Logische Konsequenzen und neue Perspektiven

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Logische Konsequenzen und neue Perspektiven
Interview_03_Snow.qx5
25.11.2003
13:19 Uhr
Seite 2
[interview]
Snowboarden ist nach wie vor meine große Leidenschaft, sonst wäre ich nie so lange dabei geblieben. Ich erlebe die Dinge jetzt aus einer neuen Perspektive und möchte mit meinem Knowhow den Snowboardsport,vor allem das FrauenSnowboarden, weiter nach vorne bringen.
Hast du schon konkrete Pläne?
Ich bin für Terjes Ticket to Ride (TTR) im Bereich
Frauen-Snowboarden in Aktion und könnte mir
außerdem gut vorstellen, irgendwann Snowboard-Camps nur für Mädels zu veranstalten.
Mädels haben einfach andere Bedürfnisse und
brauchen eine eigene Plattform. Sie fühlen sich
vielleicht in einer kleineren Pipe wohler, wachsen genau dort über sich hinaus und fahren viel
besser als in den extrem hohen Pipes der Jungs,
mit denen sie sich halt arrangiert haben. Auch
sonst haben Mädchen andere Interessen ... also
eher gemeinsames Kochen statt Playstation,
und Wellness statt Kampftrinken.
CIAO NICOLA!
Logische Konsequenzen
und neue Perspektiven
Text
Stephanie Kranz
Foto
Burton
Nicola Thost sagt »Auf Wiedersehen« zum Profi-Snowboard-Zirkus. Ein Abschied und ein Versprechen. Seit zwei Jahren laboriert die Olympiasiegerin in der Halfpipe von Nagano 1998 an Knie- und
Armverletzungen. Nun beendet sie als logische Konsequenz ihre professionelle Laufbahn. Nicola
Thost ist in der Szene bekannt für ihre Disziplin, ihre Professionalität, ihr Engagement, ihre 100 Prozent. Die legendäre Landung eines back-to-back 720 in einem Wettkampf brachte ihr noch mehr
Respekt und Bewunderung ein – vor allem von männlichen Kollegen. Ihre Profikarriere ist zu Ende,
doch Nicola hält ihr Versprechen: es gibt ein Wiedersehen. Die 26-jährige Münchnerin bleibt ihrer
Leidenschaft,dem Snowboardsport, treu. Sie wird für Ticket to Ride (TTR),dem Qualifikationssystem
rund um Terje Haakonsens Arctic Challenge, im Frauen-Snowboarden aktiv werden. Außerdem studiert sie seit letztem Winter Sportmanagement an der Universität in München.
SNOW: Nicola, du fährst seit über 13 Jahren
Snowboard, seit 1996 als Profi (ISF ProTour). Ist
es schwer aufzuhören – nach so langer Zeit auf
Reisen, auf Contests, auf dem Brett?
NICOLA: Für mich ist es die logische Konsequenz, nach den vielen Verletzungen jetzt aufzuhören. Es tut gut,zu wissen,dass ich nicht aufhöre,weil ich keine Lust mehr habe oder weil ich
zu faul bin, sondern weil mein Körper den Profisport nicht mehr zulässt. Ich habe mir zweimal
zu Anfang der Saison
(99 und 2000) das
KARRIEREFRAU Kreuzband am Knie
gerissen und jedes
Der Blick zurück auf Nicolas
Mal wieder auf ein
Karriere lohnt: JuniorenWeltmeisterin 1995 und 1996, Comeback trainiert
Siegerin »Lords of the Boards« – was mir auch ge1998 und 1999, Siegerin »U.S. lang, bis der nächste
Open« 1998 und 1999,
Hammer kam. 2002
Olympiasiegerin Nagano 1998,
dann der Armbruch
1. Platz ISF-Weltrangliste
kurz vor der Olym1998/1999, Best Female
piade. Irgendwann
Freestyler of the Year
1998/1999, Siegerin »European war ich so weit, dass
X-Games« 1999, Siegerin ich mehr Zeit bei
Ärzten und in der Re»Nippon Open« 2002.
114 SNOW
ha verbracht habe,als in der Pipe. Seit ich mit der
Entscheidung durch bin, das Kapitel Profisport
abzuschließen,kann ich es kaum erwarten,mich
neuen Herausforderungen zu stellen.
Wie haben deine Freunde und Kollegen reagiert?
Das positive Feedback von meinen Freunden
und Kollegen hat mir sehr dabei geholfen. Als
ich mich offiziell verabschiedet habe, ließen sie
mich spüren, dass ich in der Pipe und im Sport
meine Spuren hinterlassen und etwas bewegt
habe – das hat unheimlich gut getan.
Wie sieht dein Leben nach dem Profisport aus?
Ich habe mehr freie Zeit, die ich mir sehr individuell einteilen kann. Ich kann mich außerdem
auch mehr auf andere Sportarten wie Windsurfen, Schwimmen, Mountainbiking konzentrieren. Ich habe mich an der Uni für das Sportmanagement-Studium eingeschrieben. Das macht
mir unheimlich Spaß. Meine Interessen haben
sich verlagert, ich sitze im Hörsaal wie ein Kind
vor dem Weihnachtsbaum.
Bleibt Nicola Thost dem Snowboarden erhalten?
Was waren die schönsten Erinnerungen, die bewegendsten Momente, die beeindruckendsten
Menschen während deiner Profikarriere?
Einer der beeindruckendsten Menschen, die ich
in dieser Zeit getroffen habe, ist eindeutig Jake
Burton. Er steht 200 Tage im Jahr auf dem Brett
und lebt für den Sport. Von seiner Einstellung
und seinem Spirit können sich so einige eine
Scheibe abschneiden. Und da sind natürlich Kollegen wie Terje Haakonsen, der seit Jahren an
der absoluten Spitze steht – ein ganz besonderer und inspirierender Charakter.
Das emotionale Highlight meiner Karriere war
– neben Heliboarden in Alaska – der Sieg bei den
Sims World Championships letztes Jahr (2002).
Ich hatte zwei Kreuzbandrisse und einen Armbruch hinter mir, verbrachte Monate in der Reha, während meine Kollegen um die Welt reisten und Snowboard fuhren. Als ich auf dem
Treppchen stand,hatte ich Tränen in den Augen.
Der schlimmste Moment?
Einer der schlimmsten Momente war sicherlich,
als ich nach vielen Verletzungen wieder fit war
und im März 2002 bei den US Open antrat, die
ich ja schon zwei Mal in Folge gewonnen hatte.
Ich hatte den Tag meines Lebens! Hatte zwei
Durchgänge von vier hinter mir. Es lief traumhaft, mit Tricks, die ich noch nie in einem Wettkampf gestanden hatte (back-to-back 720).
Dann im dritten Run landete ich einen Frontside-Air – und zack! – das Knie wieder kaputt. Ich
war mir noch nie so sicher wie damals, dass ich
diesen Wettkampf gewinnen würde – und dann
so was. Ein dickes Danke an meinen Sponsor
Burton. Die haben mich trotz der Verletzungen
immer super unterstützt.
Mit welchen Worten möchtest du dich von den
Kollegen und deinen Fans verabschieden?
Verabschieden klingt so traurig. Ich werde dem
Snowboarden immer verbunden bleiben und ab
jetzt vielleicht sogar präsenter sein als vorher.
Ich möchte dem Sport, der mir so viel gegeben
und mich so sehr bereichert hat, jetzt etwas zurückgeben. Und ich freue mich drauf!