Reclams Städteführer. Architektur und Kunst. Rom
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Reclams Städteführer. Architektur und Kunst. Rom
Reclams Städteführer Rom 11.6.08 /Z=/wdz/ub/pageone/ub18512/2701300-Umbruch-NEU Seite 2 2 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 Reclams Städteführer Rom 11.6.08 /Z=/wdz/ub/pageone/ub18512/2701300-Umbruch-NEU Seite 3 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 reclams städteführer architektur und kunst Rom Von Christoph Höcker Mit 30 Abbildungen, 13 Grundrissen und 6 Plänen 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 Philipp Reclam jun. Stuttgart Reclams Städteführer Rom 11.6.08 /Z=/wdz/ub/pageone/ub18512/2701300-Umbruch-NEU Seite 4 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 18512 Alle Rechte vorbehalten © 2008 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart Umschlagfoto: Achim Bednorz, Köln Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen. Printed in Germany 2008 RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart ISBN 978-3-15-018512-4 www.reclam.de Reclams Städteführer Rom 11.6.08 /Z=/wdz/ub/pageone/ub18512/2701300-Umbruch-NEU Seite 5 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 Inhalt Rom – die ›Ewige Stadt‹. Ein Kurzporträt . . . . . . 7 Stadtgeschichte in Daten . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Kulturkalender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Rundgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Rom in drei Tagen 46 Rom in fünf Tagen 46 Rom in sieben Tagen 47 Rom innerhalb der Mauern . . . . . . . . . . . . . . 48 Die Mauern Roms . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Das antike Stadtzentrum zwischen Kapitol und Palatin, Kolosseum und Circus Maximus . . . . . 52 Die südliche Innenstadt zwischen Corso V. Emanuele und dem Marcellus-Theater . . . . . . 83 Antike 83 Nachantike Sakralarchitektur 86 Profanarchitektur 92 Die nördliche Innenstadt zwischen Corso V. Emanuele II. und der Piazza del Popolo . . . . . 102 Antike 102 Nachantike Sakralarchitektur 109 Profanarchitektur 117 Die östliche Innenstadt zwischen Piazza Venezia, Porta Maggiore, Lateran und Esquilin . . . . . . . 133 Antike 134 Nachantike Sakralarchitektur 138 Profanarchitektur 156 Aventin, Caelius und Umgebung . . . . . . . . . . Antike 158 157 Reclams Städteführer Rom 11.6.08 /Z=/wdz/ub/pageone/ub18512/2701300-Umbruch-NEU Seite 6 6 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 Inhalt Nachantike Sakralarchitektur 162 Profanarchitektur 168 Rom jenseits der Mauern und des Tiber . . . . . . . 172 Engelsburg und Vatikan . . . . . . . . . . . . . . . 172 Trastevere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Katakomben, Gräber, Kirchen und Profanbauten entlang der Ausfallstraßen . . . . . . . . . . . . . 212 Villen, Gärten und Parks . . . . . . . . . . . . . . 233 Moderne Architektur in den Außenbezirken . . . 240 Das Rom der Faschisten . . . . . . . . . . . . . . 244 Die römischen Museen . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Sehenswürdigkeiten in der Umgebung Roms . . . . 272 Cerveteri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Frascati . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Ostia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Palestrina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Tivoli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Anhang Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Nachweis der Karten und Abbildungen . . . . . . . 288 Weiterführende Informationen . . . . . . . . . . . . 289 Literatur 289 Internetseiten 290 Objektregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Reclams Städteführer Rom 11.6.08 /Z=/wdz/ub/pageone/ub18512/2701300-Umbruch-NEU Seite 7 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 Rom – die ›Ewige Stadt‹. Ein Kurzporträt Rom ist die sprichwörtlich ›Ewige Stadt‹, die Kulturstadt Europas schlechthin. Knapp 3000 Jahre Geschichte verdichtet sich auf kleinstem Raum in einer atemberaubenden Vielzahl von Denkmälern: antike Bauten der Etrusker und Römer, frühchristliche Kirchenbauten und Katakomben, die gewaltige Flut von Sakral- und Profanbauten aus Renaissance und Barock, schließlich die oft verkannten Baudenkmäler des Faschismus und der Nachkriegszeit. Dabei sind die Überlagerungen der Epochen an einzelnen Orten der Stadt oft höchst komplex – ein Problem, das eben aus der Tatsache resultiert, dass die Stadt kontinuierlich besiedelt geblieben ist und jede bauliche Veränderung oder Erneuerung zugleich zur Überformung von Altem geführt hat. So ist es bisweilen nicht ohne weiteres möglich, den heutigen Architekturbestand samt seiner jeweiligen historischen Konstellationen und Bedingtheiten ohne detailliertere Kenntnis der Ortsgeschichte zu verstehen. Auch wenn das heutige Rom weit über die berühmten sieben Hügel der antiken Stadt hinausgewachsen ist, so ist, verglichen mit anderen Metropolen, das eigentliche Stadtzentrum relativ klein und überschaubar; es beschränkt sich im wesentlichen auf den Kern der antiken Besiedlung innerhalb des Mauerrings des 3. Jh. n. Chr. Innerhalb dieses Zentrums gibt es wiederum Freiflächen, die in nachantiken Zeiten unbesiedelt blieben; am eindrücklichsten das Forum Romanum und der angrenzende Palatin. Entgegen der Legende ist Rom durchaus nicht auf sieben, sondern auf deutlich mehr Hügeln erbaut; allerdings waren es die berühmten sieben Hügel (Kapitol, Palatin, Esquilin, Aventin, Quirinal, Viminal und Caelius), die im frühen 4. Jh. v. Chr. vom ersten monumentalen Mauerring umschlossen wurden, der damit das Stadtgebiet auf diesen Reclams Städteführer Rom 11.6.08 /Z=/wdz/ub/pageone/ub18512/2701300-Umbruch-NEU Seite 8 8 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 Rom – die ›Ewige Stadt‹ Kernbereich eingegrenzt hat. Die jenseits der Mauer gelegenen Hügel (Monte Antenne, Janiculus, Pincius, Mons Vaticanus) standen aber immer in soziokulturellem und ökonomischem Zusammenhang mit dieser so etwas willkürlich ausgeformten Stadt Rom. Das wellige Terrain im Hinterland der Tibermündung, am Ort des Zusammenflusses von Tiber und Annio ist Ausläufer des Berglandes der Campagna Romana; von den römischen Hügeln ist der Monte Mario mit 139 m der höchste. Unter den urbanistischen Konstanten ist neben der riesigen spätantiken Stadtmauer vor allem das Straßennetz von Bedeutung: alle großen, heute auf Rom zuführenden Straßen sind antiken Ursprungs und nutzen die antike Trassenführung. Von Norden führte, über den Ponte Milvio, die Via Flaminia (die noch heute so heißt) über das Marsfeld in die Stadt, von Westen die (im Süden des Vatikan ebenfalls noch so benannte) Via Aurelia, von Süden die Via Ostiense und die Via Appia, von Osten die Via Prenestina (heute die Via Nomentana). Konstanten sind auch die Tiberbrücken, während sich in der Stadt selbst im Laufe der Jahrhunderte große Veränderungen ergaben. Im frühen Mittelalter verödete Rom, das in jenen Jahrhunderten eher einer Kleinstadt entsprach und kaum einen Vergleich mit Konstantinopel, der Metropole des Byzantinischen Reiches, aushalten konnte. Nur vier Gebiete blieben bewohnt: Trastevere, der Bereich um das Kapitol, eine Ansiedlung zwischen Vatikan und Engelsburg und der Bereich des Lateran. Der große Rest des Stadtgebietes wurde landwirtschaftlich genutzt, was die erheblichen, immer wieder augenfälligen Unterschiede zwischen antikem und modernem Bodenniveau beschleunigt hat und das weitgehende Verschwinden des antiken innerörtlichen Straßen- und Wegenetzes erklärt. Die rapide Verstädterung, die mit der Rückkehr der Päpste aus dem Exil in Avignon im späten 14. Jh. einsetzte, umfasste überwiegend den nördlichen Teil der antiken Stadt, insbesondere den Reclams Städteführer Rom 11.6.08 /Z=/wdz/ub/pageone/ub18512/2701300-Umbruch-NEU Seite 9 Rom – die ›Ewige Stadt‹ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 9 Bereich des Marsfeldes; die großen antiken Ruinenfelder (Forum Romanum, Kaiserfora und Palatin) blieben weiterhin landwirtschaftlich genutzte ›Leerstellen‹. Dort, wo gesiedelt wurde, entstand ein verwinkeltes Straßennetz, jedoch ohne übergeordnete Planungen. Einige repräsentative Achsen sind hier später hinzugekommen: so die Ausformung der Piazza del Popolo ebenso wie die Neuanlage des Vatikans, schließlich die zentrale Achse der Via dei Fori Imperiali zu Zeiten Mussolinis. Mit der Erhebung zur Hauptstadt 1870 begann eine Bevölkerungsexplosion: von 200 000 (1870) über 700 000 (1921) bis zu 2 600 000 (2004). Immer weitere Vorstädte (Borgate) entstanden seit den 1930er Jahren. Darunter befinden sich besondere städtebauliche Akzente wie die EUR, aber auch unwirtliche Trabantenstädte, die heute soziale Brennpunkte bilden. Die moderne Stadt erstreckt sich über 1508 km². Das, was der Besucher als historisches Rom kennen lernt, ist mit etwa 140 km² Fläche nicht einmal ein Zehntel der Stadt, die heute einschließlich der umgebenden, politisch nicht zur Stadt Rom zählenden Siedlungen für gut 5 Millionen Menschen Lebensraum geworden ist. Geschichte. Es gibt kaum ein althistorisches Problem, das verwickelter und verworrener ist als das der Frühgeschichte der Stadt Rom. Kern des Problems ist, dass die Römer selbst, vorwiegend im späten 1. Jh. v. Chr. unter der Federführung des ersten Kaisers Augustus und unter tatkräftiger Mithilfe von Historikern wie Livius und Dichtern wie Horaz, Ovid und Vergil, ihre Frühgeschichte bereinigt, geklittert und mythisiert haben, also eine ›offizielle‹ Staats- und Stadtgeschichte ausgeformt haben, die eher ein Wunschbild als ein Abbild der tatsächlichen Geschehnisse war. Das Ziel war ein doppeltes: Zum einen wurde, etwa mit dem Äneas-Mythos, die römische Frühgeschichte unmittelbar mit der griechischen Mythenwelt Reclams Städteführer Rom 11.6.08 /Z=/wdz/ub/pageone/ub18512/2701300-Umbruch-NEU Seite 52 52 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 Rom innerhalb der Mauern torianer-Kaserne, deren massive Ummauerung sich für eine Integration in den Neubau einer Stadtbefestigung anbot. Zahlreiche Grabmonumente wurden ebenfalls in die Stadtmauer einbezogen, so z. B. das Grabmal des Eurysaces an der Porta Maggiore oder die Cestius-Pyramide nahe der Porta Ostiense. Das antike Stadtzentrum zwischen Kapitol und Palatin, Kolosseum und Circus Maximus Das antike Stadtzentrum wird geographisch durch die beiden zentralen Hügel, das Kapitol und den Palatin, sowie die markanten Senken im Norden (Forum Romanum, Kaiserfora, Kolosseum) und im Süden (Circus Maximus) des Palatins gebildet, nach Westen hin vom Forum Boarium am Tiber, im Osten von den Füßen der Hügel Caelius und Esquilin begrenzt. Die historisch-topographische Situation innerhalb dieses Areals ist höchst verwickelt und bietet alle Aspekte, die ein Ort wie Rom mit seiner jahrtausendealten Siedlungskontinuität aufweisen kann: von in nachantiken Zeiten wenig überbauten antiken Ruinen (Palatin) über von Laien schwer verständliche moderne Ausgrabungssituationen (Forum Romanum, Kaiserfora) bis hin zu kompliziert übereinandergeschichteten Architekturbefunden (Kapitol). Die im Verlaufe der nachantiken Epochen sehr verschiedenartigen ›Stadtbilder‹ Roms haben hier gewissermaßen ihren kaleidoskopartigen Schnittpunkt. Das über Jahrhunderte hinweg als campo vaccino (»Kuhweide«) bekannte Forum Romanum war eine pittoreske, sumpfige Brache inmitten der mittelalterlichen Stadt, das angrenzende Kapitol hingegen immer deren Nabel mit einer entsprechend repräsentativen baulichen Erscheinung. Auch der Palatin-Hügel blieb in nachanti- Reclams Städteführer Rom 11.6.08 /Z=/wdz/ub/pageone/ub18512/2701300-Umbruch-NEU Seite 53 Das antike Stadtzentrum 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 53 ken Zeiten eine weitgehend unbesiedelte Ruinenlandschaft, beherbergte jedoch an seinen nördlichen Hängen seit der Renaissance berühmte Gartenanlagen, u. a. der Villa Farnesina. Die monumentale Via dei Fori Imperiali, die sich quer durch das Areal der einstigen Kaiserfora vom Fuß des Kapitols bis hin zum Kolosseum zieht, ist hingegen das Produkt faschistischer Stadtbildgestaltung: Die Kaiserfora in ihrer heutigen Gestalt und in ihrer optisch wirkungsvollen Verknüpfung mit dieser Prachtstraße sind erst in den 1920er Jahren in raumgreifenden Flächenausgrabungen und städtebaulichen Umorganisationen entstanden und gerieten, zusammen mit antiken Großbauten wie dem Kolosseum und dem Konstantinsbogen, auf diese Weise zu Kulissen faschistischer Machtinszenierungen, die ganz bewusst an Glanz und Größe Roms zur Zeit von Caesar, Augustus und Trajan anknüpften. Circus Maximus (I C/D8): Dieses mit etwa 600 × 120 m größte öffentliche Bauwerk der römischen Antike erstreckt sich entlang der Senke zwischen Palatin und Aventin. Der Bau ist insgesamt sehr viel schlechter erhalten, als dies der in den 1930er Jahren erzeugte moderne Zustand mit seinen Rekonstruktionen heute suggeriert. Wie bei allen alten, tradierten Stadion- und Circusbauten der Antike stand auch hier am Beginn der Baugeschichte eine eher unscheinbare, naturnahe und somit wenig architektonische Einfassung einer planierten Bahn für Pferde- und Wagenrennen durch tribünenartige Erdwälle; erst im Laufe der Jahrhunderte wurde dieser bauliche Nukleus durch immer repräsentativere und ›architektonischere‹ Umbauten und Ergänzungen zu einem artifiziellen und technisch immer anspruchsvolleren Bauwerk umgeformt. Eine erste architektonische Ausbauphase vollzog sich um 430 v. Chr., wobei Holz der dominierende Baustoff war. Erstellt wurden die carceres an der nördlichen Schmalseite (die ›Starthäuschen‹ der Gespanne), eine erste Trennmauer (spina) in der Mitte der Reclams Städteführer Rom 11.6.08 /Z=/wdz/ub/pageone/ub18512/2701300-Umbruch-NEU Seite 54 54 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 Rom innerhalb der Mauern Rennbahn (zusammen mit einer darin verlaufenden Kanalisierung der Senke), sowie erste Zuschauertribünen. Verschiedene Umbauten des 2. und 1. Jh. v. Chr. überführten weite Teile sukzessive in Steinarchitektur, z. B. die Spina, die mit Obelisken, Eiern und Delphinen als Rundenzählern u. ä. immer weiter dekorativ gestaltet wurde, die repräsentativ gefasste Bogenseite des Circus im Süden, unter Augustus das pulvinar (»Polstersitz«) für die Götter (am Ort der späteren Kaiserloge an der Palatin-Seite mit direktem Zugang zu den Palastanlagen). Weitere, immer prunkvollere Ausbauten der Anlage erfolgten nach den Bränden von 36 und 64 n. Chr. Der Neubau unter Nero ermöglichte ein Fassungsvermögen von 250 000 Personen. Weitere Vergrößerungen folgten durch Anbauten im 2. und 4. Jh. n. Chr. Der Circus diente vor allem für Wagenrennen, besonders während der Ludi Romani im September eines jeden Jahres, des öfteren aber auch als Start- und Zielort repräsentativer Festumzüge, die hier von einem großen Publikum als Gesamtinszenierungen betrachtet werden konnten. Forum Boarium und Forum Holitorium (II C7): Diese beiden antiken Marktplätze lagen unmittelbar beim Tiberhafen, außerhalb der Stadtmauer. Das Forum Boarium (heute: Via Teatro di Marcello, Piazza Bocca della Verità, Via Velabro) war der Viehmarkt der Stadt, südlich gegenüber der Tiberinsel, ganz in der Nähe der Mündung der Cloaca Maxima in den Tiber gelegen. Der Bereich wird heute von zwei weithin sichtbaren antiken Tempeln dominiert: dem rechteckigen Tempel des Hafengottes Portunus, häufig fälschlich der Fortuna Virilis zugewiesen, und dem Rundtempel für (vermutlich) Hercules Olivarius, verschiedentlich irrig als Vesta-Tempel bezeichnet. Der als typisch römischer Podiumstempel konzipierte PortunusTempel erhebt sich auf einem massiven, über eine breite Freitreppe zugänglichen Podium. Die Formen der vier ionischen Säulen und der weitere Bauschmuck weisen den Reclams Städteführer Rom 11.6.08 /Z=/wdz/ub/pageone/ub18512/2701300-Umbruch-NEU Seite 55 Das antike Stadtzentrum 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 55 Tempel der Zeit um 100 v. Chr. zu. Annähernd zeitgleich ist der in korinthischer Ordnung errichtete Rundtempel, der jedoch eine für Rom wichtige Novität aufweist: Anders als der aus Tuff und Travertin-Verkleidungen erbaute Portunus-Tempel ist der Hercules-Tempel der erste Bau Roms, der gänzlich aus Marmor besteht, welcher, da in Italien noch keine Marmorbrüche erschlossen waren, hierfür vollständig aus Griechenland importiert worden war. Der Bau ist damit ebenso ein wichtiges Zeugnis für die Hinwendung des mittelrepublikanischen Roms zu griechischen Architekturvorbildern wie auch die konzisen ionischen Bauformen des benachbarten Portunus-Tempels. Beide Tempel verdanken ihren relativ guten Erhaltungszustand (beim Rundtempel fehlt allerdings der Architrav über den Säulen) dem Umstand, dass sie im frühen Mittelalter in Kirchen umgewandelt worden sind. Im nördlichen Teil des Forums ist 1937 beim Bau eines Verwaltungsgebäudes nahe S. Omobono eine weitere antike Kultanlage entdeckt worden: ein archaisches Heiligtum aus dem 6. und 5. Jh. v. Chr. mit komplizierter Baugeschichte, bestehend aus zwei Tempeln, dazugehörigen Altären und weiteren Funktionsbauten mit unklarer Bestimmung. Am südlichen Ende des Forum Boarium, an der Piazza Bocca della Verità, erhebt sich die Kirche S. Maria in Cosmedin. Sie ist der »geschmückten« Maria (kosmein, griech. für »schmücken«) geweiht und in antike Architekturreste der Forumsbebauung integriert. Als dreischiffige Hallenkirche wurde sie im 6. Jh. begonnen und unter Papst Hadrian I. (772–780) erheblich ausgebaut und erweitert. Die Marmorarbeiten und die 48 Wandbilder im Inneren entstammen der Zeit um 1120. Die umfassende Barockisierung der Kirche aus dem 17. Jh. wurde in zwei Kampagnen 1894–99 und 1925 behutsam rückgebaut. Bekannt ist die Kirche vor allem wegen des antiken, maskenförmigen Schwörsteins vor der linken Wand des Narthex. Zur Beteuerung der Wahrheit einer Aussage musste man die Reclams Städteführer Rom 11.6.08 /Z=/wdz/ub/pageone/ub18512/2701300-Umbruch-NEU Seite 56 56 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 Rom innerhalb der Mauern Hand in die Mundöffnung stecken. Dem Volksmund nach hielt diese Bocca della Verità die Hand eines Lügners auf ewig fest. Am östlichen Rande des Forum Boarium, teilweise von der Vorhalle der Kirche S. Giorgio in Velabro (Spolienbau des 9. Jh., Umbauten im 13. und 18. Jh.) überbaut, erheben sich, schon im Bereich des antiken Velabrum (ein Geländestück, das dieses Forum mit dem Forum Romanum verband) die Reste des sog. Argentarier-Bogens, ausweislich der Inschrift ein 204 n. Chr. von den argentarii, den am Forum Boarium ansässigen Geldwechslern erbautes, reich geschmücktes Ehrenmonument für den Kaiser Septimius Severus. In der Nähe befindet sich ein weiterer Bogen mit Durchgängen in allen vier Seiten (sog. Janus-Bogen), ein wohl Kaiser Konstantin gewidmeter Spolienbau aus dem 4. Jh. n. Chr. Das im Norden anschließende Forum Holitorium (heute die Piazza di Monte Savello) war in der Antike der Gemüsemarkt der Stadt. Auch hier erhoben sich bedeutende alte stadtrömische Tempel für Ianus, Spes, Pietas und Juno Sospita. Der Pietas-Tempel ist dem Bau des nahen Marcellus-Theaters zum Opfer gefallen, das auch den Raum des Forums erheblich beschnitt. Reste der anderen drei Tempel aus dem 3./2. Jh. v. Chr. fanden sich unter und neben der Kirche S. Nicola in Carcere. Das Forum Romanum (I C6/7), Mittelpunkt der Stadt Rom und nach antik-römischer Auffassung sogar der ›Nabel des Imperiums‹ (umbelicus), ist am Schnittpunkt von Vicus Tuscus und Sacra Via in einem Tal gelegen und als das älteste Forum überhaupt für Jahrhunderte synonym mit diesem Begriff. Die Bezeichnung forum romanum findet sich erstmalig erst im 1. Jh. v. Chr. bei Vergil, hat aber, wie auch die alternativen Bezeichnungen forum magnum oder forum vetus, niemals vollständig Eingang in den offiziellen Sprachgebrauch der Antike gefunden. Bis zum Reclams Städteführer Rom 11.6.08 /Z=/wdz/ub/pageone/ub18512/2701300-Umbruch-NEU Seite 57 Das antike Stadtzentrum 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 57 7. Jh. v. Chr. als Begräbnisplatz genutzt, wurde der Ort um 600 v. Chr. zum gemeinsamen öffentlichen Areal der sich zu einem größeren Verbund formierenden Siedlungskerne auf den umliegenden Hügeln. Das Forum Romanum ist damit, ähnlich wie die Agora Athens, Produkt eines synoikismos (»Zusammensiedelung«) im Zuge der Ausbildung eines Stadtstaates aus dem Verschmelzen mehrerer dörflicher Kerne. Typisch dafür ist die Wahl des Platzes, der etwa gleich weit entfernt von allen einzelnen Siedlungskernen liegt und zugleich ein landwirtschaftlich wertloses, weil sumpfiges Terrain ist, das im Zusammenhang mit der Anlage des Forums entwässert werden musste. Der Bau Cloaca Maxima nahm hier seinen Anfang. Die in mehr als 14 Jahrhunderten gewachsene Platzanlage mit gleichermaßen religiösen, ökonomischen und politisch-gesellschaftlichen Funktionen ist bezüglich ihrer Frühgeschichte bereits in der Antike mythisiert und dabei topographisch in z. T. willkürlichen Setzungen verunklärt worden, so durch die Markierungen des Grabs bzw. Sterbeortes des Romulus als lapis niger (in Form von schwarzen Fußbodenplatten) im Pflaster des Platzes oder die Konstruktion des lacus curtius (der vermeintliche Sterbeort des sich heldenhaft opfernden Soldaten Marcus Curtius) und, zu Beginn des 4. Jh. v. Chr., des umbilicus urbis (des Mittelpunkts des Imperiums) als Visualisierungen mythischer Orte. Das Forum Romanum fügt sich als eine dingliche Variante ein in die komplexe literarische Umformulierung, Verfälschung und Harmonisierung von römischer Mythologie, Frühgeschichte und Annalistik in der mittel- und spätrepublikanischen Zeit – und wird auf diese Weise zugleich zum monumentalen Zeugen einer kollektiven Formung, ja Gleichschaltung von Vergangenheit. Wegen des erheblichen Zuwachses des Bodenniveaus, wegen der sich deswegen z. T. kaum unterscheidbar überlagernden Phasen der mannigfaltigen baulichen Veränderungen und Umgestaltungen sowie den deshalb meist unkla- Reclams Städteführer Rom 11.6.08 /Z=/wdz/ub/pageone/ub18512/2701300-Umbruch-NEU Seite 58 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 Forum Romanum, Lageplan 1 Basilica Aemilia 2 Heiligtum der Venus Cloacina 3 Comitium (mit Curia Hostilia, Basilica Porcia, Graecostasis) 4 Lapis Niger 5 Bogen des Septimius Severus 6 Dezennalienbasis Diokletians 7 Curia Julia; westlich: Secretarium Senatus (SS. Luca e Martina) 8 Umbilicus Urbis 9 Altar des Vulcanus 10 Tempel des Saturn 11 Rostra; dabei: Milliarium Aureum 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Bogen des Tiberius Basilica Julia Säule des Kaisers Phokas Lacus Curtius Reiterstandbild Domitians Reiterstandbild Konstantins Tempel der Dioskuren Quelle der Juturna Empfangshalle der PalatinPaläste 21 Domitianischer Gebäudekomplex (S. Maria Antiqua) 22 Tempel des Caesar 23 Bogen des Augustus Reclams Städteführer Rom 11.6.08 /Z=/wdz/ub/pageone/ub18512/2701300-Umbruch-NEU Seite 59 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 24 25 26 27 Tempel der Vesta Haus der Vestalinnen Regia Tempel des Antoninus Pius und der Faustina (S. Lorenzo in Miranda) 28 »Tempel des Romulus«, Tempel des Jupiter Stator (der Penaten) 29 Bibliothek Vespasians(?) (SS. Cosma e Damiano) 30 Maxentius-/KonstantinsBasilika 31 Tempel der Venus und der Roma (bei S. Francesca Romana [S. Maria Nova]; Antiquarium Forense) 32 Bogen des Titus 33 Halle der Dei Consentes 34 Tempel des Vespasian 35 Tempel der Concordia 36 Carcer Tullianus / Mamertinus (S. Giuseppe dei Falegnami) 37 Tabularium Reclams Städteführer Rom 11.6.08 /Z=/wdz/ub/pageone/ub18512/2701300-Umbruch-NEU Seite 280 280 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 Anhang Übersichtskarte Reclams Städteführer Rom 11.6.08 /Z=/wdz/ub/pageone/ub18512/2701300-Umbruch-NEU Seite 281 Karten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 Karte I 281 Reclams Städteführer Rom 11.6.08 /Z=/wdz/ub/pageone/ub18512/2701300-Umbruch-NEU Seite 282 282 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 Anhang Karte II Reclams Städteführer Rom 11.6.08 /Z=/wdz/ub/pageone/ub18512/2701300-Umbruch-NEU Seite 283 Karten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 Karte III 283