachher mal zu ihm rüber.“
Mama schaut Vater an, dann sagt sie: „Weißt du, Moritz ist fort.“
„Fort? Warum hat er mir denn nichts gesagt?“
Tommy ist enttäuscht. „Wohin ist er denn gefahren? …“
Mama fällt ihm ins Wort: „Weißt du, Tante Marlene ist sehr traurig, dass Moritz fort ist.
Komm, iss jetzt Tommy, du musst groß und stark werden…“
‚Groß und stark?‘ Tommy fühlt sich ungemütlich.
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- 45 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Tommy hat Tante Marlene im Garten gesehen. Er rennt zu ihr, und sie nimmt ihn in die
Arme. ‚Warum weint sie denn?‘ denkt Tommy.
„Wo ist Moritz, Tante Marlene?“
„Weit weg, Tommy.“
Mehr sagt sie nicht. Tommy traut sich nicht, weiter zu fragen. ‚Was haben sie denn alle?‘
„Ich geh‘ wieder rüber.“
Stattdessen geht er heimlich in den Schuppen. Da steht das Mofa von Moritz. Das Vorderrad ist ganz zusammengedrückt und die Lenkstange ist nach oben gebogen. ‚Wer hat das
denn gemacht?‘ Tommy erzählt nichts von seiner Entdeckung. Er geht auf die Straße.
„Ah! Der Tommy, da ist er ja wieder! Machst du mit? Wir verstecken uns!“
Susanne und Tommy verstecken sich zusammen hinter Brettern bei einem Neubau. „Wo
warst du denn so lange?“
„Ich war bei Oma Riekchen.“
„Warum bist du denn nicht bei der Beerdigung gewesen?“
„Wer ist denn gestorben?“, fragt Tommy und weiß mit einem Mal, was Susanne antworten
wird.
Susanne schaut ihn so merkwürdig an: „Weißt du wirklich nicht, dass der Moritz gestorben
ist? Der ist doch überfahren worden.“
Das Mofa, das Lenkrad! Tommy sieht so erschrocken aus, dass Susanne ganz verlegen
wird. „Du, sei nicht so, es ist doch gut. Komm, Tommy, was hast du denn?’
Beim Abendbrot will Tommy nichts essen. „Lass mich in Ruhe“, fährt er Mama an. Sie ist
empört: „Du pass auf, wie du mit mir sprichst.“
„Ich glaub‘ dir nie mehr was“, schreit Tommy, „nie mehr, nie mehr, auch dem Vater nicht.“
Tommy steht auf und geht in sein Zimmer. Er holt Moritz‘ Pfadfindermesser heraus und
setzt sich auf sein Bett. ‚Moritz ist tot, Moritz wurde totgefahren.‘ Tommy hat Angst, er
friert. Mama kommt ins Zimmer: „Hör zu…“
„Wo ist er jetzt?“, sagt Tommy streng. „Sag, wo ist Moritz jetzt?“
Mama zögert: „Auf dem Friedhof.“
Diese Antwort will Tommy nicht hören.
„Moritz ist verunglückt, wir wollten dich nicht zu traurig machen und wollten die Beerdigung
vorbeigehen lassen…“
„Ich will aber traurig sein“, schreit Tommy. Mama weint, aber Tommy beachtet sie nicht.
Er ist zum Schuppen gelaufen, wo das Mofa steht. Der Schlüssel liegt auf dem Balken. Da
steht es. Tommy hat sich auf den Boden gesetzt und hat seinen Kopf an das kaputte Rad
gelehnt: „Sie haben mich fortgeschickt, sie haben mir nichts gesagt, sie haben mir nichts
gesagt. Sie haben mir…“ und Tommy weint.
aus: Becker, Antoinette: Ich will etwas vom Tod wissen. Geschichten vom Tod und vom Leben,
Fotobilderbuch Fotogr. von Elisabeth Niggemeyer, Reihe: Ich und die Welt. Ravensburg : Maier, 1979.
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- 46 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Anlage 2
Kinder fragen nach dem Tod
Leitlinien in Stichpunkten:
•
Tod nicht tabuisieren (nicht verleugnen, beschönigen etc.)
•
Ehrlichkeit (auch Nichtwissen zugeben)
•
Zusammen trauern, Kind einbeziehen
•
Schuldgefühle und Ängste auffangen
•
Raum und Zeit für Trauer geben
•
Raum für Fragen geben
•
Mit-leiden
•
kindgerechte Antworten geben, auf die Wortwahl achten
•
(nur) auf die Fragen der Kinder antworten
•
Hoffnung geben durch die Erinnerung an den/die Verstorbene/n
•
Hoffnung auf neues Leben bei Gott (soweit daran geglaubt wird)
•
Beten
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- 47 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Lots Frau - Abschied ohne Zeit
- Bibelarbeit zu Genesis 19
Wir werden uns heute mit dem Thema Sterben und Tod und unseren Einstellungen dazu
beschäftigen.
Mit dem Tod umzugehen, bedeutet Abschied nehmen, Abschied, von Menschen, die wir in
den Tod verlieren, Abschied von Erwartungen, die wir an das Leben noch hatten, Abschied vielleicht auch von eigener Leistungsfähigkeit und Gesundheit, Abschied von
Träumen und Hoffnungen. Somit steht als zweites Thema über diesem Tag das Thema
Abschied.
Abschied nehmen braucht Zeit, die Seele braucht Zeit dafür. Was in Jahren gewachsen ist
zwischen Menschen, das lässt sich nicht einfach wie mit einem Meißel aus einem Steinbruch heraushauen, es sei denn um die Gefahr, sich selbst und andere zu beschädigen.
Denn was gewachsen ist, ist zum Teil meiner selbst geworden.
Es wird immer wieder deutlich, wie sehr gerade Menschen unter dem Verlust des Partners
oder der Partnerin leiden, wenn es ein plötzlicher Verlust war, z.B. durch einen Unfall oder
einen Herzinfarkt oder durch ein plötzliches Verlassen werden. Sie fühlen sich ohne Geländer in die Tiefe gerissen.
„Ich hätte mich so gerne noch verabschiedet, es ging alles so schnell, ich hätte ihr/ihm
noch etwas sagen wollen...“
Oder: “Ich habe mich nicht getraut, gegenüber meinem Vater den Abschied, das Sterben
anzusprechen, und jetzt lässt mich das nicht mehr los...“
Im Abschied wird deutlich, wer man füreinander war, ist und - wenn ein Wiedersehen möglich ist - sein möchte.
Im Abschied werden auch die Grenzen innerhalb der Beziehung, das Unmögliche und
Mögliche sichtbar. Darum ist es gut, den Abschied in die Geschichte zu integrieren, die
man miteinander hatte, sonst gerät er zum kalten Abbruch. Ein Abschied, der zugleich
Trost schaffen und neue Zukunft ermöglichen soll, braucht Zeit und Rituale.
Ganz anders ist der Abschied, mit dem wir uns in der Bibelarbeit beschäftigen werden.
Lots Frau - Abschied ohne Zeit
Ich möchte Ihnen zunächst die bewegende Geschichte dieser Frau in Erinnerung rufen,
bevor wir uns mit dem Text unserer Bibelarbeit beschäftigen.
Die Frau von Lot hat keinen eigenen Namen, sie spielt keine aktive Rolle in der Geschichte, die sie schließlich das Leben kostet. Alles, was wir von ihr wissen, ist, dass sie zwei
Töchter hat und einen etwas zänkischen, aber gottesfürchtigen Mann, eben Lot. Man kann
demnach nur ahnen, was für ein Leben sie gehabt hat bis zu dem Tag, als sie hinter sich
sah und zur Salzsäule erstarrte:
Mit Lot zusammen musste sie Abraham begleiten, als der ganz vom Auftrag Gottes erfüllt
war, Heimat und Freunde zu verlassen und noch einmal ganz neu anzufangen. Wer weiß,
was sie damals empfunden hat, ob sie geglaubt hat, nun an einer großen Sache beteiligt
zu sein, oder ob sie nur Angst und Trauer verspürt hat und Ohnmacht, sich dagegen aufzulehnen? Frauen wurden ja nie gefragt. Sie hatten keine Wahl, mussten sich nach ihren
Männern richten. Und so hat Frau Lot ein unstetes Leben kennen gelernt. Heute hier, morgen dort, ohne zu wissen, was wird und wo endlich das Ziel ist.
Ich stelle mir vor, wie mühsam so ein Leben ist, wie oft darin die Angst alles überwiegt und
wie hart ständig neue Sorgen drücken. Und auch: Wie einsam es letztlich ist.
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- 48 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Frauenhilfe zum Selbermachen
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Lots Frau hat in dieser Zeit Kinder geboren. Aber es waren „nur“ Töchter. Die Ehre, Mutter
von Stammhaltern zu sein, blieb ihr versagt. Die Aufmerksamkeit ihres Mannes wird dementsprechend nachgelassen haben. Das eigene Gefühl von Versagen hat sie wahrscheinlich noch einsamer gemacht.
Aber sie musste durchhalten: durchhalten, als Lot sich von Abraham nach langem Streit
trennte, durchhalten, als Feinde sie und ihren Mann in den Norden verschleppten und es
dauerte, bis Abraham sie wieder befreite, durchhalten schließlich auch als einzige Fremde
in der Stadt Sodom ein Haus erwarben. Nicht nur das Fremdsein war daran schwer, sondern ausgerechnet dort leben zu müssen. Denn Sodom war bekannt für die Schamlosigkeit seiner Einwohner und für deren Lust an Laster und Gewalt.
Ein Beispiel davon erfahren wir aus dem Bericht über den Abend vor der Katastrophe: Da
kommen zwei Engel in die Stadt, verborgen in der Gestalt zweier Fremder, und Lot bietet
ihnen seine Gastfreundschaft an. Er selbst, so berichtet die Bibel, bereitet das Essen zu
und bemüht sich, bestens für die Fremden zu sorgen. Aber spät am Abend versammeln
sich vor seinem Haus alle Männer der Stadt und fordern die Herausgabe der beiden
Fremden, um sich „über sie herzumachen“, wie es wörtlich heißt. Lot bietet dagegen sein
zwei Töchter, die noch von keinem Manne wissen, um die Gäste zu schützen, muss aber
schließlich selbst von diesen vor dem aggressiven Zugriff er Masse geschützt werden.
Was mag Frau Lot bei diesem Vorgang gedacht haben? Ob sie an so etwas inzwischen
gewöhnt war? Wie mag ihr wohl zumute gewesen sein, als ihr Mann das Gastrecht höher
achtete als seine Vaterpflicht und das Recht seiner Töchter? Und ob sie auch gehört hat,
wie die beiden Fremden zu Lot sagten, Gott werde die Stadt vernichten und sie sollten
eilends die Flucht ergreifen, weil Gott nur ihre Familie retten wolle?
Vielleicht war es für Frau Lot wieder ein unverständlicher, plötzlicher Aufbruch, als die beiden Gäste ihren Mann, sie und die Töchter an die Hand nahmen und aus dem Haus zogen. Auch diesmal lässt sich Frau Lot mitziehen und von anderen bestimmen. Auch diesmal folgt sie ihrem Mann, und auch diesmal wird nichts darüber berichtet, wie es ihr dabei
geht.
Soweit die Vorgeschichte unseres Bibeltextes. Die dramatische Geschichte, die sich anschließt, wird uns in der Bibel nur als dürre Nachricht übermittelt.
Ich möchte Sie nun bitten, in ihren Tischgruppen den Text zu lesen und die Aufgaben auf
dem Arbeitsblatt zu bearbeiten.
Gruppenarbeit 20 Minuten
Austausch im Plenum
In der Nähe des Toten Meeres in Israel finden sich wirklich steinartige Gebilde, die weibliche Formen aufweisen - Salzsäulen, deren Entstehung mit dieser Geschichte von Lots
Frau erklärt wird.
In der Auslegungstradition wird das Verhalten von Lots Frau erklärt mit ihrem Unglauben,
ihrer Schwäche und Neugierde. Deshalb missachtet sie die Weisung der Engel Gottes. Sie
dreht sich um. Zur Strafe erstarrt sie und wird zum Mahnmal für alle, die auf halben Weg in
die Freiheit stehen bleiben und zurücksehen. Sie erfährt am eigenen Leib das Gericht Gottes. Sie wird zum Zeichen für seinen Zorn und seine Konsequenz, das die Jahrtausende
überdauert.
Ich kann das nicht so sehen. Ich höre nichts von Strafe für Frau Lot in der Bibel und kein
Wort bezeichnet ihre Handlung als Sünde. Es wird nur die Folge der Rückschau berichtet,
ohne Wertung und erst recht ohne jegliche Häme im Sinne von: Das ist ihr recht geschehen!
Lassen Sie uns deshalb versuchen, ohne Vorurteil zu verstehen, was mit der Frau Lots
passiert ist.
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Frauenhilfe zum Selbermachen
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Was wäre, wenn wir sie als Denkmal sehen könnten für alle, die man losgerissen, mitgerissen, fortgeschleppt hat und die erstarrt sind, weil sie sich vom Alten nicht lösen konnten,
weil man ihnen den Verlust und das Neue aufgezwungen, befohlen und auferlegt hat.
Was wäre, wenn wir sie endlich auch als Mahnmal im Blick auf die Menschen, Verhältnisse und Orte sehen könnten, die das Trauern, das Abschiednehmen, be- oder verhindern.
Lots Frau steht dann gerade für alle die, die ihren erzwungenen, unfreiwilligen Abschied
von etwas oder von einem Menschen nicht „bewältigt“ haben oder zumindest den großen
Schmerz noch fühlen, der sich eingefressen hat wie Salz ins Herz und in die Seele - den
Schmerz über das, was man loslassen, preisgeben, verlassen musste, ohne gefragt zu
werden.
Abschied nehmen, ohne Zeit zu haben - das kann grausam sein. Da frisst der Kummer
sich schnell ins Herz und nimmt einen ganz in Besitz.
Es hat eine Logik, dass Lots Frau sich umdreht: die Trauer dreht sich um, sie kann nicht
so einfach weggehen.
Aber was geschieht mit der Trauer, wenn ihr keine Zeit gelassen wird, wenn keine Zeit für
Tränen ist, wenn die Seele nicht nachkommt, weil sie noch im Alten steckt, wenn sie mit
verbrennt in Sodom, weil sie nicht oder noch nicht mitgehen konnte?
Ich möchte Sie zu einer zweiten Gesprächsrunde in ihren Tischgruppen einladen. Bitte
bearbeiten Sie die Fragen auf ihrem Arbeitsblatt.
Gruppenarbeit 20 Minuten
Austausch im Plenum
Zum Abschluss unserer Bibelarbeit lassen Sie uns gemeinsam das Lied EG 65 singen:
„Von guten Mächten treu und still umgeben“.
Literatur: Dieser Bibelarbeit liegt zugrunde: Thema: Abschied in U. Grieser und J. Heimbach, Passionsandachten. Themen der Passion in sechs Reihen. 2. Auflage, Gütersloh 1998
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Frauenhilfe zum Selbermachen
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Anlage 1
Bibeltext: 1. Mose 19, 15 - 17. 24 - 26
(Bibel in gerechter Sprache)
15
Als die Morgenröte aufstieg, drängten die Boten Lot und sagten: „Auf, nimm deine
Frau und deine beiden anwesenden Töchter, damit du nicht umkommst wegen der
Schuld der Stadt.“
16
Noch zögerte er, doch die beiden packten seine Hand, die Hand seiner Frau und die
Hände seiner beiden Töchter - so war das Mitgefühl Gottes mit ihm - und führten ihn
hinaus und setzten ihn draußen vor der Stadt ab.
17
Aber als sie sie hinausgebracht hatten, hieß es: „Nun musst du dein Leben retten!
Blick nicht hinter dich, bleib im ganzen Umkreis nicht stehen, rette dich aufs Gebirge,
dass du nicht umkommst.“
(…)
24
da ließ Gott es regnen über Sodom und Gomorra - Schwefel und Feuer, von Gott
her, aus dem Himmel,
25
das verwüstete diese Städte und den ganzen Umkreis und alle, die in den Städten
wohnten, und das Grün des Erdbodens.
26
Seine Frau jedoch - hinter ihm - blickte auf und wurde zur Salzsäule.
Lesen Sie den Text.
Tauschen Sie sich aus:
•
Was fällt Ihnen ein, wenn Sie diese Verse lesen?
•
An keiner Stelle des Textes hören wir etwas von den Frauen, die doch wohl auch in
den Städten wohnten. Was war ihre Schuld?
•
Warum drehte Lots Frau sich um?
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Frauenhilfe zum Selbermachen
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Anlage 2
Arbeitsblatt: Bibelarbeit zu Lots Frau
Wir erfahren im biblischen Text nichts über die Gefühle von Lots Frau. Sie ist eine anonyme Gestalt ohne Namen und ohne Stimme. Wir können versuchen, für sie Gefühle auszudrücken.
Tauschen Sie sich aus:
•
Welche Gefühle hatte Lots Frau?
•
Welche Abschiede gab es in Ihrem Leben, die auch unfreiwillig waren, die sie überfordert haben?
•
Wo hatten Sie das Gefühl, zu wenig Zeit zum Abschied zu haben?
•
Was bzw. wer hat Ihnen die Trennung von einem Menschen, einem Vorhaben, einem Ort... schwer gemacht?
Arbeitsblatt: Bibelarbeit zu Lots Frau
Wir erfahren im biblischen Text nichts über die Gefühle von Lots Frau. Sie ist eine anonyme Gestalt ohne Namen und ohne Stimme. Wir können versuchen, für sie Gefühle auszudrücken.
Tauschen Sie sich aus:
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Welche Gefühle hatte Lots Frau?
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Welche Abschiede gab es in Ihrem Leben, die auch unfreiwillig waren, die sie überfordert haben?
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Wo hatten Sie das Gefühl, zu wenig Zeit zum Abschied zu haben?
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Was bzw. wer hat Ihnen die Trennung von einem Menschen, einem Vorhaben, einem Ort... schwer gemacht?
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- 52 Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.