Als PDF-Datei herunterladen
Transcription
Als PDF-Datei herunterladen
Texte aus der VELKD 152/2010 Februar 2010 „Woher wir kommen – wer wir sind!“ – der Weg der evangelischen Kirche in Ost- und Westdeutschland von 1989 bis 2009 Dokumentation eines Studienkurses im Theologischen Studienseminar der VELKD in Pullach vom 26.4. bis 1.5.2009 Inhaltsverzeichnis VORWORT.................................................................................................................. 5 EINFÜHRUNG ............................................................................................................ 7 DAS GESICHT DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN DEUTSCHLAND....................... 11 20 Jahre nach der „Wende“ Wahrnehmungen aus östlicher Perspektive Wolf Krötke Vorbemerkung....................................................................................................................................................................11 1. Ein Blick zurück: Freie Theologie – freie Kirche.............................................................................................................11 2. Der kirchliche Auftrag in fremder Hand: Die Theologischen Fakultäten .......................................................................13 3. Die „Volkskirche“ und der „Massenatheismus“.............................................................................................................15 4. Missionarische Kirche? ...................................................................................................................................................18 5. Minderheit mit Zukunft..................................................................................................................................................19 HOFFNUNGEN – BEFANGENHEITEN – KLÄRUNGEN........................................ 23 Anmerkungen zum Weg der evangelischen Kirche seit 1989 Bischof em. Dr. Hartmut Löwe 1. Die Zeit des öffentlichen Ansehens der evangelischen Kirche: Von der Öffnung der Mauer bis zur März-Wahl der Volkskammer.............................................................................................................................23 2. Rückkehr in den Alltag, oder: Nach dem herausragenden Ansehen der evangelischen Kirche. Von der Berufung der Gemeinsamen Kommission von EKD und BEK zum Vollzug der kirchlichen Einheit. ...........................28 3. Unbewältigte Aufgaben. Die evangelischen Kirchen in Deutschland vor bitteren Realitäten. .......................................31 „IRRITIERUNGEN AUF DEM WEG ZUR KIRCHLICHEN VEREINIGUNG“............... 35 Generalsuperintendent i.R. Martin-Michael Passauer Vorwort...............................................................................................................................................................................35 1. Die Kirche als juristische Person und konfessioneller Interessenverband, als Körperschaft öffentlichen Rechtes...........38 2. Die Kirche als Steuerverband..........................................................................................................................................39 3. Die Kirche als Wirtschaftsunternehmen mit gewerblichen Aktivitäten..........................................................................40 4. Die Kirche als diakonisches und karitatives Werk ..........................................................................................................40 KIRCHE FÜR ANDERE – KIRCHE IM SOZIALISMUS................................................ 42 Das unabgegoltene Potential einer kontextuellen Theologie in der DDR Dr. Michael Haspel I. Kirchliche und gesellschaftliche Transformationsprozesse als Thema der Ekklesiologie..........................................42 II. „Kirche für andere – Kirche im Sozialismus” als theologische Kontextualisierung zu Beginn der siebziger Jahre...44 III. Elemente einer theologischen Konzeption einer „Kirche der Freiheit”....................................................................48 KIRCHE ZWISCHEN INSTITUTION UND ORGANISATION ANMERKUNGEN IM KONTEXT DER GEGENWÄRTIGEN KIRCHENREFORMDEBATTEN ....................... 52 Klaus-Dieter Kaiser 1. Das Projekt „Nordkirche“...............................................................................................................................................52 2. Kirchengrenzen sind ein weltlich Ding? Oder: Kirchenorganisation zwischen pragmatischer Rationalität und theologischer Grundlegung.............................................................................................................................................55 3. Kirche in der Pluralität von Gemeinden gestalten ..........................................................................................................57 4. Kirchen auf dem Weg.....................................................................................................................................................60 3 DIE UNTERSCHIEDE ZWISCHEN OST- UND WESTDEUTSCHEN ALS AUSDRUCK VERSCHIEDENER KULTURELLER IDENTITÄTEN ................................................... 62 Matthias Rein 1. Einführung......................................................................................................................................................................62 2. Identität – Kultur – kulturelle Identität aus der Sicht von Soziologie und Kulturwissenschaft...........................................63 3. Kulturelle Abgrenzungen zwischen Ost und West im öffentlichen Diskurs zwischen 1990 und 2002........................65 4. Kritische Würdigung und Fazit.......................................................................................................................................69 TEXTE AUS DER VELKD .......................................................................................... 73 AKTUELLE PUBLIKATIONEN „Wochenschluss und Sonntagsbegrüßung“ ........................................................................................... 77 „Die Visitation – Eine Studie des Theologischen Ausschusses der VELKD“ ......................................... 78 „Alle Achtung“ ...................................................................................................................................... 79 4 Texte aus der VELKD Nr. 152 Vorwort Die VELKD besitzt mit dem Theologischen Studienseminar Pullach einen wertvollen Ort der Fortbildung und theologischen Reflexion. Dort vollziehen sich – weithin unbemerkt von der medialen Öffentlichkeit – für die jeweiligen Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer vertiefende Verstehensprozesse und Zugewinn an Erfahrung, die indirekt, aber nicht weniger bedeutsam in die kirchliche Arbeit zurückfließen. Mit diesem Heft der „Texte aus der VELKD“ wird ein Reflexionszusammenhang dokumentiert, der von einem Interesse ist, das deutlich über die unmittelbare Teilnehmerschaft hinausreicht. An dem Weg der Kirche in Ost- und Westdeutschland von 1989 bis 2009 lassen sich gleichsam potenziert Fragestellungen erkennen und verstehen, die den Weg der Kirche unter den Bedingungen der Gegenwart überhaupt betreffen. Auch wenn das Leben der Kirche rückwärts verstanden wird und vorwärts gelebt werden muss (vgl. S. Kierkegaard), hilft das „rückwärts verstehen“ doch dazu, bewusster in die Zukunft zu gehen. Dem Theologischen Studienseminar Pullach gebührt der Dank dafür, zu einem wichtigen Klärungsprozess einen bedeutsamen Beitrag geleistet zu haben. Dr. Friedrich Hauschildt Leiter des Amtes der VELKD 5 Texte aus der VELKD Nr. 152 Einführung 20 Jahre nach dem Mauerfall unterscheiden sich Lebensstile und Weltsichten der Menschen in Ost und West deutlich, wie aktuelle Umfragen zeigen. Es gibt Unterschiede im Blick auf die Vergangenheit, die sich bis heute auswirken: verschiedene politische und wirtschaftliche Systeme, andere biografische Muster, unterschiedliche Werteskalen, verschiedene Kommunikationsstrategien, verschiedene soziale Verhältnisse. Der Studienkurs 362 im Theologischen Studienseminar der VELKD unter dem Thema „Woher wir kommen – wer wir sind! – der Weg der evangelischen Kirche in Ost- und Westdeutschland von 1989 bis 2009“ fragte vor diesen Hintergründen nach dem Weg der evangelischen Kirchen in Ost und West seit 1989: Wie sind die Religions- und Kirchenkulturen in Ost und West zu charakterisieren? Was haben ostdeutsche und westdeutsche Kirchen in die gesamtdeutsche Kirche eingebracht? Was bestimmt den Weg der evangelischen Kirche in Deutschland seit 1989? Hilfreiche Aufschlüsse boten dazu zwei ostdeutsche Positionspapiere zum Weg der Kirche nach 1989. Der Text „Minderheit mit Zukunft“ (epd-dokumentation 3a/1995) bedenkt die Situation einer in DDR-Zeiten marginalisierten Kirche in einer nun pluralistischen Gesellschaft als Kirche auf dem Markt und formuliert Überlegungen und Vorschläge zu Auftrag und Gestalt der ostdeutschen Kirchen unter den neuen Bedingungen. Kirche ist nun ein gesellschaftspolitischer Faktor mit größeren Gestaltungsmöglichkeiten, muss sich aber auch der Konkurrenz der Weltanschauungen, Heilslehren und Religionen stellen. Die Leitlinien künftiger kirchlicher Arbeit in Ostdeutschland „Kirche mit Hoffnung“ (epd-dokumentation 17/1998) stellen das Leitbild einer Beteiligungskirche in den Mittelpunkt und skizzieren Ideen zur Präsenz von Gemeinde in der Region, zum Miteinander von Haupt- und Ehrenamtlichen und zur Finanzstruktur einer „Minderheits-Kirche“. Manche Überlegungen aus diesen Jahren sind inzwischen Realität im Alltag der Kirche in Ost und West (Stichworte Regionalisierung, Verantwortungsübertragung an Ehrenamtliche, Öffentlichkeitsorientierung, missionarische Ausrichtung kirchlicher Arbeit). Andere Anfragen und Probleme sind in den Hintergrund getreten (Verhältnis Christenlehre/RU, Aufbau eines unterschiedlich strukturierten Finanzsystems, vom öffentlichen Dienst unabhängiges Dienstrecht und Gehaltsstruktur für kirchliche Mitarbeiter). Beide Texte dokumentieren Stationen des Umbaus der evangelischen Kirche in Ostdeutschland nach 1989 und stellen Fragen, die für die evangelischen Kirchen in ganz Deutschland relevant sind. Der Kurs wurde von Prof. Dr. D. Wolf Krötke und Studienleiter Dr. Matthias Rein konzipiert und geleitet. Ein leitender Gedanke war, Menschen zu Wort kommen zu lassen, die die Zeit des Mauerfalls und der ersten Jahre des Miteinanders der ost- und westdeutschen Kirche aus kirchenleitender Sicht erlebt und mitgestaltet haben und die das Leben im jeweils anderen Teil Deutschlands aus eigener Erfahrung kennen. Prof. Dr. Wolf Krötke wirkte von 1967 bis 1973 als Pfarrer der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, von 1973 bis 1991 als Dozent des kirchlichen Lehramtes für systematische Theologie am Sprachenkonvikt in Berlin und von 1991 bis 2004 als Professor für systematische Theologie an der Humboldt-Universität Berlin. In seinem Vortrag im Kurs blickt er auf den Weg der theologischen Fakultäten und kirchlichen Hochschulen in Ostdeutschland zur DDR-Zeit und nach der Wende. Unter den Stichworten Volkskirche, Massenatheismus, Missionarische Kirche und Minderheit mit Zukunft geht er auf aktuelle Fragen der Kirche in Ostdeutschland (und zugleich in Westdeutschland) ein und plädiert für die Ermutigung und 7 Texte aus der VELKD Nr. 152 Befähigung aller Christen zum zeugnisfähigen Leben des Glaubens an den Orten des Lebensvollzuges, für starke Anstrengungen zur Vermittlung eines erlebbaren Glaubens an Kinder und Jugendliche und eine geistliche und geistige Konzentration der Kirche zur reflektierten Verantwortung der Wahrheit des christlichen Glaubens. Bischof i.R. Dr. Hartmut Löwe war Pfarrer in Treisbach bei Marburg (1966–1969), Leiter der Vikarsausbildung der Bremischen Kirche (1969–1972), Jugendpfarrer und Ausbildungsreferent in der Kirche von Kurhessen-Waldeck (1972–1980) und Präsident im Kirchenamt der EKD (1980–1992). Von 1993 bis 1999 wirkte er als Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Gemeinschaft und von 1994 bis 2003 als evangelischer Militärbischof. Er beschreibt in seinem Beitrag die Debatten im Zusammenhang mit der Zusammenführung des ostdeutschen Bundes der Evangelischen Kirchen und der westdeutschen EKD aus der Sicht des Präsidenten des EKD-Kirchenamtes. Manche Kontroversen aus der Zeit des Zusammengehens sind inzwischen Geschichte (Kirchensteuer, Religionsunterricht, Militärseelsorge, Eigentumsfragen, Schwangerschaftsabbruch). Der Umgang mit der tiefgreifenden Entkirchlichung Ostdeutschlands stellt sich bis heute als große Herausforderung dar, wie Dr. Löwe anschaulich darlegt. Generalsuperintendent i.R. Martin-Michael Passauer übernahm 1969 seine erste Pfarrstelle in Berlin-Weißensee. Von 1976 bis 1984 war er Stadtjugendpfarrer für Berlin (Ost) und beteiligte sich aktiv an der kirchlichen Friedensbewegung und in der „Offenen Arbeit“. Im Jahre 1984 übernahm Passauer eine Pfarrstelle an der Berliner Sophienkirche in Berlin-Mitte und wurde von 1988 bis 1990 persönlicher Referent von Bischof Gottfried Forck der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg – Region Ost. 1992 übernahm Passauer das Amt des Superintendenten für den Kirchenkreis Berlin-Stadt III (Region Mitte und Prenzlauer Berg). Von 1996 bis 2008 wirkte er als Generalsuperintendent des Sprengels Berlin der Kirche Berlin-Brandenburg. Passauer geht in seinem Beitrag Irritationen auf dem Weg zur kirchlichen Vereinigung nach. In den Blick kommen dabei die Stasi-Verdächtigungen gegen viele kirchliche Mitarbeiter Anfang der 90er Jahre, die Neuregelung der rechtlichen Verfasstheit der ostdeutschen Kirche als Körperschaft öffentlichen Rechts, die Kirchensteuer und die Übernahme vieler staatlicher Einrichtungen aus dem Gesundheitswesen der DDR durch die Diakonie. Passauer ist dankbar für umfassende Hilfe der westdeutschen Kirchen, fragt aber auch, ob die ostdeutschen Kirchen manches allein besser geschafft hätten. Akademiedirektor PD Dr. Michael Haspel ist gebürtiger Württemberger, absolvierte eine Ausbildung zum Krankenpfleger und studierte Evangelische Theologie, Allgemeine Rhetorik und Jura in Tübingen, Bonn und Cambridge (USA). Er hat 1995 in Marburg mit einer Arbeit zu politischem Protestantismus und gesellschaftlicher Transformation, in der er die evangelischen Kirchen in der DDR mit den schwarzen Kirchen in der Bürgerrechtsbewegung in den USA verglich, promoviert und habilitierte sich 2002 zu Fragen protestantischer Sozialethik am Beispiel der Friedensethik. Zwischenzeitlich arbeitete er als freier Dozent, Publizist und Trainer. Von 2004 bis 2006 absolvierte er das Vikariat in der thüringischen Landeskirche und leitet seit 2006 die Evangelische Akademie Thüringen. Die Kirchen in der DDR bestimmten das theologische Selbstverständnis und ihren Auftrag als „Kirche für andere durch Christus befreit“, analysierten die gesellschaftliche Situation, bemühten sich, ihre Strukturen auf Auftrag und Situation zu beziehen und hielten gegen staatlichen Druck an ihrem Anspruch, Kirche in der Öffentlichkeit zu bleiben, fest. So gelang ihnen eine erfolgreiche theologische Kontextualisierung, so Haspel. Er fordert analoge Fragerichtungen und Klärungen im Blick auf aktuelle Bemühungen, die beschreiben, was eine „Kirche der Freiheit“ im Kontext einer globalisierten, konsumorientierten pluralen Gesellschaft ist und zu tun hat. Akademieleiter Klaus-Dieter Kaiser stammt aus Dresden, studierte dort vier Semester Mathematik und dann Evangelische Theologie am Sprachenkonvikt in Berlin. Er begann mit 8 Texte aus der VELKD Nr. 152 dem Pfarrdienst in einer Ostberliner Stadtrandgemeinde und war von 1990 bis 1996 Generalsekretär der Evangelischen Studentengemeinden in der BRD (Sitz in Berlin). 1996 bis 2004 wirkte er als Oberkirchenrat für theologische Grundsatzfragen und ausgewählte Bereiche der öffentlichen Verantwortung der Kirchen im Kirchenamt der EKD in Hannover. Seit 2004 leitet er die Evangelische Akademie Mecklenburg-Vorpommern in Rostock. Kaiser beleuchtet aktuelle Fragen der Gestaltung von Kirche auf dem Hintergrund der Unterscheidung von Institution und Organisation. Er fragt, welche Strukturen kirchlicher Arbeit und Verfasstheit dem Wesen von Kirche entsprechen und der lebensnahen Verkündigung des Evangeliums dienen. Damit gibt er einen aktuellen Einblick in die theologischen Debatten um den avisierten Zusammenschluss von zwei ostdeutschen und einer westdeutschen Landeskirchen. Rektor Dr. Matthias Rein hat in Halle/Saale von 1985 bis 1990 Evangelische Theologie studiert, wurde dort 1994 promoviert. Er absolvierte in Halle das Vikariat und war im Zeitraum von 1995 bis 2001 Gemeindepfarrer in einer mecklenburgischen Dorfgemeinde. Von 2001 bis 2009 arbeitete er als Studienleiter am Theologischen Studienseminar der VELKD in Pullach bei München und leitet das Studienseminar seit dem 1.8.2009 als Rektor. Er versucht in seinem Beitrag, die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen als Ausdruck verschiedener kultureller Identitäten zu verstehen und von daher nachvollziehbar zu machen. Als anregend und hilfreich erweisen sich dabei neuere Untersuchungen der Kulturanthropologie. Der intensive Austausch im Kurs sowohl zwischen den ost- und westdeutschen Teilnehmer/innen als auch innerhalb der beiden Gruppen über die eigene Geschichte und die aktuellen Aufgaben kirchlichen Handelns führte zu Erträgen, die hier kurz angedeutet werden sollen: Die evangelischen Kirchen in Ost- und Westdeutschland unterscheiden sich im Blick auf das Umfeld ihres Wirkens: Kirche kommt in vielen ostdeutschen Biographien nicht vor, im Westen gehört die Mehrheit der Bevölkerung einer christlichen Kirche an. Aufgabe der Kirchen in beiden Regionen ist, die spezifische Situation der Menschen genau wahrzunehmen und die Evangeliumsverkündigung je konkret zu verorten. Die Kirche muss nahe bei den eigenen Gliedern und zugleich nahe bei den Konfessionslosen sein (Beispiele: biografische Begleitung, Seelsorge, adäquate Gemeinschaftsformen finden, Sprachfähigkeit im Blick auf Glaube und Bibel entwickeln). Dies wird gefördert, indem Pfarrerinnen und Pfarrer phantasievoll und flexibel arbeiten, Zeit für Beziehungsarbeit haben, den Schwerpunkt auf Angebote geistlichen Lebens legen und Gemeinschaft als Ort lebendiger Glaubenserfahrung und Glaubensweitergabe stärken. Profiliert evangelisch sein, als Kirche öffentlich wirken, passende Formen von Gemeindearbeit finden, Glauben neu buchstabieren, neue Finanzierungsformen kirchlicher Arbeit entwickeln, Kirchenmitglied sein ohne Kirchensteuer zu zahlen(?), Kirche als Trägerin von Schulen – in den gegenwärtigen Suchbewegungen zu diesen Themen setzen sich Debatten fort, die in Ost und West vor 1989 wichtig waren. Viele grundlegende Positionen, die in Ost und in West vor 1989 gefunden wurden, haben auch heute orientierende Kraft. Dies zeigte der Kurs eindrücklich. Ich danke den Referenten, die sich gerne auf das Thema einließen und engagierte und weiterführende Beiträge vortrugen. Ich danke besonders Prof. Dr. Krötke für Rat und Begleitung bei der Vorbereitung und Durchführung des Kurses. Pullach, den 17.11.2009 Matthias Rein 9 Texte aus der VELKD Nr. 152 Das Gesicht der evangelischen Kirche in Deutschland 20 Jahre nach der „Wende“ Wahrnehmungen aus östlicher Perspektive Wolf Krötke Vorbemerkung Wie wir ein Gesicht wahrnehmen, ist immer davon abhängig, von welcher Seite wir es anschauen, aber auch, in welchem Lichte es auf uns wirkt und vor welchem Hintergrund wir es anschauen. Man kann ein Gesicht nicht gleichzeitig von allen Seiten und in jedem denkbaren Lichte wahrnehmen. Wer das versucht, dem geht es nicht mehr um ein Gesicht, sondern um so etwas wie ein abstraktes Gesamt- oder um ein bunt-konkretes Panaromabild. Beides hat sein Recht, wenn es um die Rechenschaft darüber geht, wie sich die Evangelische Kirche in Deutschland 20 Jahre nach der „Wende“ oder genauer: fast 20 Jahre nach der deutschen Vereinigung, welche die kirchliche Vereinigung nach sich zog, darstellt. Wenn ich vom „Gesicht“ der Evangelischen Kirche rede, dann geht es mir jedoch nicht um ein derartiges allumfassendes Gesamtbild, das möglichst „objektiv“ sein soll und die Perspektive des Betrachters – so weit das geht – auszublenden hat. Die regelmäßigen EKD-Überblicke mit den vielen Statistiken versuchen das ja auf ihre Weise. Sie sind auch hilfreich, wenn man sich über das vielfältige Erscheinungsbild unserer Kirche auf den vielen und verzweigten Ebenen ihres Daseins informieren will. Unser Gesamtthema „woher wir kommen und wohin wir gehen“ aber ruft eher danach, das Erscheinungsbild unserer Kirche in die Perspektiven zu stellen, in denen es an konkreten Orten, in bestimmten kirchlichen Landschaften und auch im persönlichen Erleben wahrgenommen wurde und wird. In diesem Sinne will ich versuchen, das Gesicht der Evangelischen Kirche in den letzten 20 Jahren, wie es sich an den Orten zeigte und zeigt, an denen ich mich aufgehalten habe und aufhalte, ein wenig zu portraitieren. Es ist ganz klar, dass dem andere Portraits zur Seite treten müssen. Ein Gesicht können wir – wie gesagt – immer nur aus einem bestimmten Blickwinkel und in einem bestimmten Lichte wahrnehmen und es ist gar nicht ausgemacht, dass die Blickwinkel, die ich habe, das wirklich charakteristische Gesicht unserer Kirche erfassen. Alles, was ich zu unserem Thema zu sagen habe, ist darum dringend ergänzungsbedürftig, aber in meinem Sinne für das Portraitieren des Gesichts unserer Kirche auch dringend berücksichtigungsbedürftig. 1. Ein Blick zurück: Freie Theologie – freie Kirche Ich beginne mit einer Perspektive, die bei den Rückblicken dieses Jahres eher nicht oder nur marginal vorzukommen pflegt, tatsächlich aber von eminenter Bedeutung für den 40-jährigen Weg der evangelischen Kirchen in der DDR und danach war. Das ist die Perspektive eines wissenschaftlichen Theologen aus dem Osten Deutschlands. Ich war in der DDR-Zeit ein solcher Theologe; allerdings im Raum der Kirche. Denn die Evangelischen Kirchen sahen sich in dieser Zeit genötigt, nicht weniger als drei Kirchliche Hochschulen zu errichten. Diese Nötigung entstand, weil die sechs Theologischen Fakultäten, die 1970 zu „Sektionen“ wurden, an der sozialistischen Universität einerseits nicht alle aufnahmen, die Theologie studieren wollten. Das waren in der Anfangszeit der DDR z.B. solche Bewerber, die einige Semester an einer westlichen Hochschule studiert hatten. Hinzu gesellten sich Wehrdienstverweigerer und Bausoldaten, politisch oder wegen ihrer Herkunft missliebige, ältere Bewerber, die schon etwas anderes studiert hatten, und eine zeitlang die Absolventen kirchlicher Proseminare, an denen Kinder, die nicht zur Oberschule zugelassen wurden, ein vom Staat nicht anerkanntes kirchliches Abitur ablegen konnten. Andererseits boten die allein unter staatlichen Direktiven 11 Texte aus der VELKD Nr. 152 stehenden Fakultäten bzw. Sektionen nicht mehr die Gewähr, bei der Ausbildung genuin auf den Auftrag der Kirche bezogen zu sein und ein wirklich freies wissenschaftliches Studium zu gewährleisten. Die Kirchlichen Hochschulen haben demgegenüber Standards sowohl im Hinblick auf die kirchliche Funktion wie auf die freie wissenschaftliche Verantwortung der Grundlagen und des Wesens christlichen Glaubens bzw. der kirchlichen Praxis gesetzt, die auch auf die Fakultäten zurückwirkten. Es konnte dort nicht mehr alles gemacht werden, was Partei und Regierung mit den Fakultäten/Sektionen vorhatten, wenn sich die dort stattfindende Theologenausbildung nicht als untauglich für die Kirche erweisen sollte. Denn diese Theologenausbildung stand vom Anfang bis zum Ende der DDR unter einer klaren Direktive von Partei und Regierung. Sie sollte für die Zukunft eine staatstreue Pfarrerschaft heranbilden. Nur weil das die Absicht war, sind Pläne zur Ausgliederung der Theologischen Fakultät aus der sozialistischen Universität immer wieder verworfen worden. Was man sich unter solcher Pfarrerschaft vorzustellen hat, ist in einem Perspektivplan des Staatsekretariats für das Hoch- und Fachschulwesen 10.4.1958 richtungsweisend festgehalten. Als Erziehungsziel wird das Bild eines „neuen Typs von Pfarrern“ bezeichnet. Pfarrer dieses Typs seien solche, „die in der DDR ihr Vaterland sehen, die den Friedenskampf und den Aufbau des Sozialismus in Worten und Taten unterstützen, die aus ihrem christlichen Glauben keine reaktionäre Philosophie und keine antikommunistischen Thesen ableiten, sondern erkennen, dass die von ihrer ‚Heiligen Schrift’ geforderte Nächstenliebe am besten im sozialistischen Humanismus konkretisiert und in der sozialistischen Gesellschaft verwirklicht wird; Pfarrer, die daher weitgehend den proletarischen Klassenstandpunkt einnehmen, die ökonomischen und politischen Ziele der SED bejahen und mit ihren Kräften unter den Christen für diese Ziele wirken; Pfarrer, die das religiöse Opium denjenigen reichen, die seiner noch bedürfen, aber nicht mehr Starke durch dieses Opium zu schwächen versuchen“1. An der Berliner Sektion Theologie, an der dieses Erziehungsziel besonders konsequent zu verwirklichen getrachtet wurde, sind die Grundzüge dieses Bildes eines neuen Typs von Pfarrern in das berüchtigte „Absolventenbild“ eingegangen, das 1970 die ideologische Grundlage der Umwandlung der Fakultät in eine von einem staatlichen Einzelleiter geführte Sektion Theologie wurde. Es klingt in seinem ersten Teil wie die Anweisung für einen FDJFunktionär und in seinem zweiten wie die Karikatur eines Pfarrers.2 Dieses „Absolventenbild“ ist nach ernsten Protesten aus dem Raum der Kirche heraus zwar öffentlich nicht mehr 1 BArch, DR-3, 5595. 2 Es heißt dort: „Der Absolvent der Sektion Theologie fühlt sich mit der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung, der ersten wahrhaft menschlichen Gesellschaftsordnung in der Geschichte, fest verbunden. [...] Er hat erkannt, dass der Imperialismus der erwiesene Feind von Frieden und gesellschaftlichem Fortschritt in unserer Epoche ist. Er hat aus der Geschichte gelernt, dass sich nur die Arbeiterklasse konsequent für Frieden und gesellschaftlichen Fortschritt eingesetzt hat und einsetzt. Von daher ist ihm klar, dass der Sozialismus nur dort verwirklicht wird, wo die Arbeiterklasse im festen Bündnis mit allen Werktätigen durch ihre marxistischleninistische Partei die Gesellschaft führt. [...] Er studiert nach Abschluß seiner Hochschulausbildung intensiv die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Marxismus-Leninismus von der Gesetzmäßigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung, um sich einen begründeten parteilichen Standpunkt in der Klassenauseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus ständig neu erarbeiten zu können. Dies befähigt ihn, seinen Gemeindegliedern [...] auf ihrem Wege in der sozialistischen Menschengemeinschaft zu helfen und dem Mißbrauch von Kirche und Theologie durch die imperialistische Globalstrategie, insbesondere der Verbreitung antikommunistischer Parolen und konvergenztheoretischer Spekulationen wirksam entgegenzutreten. Im gesellschaftlichen Engagement für den Sozialismus wird er seiner Gemeinde ein Beispiel geben.“ Es folgt dann eine Aufzählung von Kenntnissen und Fertigkeiten, die im engeren Sinne zur Theologie und Gemeindearbeit gehören. Das Alles ist freilich zurück bezogen auf die ersten Aussagen und gipfelt in dem schönen Satz: „Vor innerkirchlichen Anfeindungen, die ihn deshalb treffen könnten, schreckt er nicht zurück“ (Zur Geschichte der Theologischen Fakultät Berlin, Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität 7, 1985, 609f.)! 12 Texte aus der VELKD Nr. 152 verbreitet worden, war aber in Geltung und wurde noch im Herbst 1989 vom Direktor für Erziehung und Ausbildung Studienbewerbern zur Unterschrift vorgelegt. Es ist in praxi dann nicht alles so heiß gegessen worden, wie es hier gekocht wurde. Aber es ist ganz unzweifelhaft, dass das Gesicht der evangelischen Kirche bei der Wende völlig anders ausgesehen hätte, wenn die Pfarrerschaft aus jenem „neuen Typ“ bestanden hätte. Neben wahrheitsbewussten Hochschullehrern an den Universitäten ist es den Kirchlichen Hochschulen zu danken, dass es nicht dazu gekommen ist. Sie haben, obwohl sie keine Hochschulrechte hatten und die Organe des Staates bis Mitte der 80er Jahre unablässig Pläne geschmiedet haben, wie ihnen das Lebenslicht auszublasen sei, unter sehr schwierigen Bedingungen für die geistige Freiheit in dieser Kirche gesorgt. Auch das offiziöse Konzept einer „Kirche im Sozialismus“, welches die Kirche in der sozialistischen Gesellschaft beheimaten sollte, hat niemals den freien Spielraum eigenständiger Urteilsbildung in theologischen und gesellschaftlichen Fragen eingeschränkt, der von der Ausbildung an das Gesicht der Kirche in der Breite prägte. Nur so ist es überhaupt erklärlich, dass die evangelische Kirche eine eigenständige, freie geistige Kraft in dieser monistischen Gesellschaft blieb. Nur so ist es auch erklärlich, dass diese Kirche, deren Pfarrerinnen und Pfarrer weitaus überwiegend in der DDR ausgebildet wurden, 1989 zum Zentrum des freien Dialogs und zum Konzentrationspunkt des gesellschaftlichen Wandels werden konnte. 2. Der kirchliche Auftrag in fremder Hand: Die Theologischen Fakultäten Knapp anderthalb Jahre nach dem Herbst 1989 war im Amtsblatt der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg in dürren Worten und ohne Kommentar zu lesen, ich sei aus dem Dienst der Evangelischen Kirche „entlassen“ worden. Viele Freundinnen und Freunde, die seit dem Studium, im Studentenpfarramt in Halle/Saale und am Sprachenkonvikt mit mir in der Kirche unterwegs gewesen sind, waren regelrecht entsetzt, als sie das lasen. Für sie gehörten – fokussiert in meiner Person – „kirchlicher Dienst“ und freie, wissenschaftlich-theologische Ausbildung zusammen. Im Geiste galt das natürlich auch für die Kirchen weiter, die sich die Strukturen und die Gesetzlichkeit der Kirchen des Westens Deutschlands zu eigen gemacht hatten. In der Realität aber galt es nicht mehr. Alle drei Kirchlichen Hochschulen in der DDR wurden sofort und im Eiltempo aufgelöst. Im Grunde kann man sagen: das Ganze in der DDR gewachsene Ausbildungswesen der Kirche wurde beendet. Die Predigerschulen wie das Berliner „Paulinum“, an dem auf dem zweiten Bildungswege in der Weise einer Fachhochschulausbildung Theologie studiert werden konnte, wurden geschlossen. Die Institutionen der katechetischen Ausbildung wurden drastisch minimiert und dem religionspädagogischen Ausbildungstyp, der auf die Schule konzentriert ist, angeglichen. Die kirchliche „Christenlehre“, die es in unterschiedlicher Intensität noch in nicht wenigen Gemeinden gibt, trägt die Zukunft des Berufsstandes der Katechetin und des Katecheten nicht mehr. Die theologische Ausbildung aber hat der Staat an den Theologischen Fakultäten der Universitäten übernommen. Ich wurde mit dem Wechsel an die Universität ein vereidigter Staatsbeamter. Warum die Kirchlichen Hochschulen aufgegeben wurden, ist klar. Sie waren nicht mehr zu finanzieren. Das hat auch zwei westliche Kirchliche Hochschulen betroffen: Die Kirchlichen Hochschulen in Berlin-Zehlendorf und in Bethel. Letztere ist jetzt mit der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal fusioniert. Davon zu erzählen, wie sich die Auflösung der östlichen Kirchlichen Hochschulen damals abgespielt hat und was das für viele verdiente Lehrerinnen und Lehrer der Kirche bedeutete, die es nicht schafften, an die Universität zu kommen, würde hier zu weit führen. Das Ende des Berliner Sprachenkonvikts, des DDR-Ortes meiner theologischen Existenz, ist allerdings insofern erwähnenswert, als das Kollegium hier noch zu Zeiten der ersten frei gewählten DDR-Regierung im Zusammenklang mit der Kirchenleitung 13 Texte aus der VELKD Nr. 152 selbst die Initiative ergriffen und die Fusion der ganzen Hochschule mit der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität in die Wege geleitet hat. Die kirchliche Ausbildung ging in der staatlichen Ausbildung auf. Die Kirche war eine ihrer ureigensten, aber auch teuersten Verpflichtungen los, nämlich selbst für den theologischen Nachwuchs zu sorgen. Was mich damals gewundert hat und zeitweise heute auch noch verwundert, war, dass dieser Vorgang eigentlich auf allen kirchlichen Ebenen quasi als etwas Selbstverständliches angesehen wurde und jedenfalls von keinem irgendwie breiterem Murren begleitet war. Denn die Theologischen Fakultäten gehören ja wie der Religionsunterricht, wie der staatliche Kirchsteuereinzug, die Militärseelsorge und manche andere staatliche Unterstützungen der Kirche im Bereich der Diakonie und der Kulturpflege zu den Staat-Kirche-Kooperationen in der Bundesrepublik, mit denen sich viele in den Kirchen der neuen Bundesländer schwer getan haben und noch immer schwer tun. Von den Problemen mit der Militärseesorge werden wir noch hören. Aber auch der Religionsunterricht ist 20 Jahre nach der Wende noch längst nicht im Bewusstsein der Gemeinden angekommen. Die Unwilligkeit, sich für sein Gedeihen einzusetzen, ist aus Anlass des Berliner Volksbegehrens für den Religionsunterricht als Wahlpflichtfach in einer so nicht erwarteten Breite in den Ostberliner Gemeinden zu Tage getreten. Dieser Unterricht sei Sache der Kirche und nicht des Staates, konnte man hier hören. Er verletze das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche. Eine Kirche, die sich Kampagnen für dererlei Verbandelungen von Staat und Kirche zu eigen mache, sei überhaupt nicht mehr die Kirche, in der man sich zu DDRZeiten zu Hause gefühlt habe. Genau genommen müsste dies alles auch gegen die Theologischen Fakultäten eingewendet werden, wird es in merkwürdiger Inkonsequenz aber nicht. Wenn die Theologischen Fakultäten in Frage gestellt werden, dann geschieht das heute in der Universität von seiten der anderen Wissenschaften bzw. Wissenschaftler und außerhalb der Universität von politischer Seite. In Zeiten der Sparzwänge hat sich das so ausgewirkt, dass das Ausbildungspotenzial der Theologischen Fakultäten durch Sach- und Personaleinsparungen in den letzten 20 Jahren kontinuierlich und drastisch reduziert wurde. Die Erwartung, dass der Staat die Theologischen Fakultäten hegen und pflegen würde, ist heute reiner Illusionismus. Die Kirchen haben, wie es z.B. in Berlin der Fall ist, Mühe, dem Staat in Staatskirchenverträgen gerade einmal ein Minimum der Ausstattung der Theologischen Fakultäten mit Professuren und Stellen für den wissenschaftlichen Nachwuchs abzuhandeln. Auf einem diese Fakultäten tragenden gesellschaftlichen Konsensus können sie sich durchaus nicht mehr ausruhen. Auf der anderen Seite habe ich als Beamter eines demokratischen Staatswesens aber auch eine Erfahrung gemacht, die mich das spezifische ostdeutsche und da und dort auch westdeutsche Ressentiment gegen das Übernehmen kirchlicher Aufgaben durch den Staat nicht teilen lässt. Dieses Ressentiment nährt sich ja aus der Befürchtung, die Kirche würde sich dadurch von der Macht oder von Machtinteressen des Staates abhängig machen. Mehr oder weniger schimmert dort, wo es lebendig ist, auch das Ideal einer Freikirche durch, die allein aus den Möglichkeiten und damit auch aus den Mitteln lebt, die ihr das Evangelium und der Glaube durch die Existenz der Gemeinden erschließen. Dieses Kirchenideal war in der DDR durchaus verbreitet, obwohl die Kirchen auch hier Staatszahlungen und erhebliche Unterstützung aus dem Westen erhalten haben. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass die sog. Trennung von Staat und Kirche, die keinen Rechtsrahmen für die Beziehungen von Staat und Kirche hatte, gerade den diktatorischen Staat nicht gehindert hat, zu versuchen, kräftig in die Kirche hinein zu regieren. Die mehr oder weniger grauen Kooperationen mit Teilen der Kirche, die dabei entstanden, sind uns nach der Wende kräftig genug auf die Füße gefallen und haben den guten Ruf, den sich die Kirche bei der „friedlichen Revolution“ erworben hat, ziemlich beschädigt. Die Rechtsstellung, welche eine Theologische Fakultät in unserer Demokratie hat, aber gewährleistet eines vollständig. Das ist die Freiheit des Lehrens und Forschens im kirchlichen 14 Texte aus der VELKD Nr. 152 Interesse. Sie wird auch dadurch nicht aufgehoben, dass den Fakultäten im Zuge des sog. Bolognaprozesses verschulte Studiengänge aufgedrängt wurden, die nicht für das Pfarramt qualifizieren. In die Inhalte der Lehre aber hat mir an der Universität nie jemand hinein geredet. Ich habe – wenn auch auf einem Niveau der „Ausstattung“, von dem wir in der DDR nicht einmal zu träumen gewagt hatten – genauso weiter gemacht, wie am Sprachenkonvikt. Wenn der Staat bei seinen Kooperationen mit der Kirche diese Freiheit garantiert, dann ist m.E. nichts dagegen einzuwenden, dass Kirche die Möglichkeiten nutzt, die er ihr einräumt. Sie kann die ererbte Struktur einer über das ganze Land verbreiteten Institution auch sonst überhaupt nur aufrechterhalten, indem sie derartige Möglichkeiten nicht nur im Hinblick auf die theologische Ausbildung in Anspruch nimmt. Gefährdet wird ihre Freiheit nur dann, wenn sich z.B. die Theologie selbst in die Abhängigkeit etwa von wissenschaftlichen, aber auch gesellschaftlichen Interessen begibt, welche ihre Bezogenheit auf den Auftrag der Kirche ruiniert. Doch selbst, wenn diese Bezogenheit und sogar Verbundenheit da ist, wird immer wieder auch spürbar, dass man sich in der Universität an einem Ort außerhalb der Kirche befindet, an dem einem die Institution Kirche auch mit einem befremdlichen Gesicht begegnet. Dass z.B. die Generation der Studierenden, die wir vom Sprachenkonvikt mit an die Theologische Fakultät genommen haben, im Zuge des Stellenkürzungsprozesses beinahe gänzlich nicht in den Vorbereitungsdienst übernommen wurde, war bitter. Es bleibt bitter, wenn ihnen heute erklärt wird, unterdessen seien sie zu alt. Hier hat diese Kirche ein phantasieloses, bürokratisches Gesicht gezeigt, das wir so in der DDR nicht kannten. Man schickt Menschen an einen Ort, an den sie eigentlich nicht wollten und lässt sie dann fallen. Ein ganzes Potenzial an theologischer Kompetenz und existenziell verwurzelter Bereitschaft, in den Dienst der Kirche zu treten, ist so nicht nur im Osten, sondern in ganz Deutschland verloren gegangen. An der Universität aber hat man mit Recht gefragt, ob es sinnvoll ist, der Kirche die Ausbildungsarbeit abzunehmen, wenn die Ausgebildeten ohne Berufschancen in der Kirche sind. Natürlich hat sich das auch bei den Interessenten für das Theologiestudium herum gesprochen. Die Bewerberzahlen gingen durch kirchliches Verschulden erheblich zurück. Unterdessen aber wird angesichts eines in Zukunft zu erwarteten Personalloches mit Hochglanzbroschüren wieder Werbung für dieses Studium gemacht. Diese nicht gerade mit Weitblick gesegnete Zukunftsgestaltung der Institution Kirche aber ist nur ein Indiz für eine gewisse Hilflosigkeit angesichts einer viel weiter reichenden Problematik, vor der vor allem die Kirchen im Osten Deutschlands stehen. 3. Die „Volkskirche“ und der „Massenatheismus“ Der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR hat sich mit Dietrich Bonhoeffers Wort programmatisch eine „Kirche für Andere“ genannt. Doch das hat für das strukturelle Erscheinungsbild der in diesem Bund vereinigten Kirchen eigentlich gar keine Konsequenzen gehabt – schon gar nicht die, welche Dietrich Bonhoeffer vorschwebten. Niemand hat ernstlich erwogen, allen Besitz der Kirche an die Armen zu verschenken, allein von den „freiwilligen Gaben“ der Gemeinde zu leben und den Pfarrberuf in der Freizeit anzusiedeln, die neben einem weltlichen Beruf bleibt. Diese Formel wurde – wie übrigens auch im sog. EKDImpulspapier von 2006 „Kirche der Freiheit“– im abgeschwächten Sinne einer Richtungsangabe des Daseins der Kirche für die Menschen in dieser Gesellschaft verwendet. Das war für die DDR-Gewaltigen provozierend genug. Denn es bedeutete: kirchliche Einmischung in die gesellschaftlichen Verhältnisse. Es wurde aber in der DDR kein neues Kirchenmodell gegenüber der ererbten Gestalt der Landeskirchen und des Parochialprinzips entwickelt. Die Kirche blieb eine über das ganze Land verbreitete Institution. Ja, sie blieb sogar eine „Volkskirche“, obwohl 15 Texte aus der VELKD Nr. 152 deren Ende vom Cottbusser Generalsuperintendenten Günther Jacob in den sechziger Jahren in Orwellscher Prophetie für das Jahr 1984 prognostiziert worden war. Jacob hatte damit, was den Vollsinn des Begriffs „Volkskirche“ betrifft, sicherlich nicht einfach Unrecht. Eine „Volkskirche“, der noch nicht einmal ein Viertel des Volkes angehört, verdient diesen Namen im Grunde nicht. Das institutionelle Gerüst der kirchlichen Präsenz bei allem Volk klapperte darum gewaltig und tut das bis heute. Nicht Recht hatte er dagegen in einer anderen Hinsicht. Für die Kirchen in der DDR blieb auch auf dem dramatisch zusammen geschrumpftem Niveau der Zahl ihrer Mitglieder ein Wesensmerkmal der Volkskirche charakteristisch, nämlich ein kleiner engagierter Kern und darum herum die Meisten, die nur locker, unverbindlich und passiv dazu gehörten. Die manchmal geäußerte Vermutung, unter DDR-Bedingungen würde die Kirche mit den wahrhaft Glaubenden und Bekennenden identisch sein, traf und trifft nicht zu. Die Kirche hat sich nicht „gesund geschrumpft“. Zwar erforderte es zur DDR-Zeit durchaus ein gewisses Maß an Zivilcourage, auch in lockerer Weise der Kirche anzugehören. Kirchenzugehörigkeit konnte auch bei geringer Anteilnahme am Leben der Gemeinden heißen, auf Lebenschancen und das Nutzen von Begabungen zu verzichten und vielen unberechenbaren Benachteiligungen und Schikanen des ideologisierten Machtstaates ausgesetzt zu sein. Dass die Courage, dennoch Glied der Kirche zu bleiben, sich aber bei Allen aus einem lebendigen Glauben im eigentlichen Sinne speiste, wird man nicht sagen können. Es waren auch hier Gründe der Gewohnheit, der Tradition, der Kultur im Spiele, die den Menschen aber immerhin so wertvoll waren, dass sie jene Courage aufbrachten. Im Ganzen aber zeigte sich und zeigt sich bis heute, dass in Hinblick auf die Teilnahme der Kirchenmitglieder am Gottesdienst, am Leben der Gemeinde und am Engagement für die Kirche prozentual betrachtet ungefähr die gleichen Verhältnisse anzutreffen sind, wie im übrigen Deutschland auch. Die Vergleichbarkeit der Kirchen in Ost und West war außerdem durch die rechtliche Verfassung der Kirchen in der DDR gegeben. Sie trug die Merkmale einer Körperschaft des öffentlichen Rechts wie das Erheben von Kirchensteuern, das Beamtenrecht oder die eigene Gerichtsbarkeit. Deshalb passte bei der rechtlichen Vereinigung der Kirchen von Ost und West strukturell auch Vieles zusammen. Die Idee einer völlig anders verfassten „Ostkirche“ erwies sich dagegen angesichts der Evidenz der aus der Weimarer Zeit durchgehaltenen Kirchenverfassung als nicht tragfähig. Zwar wäre damals durchaus die Chance gewesen, einiges anders zu regeln, als es dann geschah, wie z.B. die Angleichung der Pfarrgehälter an die Beamtenbesoldung der Bundesrepublik und die nur zu beklagende geringe Veranschlagung der Bedeutung der „Christenlehre“ gegenüber dem Religionsunterricht. Aber 1990 war bei der rechtlichen Vereinigung der Kirchen von West und Ost zweifellos die Erwartung im Spiele, dass sich die Menschen nach dem Zusammenbruch einer vierzigjährigen atheistischen Weltanschauungsdiktatur wieder den Kirchen zuwenden und ihr eine starke Basis geben würden. Doch diese Erwartung trog. Der Osten Deutschlands ist ein religiös dürres Land geworden. Selbst Sekten fassen hier keinen Fuß, wie anfänglich befürchtet. Während sich die sogenannten „Errungenschaften des Sozialismus“ im Eiltempo verflüchtigt haben, ist eine besondere Art von Atheismus des überwiegenden Teils der Bevölkerung seine gewissermaßen erfolgreichste Hinterlassenheit. Er hat ein gesellschaftliches Klima geschaffen, in dem das Leben ohne die Kirche und ohne den Glauben zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Der größte Teil der Bevölkerung hat sich auf die Dauer an das Leben ohne den Glauben an Gott und damit ohne die christliche Kirche einfach gewöhnt. In Ostberlin gehören 10 % der Bevölkerung der evangelischen Kirche an; in manchen Stadtteilen sind es so gar unter 5 %. Diese Gewöhnung hat im geistigen Haushalt der Menschen zu einem tief greifenden Traditionsabbruch der christlichen Überlieferungen und Lebensorientierungen und zur Entfremdung von den kulturellen Prägungen der Gesellschaft durch das Christentum geführt. 16 Texte aus der VELKD Nr. 152 Christlicher Glaube oder christliche Frömmigkeit kommen in den Familien nicht mehr vor. Schon die Großeltern, vielleicht sogar die Urgroßeltern, waren nicht in der Kirche; die Nachbarn, Freunde und Arbeitskollegen sind es auch nicht. So ist ein hartwandiges gesellschaftliches Milieu entstanden, das Alles, was ausdrücklich mit „Religion“ zu tun hat, von sich abweist. Dieses Milieu regeneriert sich über den Umbruch der Gesellschaft vor 20 Jahren hinweg beständig selbst. Unterstützt wird das bei der heranwachsenden Generation heute in nicht geringem Maße durch die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen, von denen die große Mehrheit nach der „Wende“ weitermachen konnte. Sie sind aus alter Gewohnheit selbstverständlich Trägerinnen und Träger atheistischer Überzeugungen. Das Urteil z.B., dass Religion „unwissenschaftlich“ sei und einer vergangenen Zeit angehöre, findet hier immer neue Belebung. Lehrer und Eltern sind weitaus überwiegend der Meinung, dass „Religion“ nicht an die Schule gehört. Es wäre jedoch verkehrt, angesichts des Widerstandes, der sich hier gegen die Bildungsaufgabe der Kirchen im öffentlichen Raum zeigt, die Glaubensferne der konfessionslosen Bevölkerung mit einer kämpferischen Wendung gegen den Glauben gleichzusetzen. So etwas gibt es auch, z.B. bei einigen alten SED-Kadern in der Linkspartei und im „humanistischen Verband“. Vom Freiheits- und Emanzipationspathos des europäischen Atheismus ist der Gewohnheitsatheismus als Massenerscheinung, von dem wir hier reden, jedoch ziemlich weit entfernt. Dergleichen treffen wir heute eher weiter westlich an, wie z.B. jetzt gerade bei den sogenannten „neuen Atheisten“ oder „brights“, welche über die Verderblichkeit von Religion und Gottesglaube aufklären wollen. Die atheistische Konfessionslosigkeit im Osten Deutschlands aber hat im Ganzen keine Aufklärungsinteressen. Sie zeichnet sich vielmehr durch eine gänzliche Gleichgültigkeit gegenüber dem Gottesglauben aus. Die Menschen machen sich nicht mehr die Mühe, an die Frage der Widerlegung des Gottesglaubens oder die Begründung des Atheismus noch irgendwelchen Schweiß zu verschwenden. Für sie ist der Glaube an Gott unter die Schwelle der Konfliktfähigkeit gesunken. Charakteristisch ist die Äußerung von Jugendlichen bei einer Befragung auf dem Leipziger Hauptbahnhof. Auf die Frage, ob sie sich „eher christlich oder eher atheistisch“ verstehen, haben sie geantwortet: „Weder noch, normal halt“.3 Angesichts dessen kann in den neuen Bundesländern schwerlich von einer „Wiederkehr der Religion“ die Rede sein. Jenes Impulspapier setzt darauf ja ziemliche Hoffnungen. Gleich zu Beginn heißt es: „Die gesellschaftliche Situation ist günstig“.4 „Es wird neu nach Gott gefragt. Religiöse Themen ziehen hohe Aufmerksamkeit auf sich. [...] Eine in den zurückliegenden Jahrzehnten verbreitete Gleichgültigkeit gegenüber den im christlichen Glauben gegebenen Grundlagen des persönlichen wie des gemeinsamen Lebens weicht (!) einem neuen Interesse für tragfähige Grundeinstellungen und verlässliche Orientierungen“. In einer Münchener Dogmatik können wir sogar lesen, der „Gewohnheitsatheismus“ komme nur noch in „Rudimenten“ vor. Das ist für den Osten Deutschland schlicht falsch und befördert einen religiösen Illusionismus, der sich um das massenhafte atheistische Umfeld der Kirche kaum schert. In „Kirche der Freiheit“ kommt noch nicht einmal das Wort „Atheismus“ vor. Ich dagegen scheue mich nicht, zu sagen, dass die geschilderte Art von Gottesgleichgültigkeit die Herausforderung schlechthin für eine Kirche ist, die sich entschieden hat, in der überkommenden Struktur und Organisationsform mit allen Äußerlichkeiten, die daran hängen, Kirche für das ganze Land, für die Menschen an allen Orten und nicht nur für einen bestimmten Personenkreis zu sein. Was ist nötig, um die Nebelwand des atheistischen Milieus, die schwerlich „religiös“ grundiert ist, zu lichten? 3 Vgl. Monika Wohlrab-Sahr, Religionslosigkeit als Thema der Religionssoziologie, Pastoraltheologie 90 (2000), 152. 4 Kirche der Freiheit. Perspektiven für die Evangelische Kirche im 21. Jahrhundert. Ein Impulspapier der EKD, Hannover 2006, 14. 17 Texte aus der VELKD Nr. 152 4. Missionarische Kirche? Summa summarum muss für die vergangenen 20 Jahre gelten, dass sich die Kirchen und Gemeinden im Osten Deutschlands – alle leuchtenden Ausnahmen sofort zugegeben! – mehr mit sich selbst als mit der Frage beschäftigt haben, wie den nichtglaubenden Menschen außerhalb der Kirche der Glaube nahe zu bringen ist. In gewisser Weise war das auch unvermeidlich. Gegenüber den kirchlichen DDR-Verhältnissen mussten Strukturen und Organisationsformen der Dienste der Kirche gefunden werden, die bezahlbar waren. Das Personal aller hauptamtlichen Dienste wurde, wie wir uns schon am Geschick des theologischen Nachwuchses in jenen Jahren klar gemacht haben, deshalb drastisch reduziert. Ganze Arbeitsbereiche wurden eingestellt oder erheblich gekappt, ohne dass dadurch finanzielle Selbstständigkeit erreicht wurde. Der überaus dankenswerte sog. „Finanzausgleich“ durch die westlichen Kirchen bleibt unentbehrlich, obwohl die Spendenbereitschaft in den Gemeinden beachtlich ist, das Kirchgeld neben der Kirchensteuer eine wichtige Einnahmequelle bildet und mit der Gründung von Vereinen nicht nur zur Kirchgebäudeerhaltung, sondern auch zur Förderung von Gemeinden neue Finanzierungsmöglichkeiten erschlossen werden. Es macht sich bei alledem leider immer noch bemerkbar, dass sozial starke Schichten in den Kirchen der neuen Bundesländer unterrepräsentiert sind. Denn eine ganze Palette von Berufen in Politik, Justiz, Wirtschaft, Wissenschaft und Ausbildung (um von Militär und Polizei zu schweigen) konnte von Christinnen und Christen in der DDR nicht wahrgenommen werden. Kinder christlicher Eltern kamen nur vereinzelt in den Genuss, die Oberschule besuchen zu können. Im Bildungssystem selbst waren nur sehr wenige Glieder der Kirche tätig. In der Wirtschaft, jedenfalls auf den höheren Ebenen, hatten sie keine Chance zum Aufstieg. Das dadurch geschaffene soziale Erscheinungsbild der Kirchenmitgliedschaft ändert sich durch Zuzug und die Wahrnahme beruflicher Chancen durch Christinnen und Christen da und dort – vor allem in den Städten – zwar langsam. Dieser Zuzug kommt dort, wo er bemerkbar ist, auch auf erfreuliche Weise dem Leben der Gemeinde zugute. Ihm steht auf der anderen Seite neben den negativen Effekten der demographischen Entwicklung in ganz Deutschland aber die anhaltende Abwanderung von jungen und leistungsfähigen Menschen in Richtung Westen entgegen, unter denen die Gemeinden nicht nur in den wirtschaftlich schwächsten Regionen des Ostens auch sonst zu leiden haben. Was also ist angesichts dessen zu tun? Die Kirchen in den neuen Bundesländern haben, in den letzten beiden Jahrzehnten auf die entstandene Lage mit Großraumstrategien der Organisation ihrer Dienste, zu reagieren versucht. D.h. sie kompensierten und kompensieren die schwache Basis der Gemeindewirklichkeit in der Gesellschaft durch ihre Vergrößerung bzw. Ausweitung der Dienstbereiche. „Fusionierungen“ von alleine nicht mehr lebensfähigen Gemeinden fanden in Fülle statt. „Fusionierung“ von Kirchenkreisen und sogar Landeskirchen ist auch sonst der Ausweg, mit dem die Kirchen die Realität ihrer schwachen Basis im Einzelnen in eine Stärke im Ganzen zu verwandeln versuchen. Was jenes Impulspapier für die nächsten 30 Jahre prognostiziert, hat im Osten schon angefangen. Doch so sinnvoll das auf dieser institutionellen Ebene auch sein mag, so problematisch stellt sich die Großraumstrategie der Zusammenlegung von Parochien auf die Dauer an der Basis dar. Die Gemeinden müssen viel größer sein als in der DDR-Zeit, um eine Pfarrstelle zu tragen. Teilweise sind Gemeinden entstanden, die zur DDR-Zeit flächenmäßig fast einen ganzen Kirchenkreis ausmachten. Die hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber – nicht nur die Pfarrerinnen und Pfarrer – , die sich anderen Menschen zuwenden können, aber werden immer weniger. Eine ähnliche Entwicklung gibt es ja in ganz Deutschland. Aber im Osten vollzieht sie sich auf einem Niveau, das den Auftrag der Kirche im Hinblick auf alle Menschen in diesem Lande tangiert. Vielerorts kann gerade so das Nötige getan werden, um das Leben der Gemeinde aufrecht zu erhalten. Besonders in ländlichen Gegenden, die noch 18 Texte aus der VELKD Nr. 152 dazu besonders mit der erwähnten kontinuierlichen Abwanderung gestraft sind, kommt es faktisch schon zur Entstehung von weißen Flecken auf der kirchlichen Landkarte. Schwerpunktbildung und Konzentration des kirchlichen Dienstes an bestimmten Orten ist im Zuge der Regionalisierung der Parochien unvermeidlich. Das aber reicht nicht, um in einem zu 75 % entchristlichten Lande Menschen, denen Gott nichts bedeutet, den Glauben an Gott wieder nahe zu bringen. Die von vielen Seiten in Kirche und Theologie mit Recht erhobene Forderung, wir müssten im atheistischen Umfeld eine missionarische Kirche sein, wird von anderer Seite darum auch mit einem gewissen Recht als neuer Illusionismus im Gewande abstrakt-theologischer Richtigkeit kritisiert. So wie die Gemeinden und Kirchen im Osten Deutschlands das Erbe einer für alle Menschen gedachten Kirchenstruktur verwalten und gestalten, bindet es die Kräfte zur Selbsterhaltung. Mission aber bedeutet seit den Zeiten der Urchristenheit, dass die Verkündigung Gottes durch das Gehen der Apostel der Christenheit zu den Nichtglaubenden geschieht, dass die Christenheit in ihrer Lebenswelt einwohnt. Genau das müsste angesichts der dickwandigen Atmosphäre der spezifischen Religionslosigkeit des Ostens geschehen. Denn von außen lässt sich diese Atmosphäre nicht behämmern und weich klopfen, auch nicht mit religiöser Medienbeschallung. Das prallt ab. Der religiöse Pluralismus unserer Gesellschaft, der natürlich auch im Osten angekommen ist, bewirkt hier keinesfalls, was seine Theoretiker sich davon versprechen, nämlich einen breiten Aufschwung des individualisierten Glaubens und eine Kulturliebhaberei des sog. Christentums. Darum ist das Christentumsmodell Dietrich Rösslers, welchem das Impulspapier der EKD ekklesiale Bedeutsamkeit zuspricht, auch nicht geeignet, der Zukunft der Kirche in der geschilderten Situation den Weg zu weisen. Es rechnet nämlich mit dreierlei Art „Christentum“, einem „kirchlichen“, einem „öffentlichen“ in „kulturellen Zusammenhängen“ und einem „individualisierten Christentum“ in „privater Frömmigkeit“. Für die zwei Drittel Kultur- und Privatchristen ohne Gemeindebindung bildet nach dieser Anschauung die Gesamtkirche das Dach, unter dem sie sich als Christen fühlen können. Um das letzte, kirchliche Drittel kümmern sich dagegen die Gemeinden mit ihren „Kernkompetenzen“. Es ist nach dem, was wir uns über die lockere Kirchenzugehörigkeit auch im Osten klar gemacht haben, sicherlich nicht zu bestreiten, dass es in schmaler Weise ein sog. öffentliches und privates Christentum auch hier gibt. Hinzu kommt ein Hof von Menschen, die das Kulturangebot der Kirche durchaus zu schätzen wissen oder eine gewisse, religiös angetörnte Sympathie mit der Ethik des Christentums hegen. Der Unterschied zur westlichen Situation besteht nur darin, dass solche Menschen nicht Glieder der Kirche sind und auch nicht beabsichtigen, es aufgrund dieses ihres Sympathisierens zu werden. Die Distanziertheit zur Kirche ist hier nicht unfreundlich, wie denn dem Gewohnheitsatheismus des Ostens – bis auf einige der erwähnten Erscheinungen offenkundiger Verstocktheit – überhaupt das GiftigAggressive fehlt. Aber man möchte von größerer Verbindlichkeit der persönlichen Beziehung zur Kirche entschieden nichts wissen. Diese Art partieller Sympathie für die Kulturseite der Kirche oder für ein vages religiöses Flottieren als solches programmatisch zu befördern, hieße darum, die „Konfessionslosigkeit“ zu bestärken. Wenn es wirklich zu einem zahlenmäßigen Wachstum der Kirchen der durch den „real existierenden Sozialismus“ schwer angeschlagenen Kirchen Deutschlands kommen soll, dann wird der Schwerpunkt des Dienstes der Kirche einseitig auf der Aufbauung der Gemeinden liegen müssen, die mit dem Angebot der Taufe auf eine verbindliche Kirchenzugehörigkeit zielen. 5. Minderheit mit Zukunft Nach Lage der Dinge und nach menschlichem Ermessen wird es in absehbarer Zeit im Osten Deutschlands keinen „Megatrend“ der Hinwendung der atheistisch-konfessionslosen 19 Texte aus der VELKD Nr. 152 Bevölkerung zum Glauben und zur Kirche geben. Wir müssen damit rechnen, dass für ganze Generationen dieser konfessionslosen Bevölkerung das Leben ohne Glaube und Kirche endgültig ist. Ob es auch für künftige Generation beim verfestigten Klima oder Milieu der atheistischen Konfessionslosigkeit bleibt, kann man allerdings fragen. Denn dieser Konfessionslosigkeit, die sich vor allem in Gleichgültigkeit gegenüber Glaube und Kirche äußert, ist keine geistige oder kulturelle Kraft zur Zukunftsgestaltung eigen. Sie ist ja als solche nur eine Negation. Sie braucht ethische und kulturelle Anleihen von anderswo, um sich als zukunftsorientiert empfehlen zu können. Man kann das gut an der religiösen Ersatzhandlung der weiterhin florierenden Jugendweihe erkennen. Das ist ein patchwork ohne Mitte. Die Kraft zur Selbstorganisation des Atheismus, wie es die Minigruppe des humanistischen Verbandes, die sich zur Sprecherin aller Konfessionslosen macht, gerne möchte, aber hat sie nicht. Die atheistische Konfessionslosigkeit zeigt in all ihrer Milieuverschlossenheit ein diffuses Gesicht. Demgegenüber repräsentiert die Minderheit der christlichen Gemeinden immer noch ein beachtliches religiöses, geistiges und kulturelles Potenzial mit einem Vorsprung an gesammelter menschlicher Erfahrung mit Tiefgang, der schon heute gar nicht zu unterschätzen ist. Dieses Land sähe völlig anders aus, wenn es die Kirche nicht gäbe. In diesem Sinne hat das östliche Impulspapier von 1995 mit der Überschrift „Minderheit mit Zukunft“ nicht nur den Glaubenssatz wiederholt, quod una sancta ecclesia perpetuo mansura sit. Es hat auch im Hinblick auf die faktische Situation deutlich gemacht, dass für die Kirche kein Grund zur Resignation besteht. Sie hat die lebenskräftigere Substanz in ihren Gliedern und den längeren Atem für die Zukunft, als der Glaube an Nichts oder irgendeine Ersatzreligiosität. Mit diesem Vertrauen kann und wird sie versuchen, über die Phase der Selbsterhaltung hinauszukommen und jetzt schon beginnen, Schwerpunkte zu setzen, die dem Vertrautmachen mit dem Glauben an Gott in der atheistisch-konfessionslosen Bevölkerung des Ostens Deutschlands dienlich sind. Ich kann jetzt unmöglich einen Überblick geben, was in dieser Hinsicht landauf-landab in den Gemeinden und den aus ihnen hervorgehenden Initiativen wie z.B. der Gründung und dem Ausbau christlicher Schulen und Kindergärten alles Gutes, Phantasievolles und Neues geschieht, um die Menschen auf die Kirche aufmerksam zu machen, Berührungsängste abzubauen und den christlichen Glauben in die Gesellschaft hinein ausstrahlen zu lassen. Wir haben darüber hinaus allen Grund, dankbar zu sein, was alles in den letzten Jahren geschaffen wurde, um den Gemeinden auch äußerlich ein einladendes Gesicht zu geben. Ein bestimmter muffiger Geruch verschwindet immer mehr aus den Gemeindehäusern, Pfarrhäusern und Kirchen. Drei Schwerpunkte, die auf dem Hintergrund der Geschichte von 40 Jahren DDR nach meiner Meinung aber noch viel mehr Aufmerksamkeit verdienen, möchte ich aber abschließend unterstreichen. 1) Die Tatsache, dass der kirchliche Auftrag alleine durch die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – vor allem durch die Pfarrerinnen und Pfarrer – alleine nicht mehr erfüllt werden kann, hat zur verstärkten Beförderung des sog. „Ehrenamtes“ in der Kirche geführt. Es ist auch ganz erfreulich, wie viele Gemeindeglieder dazu bereit sind. Ich habe mir erzählen lassen, dass sich in manchen Gegenden die Prädikanten regelrecht drängeln müssen, um zum Einsatz zu kommen. Wir sollten aber im Bewusstsein halten, dass „Ehrenamt“ eigentlich eine Kategorie aus dem Vereinswesen ist und dem internen Florieren des Vereins dient. Die reformatorische Grundeinsicht vom „Priestertum aller Glaubenden“ aber bedeutet, dass alle Glaubenden sich für die Verkündigung des Evangeliums verantwortlich wissen und in der Lage sind, ihren Glauben in ihrer Lebenswelt, die sie mit Nichtglaubenden teilen, zu artikulieren und darzustellen. Weil es an dieser Fähigkeit mangelte, genügte in der DDR schon verhältnismäßig geringer Druck von Seiten des Staates, um die Kirchengliedschaft fahren zu lassen. Die Gemeinden sollten deshalb alles daran setzen, ein Verständnis des Christseins zu befördern, zu dem das Eintreten für den Glauben außerhalb des kirchlichen Raums in der Berufs-, Freizeit- und Privatwelt fundamental hinzu gehört. Es ist im Osten Deutschlands 20 Texte aus der VELKD Nr. 152 wesentlich, dass der Glaube auf diese Weise an den Orten des Lebensvollzuges der kirchenfernen Menschen vorkommt. Schon bei der Taufe, bei Christenlehre und Konfirmandenunterricht und möglichst auch im Religionsunterricht sollte zu diesem aktiven Verständnis des Christseins ermutigt und befähigt werden. Der lässig-passive Nutznießer eines religiösen Angebots der institutionalisierten Kirche bringt die Kirchen in den neuen Bundesländern dagegen nicht voran. 2) Die Erwähnung der Kinder- und Jugendarbeit, zu der die Elternarbeit und die Arbeit mit jungen Erwachsenen gehört, ist in diesem Zusammenhang nicht zufällig. Sie wird angesichts der geschilderten Situation geradezu logisch der Schwerpunkt des Dienstes der Kirche vor Ort sein. Im Blick auf die konfessionslose Bevölkerung in ihrer Breite gilt mein häufig zitierter Satz: Die Menschen sind der Kirche zwar massenhaft verloren gegangen, sie werden aber nur alle einzeln wieder gewonnen. Das ist mühselig genug und dauert in langwierigen persönlichen Begegnungen lange. Es kann sein, dass es erst die Kinder und Kindeskinder der heutigen Konfessionslosen sein werden, denen sich der lebenstragende Sinn des christlichen Glaubens erschließt. Schon heute ist es in Ostberlin durchaus nicht unüblich, dass nahezu die Hälfte einer Konfirmandengruppe Eltern hat, die nicht in der Kirche sind, und die erst getauft werden müssen. Freundinnen und Freunde bringen sie mit, so dass die Kinder dann diejenigen sind, welche das, was Glaube und Kirche für sie bedeutet, in das atheistisch-konfessionslose Milieu hineintragen. Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen muss deshalb noch viel intensiver und breiter das erlebbare Wesen des christlichen Glaubens vermittelt werden, als das nach meiner Beobachtung heute der Fall ist. Hier zu sparen, wie z.B. bei den Studentengemeinden, ist eigentlich durch nichts zu rechtfertigen. Denn im Hinblick auf die heranwachsende Generation besteht die Chance, noch einmal in Breite und ohne den Ballast von Vorurteilen und schlechten Erfahrungen mit der Stärke der christlichen Botschaft Kirche anzufangen, nämlich dass Gott in seiner Menschlichkeit all das zum Leben erweckt, was uns wahrhaft menschlich sein lässt; um es kurz zu sagen: Den Glauben an seine göttliche Klarheit, die Hoffnung auf seine Zukunft und die Liebe zu unseren Mitmenschen. 3) Um das zusammenzuhalten – Gott und das wahrhaft Menschliche – bedarf es der geistlichen und geistigen Konzentration unserer Kirche. Der religiöse Pluralismus unserer Gesellschaft lädt auch die östlichen Gemeinden in Deutschland zum Herumprobieren mit mancherlei Annäherungen an Transzendentes, Mysteriöses, Esoterisches, Sinngebendes, Erhebendes usw. ein. Das ist nicht schlechthin zu negieren, weil die Entdeckung, dass wir Menschen mehr sind als das, worüber wir verfügen, der Wahrheit des Glaubens zu assistieren vermag. Diese Entdeckung kann aber ebenso in einen Urwald voller religiöser Schlingpflanzen führen, die der Stimme des Evangeliums die Luft abdrücken. Man denke nur an die von vielen begrüßten Vorschläge meines ehemaligen Berliner Kollegen Klaus Peter Jörns, den Kanon der Bibel als Grundlage der christlichen Botschaft durch ein Konglomerat von religiösen Texten aus allen Religionen zu ersetzen, das Verständnis des Menschen als Gottes Ebenbild zu beseitigen, den Glauben an Gott als Person aufzugeben und dem naturreligiösen Heidentum wieder Raum zu verschaffen. Man denke aber auch an fundamentalistische Gegenbewegungen dazu und das Befördern einer ekstatischen Frömmigkeit, die unmittelbare Berührungen mit Gott verspricht. Das alles und noch viel mehr kommt in den Gemeinden des Ostens auch vor. Und es lockt, weil es Erfolg verspricht. Hier einen klaren Blick für das Mögliche und das nicht gut Mögliche zu behalten, ist in gewisser Weise schwieriger, als es im Gegenüber zu einer monistischen Weltanschauung in der DDR war. In jedem Fall erfordert es die Fähigkeit in der Kirche auf allen Ebenen, die Wahrheit des christlichen Glaubens kritisch und im Hinblick auf die eigene religiöse Praxis selbstkritisch zu verantworten. Damit komme ich wieder an den Anfang meines Vortrages zurück. Diese Fähigkeit und Willigkeit zur theologischen Verantwortung unserer Praxis ist angesichts der 21 Texte aus der VELKD Nr. 152 Fülle der Aufgaben, vor denen die Menschen im Dienste der Kirche stehen, – gelinde gesagt – in den Jahren nach 1989 nicht gewachsen. Wenn ich daran denke, wie einem in der DDR-Zeit theologische Bücher, die durch die Mauer gelangten, geradezu aus der Hand gerissen wurden, dann stimmt das Desinteresse an der Theologie, das sich heute vielerorts ausgebreitet hat, schon bedenklich. Denn es ist nicht gut, dass wir uns gerade in der von mir skizzierten schwierigen Situation in unseren alltäglichen, schwierigen Dienst gewissermaßen verstricken und vergraben. Die Theologie ist da kein Wundermittel. Sie kann weder Glaube, Liebe, Hoffnung noch das geistliche Leben ersetzen. Aber sie hilft der Kirche, die geistige Spannkraft zu behalten, die sie braucht, um ihrem großen Auftrag treu zu bleiben. 22 Texte aus der VELKD Nr. 152 HOFFNUNGEN – BEFANGENHEITEN – KLÄRUNGEN Anmerkungen zum Weg der evangelischen Kirche seit 1989 Bischof em. Dr. Hartmut Löwe Tage und Wochen, manchmal sind es auch Jahre, verlaufen im Gleichmaß. Die Wasser fließen ruhig dahin. Es scheint kaum Veränderungen zu geben. Plötzlich aber ist alles anders geworden. Aus Flüssen werden reißende Ströme. Das Land steht unter Wasser. Wohin es fließen will, ist noch nicht klar zu erkennen. Sicher ist nur: In das alte Bett kehrt es nicht wieder zurück. Die Geschichte nimmt einen Verlauf, den niemand erwartet hatte. 1. Die Zeit des öffentlichen Ansehens der evangelischen Kirche: Von der Öffnung der Mauer bis zur März-Wahl der Volkskammer 1.1 Am 9. November 1989 war die Synode der EKD im badischen Bad Krozingen am äußersten südwestlichen Zipfel Deutschlands versammelt. Die Schweiz ist nahe, das Elsaß. Da reicht einer einen Zettel auf den Tisch des Präsidiums. Die Tagesordnung wird unterbrochen durch die Mitteilung: „Die Mauer trennt die Menschen nicht mehr. In Berlin herrscht Reisefreiheit zwischen dem östlichen und westlichen Teil der Stadt. Anträge und Genehmigungen sind überflüssig geworden. Es werden Freudenfeste gefeiert. Das Volk tanzt auf dem Kurfürstendamm.“ Die Reaktionen im Saal bleiben verhalten. Einige klatschen, aber Begeisterung kommt nicht auf. Die meisten begreifen noch nicht, was sie eben gehört haben. „Was sollen wir nun dazu sagen?“ fragen sich die Synodalen mit dem Apostel Paulus. Verwundert. Ratlos. Sprachlos. Der Ratsvorsitzende, Bischof Kruse, tritt ans Rednerpult. Er versucht in Worte zu fassen, was gerade gemeldet worden ist. Zum Abschluss bittet er die Synode zu singen: „Erhalt uns in der Wahrheit, / gib ewigliche Freiheit, / zu preisen deinen Namen / durch Jesus Christus. Amen.“ (EG 320,8; damals EKG 227,8) Früher hätte man das im Gesangbuch nächste Lied gesungen: „Nun danket alle Gott / mit Herzen, Mund und Händen, / der große Dinge tut / an uns und allen Enden ...“ (EG 321 = EKG 228). Oder: „Großer Gott, wir loben dich; / Herr, wir preisen deine Stärke. / Vor dir neigt die Erde sich / und bewundert deine Werke ...“ (EG 331 = EKG 449). Aber man will besonnen reagieren. Aus der inzwischen aufgekommenen Freude sollen keine Begeisterungsstürme werden. Nationaler Taumel – nur das nicht. Wir sind gebrannte Kinder. Der Pressesprecher des Bundes – Gast der Synode, er sitzt neben mir – sagt: „Ihr habt gewonnen.“ Ich frage zurück: „Wie meinen Sie das?“, begreife nicht, was er da gesagt hat. Viel später erst habe ich es verstanden. Bischof Kruse verlässt die Synode. Der West-Berliner Bischof und Vorsitzende des Rates der EKD fliegt nach Berlin. Ich denke: Er wird sich wohl mit dem Ost-Berliner Bischof Forck treffen. Und mit dem Vorsitzenden des BEK/DDR, Landesbischof Leich aus Eisenach. Hoffentlich bringt das Fernsehen bald Bilder von ihnen. Und zu den Bildern vielleicht folgende Sätze: Der Spuk ist vorüber. Die Berlin-Brandenburgische Kirche ist nicht mehr geteilt. Das 1969 erzwungene Ausscheiden der östlichen Gliedkirchen aus der gemeinsamen EKD ist zu Ende. Was das alles rechtlich und organisatorisch heißt, wissen wir jetzt noch nicht. Das wird sich ergeben. Heute ist nur dieses wichtig: Wir gehören wieder zusammen in BerlinBrandenburg und in der EKD. Noch ein Händedruck. Das war´s. Aber das war es eben nicht. Zu der erhofften Szene ist es nicht gekommen. Die Synode setzt ihre Beratungen fort. 23 Texte aus der VELKD Nr. 152 1.2 Zwei Monate später, für den 15.-17. Januar 1990, ist eine Konsultation vereinbart worden zwischen Vertretern der EKD und des BEKDDR. Es soll Bilanz gezogen werden über die seit Jahren miteinander geführten Gespräche. Der Termin stand fest, lange bevor die Weltgeschichte einen solchen Sprung machte. Als im niedersächsischen Loccum die Bischöfe Leich und Demke, Hempel, Schönherr, Kruse, Hirschler, von Keler, (Präses) Linnemann mit den Präsides der Synoden Gaebler und Schmude, dazu Vertreter der Amtsstellen zusammen kommen, ist allen klar: Wir können jetzt nicht Bilanz ziehen und zurückblicken. Wir müssen die Zukunft in den Blick nehmen: Was bedeuten die offenen Grenzen für unsere beiden Kirchen(bünde)? Was soll werden aus den zwei deutschen Staaten auf deutschem Boden? Nach intensiven, nur selten kontroversen Gesprächen wird eine Erklärung verabschiedet. Zwei Vertreter aus dem Osten enthalten sich, keiner aus der ersten Reihe. Alle anderen sind sich einig geworden: „In unseren kirchlichen Verfassungen haben wir uns zu der „besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland“ bekannt. Diese besondere Gemeinschaft wurde jahrzehntelang in zahllosen Verbindungen gelebt. Damit wurde der kirchliche Zusammenhalt gewahrt und das Verlangen nach weiterer Gemeinschaft gestärkt. So hat sich diese Gemeinschaft als kräftige Klammer zwischen den Menschen im geteilten Deutschland erwiesen. Das hat sich politisch ausgewirkt. Das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit der Deutschen in beiden Staaten ist für die Kirchen eine wichtige Grundlage ihres gemeinsamen Wirkens. Wir haben dieses Gefühl gestärkt, wir empfinden es selbst. Wir wollen, dass die beiden deutschen Staaten zusammenwachsen ... Während der langen Trennungszeit haben sich die Verhältnisse in beiden deutschen Staaten unterschiedlich entwickelt. Unsere Interessen und Überzeugungen stimmen nicht immer überein. Das muss berücksichtigt werden ... Die besondere Gemeinschaft der evangelischen Christenheit in Deutschland ist trotz der Spaltung des Landes und der organisatorischen Trennung der Kirche lebendig geblieben. Wie sich auch die politische Entwicklung künftig gestalten mag, wir wollen der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland auch organisatorisch angemessene Gestalt in einer Kirche geben. Mit den während der Zeit der Trennung gewachsenen Erfahrungen und Unterschieden wollen wir sorgsam umgehen ... ... Wir empfehlen, nun eine gemeinsame Kommission der evangelischen Kirchen in beiden deutschen Staaten zu bilden. Sie soll gemeinsame Aufgaben benennen, weitere Schritte der Zusammenführung beraten und dazu Vorschläge machen.“ (Text nach : Kirchliches Jahrbuch 1990/1991, 1995, S. 184) Das Echo der Öffentlichkeit auf diese Erklärung ist enorm. Der Text wird in vielen Zeitungen vollständig abgedruckt und gründlich kommentiert. Die evangelische Kirche befindet sich nicht wie so oft in der Nachhut. Sie formuliert, was an der Zeit ist, politisch und kirchlich. Die Leute merken auf. Man hatte das der evangelischen Kirche nicht zugetraut. Aber es gibt auch Widerspruch, vor allem innerkirchlich. Der emeritierte Bonner Dogmatiker Prof. Dr. Walter Kreck sieht die Erklärung „in der Tradition eines deutsch-christlichen Denkens.“ Er vergleicht sie mit der Parole von 1933 „Ein Volk, ein Reich, eine Kirche“. Die Fraktionssprecherin der Grünen im Bundestag, Antje Vollmer, ehemalige westfälische Pastorin, bescheinigt der Loccumer Zusammenkunft eine vom Zeitgeist diktierte „opportunistische Haltung“, die keine geistige Unabhängigkeit bekunde und die Gründung des DDRKirchenbundes von 1969 in Frage stelle. 1.3 In den letzten Januar-Tagen, sind wie alle zwei Jahre, die Leitungen der West- und OstKirchenbünde mit den Leitenden Geistlichen vor den Toren Berlins im Kloster Lehnin versammelt. Nachdem Landesbischof Leich die Zusammenkunft eröffnet hat, meldet sich die 24 Texte aus der VELKD Nr. 152 Frau des Magdeburger Bischofs Demke zu Wort. Ihre „Herrenrede“ wird zur Philippika. Sie komme sich vor wie ein armes Bauernmädchen, das ein reicher Mann zur Ehe begehre – ein aparter Vergleich bei einer Frau, die selbst aus dem Adel kommt. Das arme Bauernmädchen brauche Bedenkzeit, es lasse sich weder blenden noch übertölpeln. Die Versammlung nimmt die Rede mit einigem Befremden auf. Es werden die innerkirchlichen Widerstände sichtbar, die durch die Loccumer Erklärung ausgelöst worden sind. Zehn Tage später liegt eine „Berliner Erklärung von Christen aus beiden deutschen Staaten“ auf dem Tisch (9. Februar). Ulrich Duchrow, Konrad Raiser, Heino Falcke, Joachim Garstecki (katholischer Konfession, aber gleichwohl Referent für Friedensfragen beim BEK) sind die Initiatoren. Sie werben um Zustimmung durch Unterschriften, veranstalten so etwas wie ein Volksbegehren. Die Einmütigkeit der in Loccum Versammelten trifft auf einen gemeinsamen west-östlichen Widerspruch; die Wortführer kommen aus dem Westen. Der Streit um ein neues Miteinander in einer wiedervereinigten EKD bringt ältere, vor allem politische und kirchenpolitische Gegensätze an den Tag, die mehr noch im Westen als im Osten zuhause waren und in der Genfer Ökumene ein Sammelbecken gefunden hatten. Aus der Ablehnung der westdeutschen Demokratie mit ihrer Gottseibeiuns-Wirtschaftsform des Kapitalismus folgte dabei nicht die Zustimmung zu dem im Ostblock gegebenen Sozialismus. Aber Präferenzen für einen anderen, einen besseren Sozialismus verbanden diese Ökumeniker. Sie suchten einen dritten Weg; der sollte sozialistisch sein. Die Autoren bemängelten, „dass die Loccumer Erklärung in der deutsch-deutschen Öffentlichkeit nicht das Signal setze, das jetzt an der Zeit ist und von unseren Kirchen ausgehen muss.“ Anstelle einer Beförderung von schnellen Einheitserwartungen müsse die besondere Gemeinschaft der evangelischen Kirche in Ost und West „sich umgekehrt bewähren im stellvertretenden Aushalten der noch bestehenden Trennungen um des Zusammenwachsens in Frieden und Gerechtigkeit willen.“ Auf solch eine Idee muss man erst einmal kommen! Niemand kann sie den Leuten auf der Straße plausibel machen. Kopfgeburten sind das, ihre Urheber leben meilenweit entfernt vom Denken ideologisch nicht korrumpierter Normalbürger. Ulrich Duchrow und seine Freunde beschworen gegen „das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit der Deutschen in beiden Staaten“ als einer problematischen nationalen Größe den „eigenen Weg, den die Kirchen in der DDR gegangen sind. Diese sind bewusst einen Weg in der sozialistischen Gesellschaft der DDR gegangen. Sie haben versucht, in der Trennung vom Staat eine glaubwürdige Gestalt von Kirche zu entwickeln (nicht staatlich eingezogene Kirchensteuer, sondern freiwillige Beiträge der Gemeindeglieder; Christenlehre in der Verantwortung der Gemeinde, kein Religionsunterricht in staatlichen Schulen; Seelsorge an Wehrpflichtigen, aber keine „Militärseelsorge“). Sie haben aus der Minderheitssituation im Gegenüber zum Staat politische Verantwortung wahrgenommen. Sie haben sich bemüht, die historische Kluft zwischen Kirchen und kommunistischer Bewegung in „kritischer Solidarität“ zu überbrücken.“ (KJ 188-193) Der Aufruf „Für unser Land“ vom 26. November 1989, mit dem große Teile der intellektuellen Eliten der alten DDR, übrigens auch einige evangelische Kirchenleute, ihren Staat als sozialistische Alternative zur Bundesrepublik hatten retten wollen, bekam eine kirchliche Entsprechung. Es zeigte sich, dass in der evangelischen Christenheit im Osten wie im Westen eine trotz aller konkreten Erfahrungen nicht enttäuschte Sozialismussehnsucht lebendig, die Ablehnung von zwei deutschen Staaten, die nach 1949 alle verband, geschwunden, die Westbindung der Bundesrepublik Deutschland nicht allgemein akzeptiert waren – „in Rom gezeugt, in Washington zur Welt gekommen“ hatte Martin Niemöller den Bastard genannt. Die traurige Minorisierung der Christen in der Gesellschaft der DDR erhielt überraschenderweise eine positive Wertung gegenüber einer volkskirchlich hohen Mitgliedschaft. Die vom Staat verordnete Trennung von Staat und Kirche mit der Verbannung der rechtlosen, der Willkür des Staates ausgelieferten Kirche in Nischen der Gesellschaft galt als 25 Texte aus der VELKD Nr. 152 Vorzug gegenüber einer ebenfalls vom Staat unabhängigen, aber in Verträgen auf Kooperation mit ihm angelegten Kirche. Der in der öffentlichen Schule als allgemeiner Bildungsauftrag wahrgenommene Religionsunterricht erhielt negative Zensuren gegenüber einer auf nur geringe Teile der Heranwachsenden beschränkten Einführung in das Leben mit der Kirche. Die christliche Mitverantwortung gegenüber der sensiblen Institution von Streitkräften wurde reduziert auf die Seelsorge an den Christen unter den wehrpflichtigen Soldaten; die Streitkräfte insgesamt kamen nicht oder nur kritisch in den Blick. Wenn man schon seinen Missmut gegen die Praxis der vom Staat hilfsweise eingezogenen Kirchensteuer ausdrücken wollte und zugunsten des freiwilligen Beitrags des einzelnen Christen plädierte, hätte man sich wenigstens ehrlicherweise eingestehen müssen, in den zurückliegenden Jahrzehnten in den östlichen Kirchen nur aufgrund der beträchtlichen, vom westlichen Kirchensteuerzahler bereitgestellten Mitteln zahlungsfähig geblieben zu sein, gewiss unterschiedlich – Sachsen, das am wenigsten gegen das westliche System der Kirchensteuer einzuwenden hatte, hatte den normalen kirchlichen Haushalt auch in der Zeit der DDR aus eigenen Mitteln bestritten, andere Kirchen waren bis zur Hälfte ihrer Etats und darüber hinaus auf Gelder aus der EKD angewiesen gewesen. Hier wiederholte sich, was manche Ökumeniker auch im Blick auf Genf in ein seltsames Licht stellte: Sie traten ein für freiwillige Kirchenbeiträge, verlangten aber gleichzeitig von der EKD, die ohnehin den Haushalt des ÖRK zu 50% bestritt, ein immer größeres finanzielles Engagement. Alle Themen, die später das Zusammenführen von Kirchenbund und EKD anstrengend machten, sind in der Berliner Erklärung bereits aufgeführt. Die Verteidigung der dort genannten Errungenschaften war freilich, ich wiederhole das der Klarheit wegen, nicht einfach die Position der östlichen Kirchen. Es gab dafür Anwälte auf beiden Seiten, besonders hartnäckig bei dem ideologisch hochbesetzten Thema Militärseelsorge. Wie schon einmal nach 1945 rangen zwei Flügel des Protestantismus miteinander. Die Nachfahren der damals Unterlegenen sahen jetzt eine Chance, doch noch mit ihren Vorstellungen zum Zuge zu kommen. Natürlich gab es Befangenheiten gegen eine schnelle Vereinigung, die Gewicht hatten. Ein kleinerer Partner ist leicht in der schwächeren Position. Man wollte sich der gerade erst gewonnenen Freiheit freuen und nicht in neue Abhängigkeiten geraten. Das eigene, wenn auch beengte Leben darf gegenüber Lebensentwürfen größeren Zuschnitts nicht gering geachtet werden. Wenn man auch bisherige Horizonte überschreiten möchte, so wecken gleichwohl unbegrenzt erscheinende Möglichkeiten Besorgnisse, ja Ängste: Bin ich ihnen gewachsen? Werde ich die richtige Wahl treffen? Solche Befangenheiten konnten niemanden verwundern. 1.4 In Loccum gemeinsame Ziele zu verabreden, war nicht schwierig gewesen. Die Probleme begannen bei ihrer Verwirklichung. Der Rat der EKD äußerte zwar Bedenken zum Verfahren. Die in Loccum nicht dabei gewesen waren und die Beschlüsse aus der Zeitung erfahren hatten, fühlten sich überfahren. Die Absichten jedoch fanden einhellige Zustimmung. Dagegen griff die Synode des Bundes die in der Berliner Erklärung geäußerten Bedenken auf und düpierte den Vorsitzenden der Konferenz der Kirchenleitungen des BEK: Niemand habe die in Loccum Versammelten zu ihren Vorschlägen ermächtigt. Man hätte gefälligst die Tagung der Synode des Kirchenbundes abwarten sollen, die doch schon für den 23. Februar anberaumt war. Man übersah, welch lange Spanne vier Wochen in Zeiten sind, in denen sich die Ereignisse überschlagen. Revolutionäre Phasen werfen die üblichen Zeitvorstellungen über den Haufen. Bürokratien kommen da mit ihren Einsprüchen immer zu spät. Schließlich war Loccum keine beliebig zusammengesetzte Konferenz gewesen. Es lag damals nicht nur nahe, es war unerlässlich, gegenüber der Öffentlichkeit zu sagen, welche Absichten man verfolgte. Die BEK-Synode verlangte, sich Zeit zu lassen, zunächst in Ruhe die Situation zu klären, nicht sogleich bestimmte Ziele anzusteuern. Das Gefühl der Überforderung, der Wunsch nach Ruhe wurde von vielen geteilt; auch von manchen, die gegen Loccum prinzipiell nichts einzuwenden 26 Texte aus der VELKD Nr. 152 hatten. Also erklärte die Synode: „Wir werden sorgfältig die Angemessenheit unserer einzelnen Schritte prüfen. Wir wollen uns die Zeit lassen, die anstehenden Entscheidungen, die Sache unserer Synoden sind, sorgsam miteinander zu beraten.“ (KJ 200) Das klang nicht schlecht, war aber illusionär. Denn was es nicht gab, was keiner sich selbst und den anderen geben konnte, das war – Zeit. Wer sich nicht abhängen lassen, wer einigermaßen Herr des Verfahrens bleiben wollte, musste dort dabei sein, wo die Weichen gestellt wurden. Jetzt hätte man noch Veränderungen verlangen, sogar Bedingungen stellen können – etwa den Wegfall der konfessionellen Bünde zugunsten einer Stärkung der gemeinsamen Kirche – später war das zu spät. Denn das war ja zweifellos eine Errungenschaft des DDR-Kirchenbundes: die Verschlankung der Strukturen, ein realistischer und schonender Umgang mit den personellen Ressourcen, eine Konzentration auf die inhaltlichen Aufgaben. Das alles ist dann erst 15 Jahre später unter viel schwierigeren Bedingungen und mit nur halbherzigen Lösungen nachgeholt worden. Mit dem Wunsch nach Bedachtsamkeit, dem Plädoyer für eine Entschleunigung, hatte man sich auch von der Bevölkerung weit entfernt. Es war ja keineswegs so, dass der Westen – dafür hat man besonders den bei Kirchenleuten nicht beliebten Bundeskanzler verantwortlich gemacht – auf eine schnelle Einheit drängte. Dort dachte man zunächst an eine Föderation der beiden deutschen Staaten. Was das Volk aber wollte, zeigte sich bei den Wahlen zur Volkskammer am 18. März. Es gab denen seine Stimme, bei denen es sein Verlangen nach einem raschen Ende der DDR am besten aufgehoben sah. Fragt man, wie es geschehen konnte, dass die anfangs mit Lob und Anerkennung geradezu überschüttete evangelische Kirche -– „Kirche, wir danken dir“ stand auf den Plakaten – so schnell ins Abseits geriet, so gibt es sicher vielfältige Gründe. Ein entscheidender ist m.E. das Zögern der Kirche im Blick auf eine neue staatliche Einheit. Die Absicht, die kirchliche Einheit zu verlangsamen, war ja nur der Anschauungsunterricht dafür. Anfang Februar noch war der Evangelische Arbeitskreis der CSU Mittelfranken an den Vorsitzenden der CDU/CSUBundestagsfraktion herangetreten mit der Empfehlung, den evangelischen Kirchenbund der DDR für die Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis vorzuschlagen. Vier Wochen später schon erschien eine solche Idee eher kurios. Vor der Öffnung der Grenzen und dem Fall der Mauer konnte man die evangelische Kirche in der DDR in der Tat als Sprachrohr der Sorgen, Hoffnungen und Wünsche des überwiegenden Teils der Bevölkerung ansehen. Jetzt war es mit dieser Stellvertreterrolle vorbei. Besonders deutlich wurde das noch einmal im Zusammenhang mit der Währungsunion am 1. Juli. Dem Berliner Konsistorialpräsidenten Manfred Stolpe, der im „Spiegel“ von einer „zwiespältigen Situation“ sprach, fiel sein Interviewer ins Wort: „So richtig traurig klingt das nicht, dass die DDR am Ende ist und nach 40 Jahren zugrunde geht.“ (KJ 213) Dabei gehörte Stolpe zu der in verantwortlichen Positionen der Kirche seltenen Spezies mit realpolitischem Instinkt. Bischof Demke aus Magdeburg meinte etwas grämlich, die künftige Ordnung in Mitteleuropa dürfe sich nicht auf der Schwäche der Schwachen aufbauen. Wer denn wollte das? Und weiter: Im Blick auf die Währungsunion stünden den Menschen harte Monate und Jahre bevor. (ebd.) Das war alles nicht einfach verkehrt. Aber es war gleichwohl der völlig falsche Ton. Die Kirchenleute hatten Mühe, ihrer Freude über die Entwicklung Ausdruck zu geben. Sie formulierten sehr viel besser Bedenken und Hemmnisse und Sorgen als Zustimmung zum beschrittenen Weg und seinen neuen Chancen. Aus der Not der Abwanderung des Bürgertums aus der DDR und ihren Kirchen zusammen mit marxistischen Vorhaltungen gegen das reaktionäre Bürgertum war ein antibürgerlicher Affekt entstanden, der Missbrauch des Nationalen hatte blind gemacht für die auch für Christen wichtig gebliebenen Größen Volk und Nation, das Engagement in der Friedensfrage hatte den Blick für sicherheitspolitische Notwendigkeiten verstellt. Wenn Alexander Mitscherlich bei den Deutschen im Blick auf ihren Umgang mit der Vergangenheit eine „Unfähigkeit zu trauern“ diagnostiziert hatte, so 27 Texte aus der VELKD Nr. 152 korrespondierte dieser häufig nach 1989 im Blick auf die Zukunft eine seltsame „Unfähigkeit, sich zu freuen“. 2. Rückkehr in den Alltag, oder: Nach dem herausragenden Ansehen der evangelischen Kirche. Von der Berufung der Gemeinsamen Kommission von EKD und BEK zum Vollzug der kirchlichen Einheit. 2.1 Die in Loccum vorgeschlagene Gemeinsame Kommission aus EKD und BEK war bis zum März gebildet worden. Jede Seite entsandte aus den Kirchenleitungen und den Synoden acht Mitglieder. Dazu kamen noch die Chefs der Amtsstellen und, zusätzlich, der Bevollmächtigte der EKD in Bonn. Anstelle von Vorsitzenden gab es „Sprecher“: Landesbischof Dr. Johannes Hempel für den BEK, Präses Dr. Jürgen Schmude für die EKD. In der Folgezeit fanden auch Zusammenkünfte der Präsidien beider Synoden und der Leitungen statt, dazu wechselseitige Teilnahme an den Sitzungen der Partner. Die neue Einheit der EKD ist jedoch im wesentlichen von der Gemeinsamen Kommission vorbereitet worden. Liest man heute die in der 1. Sitzung vom 27.-30. Mai zusammengestellten „Empfehlungen“, so wundert man sich über die lange Auflistung wichtiger und zweitrangiger Aufgaben. Der Eindruck täuscht nicht: Die lange Liste der Themen sollte eine zu schnelle Einheit verhindern. In der Tat wollte man sich drei Jahre Zeit lassen. Die Atmosphäre war anfangs gespannt, entkrampfte sich aber bald. Schließlich kannten sich die, die hier zusammensaßen, seit vielen Jahren. Sie hatten in schwierigen Zeiten viel vorangebracht, vor allem finanzielle Hilfen besorgt und verteilt. Den Auftakt bildeten komplizierte Verfassungsdebatten. Die Vertreter des BEK wollten auf keinen Fall unmittelbar an die Zeit vor der Trennung – also vor 1969 – anknüpfen. Sie verlangten anstatt der von ihnen 1948 in Eisenach mit beschlossenen, eine neue Grundordnung. Sie dachten an eine Föderation der beiden Kirchenbünde. Der BEK sollte also erhalten bleiben, vielleicht der EKD-Verfassung inkorporiert werden. Nicht nur der BEK, auch die EKD müsse sich verändern. Die andere Seite gab zu bedenken: Solche Absichten verlangten nicht nur sehr viel Zeit, vor allem sei der Ausgang ungewiss. Schließlich sei man schon einmal auf jeder Seite mit neuen Verfassungsvorhaben gescheitert. Alles, was jenseits der Paktierungsgrenze läge, verlange Zweidrittelmehrheiten in allen 24 Synoden. Da könne leicht ein Unglück geschehen. Allmählich kehrte Realismus ein. Östliche Landeskirchen gaben zu verstehen: Dauere das alles zu lange, schließe man sich eben ohne die anderen wieder der EKD an. So wurde deutlich, dass während der Zeit der DDR der BEK zweifellos ein wichtiges Instrument gewesen war: Zur einheitlichen Vertretung der föderativ verfassten kirchlichen Landschaft gegenüber einem zentralistischen Staat, zur Wahrnehmung weltweiter ökumenischer Verbindungen, zur Absprache gemeinsamer Vorhaben. Jetzt aber hatte der Bund seine Aufgaben erfüllt, man brauchte ihn nicht mehr. Die Gliedkirchen gingen wieder ihre eigenen Wege. Manche waren erschrocken, zumal die, die für den Bund gearbeitet hatten, verbanden mit ihm Emotionen. Institutionen jedoch wollen nüchtern gesehen werden. Fallen ihre Funktionen weg, hat der Mohr seine Schuldigkeit getan. Er kann gehen. 2.2 Die Einheitsdebatte bekam eine neue Wendung, als der Tübinger Kirchenrechtler Prof. Dr. Martin Heckel am 31. August ein Gutachten vorlegte: „Die Vereinigung der evangelischen Kirchen in Deutschland“. (die erweiterte Fassung erschien 1990 als Buch in der Reihe Ius Ecclesiasticum als Nr. 40) Für Heckel stellte sich der Sachverhalt juristisch einfach und klar dar: Die Mitgliedschaft der östlichen Gliedkirchen in der EKD hat niemals aufgehört, sondern lediglich geruht. Denn der Rat der EKD habe weder 1969 noch danach die östlichen Gliedkirchen aus ihrer Zugehörigkeit zur EKD entlassen, sondern nur die Feststellung getroffen, 28 Texte aus der VELKD Nr. 152 dass die östlichen Mitglieder gehindert seien, in den gemeinsamen Gremien ihre Funktionen auszuüben. Im übrigen habe er die Gründung des BEK zur Kenntnis genommen und respektiert, sich aber niemals förmlich und rechtserheblich zu ihm verhalten. Ein Sturm der Entrüstung brach los. Der BEK sei durchaus nicht bloß vom DDR-Staat erzwungen worden. Er sei viel mehr als eine Notlösung gewesen etc. etc. Aber die 20 Jahre später geäußerten Absichten und vermuteten Motive – schon 1969 waren sie in Thüringen und Sachsen, aber auch bei verschiedenen Personen derselben Kirche durchaus unterschiedlich gewesen – zählten nicht gegenüber den juristischen Fakten und der nüchternen Expertise von Heckel. Sie kam zudem dem Wunsch einiger östlicher Landeskirchen nach einer baldigen Lösung der Probleme entgegen. Als schließlich Mitglieder des Rechtsausschusses der EKDSynode aufgrund des Heckel-Gutachtens einen Gesetzestext für die Synoden Ost und West zur Wiederherstellung der Einheit der EKD formulierten, war der Weg vorgezeichnet. Einigen östlichen Mitgliedern in der Gemeinsamen Kommission fiel die Zustimmung nicht leicht, aber andere zustimmungsfähige Vorschläge konnten sie auch nicht machen. Eine wichtige Änderung der Grundordnung gab es. In Artikel 1 wurde die durch die Leuenberger Konkordie erreichte Abendmahlsgemeinschaft zwischen lutherischen, reformierten und unierten Kirchen aufgenommen. 1948 war die fehlende Abendmahlsgemeinschaft das entscheidende Hindernis, die EKD eindeutig als Bundeskirche zu konstituieren. So schwankte sie zwischen Kirche und Kirchenbund. 2.3 Die Verständigung über den staatlichen Einzug der Kirchensteuer und über den Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen gelang leichter als erwartet. Die Militärseelsorge dagegen wurde zum Zankapfel. Bereits in der 1. Sitzung der Gemeinsamen Kommission am 30. Mai war das Kirchenamt der EKD beauftragt worden zu prüfen, „wie verhindert wird, dass nach einem Beitritt nach Artikel 23 GG die Militärseelsorge auch für die Kirchen des Bundes wirksam wird.“ (KJ 253) Die Argumente wiederholten sich, es gelang kein Fortschritt in der Sache, so dass die Gemeinsame Kommission am 12. September ein „Votum betr. Militärseelsorge“ abgab: „Die GK akzeptiert den einmütigen Wunsch der Kirchen des BEK, auch aufgrund ihrer geschichtlichen Erfahrung den Auftrag zur Seelsorge an Soldaten in eigener Verantwortung wahrzunehmen und dafür eigene Formen zu entwickeln. Den Militärseelsorgevertrag wollen diese Kirchen nicht in Anspruch nehmen. Die GK bittet den Rat der EKD, die Gliedkirchen des BEK bei der Verwirklichung ihrer Vorstellungen auch dadurch zu unterstützen, dass der Bevollmächtigte darüber unter Mitwirkung des BEK mit der Bundesregierung verhandelt. Die grundsätzliche Aussprache über Gestaltung und eventuelle Veränderungen der Militärseelsorge soll nach der Zusammenführung der Kirchen weitergeführt werden.“ (KJ 264) Während die katholische Kirche unmittelbar nach dem 3. Oktober 1990 ihre Militärseelsorge auf das Gebiet der östlichen Bundesländer ausdehnte, suchten die östlichen evangelischen Kirchen einen eigenen Weg. Der Militärseelsorgevertrag von 1957 war für sie zum Symbol einer EKD geworden, die sich von ihren östlichen Gliedkirchen abgewendet und diese ihrem Schicksal überlassen hatte. Denn der DDR-Staat hatte mit dem Hinweis auf die durch den Militärseelsorgevertrag gegebene Allianz von EKD und NATO von den evangelischen Kirchen in der DDR die Aufkündigung der Gemeinschaft mit der EKD verlangt. Die kirchlichen Positionen in der Friedensfrage besonders seit den 70er Jahren und die faktische Distanz zu allem Militärischen – es gab in der NVA keine Offiziere, die Mitglieder einer Kirche waren und in kirchlichen Gremien mitarbeiteten – machten die Existenz eines zwischen Staat und Kirche abgeschlossenen Militärseelsorgevertrags und die Präsenz der Kirche in den Streitkräften immer mehr zum Problem. Manche jungen Gemeindeglieder absolvierten zwar den von ihnen 29 Texte aus der VELKD Nr. 152 geforderten Wehrdienst in der NVA. Das verurteilte man nicht. Aber als das „deutlichere Zeichen“ galt der Dienst ohne Waffe, im Osten bei den Bausoldaten, also immer noch im militärischen Bereich, im Westen getrennt von ihm als Zivildienst. Seelsorge an einzelnen Wehrpflichtigen, sofern sie den Gemeindepfarrer aufsuchten, hatte es in der DDR gegeben. Jetzt war sie ohne Behinderung sogar auf militärischem Gelände möglich. Dafür wurden auch Pfarrer beauftragt oder sogar freigestellt. Gegen förmliche Vereinbarungen mit dem Staat hatte man keine Einwendungen. Aber der Status eines staatlichen Beamten für den in den Streitkräften tätigen Pfarrer und eine dem Verteidigungsministerium nachgeordnete staatliche Behörde als Verwaltungsstelle lehnte man strikt ab. Die Praxis ökumenischer Partner, bei denen die Pfarrer als Soldaten sehr viel stärker in das Militär eingebunden waren, wurde gar nicht zur Kenntnis genommen. Schon gar nicht die Wege, die man in Polen und Ungarn ging; dort fand man ohne Skrupel Anschluss an die Üblichkeiten vor 1945 und orientierte sich an der amerikanischen Armee. Es wurde ein langer und mühsamer Weg bis zu einer einheitlichen Seelsorge an Soldaten. Kommissionen arbeiteten, Synoden debattierten, Verhandlungen mit dem Staat wurden erbeten. Der Bundeskanzler jedoch sah keine Veranlassung, den Militärseelsorgevertrag für die westliche EKD zu ändern. Es war ja auch niemand in der Lage, über Einschränkungen der kirchlichen Freiheit Klagen vorzubringen; immerhin lagen Erfahrungen aus 35 Jahren vor. Der Staat war aber bereit, für die östlichen Kirchen eine befristete besondere Vereinbarung zu treffen. Vieles war nicht nur für die Vertreter des Staates schwer zu begreifen. Während der Gespräche über die besondere „Rahmenvereinbarung Ost“ zum Beispiel beanstandete ein aus BerlinBrandenburg entsandtes Kommissionsmitglied die vorgesehene Erstattung der Personal- und Sachkosten durch den Staat. Als der Staatssekretär nachfragte, ob man denn die Pfarrer selbst bezahlen könne und wolle, und der Angesprochene antwortete, nein, das Geld habe man nicht, mussten die Teilnehmer des Gesprächs tief durchatmen. Der Staat stimmte zu, die in den neuen Bundesländern tätig werdenden Pfarrer nicht in das Beamtenverhältnis aufzunehmen und sie nicht dem Kirchenamt für die Bundeswehr zu unterstellen. Der Militärbischof sollte die Klammer sein für die nach dem Vertrag und nach der Vereinbarung tätigen Pfarrer. Die bis zum 31.12.2003 befristete Rahmenvereinbarung schuf die Möglichkeit, die Praxis der Militärseelsorge kennen zu lernen und eigene Erfahrungen zu sammeln. Pfarrer, die gewonnen werden konnten, ließen sich zunächst meist skeptisch auf ihre Aufgaben in der Bundeswehr ein. Bald aber nahmen sie die Gelegenheiten zur Seelsorge, zur Präsenz in der Bundeswehr gerne und dankbar wahr. Das Misstrauen gegenüber dem Militärseelsorgevertrag baute sich ab. Nach einiger Zeit trugen sie ihren Kirchenleitungen vor, keine Einwände gegen die Übernahme des Vertrags auch für den Bereich der östlichen Kirchen zu haben. Er sichere ihre Unabhängigkeit und ihre Wirkungsmöglichkeiten besser als die Rahmenvereinbarung. Neben der Zeit, die ins Land gegangen war, und den jetzt auch von der Bundeswehr geforderten Auslandseinsätzen waren die Voten der eigenen Pfarrer die größte Hilfe, zum 1.01.2004 den Militärseelsorgevertrag auf die östlichen Gliedkirchen der EKD auszudehnen. Einige Änderungen, die ausgehandelt worden waren, betrafen nicht die Substanz der Abmachungen von 1957; sie waren Anpassungen an inzwischen sinnvolle Veränderungen. Die neue Einheit der EKD wurde von den Synoden des BEK und der EKD am 24.02.1991 mit Wirkung vom 26.06. beschlossen. Die erste gemeinsame Synode trat am 28. Juni in Coburg zusammen. Wie 1948 in Eisenach stimmte man kein Tedeum an. Die evangelische Christenheit in Deutschland zeigt in Sachen kirchlicher Institutionen keine Emotionen. Die Nüchternheit hat auch Vorteile. Anziehend jedoch ist sie weder für Außenstehende noch Zaungäste. 30 Texte aus der VELKD Nr. 152 2.4 Zuvor hatte sich die Gemeinsame Kommission noch zu zwei Themen äußern müssen, die im Prozess der staatlichen Einheit eine zentrale Rolle spielten: Abtreibung und Eigentum. In der DDR hatte die Fristenlösung gegolten, in der Bundesrepublik setzte ein straffreier Abbruch einer Schwangerschaft besondere Notlagen (Indikationen) voraus. Wie energisch Bischöfe und ihre Kirchenleitungen gegen die Fristenlösung des DDR-Staats protestiert hatten, war dem Gedächtnis entfallen. Sicher, in den Kirchenleitungen und Synoden gab es auch jetzt kein einfaches Ja zur Abtreibung. Den Schwangerschaftsabbruch als Mittel der Geburtenregelung, wie er von nicht wenigen geübt wurde, sah man vielmehr mit großer Sorge. Aber die Fristenlösung mutierte jetzt zu so etwas wie einer Errungenschaft der DDRVergangenheit. Dagegen hatte sich die EKD mehrfach gegen eine Fristenlösung ausgesprochen, im Herbst 1989 noch einmal zusammen mit der katholischen Deutschen Bischofskonferenz in einer viel beachteten Denkschrift „Gott ist ein Freund des Lebens“. Es ist schließlich eine gemeinsame Stellungnahme zustande gekommen. Der Weg zu ihr war freilich mühsam. Zur Regelung der Eigentumsfrage ist am 6. Oktober 1990 von der EKD und der Konferenz der Kirchenleitungen des BEK ein gemeinsames Wort veröffentlicht worden „Unrecht überwinden, Frieden erhalten“. Erst jetzt bei der Vorbereitung dieses Vortrags sehe ich, dass Jürgen Schmude, der den Entwurf geschrieben hat, voll und ganz der Position von Richard Schröder gefolgt war, die dieser für die Ost-SPD vor der Volkskammerwahl im März 1990 erarbeitet hatte (vgl. R. Schröder, Deutschland schwierig Vaterland, 1993, S. 62-70). An die Stelle von altem Unrecht sollte kein neues Unrecht treten, der Schutz redlichen Erwerbs sollte Vorrang haben vor etwaiger Rückgabe. Wörtlich heißt es: „... Die Erwartung wäre falsch, dass sich die Jahre und Jahrzehnte der ungerechten Verhältnisse auslöschen ließen und eine volle Wiederherstellung des früheren Zustandes zu erreichen wäre. In begrenztem Maße, zumal bei Eigentumsentzug, aber ist Wiedergutmachung vorstellbar ... Den Kränkungen durch das alte Unrecht dürfen durch die Wiedergutmachung nicht neue Feindschaft und Verbitterung folgen. Die Neuordnung wäre misslungen, wenn sie zum Anlass für langjährige Unruhen und unfriedliche Auseinandersetzungen geriete ... Redlicher Erwerb durch den jetzigen Eigentümer hat in der Regel Vorrang vor dem Rückgabeanspruch des früheren Eigentümers. Dafür sind vor allem Umstände zu berücksichtigen, wo der jetzige Eigentümer auf das Eigentum zur Erhaltung seiner wirtschaftlichen Lebensgrundlage angewiesen ist, während der frühere Eigentümer das Eigentum zur Sicherung seines Lebenszuschnitts nicht benötigt ...“ (KJ 223f) 3. Unbewältigte Aufgaben. Die evangelischen Kirchen in Deutschland vor bitteren Realitäten. 3.1 Die Erkenntnis war ein Schock. Dabei hätte es jederman(n) und jedefrau längst wissen können. Aber die Tatsachen waren verdrängt worden im Osten wie – vielleicht noch stärker – im Westen: Die Zahl der Kirchenmitglieder war in den 40 Jahren DDR-Geschichte dramatisch geschrumpft. Das dichte Netz der Pfarrstellen war dagegen erhalten geblieben. Die Gehälter waren ja gering. Das nötige Geld ließ sich verhältnismäßig einfach beschaffen. Noch in den 50er Jahren unterschied sich die Mitgliedschaft in beiden Teilen Deutschlands kaum. Im Osten freilich dominierte die evangelische, im Westen herrschte Parität mit der katholischen Kirche. Genaue Zahlen lagen 1990 nicht vor. Aber mindestens 60% der Bevölkerung gehörten keiner Kirche mehr an. Vor allem die jungen Leute fehlten. Die Zahl der Taufen, Konfirmationen und Trauungen hatte ständig abgenommen. Dabei waren die regionalen Unterschiede beträchtlich. Im Erzgebirge und der Rhön konnte man noch von volkskirchlichen Verhältnissen sprechen. Vollends im katholischen Eichsfeld waren die Menschen mit ihrer Kirche eng verbunden geblieben. Am Montag nach dem Weißen Sonntag hatten dort die Erstkommunionkinder 31 Texte aus der VELKD Nr. 152 schulfrei. Daran wagte der Staat nicht zu rühren. Doch in Pommern und Brandenburg und Mecklenburg sah das anders aus. Da nahm man keine Rücksicht mehr auf kirchliche Sitten. Vollends in den Großstädten Berlin-Ost, Halle, Karl-Marx-Stadt, Leipzig sah die Bilanz düster aus. In ihnen gehörten vielleicht noch 10% einer Kirche an. Mehr nicht. Anfangs hoffte man, mit dem Ende der DDR kehrten viele in die Kirche zurück. So war das ja auch nach 1945 gewesen. Der thüringische Landesbischof zum Beispiel war da guter Dinge. Aber man vergaß, dass 40 Jahre eine ungleich stärkere Gewöhnung sind als 12. Der Glaube, die Kirchenzugehörigkeit müsse von einer auf die nächste Generation weiter gegeben werden. Bricht diese Tradition erst einmal ab, ist der Bruch nur schwer zu heilen. Kirchliche Bräuche werden nicht mehr gepflegt. Es breitet sich Gottvergessenheit aus, nicht einmal kämpferischer Atheismus. Jedenfalls fanden die Menschen nach 1989 nicht zurück in die Kirche. Sie hatten sich ohne Religion eingerichtet. Sie sahen keine Veranlassung, das zu ändern. Zumal in dem Teil Deutschlands, dem man beitreten wollte, der Glaubenseifer und die Liebe zur Kirche auch sehr begrenzt waren. Die übrig gebliebenen, überalterten, kleinen Gemeinden hatten sich aber keineswegs hin zu einem freikirchlichen Typus entwickelt. Das hätten einige Kirchenleute gerne gesehen. Aber die überkommenen volkskirchlichen Verhaltensweisen dominierten. Neue Verbindlichkeiten, das Gemeindeleben zu tragen und sich finanziell stark zu engagieren, waren die Ausnahme. Der fromme Eifer hielt sich in Grenzen. Im evangelischen Deutschland herrschten andere Verhältnisse als im katholischen Polen oder orthodoxen Rumänien. Die Ausdünnung der Kirchenmitgliedschaft konnte man auch nicht einfach dem DDR-Staat anlasten. Für sie gab es Vorboten. Der Westen mit seinen seit den 70er Jahren hohen Kirchenaustrittszahlen zeigte, wie labil auch hier die Verankerung der Kirche in der Bevölkerung war. Nicht erst seit gestern. Unter ungünstigeren Bedingungen wäre der lautlose Abschied nicht anders als im Osten verlaufen. Sobald die Kirchenzugehörigkeit zu viel kostete – im wörtlichen und im übertragenen Sinn – gab man sie ohne Skrupel und ohne Schmerzen auf. Schon in den 20er Jahren hatte der spätere Berliner Generalsuperintendent und Oldenburger Bischof Gerhard Jacobi in seinem anonym publizierten „Tagebuch eines Großstadtpfarrers“ den radikalen Traditionsbruch vor Augen geführt. Der Glaube der Christen, kirchliche Bräuche waren unbekannt geworden. In Halle machte nur noch ein Teil des Bürgertums von der Kirche Gebrauch. Die Mehrheit brauchte sie nicht mehr. Günther Dehn hat denselben Sachverhalt für Berlin beschrieben in seinen schönen Erinnerungen „Die alte Zeit, die vorigen Jahre“. Die DDROberen ratifizierten, was lange schon unterwegs gewesen war. Der Prozess der Entkirchlichung fand aber nicht nur in den Großstädten statt. Carl Büchsel erzählt in seinen „Erinnerungen aus dem Leben eines Landgeistlichen“, wie er im Vikariat ein Dorf in der Mark Brandenburg vorgefunden hatte (als Buch erschienen 1861, die einzelnen Kapitel waren zuvor Beiträge in Hengstenbergs Evangelischer Kirchenzeitung). Büchsel schreibt: „... Der Kirchhof war wüste, die Kirche unreinlich, und von der ganzen großen Gemeinde kamen vier Männer zum Gottesdienst, kein Kind und kein Weib“(S.4). Auf dem Rückweg tröstet der Küster den Vikar damit, „dass er oft mit dem Pastor zurückgekehrt sei, ohne den Gottesdienst abzuhalten, weil keiner gekommen sei.“ Als es im Sommer etwas besser aussah und der Vikar sich bei einem Bauern, der während des Gottesdienstes stets schlief und laut schnarchte, nach seinen Gründen für den Kirchgang erkundigte, erhielt er zur Antwort: „Zu Hause setzen einem die Fliegen so viel zu, dass man nicht zur Ruhe kommt, in der Kirche dagegen ist es so schön kühl; im Winter gehe ich auch nicht in die Kirche.“ (S.17) 3.2 Ich will Sie nicht länger mit dergleichen Anekdoten unterhalten. Immerhin sorgen sie für einige Anschauung über die tatsächlichen Verhältnisse Anfang des 19. Jahrhunderts. Bereits Luther hatte über seine Wittenberger geklagt, sie verstünden die evangelische Freiheit als Erlaubnis, auf den Besuch des Gottesdienstes zu verzichten. 32 Texte aus der VELKD Nr. 152 Warum es so weit kam? Natürlich gibt es da mehr als nur einen Grund. Von einiger Bedeutung scheint mir dieser zu sein: Das evangelische Kirchenwesen ist seit seinen Anfängen weniger fest als das orthodoxe und das katholische in der Geschichte verankert. Überkommene Bräuche gibt es nicht viele. Oder sie sind intellektuell ziemlich anspruchsvoll wie das tägliche Lesen in der Heiligen Schrift. Traditionen haben, so jedenfalls die Theorie, wenig Gewicht gegenüber der Ursprungsgeschichte und der aktuellen Auslegung. Wird aber die Gegenwart wichtiger als die Vergangenheit, werden die Inhalte des Glaubens zu leicht dem Geist der jeweiligen Gegenwart angepasst. Der Zeitgeist hat dann kein Widerlager mehr in den Urkunden des Glaubens und in den Bekenntnissen der Kirche. Konkret: Als die biblischen und reformatorischen Inhalte an Strahlkraft einbüßten, verband man sie oder ersetzte sie zuerst mit nationalen und später sogar nationalistischen Parolen und Träumen. Der Kulturprotestantismus versöhnte die Welten des Christentums und Bürgertums um den Preis einer Verharmlosung und Domestizierung des biblischen Glaubens; er wurde eingepasst und verlor seine kritischen Potenzen. Auf die deutschchristliche Versuchung folgte eine Phase sozialistischer Hoffnungen. Die Hochschätzung der Menschenrechte rückt sie plötzlich ins Zentrum christlicher Verkündigung. Ein neuer Blick auf die beklagenswerte Geschichte der Unterdrückung der Frauen ist Motor einer feministischen Theologie, die nicht nur die Geschichte des Glaubens und seiner Urkunden neu schreiben, sondern sogar die überlieferten liturgischen Ordnungen in der Substanz ändern will. Es ist jeweils der gleiche Vorgang: Strömungen, Errungenschaften der Gegenwart werden als Folgen des christlichen Glaubens gedeutet und rücken auf zu Inhalten der um Aktualität bemühten Verkündigung. Eine Kirche aber, die als ihre Botschaft die Themen der Zeit lediglich wiederholt, ist den Zeitgenossen zwar nicht fremd, trifft aber nicht einmal auf neugieriges Interesse. Sie wird belanglos. 3.3 Vielleicht sind das für uns hier zu große Themen. Deshalb will ich zum Schluss uns Pfarrer zum Thema machen, über unseren Anteil an der Misere nachdenken. Von weither kommende geistesgeschichtliche Bewegungen können wir ja nicht umkehren und schon gar nicht ungeschehen machen. Aber wie wir Pfarrer wahrgenommen werden, das muss uns zu denken geben. Da können wir reagieren. Julius Schniewind wurde nach 1945 neben seinem Beruf als Professor für Neues Testament zusätzlich mit dem Amt eines Propstes der provinzsächsischen Kirche betraut. Seine Besuche in den Pfarrhäusern beunruhigten ihn und führten zu der noch heute lesens- und beherzigenswerten Schrift „Von der geistlichen Erneuerung des Pfarrerstandes“. Ohne eine solche Erneuerung sah er keine Zukunft für seine Kirche. Günter de Bruyns Lebensbericht „Vierzig Jahre“ (1996) hält uns Heutigen den Spiegel vor, legt den Finger in eine Wunde. Er erzählt, wie er – als Katholik – in Kontakt gekommen ist mit der evangelischen Kirche, wie er in christlichen Friedensgruppen mitgearbeitet hat, Lesungen in märkischen und mecklenburgischen Dorfkirchen hielt, „wo die überfüllten Emporen immerfort knarrten, die dicken Feldsteinmauern vor der feindlichen Welt zu schützen schienen und ein barocker Kanzelaltar an die Bedeutung des wahren Wortes gemahnte.“ Das alles, sagt er, gehört für ihn zu den schönsten Erinnerungen dieser Jahre. Dann folgt eine Passage, die mir den Atem nimmt: „Der Wahrheit wegen muss aber auch erwähnt werden, dass einer wie ich, der von Kindheit an Theologen als Verwalter der Sache Gottes auf Erden betrachtet und entsprechend verehrt hat, im Umgang mit ihnen manchmal enttäuscht worden war. Pfarrhäuser, die ich betreten durfte, entsprachen oft nicht dem Bild, das ich mir von ihnen aufgrund ihrer Bedeutung für die deutsche Literatur- und Bildungsgeschichte gemacht hatte. Ich traf auf eitle oder beschränkte Pfarrer, die meinem Idealbild wenig entsprachen, und auch auf solche, für die der Glauben nur eine Berufsangelegenheit zu sein schien. Sie erweckten zumindest den Eindruck, dass sie ohne Talar als Christen nicht erkannt werden wollten. Vielleicht taten sie das 33 Texte aus der VELKD Nr. 152 in dem Bestreben, sich nicht durch christliches Bekennen, Mahnen und Lehren über die Mitmenschen zu erheben, vergaßen darüber aber, dass man doch in ihnen gerade den Mahner, Bekenner und Lehrer sucht. Dass die tradierte Ehrfurcht vor den Pastoren schwindet, hat in erster Linie sicher mit dem Schwinden des kirchlichen Einflusses, daneben aber auch etwas mit der Anpassungssucht der Pastoren zu tun“ (S.235). Günter de Bruyn sind diese Mitteilungen und Überlegungen so wichtig, dass er sie drei Jahre später in seinem Buch „Deutsche Zustände“ (1999) noch einmal aufgenommen, unterstrichen und in einen größeren Zusammenhang gestellt hat (S.29-39, Punkte 6. und 7.). Man kann natürlich sagen, de Bruyn übertreibe. Er habe ein falsches, ein katholisches Pfarrerbild etc. etc. Ich jedoch fände es besser, ließen wir uns von ihm zur Ordnung rufen, zu unserer Sache. Jedenfalls ist die Mahnung richtig, uns vom Sog der Säkularisierung nicht mit einer, wie das Wolfgang Huber genannt hat, Selbst-Säkularisierung mitreißen zu lassen. Wir leben in dieser Welt. Aber wir sollen uns ihr, sagt der Apostel, nicht gleichstellen (Röm 12,2). Die in der Zeit von 1945 bis 1989 als Christen im Osten Deutschlands, in der DDR, gelebt haben, waren uns im Westen in diesem Verzicht auf Anpassung in vielem voraus. Wir müssen jetzt gemeinsam jede Mühe aufwenden, ehrliche Zeitgenossen zu sein, Zeitgenossen jedoch, die zugleich aus den Quellen einer anderen Zeit leben. 34 Texte aus der VELKD Nr. 152 „Irritierungen auf dem Weg zur kirchlichen Vereinigung“ Generalsuperintendent i.R. Martin-Michael Passauer Vorwort I Die Publikation „Zwischen Anpassung und Verweigerung“, in der sich Dokumente aus der Arbeit des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR finden, beginnt mit dem Satz: „Die Wiederherstellung der deutschen Einheit hat auch ihre kirchlichen Folgen gehabt. Die ostdeutschen Landeskirchen, die 1969 den Bund der Evangelischen Kirchen in Deutschland bildeten, gehören wieder der Evangelischen Kirche in Deutschland an. Sie ist zur Rechtsnachfolgerin des Kirchenbundes geworden. Dieser hat mit dem 30.06.1991 seine Arbeit beendet.“ Der damalige Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Martin Kruse, hat diesem gemeinsamen Weg gleichsam als Erbe mit auf den Weg gegeben: „Der kirchliche Einigungsprozess braucht Zeit, wie das Zusammenwachsen der Menschen auch und zusammenwachsen können wir nur, in dem wir zusammen wachsen.“ Wie ist das Zusammen wachsen gelungen, fragen wir, welche Irritationen auf dem Weg gab es und gibt es immer noch und wo stehen wir heute? Ich will zunächst mit einer kurzen Erinnerung beginnen: Im September 1987 fand in Görlitz die Bundessynode statt, d.h. die Synode des Bundes aller Ev. Kirchen in der DDR. Und diese Synode verabschiedete fast einstimmig eine klare Absage an den Geist und die Logik und die Praxis der Abschreckung. Der Friede in Europa und das Leben in unserem Land wird nicht dadurch sicherer, so äußerte sich die Synode, dass immer mehr aufgerüstet und gegenseitig ein hohes Potential an Abschreckung aufgebaut wird. Stattdessen braucht der Friede einen anderen Halt, als sich auf Waffengewalt zu stützen. In der Erklärung von Görlitz stand dann auch der von der DDR-Regierung später heftig angegriffene Satz: „Die Verweigerung des Wehrdienstes ist das deutlichere Zeichen des Christen“ Das war ein klares Plädoyer für einen Wehrdienst ohne Waffen, der ja in den Einheiten der Bausoldaten möglich war. Fast zeitgleich tagte in Dresden die erste Ökumenische Versammlung für „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“. Ausgehend von einem Grundgedanken Dietrich Bonhoeffers, der Bedrohung durch Kriege ein Friedenskonzil entgegen zu setzen, regte die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Vancouver 1983 ein solches Konzil an. Der Stadtökumenekreis aus Dresden schlug den DDR-Kirchen 1986 vor, ein solches Friedenskonzil einzuberufen. 1987 fand die erste Versammlung statt. Sie erhielt ihre Brisanz dadurch, dass im Vorfeld dieser Versammlung alle Christen, Gemeinden und Basisgruppen in der DDR aufgerufen wurden, zu zwei Fragen schriftlich Stellung zu nehmen: 1. Welche Aufgaben der Gerechtigkeit, des Friedens und der Schöpfungsbewahrung soll die Versammlung beraten? 2. Was sollen Christen in ihren Kirchen in der DDR in diesen Aufgabenbereichen tun? Etwa 13.000 schriftliche Eingaben wurden nach Dresden geschickt. Sie alle enthielten einen Spiegel von Fragen, die sowohl die innerkirchlichen Themen ansprachen, als auch Fragen der inneren Demokratisierung, der Grund-und Freiheitsrechte und des DDR-Alltages. Die Fragen, die am heftigsten diskutiert wurden, hießen: Mehr Gerechtigkeit in der DDR, unsere Aufgabe, unsere Erwartung. Im Februar 1988, im Oktober 1988 und im April 1989 folgten drei weitere 35 Texte aus der VELKD Nr. 152 Versammlungen in Dresden, Magdeburg und wieder Dresden. Am Ende standen 12 Texte zu allen wichtigen Lebensfragen in der DDR und ganz Europa, wie Umweltverschmutzung, Rüstung, Demokratie, Gerechtigkeit, Zusammenleben in der Gesellschaft u.a.m. Es gibt heute viele Christen aus der DDR, die sich wünschen, dass wir uns in diesem Jahr des Erinnerns vor allem dieser Texte der Ökumenischen Versammlung annehmend fragen, was heute daraus geworden ist. Mit dem Aufwind dieses konziliaren Prozesses gingen wir in den Herbst 1989. Der Slogan: „Keine Gewalt“ war gleichsam die Magna Charta unseres Handelns. Viele Erkenntnisse des konziliaren Prozesses fließen im Herbst 1989 vielfach in die Forderungen der Reformgruppen, wie „Neues Forum“, „Initiative Frieden und Menschenrechte“ „Demokratischer Aufbruch“ und die Arbeit der Runden Tische ein. Im Hintergrund stand eine Kirche, die mit einer inzwischen fast untauglich gewordenen Standortbeschreibung von der Kirche im Sozialismus, nach einer neuem Identität suchte. Dabei bewahrte sie ihren Glaubens- und Lebenssatz von der Evangelischen Kirche in der DDR als der „Zeugnis und Dienstgemeinschaft.“ Diesen Leitsatz hat sie versucht zu leben. Seine Ausdrucksformen fand er in der Bereitschaft der Kirche, Menschen Raum und Stimme zu geben, die für sich keinen anderen Ort in der Gesellschaft mehr fanden. Ziel von allem gesellschaftskritischen Handelns war eine Demokratisierung des bestehenden Gesellschaftssystems im Rahmen der vorgegebenen Koordinaten. Vom 15.01 – 17.01 1990 fand in Loccum eine erste gemeinsame Klausurtagung von Vertretern der EKD und des BEK statt. In ihr hieß es u.a. „In der Öffentlichkeit beider Staaten wurde mit großer Hochachtung der Beitrag gewürdigt, den die evangelische Kirche zum Wandel in der DDR geleistet hat. Vieles ist hier zu nennen: die Friedensgebete und Fürbittgottesdienste, die Gespräche in den Gotteshäusern, die Erklärungen der evangelischen Synoden und der Ökumenischen Versammlung und besonders der persönliche Einsatz vieler Mitarbeiter und Gemeindeglieder...“. Und am Ende heißt es: „trotz aller verständlicher Aufmerksamkeit, die derzeit den deutsch-deutschen Themen gilt, bitten wir, die Aufgaben, die wir gegenüber den Armen in unserer Welt haben, nicht zu vernachlässigen. Wir bitten die Gemeinden weiterhin für die Gerechtigkeit, den Frieden und die Bewahrung der Schöpfung zu beten und zu arbeiten.“ Das war das Gepäck, das viele von uns in die Wiedervereinigung – auch der Kirchen – trugen. Dazu kam eine Hoffnung mit fast messianischem Charakter. Es sollte eine Gerechtigkeit für erfahrenes Unrecht geben. Ich selber war Vorsitzender einer großen Untersuchungskommission in Berlin, die von 1989 bis 1990 fast ein Jahr lang Anklagepunkte gegen Politbüromitglieder und andere leitende Genossen aus den Sicherheitsapparaten gesammelt hatte. Viele Politbüromitglieder mussten vor dieser Kommission Rede und Antwort stehen. In der Hoffnung, dass diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie wir sie nannten, nun einer gerechten Strafe zugeführt werden, gingen wir fröhlich in die Deutsche Einheit. Es hat nicht einen einzigen Prozess aufgrund unseres Materials gegeben. Aus dieser Enttäuschung heraus mag wohl auch der Satz geboren worden sein, der in gewissem Sinne auch auf die Kirche übertragen werden könnte: „Wir hofften auf Gerechtigkeit und bekamen den Rechtsstaat.“ Behalten Sie diesen – sicher nicht sehr tragfähigen – Satz im Ohr, wenn ich jetzt einige Wege auf dem Weg zur kirchlichen Vereinigung skizziere. 36 Texte aus der VELKD Nr. 152 II. Es kam zunächst der Schock der Stasi-Verdächtigungen gegenüber vielen kirchlichen Mitarbeitern und damit eine völlig unvermutete Debatte. Die Öffnung der Stasiakten und die zügige freie Einsicht vor allem für Journalisten brachten sogenannte Enthüllungen und damit eine Sprachlosigkeit der Kirche mit sich, von der wir uns lange nicht erholt haben. Berechtigte und völlig unberechtigte Vorwürfe wurden in die Öffentlichkeit gebracht. Es galt nicht – wie sonst üblich – bei ersten Verdächtigungen das Prinzip der Unschuldsvermutung. Sondern wer öffentlich angeklagt wurde, musste selber den Gegenbeweis liefern. Leider sind die Unschuldsbeweise dann fast gar nicht mehr öffentlich bekannt gemacht worden, sodass auf manchen bis heute ein Vorwurf sitzt, den er nicht los wird und der ihn tief verletzt hat. So mancher hat sich deshalb völlig zurückgezogen oder ist verbittert. Es ist aber auch nicht zu leugnen, dass sich manche bewiesene Zuarbeit für die Staatssicherheit von kirchlichen Mitarbeitern verheerend für unsere ganze Kirche ausgewirkt und Vertrauen zerstört hat. Ereignisse aus DDR-Zeiten erscheinen nun mit der Kenntnis von Zuträgerdiensten in einem anderen Licht, manche behaupten gar, die ganze Kirche wäre fehlgeleitet worden. Dieser Vorwurf ist falsch und längst widerlegt. Auch wenn jeder einzelne Fall von konspirativer Stasimitarbeit in der Kirche immer einer zuviel ist, ist die Zahl derer, die, wie wir sagen, wirklich belastet sind, gering, sie liegt unter 1%. Unsere Kirche hatte eine Untersuchungskommission eingesetzt, der sich alle Mitarbeiter stellen mussten. Begleitet wurde diese Kommission von Seelsorgern, die für Gespräche zur Verfügung standen. Noch heute muss jeder, der in ein leitendes Amt in unserer Kirche gewählt wird, sich einer solchen Untersuchung stellen. Ich habe sie schon viermal durchlaufen müssen. Dieser immer noch vorgetragene Vorwurf scheinbarer Unterwanderung der Kirche, ihre scheinbare Staatsnähe, ihre Art der Konfliktlösung, ihr öffentliches Auftreten zu DDR-Zeiten, ihre eigene Standortbestimmung: „Kirche im Sozialismus“ und der Umgang mancher kirchenleitenden Persönlichkeiten mit kritischen Gruppen und Geistern, hat die Position der bis eben noch so starken DDR-Kirche in vielen Gesprächen geschwächt. Misstrauen machte sich breit und das Bild der DDR-Kirche als wackerer Bekenntnisgemeinschaft hing kräftig schief. III. Dazu kamen massive Probleme aufgrund einer neuen Rechtsordnung und eines damit erweiterten Kirchenverständnisses. Hatten wir bis dahin gelernt und gelebt, dass die Kirche nach der Confessio Augustana von 1530, Art. 7 von der Kirche: „... alle Zeit eine Heilige christliche Kirche sein und bleiben muss, die die Versammlung aller Gläubigen ist, bei denen das Evangelium rein gepredigt und die Heiligen Sakramente laut dem Evangelium gereicht werden." kam es nun anders. Es wurde offenbar zu schnell vorausgesetzt, dass wir alle anderen Beschreibungen ebenso selbstverständlich mit übernehmen. Im Laufe der Zeit haben wir nach meiner Kenntnis aber lernen müssen, dass es innerhalb des nun gesamtdeutschen Sprachgebrauchs neben der von uns gelebten und praktizierten Kirche getreu unseres Bekenntnisses als Bekenntnisgemeinschaft – oder Zeugnis – und Dienstgemeinschaft vor allem noch vier weitere Inhalte von Kirche gibt, die wir zu lernen hatten. Da ist zunächst: 37 Texte aus der VELKD Nr. 152 1. Die Kirche als juristische Person und konfessioneller Interessenverband, als Körperschaft öffentlichen Rechtes Das war nicht nur schwierig zu verstehen, sondern auch schwer zu lernen. Wir haben zum Beispiel nun endlich in allen neuen Bundesländern einen Staat-Kirche-Vertrag, der viele Dinge einschließlich finanzieller Verbindlichkeiten regelt. Die sogenannten Staatsdotationen – Verpflichtungen des Staates gegenüber der Kirche, die auch die DDRRegierung anerkennen musste, beschreiben nun Verbindlichkeiten gegenüber der Pfarrbesoldung, des Bischofgehaltes, des Religionsunterrichtes und der Stiftungsaufsicht. Nach einem strengen Reglement kann nun nicht mehr nach Belieben und eigenem Ermessen das Staat-Kirche-Verhältnis beschrieben und gelebt werden. Es ist alles geregelt. Gemeindeglieder nahmen an den Verhandlungen zum Staat-Kirche-Vertrag nur dann teil, wenn sie zur Leitung der Kirche gehörten. Zu der Kirche als juristischer Person gehörte auch die Übernahme des Beamtengesetzes, einschließlich der Beamtenbesoldung. Aus einem beamtenähnlichen Verhältnis kommend, haben wir die Beamtenverhältnisse der EKD übernommen. Vielen ist erst später bewusst geworden, was das heißt. Der Pfarrbeamte hat nun z.B. auch ihm zustehende Rechte, die er gegen seine Kirche vor jedem Gericht einklagen kann – in der Regel mit Erfolg. Initiativen der DDR-Kirchen, von denen ich weiß, die den Austritt aus der Beamtenordnung forderten, scheiterten an dem energischen Widerstand vieler Kirchen aus den alten Bundesländern. Neu war z.B. für uns in der EKBO ein neuer Tarifvertrag, der heute noch mit drei Gewerkschaften, ausgehandelt und unterzeichnet, umfassend alle Rechte und Pflichten der Mitarbeiter regelt. Er gleicht heute dem TVL, dem Tarifvertrag der Länder. Der Vorteil: eine Sozialarbeiterin kann mühelos aus dem öffentlichen Dienst in ein Dienstverhältnis der Kirche wechseln, ohne Nachteile befürchten zu müssen. Die Gehaltseinstufung ist verlässlich und fern ab von jeder Willkür. Der Nachteil: Bei finanzieller Notlage der Kirche kann man z.B. an die Sonderzuwendungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) nur durch eine Notlagenregelung heran, die ausschließlich mit den Gewerkschaften ausgehandelt werden muss. Ein mühsamer Prozess. Dieser Tarifvertrag befördert in vielen Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen eine Flut von Schiedsverfahren, weil es bei den Leitungsgremien immer noch zu viel Unkenntnis gibt. Ein weiteres Gesetz von erheblichem Umfang, dass die allerwenigsten kennen, ist das Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG), es regelt die Arbeit von Mitarbeitervertretungen auf allen kirchlichen Ebenen. So kann z.B. heute kein/e Mitarbeiter/Mitarbeiterin angestellt werden, ohne dass die entsprechende MAV ihr Mitspracherecht in Anspruch nimmt. Das gilt auch für Arbeitsverhältnis von Geringverdienern oder MAE-Kräften. Heftigen Streit – vielleicht neben der Einführung des Kirchensteuergesetzes der Heftigste – hat es bei der Einführung der Rechtsverordnung über die Seelsorge für Soldaten gegeben. (Allgemein bekannt als Militärseelsorgevertrag). Das natürliche Misstrauen gegenüber jeder Uniform, das wir in der DDR gleichsam mit der Muttermilch eingesaugt haben, brachte erhebliche Distanz zur Bundeswehr. Außerdem drückte sich das unbändige Unabhängigkeitsbestreben auch in der Furcht aus, man könnte vereinnahmt werden( „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“). Zusätzlich kam eine Hoffnung hinzu, dass es nach dem Erleben der friedlichen Revolution und dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes eigentlich keine Wehrpflicht mehr zu geben brauchte. In meinem Umfeld erlebe ich bis heute bei etlichen Christen aus der DDR, dass dieser Seelsorgevertrag ein großer Stachel in ihrer Seele ist. Alles in allem musste gelernt werden, dass nun ein juristischer Ton in die Kirche eingezogen ist, der viele zu dem Satz veranlasst: „Das ist nicht mehr meine Kirche.“ Die Rechtsordnung der 38 Texte aus der VELKD Nr. 152 Bundesrepublik macht auch vor der Kirche nicht Halt. Die Kirchen haben ihre Monopolstellung als einzige institutionelle Kritikinstanz gegenüber dem Staat verloren. Im Vollzug der Pluralisierung und Demokratisierung des gesellschaftlichen Diskurses hat die Kirche nur noch eine Stimme unter vielen. Wir nehmen nun hoheitliche Aufgaben wahr. Wir sind Verhandlungspartner am Tisch von Verträgen. Wir sind juristische Personen. Der Gemeindekirchenrat als die Gemeindeleitung schließt Pacht- oder Miet- oder andere Verträge ab, die rechtsverbindlichen Charakter haben. Vor den Folgen, besonders möglicher Haftungen, scheuen sich viele Laien. Ich kann mich nicht erinnern, dass für diesen Bereich im Zuge des Zusammenwachsens inhaltliche Alternativen ernsthaft im Gespräch waren. Auch hier hatte sich die Grundtendenz durchgesetzt: wenn wir Alternativen überlegten, können diese für uns nur mit Einbußen verbunden sein. Deshalb wollen wir an dem strukturellen Modell Kirche aus den alten Bundesländern nichts verändern, weil es sich bewährt hat. 2. Die Kirche als Steuerverband Die Kirche ist auch eine Zwangsgemeinschaft zur Erhebung der sogenannten Mitgliedsbeiträge nach eigenem Besteuerungsrecht. Der Staat ist für sie als Inkassounternehmen tätig. Katholische wie evangelische Kirchen nehmen z. B. 7 Milliarden € jährlich an Kirchensteuern ein. Um sie einzunehmen, brauchen wir als Kirche ein Instrumentarium, das uns der Staat an die Hand gibt. So sind wir als Kirche ein Steuerverband, der besonders in dieser Zeit darauf achtet, dass der Staat nicht weiter seine Steuerpolitik orientiert auf die Verlagerung von direkten zu indirekten Steuern. Je stärker der Staat Steuerpolitik über die Mehrwertsteuer betreibt, verlieren wir Einnahmen, weil wir an der Lohn- und Einkommensteuer hängen. Im Vereinigungsprozess heftig umstritten. Dadurch, dass wir als DDR-Kirche immer Empfänger von Geld waren (50% von allen Geldern kamen aus dem Westen) lebten wir in dem Bewusstsein, mit den freiwilligen Spenden der Gemeindeglieder auskommen zu können. Hier dominierten nun in den Ost/West-Auseinandersetzungen die Finanzdezernenten. Ökonomische Lehrstunden waren an der Tagesordnung, der Wert des Geldes verdrängte lange Zeit alle anderen Wertedebatten, das Messen aller kirchlichen Arbeit an ihrer finanziellen Leistbarkeit verdrängte nun auch jede Diskussion über den Wert der „Sola Gratia“. In dieser Zeit haben viele die Binnenorientierung verloren. Weil das Geld und seine Kraft in den Kirchen der DDR eine untergeordnete Rolle spielte. Nun, nachdem für die Kirchen aus den neuen Bundesländern der EKD-Finanzausgleich fast als einzige Quelle außerhalb der eigenen Möglichkeiten übriggeblieben ist, steigt die Sorge, wie es mit der Kirche wohl weitergehen könnte. Dennoch erlebe ich bei Debatten über Arbeitszweige, dass immer noch der Schlachtruf ertönt: „Aber dafür muss doch Geld da sein.“ So musste das äußere Haus der Kirche in den letzen 15 Jahren kräftig umgebaut werden. Konzentration hieß das Stichwort, die Verhältnismäßigkeit wahren, Strukturen den Gegebenheiten anpassen, und nur das Geld ausgeben, was wir auch einnehmen. Dadurch kam es zu oft unverständlichen Maßnahmen. Kirchenkreise und Gemeinde wurden zusammengelegt, Pfarrsprengel ausgeweitet, Baumittel für Sanierungen gekürzt und Stellen gestrichen. Arbeitsbereiche wurden zusammengelegt, Ausbildungsstätten, wie die Predigerschule Paulinum geschlossen, das Kinderdiakoninnenseminar oder das Sprachenkonvikt mit der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zusammengelegt, die Kirchenzeitung auf Westberliner Niveau gebracht und Gebäude veräußert. Gleichzeitig entstand mit dem Religionsunterricht in der Schule und Berufsschule ein neuer Arbeitsbereich, in dem heute, neben der Diakonie, die meisten Mitarbeiter arbeiten. Die Verlegung der Hauptstadt des Vereinten Deutschlands nach Berlin brachte für unsere Kirche weitere, neue Erwartungen und Herausforderungen. Die Politik und die Politiker haben Erwartungen an die Kirche, die wir als DDR-Kirche nicht 39 Texte aus der VELKD Nr. 152 kannten. Gottesdienste zum Beginn einer Legislaturperiode des Bundestages, Gottesdienste zu aktuellen politischen Daten, Gottesdienste, die einem Staatsakt glichen, oder Trauerfeier für den Bundespräsidenten, Bundesbürger aus den alten Bundesländern zogen in unsere Regionen, engagierten sich in den Gemeinden und übernahmen in den Ortsgemeinden und der Landeskirche Verantwortung. Damit entstand auch noch mal eine neue geistliche Erwartung, die viele zunächst mehr als Bedrohung denn als Geschenk betrachteten. 3. Die Kirche als Wirtschaftsunternehmen mit gewerblichen Aktivitäten Die Kirche in den neuen Bundesländern ist auch wieder Besitzerin von Feldern, Wäldern, Seen, Campingplätzen, Weinbergen, Bauland, Brachland, Häusern, Straßen, Plätzen, Verlagen, Fabriken, Sportplätzen und vielem anderen. Wir sind als ostdeutsche Kirchen und Christen über Nacht als Wirtschaftsunternehmen tätig geworden und unterliegen deshalb selbstredend den Gesetzen eines Wirtschaftsunternehmens. Dazu braucht es Berater, Supervisoren, Rechtsanwälte, Banken und Politiker, die in der Regel alle aus den alten Bundesländern kommen. In den kirchlichen Kreisen, die den wirtschaftlichen Gesetzen verpflichtet sind, ist das Bild von einer solidarischen Kirche, die z.B. den Inhalten der Ökumenischen Versammlung folgt, völlig fremd. Es wird nach Erfolgen gemessen, nach Effektivität und Rentabilität, nach Gewinnmaximierung und guter Anlagenpolitik. Wer Gewinn erwirtschaftet oder gute Rücklagen von den Vätern ererbt hat, musste es – so war die Beratung der Experten – zu 70% in Festgeld und 30% in Fonds anlegen. Geld soll arbeiten. Mitglieder in der Leitung der Kirche wurden nun auch nach Qualitätsmerkmalen ausgesucht, die in DDR-Gemeindekirchenräten oder Presbyterien nicht vorkamen. Juristen, Finanzer, Wirtschaftler, Unternehmer oder Sozialwissenschaftler. Damit machte sich auch ein neues Leitungsverhalten bemerkbar. Die eingeübte menschliche Wärme und die auf solidarisches Handeln ausgerichtete Entscheidungswilligkeit wurden teilweise durch das Insistieren auf Recht und Ordnung verdrängt. Es ist sicher nicht nur falsch zu behaupten, dass in der Zusammensetzung heutiger Leitungsgremien der Kirche manche Entscheidung im Herbst 89 nicht hätten getroffen werden können. Zu viele juristische und andere Bedenken hätten schnelle Entscheidungen blockiert. 4. Die Kirche als diakonisches und karitatives Werk Die Kirche ist inzwischen sozialer Anbieter für alle Bereiche menschlichen Lebens geworden. gleichsam von der Wiege bis zur Bahre: von Geburtenkliniken über Jugendeinrichtungen und Schulen, Frauenhäuser, Männererholungsheime und Freizeitstätten, Diakoniestationen, Krankenhäuser, Senioreneinrichtungen, Sterbehäuser und Beratungsstellen. Die Kirche ist – wie es heute heißt – Marktanbieter – und inzwischen ein unüberhör- und unübersehbarer. Manche großen diakonischen Träger machen sich untereinander Konkurrenz – zu DDR-Zeiten undenkbar –, nur um Marktanteile zu sichern. In vielen Gegenden Ostdeutschlands ist die Kirche als diakonischer Träger der größte Arbeitgeber. Alle unseren diakonischen Einrichtungen und Stiftungen mussten nach der friedlichen Revolution das wirtschaftliche Einmaleins neu lernen. Durch die Trägerübernahme vieler sozialer Einrichtungen, die sich in kommunaler Hand befanden, arbeitet nun auch ein hoher Prozentsatz von Mitarbeitern bei der Diakonie, die nicht der Kirche angehören. Ein völlig neues Mitarbeiter- und Dienstverständnis macht sich breit. Zwar hängen in den Dienststuben auch sogenannte Leitsätze der Diakonie. Aber danach gearbeitet werden kann kaum, weil mehr und mehr auch das „Hauptsache satt und sauber“-Prinzip Einzug gehalten hat. Gestandene Mitarbeiter in der Diakonie, die den Beruf immer auch als Berufung verstanden haben, 40 Texte aus der VELKD Nr. 152 verstehen die Welt und ihren Arbeitgeber nicht mehr. „Das ist nicht mehr die Einrichtung, für die ich mal durch dick und dünn gegangen bin“. Dazu kommt, dass durch die Situation auf dem Arbeitsmarkt, durch die neue Armut in Deutschland und die Demontage der klassischen Familienstruktur, die Diakonie vor ganz neue Aufgaben gestellt ist. So müssen immer mehr entgeltfinanzierte Arbeitsbereiche einzelnen Projekten finanziell unter die Arme greifen. Die Entwicklung in diesem Bereich hat wohl alle überrannt. Um geeignetes Leitungspersonal zu finden, bietet die Diakonische Akademie zusammen mit einzelnen Landeskirchen Weiterbildungen an, um qualifiziert handeln zu können. Das alles kann man beklagen. Und viele tun dies auch, weil sie die Zeit, die Welt und ihre Kirche nicht mehr verstehen. Dazu kommt die in dieser Erinnerungszeit gern gestellte Frage, wo denn die Kraft der Kirche aus den Wendetagen geblieben ist. Die Qualitäten, die sie eingebracht hat in den Vereinigungsprozess, dürfen doch nicht verhallen, ihre Glaubenskraft nicht verstummen. Ich finde, wir sind auf gutem Weg. Wir fangen wieder an, über die Kirche der Freiheit zu reden und die Kraft, die uns durch das Bildwort vom Salz der Erde zugesprochen wird. Ich habe bei manchen Irrungen und Wirrungen der vergangenen Jahre gefragt, warum wir uns als DDR für Kirche fast alle Overhead-Aufgaben westliche Importe geholt haben. Wer das tut, kann sich hinterher nicht beklagen. Zu fragen ist auch, was geworden wäre, hätten wir die Hilfe auch auf diesem Gebiet nicht gehabt. Erinnern kann ich mich, dass wir uns manchmal nach einer sogenannten Krisenintervention oder Nachbarschaftshilfe gesagt haben: „Ach, das hätten wir wohl besser auch alleine geschafft.“ Inzwischen ist das Selbstbewusstsein gewachsen, die Vermischung von Ost und West intensiv verwachsen und die Kirchen sind in gutem Sinne zusammengewachsen. Die Erfahrungen der letzten 20 Jahre haben uns gelehrt, dass gerade heute 40 Jahre Kirche und Christsein in der DDR ein Pfund sind, mit dem wir wuchern können. Denn mein Glaubenssatz, dass es gestern nicht schlechter gewesen ist als heute und auch morgen nicht schlimmer kommen kann, speist sich aus der biblischen Zusage: „Jesus Christus, gestern, heute und derselbe auch in Ewigkeit“ 41 Texte aus der VELKD Nr. 152 Kirche für andere – Kirche im Sozialismus Das unabgegoltene Potential einer kontextuellen Theologie in der DDR5 Dr. Michael Haspel I. Kirchliche und gesellschaftliche Transformationsprozesse als Thema der Ekklesiologie Gegenwärtig können wir einen Prozess mit verfolgen, in dem die evangelischen Kirchen in Deutschland versuchen, sich auf dramatisch verändernde Rahmenbedingungen einzustellen. Diese Transformationsprojekte sind dabei von einem Ausmaß und von einer zu erwartenden Reichweite, wie sie wohl seit der Reorganisation des Protestantismus in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg beispiellos sind. Die Stichworte der demographischen Entwicklung und im Osten Deutschlands vor allem auch der Abwanderung sowie fortschreitende Prozesse der Entkirchlichung müssen hier als kurze Hinweise ausreichen. Die Gestaltung dieses Prozesses ist zunächst eine Aufgabe der Kirchenleitung im engeren Sinne, also eine in die Verantwortung der Synoden und gewählten Kirchenleitungen fallende Herausforderung. Insofern aber in dieser Umwandlung die Frage nach der Gestalt und nach dem Wesen der Kirche implizit und explizit berührt ist, ist es auch eine Herausforderung für die akademische Theologie im Rahmen der Lehre von der Kirche danach zu fragen, welche ekklesiologischen Leitbilder in einem solchen Prozess Orientierung geben können, sowie nach den Methoden zu suchen, mit denen normative theologische Orientierungen und empirische gesellschaftliche Entwicklungen zueinander ins Verhältnis gesetzt werden können. Will man die gestellte Aufgabe also in diesem Sinne adäquat lösen, wird man nicht nur fragen müssen: Welches Bild von einer Kirche der Zukunft haben wir?, sondern auch: Welche Wahrnehmung und Deutung von Gesellschaft setzen wir dabei voraus? Und schließlich: Wie bestimmen wir das Verhältnis von gesellschaftlichen Transformationen und Herausforderungen und einer Kirche, die sich in dieser Dynamik selbst verändern und entwickeln muss und im Kontext sich verändernder sozialer Bedingungen Kirche Jesu Christi sein und bleiben will? Es geht im folgenden also weniger um kirchenleitende Fragen im engeren Sinne. Dafür mag vielleicht die eine oder andere Anregung entstehen, aber dies ist nicht der wesentliche Kern meiner folgenden Überlegungen. In diesem Sinne kann auch der gegebene Titel präzisiert werden: Wenn ich darin von den evangelischen Kirchen in der DDR rede, dann beziehe ich mich nicht primär auf die Ebene der Kirchenleitungen und der Kirchenpolitik nach innen und außen, sondern auf exemplarische theologische Diskurse, insbesondere in den siebziger und achtziger Jahren. Dabei will ich keinesfalls zu einer Romantisierung des Weges der evangelischen Kirchen in der DDR beitragen. Vielmehr denke ich, dass in bestimmten Bereichen von manchen in der Erinnerung ein allzu positives Bild der Kirchen im nie real existierenden Sozialismus gezeichnet wird. Deshalb möchte ich, bevor ich mich dann konstruktiv auf exemplarische theologische Diskurse beziehen werde, auf vier Bereiche hinweisen, die m. E. immer mit gedacht werden müssen, wenn man sich an eine Analyse des Weges der evangelischen Kirchen in der DDR macht. 1. Wenn man die Entwicklungen in den evangelischen Kirchen in der DDR analysiert, muss man mit in den Blick nehmen, dass sie zu keinem Zeitpunkt aus sich selbst heraus lebensfähig gewesen wären. Sie sind über die ganze Zeit der DDR und im Laufe der Zeit 5 In der vorliegenden Fassung werden nur die direkten Zitate nachgewiesen. Für weitere Belege vgl. Haspel, Michael: Politischer Protestantismus und gesellschaftliche Transformation. Ein Vergleich der Rolle der evangelischen Kirchen in der DDR und der schwarzen Kirchen in der Bürgerrechtsbewegung in den USA, Tübingen/Basel 1997. 42 Texte aus der VELKD Nr. 152 zunehmend von direkten und indirekten Transferzahlungen der EKD und ökumenischer Partnerkirchen konstitutiv abhängig gewesen. Eine Verklärung zu einem Idealmodell verbietet sich schon von daher. Und wer die landeskirchlichen Haushalte kennt, weiß, dass sich daran strukturell bis heute nichts geändert hat. 2. Des weiteren ist empirisch überwiegend nicht eingetreten, was man sich als sekundären Krankheitsgewinn der staatlich induzierten Entkirchlichung erwartet hatte: Die kleiner werdenden Gemeinden sind in der Regel nicht zu einer Schar bekenntnisfester und aktiver Kirchenglieder geworden, sondern Identifikation und Partizipationsverhalten auch innerhalb der weniger werdenden Gemeindeglieder sind im wesentlichen volkskirchlich geblieben und sind es noch heute, so dass auch für die evangelischen Kirchen im Osten Deutschlands galt und gilt, dass das sogenannte „distanzierte Milieu” die stabilste Gruppe der Kirchenmitglieder ist. 3. Zum Dritten ist m. E. darauf hinzuweisen, dass die oft als solche formulierte Alternative von „Anpassung” und „Widerstand” aufgelöst werden muss in die Frage nach der Bestimmung der Grenzen der Anpassung. Eine gewisse Anpassung an das System der DDR war Voraussetzung für das Überleben in dieser Gesellschaft und zwar individuell wie auch für die Organisation Kirche. Das macht die Debatte um die Frage nach dem angemessenen Verhalten vor allem der Kirchenleitungen so schwer, weil es keine Schwarz-Weiß-Alternative gab, sondern es galt und gilt, Abstufungen von Grau von einander zu unterscheiden. Dies ist allerdings notwendig. In diesem Sinne war, so könnte man zugespitzt formulieren, eine gewisse Akkomodation an das herrschende System die Bedingung der Möglichkeit für Widerstand im Raum der Kirche. Man könnte also sogar davon sprechen, dass das vorsichtige Agieren von Kirchenleitungen und der zunehmende Widerstand der Gruppen im Raum der Kirche in analytischer Perspektive als komplementär angesehen werden können. Dies ist selbstverständlich keine generelle Exkulpation von kirchenleitender oder sonstiger Anpassung, sondern der Hinweis auf die Notwendigkeit genau zu fragen, ob die jeweilige Anpassung (noch) der Wahrung des Auftrags und der Selbstbestimmung der Kirche gedient oder diese untergraben hat. Dass letzteres immer wieder passiert ist, wissen wir nicht nur aus dem Kontext der StasiDebatte. 4. Schließlich ist m. E. noch auf eine simple Tatsache hinzuweisen, die aber all zu oft übersehen wird und die viele Urteile ex post hervorbringt, die ex ante nicht absehbar waren: Zumindest bis in den Oktober 1989 wäre eine chinesische Lösung gegen die sich formierende Oppositionsbewegung nicht nur möglich, sondern von Seiten der politischen Führung der DDR sogar eher wahrscheinlich gewesen. Wenn im Oktober 1989 die Demonstrationen blutig niedergeschlagen worden wären, hätte man vielleicht denen, die heute als zögerlich wahrgenommen werden, unverantwortlichen Leichtsinn attestiert. Es ist anders gekommen. Dafür können wir dankbar sein und all denen Respekt zollen, die dies mutig mit bewirkt haben. Wenn man (mindestens) diese vier Aspekte im Blick behält, dann meine ich, kann man sich bestimmten theologischen Entwicklungen in den evangelischen Kirchen in DDR mit der Absicht zuwenden, von ihnen etwas für die oben formulierte Fragestellung zu lernen. Im Folgenden möchte ich so vorgehen, dass ich zwei exemplarische Texte, die in der Diskussion um Zeugnis und Dienst der Kirche in der sozialistischen Gesellschaft der DDR eine wichtige Rolle gespielt haben, hinsichtlich ihrer theologischen Grundstruktur analysiere. Danach werde ich untersuchen, inwiefern diese Grundmuster in den weiteren Entwicklungen wieder zu entdecken sind. Dabei ist klar, dass es sich immer nur um eine Strömung neben anderen gehandelt hat, die auch zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten unterschiedlich bedeutsam war. Schließlich möchte ich versuchen, von den erhobenen theologischen Grundmustern aus nach Impulsen zu fragen, die für heute relevant sein könnten. 43 Texte aus der VELKD Nr. 152 II. „Kirche für andere – Kirche im Sozialismus” als theologische Kontextualisierung zu Beginn der siebziger Jahre Der Übergang von den sechziger zu den siebziger Jahren war eine echte Umbruchszeit im politischen wie im kirchlichen Bereich der DDR. Die neue Verfassung trat in Kraft. Ulbricht wurde von Honecker abgelöst. Die Entspannung nach außen wurde durch erhöhten ideologischen Druck nach innen kompensiert, der wiederum durch eine letztlich ruinöse Erhöhung der Konsumgüterproduktion abgefedert werden sollte. Im kirchlichen Bereich trat die Generation, die noch durch das Kaiserreich geprägt war, langsam ab und jüngere übernahmen verantwortliche Positionen. Die evangelischen Kirchen in Ostdeutschland haben sich aus verschiedenen Gründen 1969 zum Bund der evangelischen Kirchen in der DDR zusammengeschlossen und damit de facto die Mitarbeit in der EKD eingestellt. Diese organisatorische Veränderung ging einher mit dem Versuch, sich auch theologisch auf die veränderte Situation in der DDR einzustellen, den Auftrag der Kirche im Kontext der sozialistischen Gesellschaft spezifisch zu bestimmen. Im Hintergrund stand der Aufbruch der theologischen Debatte in der Ökumene um Mission, die Herausforderung der Säkularisierung, ein angemessenes Verständnis der modernen Gesellschaft und schließlich auch um das auf Bonhoeffer zurückgehende Konzept der Kirche für andere. Insbesondere in der ersten Hälfte der siebziger Jahre wurde auf den Bundessynoden und in den Arbeitsgremien des Bundes theologisch daran gearbeitet, wie Zeugnis und Dienst in der konkret vorfindlichen Gesellschaft konzeptionell beschrieben und gestaltet werden könnten. Zwei Formeln haben dabei besondere Bedeutung erlangt: Zum einen das Konzept der „Kirche für andere”, zum anderen die Kurzformel „Kirche im Sozialismus”. Ich stimme übrigens dem Urteil von Detlef Pollack zu, dass diese beiden Programmformeln immer im Zusammenhang gesehen werden müssen, da sie sich wechselseitig bestimmen und ergänzen. Dies wird leider in der Diskussion um die Formel „Kirche im Sozialismus” nicht immer ausreichend berücksichtigt und führt dann – bei aller möglichen Kritik – häufig zu unsachgemäßen Fehlurteilen. Das kann jedoch hier nicht weiter verfolgt werden. Ich werde im folgenden einen wichtigen Text von der Bundessynode 1972 untersuchen, der das Konzept der Kirche für andere entfaltet und im Zusammenhang mit ihm die Freiheit der Kirche und die Kirche der Freiheit Gestalt werden lässt. Der theologische Hauptvortrag der Bundessynode 1972 wurde von Heino Falcke gehalten und war überschrieben mit dem Titel „Christus befreit – darum Kirche für andere”. Er hatte die Aufgabe, die konzeptionelle Debatte für die Gestaltung von Zeugnis und Dienst in einer sozialistischen Gesellschaft, die besonders mit der Gründung des Kirchenbundes 1969 an Intensität gewonnen hatte, voran zu bringen. Die staatliche Seite hat dieser Vortrag so irritiert, dass sie alle Hebel in Bewegung setzte, um eine Verabschiedung durch die Synode oder gar eine Publikation zu verhindern. So war der Vortrag im Osten Deutschlands bis zur Wende nicht gedruckt worden, hat allerdings durch Hektographien und Reimporte aus dem Westen weite Verbreitung gefunden und nicht geringen Einfluss ausgeübt. Die Herausgeber der Dokumente der Arbeit des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR haben sicher nicht zu unrecht entschieden, diesen Vortrag der Textsammlung voranzustellen, gleichsam als Grundlage, auf der die weiteren Entwicklungen aufbauen.6 Insofern können wir hier von einem exemplarischen Text ausgehen. Der Vortrag Falckes bietet uns quasi die linksbarthianische Variante einer Kontextualisierung der Theologie im Rahmen der spezifischen gesellschaftlichen Situation in der DDR. Er setzt streng christologisch ein und stellt in Entsprechung zu Paulus Freiheitskapitel im Römerbrief die Befreiung durch Christus von den Mächten der Welt, mithin der Macht der Sünde, an den 6 Demke, Christoph, Falkmann, Manfred; Zeddies, Helmut (Hg.): Zwischen Anpassung und Verweigerung. Dokumente aus der Arbeit des Bundes der Evangelische Kirchen in der DDR, Leipzig 1994, pp. 14-33. 44 Texte aus der VELKD Nr. 152 Beginn seiner Ausführungen und in das Zentrum seiner Argumentation. Dieser christozentrische Ansatz entwickelt allerdings ein theologisches Verständnis von Freiheit, das über die Dimension der Innerlichkeit und auch den Raum der Kirche konstitutiv hinausgreift und damit das Evangelium als Befreiungsbotschaft in die Welt hineintragen will, indem das Reich der Freiheit für alle Menschen als Ziel der Befreiung durch Christus verstanden wird. Aus der vielschichtigen und komplexen Argumentation möchte ich zwei zentrale Motive herausgreifen, die für die weitere Gedankenentwicklung im Zusammenhang mit dem hier behandelten Thema wichtig sind: Das erste Axiom ist: Indem Christus uns Menschen frei macht, werden wir frei für andere. Die so verstandene Freiheit ist also keine hin zum Solipsismus, sondern eine, die auf Beziehung und Verantwortung angelegt ist. Dazu heißt es: „Weil die Freiheit als Liebe gekommen ist, ist sie Freiheit für andere mit anderen.”7 Das zweite Axiom ist, dass durch das Wirken Jesu Christi nicht nur die einzelnen, sondern die ganze Welt befreit wird. Falcke spricht hier von der „verbesserlichen Welt”8 in dem Sinne, dass die Welt, als unter der Herrschaft Christi stehend, nicht so bleiben muss wie sie ist, sondern dass in ihr die Freiheit Folgen haben muss, etwa als Befreiung von Krieg, Ausbeutung und Diskriminierung. Dieses zweite theologische Axiom besagt also: Weil die Welt nicht ohne Gott ist, sondern Gottes Herrschaft in ihr offenbar ist, hat eine Kirche für andere in Entsprechung zu Gottes Befreiungstat Anteil am Prozess der Befreiung. Daraus folgt für Falcke „die Befreiung der Kirche zum Dienst”9, dem zweiten Hauptteil des Vortrages. Wenn Sie sich bislang gefragt haben, was denn an diesem Modell kontextuell sein soll, dann bekommen Sie jetzt die Antwort. Systematisch eingebunden in die streng christologische Begründung folgen für Falcke zwei konstitutive Aufgaben: Zum einen muss die Kirche ihre Struktur der Aufgabe, Kirche für andere in dem dargelegten Sinne zu sein, funktional zuordnen. Die Struktur der Kirche muss sich – vielleicht darf man ergänzen: idealtypisch – an ihrer Aufgabe ausrichten und nicht an den historisch gewachsenen Gegebenheiten. Hier rechnet Falcke, in Analogie zur „verbesserlichen Welt” mit einer „verbesserlichen Kirche”, also einer Kirche, die sich in Orientierung auf die Herrschaft Christi entwickelt. Zum anderen wird in der Logik dieser theologischen Argumentation die konkrete Situationserkundung zur conditio sine qua non für Theologie und Kirche. Um Kirche für andere sein zu können, um Zeugnis und Dienst in einer verbesserlichen Welt geben und tun zu können, um im Prozess der Befreiung teilhaben zu können, sind genaue, man könnte sagen empirische Kenntnisse der lokalen und globalen gesellschaftlichen Situation notwendig. Sie müssen theologisch verantwortet im Dialog mit den Natur-, Human-, Kultur- und Sozialwissenschaften gewonnen werden. Nur so könne das Evangelium für eine bestimmte Situation angemessen bezeugt werden. Insofern ist die Kontextanalyse kein opus alienum von Theologie und Kirche, vielmehr ist die Kirche gerade mit ihr bei ihrem Thema: „Denn”, so führt Falcke aus, „die solidarische Liebe muss so fragen, und die Situationserkundung gehört zum Dienst am Wort.”10 Dies führt zum dritten Hauptabschnitt: „Die Kirche im Dienst der Befreiung”, in dem konkrete Herausforderungen für die evangelischen Kirchen in der DDR in ihrem gesellschaftlichen Kontext benannt werden. Die theologische Voraussetzung für diese Konkretionen ist die vielfach kritisierte und m. E. ebenso oft missverstandene Rede vom „verbesserlichen Sozialismus”. So wie in der christologischen Argumentation die Welt und die Kirche im Lichte 7 A.a.O., p. 18. Damit ist auch ein wesentlicher Einwand gegen die Formel „Kirche für andere” aufgenommen. An ihr wird immer wieder kritisiert, dass sie auf einer Unterscheidung von „die anderen” und damit auch „die einen” beruhe, die theologisch aber nicht haltbar sei. Damit würden „die anderen” quasi zum Objekt „der einen”. Mit der Formulierung Falckes „für und mit anderen” scheint mir die zu Recht monierte Gefahr eines Missverständnisses ausgeräumt zu sein. 8 A.a.O., p. 20. 9 A.a.O., p. 21. 10 A.a.O., p. 24. 45 Texte aus der VELKD Nr. 152 der Befreiung durch Christus als verbesserlich, also als nicht optimal und zugleich veränderlich angesehen werden, so gilt dies auch für die konkrete gesellschaftliche Situation in der DDR. Wörtlich heißt es: „Unter der Verheißung Christi werden wir unsere Gesellschaft nicht loslassen mit der engagierten Hoffnung eines verbesserlichen Sozialismus.”11 Sowohl vom Schriftsinn, als auch vom Kontext her, in dem Missstände der damaligen sozialistischen Gesellschaft deutlich benannt werden, sowie unter rezeptionshermeneutischen Gesichtspunkten – die staatliche Seite hat dies als Affront gesehen und mit dem Verdikt des staatsfeindlichen „Sozialdemokratismus” belegt – wird man diese Formulierung schwerlich als Beleg für eine Sozialismus-Affinität deuten können. Vielmehr ist es die Infragestellung der Definitionsmacht der marxistisch-leninistischen Staatspartei, die ein Deutungsmonopol nicht nur über den Sozialismus, sondern die Analyse und Interpretation der Gesellschaft insgesamt erhob. Zwar handelt es sich für unseren Zusammenhang dabei zunächst um einen Nebenschauplatz, aber diese Erläuterung scheint mir notwendig, wird doch dieses Schlagwort der Sozialismus-Affinität immer wieder allzu leichtfertig zur Diskreditierung der hier dargestellten theologischen Positionen ins Felde geführt. Hier jedenfalls greift es nicht. Die für unsere Themenstellung bedeutende Argumentationslinie des dritten Hauptteils lässt sich folgendermaßen rekonstruieren: Die theologische Voraussetzung, dass die konkret vorfindliche Gesellschaftsordnung verbesserlich sei, führt in die konkrete Aufzählung von Missständen der sozialistischen Gesellschaft der DDR in der frühen Honecker-Ära und mündet in die m. E. nicht sozialethisch eng zu führende, sondern als ekklesiologisch-konstitutiv anzusehende Forderung: „So könnte es in der Kirche eine kritische Öffentlichkeit, eine Stätte des freien Wortes, eine Offenheit für radikale Fragen und angstfreie Lernbereitschaft geben. Das wäre ein eminent wichtiger Beitrag zur mündigen Mitverantwortung in der Gesellschaft.”12 Hier wird also – so wird man zugespitzt sagen können – die Öffentlichkeitsfunktion der Kirche zu einer nota ecclesiae der Kirche für andere. Wenn wir nun in einem Zwischenschritt festhalten wollen, was man von dem von Heino Falcke auf der Bundessynode 1972 proponierten Konzept einer Kirche der Freiheit lernen könne, dann wäre dies Folgendes: 1. Die Kirche der Freiheit ist von ihrer theologischen Begründung her zu entfalten. Diese theologische Grundlegung geht allen Strukturdebatten und Kontextanaylsen voraus und bestimmt diese. 2. Die Kirche der Freiheit ist notwendig eine Kirche für andere, indem die Befreiung in Christus nicht in der Kirche zu ihrem Ziel kommt, sondern der ganzen Welt gilt. 3. Weil die Kirche der Freiheit Kirche für andere ist, bedarf sie einer theologisch begründeten, aber interdisziplinär durchgeführten Gesellschaftsanalyse. Die konkreten Herausforderungen in der Gesellschaft sind der Ort für Zeugnis und Dienst. Dabei sind die globalen Zusammenhänge zu berücksichtigen. 4. Die Struktur der Kirche hat sich ausschließlich an ihrem so bestimmten Auftrag in der so bestimmten Gesellschaft auszurichten. 5. Die Öffentlichkeitsdimension der Kirche gehört ursprünglich zu ihrem Dienst am Wort und ist eine Dimension ihres Zeugnisses. 6. Diese Struktur kann man als theologisch begründete Kontextualisierung bezeichnen. Nach diesem Zwischenergebnis möchte ich die Analyse des ungefähr zeitgleich entstandenen sogenannten „Profilpapiers” des BEK anfügen. Im Vergleich mit diesem Dokument, das nicht von einem einzelnen, sondern einem gesamtkirchlichen Ausschuss erarbeitet wurde, lassen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeiten, anhand derer dann meine These, dass 11 12 A.a.O., p. 28. A.a.O., p. 30. 46 Texte aus der VELKD Nr. 152 Anfang der siebziger Jahre im Rahmen der evangelischen Kirche in der DDR theologischekklesiologische Konzepte erarbeitet wurden, deren Potential bis heute unabgegolten ist, überprüft werden kann. Die Analyse wird – aus verschiedenen Gründen – etwas knapper ausfallen können. Der Titel des Papiers „Zeugnis und Dienst der evangelischen Kirche und Christen in der sozialistischen Gesellschaft der DDR”13 ist im Prinzip eine Explikation dessen, was mit der Formel „Kirche im Sozialismus” gemeint war. Es ist im gleichen Zeitraum entstanden wie der Synodalvortrag Falckes und wurde im Januar 1973 von der Konferenz der Kirchenleitungen als Diskussionspapier freigegeben. Es gibt deutliche Bezüge in Inhalt und Struktur des Profilpapieres zum Synodalvortrag Falckes, wohl nicht nur deshalb, weil der Autor des einen auch in der Autorengruppe des anderen Mitglied war. Freilich gibt es auch signifikante Unterschiede. Eine Gemeinsamkeit ist, dass auch das Profilpapier zu DDR-Zeiten nie publiziert werden konnte und somit nur innerkirchlich Verbreitung gefunden hat. Die genaueren Bezüge dieser beiden Papiere und die Entstehungsgeschichte des Profilpapiers sind m. W. noch nicht aufgeklärt und stellen ein wichtiges Forschungsdesiderat für die jüngere Theologiegeschichte dar. Hatte ich oben Falckes Entwurf als linksbarthianisch bezeichnet, so könnte man wohl das Profilpapier als die spätkulturprotestantische Variante begreifen, also auch mit der Gefahr behaftet, die notwendige Distanz zur herrschenden Kultur manchmal aus dem Blick zu verlieren. Die Struktur hat Anklänge an Tillichs Korrelationsmethode. Im ersten Teil wird die „Situation als Herausforderung” beschrieben. Dem folgt im zweiten Teil die theologische „Begründung für Zeugnis und Dienst” und mündet im abschließenden Teil in exemplarische Konkretionen. Der signifikanteste Unterschied in der Systematik ist, dass hier die Situationsanalyse am Anfang steht. Diese wird mit dem theologischen Auftrag konfrontiert, woraus schließlich die Antworten und Konsequenzen erwachsen. Im Synodalvortrag stand ja am Anfang die theologische Begründung und die Situationsanalyse war in ihre Entfaltung hinein genommen. Auch sonst gibt es beträchtliche Unterschiede, die nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass das Profilpapier ein kirchenpolitisches Gremien- und Konsenspapier ist. Das Ringen um Positionen und Formulierungen ist dem Text, zumal durch gewisse Inkonsistenzen und sprachliche Disparität, abzuspüren. Auch wird man fragen müssen, ob die Deskription der Situation nicht manchmal in der Gefahr steht, affirmativ zu klingen, wo wir uns ex post wohl nur wundern können. Freilich ist auch hier der historische Kontext zu berücksichtigen. Anfang der siebziger Jahre war ja z. B. die wirtschaftliche Situation noch nicht vergleichbar mit jener Ende der achtziger Jahre, wenngleich gerade die von Honecker veranlasste erhöhte und subventionierte Konsumgüterproduktion auf Pump, langfristig die ökonomische Funktionsfähigkeit untergraben hat. Dies alles zugegeben, bleibt doch festzuhalten, dass auch das Profilpapier für das Bemühen steht, in der spezifischen Situation in der DDR eine theologisch verantwortete Orientierung für Kirchen und Christen zu entwickeln. Gerade weil es auch deutlich vom Synodalvortrag Falckes abweicht, scheint es mir umso mehr ein Beleg dafür zu sein, dass die von mir oben in der Analyse heraus gearbeiteten Gesichtspunkte, keine zufällige Einzelmeinung darstellen, sondern exemplarisch stehen für einen breiten konzeptionellen theologischen Diskurs. Im Profilpapier wird die Begründung für Zeugnis und Dienst im wesentlichen mit dem theologischen Konzept der Sendung entfaltet: „Die Kirche hat ihren Auftrag aus ihrer Sendung 13 Demke, Christoph, Falkmann, Manfred; Zeddies, Helmut (Hg.): Zwischen Anpassung und Verweigerung. Dokumente aus der Arbeit des Bundes der Evangelische Kirchen in der DDR, Leipzig 1994, pp. 172-192. Die Bezeichnung „Profilpapier” taucht in der Edition nicht auf, obwohl dies die damals gebräuchliche Kurzbezeichnung war. 47 Texte aus der VELKD Nr. 152 durch Gott in Jesus Christus zu verstehen.”14 Diese Sendung wird ausdrücklich als missio, als Mission der Kirche angesehen und mit Rekurs auf Bonhoeffer als Kirche für andere bestimmt und durch den Dienst der Versöhnung konkretisiert. Letzteres immer wieder in deutlicher Anspielung gegen das antagonistische Verständnis gesellschaftlicher Kämpfe in der marxistischleninistischen Ideologie. So schillernd die Situationsbeschreibungen im ersten Abschnitt teilweise erscheinen, umso klarer sind die kritischen gesellschaftlichen Konkretionen im Schlussteil. Trotz aller Differenzen im Konkreten, lassen sich doch Entsprechungen des Profilpapiers zum Synodalvortrag im Systematisch-strukturellen extrahieren: Die theologisch als notwendig angesehene Situationserkundung, die theologische Begründung einer Kirche für andere, ein offener Kirchenbegriff, die Strukturentwicklung ausgerichtet an diesem Ziel, wobei im Profilpapier explizit auch die Überwindung innerprotestantischer konfessioneller Abgrenzungen genannt wird, die Konkretion öffentlicher Verantwortung in der konkret vorfindlichen Gesellschaft. Auch hier scheint es mir angemessen, von theologischer Kontextualisierung zu sprechen. Nachdem ich nun wesentliche Elemente der theologischen Standortbestimmung im Raum der evangelischen Kirchen in der DDR Anfang der siebziger Jahre an zwei exemplarischen Texten erhoben und zur Darstellung gebracht habe, wird es im Schlussteil darum gehen, zu überprüfen, ob und inwiefern diese theologischen Entwicklungen auch Wirkung in den evangelischen Kirchen in der DDR entfaltet haben. Ich werde es methodisch so halten, dass ich die Darstellung der Wirkungsgeschichte zugleich mit der Frage verknüpfe, inwiefern diese Erträge für heute Relevanz haben können. Ich werde es unterlassen, den allfälligen Kommentaren zum Impulspapier der EKD mit dem Titel „Kirche der Freiheit” einen weiteren hinzuzufügen, meine aber gleichwohl, dass der Ertrag meiner Untersuchung im Zusammenhang gegenwärtiger Reform-, Fusions- und Transformationsprozesse mit Gewinn gehört werden kann. III. Elemente einer theologischen Konzeption einer „Kirche der Freiheit” 1. Die erste Einsicht aus dem bisher Gesagten kann direkt und einfach zusammengefasst werden: Es ist grundlegend für das Kirchesein der Kirche, dass ihr Auftrag jeweils theologisch diskutiert und begründet wird. Vielleicht wird man sogar sagen können, dass eine gewisse Kultur des theologischen Diskurses in der Kirche selbst Voraussetzung ist für die Fähigkeit der Kirche, ihren Auftrag sachgemäß, also evangeliumsgemäß zu bestimmen. Deshalb wird man sich fragen müssen, wo eigentlich die Strukturen und Akteure sind, die Orte und Zeiten, die den theologischen Diskurs in der Kirche ermöglichen und tragen. 2. Der Grundimpuls, der von den hier dargestellten theologischen Diskursen der frühen siebziger Jahre ausgegangen ist, den Auftrag der Kirche von ihrer Sendung in die Welt, von ihrem Kirchesein für andere her zu bestimmen, hat auf dem selbst vielfältigen und wohl auch nicht immer geradlinigen Weg der evangelischen Kirchen in der DDR vielfältige Spuren hinterlassen. Die Rede von der Lerngemeinschaft, das Konzept der Zeugnis- und Dienstgemeinschaft, die Aufnahme ökumenischer Debatten, das Engagement für Kriegsdienstverweigerer, die diakonische Arbeit können hier als Ausläufer und wohl auch als Auswirkungen der streng christologischen Bestimmung des Auftrags der Kirchen angesehen werden. Für die gegenwärtigen Debatten könnte die triviale, aber gleichwohl grundlegende Konsequenz gezogen werden, dass vor und während jeder Organisationsentwicklung der ecclesia visibilis der grundlegende Auftrag klar und konkret theologisch bestimmt und kommuniziert werden muss: Was heißt es heute, Kirche für andere zu sein? Welche Sendung hat die Kirche? 14 A.a.O., p. 177. 48 Texte aus der VELKD Nr. 152 3. Die grundlegende Einsicht, dass die gesellschaftliche Situationserkundung theologisch notwendig ist, hat in den evangelischen Kirchen in der DDR weiter gewirkt. Die Herausforderungen im Bildungsbereich, die Monopolisierung von Information, der ideologische Anspruch des Marxismus-Leninismus, die Friedensfrage und die Umweltsituation sind nicht nur als sozialethische Einzelprobleme wahrgenommen worden, sondern als Kontextbedingungen des Kircheseins. Auf ihre Erkundung wurden methodische Finesse, Zeit und Energie verwendet. Dies ließe sich an vielen Beispielen belegen. Der Prozess der Ökumenischen Versammlungen in Dresden, Magdeburg und Dresden in den Jahren 1988 und 1989 ist vielleicht das frappierendste Beispiel. Nicht nur die Empfehlungen, die dort gegeben wurden, sondern auch die gesellschaftliche Situationsanalyse ist heute noch lesenswert. Für die gegenwärtigen Herausforderungen wäre hier wohl bedenkenswert, dass man die Situationsanalyse nicht auf den religiösen Markt in der Gesellschaft begrenzt, sondern die Analyse der Gesellschaft insgesamt, und das wird man heute wohl nicht mehr nationalstaatlich begrenzen können, als Bedingung der Möglichkeit für die Bestimmung und Erfüllung des Auftrags der Kirche ins Auge fasst. Obwohl das sehr vollmundig klingt, legt sich die These nahe, dass die Analyse der globalen und lokalen Dimensionen und Vernetzungen der gegenwärtigen Gesellschaft notwendige Voraussetzung für Zeugnis und Dienst der Kirche ist, die von Christus befreit und in die Welt gesandt ist. 4.1. Schon die Gründung des Bundes der evangelischen Kirchen in der DDR im Jahre 1969 wird man als Ausdruck dessen verstehen können, dass die Struktur und Gestalt der Kirche sich an ihrem Dienst und ihrer Sendung zu bemessen hat. Es wird zwar immer wieder eingeworfen, hier hätten sich die Kirchen im Osten Deutschlands in unzulässiger Weise staatlichem Druck gebeugt und damit nicht der 3. These der Barmer Theologischen Erklärung gemäß gehandelt. Ich halte dies aber bei genauerer Analyse für nicht haltbar. Der Weg, der beschritten wurde, um eine Vereinigte Evangelische Kirche in der DDR zu gründen, auch wenn dies schließlich nicht erfolgreich war, und zum Glück in diesem Falle nicht am Thüringer Sonderweg, sondern an der Berlin-Brandenburgischen Kirche scheiterte, ist ein deutliches Indiz für diesen Versuch, Strukturen nicht ausschließlich von der Tradition her zu begründen, sondern am Auftrag auszurichten. Dies hat für die gegenwärtige Debatte m. E. eminente Auswirkungen. Macht man mit dem Prinzip ernst, dass die kirchliche Struktur nicht primär an Tradition und dem Ziel der kirchlichen Selbsterhaltung orientiert sein soll, sondern Struktur und Gestalt der Kirche an ihrem Auftrag, Kirche für andere zu sein, gewonnen werden muss, dann würden sich noch viel weiterreichende Konsequenzen, als derzeit debattiert, ergeben. Die bisweilen anzutreffende Argumentation, dass die theologische Bestimmung der Kirche weitreichenden Strukturveränderungen entgegenstünde, also die Theologie in ihrer Alt-Ehrwürdigkeit wohl konservatorische Potentiale freilegen könne, scheint mir zumindest im Rahmen der hier analysierten Konzepte irreführend. 4.2. Darüber hinaus verdient die Überwindung innerprotestantischer konfessioneller Abgrenzungen besondere Erwähnung. Der Weg zu einer Vereinigten Kirche wäre ja von vorneherein verstellt gewesen, wenn die Trennung der lutherischen, unierten und reformierten Gemeinden und Kirchen nicht überwunden worden wäre. Neben den gesamtdeutschen und europäischen Gesprächsprozessen fanden in der DDR eigenständige Lehrgespräche zwischen den lutherischen und unierten Kirchen statt, die jetzt in einer Neu-Edition vorliegen. Diese mündeten in die „Gemeinsame Erklärung zu den theologischen Grundlagen der Kirche und ihrem Auftrag in Zeugnis und Dienst.” Diese wurde bis 1986 von allen Synoden beschlossen. Damit war das kirchlich Trennende zwischen den evangelischen Konfessionsfamilien doppelt überwunden. Zum einen durch den Rezeptionsprozess der Leuenberger Konkordie, zum anderen durch diesen Rezeptionsprozess der Ergebnisse der umfassenden Lehrgespräche. 49 Texte aus der VELKD Nr. 152 Vor diesem Hintergrund scheint es mir schwer nachvollziehbar, wenn in den aktuellen Debatten der Kirchenreform, insbesondere hinsichtlich der Fusion zweier ehemaliger Gliedkirchen des Bundes der evangelischen Kirchen in der DDR, die vermeintlichen theologischen Differenzen zwischen Unierten bzw. Reformierten und Lutheranern als Hemmschwelle für eine gemeinsame Kirche angeführt werden. Dies ist nicht nur theologisch schwer nachzuvollziehen, auch kirchenrechtlich ist nicht recht vorstellbar, wie diese Bedenken begründet werden können sollen. Zumindest müssten vorher die Synoden ihre Zustimmung zur genannten gemeinsamen Erklärung von 1985 revozieren, wenn nicht gar die zur Leuenberger Konkordie. Hier scheint es in der Tat so zu sein, dass die evangelischen Kirchen in der DDR ein Stück weiter waren. 4.3. Auch die zumindest partielle Öffnung der Kirche für nicht-traditionelle Gemeindeformen ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Dabei ist besonders an die Studentengemeinden, die offene Arbeit, vor allem aber auch an die sogenannten sozialethischen oder alternativen Gruppen zu denken, die sich im Raum der Kirche gebildet und unter ihrem Dach mit Themen wie Frieden, Umwelt, Menschenrechten, Ausreise und avant la lettre Gender befasst haben. Das Verhältnis von ihnen zur sogenannten Kerngemeinde und zu Kirchenleitungen war nicht selten spannungsreich, insbesondere als die gesellschaftlichen Konflikte in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre zunehmend offen zutage traten und sich quasi stellvertretend in der Kirche manifestierten. Gleichwohl ist zu konstatieren, dass es eine deutlich wahrzunehmende theologische Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Gruppen gab und etliche Positionen entwickelt wurden, die sie ekklesiologisch als legitime Form von Gemeinde anerkannt haben. Auch faktisch wurden sie, selbst dort wo es zum offenen Konflikt kam, ganz überwiegend als Teil der Kirche angesehen, wenn auch bisweilen als ungeliebter. Dies wird man nicht zuletzt damit erklären können, dass vor dem Hintergrund der oben dargestellten Situationserkundung in der Gesellschaft die Anliegen der Gruppen als im Prinzip nicht nur legitim, sondern als notwendig angesehen werden mussten, auch dort, wo sie als kirchenpolitisch störend wahrgenommen wurden. Fragt man hier nach Applikationsmöglichkeiten für die zeitgenössische Debatte, so scheint mir die Frage nach dem Gemeindeverständnis von besonderer Bedeutung. Organisationen reagieren auf Stress in der Regel mit Abschließungstendenzen. Davor scheinen auch die Kirchen nicht gefeit zu sein. Wenn in den, meist durch Sparzwänge ausgelösten Reformdebatten über Profilierung gesprochen wird, verbirgt sich dahinter nicht selten eine Tendenz, den Blick nur noch auf die sogenannte Kerngemeinde zu verengen. De facto werden damit 90% unserer Gemeindeglieder übersehen, die andere Beteiligungsformen bevorzugen. Dass gerade dies für den Protestantismus und die evangelische Kirche konstitutiv ist, wird man im Blick behalten müssen, ganz zu schweigen vom Auftrag zum öffentlichen Zeugnis, zum publice docere, auf das wir gleich noch zu sprechen kommen müssen. Strukturell betrachtet hatten die alternativen Gruppen in der DDR kerngemeindliche Charakteristika, wenn auch die Frömmigkeitsstile signifikant unterschiedlich waren. Sie waren gemeinschaftsorientiert und zeichneten sich durch aktives Partizipationsverhalten aus. In gewisser Weise hatten sie damit eine Affinität zu einem Gemeindeverständnis, das sich mehr den romantischen Gemeinschaftsidealen und dem bürgerlichen Vereinswesen des 19. Jahrhunderts verdankt als ihm oft bewusst ist. Die gegenwärtige Herausforderung wäre wohl, sich kirchlich-ekklesiologisch auf gelebtes evangelisches Christentum einzustellen, das sich zwar durch zurückhaltendes Teilnahmeverhalten – etwa nur jahres- oder lebenszyklisch – und eine distanziert-reflektiert gebrochene Identifikation auszeichnet, aber – so sagen uns das alle neueren Studien – äußerst stabil ist. Dass es gerade diese Milieus sind, die finanziell die evangelischen Kirchen tragen, halte ich nicht nur für organisationssoziologisch relevant, sondern auch für theologisch bedenkenswert. 5. Dass die Öffentlichkeitsdimension der Kirche ursprünglich zu ihrem Dienst am Wort gehört und eine notwendige Dimension ihres Zeugnisses ist, lässt sich in der Geschichte der evangelischen Kirchen in der DDR wie ein roter Faden nachvollziehen. Vielleicht könnte man 50 Texte aus der VELKD Nr. 152 dies sogar als ihr Grundthema benennen, dass sie es nie aufgegeben haben, gegen die von der staatlichen Seite intendierte Zurückdrängung in einen Bereich rituell-spiritueller Religiosität anzukämpfen. Die Beispiele, natürlich auch der Rückschläge, sind hier Legion. Es sei erinnert an den Kampf um Konfirmation, Junge Gemeinde und Studentengemeinde, der Widerstand gegen die Veranstaltungsverordnung und die Wehrerziehung. Die Synoden als Orte alternativer und kritischer Öffentlichkeit, die Kirchentage, die Rüstzeiten, die Vernetzungen der alternativen Gruppen, die kirchliche Presse, die graue Literatur zum innerkirchlichen Dienstgebrauch, die Präsenz in Hörfunk und Fernsehen nach dem 6. März 1978 bis hin zur schon erwähnten Ökumenischen Versammlung, die per se die Konstitution einer sonst in der Gesellschaft nicht möglichen kritischen Öffentlichkeit im Raum der Kirchen war. Dabei wird man unterscheiden, aber letztlich nicht trennen können zwischen dem öffentlichen Zeugnis, der Übernahme von öffentlicher Verantwortung durch die Kirche und dem Verständnis der Kirche selbst als kritischer Öffentlichkeit. Alle drei Punkte scheinen mir auch für die Gegenwart relevant, wenn man Kirche für andere als eine Kirche der Freiheit im Dienst der Befreiung sein will. Manchmal erscheint es mir so, dass hier Positionen, die in der DDR mühsam und mit großem Mut erkämpft wurden, de facto freiwillig geräumt werden, und dass manche unreflektierten Sparprozesse letztlich zu einer selbstgenügsamen Kirche führen könnten, wie sie die SED in über vier Jahrzehnten vergeblich zu erzwingen versucht hatte. Auch hier hilft es natürlich nichts, das Vergangene zu romantisieren, aber die Chance bestünde, aus diesem Prozess Impulse für die gegenwärtigen Herausforderungen unter veränderten Rahmenbedingungen zu gewinnen. 6. Das bisher Gesagte möchte ich in der Schlussthese zusammenfassen und zuspitzen, die nun gleichsam die beiden Ebenen, die historische und gegenwärtige, aufhebt in eine m. E. verallgemeinerbare theologische These: Theologische Kontextualisierung ist die Bedingung der Möglichkeit, dass die evangelische Kirche Kirche für andere und zugleich Kirche der Freiheit sein kann. Der Begriff der theologischen Kontextualisierung steht für das Gesamtkonzept, das ich hier herauszuarbeiten versucht habe, und das theologische Grundlegung, Situationserkundung usw. umfasst. In historischer Perspektive ist meine These, dass die hier analysierten theologischen Diskurse im Raum der evangelischen Kirchen in der DDR so wirkmächtig waren, weil ihnen die theologische Kontextualisierung gelungen ist. Heute wäre also die Herausforderung, nicht wie in der DDR nach Zeugnis und Dienst der Kirche in der sozialistischen Gesellschaft zu fragen, sondern nach Zeugnis und Dienst im globalen Konsumkapitalismus. Dabei ist die Kontextangabe „globaler Konsumkapitalismus” nicht pejorativ gemeint, sondern deskriptiv. Das wäre die Voraussetzung, um Kirche für andere, um Kirche der Freiheit sein zu können. Dazu braucht es Orte der Freiheit, an denen diese kontextuelle Bestimmung des Auftrags der Kirche Jesu Christi kommunikativ Gestalt gewinnen kann. 51 Texte aus der VELKD Nr. 152 Kirche zwischen Institution und Organisation Anmerkungen im Kontext der gegenwärtigen Kirchenreformdebatten* Klaus-Dieter Kaiser In der Auseinandersetzung um die Kirchengestalt des Protestantismus im Norden Deutschlands, meiner gegenwärtigen Heimat und somit meinem aktuellen Erfahrungshorizont, also im derzeitigen kontroversen Nachdenken um die sogenannte Nordkirche, wird von den besinnlicheren Stimmen mit Recht vor einer theologischen, präziser ideologischen Überhöhung der Argumente im Pro und Kontra gewarnt. Rationalität ist gefragt, wenn es um das Ziehen von Kirchengrenzen geht, um die Strukturen der Institution Kirche. Sie sollen eine dienende Funktion haben, damit die Voraussetzungen verbessert werden, das Evangelium unter die Menschen zu bringen. Dennoch predigen auch Strukturen. Und die Frage der Effektivität, der Arbeitserleichterung in der Kirche ist letztlich auch eine theologische Kategorie. Deshalb ist es angebracht, sich dieser Spannung zwischen Pragmatismus und theologischer Überzeugung, zwischen Organisation und Institution in der Kirche im gegenwärtigen Fusionsprozess zu stellen. Ich möchte dies im Zentrum, also im mittleren Teil meiner Ausführungen – sozusagen als unterbrechende Reflexion – tun. Zunächst möchte ich einige Anmerkungen zum bisherigen Weg zur „Nordkirche“ und dabei auch kurz auf die aus meiner Sicht strittigen Punkte, auf dem Weg zu einer angemessenen Kirchengestalt im Norden, eingehen. Im zweiten Teil, wie gesagt, folgt ein Nachdenken über Institution und Organisation und um dann im dritten Abschnitt einige Herausforderungen zu benennen und diese viertens noch einmal im Blick auf den „Nordkirchen“-Prozess als Fragen zu formulieren. 1. Das Projekt „Nordkirche“ 1.1. Jede Entscheidung bringt die Last der eigenen Geschichte mit: zum bisherigen Verlauf des Fusionsprozesses Zur Hintergrundgeschichte des gegenwärtig mit den zustimmenden Beschlüssen der drei Synoden der beteiligten Landeskirchen (Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs, Pommersche Evangelische Kirche und Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche)15 für einen Verbund dieser Kirchen eingeschlagene Weg, gehören der seit einigen Jahren existierende Kooperationsvertrag zwischen diesen Kirchen, die gescheiterte Fusion zwischen der ELLM und der PEK (einschließlich der Hinwendung nicht unbeträchtlicher Stimmen der PEK in Richtung der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz). In dieser Situation erfolgte im Frühjahr 2007 durch einen Brief von Bischof Dr. Knuth (NEK) an die beiden anderen Kirche eine Einladung zu Gesprächen über eine vertiefte Kooperation. Alle drei Synoden stimmten daraufhin auf ihren Frühjahrstagungen diesem Ansinnen mit großer Mehrheit zu und beauftragten ihre Kirchenleitungen, in entsprechende Verhandlungen einzutreten. Auch in der ELLM wurde so verfahren, obwohl seit Herbst 2006 noch eine andere Beschlusslage galt: die Fusion zwischen ELLM und PEK, die aber kurz vor dem Ziel zu scheitern drohte. Von den drei beteiligten Kirchenleitungen wurde eine Steuerungsgruppe eingerichtet, wobei sich aber noch vor der nächsten Synodentagung deren Auftrag veränderte. Von einer Kooperation hin zur einer geplanten Fusion. Das Projekt „Nordkirche“ bekam so eine Eigendynamik, die aber nachträglich von den Mehrheiten in den beteiligten Synoden bestätigt * Referat im Kurs „Woher wir kommen – wer wir sind!“ – der Weg der evangelischen Kirche in Ost- und Westdeutschland von 1989 bis 2009“ des Theologischen Studienseminars der VELKD am 30. April 2009 in Pullach; der Vortragssstil ist beibehalten. 15 Im weiteren abgekürzt als ELLM, PEK und NEK. 52 Texte aus der VELKD Nr. 152 wurde. Dennoch blieb das Problem, dass bei einer Entscheidung solcher Tragweite die Souveränität der Synoden berührt war. 1.2. Wo ist der Steuermann auf dem Kirchenschiff? Die hohe Geschwindigkeit und die damit einhergehende Eigendynamik solcher Prozesse gewinnt eine eigene Macht über den Verlauf. Unter Organisationsgesichtspunkten ist zu fragen: Wer sind die Subjekte, die hier selbstverantwortet und verantwortlich steuern? Und in der Perspektive der Institution ist zu fragen: Mit welchem Mandat und zu welchem Ziel werden hier Weichen gestellt? Also: wird der Prozess noch gesteuert, welches sind die dabei leitenden Kriterien (Orientierungsmarken) und wer steuert ihn oder steuert sich der Prozess bereits selbst? Wie berechtigt diese Fragen leider sind, zeigte sich daran, dass sich seitens der Kirchenleitungen, die viel Kraft und Zeit in diesen Prozess investiert haben, das Leitkriterium zum Beurteilen von Argumenten verschob. Es lautete im Verlauf des Fusionsprozesses verstärkt: Dient eine Entscheidung dem Prozess oder nicht. Damit ist aber die Gefahr des Selbstreferenziellen verbunden. 1.3. Synodenbeschlüsse Im Herbst 2007 erfolgen dann Synodenbeschlüsse zu Sondierungsgesprächen. Als Synodaler der ELLM stelle ich diesen Prozess nun vor allem aus der Sicht meiner Landeskirche und der entsprechenden Beschlüsse vor: „1. Die Synode nimmt den Bericht der von den Kirchenleitungen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs, der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche und der Pommerschen Evangelischen Kirche eingerichteten Steuerungsgruppe mit Dank zur Kenntnis. 2. Die Kirchenleitung wird beauftragt, mit der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, der Pommerschen Evangelischen Kirche auf der Grundlage des Berichtes der Steuerungsgruppe verbindliche Verhandlungen aufzunehmen mit dem Ziel, miteinander eine gemeinsame Kirche im Norden zu bilden. 3. Die Kirchenleitung wird gebeten, zusammen mit den beiden anderen Landeskirchen zum September/Oktober 2008 einen Fusionsvertrag zu erarbeiten. 4. [...] - September/ Oktober 2008: Beschlussfassung über den Fusionsvertrag und über ein verbindliches Verfahren mit dem Ziel, bis zum Jahr 2011 eine Vorlage für eine gemeinsame Verfassung den Synodalen zur Beschlussfassung vorzulegen.“16 Dieser anspruchsvolle Zeitplan wurde im wesentlichen beibehalten, auch wenn es zu leichten Terminverschiebungen kam und im Herbst 2008 zunächst ein Entwurf des Fusionsvertrages diskutiert wurde und erst auf den Frühjahrstagungen 2009 der Synoden der Vertrag zur Abstimmung vorlag und die notwendigen Mehrheiten fand. In Mecklenburg werden über diesen textgleichen Beschluss der drei Synoden hinaus folgende Fragen gestellt und in einem Beschluss den Verhandlungspartnern mit auf den Weg gegeben: Bei den Verhandlungen zwischen den drei Kirchen ist insbesondere zu beachten: 1. Welche Schlussfolgerungen ergeben sich aus unterschiedlichen Auffassungen über das Kirchenverständnis und den daraus abgeleiteten Konsequenzen für die Struktur der Kirche? 2. Welche Konsequenzen hat die „Auflösung“ unserer Kirche und die Überleitung in einen Kirchenkreis innerhalb einer großen Nordkirche? Welche Auswirkungen hat dies für die 16 Beschluss der XIV. Landessynode der ELLM (4. Tagung): Beschluss XIV/4-5 vom 17. November 2007. 53 Texte aus der VELKD Nr. 152 Stellung der Kirche in der Gesellschaft in Mecklenburg-Vorpommern? Welches sind die Folgen für das Verhältnis von Staat und Kirche? 3. Welche Konsequenzen hat die Bildung einer Nordkirche für den EKD-Finanzausgleich? 4. Wie soll das Verhältnis zwischen künftiger Nordkirche und den Kirchenkreisen gestaltet werden? 5. Wie können die Erfahrungen unserer Landeskirche in der besonderen säkularen Situation in den neuen Bundesländern und ihrer spezifischen gesellschaftspolitischen Situation in die Nordkirche und in den deutschen Protestantismus (EKD, VELKD) eingebracht werden? 6. Welche Auswirkungen hat eine Fusion zur Nordkirche auf die langjährigen Partnerschaftsbeziehungen zwischen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburg und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Bayern? Die Punkte 2, 3 und 6 sind bis zur Frühjahrssynode zu klären. Ergebnisse sollen in der 5. Tagung der Synode vorgestellt werden.“17 Die weitere Arbeit geschah durch die Steuerungsgruppe und verschiedene Untergruppen, die alle paritätisch zusammengesetzt waren. Es galt der Grundsatz des Verhandelns auf Augenhöhe. 1.4. Synopse der von den Kirchen angesprochenen Probleme: • Standortfragen zwischen symbolischer Präsenz (Bischofssitz, Vertretung gegenüber dem Land), Arbeitsfähigkeit und Sozialverträglichkeit • Theologische Begleitung / Fundierung des Fusionsprozesses (einschließlich Bekenntnisfragen) • Leitungsstruktur der neuen Landeskirche (Gliederungen, Ämter) • Ökumenische Dimension • Arbeitsrechtssetzung (Dritter Weg), Selbstverständnis und Gemeinschaft der Dienste • Finanzen (Machbarkeit, Gehaltsangleichungen) • Jugenddelegierte Wir haben es hier also mit einer Mischung aus theologischen, institutionellen (einschließlich Selbstverständnis) und rein organisatorischen (pragmatischen) Fragen zu tun. Kurz vor der Unterzeichnung des Fusionsvertrages durch die drei Kirchenleitungen wurden, um eine Zustimmung zu erreichen, noch entscheidende Punkte verändert (Standortfragen) oder nur scheinbar verschoben (Tarifrecht). Aus meiner Sicht bestimmten diese Entscheidungen weder Überzeugung noch Folgeabschätzung, sondern allein das mögliche Erreichen einer erhofften größtmöglichen Zustimmung. Ein Verfahren des notwendigen Interessenausgleiches, dem aber auch etwas Beliebiges anhaftet. Um die Eigendynamik solcher Prozesse einzudämmen, um zu entschleunigen, ist ein kurzes Innehalten, ein Unterbrechen ganz sinnvoll. Dies will ich nun in meinem Referat mit einigen Ausführungen zum Kirchenverständnis jenseits der Grundlegung des Kirchenverständnisses nach CA 7 tun. 17 Beschluss der XIV. Landessynode der ELLM (4. Tagung): Beschluss XIV/4-12 vom 17. November 2007. 54 Texte aus der VELKD Nr. 152 2. Kirchengrenzen sind ein weltlich Ding? Oder: Kirchenorganisation zwischen pragmatischer Rationalität und theologischer Grundlegung 2.1. Vom gegenwärtigen Sog zur Organisation Auch im derzeitigen EKD-weiten Reformprozess, auf den sich ja immer wieder in der „Nordkirchen“-Debatte bezogen wird, geht es um diesen Spannungsbogen. Auf dem Wittenberger Zukunftskongress im Januar 2007 ist davon gesprochen worden, dass sich nicht nur viele Bereiche der bundesdeutschen Gesellschaft, sondern eben gleichermaßen die Kirchen auf einem einseitigen Weg von der Institution zur Organisation befinden. Das hat zur Folge, dass gerade in den Reformdebatten der Kirche gegenwärtig stärker organisationsförmige Überlegungen eine tragende Rolle spielen; so auch im Impulspapier „Kirche der Freiheit“18. Das heißt aber, es kommt vor allem auf die Tätigkeiten Führen und Leiten innerhalb der Kirche an. Oder anders, mit den Worten von Niklas Luhmann gesprochen: „Reformen behandeln Glaubensfragen als Beschlusssache.“19 Bei mancher Diskussion in den drei Synoden der ELLM, der NEK und der PEK habe ich genau diesen Eindruck gewonnen. Der Theologe Friedrich Hauschildt hat dies im EKD-Reformprozess mit Bezug auf Überlegungen von Hans Joas und in der Tradition Friedrich Schleiermachers so beschrieben: „Diese Konzentration auf nützliches Handeln lässt andere Formen des Handelns (routiniertes, sinnerfülltes, kreatives oder existentiell reflektiertes Handeln) zurücktreten. Natürlich ist die utilitaristische Perspektive in bestimmter Hinsicht aufschlussreich. Wenn diese Perspektive sich aber faktisch absolut setzt, wirft sie in problematischer Weise, „über die phänomenale Vielfalt des Handelns sogleich ein wertendes Raster.“20 Kirchliches Handeln ist – mit Schleiermacher gesprochen – ganz wesentlich darstellendes Handeln, es ist Ausdruckshandeln. Die Wirksamkeit kirchlichen Handelns vollzieht sich im Wesentlichen nach den Gesetzen der symbolischen Interaktion. ... Das kirchliche Teilnahmeverhalten kann man nur verstehen, wenn man es nicht ausschließlich als von Nützlichkeitserwägungen bestimmt versteht.“ 21 Organisationen aber sind durch komplexe, arbeitsteilige und hierarchische Strukturen geprägt. Es sind Bürokratien im Sinne von Max Weber. Gesteuert werden Organisationen durch – möglichst zweckrationale – Entscheidungen. Effektivität und Nützlichkeit werden zum allein bestimmenden Maßstab. Organisationen unterscheiden sich deshalb von Gemeinschaften, seien diese traditional bestimmt oder seien diese informal-spontan. In beiden Fällen (traditional oder informal-spontan) leben Institutionen jeweils von ihrer Unveränderbarkeit, theologisch gesprochen, der Sakralität, die diese Existenzweise gewährleistet. Oder sie lösen sich auf. Derzeit leben wir in einer Situation, die von der Tendenz bestimmt ist, dass Organisationen als Leitvorstellung die gesamte Gesellschaft durchdringen. 2.2. Organisation und Institution sind zu unterscheiden Organisationen haben ein Programm, ein Personal und entsprechende Stellen. Damit sind Steuerungsmechanismen für eine Organisation gegeben, denn alle drei Momente sind variabel. Einziges Kriterium ihrer Veränderung oder ihrer Stabilität ist das Erreichen des vorgenommenen Zweckes. Institutionen dagegen haben ihren Zweck in sich (vgl. die ersten zehn Artikel des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland). Organisationen müssen sich deshalb permanent selbst beobachten, am effektivsten mittels Tabellen. 18 Kirche der Freiheit. Perspektiven für die evangelische Kirche im 21. Jahrhundert. Ein Impulspapier des Rates der EKD, Hrsg. vom Kirchenamt der EKD, Hannover, 2006. 19 LUHMANN, Niklas: Die Religion der Gesellschaft, (hrsg. von André KIESERLING), Frankfurt am Main, 2000, 245. 20 JOAS, Hans: Die Kreativität des Handelns, Frankfurt am Main, 19992, 214. 21 HAUSCHILDT, Friedrich: Materialien für eine Stellungnahme zum Impulspapier der EKD „Kirche der Freiheit“, überarbeitete Fassung vom 20. Oktober 2006, in: Kirchenamt der EKD (Hg.): Materialband Diskussion des Impulspapiers, Hannover, o.J. (2007), 60. 55 Texte aus der VELKD Nr. 152 Versteht sich die Kirche, die als Teil der Gesellschaft und in der Welt existiert, und so auch immer Anteil an deren Organisationsformen hat und haben muss, nun aber primär oder völlig als Organisation, ergeben sich mehrere Probleme: • Erstens haben Organisationen eine „künstliche“ Mitgliedschaft. Man muss aus ihnen ohne weiteres ein- und vor allem auch austreten (bzw. ausgeschlossen werden) können. Die Freiheit des Kirchenaustrittes gehört dazu; aber der character indelebilis der Taufe22 steht dem entgegen. Mitgliedschaft in einer Kirche ist eben mehr – und damit ist ein Beschreiben der Kirche allein als Organisation für diese unterbestimmt. Kirche ist eben mehr als ein Interessenverein, ist mehr als ein Verbund Gleichgesinnter. Kirche ist Kirche für alle Menschen. • Zweitens ermöglicht ein Begreifen der Kirche als Organisation eine effektivere Kommunikation der Kirche mit anderen Teilsystemen der Gesellschaft, die ja ebenfalls organisationsorientiert arbeiten. Aber damit besteht die Gefahr für die Kirche, ununterscheidbar von der Welt zu werden, ihre Selbstunterscheidung preiszugeben und damit zur Selbstsäkularisierung beizutragen. Das organisationsförmige Bild einer Einrichtung, so auch der Kirche, wird dann zum Leitbild der Kirche. Ironisch gesprochen: Welche Erwartungen an die Kirche werden enttäuscht, wenn man im Oberkirchenrat einen Kirchenbeamten aufsucht, weil man eine Auskunft will, und diesen statt über den Akten im Gebet vertieft vorfände. Die Verwunderung über ein solches Verhalten sagt einiges über unser Kirchenbild aus. „Andererseits ist es aber auch schwer vorstellbar, dass Entscheidungen, die die Organisation binden, in der Form eines gemeinsamen Gebets getroffen werden“23, so Niklas Luhmann. Aber welche Rolle haben dann die Gottesdienste und Andachten innerhalb der Sitzungen; z.B. unserer Synoden? Sie halten diese Balance in den kirchlichen Entscheidungsgremien offen. Kirche ist in der Welt und zugleich etwas Fremdes in dieser rationalen Welt. • Drittens hat Kirche durch ihre Organisationsfähigkeit Anteil an einer arbeitsteiligen Struktur und damit der Professionalität ihrer Arbeit. Gleichzeit steht das Priestertum aller Glaubenden quer zu dieser Gestaltform der Kirche. Kirche kann und darf nicht – bei aller Bedeutung der symbolischen Präsenz z.B. durch Pastorinnen und Pastoren, durch Kirchengebäude und anderes, in Stellenplänen und Bauplänen aufgehen. Kirche lebt von einem Interaktionssystem, kann also nicht primär als Dienstleistungsgewerbe beschrieben werden, das statt Teilnehmende und damit (in welcher Intensität auch immer) Dazugehörende nur noch als Kunden mit ihren Wünschen kennt. Effektivität und Kundenorientierung kann also nicht das alleinige und auch nicht das bestimmende Merkmal von Kirche sein. Denn die Kirche lebt aus der Gnade Gottes, vollzieht also in Entsprechung zu diesem Geschenk eine Ökonomie des Verschwendens. • Kirchen sind aber, im Unterschied zu zweckrationalen Organisationen (an deren Charakter sie natürlich Anteil haben) Glaubens- und Gesinnungsgemeinschaften. Sie haben primär Personen als Adressaten ihrer Arbeit. Nimmt nun viertens der Organisationsanteil in der Kirche zu, kann dies zu einer Schwächung des Glaubens 22 Vgl. Stellungnahme der Kammer für Theologie der EKD: Taufe und Kirchenaustritt (EKD-Texte 66), Hannover, 2000. Dort heißt es unter III. 8. (S. 13): „In evangelischer Verantwortung muss die Rede vom ‚character indelebilis‘, den die Taufe den Getauften verleiht, in fünffacher Weise entwickelt werden: 1. als bleibende Zugehörigkeit des Ausgetretenen zu Jesus Christus und damit als unzerstörbaren Indikativ des Heilszuspruchs; 2. als Hinweis auf den unheilvollen Widerspruch des Ausgetretenen zu dieser ihm geltenden Verheißung; 3. als seine bleibende Ansprechbarkeit auf den Glauben hin; 4. als bleibende Anfrage an die Identität des Ausgetretenen, die ihm durch die Taufe als die Würde eines Christenmenschen zugesprochen ist; 5. als bleibende Bezogenheit der Gemeinde auf alle Getauften, also auch auf die, die die Kirche verlassen haben.“ Siehe auch: Die Taufe. Eine Orientierungshilfe zu Verständnis und Praxis der Taufe in der evangelischen Kirche, hrsg. vom Rat der EKD, Hannover, 2008; hier bes. 36. 23 LUHMANN, aaO. (Anm. 5), 226. 56 Texte aus der VELKD Nr. 152 • führen. Damit würde sich aber die Kirche als Gesamtheit (Institution und Organisation) schwächen. Schärfer gesagt: Das sogenannte Kerngeschäft der Kirche (Glaube, Hoffnung und Liebe) ist letztlich(!) nicht organisierbar. Glaube entzieht sich einer totalen Planbarkeit, hat stattdessen Geschenkcharakter, ist unverfügbar. Glaube unterbricht unser weltliches Tun mitten in der Welt. Die Kategorie des Unterbrechens steht aber quer zur an Berechenbarkeit orientierten Organisation. Fünftens gilt, wenn Organisationen vor allem durch ihre effektiven Entscheidungsstrukturen bestimmt sind – und die Kirchen, auch meine mecklenburgische Landeskirche, hier sicher nicht an einem Zuviel leiden – , auch hier die Warnung vor einem Übergewicht an Organisationsförmigkeit im Leben der Kirche. Entscheidungen können und müssen zwar korrigierbar sein, also sind Organisationen durchaus etwas Lebendiges. Aber Korrekturen sind etwas völlig anderes als das Vergeben von Schuld. Dies nun macht das Wesen des kirchlichen Lebens nach innen wie nach außen aus. Das damit verbundene Unterbrechen der Wirklichkeit mit ihren (Organisations-)Gesetzen macht das Wesen von Religion aus, ist aber das Gegenteil einer funktionierenden Organisation. Organisationen stehen für Sicherheit, die Kirche für die christlich zu charakterisierende besondere Form der Freiheit. Eine Kirche der Freiheit unterläuft jede Stabilität von organisationsgeprägten Strukturen. Die Kirchen sind Sand im Getriebe der Welt. Das alles wiederum heißt nicht, ganz auf Organisation und Planung bei den Rahmenbedingungen zu verzichten. Aber der Organisation sind Grenzen gesetzt. Sie eröffnet Gestaltungsräume, bestimmt aber nicht das Wesen der Kirche. Nur dann kann sie von Nutzen sein. Dann tragen organisationsförmige Gestaltungskriterien dazu bei, dass die Kirchen ihre Aufgaben erfüllen können. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es in der Kirche eine Balance von segmentären und funktionalen Tätigkeiten geben muss. Segmentär meint, dass diese von der Wiederholung der gleichen Form an allen Orten leben (Liturgie). Hierin besteht ihre Erkennbarkeit. Zugleich müssen sie funktional sein, zumal sie sich gesamtgesellschaftlich in einer Wettbewerbssituation, und vor allem auch Kommunikationssituation befinden. Die Kirche will den Menschen Halt und Orientierung geben. In den Ermöglichungsbedingungen muss sie dies effektiv tun, also organisationsbestimmt. Aber zugleich bedarf es dabei mehr als einer je nach den vorfindlichen Bedingungen veränderbaren Botschaft. Sie braucht Stabilität – genau das, was sich die Menschen in ihren Nöten und in ihrer Freude von ihr erhoffen. Glaube, Hoffnung und Liebe; darauf wollen sich die Menschen verlassen können. Oder, um es noch einmal mit Luhmann zu sagen: „Aber die Religion will sich auf das, was sie schon ist, verlassen können.“24 Die christliche Kirche eben auf den, der sich selbst offenbart hat als der, der er sein wird. Wir brauchen deshalb ein neues Verständnis der Volkskirche. 3. Kirche in der Pluralität von Gemeinden gestalten Ich möchte nun mit einigen konkreten Überlegungen für die Struktur von Gemeinden bei uns in Mecklenburg Konsequenzen aus diesen (kirchen-)soziologischen Vorüberlegungen anschließen. 1. Die Kirche muss für die Menschen, gerade im ländlichen Raum, erfahrbar bleiben (vgl. Motiv der Nachbarschaft). Dies erfordert vor allem einen überschaubaren Raum, in 24 LUHMANN, aaO. (Anm. 5), 249. 57 Texte aus der VELKD Nr. 152 2. 3. welchem die Kirche lebt und unterschiedliche Beteiligungsformen für alle ermöglicht. Dieser Nahbereich ist für die Menschen entscheidend. Eine notwendige Mindestgröße einer Gemeinde, um die Vielfalt und Aufgaben einer Gemeinde kompetent wahrnehmen zu können, ist dabei zweitrangig. Wohl brauchen wir bestimmte Ressourcen, die es im Zusammenspiel zu organisieren gilt, aber diese Organisationsformen sind keine geistlichen Kriterien. Gleichzeitig gilt: Auch Strukturen, auch das Kirchenrecht, sagt etwas über das Wesen der jeweiligen Kirchengestalt aus. Stattdessen sollen durch verbindliche Kooperationen zwischen Gemeinden und durch die Zurüstung von Ehrenamtlichen die hierfür nötigen Kompetenzen und Ressourcen erreicht werden. Dabei gilt: Gerade Ehrenamtliche brauchen die Unterstützung durch arbeitsfähige Strukturen und durch hauptamtlich Tätige (in wechselseitiger Wertschätzung). D.h.: a) Nicht jede Kirchgemeinde muss alle Dienste vorhalten. In der jeweiligen Region bzw. Propstei25 sind Schwerpunkte in den einzelnen Gemeinden zu setzen. Dies verlangt, auch im Blick auf die Besetzung von hauptamtlichen Stellen, klare und uneigennützige Absprachen. Die verschiedenen Ebenen kirchenleitenden Handelns sind dabei gefragt. Es muss klare Regularien hierfür geben. Die Propstei und der Kirchenkreis sind die entsprechenden Ebenen, wo nötige Entscheidungen getroffen werden. Gerade die Propsteien benötigen hierfür eine Mindestgröße, die z. Z. nicht überall gegeben ist. Hier handelt es sich um Fragen der effektiven Organisationsformen, weniger um Fragen zum Leben der Gemeinden. Egoistische Eigeninteressen von Gemeinden müssen dabei hinter den Gesamtinteressen zurücktreten. Dies erfordert u. U. einen entsprechenden rechtlichen Rahmen im kirchenleitenden Handeln, um zu Entscheidungen zu kommen. b) Die sich ergänzende Schwerpunktsetzung soll im Blick auf die räumliche Struktur durch Koordination und Netzwerkstrukturen erreicht werden. Das Modell von Zentren mit allen Angeboten kirchlichen Lebens sowie einer großen Ausstrahlung einerseits und einer Peripherie andererseits, in der dann das sogenannte kleine Standardprogramm ohne größere Ausstrahlung im Sinne einer Grundversorgung zum Tragen kommt, ist dafür aber nicht geeignet. Menschen wollen Kirche als Teil der Nachbarschaft und in der Form symbolischer Präsenz an allen Orten, also auch und vor allem in ihrer Nachbarschaft. c) Im Sinne der symbolischen Präsenz (und nicht als Aushöhlung des Priestertums aller Glaubenden missdeutet) ist es sinnvoll, möglichst flächendeckend Pastorinnen und Pastoren unabhängig von der Gemeindegliederzahl einzusetzen. Sie sind dann neben dem Parochialdienst notwendigerweise mit anderen übergemeindlichen Diensten nach ihren Begabungen und Kompetenzen zu beauftragen. Auch dies verlangt ein enormes Maß an Steuerungselementen und kirchenleitendem Handeln; auch hier haben wieder die Aspekte einer Organisation ihren sinnvollen Ort. Um die Ausstrahlungskraft von Kirche zu steigern ist es nicht sinnvoll, sich aus Teilen der Fläche zurückzuziehen und primär auf die Anziehungskräfte von Zentren zu setzen. Vielmehr sollte statt einer Strukturierung im Raum ein Gestalten in der Zeit erfolgen. Dies nimmt ernst, dass Menschen in ihrem Alltag einen Rhythmus brauchen. So sollte es durch Absprachen zwischen den Gemeinden und der damit verbundenen Nutzung jeweiliger Ressourcen gelingen, in allen(!) Kirchgemeinden im Laufe eines Jahres 25 Die verwendeten Begrifflichkeiten für kirchliche Struktureinheiten beziehen sich auf die in der derzeitigen ELLM. 58 Texte aus der VELKD Nr. 152 4. 5. 6. 7. 26 Höhepunkte im Gemeindeleben zu schaffen, die eine weiterwirkende Ausstrahlungskraft besitzen. Dies ist in weiten Teilen der mecklenburgischen Landeskirche bereits gute Praxis, sollte sich aber (theologisch reflektiert) auch in der Agenda des derzeitigen kirchlichen Reformprozesses niederschlagen. Solche Höhepunkte geben dann auch neue Impulse in das jeweilige Gemeindeleben und stärken es. Es gilt also, nicht unsere geringer werdenden Kräfte räumlich zu zentrieren, sondern sie zeitlich zu konzentrieren. Damit leistet die Kirche auch einen Dienst an und in der Welt, indem sie einem gängigen Trend der räumlichen Konzentration (Schließung von Geschäften, Schulen, Bahnhöfen, Buslinien usw.) praktisch entgegenwirkt. Kirche wird so über die Kerngemeinde hinaus öffentlich wahrgenommen und tritt einer Privatisierung des Lebens entgegen. Glauben muss in allen seinen drei26 Dimensionen von kirchlichem, öffentlichem und persönlichem (auch biografischem) Bezug in der jeweiligen Gemeinde lebbar sein. Gemeinde ist also interaktiv, braucht das verantwortliche Miteinander der Beteiligten. Gemeinde ist für die Menschen auch außerhalb der Kirche in der Welt da, bringt sich dort ein. Gemeinde ist für die persönliche Lebensbegleitung da, ist manchmal auch Kirche bei Gelegenheit. Damit ereignet sich Gemeinde in der Spannung von Beheimatung der Menschen, Verantwortungsübernahme in der Welt aus christlicher Perspektive und gelebter Frömmigkeit bzw. Lebensbegleitung. Es gilt dabei die Vielfalt der Gemeindeformen zu erhalten. Hier sollte also die Dimension der organisationsgeleiteten Entscheidungen eher in den Hintergrund treten. Gleiches gilt für die Vielfalt der Beteiligungsformen der Menschen am Gemeindeleben. Im Blick auf die Rede von den Kernaufgaben dürfen diese Unterschiede nicht hierarchisch gewertet werden. Kirche ist eben mehr als eine auf Effektivität ausgerichtete Organisation. Sie ist vielmehr, wie bereits ausgeführt, eine Institution, die Teilhabe ermöglicht, ohne sie gleichzuschalten. Diese Unterschiede in der Teilhabe, die mitunter auch mit einem schmerzlichen Mangel an Kompetenz verbunden ist, dürfen nicht vorschnell gewertet werden. Eine rein finanzielle Bindung an die Kirche über das Zahlen der Kirchensteuer oder die sogenannten Heilig-Abend-Christen sind zu achtende Beteiligungsformen. Gleichfalls gilt: Die Menschen dürfen nicht überfordert werden. Die Kirche ist also weder reine Dienstleistungsinstitution noch reine Zusammenkunft der sich selbst verwaltenden Aktiven. Sie ist eher eine Hülle, um Glaube, Hoffnung und Liebe mitten in der Welt zu erfahren. Die Kirche geht deshalb nicht in der (aktiven) Gemeinde auf, sondern repräsentiert das Geschenk der Gnade, indem sie Gottesdienst feiert (Bedeutung der Liturgie). Ohne dieses Feiern verliert die Kirche ihr Zentrum, wird zur bloßen Organisation. Passivität in diesem Sinne gehört zur Teilhabe an Kirche dazu. Kirchen müssen zu Symbolorten des Glaubens in seiner pluralen Gestalt in der Öffentlichkeit werden. Dabei ist das Kriterium der Erreichbarkeit von Kirche hilfreich (in beide Richtungen zwischen den Menschen und der Kirche). Kirche lebt von der permanenten (und sich wiederholenden) Präsenz, als sichtbare Gestalt mitten im Dorf, mitten in der Stadt. Mit Erreichbarkeit ist sowohl die räumliche Erreichbarkeit gemeint als auch die von Menschen, die in sehr unterschiedlichen Milieus leben. a) Deshalb braucht diese Erreichbarkeit die Form der Parochie b) als auch die Form der Profilgemeinde bzw. spezifischer kirchlicher Dienste und Werke. Will Kirche flächendeckend präsent sein, bezieht sich dies nicht allein auf den Raum, sondern auch auf die vielfältigen Mentalitäten und Einstellungen von Menschen; Vgl. Kirche der Freiheit, aaO. (Anm. 4), 44. 59 Texte aus der VELKD Nr. 152 ansonsten verlieren wir als Kirche den Zugang zu bestimmten Milieus. Auch im Blick auf Profilgemeinden und spezifische Dienste ist ein Rückzug aus der Fläche keine sinnvolle Alternative. Deshalb ist nach Modellen zu suchen, die die Parochie und andere spezifische Sozialgestalten von Kirche miteinander verbindet. 8. Priorität in allen Gemeindeformen hat die Gestaltung von Kirche als Lernort der Sprache des Glaubens. Wir müssen wieder neu lernen, über unseren Glauben zu reden, öffentlich und privat, in den Schulen, auf den Straßen und Plätzen, in den Medien, und auch in den Familien. Das Reden über den Glauben darf nicht auf Grund eines Gefühls der Peinlichkeit verstummen. Hier ist Ermutigung in doppelter Hinsicht nötig: zur Kompetenz und zum Ablegen der Scheu, über die eigene Trias von Glaube, Hoffnung und Liebe zu reden. So wird das Wesen der Kirche, wie es in CA 7 beschrieben ist, lebendig gestaltet: „Es wird auch gelehret, dass alle Zeit musse ein heilige christliche Kirche sein und bleiben, welche ist die Versammlung aller Glaubigen, bei welcher das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakrament lauts Evangelii gereicht werden. Dies ist genug ...“27 Dabei ist zwischen Kirche und Gemeinde zu unterscheiden. Gemeinde ist nur eine (unter anderen) Formen der Vergesellschaftung (Geselligkeit) von Kirche. 4. Kirchen auf dem Weg Kommen wir nun zum Schluss auf das Projekt „Nordkirche“ zurück. Die äußere Form, insbesondere die Größe einer Landeskirche ist – im Unterschied zur inneren Struktur, die theologisch begründet sein muss – nach pragmatischen Kriterien zu gestalten. Hauptkriterium ist dabei die Frage, welche Rahmenbedingungen am besten der Verkündigung der befreienden Botschaft des Evangeliums von Jesus Christus den Menschen in einer bestimmten Region dienen. Aus mecklenburgischer Sicht sind m. E. im Blick auf die Konzeption einer „Nordkirche“ folgende Fragen zu beantworten: 1. Ist im Zusammenspiel von Parochialgemeinden, gesamtkirchlichen Werken und Diensten mit der Leitungs- und Verwaltungsebene unter den Bedingungen der „Nordkirche“ eine Erreichbarkeit und Nähe der Menschen in den Kirchgemeinden der ELLM durch haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende besser gegeben als bisher? Werden die Menschen in unseren Gemeinden diese neue Landeskirche als ihre Kirche annehmen oder nimmt der Abstand zur Landeskirche angesichts einer Zentralisierung in einem weiten Raum eher zu? 2. Können wir in einer „Nordkirche“ die besonderen Erfahrungen einer Kirche in einem spezifisch geprägten säkularisierten Umfeld (anders als in Hamburg oder in SchleswigHolstein) besser einbringen? 3. Geht eine ostdeutsche Stimme im Konzert der Kirchen der EKD nun eher unter? 4. Werden wir dann von großen Teilen auch und gerade der nichtkirchlichen Bevölkerung Mecklenburgs als nicht mehr zur Region gehörig wahrgenommen? Ist es nicht vielmehr unsere Aufgabe, auch von der äußeren Struktur her klar erkennbar „Kirche im Land“ zu sein, um unserem Kernanliegen, „die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk“ (Theol. Erklärung von Barmen) in MecklenburgVorpommern gerecht zu werden? 5. Verlieren wir in der Perspektive der zivilgesellschaftlichen Akteure und auch des Staates unseres Bundeslandes an gesellschaftlicher Relevanz, obwohl wir als eine der wenigen 27 BSLK, Bd. 1, Göttingen, 1939, 59f. 60 Texte aus der VELKD Nr. 152 6. Institutionen im Bundesland flächendeckend arbeiten? Gerade die gegenwärtige Föderalismusdebatte zeigt dies: Bildung und Kultur liegen eindeutig in der Hoheit der Bundesländer. Also: Ein Bundesland und eine Landes(!)kirche. Findet hier, auch wenn dies nur ein – leider schwer zu entkräftendes – Vorurteil ist, ein faktisch so wahrgenommener bzw. so interpretierter Entsolidarisierungsvorgang im Bundesland statt? Sind wir also als zukünftige „Nordkirche“ im Wahrnehmen vieler Menschen in unserem Bundesland dann gar Teil einer fremden, großen und „reichen“ westdeutschen Kirche (im Sinne eines Vorurteils)? Die Stärkung der Ost-WestBeziehungen geschieht jedenfalls in den Gemeinden vor Ort (Partnerschaften) und in den Veranstaltungen der Dienste und Werke und nicht primär im Kirchenamt in Kiel. Um diese und weitere Fragen zu beantworten, müssen wir klären, was wir als Kirche wirklich wollen und in einen Fusionsprozess einbringen möchten. Erst wenn dies jede Kirche für sich und im Gespräch miteinander geklärt hat, können auch belastbare Aussagen darüber getroffen werden, welche Formen einer gemeinsamen Kirchengestaltung im Norden Deutschlands sinnvoll ist! Dies könnte eine gemeinsame „Nordkirche“ sein. Dies können aber auch Kooperationen in der Verwaltung im Sinne der Entlastung zwischen den drei Kirchen im Norden sein, sowie Vertiefung und weiterer Ausbau von Kooperationen in den Diensten und Werken bei vorläufiger weiterer Selbständigkeit, der beiden Kirchen in MecklenburgVorpommern. Die kommenden Verhandlungen zur neuen Verfassung werden es zeigen, ob uns in den drei Kirchen ein wirklicher Neuanfang gelingt, oder ob die in der NEK bisher in den letzten 30 Jahren nicht gelösten Probleme fortgeschrieben werden und die zukünftigen Tagesordnungen bestimmen. Nutzen wir die Möglichkeiten im Miteinander der drei Kirchen bei der Gestaltung der zukünftigen Kirchengestalt beherzt und in aller Offenheit im gemeinsamen Gespräch ohne vorschnelle Denkverbote: um der Menschen im Norden willen, auch wenn wir hier im tiefsten Bayern in Pullach zusammengekommen sind. 61 Texte aus der VELKD Nr. 152 Die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen als Ausdruck verschiedener kultureller Identitäten Matthias Rein 1. Einführung Nach dem Fall der innerdeutschen Mauer zeigte sich stärker als von vielen erwartet, dass die Grenze zwischen Ost- und Westdeutschland bis 1989 nicht nur eine Territorialgrenze, sondern auch eine kulturelle Grenze war. In den vierzig Jahren der Teilung haben sich unterschiedliche Kulturen in Ost und West herausgebildet. Die kulturellen Unterschiede zwischen West und Ost verschwanden nicht einfach nach dem Mauerfall, sondern setzen sich fort, haben Bestand, modifizieren sich in je verschiedener Weise. Auch das überrascht viele. Manche in Ost und West fragen, wann sich Mentalitäten und Werthaltungen in Ostdeutschland „endlich“ dem westdeutsch Normalen angleichen. Ob diese Erwartung berechtigt ist, darf bezweifelt werden. Ausgeprägte kulturelle Unterschiede zwischen Regionen in Deutschland gibt es auch unabhängig von den Ost-West-Differenzen. Das katholische Oberbayern unterscheidet sich kulturell und im Blick auf Mentalitäten vom evangelischen Franken und z.B. vom kirchlich schwach geprägten Südniedersachsen. Innerhalb eines Landes mit gemeinsamer Geschichte und gleichen politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen können verschiedene regionale kulturelle Identitäten zeitgleich nebeneinander existieren und Bestand haben. Der Hamburger praktische Theologe Peter Cornehl beschreibt spezifische Unterschiede zwischen Ost und West folgendermaßen: „Vierzig Jahre getrennter Entwicklung im geteilten Deutschland haben Spuren hinterlassen. Die Folgen sind auch zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung noch wirksam. Es haben sich in Ost und West sehr unterschiedliche Lebenseinstellungen herausgebildet. Joachim Gauck spricht von „zwei Kulturen“. Die Tradition obrigkeitlicher Verhaltensdispositionen und ihrer „Anpassungsrationalität“ - betont Gauck - ist noch älter. Der Alltag in einer nicht-demokratischen Gesellschaft produziert nahezu zwangsläufig so etwas wie eine „Kultur der Ohnmacht", von der auch die oppositionellen Kräfte mitbestimmt worden sind.28 So tapfer viele Christen in der DDR dem Diktat des von der Staatspartei verordneten weltanschaulichen Atheismus und seinem Totalitätsanspruch in Schulen und Hochschulen, Betrieben und Kulturbetrieb widerstanden haben, es blieb denen, die sich verweigerten, kaum etwas anderes übrig als der Rückzug in die Gemeindenischen und kleinen kirchlichen Subkulturen. Dort war man unter sich. Kirche war ein Schutzraum. Das war viel. Und doch war allen klar, dass man gegen „die da oben“ wenig tun konnte. Sie hatten die Macht, und es bestand keine Aussicht auf Veränderung der Gesellschaft im Ganzen. Auch heute herrscht noch eine gewisse Ängstlichkeit, in die Öffentlichkeit zu gehen. Dazu kommen neben den nachwirkenden alten die vielfältigen neuen Ohnmachtserfahrungen, die nach der Wende durch das neue System der kapitalistischen Leistungsgesellschaft, durch Arbeitslosigkeit und Armut die Menschen belasten.“29 28 Vgl. dazu Gaucks „Berliner Rede zur Freiheit“, die er in einer Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung am 26.4.2009 hielt. In Auszügen unter www.welt.de/wams_print/article3624334/Nur-der-Kapitalismus-kann-sicheinen-Sozialstaat-leisten.html (Zugriff am 3.6.2009). 29 Cornehl, Peter: Perspektiven, Chancen und Grenzen. Theologische Betrachtung der Nordkirche, in: Forum Nordkirche, Sonderbeilage der Arbeitsstelle Gemeinsame Nordkirche im Norden, Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung vom 23.11.2008, 8f. 62 Texte aus der VELKD Nr. 152 20 Jahre nach dem Mauerfall verharren die ostdeutschen Christen ängstlich in Gemeindenischen und Subkulturen. Sie haben Angst vor Öffentlichkeit. Sie leben wie vor der Wende in einer Kultur der Ohnmacht, so Cornehl. Was in den letzten 20 Jahren für die Ostdeutschen geschah, welche Entwicklungen im Blick auf Mentalität und Identität es seit dem Mauerfall gab, wird von Cornehl nicht angesprochen. Zu fragen ist, welchen Maßstab Cornehl seinem Urteil über die Ostdeutschen zugrunde legt. Zu fragen ist, welche Erfahrungen und Wahrnehmungen ihn bewegen, ein solch negatives Bild von den Ostdeutschen zu zeichnen. Cornehl geht von seinen westdeutschen Erfahrungen und Gewohnheiten aus. Daran misst er die Ostdeutschen und kommt zu einer grundsätzlich negativen Bilanz.30 Zu fragen ist weiter, wie ostdeutsche Christen sich selbst wahrnehmen und wie sie in ihrem Umfeld wahrgenommen werden.31 Die folgenden Ausführungen wollen helfen zu verstehen, worin die kulturellen Unterschiede zwischen Ost und West bestehen, wie sie entstanden sind und welche Bedeutung sie gegenwärtig für die Menschen in Ost und West haben. Dem liegt die These zugrunde, dass eine Reihe von Unterschieden zwischen Ost- und Westdeutschen auf zu unterscheidende kulturelle Identitäten zurückgehen, die auch nach dem Mauerfall Bestand haben und tradiert werden. Die Wahrnehmung dieser Unterschiede als kulturelle Differenzen hilft, diese zu verstehen und mit ihnen besser umgehen zu können. 2. Identität – Kultur – kulturelle Identität aus der Sicht von Soziologie und Kulturwissenschaft Was ist aus soziologischer und kulturwissenschaftlicher Perspektive unter kultureller Identität zu verstehen? Dazu kommen zwei Stimmen aus aktuellen Veröffentlichungen zu Wort. a) Was ist Identität? Wie entsteht Identität? „Die Identität ist die Antwort auf die Frage: Wer bin ich?, und wenn es um die kollektive Identität geht, wird das „wir“ thematisiert: Wer sind wir? Identität ist nie einfach gegeben, sei es durch die Natur oder durch eine unveränderliche Schöpfungsordnung, auch wenn sich viele genau darauf beziehen und sich dadurch zu stabilisieren versuchen, sondern Identität wird konstruiert. Die Vorstellungen vom Ich und die Vorstellungen vom Wir sind aktive Herstellungsprozesse und haben die Aufgabe, Sinn herzustellen, der wiederum die Basis für die individuelle und kollektive Handlungsfähigkeit bildet. Identitätskonstruktionen begründen eine sinnhafte Ordnung darüber, dass sie Grenzen ziehen für das, was mich oder uns betrifft und sie tun das durch Abgrenzung zum Anderen, durch Differenzsetzungen. Sie schaffen claims, die wir für uns beanspruchen, sie definieren Rechte, die daraus folgen, sie produzieren Motivationen für die Verteidigung oder Ausweitung von claims. Sie schaffen mit anderen Worten Zugehörigkeiten und sichern darüber Verortung und Beheimatung.“32 „Die Konstruktion von Identitäten bezieht ihre Baumaterialien aus Geschichte, Geografie, Biologie, 30 So begegnet es nicht selten in der Darstellung und Beurteilung der ostdeutschen Verhältnisse durch Westdeutsche, vgl. Seibt, Gustav: Harzreise im Sommer, Druckausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 9.6.2008. Maxim Billers Beitrag „Deutsche deprimierende Republik“ aus der FAZ vom 22.3.2009 lässt fragen, was an der klischeehaften karikierenden Darstellung der Ostdeutschen ernst zu nehmen ist und was ins Kabarett gehört. Interessant an dem Text ist, dass hier eine westdeutsche Sicht der Dinge explizit (und überzogen) zur Sprache kommt. Ob Biller mit dem Text mehr will und erreicht als zu provozieren, bleibt offen. 31 Vgl. dazu Rein, Matthias: „20 Jahre nach dem Fall der Mauer: Woher wir kommen – wer wir sind!“. Ost-/WestDifferenzen in der nichtkirchlichen und kirchlichen Binnen- und Außenwahrnehmung. Materialien und Thesen, Texte aus der velkd 146/2008, 18-21. 32 Keupp, Heiner: Identitätspolitik zwischen kosmopolitischer Euphorie und fremdenfeindlicher Ausgrenzung, in: Kalscheuer, B. u. Allolio-Näcke, L. (Hg.): Kulturelle Differenzen begreifen. Das Konzept der Transdifferenz aus interdisziplinärer Sicht, Frankfurt/New York 2004, 147-166, 154. 63 Texte aus der VELKD Nr. 152 von produktiven und reproduktiven Institutionen, aus dem kollektiven Gedächtnis und aus persönlichen Phantasien, von Machtapparaten und aus religiösen Offenbarungen“.33 „Identitätspolitik sind nun alle symbolischen und realen Handlungen, über die anderen und einem selbst angezeigt werden soll, wo das Eigene vom Fremden abgegrenzt werden muss, wo Bedrohungen dieser Grenzziehungen gesehen und abgewehrt werden müssen. Identitätspolitik findet jeden Tag und überall statt, in der Mikropolitik persönlicher Begegnungen, in der Kommunikation zwischen Gruppen und Organisationen, in den Beziehungen zwischen Staaten. Sie wird uns meist aber nur darin bewusst, wenn eingeschliffene Identitätskonstruktionen bedroht sind und neu verhandelt werden müssen.“34 b) Was ist Kultur? Wie entsteht kulturelle Differenz? „In den modernen Gesellschaften dient der Begriff der Kultur der Beschreibung kohärenter individueller und gesellschaftlicher Handlungs- und Deutungsmuster. In kommunikativen Prozessen der Selbstbeschreibung „materialisiert“ sich Kultur demnach sowohl in den Formen der Wahrnehmung von Welt als auch in konkreten menschlichen Tätigkeiten. Ein wichtiges Merkmal von Kultur ist ihre Kontinuität, die jedoch von sehr unterschiedlicher Dauer sein kann. Sie ist offensichtlich dort am stärksten ausgeprägt, wo ihr das Attribut der Tradition zugeschrieben wird. Bei Traditionen handelt es sich um verfestigte kulturelle Praxen, deren zentrales Merkmal ihre „Invarianz“ bildet. ... Bei „kulturellen Traditionen“ handelt es sich demnach um erstarrte Formen kultureller Praxen, durch die die gegenwärtigen, aktuellen Handlungs- und Deutungsmuster beeinflusst und strukturiert werden. Kultur kann damit als der Schnittpunkt „synchroner“ und „diachroner“ Kommunikationsstrukturen charakterisiert werden. Während sich die „synchronen“ Kommunikationsstrukturen auf die Parallelität und Vielfalt von Ereignissen und Erfahrungen innerhalb der gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse beziehen, sind die „diachronen“ Kommunikationsstrukturen das Resultat historischer Entwicklungen. ... Kulturen werden in ambivalenter Weise sowohl als aktuelle Referenzsysteme für Deutungs- und Handlungsprozesse als auch als Differenzsystem beschrieben, die die Individuen und Gemeinschaften in ihren Deutungen orientieren. ... Kultur wird als ein ambivalenter Zusammenhang beschrieben, durch den sich den Menschen einerseits ein reichhaltiger Kosmos an (Welt-)Erfahrungen und (Welt-)Deutungen erschließt, der andererseits jedoch zugleich auch eine kulturelle Begrenzung von Welt darstellt. Das zentrale Prinzip der Generierung kultureller Deutungen und Muster bildet das Mittel der Beurteilung zum Zwecke der Differenzierung, etwa in Trennendes und Gemeinsames. Die „Produktion“ kultureller Unterscheidungen erfolgt also nicht allein aufgrund der Beschreibung objektiver, „(wert-)neutraler“ Differenzen, sondern durch die bewusste und (be-)urteilende Wertung. Kulturelle Differenzen sind damit von Anfang an in widersprüchlicher Weise eingeschrieben in die gesellschaftlich geltenden Norm- und Wertesysteme. Widersprüchlich sind sie deshalb, weil es sich bei den Kulturen selbst nicht um eine homogene Einheit des Wertens und Urteilens handelt, sondern weil innerhalb der Kulturen konkurrierende Deutungen auf widersprüchliche Weise mit enthalten sind und Geltung beanspruchen.“35 33 Castells, M.: Das Informationszeitalter, Bd.2: Die Macht der Identität, Opladen 2002, 9. Keupp aaO., 155. Keupp hat als Psychologe und Soziologe eine Professur für Sozial- und Gemeindepsychologie an der LMU München inne. 35 Geisen, Thomas: Kultur und Identität – Zum Problem der Thematisierung von Gleichheit und Differenz in modernen Gesellschaften, in: Kalscheuer, B. u. Allolio-Näcke, L. (Hg.): Kulturelle Differenzen begreifen. Das Konzept der Transdifferenz aus interdisziplinärer Sicht, Frankfurt/New York 2004, 167-188, 173-175. Geisen ist Soziologe, Politikwissenschafter und Pädagoge und arbeitet als Dozent an der Uni Zürich. Er forscht zu Migration, Mobilität und Identitätspolitik. 34 64 Texte aus der VELKD Nr. 152 c) Zum Verhältnis von territorialen und kulturellen Grenzen Kulturelle Grenzen unterscheiden sich von nationalstaatlich-territorialen Grenzen nach Osterhammel durch folgende Sachverhalte: Kulturelle Grenzen beziehen sich auf die Konstruktion von Differenzen zwischen zivilisatorischen Einheiten. Kulturelle Grenzen orientieren sich an geografischen und politischen Grenzen, stimmen aber nicht immer mit ihnen überein. Kulturelle Grenzen sind selbst Teil einer Kultur und somit nicht einfach selbstverständlich durch Kultur gegeben, sondern veränderbar.36 Für die Beschreibung kultureller Identitäten in Ost- und Westdeutschland erscheint mir wichtig, dass kulturelle Identitäten eine gewisse Invarianz haben, also nicht sofort verschwinden, wenn sich territoriale Vorgaben ändern. Kulturelle Identitäten entstehen in längeren Zeiträumen und setzen sich je aktuell mit anderen Kulturen auseinander, denen sie begegnen. Die Abgrenzung der eigenen kulturellen Identität von der Identität anderer ist wichtig für die eigene Identitätsbestimmung. Kulturelle Identitäten verändern sich bewusst und unbewusst. Sie sind vorgegeben und können doch auch beeinflusst werden. 3. Kulturelle Abgrenzungen zwischen Ost und West im öffentlichen Diskurs zwischen 1990 und 2002 In einer 2007 veröffentlichten Studie zeichnet der Psychologe und Kulturanthropologe Lars Allolio-Näcke Stationen zunehmender kultureller Grenzziehung zwischen Ost- und Westdeutschen nach 1989 nach.37 Er bezieht sich dabei zunächst auf den öffentlichen Diskurs in den Medien und in politischen Debatten, der von den Sozialwissenschaften rezipiert und reflektiert wurde. Dieser Diskurs wirkt wiederum zurück auf Urteile und Überzeugung der Menschen im alltäglichen Miteinander. Wichtige Ergebnisse seiner Untersuchung seien hier kurz dargestellt und kommentiert. Als die ostdeutschen Demonstranten im Herbst 1989 „Wir sind ein Volk!“ riefen, sprachen sie auch der großen Mehrheit der Westdeutschen aus tiefster Seele. Die Westdeutschen, so AllolioNäcke, meinten, die Ostdeutschen seien so wie sie, 40 Jahre Teilung konnten daran nichts ändern. Die Ostdeutschen nahmen ihrerseits an, ihre Schwestern und Brüder im Westen leben zwar in größerem Wohlstand, tragen modische Kleidung und fahren bessere Autos, im Blick auf Überzeugungen, Werte und Alltagsverhalten seien sie so wie sie. Diese Annahme stellt einen Grundmythos der deutsch-deutschen Wahrnehmung dar. Aber es sollte sich bald herausstellen, dass beide Seiten zwar annahmen den anderen zu kennen, weil er einem gleich sei. Wie der Andere tatsächlich ist, wusste indes keiner genauer.38 In Westdeutschland gehörte es über die persönliche und allgemeine Meinung hinaus zum Selbstverständnis von Gesellschaft, Staat und tragenden politischen Kräften, dass beide Teile Deutschlands eine nationale und kulturelle Einheit bilden.39 Nach dem Fall der Mauer wurde der direkte Vergleich der Menschen in Ost und West möglich. Nun allerdings traten Animositäten, Ressentiments und gegenseitige Vorwürfe zutage, die sich als Mentalitätsgräben darstellten. Die nun wahrnehmbaren mentalen Unterschiede, die unter dem Eindruck der gewaltsamen Trennung nur geringe Relevanz hatten, wurden als Fakten ins 36 Osterhammel, Jürgen: Geschichtswissenschaft jenseits des Nationalstaates. Studien zu Beziehungsgeschichte und Zivilisationsvergleich, Göttingen 2001, 216-218.221. 37 Ders.,: Ostdeutsche Frauen haben (k)eine Chance. Doing Identity 15 Jahre nach der deutsch-deutschen Vereinigung, Hamburg 2007, besonders das Kapitel Die Ostdeutschen, 145-182, ders.: Ostdeutsche Identität als kulturelle Grenzziehung, in Psychologie & Gesellschaft 2/2004, 43-60. 38 Vgl. Allolio-Näcke, Ostdeutsche Frauen, 151. 39 Vgl. dazu weiter die Ausführungen des Autors zum Verständnis von Kulturnation und Staatsnation, aa0., 146148. 65 Texte aus der VELKD Nr. 152 Leben gerufen.40 Mit dem formalen Beitritt der fünf neuen Bundesländer zum Gebiet der Bundesrepublik Deutschlands am 3.10.1990 veränderte sich die gegenseitige Wahrnehmung der Ost- und Westdeutschen, so Allolio-Näcke. Jetzt wurde sichtbar, was man vorher nicht sehen konnte. In einem Exkurs geht der Autor der Frage nach, wie nach 1989 das Selbstverständnis der Bewohner der neuen Bundesländer als Ostdeutsche entsteht. Spätestens seit der ersten freien Wahl in der DDR am 18.3.1990 wurde zwischen der ehemaligen DDR, dem sozialistischen Staat, und der gewendeten DDR, die von einer durch freie Wahlen hervorgegangenen Regierung regiert wurde, unterschieden. Diese „neue“ DDR existierte formal bis zum 3.10.1990. Wer damals als DDR-Bürger im Ausland nach seiner Herkunft gefragt wurde, sagte, durchaus auch mit Stolz, sofern er den Sturz der alten DDR-Regierung und die politischen Umwälzungen begrüßte, er sei DDR-Bürger, und zwar Bürger der neuen, demokratischen DDR. Zu diesem Zeitpunkt bezeichneten sich Menschen aus der neuen DDR noch nicht als Ostdeutsche. Der Terminus Ostdeutschland wird zu dieser Zeit noch zur Bezeichnung der Gebiete östlich von Oder und Neiße verwendet, die bis 1945 zum Deutschen Reich gehörten. Mit der Unterzeichnung der Zwei-plus-Vier-Verträge und dem endgültigen völkerrechtlichen Verzicht Deutschlands auf die Gebiete östlich von Oder und Neiße wird der Begriff Ostdeutschland territorial neu zugeordnet. Er wird nun zur Bezeichnung der vor dem Krieg als mitteldeutsche Gebiete bezeichneten Regionen verwendet. Diese neue Zuordnung wird zunächst von den (westdeutschen) Medien vorgenommen und dann auch von der Politik übernommen. Allolio-Näcke meint, diese Zuordnung sei in erster Linie eine mediale Konstruktion. Die Bürger in den neuen Bundesländern hätte diese Bezeichnung kaum verwendet. Der Begriff „ostdeutsch“ entwickelt sich dann von einem politisch-medialen Alltagsbegriff zu einem sozialwissenschaftlichen Terminus. Ostdeutsch wird zur Bezeichnung einer kollektiven Identität, die sich territorial, sprachlich, gesellschaftlich und wirtschaftlich von der westdeutschen Identität unterscheidet.41 Die Identität des DDR-Bürgers verschwindet und wird in der Identität des Ostdeutschen konserviert. Gestützt wird die nun entstehende ostdeutsche Identität durch die den Ostdeutschen gemeinsame Erfahrung des Verlusts der Heimat und durch die soziale Ungleichheit zwischen Ost und West. Zu fragen wäre an dieser Stelle, wie stark das Moment der willkürlichen oder unwillkürlichen Konstruktion bei der Entstehung der ostdeutschen Identität ist. Interessant sind die Rückwirkungen dieser Prozesse auf die Identität der Menschen, die bisher in der „alten“ Bundesrepublik gelebt haben. Es entsteht nun die Identität der Westdeutschen. Zugespitzt heißt dies, eine dezidiert westdeutsche Identität in Abgrenzung zu den Ostdeutschen gibt es erst, seitdem es Ostdeutsche gibt und seitdem sich Westdeutsche von Ostdeutschen unterscheiden müssen und wollen.42 Nach dem Beitritt der ostdeutschen Bundesländer zur Bundesrepublik übernehmen Experten aus Westdeutschland fast alle leitenden Funktionen in staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen. Ostdeutsche bleiben von diesen Positionen in den nächsten Jahren fast gänzlich ausgeschlossen. Das instrumentelle und implizite Wissen der Menschen, die in der DDR aufgewachsen sind, verliert damit von heute auf morgen an Bedeutung und Relevanz:43 40 Vgl. aaO., 153. Vgl. aaO., 156-158. 42 Was die Identität der Westdeutschen im Unterschied zu den Ostdeutschen ausmacht, beschreibt z.B. Maxim Biller in seiner polemischen Rede, s.A. 3. 43 Vgl. Allolio-Näcke, Ostdeutsche Frauen 159f. 41 66 Texte aus der VELKD Nr. 152 „Die Ostdeutschen mussten sich nunmehr am westdeutschen Wirklichkeitswissen orientieren, was eben nicht nur eine Neuorientierung im Bereich instrumentellen Wissens meint, sondern auch den großen Bereich impliziten Wissens, also jene schwer thematisierbaren Wissenssegmente einer Kultur, die reflexiv nicht ohne weiteres verfügbar sind und daher bei jeder Person, die zum „Eigenen“ gerechnet wird, vorausgesetzt werden. Der Zwang zur Wertschätzung westdeutschen Wissens bedeutet für die Ostdeutschen gleichzeitig die Entwertung eigener Wissensstrukturen (also auch: eigener Vergangenheit und eigener Wertorientierung) und ist damit in hohem Maße selbstwert- und identitätsbedrohend.“44 Wer aus dem Westen kam, konnte in Ostdeutschland als Experte für Wirklichkeitswissen auftreten. Wer aus dem Osten stammte, war qua Herkunft Laie in dieser Hinsicht. Dieses Gefälle bestimmt bis heute den Alltag in Ostdeutschland und spielt nach wie vor eine wichtige Rolle bei der Besetzung von Leitungspositionen. In Ostdeutschland lebt und arbeitet eine Führungselite, die nicht aus den Regionen stammt, in denen sie wirkt. Deutlich sichtbare Unterschiede zwischen Ost und West bestehen nach wie vor im Blick auf die Einkommen und das verfügbare Vermögen der Bevölkerung. Begründet werden die geringeren Pro-Kopf-Gehälter u.a. mit einer niedrigeren Arbeitsproduktivität im Vergleich zum westdeutschen Durchschnitt. Wie Wolfgang Engler zeigt, befinden sich nach wie vor die wichtigsten Bereiche der Wertschöpfung in Westdeutschland. Ein angemessener Vergleichswert wäre deshalb der Umsatz pro Beschäftigten. Und da erreichen ostdeutsche Firmen gleiche Werte wie westdeutsche.45 Diese Faktoren lassen besser verstehen, warum sich viele Ostdeutsche nach der Wende als unterprivilegiert und depriviert fühlen. Die gesellschaftlichen Statusunterschiede im Blick auf Einkommen, Vermögen und Führungspositionen sind nach der Vereinigung nicht verschwunden, sondern haben sich verschärft.46 Wie ostdeutsche Wissensformen hat die „Ostsprache“ an Relevanz verloren. Der Gebrauch typischer Begriffe und Wendung wird vermieden, gleiche Wörter haben mitunter in Ost und West verschiedene Semantik, was zu Kommunikationsproblemen führt. Auch im Blick auf die Sprache dominiert die Kultur der alten Bundesländer. Auch hier besteht eine Experten/LaienKonstellation.47 So ist nüchtern festzustellen, dass sich kurz nach der Wende 2/3 der Ostbürger in erster Linie als Deutsche fühlten. Nun, etwa 12 Jahr später fühlt sich die Mehrheit der Ostdeutschen zunächst als Ostdeutsche.48 Michael Thomas kommt 1998 zu folgendem Schluss: „Seit Ende der 1990iger Jahre hat sich ein anhaltender, sich verschärfender sozialer und kultureller Trennungsprozess zwischen Ost- und Westdeutschland aufgetan.“49 Eine nicht unwesentliche Rolle in diesen Prozessen hat die westdeutsch dominierte Medienlandschaft gespielt, die die gesellschaftliche Meinungsbildung bestimmt, widerspiegelt und verstärkt.50 Alloloi-Näcke charakterisiert den öffentlich-dominanten Ost-West-Diskurs anhand kultureller Grenzlinien, die aus den Diskursen über „Fremde“ stammen. 44 Strenger, Horst, Lüchauer, Annemarie: Verweigerte Gleichwertigkeit. Zur Reproduktion des Ost-WestUnterschiedes unter Wissenschaftlern, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 3/1998, 490516, 499, zit. nach Allolio-Näcke, Ostdeutsche Frauen, 159. 45 Vgl. Allolio-Näcke, Ostdeutsche Frauen, 160f. Vgl. weiter Engler, Wolfgang: Die Ostdeutschen als Avantgarde, Berlin 2002, 85ff. 46 Vgl. Allolio-Näcke, Ostdeutsche Frauen, 161. 47 Vgl. aa0., 162f. 48 Vgl. aaO., 164, A. 166. 49 Thomas, Michael: Paradoxien in der deutschen Transformationsdebatte, in Berliner Debatte Initial, 2-3/1998, 104-116, 106, zit. Allolio-Näcke, Ostdeutsche Frauen, 165. 50 Vgl. Allolio-Näcke, Ostdeutsche Frauen, 165. 67 Texte aus der VELKD Nr. 152 a) Verweigerte Gleichwertigkeit: Westdeutsche Einstellungen und Werte werden in den Diskursen bewusst oder unbewusst als Norm gesetzt. Einstellungen und Werte Ostdeutscher weichen von der Norm ab und gelten als defizitär. Die Werte Ostdeutscher erscheinen in dieser Perspektive als traditionell, verzögert, entwicklungsbedürftig, anpassungsbedürftig. Die eigene Geschichte der Ostdeutschen kommt nicht in den Blick. Das Leben der Ostdeutschen wird vor allem als Leben in einer Diktatur im Zeichen einer Unrechtsgeschichte wahrgenommen, positive Erfahrungen treten kaum zutage. Solche Art verweigerter Gleichwertigkeit im Sinne von „Jeder hat seine eigene Erfahrungen und eigene Geschichte“ erzeugt Widerstand bei denen, die der gesetzten Norm nicht entsprechen, und vergrößert die Kluft zwischen Ost und West.51 b) Verweigerte kulturelle Gleichzeitigkeit: Der Andere wird aus dem Hier und Jetzt in eine historisch vergangene Zeit versetzt, was ihm eine zeitgleiche Entwicklung und somit legitime Existenzberechtigung in der gleichen Zeit wie die des Wahrnehmenden abspricht. Lebensumstände und Prägungen des Anderen werden in absehbarer Zeit von selbst untergehen, da sie überholt sind, so die Annahme. Die ostdeutsche Teilgesellschaft gilt in diesem Sinne als vormodern und unmündig. Sie hat nachholende Modernisierung nötig. Der Ostdeutsche wird als Exot wahrgenommen, der als Mensch aus längst vergangenen Zeiten in die Gegenwart katapultiert wurde: „In aktuellen Diskursen werden gern Eigenschaften, die als konstituierend für ostdeutsche Mentalitäten gelten, unhinterfragt als Beleg für die Natürlichkeit gegen die morbiden Westler der Konsumwelt ausgespielt: Aufgeschlossene Freundlichkeit contra Eiseskälte, Solidarität contra Ellenbogengesellschaft, Familiennähe contra Vereinzelung ... Es erscheint der ostdeutsche Wilde einer fast vorindustriellen Gesellschaft als Gegenbild zu einer kaputten, dekadenten Zivilisation.“52 c) Verweigerte kulturelle und geografische Nähe: Eine weitere Strategie zur Abgrenzung versucht, Distanz zu schaffen zwischen den Menschen in Ost und West. Ostdeutsche werden dann zu einer eigenen Spezies erklärt, quasi ethnisiert. So schreibt der Regensburger Politikwissenschaftler und Experte für Osteuropa und die Totalitarismusforschung Jerzy Macków 2001 in der Wochenzeitung „Die Zeit“: „Ostdeutsche sind atomisierte Menschen ohne Geschichtsbewusstsein und herkömmliche Wertesysteme, ehrfürchtig den Staat anbetend, welcher ihr gesamtes Leben organisiert und ihre Existenz sichert – solche Menschen nennt man Sowjetmenschen.“53 Eine Ethnisierung positiver Art betreibt der Sozialreport 1999, der die Bürger in Ostdeutschland als Menschen ohne Rechte und ohne Eigentum darstellt.54 Allolio-Näcke resümiert: „Hatte es von Seiten der Bundesrepublik Deutschland vor der Wiedervereinigung – wie dargestellt – keinen Zweifel an der gleichen Kulturzugehörigkeit gegeben, so wendet sich das Bild nach 1990. Die gleiche kulturelle Zugehörigkeit wird mehr und mehr verdrängt, ja sogar geleugnet. Auf der anderen Seite wird von ostdeutscher Seite die kulturelle Gleichheit mehr und mehr betont, jedoch ab 1997 ebenfalls wieder infrage gestellt. Macków reproduziert das Schema des Eisernen Vorhangs, der geteilten Welt, das vormals die 51 Vgl. aaO., 166-170. Stecker, Karin: Zur Fragwürdigkeit des Erinnerns. Die selektive Wahrnehmung von DDR-Geschichte. In: Diederich, U; Friese, Heidrun (Hg.): Veränderungen – Identitätsfindung im Prozess: Frauenforschung im Jahre Sieben nach der Wende, Bielefeld 1997, 159-180 163f., zit. nach Allolio-Näcke, Ostdeutsche Frauen, 172. 53 Ders., Sowjetmenschen im Sozialstaat, Die Zeit 13/2001, 13. 54 www.sfz-bb.de/Aktuelles/sozialreport1999/sr1999.pdf 52 68 Texte aus der VELKD Nr. 152 Welt in die Kultur des Sozialismus, die des Kapitalismus und der sogenannten blockfreien Staaten einteilte. Zeichnete sich die kapitalistische Kultur durch ihren Individualismus, durch ihre Orientierung auf Erfolg und Gewinn sowie dem Ideal der Freiheit aus, konnotierte man die sozialistische Kultur mit Kollektivismus, der Orientierung am Gemeinwohl und dem Ideal der Diktatur des Proletariats, die dem Kommunismus den Weg bereiten sollte. Lebensform und Orientierung wurden – und werden hier auch bei Macków – dichotom als zwei Endpole verschiedener Skalen gefasst, die sich niemals mischen werden können, so wie »oil and water« (Hall 1999: 280). Folgt man dieser Logik, so ist ausgeschlossen, dass diese kulturelle Prägung überwunden werden kann – zumindest nicht von denen, die in den alten Denkweisen erzogen worden sind, ist sie doch Bestandteil der Identität des Einzelnen, wie Eriksons Identitätsmodell (vgl. Erikson 1995) zu postulieren weiß. Setzt man voraus, dass die Ostdeutschen stabile Identitäten entwickelt haben, so bedeutet das, dass die einmal entwickelte Identität als Kern der Person stabil und unverändert bleibt. Kann so überhaupt ein kulturelles Gemisch entstehen? Vielmehr noch, kann dann von einer gemeinsam geteilten Kultur oder einer gemeinsam zu entwickelnden Kultur gesprochen werden?“55 „Für den Westen erscheint die Lage unproblematisch. Hier ist man der wahre Deutsche, der, der diesen Namen auch verdient. Und die andere Seite? Wie begreift man sich in den neuen Bundesländern? Welche Wahl zur Identität hat man hier, wenn man eigentlich nicht existiert, wenn man weder Biografie noch Geschichte hat, weil diese nicht anerkannt wird und man sich ihrer 1989 selbst entledigen wollte? Welche kulturellen Grenzziehungen sind aus der Position des „Verdrängten“, des „Markierten“, des „Ausgeschlossenen“ noch möglich?“56 Antworten auf diese Fragen gibt die Sicht einer 23-jährigen ostdeutschen Frau, mit der der Autor ein Interview geführt hat, das er in seiner Untersuchung dokumentiert und ausführlich kommentiert. Sie kehrt die Wertzuschreibungen der öffentlichen Diskurse um: „Ostdeutsch“ besetzt sie positiv und verbindet es mit den Attributen „wärmer, freier, reflektierter, hilfsbereiter“. Für sie gilt, dass jeder in Ost und West eine eigene biografische Geschichte hat, die gleich viel wert ist. Und mittlerweile fällt es ihr schwer zu erkennen, woher jemand kommt: „Es gibt Westdeutsche, die würd ich glatt für einen Ostdeutschen halten.“57 So werden die in der Öffentlichkeit dominanten Diskurse individuell unterlaufen, infrage gestellt und kulturelle Grenzen neu gezogen. Die Aufhebung der innerdeutschen kulturellen Grenzziehung scheint aus der Sicht der Frau einfach: Nur die „hundertprozentige Akzeptanz gegenseitig, ... keine Verurteilungen, keine Vorurteile, sondern einfach: Ich akzeptiere den anderen, so wie er ist, ohne wenn und aber.“58 4. Kritische Würdigung und Fazit Allolio-Näckes Untersuchungen beziehen sich auf den Zeitraum 1990 bis 2002. Die Stimmen im öffentlich-dominanten Diskurs, die er aufgreift, sind vorwiegend westdeutscher Provenienz. Manche Urteile und Bewertungen wirken aus heutiger Sicht überzogen und stark emotionalisiert. Man hat den Eindruck, dass in den ersten 10 Jahren nach dem Mauerfall eine gewisse Ernüchterung über den jeweils Anderen in Ost und West Einzug hielt, die auch mit Enttäuschung, Verärgerung und dezidierter Abgrenzung verbunden war. Die Hinweise des Autors über Verweigerung von Gleichwertigkeit, Gleichzeitigkeit und kultureller Nähe, die vielen westdeutschen Wahrnehmungen im Blick auf Ostdeutsche zugrunde liegen, geben 55 Allolio-Näcke, Ostdeutsche Frauen, 17f, 56 AaO., 176. 57 Vgl. aaO., 180. 58 Allolio-Näcke, Ostdeutsche Identität, 55. 69 Texte aus der VELKD Nr. 152 wichtige Verstehenshilfen für die Kommunikationsprobleme. Sie lassen verstehen, worauf sich eine Haltung des Von-oben-herab mancher Westdeutscher bezieht. Sie lassen weiter verstehen, warum Ostdeutsche zuweilen dünnhäutig auf solche Verweigerungen reagieren. Sie zeigen, dass es sowohl dem Einzelnen als auch den öffentlichen Diskursen in Westdeutschland schwer fällt, Prägung und Geschichte ihrer ostdeutschen Landsleute in einem anderen Koordinatensystem als dem vertrauten wahrzunehmen und zu beurteilen. Zu fragen ist, wie sich in den Jahren zwischen 2002 und 2009 Diskurse und Bewertungen weiter entwickelt haben. Manches hat sich vielleicht entschärft. Kulturelle Unterschiede zwischen Ost und West gibt es aber nach wie vor und es hat den Anschein, dass sie noch lange bestehen werden. Allolio-Näcke geht wenig auf die Diskurse innerhalb der Ostdeutschen zur Frage ihrer kulturellen Identität ein. Diese Diskurse entzünden sich häufig an Fragen der Deutung der eigenen Geschichte. War die DDR ein Unrechtsstaat? War sie eine Diktatur? Wie haben Menschen in der Diktatur gelebt? Was prägt sie bis heute? In den Debatten über diese Fragen unter den Ostdeutschen wird auch um die Deutungshoheit im Blick auf das eigene Leben und die eigene Geschichte gekämpft. Und es geht um die Frage, was ostdeutsche Identität heute ausmacht.59 Zu fragen ist, ob die Abgrenzungen zwischen Ost und West nach dem Mauerfall allein auf das Agieren der Westdeutschen zurückzuführen sind. Auch auf ostdeutscher Seite gab es Ressentiments und Pauschalisierungen gegenüber den Anderen, wurden Klischees erzeugt und gepflegt. Eine eingehende Analyse dieser Entwicklungen bleibt Allolio-Näcke schuldig. Wer in Ostdeutschland lebt und westdeutsche Verhältnisse kennt, wird kulturelle Unterschiede benennen können. Dazu zählen der Umgang mit der Öffentlichkeit, der Stellenwert von bezahlter Arbeit für den Einzelnen, der Umgang mit Konflikten z.B. in der Kommune und in Institutionen, das Klima in den öffentlichen Schulen. Dazu gehört auch die Bewertung der eigenen Milieuzugehörigkeit.60 Aufgabe ist, diese Unterschiede wahrzunehmen, zu verstehen und mit ihnen umzugehen. Allolio-Näckes Anliegen ist nicht, kulturelle Differenzen festzuschreiben, er verweist auf Momente der Transdifferenz, die die bestehenden kulturellen Differenzen unterlaufen. Hier, so der Autor, entstehen „Momente des ‚Neuen’, des ‚Anderen’, die einer Determination kultureller Grenzverläufe zuwiderlaufen“61 und die Praxis der Grenzziehung verändern. Diese Unterwanderungen bisheriger Differenzen lassen gespannt sein auf weitere Entwicklungen im Blick auf die kulturellen Identitäten in Ost und West. Richard Schröder beschreibt die Schwierigkeiten zwischen Ost und West im Blick auf die DDRGeschichte folgendermaßen: „Es fällt nach wie vor vielen Westdeutschen schwer, sich vom Alltag in der DDR ein zutreffendes Bild zu machen. Die einen halten die DDR für eine Bundesrepublik mit Ostgeld und bröckelndem Putz. Andere werfen den Ostdeutschen vor, vor so miesen Typen gekuscht zu haben. Ihr wart doch alle Stützen des Systems. Beides beruht auf Ahnungslosigkeit. Am besten verstehen die DDR-Verhältnisse diejenigen, die aus der DDR geflohen oder 59 Den Beginn der offenen Debatte über diese Frage unter den Ostdeutschen im Zuge der Wende dokumentiert z.B. Gruner, Petra (Hg.): Angepasst oder mündig? Briefe an Christa Wolf im Herbst 1989, Berlin 1990. Die Reden von Joachim Gauck (s.A.1) und Richard Schröder: Einleitungsrede zur Verleihung des Nationalpreis 2009 für Erich Loest, Monika Maron und Uwe Tellkamp, 16.6.2009, www.nationalstiftung.de/pdf/DNDNP09_Einleitung_ Schroeder.pdf, belegen eindrücklich, wie kontrovers dieser innerostdeutsche Diskurs nach wie vor geführt wird. Vgl. dazu weiter die Ergebnisse einer Emnid-Umfrage zur Frage: „Wie bewerten die Deutschen die Ereignisse von 1989?“ unter www.bmvbs.de/Service/Mediathek-Publikationen/Fotoreihen-,2794.1083277/Ergebnisse-derEmnid-Umfrage-W.htm. 60 Vgl. näheres bei Rein, Ost-West-Differenzen, 12-15, A.4. 61 Ders., Ostdeutsche Identität, 56. 70 Texte aus der VELKD Nr. 152 ausgewandert sind, weiter Kontakte zu ihren Ostverwandten gepflegt haben und beide Teile Deutschlands aus erlebter Erfahrung kennen. Sie neigen am wenigsten zu DDR-Nostalgie oder herablassender Verharmlosungen. ... Einen Zugang zur DDR-Wirklichkeit kann man nur durch Erzählen gewinnen, in persönlichen Gesprächen oder im Film (Das Leben der anderen) oder im Roman.“62 Dies lässt sich auf die Gegenwart übertragen: Am besten verstehen die Verhältnisse im jeweils anderen Teil Deutschlands diejenigen, die eine Zeit lang im anderen Teil gelebt haben. Sie haben verschiedene kulturelle Identitäten in einem Land erlebt und können beurteilen, was wie zu verstehen und zu handhaben ist. Neuere deutsche Filme lassen die Differenzen zwischen Ost und West sprechend werden für existentielle Lebenserfahrungen von Menschen (Macht, Vertrauen, Liebe, Lebenssinn, Heimat).63 Sie machen die spezifisch deutsche Situation durchsichtig für grundsätzliche menschliche Fragen. Sie zeigen, dass es hier um mehr geht als um Übergangsprobleme. Es geht um Menschen, um ihre Geschichte, ihre Identität, ihr Leben. 62 Vgl. A.31. Siehe z.B. die Filme „Yella“ und „Jerichow“ von Christian Petzold und „Novemberkind“ von Christian Schwochow. 63 71 Texte aus der VELKD Nr. 152 TEXTE AUS DER VELKD Bisher erschienen: Lfd. Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 Titel Jahr Teilnahme von Kindern am Abendmahl Bibliographische Übersicht 1948 Bischofskonferenz der VELKD – Erklärung zur Ehe Ordnungen für die Taufe von Kindern Thesenreihe: Christliche Seelsorge heute Theologischer Ausschuss der VELKD – Thesen zur Zwei-Reiche-Lehre Bedeutung und Funktion der Confessio Augustana heute Das Heilige Abendmahl in der Seelsorge an Alkoholgefährdeten Freiheit und Bindung im Amt der Kirche Das Herrenmahl – Arbeitshilfe zum Studiendokument Gedanken und Maßstäbe zum Dienst von Homophilen in der Kirche Das Leben bejahen – Aufgaben der Notlagenindikation Stellungnahmen zum Jubiläum der Confessio Augustana Die Confessio Augustana und die lutherische Kirche Zur gastweisen Teilnahme an Eucharistie- bzw. Abendmahlsfeiern Bibel – Gesangbuch – Gottesdienst – Stellungnahme der KL der VELKD Baptisten und Lutheraner im Gespräch Vertrauen wagen – Eine Orientierungshilfe aus dem LuKiA Evangelischer Gottesdienst im Fernsehen – PA der VELKD und des DNK/LWB Kirche und Frieden im atomaren Zeitalter Zur Entwicklung von Kirchenmitgliedschaft Martin Luther – Zeuge des Glaubens Bericht des Arbeitskreises „Kirche und Judentum“ der KL der VELKD zum Verhältnis von Christen und Juden Vom Priestertum aller Gläubigen – LeiBi-Bericht Stoll - Generalsynode Coburg Vorläufige Stellungnahme des Lima-Ausschusses der VELKD zu den Konvergenzerklärungen der ÖRK „Taufe, Eucharistie und Amt“ Kundgebung der Bischofskonferenz „Einheit der Kirche“ Gegen Missverständnisse der „Lehre vom gerechten Krieg“ „Es muss die Kirche Kirche bleiben ...“ – LeiBi-Bericht Stoll Generalsynode Hildesheim „Christus liebhaben ist viel besser als alle Weisheit“ – LeiBi-Bericht Stoll Generalsynode Schleswig Stellungnahmen der AKf und der VELKD zu den Konvergenzerklärungen von Lima zu Taufe, Eucharistie und Amt „...und willst das Beten von uns han“ „Du hast mich gebildet im Mutterleibe“ – Biotechnologie als Herausforderung Stellungnahmen der VELKD zu den Dokumenten der Gemeinsamen römisch-katholischen/ evangelisch-lutherischen Kommission „Das Herrenmahl“ (1978) und „Das Geistliche Amt in der Kirche“ (1981) Ein Leib und viele Glieder - Lutherische Kirche zu Gemeinschaft berufen in Zeugnis und Dienst (Stoll u. Fabiny) – Gen.Syn. Stadthagen Ökumenische Bibelarbeiten: J. Gnanabaranam Johnson, Indien, Tasgara Hirpo, Äthiopien, Arteno Spellmeier, Brasilien – Gen.Syn, Stadthagen Ökumenischer Dialog über „Kirchengemeinschaft in Wort und Sakrament“ „Einheit vor uns“ - Stellungnahme der VELKD und des DNK/LWB zum Dokument der Gemeinsamen römisch-katholischen/evangelisch-lutherischen Kommission „Einheit von uns (1985) Bibliographische Übersicht 1981-1990 „Hospiz-Bewegung“ - Ein Arbeitsbericht der Generalsynode der VELKD Stellungnahme der Bischofskonferenz der VELKD zum Niagara-Bericht über Episkopé 1978 1978 1978 1978 1978 1979 1979 1979 1979 1979 1980 1980 1980 1980 1981 1981 1981 1981 1982 1983 1983 1983 1983 73 1983 1984 1984 1984 1985 1986 1986 1987 1987 1987 1988 1989 1990 1991 Texte aus der VELKD Nr. 152 40 A 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 dto. in englischer Sprache Der Mensch: Geschöpf oder Schöpfer? - Biotechnologie und christlicher Schöpfungsglaube Stellungnahme zu „Lehrverurteilungen - kirchentrennend?“ (evang./röm.-kath.) Gottes Wort bleibt in Ewigkeit – LeiBi-Bericht Müller - Gen.Syn. Königslutter Bericht des Catholica-Beauftragten – Wilckens – Gen.Syn. Königslutter Leben mit der Bibel – Prof. Hertzsch, Gen.Syn. Königslutter Sakramentsverwaltung durch Vikarinnen und Vikare - Stellungnahme des Theol. Ausschusses der VELKD Die Hospizbewegung in der Bundesrepublik Deutschland Stellungnahme der VELKD und des DNK zum lutherisch-reformierten Dialog Stellungnahme der VELKD und des DNK zum baptistisch-lutherischen Dialog „Glauben in unglaublicher Zeit“ (Hans Chr. Knuth) – Generalsynode Dresden „Kirche und Stasi“ – Dokumentation von der Generalsynode Dresden „Tier und Mensch“ – Interdisziplinärer Gesprächskreis der VELKD Bericht vom Dialog VELKD/Mennoniten 1989 bis 1992 Materialsammlung über die Täuferbewegung / Anlage zu Nr. 53 Sterbenden Freund sein – Texte aus der Tradition der Kirche Macht und Ohnmacht von Kirchenleitung / Hans Chr. Knuth Catholica-Bericht der VELKD Bericht des Leitenden Bischofs Hirschler – Gen.Syn. Schweinfurt Konfirmation am Ende des 20. Jahrhunderts / Referate „Macht Euch die Erde untertan“ – Sinn und Problematik eines Bibelwortes Staat und Kirche in der DDR / Ernst-Heinz Amberg (Leipzig) Bericht des Catholica-Beauftragten Dr. Knuth, Gen.Syn. Friedrichroda Bericht des Leitenden Bischofs D. Hirschler, Gen.Syn. Friedrichroda Von der Freiheit eines Christenmenschen / Hempel und Preiser Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre (Entwurf aus Genf und Rom) Stellungnahme des DNK/LWB vom 31. 01 1996 Gemeinschaft in versöhnter Verschiedenheit Eucharistische Gastbereitschaft (VELKD und Mennoniten) Die Anliegen des christlich-jüdischen Dialogs und der christliche Gottesdienst Auf dem Weg zu neuen Arbeitsformen Bericht des Leitenden Bischofs / Lüneburg Bericht des Catholica-Beauftragten – Dr. Knuth, Gen.Syn. Lüneburg Lutherisches Bekenntnis in ökumenischer Verpflichtung Porvooer Gemeinsame Feststellung / Stellungnahme der VELKD Dienst und Gestalt der Kirche / Bischofskonferenz der VELKD Die Ehe als Leitbild... Gutachtliche Stellungnahme der VELKD Leitlinien kirchlichen Lebens der VELKD (Entwurf) Catholica-Bericht / Kühlungsborn Bericht des Leitenden Bischofs / Kühlungsborn Philipp Melanchton - Zur Erinnerung an einen Reformator und Lehrer der Kirche Wozu brauchen wir Theologie? GER - Stellungnahmen aus den Kirchen des DNK/LWB Bericht des Leitenden Bischofs – D. Hirschler, Generalsynode Husum Catholica - Bericht / Husum Herausforderungen an die Gestaltung von Gottesdiensten / Dr. Ingrid Lukatis Mensch – Gott – Menschwerdung – / Wiss. Symposion der VELKD in Tutzing Die föderale Struktur des Protestantismus stärken Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre. Alle offiziellen Dokumente von LWB und Vatikan Zur öffentlichen Wortverkündigung in den evangelisch-lutherischen Kirchen Agende – Erneuerte Agende – Gottesdienstbuch / Ev. Agendenreform in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. von F. Schulz Valentin Ernst Löscher (1673 bis 1749) - Texte zum 250. Todestag 74 1991 1991 1992 1991 1991 1991 1992 1992 1992 1992 1992 1992 1993 1993 1993 1993 1994 1994 1994 1994 1995 1995 1995 1995 1995 1996 1996 1996 1996 1996 1996 1996 1996 1996 1996 1997 1997 1997 1997 1997 1998 1998 1998 1998 1999 1999 1999 1999 1999 1999 1999 Texte aus der VELKD Nr. 152 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 Catholica-Bericht / Braunschweig Gottesdienst ohne Jugendliche!? – Vortrag von Prof. Dr. Christian Grethlein – Braunschweig Bericht des Stellvertreters des Leitenden Bischofs – Landesbischof Roland Hoffmann / Braunschweig Auftrag, Aufgaben und Instrumente der VELKD, Strukturbericht von Präsident Friedrich-Otto Scharbau Kirche am Markt – Zum missionarischen Auftrag der VELKD – Bericht des bisherigen Leitenden Bischofs, Landesbischof i.R. D. Horst Hirschler Präsenzpflicht – Auf der Suche nach Leitmotiven für die Gestaltung des Pfarrerberufs – Dokumentation des 46. Pastoralkollegs der VELKD Festakt zur „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ – Vollständige Dokumentation Den Glauben weitergeben – Vorstellung der „Katechismusfamilie“ der VELKD Bericht des Leitenden Bischofs, Bischof Dr. Hans Christian Knuth – Generalsynode 2000 in Schneeberg Unterwegs zur Gemeinschaft – Bericht des Catholica-Beauftragten, Landesbischof Dr. Johannes Friedrich, Schneeberg Der gemeinsame Auftrag der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kirche – Generalsynode Schneeberg Mit Kindern Glauben leben – Konsultation vom 2. bis 4. November 2000 im Gemeindekolleg der VELKD in Celle 40 Jahre Aus- und Fortbildung im Theologischen Studienseminar der VELKD in Pullach – Dokumentation des. Festaktes am 24/25.11.2000 Leitlinien kirchlichen Lebens der VELKD – Kirchliche Lebensordnung (Entwurf) Zum Thema Judenmission – Vortrag auf dem Kirchentag 2001 von Bischof Dr. Hans Christian Knuth Stellungnahme der Bischofskonferenz der VELKD zu Fragen der Bioethik – Klausurtagung der Bischofkonferenz – 13. März 2001 Zum Gemeinsamen Zeugnis berufen – Bericht des Catholica-Beauftragten, Landesbischof Dr. Johannes Friedrich, Bückeburg Bericht des Leitenden Bischofs sowie Vorträge von Prof. Dr. M. Wolter und Prof. Dr. D. Korsch – Generalsynode 2001 in Bückeburg Vorträge der 6. Disziplinarrichtertagung der VELKD vom 8. bis 10. Juni 2001 Zur Bedeutung von Katechismen heute – Dokumentation einer Tagung des TKAB auf dem Schwanberg im September 2001 Braucht die evangelische Kirche eine neue Struktur? Stellungnahme Schranken der Religionsfreiheit – Vortrag von Axel Freiherr von Campenhausen Bericht des Leitenden Bischofs der VELKD, Bischof Dr. Hans Christian Knuth (Schleswig) – Bamberg Vertrauen in die Ökumenische Gemeinschaft stiften – Bericht des Catholica-Beauftragten Landesbischof Dr. Friedrich, Bamberg Management und geistliche Kirchenleitung: Eine notwendige und beziehungsvolle Unterscheidung v. Prof. Dr. Volker Weymann Wenn Erwachsene (zurück) in die Kirche wollen – Konsultation zu Eintritt, Wiedereintritt und Erwachsenentaufe Worauf man sich verlassen kann – Festakt zur Verleihung des Valentin-Ernst-Löscher-Preises der VELKD in Dresden Leitlinien: Diskurs vor dem Wagnis der evangelischen Freiheit – von Landesbischof Dr. Friedrich Weber (Wolfenbüttel) Braucht die evangelische Kirche eine neue Struktur? Diskussionsbeiträge und Beschlüsse (Teil 2) Zuversicht trotz Zwischentief – Bericht des Catholica-Beauftragten Landesbischof Dr. Johannes Friedrich, Stade Haushalter über Gottes Geheimnisse – Bericht des LeiBi der VELKD, Bischof Dr. H. Chr. Knuth, Stade Was ist zu bedenken, wenn eine Kirche nicht mehr als Kirche genutzt wird? – Leitlinien des Theologischen Ausschusses Ökumene nach evangelisch-lutherischem Verständnis – Positionspapier der Kirchenleitung der VELKD 75 1999 1999 1999 1999 1999 2000 2000 2000 2000 2000 2001 2001 2001 2001 2001 2001 2001 2002 2002 2002 2002 2002 2003 2003 2003 2003 2003 2003 2003 2003 2004 Texte aus der VELKD Nr. 152 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 Perspektiven der Liturgiewissenschaft – Festvortrag von Prof. Dr. Karl-Heinrich Bieritz Fortschritte der Trauerforschung – Vortrag von Dr. Kerstin Lammer (Schwerte) – Bischofskonferenz März 2004 in Bückeburg Braucht die evangelische Kirche eine neue Struktur? Diskussionsbeiträge und Beschlüsse (Teil 3) In ökumenischer Gesinnung handeln – Bericht des Catholica-Beauftragten, Landesbischof Dr. Johannes Friedrich Lutherische Spiritualität – Glauben im Alltag der Welt – Bericht des Leitenden Bischofs der VELKD, Bischof Dr. H. Chr. Knuth Dialogfähigkeit und Profil – Apologetik in biblisch-reformatorischer Orientierung Allgemeines Priestertum, Ordination und Beauftragung nach evangelischem Verständnis – Empfehlung der Bischofkonferenz der VELKD Konsultation zu Fragen der Kirchenmitgliedschaft – Theologische und juristische Aspekte und ihre praktisch-theologischen Konsequenzen Den einmal begonnenen Weg im festen Blick auf die Zukunft fortsetzen – Bericht des CatholicaBeauftragten, Landesbischof Dr. J. Friedrich Zuversicht allein auf Gott – Bericht des Leitenden Bischofs der VELKD, Bischof Dr. H. Chr. Knuth „... rechtmäßig Kriege führen ...“ – Lutherische Stellungnahme zur Bedeutung von Art. 16 des Augsburger Bekenntnisses Was ist „lutherisch“? – Feierstunde zum 70. Geburtstag von Präsident i.R. Dr. Friedrich-Otto Scharbau „Ordnungsgemäß berufen“ – Eine Empfehlung der Bischofskonferenz der VELKD zur Berufung zu Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung nach evangelischem Verständnis Es sind viele Glieder, aber der Leib in einer. – Bericht des Catholica-Beauftragten, Landesbischof Dr. Friedrich Weber – Ahrensburg Zeugen der Wahrheit Gottes – Bericht des Leitenden Bischofs der VELKD, Landesbischof Dr. Johannes Friedrich – Ahrensburg Ökumenisch den Glauben bekennen. Das Nicaeno-Constantinopolitanum von 381. Stellungnahmen der VELKD „Breit aus die Flügel beide“ Dokumentation der Verleihung des Paul-Gerhardt-Preises der VELKD Räume der Begegnung. Bericht des Catholica-Beauftragten der VELKD, Goslar Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe. Bericht des Leitenden Bischofs der VELKD, Goslar Positionspapier zur Einbringung der ökumenischen Dimension in den EKD-Reformprozess – Handlungsempfehlungen der Kirchenleitung der VELKD „Können etwa zwei miteinander wandern, sie seien denn einig untereinander?“ - Bericht des Catholica-Beauftragten, LB Prof. Dr. Friedrich Weber – Zwickau Anvertraute Talente – von der Zukunftsfähigkeit des lutherischen Erbes – Bericht des Leitenden Bischofs der VELKD, LB Dr. Johannes Friedrich, Zwickau „20 Jahre nach dem Fall der Mauer: Woher wir kommen – wer wir sind!“ – Ost-/West-Differenzen in der nichtkirchlichen u. kirchlichen Binnen- und Außenwahrnehmung Konstituierende Sitzung der 11. Generalsynode der VELKD in Würzburg – 30. April bis 1. Mai 2009 – Vorträge und Berichte „Das neue Lied als Lied vom Kreuz“ (Martin Luther)!? – Volker Weymann „Es ist der Glaube aber eine feste Zuversicht“ – Bericht des Leitenden Bischofs vor der Generalsynode der VELKD 2009 in Ulm „Beziehungen vertiefen in einer komplexen ökumenischen Landschaft“ – Bericht des CatholicaBeauftragten der VELKD „Familie – von der Bedeutung und vom Wandel einer elementaren Lebensform“ – Bericht von der Klausurtagung der Bischofskonferenz der VELKD „Woher wir kommen – wer wir sind!“ – der Weg der evangelischen Kirche in Ost- und Westdeutschland von 1989 bis 2009, Dokumentation eines Studienkurses im Theologischen Studienseminar der VELKD in Pullach vom 26.4. bis 1.5.2009 Ab Nummer 86 sind die Texte unter www.velkd.de abrufbar. 76 2004 2004 2004 2004 2004 2004 2004 2005 2005 2005 2005 2006 2006 2006 2006 2007 2007 2008 2008 2008 2009 2009 2009 2009 2009 2010 Texte aus der VELKD Nr. 152 Aktuelle Publikationen „Wochenschluss und Sonntagsbegrüßung“ Diese liturgische Handreichung kann ab Dezember 2009 über das Amt der VELKD zum Preis von 4,00 Euro zzgl. Porto angefordert werden. Amt der VELKD Herrenhäuser Str. 12 30419 Hannover Tel.: (0511) 2796 – 438 Fax.: (0511) 2796 – 182 E-Mail: [email protected] 77 Texte aus der VELKD Nr. 152 „Die Visitation – Eine Studie des Theologischen Ausschusses der VELKD“ Die Studie kann über das Amt der VELKD zum Preis von 4,00 Euro zzgl. Porto angefordert werden. Amt der VELKD Herrenhäuser Str. 12 30419 Hannover Tel.: (0511) 2796 – 422 Fax.: (0511) 2796 – 182 E-Mail: [email protected] 78 Texte aus der VELKD Nr. 152 „Alle Achtung“ Zuvorkommend sein, meinen Mitmenschen Respekt erweisen, ihnen mit Achtung begegnen – das sind keine verstaubten, altmodischen Höflichkeitsformen, sondern zukunftsweisende, lebensbejahende Über-Lebens-Gesten. Der Band „Alle Achtung! Respekt tut gut“ kann über den Buchhandel bezogen sowie direkt beim Gütersloher Verlagshaus bestellt werden. Im Internet steht er unter http://www.velkd.de/downloads/alleachtung.pdf kostenlos zum Download bereit. Für weitere Fragen stehen Ihnen gerne Mitarbeiter des Amtes der VELKD zur Verfügung. Tel.: (0511) 2796 – 421 Fax.: (0511) 2796 – 182 E-Mail: [email protected] 79 ISSN 1617-0733 Herausgeber/Bezugsadresse: Amt der VELKD, Postfach 21 02 20, 30402 Hannover Telefon: 0511/2796-533, Telefax: 0511/2796-182 E-Mail: [email protected]