Pathologisches Glücksspielverhalten – ein kurzer theoretischer
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Pathologisches Glücksspielverhalten – ein kurzer theoretischer
Fachtagung Psychotherapeutische Behandlung bei pathologischen Glücksspielverhalten – innovative Ansätze Potsdam 08.10.2014 Pathologisches Glücksspielverhalten – ein kurzer theoretischer Überblick Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt Glücksspielarten Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 2 Glücksspielarten Lotto, Toto, Sportwetten Roulette, Black Jack, Baccara, Poker und Glücksspielautomaten im Spielcasino Online-Glücksspiele (Onlinepoker, Lotterien) Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit in Spielhallen und gastronomischen Betrieben Wetten Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 3 Glücksspiel – Zahlen und Fakten (Jahrbuch Sucht 2014) Staatliche Einnahmen 2012 aus Glücksspielen: - 2,846 Mrd. € (um 5,6% zum Vorjahr gesunken) Anmerkung: die Zahl bezieht sich jedoch nicht auf Geldspielgeräte – keine genauen Angaben bzgl. Steuereinnahmen des Staates im Jahrbuch Sucht 2014 dazu Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 4 Umsätze auf dem deutschen Glücksspielmarkt in Mrd. € (Quelle: DHS) Gesamt 1992 2002 2010 2011 2012 - 27.359 31.511 33.433,8 33.111,2 davon entfallen auf Spielbanken 6.854 10.900 6.187 6.156 5.935 auf Geldspielautomaten in Spielhallen und Gaststätten - 5.710 17.210 18.995 19.213 auf den Deutschen Lotto- und Toto-Block 5.788 8.311 6.501 6.661,6 6.413,9 Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 5 Erscheinungsbild & Diagnosekriterien Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 6 Erscheinungsbild & Diagnosekriterien Fallbeispiel aus Spielsucht-Forum im Internet „Hallo, bin seit 6 Jahren Spielsüchtig. Fing mit Online-Poker an und bin seit 3 Jahren zusätzlich auf Sportereignisse im Internet am wetten. Habe einen sehr guten Job in einer Bank und verdiene netto 3000 Euro im Monat. Kann jedoch kaum meine Rechnungen bezahlen, geschweige denn etwas gönnen wie Urlaub usw. Habe derzeit Schulden von 50.000 EUR und in 6 Jahren 150.000 EUR verspielt. Schlimmer ist jedoch dass ich meine Traumfrau nach 7 Jahren Beziehung und meine besten Freunde verloren habe. Weil die Sucht aus einem lebenslustigen Menschen, ein kaltes Monster gemacht hat. Lebe in einer eigenen Welt die nur aus Lügen besteht. Man belügt jeden, egal wie wichtig einem die Person ist. Aber am meisten belügt man sich selbst. Von Lebenslust kann keine Rede mehr sein. Spielen bestimmt jeden Tag und mein ganzes Leben. Habe endlich den ersten Schritt gemacht und mir professionelle Hilfe gesucht. Das wird in jeder Stadt kostenfrei angeboten. Kann ich nur empfehlen. Spiele zwar noch, aber unregelmäßiger und das schlechte Gewissen ist größer. Ich hoffe, ich schaffe es. Kenne 2 Junge Männer die sich wegen Spielsucht das Leben genommen haben. Ich war kurz davor. Ich hoffe ich schaff es.“ Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 7 Vom „Spielspaß“ zum pathologischen Glücksspielverhalten Pathologisches. Glücksspielverhalten Spielspaß Keine Probleme … erkennbare Probleme schwere Probleme … … Soziale Spieler … Gefährdete Spieler Spieler mit pathologischen Glücksspielverhalten Abbildung nach Hayer, 2012: Vom Spielspaß zur Spielsucht: Unterschiedliche Konsummuster Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 8 Definition Pathologisches Glücksspiel nach ICD–10 und DSM-IV - Einordnung als Störung der Impulskontrolle wie z.B. auch Kleptomanie oder Pyromanie - Grundlegende Gemeinsamkeit dieser psychischen Störungen: - Handlungsmuster, welche widerholt und ohne plausible Motivation gezeigt werden - Betroffene berichten von einem nicht mehr kontrollierbaren Impuls, bestimmte Tätigkeiten trotz negativer Konsequenzen immer wieder ausführen zu müssen Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 9 Erscheinungsbild & Diagnosekriterien Pathologischen Glücksspielens nach ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation F63.0 Pathologisches Spielen Beherrschung der Lebensführung • Jede Gelegenheit zum Spielen wird genutzt • Verfall der sozialen, beruflichen, materiellen und familiären Werte und Verpflichtungen • Setzen Beruf und Anstellung aufs Spiel • Machen Schulden, Lügen oder handeln ungesetzlich, um an Geld zu kommen Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 10 Erscheinungsbild & Diagnosekriterien Pathologischen Glücksspielens nach ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation F63.0 Pathologisches Spielen Verlust der Kontrolle • Intensiver Drang zum Glücksspiel • Gedankliche und bildliche Beschäftigung damit • Gedankliche Beschäftigung und Drang zum Spielen häufig verstärkt in belastenden Lebenssituationen Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 11 Erscheinungsbild & Diagnosekriterien Gambling Disorder nach DSM-5 der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung Veränderung zum Vorgänger DSM-IV • „Gambling Disorder“ wird im Kapitel „Sucht“ geführt, da neurowissenschaftliche Studien und bildgebende Verfahren die Ähnlichkeit zwischen einer stoffgebundenen Sucht wie Alkohol und Glücksspiel nachweisen können • Der frühere Begriff „Pathologisches Glücksspiel“ wird wegen Stigmatisierung durch den Begriff „Glücksspielstörung“ ersetzt Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 12 Erscheinungsbild & Diagnosekriterien „Gambling Disorder“ nach DSM-5 der APV 2013 Kriterien DSM-5 (mind. 4 in 12 Monaten) Leitsymptom Steigerung des Geldeinsatzes, um den gewünschten Kick zu erreichen „Toleranzentwicklung“ Unruhe / Gereiztheit bei Einschränkungs– und Einstellversuchen „Entzugserscheinung“ Gescheiterte Versuche, das Glücksspiel einzuschränken oder damit aufzuhören Kontrollverlust Häufiges starkes gedankl. Eingenommensein vom Glücksspielen Vereinnahmung Häufig Glücksspiel zur Vermeidung negativen Gefühlen wie z.B. Schuldgefühle Flucht vor Problemen den Verlusten durch erneutes Glücksspielen hinterher jagen Chasing Vertuschen der Glücksspielproblematik durch Lügen Verheimlichung Wichtige Beziehungen oder der Arbeitsplatz wurden wegen des Spielens gefährdet oder verloren Negative Folgen sich darauf verlassen, dass andere Geld bereitstellen „Bail Out“- Freikaufen Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 13 Epidemiologie Ergebnisse aktueller Repräsentativbefragungen (12-Monats-Prävalenz) Pathologisches Glücksspielverhalten Problematisches Glücksspielverhalten Bühringer et al (2007) 103.000 (0,20%) 149.000 (0,29%) Buth & Stöver (2008) 290.000 (0,56%) 340.000 (0,64%) BZgA (2010) 290.000 (0,56%) 347.000 (0,64%) BZgA (2012) 275.000 (0,51%) 264.000 (0,49%) Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 14 Epidemiologie BZgA 2013 Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat im Jahr 2013 die vierte Repräsentativbefragung zum Glücksspielverhalten sowie zu glücksspielbezogenen Einstellungen und Problemen der 16- bis 65-jährigen Bevölkerung in Deutschland durchgeführt (11.501 Befragte). Um eine höhere Repräsentativität der Daten zu erhalten, wurde die Telefonstichprobe erstmals mit einem „Dual Frame“ (DF)-Ansatz realisiert (Festnetz- und Mobilfunkanschluss) Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 15 Epidemiologie BZgA 2013 • • • • • • • Pathologischen Glücksspielverhaltens 2013: 0,82 % (männliche Befragte: 1,31 %, weibliche: 0,31 %) problematischen Glücksspielverhaltens: 0,68 % (männlich: 1,16 %, weiblich: 0,19 %). Beide Quoten in „Dual Frame“-Stichprobe höher als in Festnetzteilstichprobe. In beiden Auswahlrahmen aber keine statistisch signifikante Veränderung im Vergleich zum Survey 2011. Mindestens problematisches Glücksspiel am häufigsten bei 18- bis 20-jährigen Männern (9,2 %). Mindestens problematisches Glücksspiel am häufigsten in Zusammenhang mit Geldspielautomaten (28,6 %), dicht gefolgt von Sportwetten und Internet-Glücksspielen. Unter den Lotterien Quoten dagegen im niedrigen einstelligen Bereich (z. B. Lotto „6 aus 49“: 2,9 %). Risikofaktoren für Problemspielverhalten sind insbesondere männliches Geschlecht, Arbeitslosigkeit und Migrationshintergrund. Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 16 Klienten mit pathologischem Glückspielverhalten 2012 (Jahrbuch Sucht 2014) • Geldspielautomaten: 74,2% • Spielbanken: 5,5 % • Wetten: 5,0% • Andere Spielformen: 11,1% Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 17 Einstiegsalter beim Glücksspiel Meyer & Hayer (2005) - Befragung von 489 Spielern, die in NRW ambulante oder stationäre Einrichtungen der Suchthilfe aufgesucht hatten - Fast 40% der Probanden berichteten von einem Erstkontakt mit Glücksspiel als Minderjährige Hayer (2012) - Untersuchungen zeigen, dass pathologische Spieler mit einem frühen Einstieg in die „Welt des Glücksspiels“ in der Regel schwerwiegendere Beeinträchtigungen und Belastungen aufweisen als solche mit einem späteren Einstieg Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 18 Komorbidität in Deutschland (Premper & Schulz, 2008) Anzahl der untersuchten pathologischen Spielern in stationärer Behandlung 101 Komorbidität psych. Störung insgesamt (in letzten 12 Monaten) 84,2% Affektive Störungen 51,5% Angststörungen 47,5% Substanzbezogene Störungen 25,7% Somatoforme Störungen 26,7% Persönlichkeitsstörungen 6-14% Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 19 Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 20 Komorbidität in Deutschland (Premper & Schulz, 2008) Zeitliche Reihenfolge des Auftretens der Störungen: - Angststörungen häufiger vor Beginn von pathologischem Glücksspiel - Depressive Störungen eher nach Beginn - Substanzbezogene und somatoforme Störungen etwa gleichhäufig vor und nach Beginn von pathologischem Glücksspiel Komorbide Störungen können pathologisches Glücksspielen einerseits begünstigen bzw. auslösen, andererseits jedoch auch eine Folge des pathologischen Glücksspielen sein. Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 21 Glücksspiel und Suizidalität - Zwischen 48%-70% erwägen einen Suizid und 13-24% unternehmen einen Suizidversuch (Müller-Spahn & Margraf, 2003) - pathologische Glücksspieler haben ein 9-fach erhöhtes Suizidrisiko (Newman & Thompson, 2007) - rund ein Viertel der Betroffenen haben mindestens einmal versucht, sich das Leben zu nehmen (Ledgerwood et al., 2005; Hodgins et al., 2006). Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 22 Entstehungsbedingungen des „Pathologischen Glückspielens“ Rahmenbedingungen Vulnerabilitätsfaktoren Anreizcharakter Glücksspiel Auslösende Bedingungen Funktionalität des Spielens Aufrechterhaltende Bedingungen Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 23 Rahmenbedingungen • • • • u. a. Verfügbarkeit von Glücksspiel soziale Normen zum Glücksspielen sozioökonomische Lage Modelle für Glücksspielen Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 24 Anreizmerkmale Glücksspiele Wann sind Glücksspiele besonders gefährlich? Anreizmerkmale dadurch… Hohe Aktivierung und leichteres Abtauchen aus dem Alltag rasche Spielabfolge kurze Zeitspanne zwischen dem Geldeinsatz und der Bekanntgabe des Spielergebnisses und der Auszahlung eines möglichen Gewinns Schnelle Bedürfnisbefriedigung Glücksspiele gut zugänglich Geringe Hemmschwelle und Förderung gesellschaftlicher Akzeptanz Gewinnmöglichkeit Selbstwertsteigerung durch Gewinn Einsatz von Spielgeld Verharmlosung Wenn das Glücksspiel isoliert und abgeschieden von äußeren Einflüssen stattfinden kann Leichte Verheimlichung Beanspruchung verschiedener Sinnesmodalitäten Hoher Unterhaltungsfaktor Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 25 „Harte“ und „weiche“ Glücksspiele „Harte“ Glücksspiele - rasche Spielabfolge (verbunden mit kurzen Auszahlungsintervallen) mit einem vergleichsweise hohen Gefährdungspotenzial. - z.B. Geldspielautomaten, casinotypischen Spiele (Roulette, Black Jack, Glücksspielautomaten). „Weiche“ Glücksspiele - eher geringes Gefährdungspotenzial - niedrigere Höhe des Geldeinsatzes und der Gewinnerwartung z.B. Lotterien -> Es existiert kein allgemeingültiges Definitionskriterium, ab wann von einer „harten“ Glücksspielform gesprochen wird. nach Meyer & Bachmann 2000 Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 26 Vulnerabilitätsfaktoren Bestimmte Persönlichkeits- und Entwicklungsmerkmale der Person erhöhen die individuelle Anfälligkeit - Gestörte Sozialisation („broken home Situation“) - Selbstwertproblematik, Gefühlsdysregulation, Beziehungsstörung - Persönlichkeitsspezifische Bedürfnisstruktur: u.a. Selbstwertsteigerung, Gefühlsabwehr, Impulskontrollstörung Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 27 Bestimmte Persönlichkeits- und Entwicklungsmerkmale der Person erhöhen die individuelle Anfälligkeit - Mangelnde Konflikt- und Problembewältigungskompetenzen - Psychische Erkrankungen, z.B. Angststörungen, Depressionen, Persönlichkeitsstörungen - Neurobiologische, biochemische Besonderheiten - Kognitive „Fallen“, wie z.B. Kontrollillusion (z.B. abergläubisches Spielverhalten) Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 28 Entstehungsbedingungen der Glücksspielsucht: Auslösende Bedingungen Auslöser - „Zufall“: Neugierde + positive Gewinnerfahrung - Belastungen/Stress: akut und/oder chronisch - Misserfolg: beruflich und/oder privat - Tlw. Niedriger sozioökonomischer Status - Sozialer Kontext, Modelllernen Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 29 Funktionalität des Spielens Funktion des Glückspiels - Wechselwirkung zw. Bedürfnisstruktur „anfälliger“ Glücksspieler und Aufforderungscharakter des Glücksspielangebotes (Petry, 1996) - Spannungsabbau durch euphorischen Erregungszustand - Gefühlsregulation: Befriedigung des Bedürfnisses nach „dem Kick“, Bewältigung unangenehmer Gefühle, missglückte Problemlösestrategien - Anerkennung: Hoffnung auf Gewinne ist verbunden mit Gefühlen emotionaler Annahme und sozialer Anerkennung - Selbstwertsteigerung durch Gewinn/-erwartung Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 30 Gehirn und Biochemie bei Glücksspiel Eine zentrale Rolle in dem Belohnungsnetzwerk spielt der so genannte Nucleus accumbens. Abhängig von der Reizstärke kommt es zur Ausschüttung des Botenstoffs Dopamin durch das ventrale tegmentale Areal (VTA) und dadurch zu einer Stimulation des Nucleus accumbens. Folge davon ist ein Gefühl der Euphorie. Allein der spontane Glücksrausch entscheidet nicht darüber, ob das Glücksspielverhalten wiederholt wird. Verschiedene Hirnareale analysieren die Situation und versorgen den Nucleus accumbens mit weiteren Informationen: Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 31 Gehirn und Biochemie bei Glücksspiel Der Mandelkern (Amygdala) bewertet, wie angenehm eine Erfahrung ist. Eine „Risiken/Gefahreneinschätzung“ erfolgt im medialen Teil des präfrontalen Cortex, im Stirnlappen. Die Koordinaten über das „Wo“ und „Wie“ der belohnenden Erfahrung liefert der Hippocampus. Um das System von einer schädlichen Überreizung zu schützen, wird es bei chronischer Stimulation herunterreguliert (Neuroadaption). In dieser „Gewöhnungsphase“ gräbt sich das pathologische Glücksspielverhalten in das Gehirn ein: der ersehnte Rausch lässt sich nur noch erleben, wenn immer öfter und auch um höhere Geldsummen „gezockt wird“. Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 32 Gehirn und Biochemie bei Glücksspiel Untersuchungen an der an der Berliner Charité zeigten, das pathologische Glücksspieler schon beim Anblick eines Roulettetisches oder eines Automaten mit einem erhöhten Erregungszustand und starkem Spieldruck reagieren. Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (2005) untersuchte mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie die Hirnaktivität von Langzeitspielern (im Vergleich zu Kontrollpersonen) beim Kartenspielen. Die Aktivität des so genannten mesolimbischen Dopaminsystems war bei den Langzeitspielern gegenüber den „Kontrollpersonen“ deutlich vermindert. Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 33 Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 34 Verlauf des pathologischen Glücksspielverhaltens Positives Anfangsstadium - Erste Kontakte zum Glücksspiel - Erste Gewinne angenehme Erfahrung - regelmäßiges Aufsuchen der Glücksspielorte - Zunehmend „glücksspielspezifisches Wissen“ - Zunehmend risikovolles Glücksspielverhalten - Glücksspiel als Freizeitverhalten - geringe Einsätze - positive Erfahrungen Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 35 Verlauf des pathologischen Glücksspielverhaltens Kritisches Gewöhnungsstadium - Steigende Intensität und Einsätze - „Toleranzentwicklung“ / Gewöhnung - Steigende Verluste - „Verlustjagd“ - Spielschulden / Aufnahme von Krediten - Verheimlichen / Lügen - Flucht in das Glücksspiel - Noch Kontrolle möglich Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 36 Verlauf des pathologischen Glücksspielverhaltens Pathologisches Stadium - Dauerhaft gesteigertes Glücksspiel - Kontrollverlust - Vergebliche Versuche „Spielfreiheit“ - „Entzugsähnliche“ Erscheinungen - Beschaffungskriminalität - Panik- und Schuldgefühle - Entfremdung von sozialen Umfeld - Sozialer Abstieg - Suizidgedanken Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 37 Aufrechterhaltung vermehrtes Glücksspielen unrealistische Kontrollüberzeugung („Beim nächsten Mal gewinne ich“) zunehmende Schulden psychosozialer Außendruck Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 38 Zusammenhang verschiedener Störungsbilder 1. Die psychische Störung ist Ursache bzw. begünstigt die Entwicklung von pathologischem Glücksspiel 2. Beide Störungsbilder sind vollkommen unabhängig 3. Das pathologische Glücksspielen ist Ursache bzw. begünstigt die Entwicklung der weiteren psychischen Störung, 4. Das pathologische Glücksspielen führt zu weiteren (vorübergehenden) psychischen Symptomen, die bei einer erfolgreichen Glücksspielbehandlung dann aber verschwinden 5. Beide Störungen haben eine gemeinsame dritte Ursache (z.B. Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom) Schuckit (2006) : Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 39 Zusammenhang verschiedener Störungsbilder Falls eine psychische Störung die Ursache für die Entwicklung von pathologischem Glücksspiel ist, ergibt sich eine weitere Differenzierung: 1.Glücksspielen stellt einen spezifischen Bewältigungsversuch für die psychische Störung dar 2.Glücksspielen erfolgt aufgrund der durch die psychischen Störung verursachten allgemeinen Dysphorie 3.die psychische Störung bewirkt eine Übersensibilität für den Anreiz von Glücksspielen 4.Glücksspielen erfolgt aufgrund der negativen psychosozialen Folgen der psychischen Primärstörung Mueser et al. (2006) Dr. Yvonne J. Kulbartz-Klatt, Potsdam 08.10.2014 40