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Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung / This catalogue is published
on the occasion of the exhibition
Looping Memories – Arbeiten aus einer Schweizer Videokunstsammlung / Works from
a Swiss Video Art Collection
Progr_Zentrum für Kulturproduktion, Bern; 24.11.–19.12.09
Art Karlsruhe 2010, Deutschland, 4.–7.3.2010
Katalog & Ausstellung / catalogue & exhibition
Bernhard Bischoff
Looping Memories – Arbeiten aus einer Schweizer Videokunstsammlung
Bernhard Bischoff
Kunst raubt den Schlaf
Meistens habe ich einen guten Schlaf;
ich lege mich ins Bett, Licht aus, Augen
zu – und weg bin ich. Manchmal ist alles
anders: Dann liege ich im Bett und wälze
Gedanken. Pläne entstehen aus dem
Nichts, Ideen nehmen Form an, Wünsche
formulieren sich aus wolkigen Phantasien. Oft sind es auch kürzlich vorgefallene
Situationen, die sich, wie ein Film, vor
dem inneren Auge abspulen, immer und
immer wieder, bis der Film endlich reisst
und das «In-sich-hinein-und-immerwieder-neu-Denken» endlich vom Schlaf
übermannt wird. Dieses Gedankenwälzen nennt man im Englischen «Looping
Memories», was so viel wie immer
wiederkehrende, kreisende Erinnerungen bedeutet. Sind es bei mir meist
anstehende Aufgaben, an deren Lösung
ich arbeite, eine nächstens zu treffende
Entscheidung oder persönliche Erlebnisse, die so vor dem Schlaf verarbeitet
werden, kann das Ganze ins Pathologische kippen, etwa bei Menschen mit
Nahtoderfahrung, Überlebende von Katastrophen oder furchtbaren Erlebnissen,
wie Entführungen, Vergewaltigungen
oder Kriegssituationen. Letztere «Looping Memories» sind sehr belastend und
bedürfen professionell-psychologischer
Hilfe. Ich möchte nicht einen Essay
über diese schwere Form von «Looping
Memories» schreiben, sondern einen
speziellen Sonderfall herauspicken, dem
ich auch immer wieder selbst erliege: die
Entscheidung, ob man ein Kunstwerk
erwerben soll oder nicht. Was für «NichtKunstsammelnde» völlig kurios klingen
mag, nimmt für KunstsammlerInnen oft
existenzielle Dimensionen an, nämlich
die Liebe auf den ersten Blick zu einem
Werk und der Prozess des Erwerbs.
Nun, es gibt SammlerInnen, die zücken
nach Erblicken eines Werkes gleich das
Scheckbuch – und verleiben das gekaufte
Werk ihrer Sammlung ein. Die Mehrheit
der SammlerInnen jedoch sieht ein Werk
und wägt dann lange ab, ob dieses überhaupt in die eigene Sammlung passt.
Dazu wird ein innerer Dialog geführt mit
anderen Werken; es ist beinahe so, als
ob die Sammlung kundtut, ob das neu ins
Auge gefasste Objekt der Begierde den
bisherigen Bestand positiv beeinflusst
und bereichert – oder eben nicht. Dann
kommt die finanzielle Komponente hinzu:
Kann man sich das Werk überhaupt
leisten? Dann die räumliche: Hat es
genügend Platz in der Sammlung, oder
muss man sich von einem anderen Werk
trennen? Dann die emotionale: Wird
man sich wohl fühlen mit dem neuen
Ding – oder wird der erste «Coup-decœur» rasch abflauen? Und zuletzt die
alles entscheidende Frage: Wird man das
Werk bald schon langweilig finden – und
5
damit gar an der eigenen Sammlungskompetenz zweifeln? Dieser Prozess des
Erwägens verläuft bei allen Sammelnden anders, ist aber für alle nicht nur
psychisch eine Belastung, sondern auch
physisch. Ich erlebe sowohl bei KundInnen, als auch bei mir immer die gleichen
Muster: Innere Unruhe, leichtes Zittern
der Stimme und der Hände, ein schnellerer Augenaufschlag, bei manchen zucken
gar die Augenwinkel, und oft kriegt man
leicht verschwitzte Hände. Muss man
sich nicht sofort entscheiden, sondern
hat nach dem Besuch einer Ausstellung,
eines Ateliers oder nach Erhalt eines
Auktionskatalogs Zeit zum Überdenken,
so dauern diese Erwägungen längere
Zeit an. Ja, und man nimmt sie auch mit
ins Bett – und überlegt dann unter der
Daunendecke weiter, geht immer wieder
die oben genannten Fragen durch – und
schon ist man mitten drin in den «Looping Memories». Alles dreht sich ums
Werk, das Dafür und das Dawider, hin
und her – und Heilung gibt’s erst dann,
wenn man sich definitiv für oder gegen
einen Kauf entschieden hat. Die Menschen, die die Arbeiten, die in diesem
Katalog vorgestellt werden, erworben
haben, haben sicherlich unzählige derartiger «Looping Memories» durchgemacht. Doch das langjährige Leiden war
nicht umsonst: Die Ausstellung ist der
Lohn für all die durchwachten Stunden.
Sammlung Carola und Günther
Ketterer-Ertle
Ich kenne Carola Ertle Ketterer und
Günther Ketterer nun schon etliche
6
Jahre und habe dabei auch das Anwachsen ihrer Sammlung miterlebt. Familiär vorbelastet1, hat sich das Ehepaar
Ketterer-Ertle früh für Kunst interessiert und in den 1980er-Jahren mit dem
gemeinsamen Sammeln begonnen.
Natürlich war es zuerst das Interesse
an den deutschen Expressionisten, dann
kamen, als logische Konsequenz, die als
postexpressionistisch zu bezeichnenden
Strömungen der 1980er-Jahre dazu,
deren Werke Eingang in die Sammlung
fanden2. Neben dieser klar erkennbaren Linie, waren es aber immer wieder
KünstlerInnenfreundschaften, die die
Sammlung stetig wachsen liessen.
Dabei legten sie vor allem Wert darauf,
die Kunstschaffenden, mit wenigen
Ausnahmen vorwiegend aus dem Espace Mittelland stammend3, persönlich
kennen zu lernen. Der direkte Austausch
war stets Grundlage für die Sammlungstätigkeit. Haben KünstlerInnen einmal
Eingang in die Sammlung gefunden, so
blieb das Sammlerpaar diesen meistens über Jahre hinweg treu und kaufte
regelmässig neue Werke an. So gibt es
etliche Kunstschaffende, die mit mehreren Werken aus verschiedenen Schaffensphasen in der Sammlung vertreten
sind. Sukzessive haben sie so über die
Jahre hinweg eine umfangreiche Sammlung zusammengetragen, deren Zusammensetzung mit Fug und Recht wohl als
einzigartig bezeichnet werden kann4. Es
waren nie die klingenden Namen, die den
Ausschlag für einen Ankauf gaben. Viele
Karrieren haben denn auch mit einem
Verkauf an die Sammlung Carola und
Günther Ketterer-Ertle begonnen. Waren
es zu Beginn ausschliesslich zweidimen-
sionale Arbeiten, kamen im Laufe der
Zeit auch Skulpturen, Objekte, KünstlerInnenbücher und seit 1996 Videokunst
dazu5. Seither kaufen Carola Ertle Ketterer und Günther Ketterer immer noch
breit gefächert Kunst, haben aber einen
besonderen Sammlungsschwerpunkt auf
die Videokunst gelegt. Im Laufe der Zeit
haben sie ihre Sammlung ausgebaut und
auch begonnen, interaktive Medienprojekte zu sammeln, zum Teil auch grosse
Installationen. Im Gegensatz zu vielen
GrosssammlerInnen «leben» sie mit
ihrer Kunst. In eigens umgebauten Lofts
präsentieren sie dauernd eine Auswahl
ihrer Arbeiten, durchaus auch mal neben
gewaschener Wäsche oder einer reich
gedeckten Tafel. Es ist die sich mit Kunst
dauernd ändernde Atmosphäre, die tagtäglich herausfordert und bewegt, die sie
interessiert. Ihr Lebensraum gleicht eher
einem SammlerInnenatelier, als einer
Wohnung. Kunst ist omnipräsent und
prägt auch das Leben neben dem Beruf.
Beide sind mannigfaltig involviert in kulturelle Projekte, genannt seien etwa die
Zusammenarbeit mit der Hochschule der
Künste Bern, das Engagement für die
Kunsthalle Bern – oder und vor allem die
Initiative Videokunst.ch6. Der Aufenthalt
in den Privaträumen des Sammlerpaars
ist sehr bereichernd, mischen sich doch
Spitzenwerke aus der ersten Hälfte des
20. Jahrhunderts mitunter mit unbekannten Produktionen aus der Gegenwart. Wie selbstverständlich stehen sich
dann etwa Videoprojektionen mit Gemälden Ernst Ludwig Kirchners gegenüber.
Die Technik hat vieles in Zusammenhang mit dem Sammeln von Videokunst
erleichtert. Die Arbeiten können zentral
auf einem Rechner gespeichert und per
Mausklick aufgerufen werden. Videokunst kann also rasch und unkompliziert
digital «umgehängt» werden. Ein klassisches Bild, das nicht der aktuellen Laune
entspricht, hängt man nicht einfach so
schnell mal um. Eine neue DVD hingegen
schiebt man einfach rasch ins Lesegerät
– und schon passt die Kunst zum Gemütszustand. Leben mit Kunst hat etwas
sehr Beruhigendes; sie ist da, bereichert
den Raum, ja erweitert den Raum, auch,
wenn dieser von oben bis unten förmlich
zugepflastert erscheint. Carola Ertle
Ketterers und Günther Ketterers Räume sind zugepflastert, am Boden stehen zudem Werke herum, die sich erst
bewähren müssen; und im Lager ruhen
Schätze, die in regelmässigen Abständen
wieder ans Licht geholt werden. Auf den
ersten Blick franst die Sammlung in verschiedene Richtungen7 aus; doch gerade
dieses Ausfransen hat das Sammlerpaar
zur Maxime seines Sammelns erklärt.
Videokunst? Videokünste!
Eine Definition von Videokunst fällt
schwer, ist das bewegte Bild doch meistens einfach das technische Medium, um
eine Idee zu transportieren. Es wäre wohl
angebrachter, von Videokünsten zu sprechen, die sich in zahlreiche, auch ganz
unterschiedliche Gebiete auffächern,
wie etwa narrative, dokumentarische,
experimentelle, konzeptuelle, performative oder computeranimierte Arbeiten;
aber ebenso Videoskulpturen, passive
oder interaktive Installationen und gar
Internetprojekte umfassen. Durch die
7
Vielfalt der Medien ist man meist dazu
übergegangen, von Medienkunst zu sprechen, um damit alle Felder abzudecken.
Als langjähriger «Videokunstaktivist»8
habe ich selber eine eher enge Definition
von Videokunst; und die deckt sich recht
genau mit der von Carola Ertle Ketterer
und Günther Ketterer. «Videokunst» hat
zahlreiche Nachbarn: etwa Film, Dokumentarfilm, Kurzfilm, Musikclip, Animationen, Computerspiele oder das Fernsehen. Allen ist gemein, dass es sich um
bewegte Bilder handelt. Imitiert nun aber
Videokunst eines der oben genannten
Medien9, so wird sie es immer schwierig
haben, liegen doch die unterschiedlichen
Produktionsbudgets meist meilenweit
auseinander. Darum scheitern Videoarbeiten in fast allen Fällen von vorneherein, wenn sie sich zu nahe an Film & Co
anlehnen. Ein, wenn auch mit Liebe und
in stundenlanger Arbeit, hergestelltes
Animationsvideo kann nie konkurrenzieren mit Disney oder Pixar – und professionelle Dokumentarfilme kosten Millionenbeträge, sind professionell mit einem
grossen Team und fundiert gemacht;
da hilft auch der verwackelte Charme
einer KünstlerInnenvideokamera nichts.
Zudem hat mittlerweile jedes Handy eine
Filmfunktion; ein bisschen Nightshot, die
Farben verändert – und schon ist man
selber VideokünstlerIn. War die Postproduktion bis in die 1990er-Jahre hinein
nur ein paar eingeweihten KünstlerInnen
geläufig, gibt es nun auf jedem Rechner
vorinstallierte Videoprogramme, die erst
noch kinderleicht zu bedienen sind. Nun,
ich glaube trotzdem an die Videokunst,
denn ihr grosser Trumpf ist es, dass
man (fast) ohne Budget, aber mit einer
8
tollen Idee, spannende Arbeiten am Puls
der Zeit machen kann. Nur wünsche
ich mir, dass sich die Videokunst quasi
«zurückemanzipiert» zu einer einfachen,
aber bestechenden Sprache. Nun, um es
vorwegzunehmen, Carola Ertle Ketterer
und Günther Ketterer sammeln viel –
aber eben nicht alles. Sie interessieren
sich stark für politisch motivierte Arbeiten; es findet sich aber zum Beispiel
keine einzige dokumentarische Arbeit in
ihrer Sammlung; nicht, weil die soziopolitische Relevanz solcher Arbeiten das
sozial sehr engagierte Ehepaar nicht
interessieren würde – aber sie finden,
dass das Genre «Dokumentarfilm»
die Themen viel besser abdeckt. Auch
suchen sie eher Clip-artige Arbeiten, die
in etwa fünf Minuten dauern. Längere
Arbeiten fielen oft auseinander, so die
SammlerInnen. Und zudem möchten
sie selber entscheiden können, wann
sie eine Blackbox verlassen – ohne sich
dem Diktat zu beugen, eine Stunde oder
länger eine Arbeit anschauen zu müssen. Der Kulturphilosoph Dr. Gerhard
Johann Lischka, der die Entwicklung der
Medienkunst von Anfang an mitverfolgt
und -geprägt hat sowie Herausgeber
zahlreicher Texte und Kompilationen zu
Medienkunst ist, hat mir im Gespräch
einmal gesagt, man sehe bereits nach
ein paar Sekunden, ob eine Arbeit spannend sei oder nicht. Als Gründer des
Berner Videofestivals kann ich dem nur
beipflichten: Ich habe damals weit über
tausend Arbeiten visioniert und das Gleiche festgestellt: nur selten musste eine
Arbeit ganz gesehen werden, um an der
subjektiven, ersten Wahrnehmung und
Einstellung etwas zu ändern. Eine Arbeit
interessierte von Beginn weg; oder gar
nicht. Objektiv gesehen, und durch diese
Brille muss man in einer Jury natürlich
schauen, musste man zwingend alle Arbeiten bis zum Schluss gesehen haben;
subjektiv hat sich aber selten etwas am
ersten Eindruck geändert. Ich habe mir
das immer mit dem Blick auf Tafelbilder zu erklären versucht. Wie oft bin ich
schon durch Museen und Ausstellungen
spaziert, habe mal links, mal rechts
geschaut, ja, die Werke eigentlich mehr
gescannt, als geschaut – und doch blieben meine Augen immer wieder an jenen
Werken hängen, die mich auf Grund des
schnellen, visuellen Abtastens angesprochen haben. Natürlich ändert sich der
Blick mit den Jahren; und was vor Jahrzehnten relevant erschien, ist heute nicht
mehr der Rede wert. Ich meine aber,
dass das geschulte Auge Vorlieben sehr
rasch entdeckt, ja, sogar den Blick aktiv
auf das uns Interessierende lenkt. Es gibt
SammlerInnen, die beschäftigen mehrere BeraterInnen aus verschiedenen
Fachgebieten, so dass diese ihnen, unabhängig vom eigenen Geschmack, die Rosinen aus dem Kunstmarkt herauspicken
und vermeintlich “komplette“ Sammlungen zusammenstellen. Carola Ertle
Ketterer und Günther Ketterer gehen
anders vor: Sie lassen ihre Sammlung
zwar professionell betreuen, wählen aber
immer persönlich und gemeinsam aus.
Mal sieht Carola Ertle Ketterer was und
schickt zur Bestätigung Günther Ketterer
hin, mal umgekehrt. Es kam auch schon
vor, dass sich die beiden das Gleiche
zu Weihnachten schenken wollten. Die
Schulung ihres Geschmacks liess ihre
Interessen herauskristallisieren; und die
liegen bis jetzt nun einmal nicht bei rein
narrativen, und noch weniger bei Arbeiten mit dokumentarischem Charakter.
Und darum fehlen solche Arbeiten auch
fast vollständig in der Sammlung und
dementsprechend in der Ausstellung.
Zur Ausstellung
Die Sammlung Carola und Günther Ketterer-Ertle umfasst bis heute gegen 70
Videoarbeiten – von unlimitierten Editionen bis grossen, aufwendigen Videoinstallationen. Für die Ausstellung «Looping
Memories» habe ich eine ganz persönliche Auswahl getroffen, die aber sehr
gut den aktuellen Sammlungsbestand
wiedergibt. Es ist genau dieser Mix von
Arbeiten, der die Sammlung auszeichnet:
Offen sein für Neues, keine Berührungsängste haben, sammeln nicht nach Namen. Ich habe ausschliesslich Arbeiten
zusammengestellt, die sich mit Erinnerungen und dem Ablauf von Zeit befassen. Darstellungen von Traum und Wirklichkeit, bzw. das Wandeln dazwischen,
waren inhaltliche Leitplanken, die meine
Auswahl beeinflussten. Manche Arbeiten
sind ernst, andere melancholisch oder
ironisch und manchmal sogar humorvoll.
Alle Arbeiten sind als «Loops» konzipiert,
also als Werke, die in Endlosschlaufen
gezeigt werden. Diese dauernden Wiederholungen, die Repetition des immer
Gleichen führt auch wieder zurück zum
Titel der Ausstellung. Entstanden ist eine
Mischung von ungefähr 30 Arbeiten von
19 KünstlerInnen, verteilt über die ganze
Ausstellungszone im PROGR_Zentrum
für Kulturproduktion. Manche Arbeiten
9
stehen solitär im Raum, manche werden
zu Gruppen zusammengefasst. Die ungewöhnliche, dichte Präsentation drängte
sich wegen der knappen Platzverhältnisse förmlich auf. Man darf eintauchen,
durch die Ausstellung mäandrieren,
genau hin- und auch bewusst wegschauen. Die einzelnen Werke weben einen
Teppich des Erinnerns und laden ein zum
neugierigen Erkunden von gut 10 Jahren
Videokunst. Eigene Erinnerungen werden
zwangsläufig mit den gebotenen visuellen Bildern verschmelzen. Fragen werden auftauchen, und die Suche nach Antworten wird beginnen – und schon sind
sie wieder da, die «Looping Memories».
1) Günther Ketterers Vater war der Auktionator
Roman Norbert Ketterer (1911– 2002); seine
Schwester Ingeborg leitet mit ihrem Gatten,
Dr. Wolfgang Henze, die in Wichtrach / Bern
ansässige Galerie Henze & Ketterer, an der
Günther Ketterer beteiligt ist.
2) Junge Wilde, etwa Helmut Middendorf, Rainer
Fetting, Salomé oder Elvira Bach.
3) Die geografische Verortung ist nicht zwingend;
doch meistens der Fall. Ab und zu werden Werke
auch auf Messen oder bei Galeriebesuchen gekauft,
und der Kontakt zu den KünstlerInnen erst im
Nachhinein hergestellt.
4) Ausstellung «SOME FROM BERN, SOME FROM
ELSEWHERE
Die Sammlung Carola und Günther
Ketterer-Ertle» im Museum Liner, Appenzell,
28.1. – 29.4.2007.
5) Nach einem Besuch der Ausstellung «Der
dritte Ort. Le troisième lieu», im Centre PasquArt,
Biel, 17.2.–7.4.1996, zusammen mit dem Künstler
Franticek Klossner ist der Funke übergesprungen. Auch ein Vortrag von Prof. Boris Groys am
25.5.2000 an der Universität Bern mit dem Titel
«Das bewegte Bild und der bewegte Betrachter» hat
das Interesse an Videokunst nachhaltig geprägt.
7) Gegründet 2005 zusammen mit den Galerien
Henze & Ketterer und Bernhard Bischoff & Partner.
www.videokunst.ch versteht sich als Plattform
für die Vernetzung von Videokunstschaffenden,
KunstvermittlerInnen und dem Publikum.
8) Zum Teil erkennt man grobe Linien; dann wiederum taucht auch ein singuläres Werk auf, das
erst an die Sammlung angedockt werden muss.
Gründer des Videofestivals “V.I.D.“ in Bern,
“white clube & back box“ in der tonimolkerei
Zürich, zahlreiche Vorträge und Artikel zu
Schweizer Videokunst, verschiedene Ausstellungen
zu und mit Videokunst.
9) Und zwar nicht ironisch, wie ein Christian
Jankowski oder Yan Duyvendak.
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Looping Memories – Works from a Swiss Video Art Collection
Bernhard Bischoff
Art robs me of my sleep
Usually I sleep very well; I get into bed,
turn out the light, close my eyes and off
I go. But sometimes things are different: I then lie in bed, awake, and churn
thoughts around in my mind. Plans evolve
from nothing, ideas take shape, wishes
emerge from nebulous fantasies. Often
my thoughts turn to situations that occurred only a few days ago, making them
flicker past my mind’s eye like a film loop,
again and again, until the screen finally
blacks out and their constant over and
over repetition is at long last overcome
by deep slumber. We call this endless
turning over of thoughts and situations
“looping memories”. While in my own particular case they are usually unresolved
tasks and problems, decisions that still
have to be taken or just personal experiences that call for a bit of thought before
falling asleep, with some individuals the
whole thing can take a pathological turn
– with those of us, for example, who have
had what are called “near-death experiences”, or are survivors of catastrophes or
such terrifying experiences as kidnapping,
rape or war. “Looping memories” in such
cases cause extreme emotional strain
and call for professional psychiatric help.
However, it is not my intention to write an
essay on such serious cases but to pick
out a special case of “looping memory” to
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which I myself fall victim again and again:
it is always the nagging decision as to
whether or not I should buy a particular
work of art. What might seem curiously
insignificant to non-collectors of art often
assumes existential proportions for the
art collector, namely his falling in love
with a work of art at first sight and the
subsequent process of acquiring it. Now
there are collectors who pull their cheque
books out of their pockets immediately
as they set their eyes on a work – and
then simply add it willy-nilly to the other
works of their collection. The majority of
collectors, however, spend a long time
thinking about whether a work they have
seen will in fact fit in with their collection.
Indeed, they conduct an inner dialogue, as
it were, with the other works; it is almost
as though the collection itself decides
whether this most recent object of desire
will positively influence and enrich its
existing works – or not. Then there is the
question of money: can I even afford it?
And then the question of space: is there
still enough room in the collection or
shall I have to part with some other work?
And then the emotional question: shall I
continue to be happy with the new addition – or will the initial “coup-de-cœur”
soon wane? And, finally, the all-decisive
question: shall I soon get bored with the
work and, by the same token, cast doubt
on my own competence as a collector?
While this process of reflection differs
from one collector to the next, it is always
a strain, both mentally and physically.
The behavioural pattern is always the
same, not only with my own self but also,
I notice, with my customers: inward agitation, a slight quivering of the voice and the
hands, a repeated upward cast of the eyes
and, in some cases, even a twitching of
the corners of the eyelids, not infrequently
accompanied by a sweating of the hands.
If we do not have to decide immediately
but have time to think things over after
visiting an exhibition or studio or receiving an auction catalogue, this process of
reflection is an ongoing one. Indeed, we
take it to bed with us – and continue to
brood under the bedclothes, pondering
over the aforementioned questions and,
before we know it, landing smack bang
in the middle of our “looping memories”.
And the loop goes round and round, to-ing
and fro-ing us through the pros and cons,
not letting up until we finally decide one
way or another. The works presented in
this catalogue are sure to have triggered
such “looping memories” in their buyersto-be. But the mental and physical torment was not in vain: this exhibition is the
reward for all their many sleepless nights.
The Carola and Günther KettererErtle Collection
I have known Carola Ertle Ketterer and
Günther Ketterer for a great many years
and have also witnessed, and been
involved in, the gradual growth of their
collection. Not least by reason of their
family history1, Carola Ertle Ketterer and
Günther Ketterer took an early interest in
art and together began collecting in the
1980s. As was only to be expected, their
main interest was initially in the German
Expressionists, but then, quite logically,
it was the Neo-Expressionist works of
the 1980s that soon found their way into
the collection2. But besides this clearly
recognizable trend, Carola Ertle Ketterer
and Günther Ketterer also augmented
their collection with the works of artists
whom they had come to know personally
– they attached great importance to this –
and who came, with only a few exceptions,
from the Mittelland region of Switzerland3.
This direct exchange between artists and
collectors has always been a prerequisite
for inclusion in the collection. And once an
artist’s works found their way into the collection, the collectors would remain loyal
to him or her for many years to come and
purchase their works at regular intervals.
Thus it is that many artists are represented in the collection by works from various
phases of their careers. Over the years
the collection has grown vastly and, in
terms of its constituent works, may surely
be considered unique4. It was never the
name that clinched the purchase, and so
many an artist’s career could begin with a
sale of his or her work to the Carola and
Günther Ketterer-Ertle Collection. While
in the beginning they collected only twodimensional works, other genres were
added in the course of time: sculptures,
objects, artists’ books and, since 1996,
video art5. Since then, Carola Ertle Ketterer and Günther Ketterer have still been
collecting art on a broad scale, but the
actual focal point of the collection is now
video art. Over recent years, this genre
has grown enormously and now includes
interactive media projects and even large
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installations. Unlike many large-scale collectors, Carola Ertle Ketterer and Günther
Ketterer “live” with their art, permanently
presenting a selection of works in specially converted lofts, often amidst freshly
washed laundry or around an elegantly
laid table. An atmosphere that continually changes through art, an atmosphere
that challenges and motivates day in,
day out – that’s what keeps their interest
alive. Their living environment is more
like a collector’s studio than a home. Art
is omnipresent and makes its mark both
on their professional and on their private lives. Both of them are involved in a
great many cultural projects – take, for
example, their collaboration with Berne
University of the Arts, their dedicated
work for the Kunsthalle in Berne or, and
above all, their initiative as co-founders of
Videokunst.ch6. Anyone lucky enough to
spend some in the private rooms of their
residence is richly rewarded, for it is there
that classic works of the first half of the
20th century mingle with unknown works
of the present. Seemingly as a matter of
course, for example, video projections
stand opposite paintings of Ernst Ludwig
Kirchner. Technology has done much to
facilitate the collecting of video art. The
works can be stored on a central computer and retrieved at the click of a mouse.
This digital facility permits a “rehanging”
of works of video art in a jiffy. Any classic painting that is out of keeping with
your present mood cannot be rehung so
readily. A new DVD, on the other hand, can
simply be inserted into the DVD reader
and you’ve already matched your mood!
There is something very calming about
living with art; it is there, it enriches the
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room, indeed it expands it, even though
its walls may be quite literally papered
over with art from top to bottom. Carola
Ertle Ketterer’s and Günther Ketterer’s
rooms are no exception, and even the
floors are dotted with works that have
yet to prove themselves; and lying at
rest in the darkness of the storeroom
are treasures that are brought back into
the daylight at regular intervals. At first
glance, the collection seems to straggle
in different directions7, but it is precisely
this straggling that is the very essence
of the concept behind the collection.
Video art? Video arts!
Video art is difficult to define, for in most
cases the moving image is nothing more
than the technical means by which the
idea behind the work is conveyed. It would
be more apt to speak of video arts, for
there are so many different categories,
e.g. narrative, documentary, experimental,
conceptual, performative, computer-animated etc., and not forgetting video sculptures, passive or interactive installations
or even internet projects. This multitude
of categories has led to the use of the
all-embracing term “media art”. I myself,
as a “video art activist” of many years’
standing8, have adopted a much narrower
definition of video art, and one that exactly
matches Carola Ertle Ketterer’s and
Günther Ketterer’s own definition. “Video
art” has a great many “neighbours”, such
as feature films, short films, documentary films, music clips, animated films,
computer games and television. Common
to all of them is the moving image, but if
a video artist attempts to imitate any one
of the above-mentioned media9, he or she
will always be up against insurmountable
difficulties, not least on account of the
vast difference in production budgets. This
is why video artworks are almost always
doomed from the very outset whenever
they venture into any of these neighbouring domains. No matter how much time,
effort and loving attention to detail go into
its production, an animated video film can
never compete with Disney or Pixar – and
professional documentaries cost millions and are made by teams of experts
that really know their stuff. Not even the
human warmth and appeal of an artist’s
shaky videocam can offset that. Moreover, almost every mobile phone now has
a video function – just a few night shots
with alienated colours and you’re already
a video artist! And while postproduction
techniques were the reserve of only a few
initiated video artists well into the 1990s,
every computer is today equipped with
video software that couldn’t be easier to
use. Nonetheless, I still put all my faith
in video art, for its one great trump card
is the fact that, with a fantastic idea and
(almost) no money, one can produce
exciting works at the cutting edge of the
time. My only wish is that video art could
perhaps “emancipate itself back”, as it
were, to a language of form and content
that is able to captivate the viewer through
its very simplicity. Now – and this is where
I am coming to the point – Carola Ertle
Ketterer and Günther Ketterer collect a lot
of video art, but not everything. While they
are deeply interested in politically motivated videos, there is not one single documentary video in their collection – not that
they would not be interested in the sociopolitical relevance of such videos, for they
are themselves socially committed to a
high degree, but they hold the opinion
that such issues are better covered by the
genre of the “documentary film”. They
also prefer to collect clip-like works that
have a duration of five minutes or so, as
relatively long works often tend, they say,
to fall apart. And besides, they themselves
wish to be able to leave the “black box”
whenever they like, without being obliged
to continue watching a work that might
still last a good hour or more. The cultural
philosopher Dr. Gerhard Johann Lischka,
who has been following, and been involved
in, the development of media art since its
inception, and who also has numerous
publications on media art to his credit,
once said to me in conversation that one
can tell after only a few seconds whether
a work of video art is exciting or not. As
the founder of the Berne Video Festival I
could not agree more. After viewing thousands of videos, I came to the same conclusion: only seldom was it necessary to
change one’s initial subjective impression
after viewing a video all the way through.
Either a work was interesting from the
very beginning or not at all. Objectively, of
course, it is imperative – and not least for
the jury – to view all works from beginning to end; subjectively, however, one’s
initial impression hardly ever changes. I
have always tried to explain this by drawing an analogy with paintings. How often
I must have walked through museums
and exhibitions, simply glancing to the
right and to the left, just skimming over
the paintings rather than looking at them,
and yet my eyes would then come to rest
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again and again on those works that had
appealed to me at my first fleeting glance.
Naturally, this glance changes its preferences as years go by, and what seemed
relevant decades ago is no longer worthy
of mention today. But be that as it may, it
is the trained eye that can quickly pick out
what is preferred; indeed it is the trained
eye that can even actively steer our gaze
to what actually interests us. Some collectors avail themselves of the services
of consultants from various special fields
who, quite independently of one’s own
taste, can pick the cherries out of the art
market cake and put together what are
supposedly “complete” collections. Carola
Ertle Ketterer and Günther Ketterer do
things differently: although they have their
collection managed professionally, they
always choose the works personally, and
always together. Sometimes Carola Ertle
Ketterer will find something and then
send her husband to view and confirm,
or vice versa. At times they have even
wanted to give each other the same thing
for Christmas. It is out of this continual
exercise in choice that their common taste
and interest have emerged, and so far
there has been no noticeable leaning towards purely narrative works and still less
a leaning towards works of a documentary
character. Hence the almost complete
absence of such works in the collection
and, by the same token, in the exhibition.
About the exhibition
The Carola and Günther Ketterer-Ertle
Collection today comprises approximately
70 video works – from small, unlimited
16
editions to large, complex video installations. For the exhibition “Looping Memories” I have made an altogether personal
selection, but one that entirely reflects
the collection’s present status. Indeed,
it is precisely the mix of works exhibited
that distinguishes this collection: open
to things new, not afraid of contact, not
influenced by names. I have focused my
choice exclusively on works that have to
do with memory and the passage of time.
Representations of dream and reality
and the transitional states in-between
were the guiding influences behind my
choice of content. Many of the works
are serious; others are melancholic,
ironic and sometimes even humorous.
All works take the form of endless loops,
their repetition of the same thing over and
over again bringing us back to my opening words and to the title of the exhibition.
The chosen exhibits comprise a mixture
of around 30 works by 19 artists distributed over the entire exhibition zone of the
PROGR_Zentrum für Kulturproduktion.
Many works are stand-alones, while
others are gathered together in groups,
the unusually dense form of their presentation being due not least to the prevailing shortage of space. Visitors can quite
literally plunge into their midst, meander
where they like, look at what they like or
even look away if they like. The exhibited
works together weave a fabric of memories and invite the more curious among
us to explore a good ten years of video
history and allow our own memories to
merge with the images offered. Questions inevitably crop up and the search
for answers begins – and then there they
are, yet again, those “looping memories”.
1
) Günther Ketterer’s father was the auctioneer
University of Berne entitled “Das bewegte Bild und
Roman Norbert Ketterer (1911 – 2002); his sister
der bewegte Betrachter” had an additional sus-
Ingeborg and her husband Dr. Wolfgang Henze
taining influence on their interest in video art.
own and manage the Galerie Henze & Ketterer
6
in Wichtrach/Berne, in which Günther Ketterer also
Henze & Ketterer and Bernhard Bischoff & Partner,
holds an interest.
www.videokunst.ch serves as a networking platform
2
) “Junge Wilde”, typical examples being Helmut
for video artists, art dealers and members
Middendorf, Rainer Fetting, Salomé and Elvira Bach.
of the public.
) The geographical location is not imperative,
) Founded in 2005 in association with the galleries
) Some lines of direction are roughly discernible,
3
7
but it is mostly the case. Works are occasionally
but then occasionally one comes across an isolated
purchased at fairs or galleries and the contact
work that has yet to be linked to the collection in
with the artists then established subsequently.
some way.
) “SOME FROM BERNE, SOME FROM ELSEWHERE
) Founder of the video festival “V.I.D.” in Berne;
4
8
Die Sammlung Carola und Günther Ketterer-Ertle”
organizer of “white clube & back box” at the
at the Museum Liner, Appenzell, 28.1. – 29.4.2007.
Toni Molkerei Zürich; numerous lectures and
5
) Their interest in video art was sparked by a visit
articles on Swiss video art; various exhibitions on
to the exhibition “Der dritte Ort – Le troisième lieu”
and with video art.
at the Centre PasquArt, Biel (17.2. – 7.4.1996)
9
together with the artist Franticek Klossner. A lecture
) Other than ironically à la Christian Jankowski
or Yan Duyvendak.
delivered by Prof. Boris Groys on 25.5.2000 at the
17
Peter Aerschmann
*1969 Fribourg CH, lebt und arbeitet / lives and works in Bern CH
Das Bildmaterial zu seinen Arbeiten
fängt Peter Aerschmann mit der Kamera
auf Strassen und Plätzen ein – mitten
im Alltag, im pulsierenden Leben. Er
isoliert einzelne Motive, wie Menschen,
Vögel, Autos oder Pflanzen, aus ihrem
ursprünglichen Umfeld, und baut sich
mit diesen digital veränderten Versatzstücken ein visuelles Inventar seiner
Umgebung auf. Aus diesem Fundus
komponiert er fiktive Bildwelten, deren
Kompositionen nichts mit einem Film zu
tun haben, sondern vielmehr animierte
Standbilder darstellen, die er als archetypische Stillleben unserer Zeit imaginiert. Er konstruiert virtuell ein Abbild
der Realität, quasi die Simulation einer
Welt, wie wir sie zu kennen meinen. Sein
kompositorisches Vorgehen darf man
ruhig als digitale Malerei bezeichnen. Die
Bilder befremden, weil die Schnittstellen zur realen Welt schonungslos und
immer wieder aufbrechen. Die ständige
Wiederholung von Bewegungen ist nicht
frei von Komik, und der absurde, stetig
ablaufende Trott irritiert; man wird an
Roboter erinnert oder an fremd gesteuerte Wesen. Zudem fehlt eine eigentliche
Geschichte, eine Narration. Ansätze davon werden bei den interaktiven Arbeiten
auch immer jäh durch den Knopfdruck
der BetrachterInnen unterbrochen.
Peter Aerschmann finds the material for
his works among the hustle and bustle of
streets and squares. With his camera he
captures scenes of everyday life, isolating and digitally altering individual motifs
such as people, birds, cars or plants, to
add them to his visual archive of things
– a rich fund for composing ficticious
worlds that have nothing to do with film,
but are very much like animated film
stills the artist presents to us as some
sort of archetypal still lives of our times.
Thus Aerschman composes virtual images of reality, or simulations of a world
as we seem to know it, using a method
which may truly be called “digital painting”. His images irritate, on the one
hand by relentlessly pulling us back to
the real world, but also by their constant repetition of movements, which is
comical and absurd, but also makes the
figures appear like externally controlled,
robot-like beings. Furthermore, there is
no real story or narration. Indeed, in his
interactive works the visitors can disrupt
any suggestion of narrative by pressing
a button provided for halting the image.
Theatrum Mundi, 2007
Software auf CD-ROM / Software on CD-ROM, Ed. 8
18
19
Peter Aerschmann
20
Eyes, 2006
City Walking, 2005
Raben, 2005
Möwen, 2005
DVD, 12‘00‘‘, Ed. 5
DVD, 00‘09‘‘, Ed. 3
DVD, 07‘00‘‘, Ed. 3
DVD, 15’00’’, Ed. 3
21
Pavel Büchel
*1952 Prag CZ, lebt und arbeitet / lives and works in Manchester GB
Der in der Tschechoslowakei aufgewachsene und heute in Grossbritannien lebende Pavel Büchler gehört zu den ersten
VertreterInnen von Konzeptkunst im ehemaligen Osteuropa. Es waren Abbildungen von Ausstellungen aus dem Westen,
die seine Kunstentwicklung wesentlich
beeinflussten. Das so Gesehene mischte
er mit den vorherrschenden Tendenzen
im Osten. Er nimmt nichts als gegeben
an und hinterfragt grundsätzlich jede
Behauptung, sei sie nun politisch oder
auch kulturell. Seine subtilen Eingriffe
in Systeme wirken auf den ersten Blick
harmlos, umso mehr, als er sich dabei
oftmals älterer Technologien bedient.
Dass er damit umso schonungsloser das
vermeintlich Gute, da Akzeptierte, als
Gehaltlos entlarvt, wird erst beim zweiten Hinschauen offensichtlich. Immer
wieder nutzt er auch leicht manipulierte
Fundstücke, um einen vordergründig
als erwiesen angesehenen Beweis,
hintergründig gleich hinfällig werden zu
lassen. Das Spiel des doppelten Bodens
beherrscht er vortrefflich; bleibt seinen
Prinzipien dabei aber immer treu. Seine
Nähe zur Literatur und deren Schöpfern
liefert ihm immer wieder einen wunderbaren Nährboden für vielschichtige
Interventionen und Interpretationen.
Pavel Büchler, who grew up in then
Czechoslovakia but now lives in the UK,
belongs to the first group of conceptual artists active in the former eastern
Europe. Strongly influenced by pictures of
exhibitions from the West, he mixed what
he saw with trends prevalent in the East.
Büchel is an artist who never accepts
anything as a given truth, questioning
any statement, political or cultural. At
first his subtle interventions into systems
seem harmless, especially so as he often
draws on the effects of old technological devices. Only a second glance reveals
that this is just how he ruthlessly exposes
the shallowness of what seems good
merely by being accepted. Again and
again he also uses slightly manipulated
found objects to debunk an apparently
proven truth. Büchel is a master of dual
meanings, but one who never abandons
his own convictions. A further rich source
of inspiration for his multifaceted interventions and interpretations is literature,
for which Büchel has a special affinity.
Nodds, 2006
Videoinstallation / video installation, Zwei Monitore / two monitors
DVD, je / each 00’30’’, Ed. 3
22
23
Costantino Ciervo
*1961 Neapel IT, lebt und arbeitet / lives and works in Berlin DE
Constantino Ciervo sucht in seinen
Arbeiten kritisch nach Antworten auf
fundamentale Fragen der modernen Gesellschaft. Die zum Teil sehr provokativen
und politisch die Grenzen auslotenden
Inhalte verpackt er in perfekt konzipierte Videoobjekte und -installationen. Ein
besonderes Augenmerk legt er auf die
materielle Umsetzung der Ideen; unübersehbar ist dabei seine Nähe zur italienischen «Arte Povera». Alte Technikteile
kombiniert er gekonnt mit neusten technischen Errungenschaften und schafft
damit eine wunderbare Symbiose von Alt
und Jung. Er baut so eine Brücke von der
physischen Ausgestaltung der Werke zu
seinen Inhalten, also den zum Teil unangenehmen Fragen, die die Menschen
bereits seit Generationen beschäftigen.
Seine Arbeiten machen weder vor alten,
noch vor neuen Symbolen halt und hinterfragen auch manches Tabu. Er will nie
belehren und verpackt seine Botschaften oft mit Witz und Ironie; so erreicht
er, dass deren vielschichtiger Gehalt
gerade mehrfach offensichtlich wird.
Er versteht die Kunst als Aktions-, bzw.
Reaktionsform auf die ihn umgebende
Welt, und nicht selten werden BetrachterInnen ins Bild gesetzt, um sich dann
beim Betrachten selber zuzuschauen.
Constantino Ciervo’s works constitute a
critical search for answers to fundamental questions in our society. His at times
strongly provocative contents teetering
on the brink of political incorrectness
are conveyed through carefully designed
video objects and installations, which
reveal his close attention to the application of materials, and his obvious vicinity
to the Italian movement of Arte Povera.
He skillfully combines parts of old technological equipment with new inventions,
thus creating a wonderful symbiosis of
old and new, as well as building a bridge
between the physical appearance of his
works and their contents. His works
neither avoid using old or new symbols,
nor do they shirk away from touching on
taboos - yet they have nothing schoolmasterly about them. Instead, his messages are couched in wit and irony and
thus lend themselves to being interpreted
in many different ways. He considers
art a way to react to the things going on
around us, and sometimes integrates
the visitors into his works, so that they
can obverse themselves being observed.
Global Gene, 2007
Sieben-Kanal-Videoinstallation / seven-channel video installation,
7 Monitore / monitors, DVD, je / each ca. 20’00’’
24
25
Costantino Ciervo
Alphabetically, 2005
Videoobjekt/video object, alte Schreibmaschine, Bewegungsmelder, Monitor /
Old typing machine, motion detector, monitor, 54 x 40 x 48 cm
Terror, 2002
Videoobjekt/video object, alte Schreibmaschine, Bewegungsmelder, Monitor /
Old typing machine, motion detector, monitor, 51 x 30 x 35 cm
26
27
Collectif_fact
Annelore Schneider *1979 in Les Fontaines CH
Swann Thommen *1979 in Saint-Imier CH
Claude Piguet *1977 in Neuchâtel CH
Zusammenarbeit seit / collaboration since 1999
lebt und arbeitet / live and work in Genève CH
Das Genfer collectif-fact befasst sich mit
computergenerierter Kunst und überzeugt im virtuosen Umgang mit fliessend
ineinander übergehenden Bild-Raumkonstellationen, die auf realen Fotos von
Strassen, Häuserzeilen, Signalisationen,
Autos oder Menschen im urbanen Umfeld einerseits sowie auf programmierten
Piktogrammen andererseits aufbauen.
Die virtuellen Kamerafahrten erzeugen
einen Wahrnehmungsfluss, den wir im
Zeitalter medial vermittelter Splitterästhetik, die uns die Umwelt fragmentarisch dekodieren lässt, als «real»
und zeitgenössisch erleben. So fliegen
etwa in «bubble cars» Autos durch eine
nächtliche Strassenszene, Kuhglocken
bimmeln, und ab und zu flackert unverhofft eine Laterne – eine surreale Szene
à la Alice im Wunderland. Der urbane
Raum wird dabei konstant hinterfragt
und digital neu definiert. Andere Arbeiten wirken wie «aufgeklappte Videobilder»: Aus dem zweidimensionalen
Raum werden die Szenen in die virtuelle
Dreidimensionalität transferiert. Das
Vorstellungsvermögen der BetrachterInnen wird stark herausgefordert, muss
sich dieses doch abrupt an wechselnde
Innen- und Aussensichten gewöhnen und
den Raum stets aufs Neue erfassen.
Collectif-fact, a group of artists from
Geneva, work with computer-generated
images based on real photos of streets,
houses, traffic signs, cars or people and
programmed pictogrammes, which convince by expertly and seamlessly merging
visual and spatial aspects. Virtual camera
pans create a flow of visual perception
that in an age of medially conveyed and
fragmented imagery tends to regarded
as real. In “Bubble Cars” for example,
a street scene by night, we see cars
flying past accompanied by the tinkling
of cowbells, lamps flickering unexpectedly every now and then. It is a surreal
scene, reminiscent of Alice in Wonderland, in which urban space is constantly
scrutinized and digitally redefined. Other
works look like video images that have
been flipped open as it were, so that
the two-dimensional scenes become
three-dimensional ones. The beholders imagination is strongly challenged,
as they have to get used to abruptly
changing interior and exterior views
and ever changing spacial concepts.
Circus, 2003
DV/DVD, 3D Animation, 02’10’, Ed. 10
Sound: Jean-Jacques Duclaux
28
29
Collectif_fact
Bubblecars, 2004
DV/DVD, 3D Animation, 06’28’, Ed. 10
30
31
Erik Dettwiler
*1970 in Helsinki FI, lebt und arbeitet / lives and works in Zürich CH und Berlin DE
Die Suche nach dem «Peripheren» in
Kunst und Leben ist das Hauptthema von
Erik Dettwiler. Das «überall Jetzt» lässt
Metropolen unbedeutend werden, Randgebiete jedoch unvermittelt ins Zentrum
des Interesses schnellen. Genau solche
Randgebiete, vermeintliche Nullorte
sind es, die den Künstler anziehen. Es
ist Langsamkeit vermengt mit Hektik, Leere aufgefüllt mit unerwarteten
Inhalten, und es sind die verblichenen
Zeichen urbaner Struktur, die zu parallelen Bühnen für seine Arbeiten werden.
Er sucht nach «Grauzonen» urbanen
Lebens und verdichtet die visuell teils
absurden Momente zu zeitlosen Collagen
aus Geschichte und Geschichten. Die
BetrachterInnen werden auf verborgene
Schleichwege entführt, nehmen damit
unmittelbar an seinen «Intimperformances» teil, deren Spannungsbogen
immer wieder zwischen lebendigstem
Leben und totestem Tod zu oszillieren
scheint. So hat er etwa die seit Sergei
Eisensteins Film «Panzerkreuzer Potemkin» in die Filmgeschichte eingegangene
Treppe in Odessa zur Bühne einer seiner
tollsten «Intimperformances» erklärt.
Mittels der schon in den Anfängen des
Stummfilms verwendeten «StoptrickTechnik» ist ein verblüffendes Kurzvideo
entstanden: Der Künstler kann fliegen!
Erik Dettwiler’s main subject is the
search for the periphery in art and life.
“Everywhere now” renders big cities
insignificant, but moves the periphery
abruptly centre stage - those peripheral areas or “non-sites” that appeal
to Dettwiler. Slowness coupled with
hectic activity, emptiness filled with
unexpected contents, faded signs of
urban structures: meet the protagonists
of Dettwiler’s works. The artist scours
places for the “grey zones” of urban life
and condenses at times visually quite
absurd moments to timeless collages
of stories and history. The beholder is
invited to go down hidden paths, thus
immediately taking part in the artist’s “intimate performances”, which
again and again seem to oscillate between life at its liveliest and death at
its deadest, for example by making the
world-famous stairs featuring in Sergei
Eisenstein’s film “Battleship Potemkin”
into the stage of one of his most brilliant
“intimate performances”. Here he has
created a baffling short video by means
of stop-motion, a technique that was also
used in silent films: the artist can fly!
Levitation, 2001
DVCAM-Pal/DVD, 3‘20‘‘, Ed. 3
32
33
Erik Dettwiler
Potemkin’sche, 2001
DVCAM-Pal/DVD, 3‘20‘‘, Ed. 3
Kamera / camera: M.-A. Chiarenza
34
35
Diana Dodson
*1963 in Zürich CH, lebt und arbeitet / lives and works in Basel und Bern CH
Die Künstlerin thematisiert in ihren
Arbeiten die hintergründige Welt des
Wohnens; aber auch die Flucht aus
diesem vertraut-idyllischen Terrain. Die
Werke werden zur unmittelbaren Projektionsfläche für Sehnsüchte, unterdrückte
Wünsche, Hoffnungen oder Träume. Die
Suche nach Geborgenheit im Wohnlichen einerseits, und die Flucht davor
andererseits prägen fast alle Arbeiten.
Diese Gegenpole menschlichen Lebens
untersucht Diana Dodson in aufwendigen
Installationen, Objekten, Bildern oder Videoarbeiten. Letztere zeigt sie oft als Teil
komplexer Accrochagen oder als grosse
Projektionen im Raum. Auch unkonventionelle Präsentationsformen, wie Projektionen auf den Boden oder durch Schablonen hindurch erzeugen sphärische
Raumsituationen. In «Ultra-marin», einer
als Triptychon inszenierten Videoarbeit,
bewegen sich Synchronschwimmerinnen
mit verlangsamten Gesten unter Wasser.
Man denkt sofort an Wassernymphen
oder Meerjungfrauen, und das blaue, alles verbindende Fluidum wird zum Spiegel des Ichs und entführt unweigerlich
in eine unerreichbare Traumwelt. Eine
«Insel» ist Sehnsuchts- und Fluchtort
per se; deshalb steht eine gleichnamige
Arbeit auch am Schluss der Ausstellung, quasi als Ausklang und Aufbruch.
Diana Dodson’s works thematize the enigmatic world of habitation - and the wish
to escape from this familiar and idyllic
place. This duality characterises almost
all of her works, which also become projection screens for desires, suppressed
wishes, hopes and dreams, and consist of
elaborate installations, objects, paintings or videos (the videos are sometimes
integrated into complex installations
or shown as huge space projections).
Unconventional forms of presentation, as when she projects onto floors
or through stencils, also help create
spheric spatial situations. “Ultra-marin”,
a video presented as a triptych, shows
the slow-motion movements of synchronised swimmers under water, which
instantly remind us of water nymphs or
mermaids, and the blue liquid becomes
a mirror of one’s self, so that one is
inevitably carried away to an inaccessible world of dreams. As islands are the
epitome of a place where one simultaneously longs to be and wants to get away
from a work called “Island” is placed
at the end of the exhibition, as a sort of
simultaneous conclusion and departure.
Insel, 2002/08
DV-Pal/DVD, 13‘24‘‘, Ed. 3
36
37
Quynh Dong
*1982 in Hai Phong VN, lebt und arbeitet / lives and works in Zürich CH
Die im Spannungsfeld zweier Kulturen
aufgewachsene Quynh Dong untersucht
in ihren Arbeiten das Fremdsein, bzw.
das «Nirgends-zu-Hause-Sein» von sich
selbst und ihres unmittelbaren Umfelds.
Schonungslos legt sie Bruchstellen in
der eigenen Biographie offen und verarbeitet ihre asiatische Herkunft in sehr
direkten Performances oder eindrücklichen Installationen. Althergebrachte,
zum Teil seltsam anmutende Traditionen
und Zeremonien transferiert sie behutsam in die westliche Welt und hinterfragt
damit vielschichtig ihre Existenz. Sie tut
dies einerseits, um auf kulturelle Differenzen und Missverständnisse hinzuweisen, andererseits aber auch, um sich diese, für sie selber als verloren geglaubten,
Handlungen in Erinnerung zu rufen, ja,
sie überhaupt erst richtig bewusst wahrzunehmen. Sie durchleuchtet ihr Leben
konsequent und wählt daraus einzelne
Episoden aus, um diese mit den kollektiven Erinnerungen aus der Familien- und
Weltgeschichte zu verweben. Ihr nahe
stehende Menschen werden zu wichtigen
Referenzpunkten in ihrem sich aufbauenden und gleichzeitig auflösenden Beziehungsgeflecht, nicht zuletzt, weil sie als
eine Art unmittelbare Zeugen Schlüsselrollen in Dongs Arbeiten übernehmen.
Quynh Dong, who grew up caught between two cultures, analyses in her work
the subject of being foreign, of never
being at home, with respect to her own
person and her immediate family. Mercilessly she points out breaks in her own
biography, staging very direct performances and impressive installations to
help her understand her Asian origins.
She carefully transfers ancient customs
and ceremonies, some of which have
a certain strangeness about them, to
our western society, thereby scrutinizing their very existence. With this she
aims at pointing out cultural differences
and misunderstandings, but it is also
a way of retrieving own memories of
seeminlgy long forgotten events - indeed
of perceiving them properly for the first
time. She stringently scrutinizes her
own life, selecting individual episodes
she then interweaves with collective
memories from her family’s history and
indeed the world’s: a simultaneously
growing and diminishing mesh of connections in which people close to her
become important points of reference
and have key roles in Dong’s works by
being immediate witnesses as it were.
Das Aquarium, 2007
Video- und Toninstallation mit Tisch und Aquarium / video & sound installation
with table and aquarium, DVD, 05‘20‘‘, Ed. 3
38
39
Heinrich Gartentor
*1965 in Schafmatt CH, lebt und arbeitet / lives and works in Thun und Horrenbach CH
Heinrich Gartentor ist ein Pseudonym, ja,
mehr noch eine fiktiv-reale Person. Die
Identität von Heinrich Gartentor ist durch
seine in Buchform erschienene Autobiografie sogar untermauert. Und trotzdem
ist Gartentor, der Künstler, als Figur nur
schwer fassbar. Das Spiel mit den zahlreichen Identitäten und Rollen ist nicht
immer einfach zu durchschauen; man
weiss nie genau, ob man selber Teil einer
seiner Aktionen ist, oder, ob man ihn
«ernst» nehmen darf. Als Kulturpolitiker
wurde er zum ersten inoffiziellen Kulturminister der Schweiz gewählt, er ist Präsident des Berufsverbands visuelle Kunst
(visarte) und immer wieder als Moderator
oder Kolumnist zu hören und zu lesen.
Er hat sein Leben zur Kunst erklärt, ein
LKW (Lebenskunstwerk), das seine alte
Identität immer mehr verdrängt. Heinrich
Gartentor ist bekannt für unkonventionellen Kunstaktionen; er nennt diese auch
«freundliche Attentate». Er schliesst sich
in Bunker ein, reist ans Nordkap oder
«produziert» sogar zwei eigene Kinder.
Sport hat sich in den letzen Jahren als
eines seiner Hauptinteressensgebiete
herausgestellt. Sei es Seilhüpfen, Fussball oder Golf, immer wieder zwingt er
sich selbst und seine MitstreiterInnen, an
die physische Leistungsgrenze zu gehen.
Heinrich Gartentor is a pseudonym. Or
rather, Heinrich Gartentor is a person
at once real and fictitious. But although
Gartentor’s identity is in fact supported
by an autobiography, Gartentor as an artist remains enigmatic, the elusivness of
his person due to a play with numerous
identities and personas, so that it is not
easy to tell if he can be taken seriously
or if one is just part of one of his performances. A figure involved in cultural
politics, he not only became the first inofficial minister of culture of Switzerland,
but he is the president of visarte, the
professional association of visual artists, and can frequently be seen and read
as a presenter and columnist. Gartentor is known for his unconventional art
actions he, among other things, calls
“friendly attacks”, and which include him
being locked away in a bunker, travelling to the North Cape, and even fathering two children. In recent years, sport
has become one of his main subjects
of interest. No matter whether this is
rope skipping, playing soccer or golf, he
keeps pushing his own, as well as his
fellow contestants’ physical boundaries.
Gartentor Golf, 2006
Video-Installation / video installation, Diverse Materialien /
various materials, 120 x 80 x 400 cm
40
41
Franticek
˘ Klossner
*1960 Grosshöchstetten BE, lebt und arbeitet / lives and works in Bern CH
Mittels Hochleistungskameras aus
Wissenschaft und Medizin oder Spiegelverzerrungen versteht es Franticek
˘
Klossner, seinen Arbeiten eine magische
Komponente einzuhauchen. Die Grenzen der visuellen Wahrnehmung werden
neu formuliert, und es entstehen körperliche Statements von faszinierender
Direktheit. So entstanden Videoarbeiten
in Superzeitlupe, etwa «Mess Up Your
Mind», sich bewegende Lippen, die zu
wallenden «Fleischbergen» werden, oder
«Augenblick und Ewigkeit» bei der jeder
einzelne Splitter eines zerbrechenden
Spiegels festgehalten wurde. In einigen
Werken wird auch die Interaktion zu einem integralen Bestandteil. Die BetrachterInnen können direkt Einfluss nehmen
auf die gezeigten Bilder und etwa mit
ihrer Stimme eine Gruppe strammstehender Soldaten auf den Boden fallen
lassen. Immer wieder sind es komplexe
Gesamtinszenierungen und das gekonnte
Zusammenfügen verschiedenster Techniken und Materialien, die die Arbeiten
des Künstlers auszeichnen, sie zeitlos
aktuell machen. Häufig arbeitet er mit
Selbstporträts, die zu Sinnbildern für
die ständige Veränderung mediatisierter Bilder werden. Er bringt es auf den
Punkt: «Die Welt beschreibt dein Gesicht
– Dein Gesicht beschreibt die Welt.»
High-performance cameras as used in
science and medicine or mirror distortions: these are Franticek
˘ Klossner’s
means with which he imbues his works
with a certain magical moment. By filming videos in super slow-motion, such as
“Mess Up Your Mind”, in which moving
lips are turned into huge billowing lumps
of meat, or “Augenblick und Ewigkeit”
(instant and eternity) that arrests in
time the single pieces of a breaking
mirror he redefines visual perception
and creates corporeal statements of
fascinating directness. Some works are
interactive, and the visitors can influence the flow of images e.g. by using
their voice to have a group of soldiers
standing at attention fall to the ground.
His work, again and again characterised
by complex installations and skillful
combination of various techniques and
materials, is both timeless and topical. Often he works with self-portraits,
which become metaphors for the constant change of mediated images, succinctly summarised by the artist when
he states: “The world describes your
face – your face describes the world.”
Total Narziss, 1996
Video Hi8 / VHS, 03’30’’
42
43
Franticek
˘ Klossner
Inter Media Kiss (eine kleine Kunstgeschichte der Sehnsucht), 1997
Video SVHS, 04’09’’, Performance: Manuel Espinoza & Franticek
˘ Klossner
Musik / music: Mina Mazzini / GSU Lugano
44
45
Reto Leibundgut
*1966 in Büren zum Hof CH, lebt und arbeitet / lives and works in Basel und Thun CH
Reto Leibundgut ist ein Meister in Sachen
Verwertung alter Materialien. Seit Beginn
seiner künstlerischen Tätigkeit befasst er
sich ausschliesslich mit vermeintlichem
«Abfallmaterial». Meistens verarbeitet er
alte Werkstoffe, wie Holz, Leder, Plastik oder Textilien und stellt sie in einen
neuen Kontext. Dabei interessiert ihn
vor allem der Aspekt, wie vordergründig
«schäbiges» Material in einem «liebevollen» Umwandlungsprozess eine Staunen
erzeugende Präsenz erfahren kann.
Beim Umzug in ein neues Atelier blieb
viel Material übrig, für das er keine Verwendung mehr hatte. Und so hat er seine
umfangreiche Sammlung farbiger Holzplanken an die Wand genagelt, und den
Prozess dauernd festgehalten. Nackte
Bretter fanden dabei ebenso Verwendung
wie ältere Arbeiten oder Materialskizzen
dazu, so dass man den Videoclip auch als
einen Schnellparcours durch Leibundguts Arbeiten ansehen kann. Rhythmisch
auf die – eigens von Dieter Seibt, Beat
und Ernesto Feller konzipierte – Musik abgestimmt, wächst eine Wand aus
Holzbrettern. Entstanden ist eine Art
Collage, ein performatives «Work-in-Progress-Werk» par «Exellence» – und eine
wunderschöne, ephemere, da mittlerweile zerstörte Wandstruktur/-skulptur.
Reto Leibundgut is a master at recycling
old materials. Since the beginning of his
career he has been working exclusively
with what appears to be waste material,
mostly discarded wood, leather, plastic or
fabrics, which he then recontextualises.
What inspires him first and foremost is
the idea how seemingly shabby material can create an amazing presence
when it is subjected to a “loving process
of transformation” by the artist. When
Leibundgut moved to a new studio, he
was left with a lot of material he no
longer needed. So he nailed his collection of painted planks on one of his studio
walls and captured it on video. Unused
pieces of wood were as much part of this
action as were old works or sketches,
so that Leibundgut’s video becomes a
quick viewing of his œuvre. The images
of this growing wall are rhythmically
coordinated to music conceived especially for this purpose by Dieter Seibt,
Beat Feller and Ernesto Feller. The result
is a sort of collage, and a performative
work in progress par excellence – as well
as a wonderful and ephemeral, since
destroyed, wall structure / sculpture.
Wandstück, 2007
DV-Pal/DVD 04‘42‘‘, Schnitt / editing: Diana Dodson
Musik / music: Dieter Seibt, Beat & Ernesto Feller
46
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Zilla Leutenegger
*1968 in Zürich CH, lebt und arbeitet / lives and works in Zürich CH
Zilla Leutenegger arbeitet mit verschiedensten Medien; am bekanntesten
wurde sie wohl mit ihren Zeichnungen,
die zuerst nur Zeichnungen waren, dann
aber sukzessive auch zu animierten
Videoarbeiten wurden. Oft steht sich die
Künstlerin selber Modell; die Arbeiten
kreisen um die Positionierung des Selbst
in einem wechselnden Umfeld. Daraus
entstehen analytische Beobachtungen
in einer wirklichen, aber auch selbst
definierten Welt. Meistens sind die dargestellten Menschen auf sich alleine gestellt, trotzen der Situation, in der sie sich
gerade befinden – oder geben ihr nach.
Feine Gesten, wie ein flatternder Schal
oder eine brennende Zigarette, knüpfen
feine Erzählstränge, die sich zum Teil
auch über mehrere Werkgruppen hinweg
beobachten lassen. Manchmal sind die
Arbeiten laut und direkt, dann wiederum
geheimnisvoll und leise. Und doch ist es
diese Konzentration auf eine Handlung
oder auf eine Person, die die Arbeiten mit
einer ungeheuren Kraft auflädt. Das Wandeln in verschiedenen Welten wird auch
in der Arbeit «Quicksilver» zum Thema
gemacht. Die Künstlerin steht in einer
silbernen Pfütze, wird wie magisch von
einem Löffel hochgehoben und «tropft»
zurück in die Pfütze; immer und immer
wieder, wie im endlosen Strudel der Zeit.
Zilla Leutenegger uses different media,
although she is probably best known for
her drawings, which at first were indeed
just drawings, but gradually became
animated videos. Frequently Leutenegger is her own model, and her works
center around the question of positioning
one’s self in a changing environment,
resulting in analytic observations placed
both in the real world and in worlds
she creates herself. Mostly the people
depicted have to rely on themselves,
braving the situation they happen to
find themselves in – or relenting to it.
Subtle gestures, such as a shawl fluttering in the wind or a burning cigarette,
create fine strands of narrative that
weave themselves through several of
her works. Sometimes her works are
loud and direct, then again enigmatic
and hushed, yet her concentration on a
single action or person never fails to give
them an incredible energy. Leutenegger’s
work “Quicksilver”, too, thematises the
motif of walking in different worlds. The
artist, standing in a silver pool, is magically lifted up by a spoon, only to “drip
back” into the pool, again and again,
as if caught in an endless time-loop.
Quicksilver, 2002
DVD Pal, 01‘00‘‘, Ed. 10
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Sabine Linse
*1966 in Eckernförde DE, lebt und arbeitet / lives and works in Berlin und Kiel DE
Ihre stets perfekt in Szene gesetzten
Motive hält Sabine Linse mittels verschiedener Techniken, wie Langzeit- und
Mehrfachbelichtung, Projektion oder
Überlagerung mehrerer Bilder fest. Die
Fotografie steht im Zentrum, deren Grenzen werden aber von der Künstlerin dauernd ausgelotet und erweitert. Auf einer
Art «Metaebene» erschafft sie sich eine
Märchenwelt zwischen Imagination und
Realität. Es entstehen eigenwillige
Sequenzen, denen man sich kaum
entziehen kann, die jedoch skurriler fast
nicht sein könnten. Die Verortung der
phantastischen Geschöpfe in der Wirklichkeit ist schwierig; und doch leben
die erzählten Geschichten irgendwie im
Hier und Jetzt. In der Videoarbeit «Im
Grünen» sind drei Menschen zu sehen,
die, umgeben von einer saftigen Wiese
und hohem Gras, bis auf den Kopf im
Boden eingegraben sind. Als ob es das
Normalste der Welt wäre, wirken sie
wie natürlich eingepflanzt und singen
im Kanon das bekannte Erntelied «He,
ho, spann den Wagen an» – ruhig und
fröhlich und ohne Unterbruch. Das Repetitive im Gesang sowie die perfekte Idylle
der Szenerie mit Sonnenschein, leichter
Brise und Vogelgezwitscher sind Reminiszenzen an die Kindheit – und zugleich
eine absurd-surreale Traumsituation.
Sabine Linse uses photography to capture her perfectly staged motifs, but as
she uses various techniques such as time
exposure, multiple exposure, projection
and superimposition of images she is
constantly testing out and expanding the
limits of her medium. On a sort of metalevel her creations are fairy worlds located between imagination and reality. They
consist of unconventional sequences that
are highly irresistible, but so whimsical
it almost defies description. It is difficult
to place her phantastic creatures in the
real world, and yet, her stories seem
to be rooted in a here and now, as in
the video “Im Grünen” (in the country):
three people are buried in the ground of
a meadow with nothing but their heads
sticking out, luscious high grass in the
background. Their being planted there
seems perfectly natural, and together
they sing the well-known German canon
“He, ho, spann den Wagen an” – calmly
and cheerfully, without stopping once.
The repetitiveness of the singing and the
perfectly idyllic scenery with sunshine,
light breeze and twittering of birds makes
one think of childhood memories, but
also of an absurd and surreal dream.
Im Grünen, 2005
DV-Pal/DVD, 38‘00‘‘, Ed. 12, Sänger / singer: Nataly Hocke,
Alexander Laudenberg, Mike Pritchard
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Andrea Loux
*1969 in Bern CH, lebt und arbeitet / lives and works in Bern/CH und Berlin DE
Andrea Loux’ Arbeiten wirken oft wie
Bühnenbilder, in denen sich ProtagonistInnen der letzten Jahrzehnte des 20.
Jahrhunderts tummeln. In Wohnkatalogen der 70er- und 80er-Jahre fahndet sie
nach Motiven, die sie gekonnt überarbeitet und daraus eine überraschende und
verblüffende Szenerie schafft. Die Bilder
sind uns allen vertraut, auch wenn sie oft
bloss Reminiszenzen an vergangene Tage
sind. In den grossen Videoinstallationen
gelingt es der Künstlerin, mit komplexen
Überarbeitungen von vorgefundenem
Bildmaterial versponnene Geschichten zu
erzählen. Daneben entstehen immer wieder kleinere Projekte, die sie als Skizzen
versteht, aus denen einmal eine grosse
Arbeit entstehen kann. Spannend sind
die eigens konzipierten, mehrteiligen
Arbeiten, die sie in Bilderrahmen präsentiert und «domestizierte Videoinstallationen» nennt. Dort setzt sie auch immer
wieder Landschaftsmotive ein. Eines der
Hauptwerke der letzten Zeit ist sicher die
Arbeit «Nebelwelten», ein wunderbar poetisches Porträt einer sich wandelnden
Landschaft. Die präzisen Kameraeinstellungen und die feinen Überblendungen
vermischen sich zu einem traumhaften
Zustand, bei dem Bewusstsein und Unterbewusstsein eins zu werden scheinen.
Andrea Loux’ works often resemble stage
settings filled with people that look as if
lifted from the last decades of the 20th
century. She searches old interior design
catalogues of the 70s and 80s for motifs
she skilfully overworks, turning them into
surprising sceneries which, although just
reminiscences of bygone days, appear
very familiar. Her large video installations succeed in narrating intricate
stories by means of complex reworkings
of found footage. Loux also works on
small projects she calls sketches, which
one day might become the starting point
of some bigger work. Very fascinating
are her “domesticated video installations”, consisting of several parts and
presented in frames. Here, too, she often
uses landscapes as motifs. Her work
“Nebelwelten” (misty worlds), doubtlessly
one of her best works of recent years,
depicts a wonderfully poetic portrait of a
changing landscape. Precise camera settings and subtle cross-fades blend into a
dreamlike state in which conscious and
sub-conscious seem to merge into one.
Wechselrahmen (Domestizierte Videoinstallation), 2004–2006
DVD, Monitor, Holzrahmen / DVD, monitor, wooden frame, 27 x 332 x 5 cm, Ed. 5
(Wie ein Fisch im Wasser, 2004, Einpassung, 2004, Stille Wasser, 2004)
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Andrea Loux
Nebelwelten, 2006
DVD Pal, 07’40’’, Ed. 3, Konzeption & Video / design & video: Andrea Loux,
Musik / music: Samuel Rohrer (Claudio Puntin: B-Klarinette/B-clarinet,
Gerdur Gunnarsdóttir: Violine/violin, Samuel Rohrer: Perkussion/percussion)
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Pia Maria Martin
*1974 in Altdorf DE, lebt und arbeitet / lives and works in Stuttgart DE
In ihren dem Trickfilm verwandten Videoarbeiten beschäftigt sich Pia Maria Martin
mit vermeintlich unbedeutenden Gegenständen oder Objekten des Alltags. Diese
werden zu HauptdarstellerInnen ihrer
Arbeiten und, als Animationen, die aus
Tausenden von Einzelbildern komponiert
wurden, unverhofft zum Leben erweckt.
Es entstehen animierte Stillleben, die sich
an verschiedene Genres der klassischen
Malerei anlehnen. Nur sind die Stillleben
eben nicht still, sondern verändern sich,
Mal schnell und heftig, Mal langsam und
ruhig. Die perfekte Choreographie von
Bild und Ton verblüfft stets aufs Neue.
Die im Bildgedächtnis gespeicherten
Motive fügen sich zu kleinen, narrativen
Episoden mit ungewissem Ausgang, denn
die Gegenstände entwickeln unerwartet
ein kurioses Eigenleben, formieren sich
und gehen wieder auseinander. Für ihr
Triptychon «Vivace» brachte sie drei klassische Motive aus der Kunstgeschichte
zusammen: einen Blumenstrauss, eine
Küchenszene sowie eine Vanitas-Darstellung. Die einzelnen Bilder mutieren
und verändern sich zum Erstaunen der
BetrachterInnen mit jedem Blick mehr.
Die zum Teil surreal-komischen Handlungsabläufe sind treffende Metaphern
für die Zeit – und damit auch für die Zyklen von Leben, Vergänglichkeit und Tod.
Pia Maria Martin’s videos centre around
trivial, everyday objects unexpectedly
brought to life by stringing together
thousands of single frames. The results
are animated still lives that take their
origins from classical painting. Unlike
in painting, however, Martin’s still lives
are not still as they undergo constant
change, which sometimes is fast and
furious, sometimes slow and calm. The
perfect choreography of sound and image
is amazing and never stops to impress
us. Her motifs, once they are committed
to our visual memory, come to be assembled to short narrative episodes whose
ending is unclear: the objects unexpectedly develop a strange life of their own
as they weave in and out of each other.
For her triptych “Vivace” Martin brought
together three classical motifs from art
history: a bunch of flowers, a kitchen
scene and a memento mori. To our
surprise the images transform, increasingly so each time we look at them.
The sequences, which have something
surreal and comical about them, are
striking metaphors for time – and thus
also for life, transience and death.
Vivace I, 2006
16mm Film auf DVD / 16mm film
on DVD, 3‘03‘‘, Ed. 5
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Pia Maria Martin
Vivace III, 2006
16mm Film auf DVD/16mm film on DVD, 3‘26‘‘, Ed. 5
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Franziska Megert
*1950 in Thun CH, lebt und arbeitet / lives and works in Bern CH und Düsseldorf DE
Seit den 1980er-Jahren beschäftigt sich
Franziska Megert hauptsächlich mit
Videoprojekten und untersucht dazu den
reichen Fundus der Kulturgeschichte.
Waren es zu Beginn Fragen nach Geschlecht, Transitionen in der Gesellschaft
oder Körperlichkeit, die sie mittels unnahbaren Porträts in ihren stelenhaften
Videoskulpturen auslotete, wurden mit
der Zeit tradierte Mythen immer wichtiger, denen sie in aufwendigen Recherchen auf den Grund ging. Auch fanden
zusehends Computeranimationen Eingang in ihr Œuvre, was ihr ermöglichte,
gross angelegte Panoptica eines Themas
raumgreifend und freskenhaft auszuformulieren. Ihre Projektionen werden
stets zu äusserst lebendigen «Tableaux
Vivants», die in sich nicht abgeschlossen
sind, mannigfaltige Anknüpfungspunkte für den eigenen Erfahrungsschatz
bieten und zur dauernden Reflektion
einladen. Das Spiel von Materialität
und immateriellen Umsetzungen beherrscht die Künstlerin vortrefflich;
BetrachterInnen werden förmlich eingesogen in das virtuelle Labyrinth,
dessen Raumstrukturen ständig neu
definiert werden müssen. Mal rasant,
dann wieder wie eingefroren präsentiert
uns die Künstlerin verblüffende, paradoxe und doch klar lesbare Bildwelten.
Since the 1980s Franziska Megert has
mainly worked with video to analyse the
wealth of subjects offered by cultural
history. Whereas at first she dealt with
questions of gender, transitions within
society and the body – questions she
formulated via inaccessible-looking portraits and video sculptures resembling
steles – she has gradually shifted her
interest and extensive research to myths.
Moveover, by introducing the technique
of computer animation into her work, she
has found a way to express themes by
means of installations that have the feel
of murals. Her projections are invariably like incredibly animated “Tableaux
Vivants” which, as they are not selfcontained, offer various possibilities how
to relate them to one’s own experiences,
thus presenting a constant invitation
for reflection. Megert has mastered the
play between materiality and immaterial realization unlike any other: Looking at her works feels like being sucked
into a virtual labyrinth whose spatial
structures keep shifting. The artist succeeds in presenting us with images,
fast-paced one minute, as if frozen in
time the other, that are bafflingly paradoxical, as well as clear and conclusive.
HOMMeAGE, 1996
DVD Pal, 3D Animation, 03’30’’
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Chantal Michel
*1968 in Bern CH, lebt und arbeitet / lives and works in Kiesen, Thun und Bern CH
Mittels ihrer umfangreichen Kleider- und
Accessoiresammlung inszeniert sich
Chantal Michel als organischer Teil ihrer
Umgebung und wird damit selbst zum
Ausstattungsstück. Die Orte ihrer Inszenierung erfahren unweigerlich einen
Massstabswechsel und schrumpfen auf
die vermeintlich kleine Dimension eines
Puppenhauses. Sie bringt sich meisterhaft in einen vorgegebenen Kontext ein,
wird zu einer Art Puppe, zum Spielball
ihrer selbst in einem skurrilen Umfeld.
Die Künstlerin arbeitet an der Schnittstelle von Videokunst, Fotografie und
Performance und versteht es, stets das
passende Medium für den passenden
Ort zu finden. Immer wieder verblüfft
sie durch ihre Spontaneität, etwa bei
den ortspezifischen Performances, oder
durch ihre Offenheit, sich in die Realität anderer Kulturkreise einzufügen.
Basierten die frühen Videoarbeiten auf
einfachen; aber effektvollen Performances, arbeitet sie im aktuellen Schaffen in
der Postproduktion vermehrt mit Eingriffen, wie Spiegeleffekten oder Überblendungen. Das Märchenhafte bleibt
erhalten; Chantal Michel ist immer noch
die verwunschene Prinzessin oder das
vergessene Dekorationsobjekt – einzig im Spiel mit sich selbst begriffen.
Drawing on her own large collection of
clothes and accessories Chantal Michel
likes to stage herself as a an organic
element of her surroundings, a pro
-cess during which she becomes no less
than part of the furniture. The settings
for her performances thereby inevitably
undergo a change of scale and seem
to shrink to the size of a doll’s house.
She skillfully assimilates herself to the
given surroundings, turning into a doll
of sorts, which she uses to play with in a
rather bizarre location. Michel works at
the interface between video, photography
and performance, masterfully matching
medium and place. Again and again she
amazes us by her spontaneity, for example in ther site-specific performances,
or her readiness to integrate herself into
the realities of foreign cultures. When her
early videos used to be based on simple but effective performances, she has
started to spend more time on postproduction and applies effects such as mirroring and cross-fading. Yet, the fairy-tale
character remains, and Chantal Michel is
still an enchanted princess, or a forgotten
decorative object, playfully self-absorbed.
Das Geheimnis, 2006
DVD endlos / looped, Ed. 3
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Dominik Stauch
*1962 London GB, lebt und arbeitet / lives and works in Thun CH
Dominik Stauch ist einer der Pioniere
interaktiver, webbasierter Kunstprojekte (www.stau.ch) und arbeitete in den
letzten Jahren an einer konsequenten
«Erweiterung» seiner Malerei, indem
er unterschiedlichste Medien (Ölmalerei, digitale Prints, Computeranimationen, Installationen oder Skulpturen)
kombinierte; dabei aber den Farb- und
Formtheorien stets treu blieb. Kunstgeschichte, Literatur und Musiktheorie
des 20. Jahrhunderts bilden das nötige
Fundament, um seinen Arbeiten die vielschichtige Tiefe zu geben. Nicht durcheinander wirbelnde Effekthascherei ist sein
Thema, sondern wohlüberlegte, durchkomponierte Umsetzungen einer Idee.
Seine Videos bestechen einerseits durch
klar durchdachte Geometrien und eine
«genial-einfache» Formensprache,
andererseits durch zitierende, oft ironische Sequenzen, in denen er selber
als Hauptperson agiert. Oft unterstützt
er die Arbeiten mit Sound, etwa durch
selbst komponierte und gespielte Musiksequenzen. Die Arbeiten werden so
zu optisch-akustischen, rhythmischen
Umsetzungen von geometrischen oder
inhaltlichen Konzepten. Manchmal sind
sie ruhig und meditativ, manchmal
aggressiv oder nachdenklich stimmend.
Dominik Stauch, one of the pioneers of
interactive, web-based art projects (www.
stau.ch), has also put rigorous effort into
expanding the medium of painting. When
combining different media (oil painting, digital prints, computer animation,
installation or sculpture), he nevertheless
remains true to theories of colour and
form. Art history, literature and 20th century music theory constitute the essential
components from which his works draw
their complex depth. Stauch is not interested in causing higgeldy-piggeldy sensations, rather his main concern lies in
pursuing and implementing carefully considered and composed ideas. His videos
captivate, on the one hand, by their well
thought out geometrical structures and
ingeniously simple vocabulary of forms,
but also by sequences that, often ironically, make use of quotation and in which
the main character is played by the artist
himself. Often his works are accompanied
by sound, for example sequences of music Stauch composes and plays himself.
His works thus become optical-acoustic
and rhythmic realisations of geometrical
as well as content-oriented concepts.
Sometimes these are calm and meditative, sometimes aggressive and thoughtprovoking.
Study for a Billboard, 2006
DVD, 01’04’’, Ed. 6, Animation und Sound / animation
and sound: Dominik Stauch
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Dominik Stauch
Don‘t Let Me Down, 2006
Konzept und Performance / concept and performance: Dominik Stauch,
Regie, Kamera und Schnitt / director, camera, editor: Peter Eberhard, DVD, 04’20’’, Ed. 6,
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Brigitte Zieger
*1959 in Neuhofen DE, lebt und arbeitet / lives and works in Paris FR
Im Zentrum von Brigitte Ziegers Videound Fotoarbeiten steht das Verhältnis von
Fiktion und Realität. Meist sind es die
Künstlerin selbst oder ihr «Alter Ego», die
in den Arbeiten zu sehen sind und so zu
einer kontinuierlchen Wahrnehmungsverschiebung beitragen. Das Zitieren ist
ein wichtiges Mittel; und doch kokettiert
die Künstlerin immer damit. Waren die
früheren Videoarbeiten durch die Beschäftigung mit Modelllandschaften oder
eine simple Spielzeugästhetik entstanden, weisen die neusten in eine andere
Richtung. Die Serie der «Wallpapers»
nimmt die weit verbreitete Tradition der
französischen Tapetenproduktion aufs
Korn («Toile de Jouy»). Pastorale Szenen zierten unzählige Wohnräume und
fehlten in keinem Kinderzimmer. Die
oft überidyllischen Motive beflügelten
denn schon manche Kinderphantasie;
und genau diesen Effekt des Erinnerns
und Erkennens einer vertrauten Umgebung macht sich die Künstlerin zu
Nutze: Projiziert, sehen die Tapeten wie
normale Tapeten aus; doch unvermittelt lösen sich anmutige Figuren aus
den Motiven heraus, bewegen sich auf
die BetrachterInnen zu und schiessen
schliesslich in den Raum. Das Idyll ist
zerstört, übrig bleiben die Trümmer einer
verklärten, vermeintlich besseren Welt.
The relation between fiction and reality is
at the centre of Brigitte Zieger’s videos
and photographs. More often than not
what we see in her works is the artist
herself or her alter ego, thus bringing about a constant shift of perception.
Quotation is one of her important means
of expression, but she only flirts with
it. When in her early works she used
model landscapes and a simple aesthetics of toys, her more recent works move
in a different direction. With her series
“Wallpapers” she mocks the widespread
use of French wallpaper (“Toile de Jouy”):
Numerous living rooms are decorated
by pastoral scenes, and few kid’s rooms
can do without them. The exaggeratedly idyllic motifs have indeed inspired
many a child’s imagination, and it is
exactly this effect of recognising and
remembering a familiar environment
Zieger draws on. When projected these
wallpapers look quite real, until elegant
figures break away, move towards the
on-lookers and start to shoot into the
room. The idyll is instantly destroyed.
What remains are the remnants of a
transfigured, seemingly better world.
Shooting Wallpaper, 2006
Animation ab digitalen Daten / animation
from digital data, 07‘45‘‘, Ed. 5
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Roman Zürcher
*1982 in Bern CH, lebt und arbeitet / lives and works in Berlin DE
Der Berner Künstler Ramon Zürcher ist
ein Geschichtenerzähler, der mit überraschenden Schnitten und aufwendigen Bildbearbeitungen seine surrealen
Welten inszeniert. Die Personen in den
geschaffenen Räumen sind StatistInnen
und ProtagonistInnen zugleich, werden
sie doch manchmal eher durch die Episoden geleitet, als dass sie agieren würden. Die Bilder pendeln zwischen schönen Traumphantasien und Albträumen,
führen nahtlos vom einen Ausschnitt zum
nächsten und verschachteln sich dabei
immer mehr. Zahlreiche Rätsel werden aufgegeben; manchmal werden sie
gelöst, meistens bleiben jedoch mehrere
Möglichkeiten zum Ausgang der Geschichte offen. Diese Offenheit zelebriert
der Künstler, indem er gleichzeitig verschiedene Bedeutungsebenen aufzeichnet, und diese immer wieder in neue
Kontexte rückt. Er erzählt umfangreiche
Geschichten – und erzählt eigentlich
doch nichts. Und trotzdem wartet man
gespannt auf die Fortsetzung der sich vor
einem ausbreitenden Handlung, auch,
wenn sie sich als blosses Hirngespinst
entpuppt. Es sind am Schluss doch einzig
die Bilder, die sich einprägen und die
haften bleiben, dies nicht zuletzt, weil
der vollständige Verzicht auf Ton eine
Konzentration aufs Visuelle klar vorgibt.
Bernese artist Ramon Zürcher is a
story-teller who creates surreal worlds
by means of unexpected film cuts and
extensive image editing. The figures
peopling his fictive spaces are both protagonist and extra, as often they seem to
be guided through the various episodes
rather than acting in them. The images
oscillate between beautiful dream and
frightening nightmare, one detail leading
seamlessly to the next, but getting more
and more interlaced. Numerous riddles
are created on the way, which sometimes
can be solved, but most of the time we
are left with several possibilities as to the
the story’s ending. Zürcher celebrates
this openness by creating various levels
of interpretation, and constantly putting
them into new contexts. He tells elaborate stories – which, as a matter of fact,
tell us nothing at all. And still we can’t
wait to find out how the story will evolve,
no matter if it turns out to be mere fantasy. It is the pictures that edge themselves onto our memories, aided by the
fact that Zürcher does completely without
sound, concentrating on the visual.
Der Giesser, 2004
DVD, 03’04’’, Ed. 5
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Dank / Acknowledgments
Herzlichen Dank zuerst an Carola und
Günther fürs Vertrauen, mich mit der Organisation der Ausstellung zu betrauen.
Wir kennen uns mittlerweile sehr gut und
arbeiten schon lange in gemeinsamen
Projekten zusammen; aber es ist immer
aufs Neue spannend und bereichernd!
Für mich sind die Ausstellungsräume
fast euer erweitertes Wohnzimmer!
First of all I wish to thank Carola and
Günther for having entrusted me with
the organization of the exhibition. We
have become good friends over the years
and have been working together on joint
projects for a long time. Even so, every
new project is as exciting and rewarding
as ever! For me, your exhibitions are almost like an extension of your living room!
Carola Ertle Ketterer und Günther Ketterer danken Bernhard Bischoff für
die langjährige Begleitung der gemeinsamen Interessen und Projekte.
Dann möchte ich verschiedenen Menschen danken, die zum Gelingen der Ausstellung beigetragen haben. Zuerst allen
KünstlerInnen – denn ohne KünstlerInnen gibt es keine Kunst und ohne Kunst
keine Ausstellung: so einfach ist’s! Dann
gebührt ein ganz grosses Dankeschön der
Kuratorin der Sammlung Carola und Günther Ketterer-Ertle, Annick Haldemann;
sie leitete das Ausstellungssekretariat,
leistete also die eigentliche Knochenarbeit, während ich mich eher dem Schöngeistigen zuwenden durfte; merci Annick!
Nicht vergessen möchte ich meinen
technischen Assistenten Simon Stalder, der nach all den Jahren der Zusammenarbeit weiss, «wie» ich «was»
haben will und meine fordernde Art beim
Aufbau stets erträgt. Vielen Dank auch
Dominik Stauch, der immer wieder Rat
und Tat zur visuellen Umsetzung einer
Idee bietet; dann der Videocompany,
die das Unmögliche machbar macht;
und zuletzt auch vielen Dank der ganzen PROGR-Crew, Beate Engel, Eva
Winkler, Martin Waldmeier und Jymy
Ochsenbein – ihr habt uns toll unterstützt und wart wunderbare Gastgeber.
I then wish to thank various people for
their contribution to the success of the exhibition. Firstly, the artists themselves, for
without artists there would be no art, and
without art there would be no exhibitions
– it’s as simple as that! A big thank-you
also goes to Annick Haldemann, the curator of the Carola and Günther KettererErtle Collection. She has handled all the
secretarial work for the exhibition, all the
gruelling work in other words, while I have
been able to devote myself almost entirely to more aesthetic concerns. Thank
you Annick! Someone who must not go
unmentioned is my technical assistant
Simon Stalder, who after all the years we
have been working together knows exactly
the “whats, whys and wherefores” of my
needs and somehow manages to put up
with my impossibly demanding manner
whenever I’m in the final throes of assembling an exhibition. My thanks, too,
go to Dominik Stauch, who never fails
to come up with “just the ticket” when it
comes to realizing an idea visually. And
then there’s the Videocompany, which
has made the impossible possible, and,
last but not least, the whole PROGR crew:
Beate Engel, Eva Winkler, Martin Waldmeier and Jymy Ochsenbein – you were
a fantastic help and wonderful hosts.
Publikation / Publication
Carola Ertle Ketterer and Günther Ketterer wish to thank Bernhard Bischoff
for many years of shared interests and joint projects.
Herausgeber / edited by: Sammlung Carola und Günther Ketterer-Ertle
Katalog, Texte, Redaktion / catalogue, texts, editing: Bernhard Bischoff
Koordination / coordination: Annick Haldemann
Übersetzungen / translations: John Brogden, Sylvia Rüttimann
Lektorat / proofreading: Paul Le Grand
Gestaltung / design: Dominik Stauch
Fotografie / photographs: Dominique Uldry ( Seite / Pages 1, 4, 11, 17, 19, 20 / 21,
27, 33, 39, 41, 53, 72 / 73, 74 / 75, 76 / 77, 80 ), Pavel Büchler ( Seite / Page 23 )
Lithografien / photo lithographs: Atelier Altmeier
Druck und Herstellung / printing and production: Vetter Druck AG, Thun
Auflage / edition: 700
Abbildungen / figures
Ausstellungsansichten / exibition view: Seiten / pages 20/21, 72 /73, 74 /75, 76 /77,
Umschlag / Cover; Sammlung / collection Carola und Günther Ketterer-Ertle:
Seiten / pages 1, 4, 11, 17, 80
Verlag Galerie Henze & Ketterer- Wichtrach /Bern
ISBN 978-3-906128-39-9
© 2009 Autor & KünstlerInnen / author & artists
Keine Veröffentlichung von Texten und Bildern ohne Einwilligung der UrheberInnen.
No texts or images may be reprinted or reproduced without the permission
of the copyright holders.