Spielanreize und Gefährungspotenziale, Tobias Hayer
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Spielanreize und Gefährungspotenziale, Tobias Hayer
Fortbildungsveranstaltung im Rahmen des Modellprojektes „Frühe Intervention beim Pathologischen Glücksspiel“ Die Faszination Glücksspiel - Spielanreize und Gefährdungspotenziale Referent Dipl.-Psych. Tobias Hayer Institut für Psychologie und Kognitionsforschung Universität Bremen Fortbildungsveranstaltung – Frühe Intervention beim Pathologischen Glücksspiel Erbacher Hof, Mainz, 31. Januar 2008 Fahrplan Block 1 – Glücksspielangebot und Spielanreize - Der deutsche Glücksspielmarkt - Veranstaltungsmerkmale und psychotrope Wirkungen - Vorstellung ausgewählter Glücksspielformen - Mechanismen der kognitiven Verzerrung Block 2 – Online-Gambling - Live-Demonstration: Sportwetten - Live-Demonstration: Poker - Spezifische Problemfelder - Erlebnisbericht eines Sportwetters Block 3 – Ausgewählte Aspekte der Glücksspielforschung - Pathologisches Glücksspielverhalten: Erklärungsansätze - Möglichkeiten der Prävention und Intervention - Diskussion und Ausblick Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Möglichkeiten staatlicher Glücksspielpolitik Prohibition Totalverbot für alle Glücksspiele Regulation im Sinne der Restriktion (≈ Monopol) Verzicht auf übermäßige Spielanreize, Angebotsbegrenzung in Quantität und Qualität Kontrollierte Marktöffnung (≈ Konzessionsmodell) Prinzip der Einnahmemaximierung Freie Marktwirtschaft („Entfesselung des Marktes“) „Laissez-faire“ Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland Glücksspiele sind im strafrechtlichen Sinne diejenigen Spiele, bei denen: (a) die Entscheidung über Gewinn und Verlust allein oder überwiegend vom Zufall abhängt, (b) der potenzielle Gewinn einen nicht ganz unerheblichen Vermögenswert darstellt und (c) der Spieler durch seinen Einsatz ein Vermögensopfer erbringt. Glücksspiele dürfen in Deutschland in Anlehnung an § 284 StGB nur unter staatlicher Aufsicht und Kontrolle veranstaltet werden. Mit der Errichtung eines Glücksspielmonopols sollen laut Staatsvertrag zum Glücksspielwesen (GlüStV) folgende Zielsetzungen verfolgt werden: (1) Vorbeugung der Entstehung der Spielsucht (2) Begrenzung des Glücksspielangebotes und Lenkung des natürlichen Spieltriebes in geordnete und überwachte Bahnen (3) Gewährleistung des Jugendschutzes und des Spielerschutzes (4) Garantierung ordnungsgemäßer Spielabläufe und Schutz vor betrügerischen Machenschaften Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Varianten des (Glücks-)Spiels in Deutschland Glücksspiele Lotto Keno, Quicky Rubbellotterien Klassenlotterien Roulette Black Jack Poker Glücksspielautomaten Geldspielautomaten* Sportwetten Glücksspiele im Internet Illegales Glücksspiel ... Geldgewinnspiele mit Glücksspielcharakter TV-Geldgewinnspiele (z.B. „9-Live“) Selbstorganisierte Spiele um Geldgewinne Börsenspekulationen ... Sonstige Spiele mit/ohne Geldgewinn Gesellschaftsspiele Geschicklichkeitsspiele Kreuzworträtsel Quizshows ... * Rechtlich gesehen sind Unterhaltungsautomaten mit Gewinnmöglichkeit („Daddelkästen“) keine Glücksspiele! Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Jugendschutzbestimmungen Glücksspielform Teilnahmeberechtigung Casinotypische Spiele in Spielbanken/Dependancen In der Regel 18 Jahre Flächendeckende Eingangskontrollen beim Großen und Kleinen Spiel (seit dem 01.01.2008) Geldspielautomaten in Spielhallen/Gaststätten Bis zum 31.03.2003 18 Jahre (§ 8 JÖSchG) Lotterien und Sportwetten in Lottoannahmestellen Ab dem 01.07.2004 Bis zum 30.06.2004 18 Jahre (§ 4 Staatsvertrag 7 Jahre zum Lotteriewesen) (Taschengeldparagraph, Ab dem 01.01.2008 § 110 BGB) 18 Jahre (§ 4 GlüStV) Glücksspiele im Internet Zumeist 18 Jahre (Ausnahme: Demospielmodus) Selbstorganisierte Glücksspiele (z.B. Poker um Geld) Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Ab dem 01.04.2003 18 Jahre (§ 6 JuSchG) Anzahl der Spielstätten in 2005 Spielbanken (inkl. Automatencasinos) 80 ↑ Spielhallen 9.400 ≈ Geldspielautomaten in Gaststätten/Spielhallen 183.000 ↑ Lottoannahmestellen 26.000 ↓ Private Wettbüros 2.500 ↓ Internet ca. 2.500 Websites ↑ Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Umsätze auf dem Glücksspielmarkt (2005) in Mrd. Euro Spielbank (Glücksspielautomaten, Roulette etc.) 10,58 Lotto- und Toto-Block (Lotto „6aus49“ etc.) 7,63 Geldspielautomaten (in Spielhallen und Gaststätten) 5,5 Sportwetten (Oddset, Pferdewetten, private Wettanbieter) 3,65 2 Gewinnspiele von TV- und Radiosendern (ohne Fernsehlotterien) 1,23 Klassenlotterien (NKL, SKL) Sonstige (Fernsehlotterien, Gewinn- und PS-Sparen) 1,06 Illegale Glücksspiele (im Internet, in Hinterzimmern) ? Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Der Glücksspielmarkt – Staatseinnahmen in Mrd. Euro 5,0 4,467 4,5 4,393 4,365 4,254 4,0 3,5 3,149 3,0 2,5 1,734 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 1970 1975 1980 1982 1985 1990 1992 1995 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 Die staatlichen Einnahmen aus Glücksspielen liegen seit 1998 deutlich über den Erträgen aus alkoholbezogenen Steuern! Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen 2004 2005 Der Glücksspielmarkt in Deutschland Entwicklungstrends vor Einführung des GlüStV Seit Mitte der 1970er Jahre lässt sich eine stetige Expansion kommerzieller Glücksspielangebote feststellen Mit dieser Ausweitung geht eine Steigerung der Spielanreize einher Es werden kontinuierlich neue Formen des Glücksspiels offeriert und alternative Vertriebswege erschlossen (z.B. Glücksspiele im Internet) Es ist eine zunehmende Aufweichung des Staatsmonopols erkennbar: In Konkurrenz zum staatlichen Glücksspielangebot operiert eine Vielzahl an Privatunternehmen am Markt Zudem „boomt“ die Vermarktung von Spielen mit Glücksspielcharakter (z.B. Geldgewinnspiele im TV) Es bleibt abzuwarten, ob die Einführung des GlüStV eine Kehrtwende darstellt Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Der Spielanreiz beim Glücksspiel Phase 1 – Entscheidung für eine Glücksspielteilnahme Phase 2 – Geldeinsatz Hoffen auf den Gewinn: Anspannung, Stimulation, Nervenkitzel ↳ Emotionsregulation (positive Verstärkung) ↳ Ablenkung von Belastungen (negative Verstärkung) Phase 3a – Gewinnsituation Glücksgefühl, Euphorie, Allmachtsphantasien, ... Phase 3b – Verlustsituation Frustration, Ärger, Niedergeschlagenheit, ... Phase 4 – Weiterspielen Geld als Mittel zum Zweck: Emotionsregulation, Befindlichkeitsveränderung Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Die psychotrope Wirkung bei schneller Spielabfolge Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Spieler-Typologie GlücksGlücksSpiel-Spaß Spiel-Spaß GlücksSpiel-Sucht Erkennbare Probleme Schwere Probleme Keine Probleme ... Problem-Spieler Gelegenheits- oder soziale Spieler Primärprävention Pathologische Spieler Sekundärprävention Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Tertiärprävention Problemausmaß USA und Kanada Metaanalyse von Shaffer und Hall (2001) für Nordamerika Level 3 – Lebenszeit Level 2 – Lebenszeit Level 3 – vergangenes Jahr Level 2 – vergangenes Jahr Erwachsene (%) Jugendliche (%) 1,92 4,15 1,46 2,54 3,38 8,40 4,80 14,60 Level 2 = „Gefährdete Spieler“; Level 3 = „pathologische Spieler“ ↳ Jugendliche weisen signifikant höhere Prävalenzraten auf als Erwachsene ↳ Jungen/Männer sind eher betroffen als Mädchen/Frauen Erste Längsschnittstudien deuten verschiedenartige Verlaufsformen an: a) chronisch, b) episodisch/temporär, c) anfallsartig („binge gambling“) Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Glücksspielverhalten Erwachsener in Deutschland (I) BISDRO-Studie (Stöver, 2006) N=8.000 Personen im Alter von 18-65 Jahren 12-Monatsprävalenz: - Zahlenlotto (33%) - Rubbellose (12%) - Glücksspirale (6%) - Klassenlotterien (5%) - Sportwetten (4%) - Spielautomaten* (3%) - Casinospiele (3%) 0,5% bzw. 265.000 Personen gelten als pathologische Spieler 8% der Automatenspieler* sind von der Glücksspielsucht betroffen, aber nur 0,33% der reinen Lottospieler * Keine Differenzierung von Geldspielautomaten und Glücksspielautomaten Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Glücksspielverhalten Erwachsener in Deutschland (II) BISDRO-Studie (Stöver, 2006) Anteile der Geldeinsätze pathologischer Spieler an den insgesamt getätigten Geldeinsätzen, getrennt nach Glücksspielform Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Glücksspielverhalten Erwachsener in Deutschland (III) Bühringer et al. (2007) Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Glücksspielverhalten Erwachsener in Deutschland (IV) Bühringer et al. (2007) Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Glücksspielverhalten Erwachsener in Deutschland (III) Bühringer et al. (2007) Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Problembehaftete Glücksspielformen Untersuchung von Spielern in der Versorgung (N=489; Meyer & Hayer, 2005) Glücksspielform problembehaftet Erstkontaktalter Geldspielautomaten 79% 39% als Minderjährige Glücksspielautomaten 32% 8% als Minderjährige Roulette/Black Jack 17% 5% als Minderjährige Karten-/Würfelspiele um Geld 16% 35% als Minderjährige „ODDSET” 10% 7% als Minderjährige Lotto „6aus49“ 6% 21% als Minderjährige Rubbellotterien 2% 20% als Minderjährige Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Das Suchtpotenzial von Glücksspielen Ein Analyseschema Veranstaltungsmerkmale von Glücksspielen Situational (kontextbezogen) z.B. Verfügbarkeit, Werbung Strukturell (spielmediumsbezogen) z.B. Ereignisfrequenz, Gewinnmöglichkeiten Primärwirkung: Erleichterung des Zugangs Primärwirkung: Förderung einer regelmäßigen Teilnahme Beurteilung des Gefährdungspotenzials einer Glücksspielform Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Das (hohe) Suchtpotenzial von Geldspielautomaten* Relevante situationale und strukturelle Merkmale Verfügbarkeit Variabilität der Einsätze Ereignisfrequenz Flexible Gewinnstrukturen Auszahlungsintervall Fast-Gewinne Aktive Einbindung Ton-/Licht-/Farbeffekte * Maximaleinsatz pro Spiel: 0,2 €; maximale Gewinnmöglichkeit pro Spiel: 2 € Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Exkurs: Die Novellierung der Spielverordnung Aus der Perspektive der Suchtprävention Positive Aspekte Negative Aspekte Verbot der Reduzierung der Spiellaufzeit (5 statt 12 Sek.) missbrauchsgeeigneten → Steigerung der Spielgeschwindigkeit, Ausblendung des Fun-Games Verlusterlebens, Förderung des Chasing-Verhaltens, ... Erhöhung des max. Stundenverlustes (80 statt 60 €) Verbot von reizvollen (durchschnittlich: 33 €/Stunde) Jackpotsystemen → Verlustmöglichkeiten mit Vermögenswert Sichtbare Auslage von Informationsmaterial zu Erhöhung der max. Gewinnmöglichkeit auf 500 €/Stunde den Risiken des → Gewinnmöglichkeiten mit Vermögenswert übermäßigen Spielens Erhöhung der Geräteanzahl in Spielhallen (von 10 auf 12 je Konzession) und Gaststätten (von 2 auf 3) → Ausweitung des Vertriebsnetzwerkes ↓ ERHÖHUNG DER GEFAHREN/SPIELANREIZE Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Das (geringe) Suchtpotenzial von Lotto „6aus49“ Relevante situationale und strukturelle Merkmale Verfügbarkeit Jackpot Werbung Gewinnstruktur Aber: Langgestreckter Spielablauf! Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Lotto „6 aus 49“ – Tippverhalten Aufgabe 1: Sie bekommen einen ausgefüllten Lottoschein mit zwei Tippreihen. Eine Tippreihe wird Ihnen geschenkt. Welche Tippreihe wählen Sie spontan aus? Begründen Sie Ihre Entscheidung! Aufgabe 2: Füllen Sie zwei weitere Tippreihen aus. Machen Sie jeweils 6 Kreuze. Notieren Sie, nach welchen Prinzipien Sie die Zahlen ausgewählt haben! Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Mechanismen der kognitiven Verzerrung - Repräsentativitätsfehler - Verfügbarkeitsfehler - Trugschluss des Glücksspielers (gambler’s fallacy) - Eingenommensein/Gefangensein - Abergläubisches Denken/Handeln - Fehlerbehaftetes Verständnis von Wahrscheinlichkeiten - Illusionäre Kontrollüberzeugungen - Flexible Attributionsmuster - ... ⇒ Allgemeinpsychologische Phänomene ⇒ Bei pathologischen Spielern stärker ausgeprägt?! Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Exzessiver Internetgebrauch Internetbereiche mit Gefährdungspotenzial - Kommunikationssysteme (z.B. Chats, Foren, Newsgroups) - Computerspiele - Online-Sex (Pornographie, Cybersex) - Informationsangebote („Dataholics“, „Infojunkies“) - Kaufangebote (Online-Shopping, „eBay“) - Glücksspiele (Online-Gambling) Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Online-Gambling – Prognostizierte Gesamtumsätze Christiansen Capital Advisors (2004) Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Online-Gambling: Kollateralschäden Online-Spieler klaute weit über eine Million „Um seiner unkontrollierten Spielsucht zu frönen, hat ein britischer Online-Spieler angefangen, im Laufe der Zeit an die 1,5 Millionen Euro zu rauben. Der 23 Jahre alte Verwaltungsangestellte flog auf und wurde gestern schuldig gesprochen. Bryan Benjafield hat viele Probleme. Eines davon: Er ist den Internet-Casinos mit Haut und Haaren verfallen. Da er Zugriff auf die Buchhaltung seines Arbeitgebers hatte, überwies er nach und nach besagte Summe auf seinen Ladbrokes-Account, wo er das Geld für Pokerspiele, Sportwetten und am Roulette großzügig - und leider wenig erfolgreich - einsetzte. Sein Arbeitgeber ging aufgrund des steten Geldverlustes Pleite, doch erst ein Finanzbeamter deckte die Vorgänge auf. Das Strafmaß für den diebischen Web-Zocker steht noch nicht fest.“ Quelle: vnunet.com (12.07.2006) Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Das (hohe) Suchtpotenzial von Online-Glücksspielen Relevante situationale und strukturelle Merkmale Verfügbarkeit (24/7) Breite Angebotspalette Ereignisdichte ⇒ Senkung der Hemmschwellen Anonymität ⇒ Realitätsflucht Bargeldloser Zahlungsverkehr Extensive Vermarktung Benutzerfreundlichkeit Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Interaktive Einbindung Die Festquotenwette – Basics Spielpaarung Quote Heimsieg Quote Unentschieden Quote Auswärtssieg SC Freiburg – Werder Bremen 3,00 2,90 1,85 Bayer Leverkusen – VfL Wolfsburg 1,70 2,90 3,50 Hertha BSC Berlin – M‘gladbach 1,65 2,80 4,00 1. FC Nürnberg – Bayern München 4,00 3,00 1,60 VfB Stuttgart – VfL Bochum 1,40 3,30 5,00 Gesamtquote: 54,57 (3,00∗2,90∗2,80∗1,60∗1,40); bei einem Wetteinsatz von 10 Euro: Potenzieller Gewinn: 545,70 Euro (54,57∗10) Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Staatliche versus private Sportwettenangebote Vorteile aus Spielersicht ODDSET • Seriosität • Flächendeckende Verfügbarkeit im OfflineBereich Privatunternehmen • Günstigere Quoten, da keine Konzessionsabgaben und Lotteriesteuern abzuführen sind • Höhere Ausschüttungsquoten • Breitere Angebotspalette mit Sportereignissen, die rund um die Uhr stattfinden • Reizvollere Wettformen (z.B. Live-Wetten) • Offline-Bereich: Bereitstellung von Aufenthaltsräumen Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen „bwin“ – Wettmöglichkeiten bei einem Fußballspiel Schweiz – Südkorea (Fußball-WM 2006) - Der Torhüter von welchem Team hat die 1. Ballberührung im Spiel? Erzielt ein eingewechselter Spieler ein Tor? Gegen welches Team wird die 1. Abseitsstellung gepfiffen? Gibt es einen verschossenen Elfmeter? In welcher Halbzeit gibt es mehr Eckbälle? Ist die Anzahl der erzielten Tore gerade oder ungerade? Wie lange wird nachgespielt (Anzeige des Offiziellen)? Was passiert in der 1. Hälfte zuerst (Einwurf, Abstoß, Tor, Freistoß, Eckball)? Welcher Spieler erzielt das 1. Tor? Welches Team erhält die meisten gelben Karten? Welches Team hat den letzten Einwurf in der ersten Hälfte? Wie wird das letzte Tor erzielt (Schuss, Freistoß, Eigentor, Kopfball, Elfmeter, kein Tor)? Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Befunde aus Großbritannien (I) Anrufer einer Spieler-Hotline in 2006: „Gambling Activity“ GamCare (2007) Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Befunde aus Großbritannien (II) Anrufer einer Spieler-Hotline in 2006: „Gambling Location“ GamCare (2007) Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Poker: Spielmöglichkeiten Die bekannteste Pokervariante ist Texas Hold‘em Unter den Spielformaten sind Turniere von Cash-Games zu unterscheiden LEGALE und ILLEGALE Spielmöglichkeiten • Staatlich konzessionierte Angebote in terrestrischen Spielbanken • Angebote von privaten Veranstaltern als Unterhaltungsspiele (z.B. Turniere um gesponserte Sachpreise) • Selbstorganisierte, nicht-öffentliche Pokerrunden • Online-Angebote im „Trainingsmodus“ (Spielen um Spielgeld) • Angebote von privaten Veranstaltern, die bestimmte Auflagen nicht erfüllen • Kommerzielle Online-Angebote von Privatunternehmen (Spielen um Echtgeld) Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Der Pokerboom und seine Auswüchse Vernetzung staatlicher und privater Anbieter (z.B. European Poker Tour) Verzahnung von Trainings- und Echtgeld-Websites Vermarktung als Entertainment (z.B. TV-Pokerturniere mit Prominenten) Übertragungen von Pokerturnieren im Sportfernsehen Etablierung von Poker-Ligen Verkauf von Pokerutensilien Eröffnung von Pokerschulen Sponsoring (z.B. „Everest Poker“ bei Bayer Leverkusen) Internetdomain „poker.de“: Teuerste deutsche Webadresse (695.000 Euro) Poker via Mobiltelefon ... Pokerspieler in Suchtberatungs-/Suchtbehandlungseinrichtungen Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Traumberuf Pokerspieler?! WSOP 2007: Jerry Yang gewann als Sieger des Hauptturniers 8,25 Mio. $ Chris Moneymaker Doyle Brunson Doyle Brunson ist im Besitz von 10 Armbändern. Als erster Spieler überhaupt konnte er 1 Mio. $ in einem Pokerturnier einstreichen. Brunson gilt als Urgestein des Pokerspiels. Chris Moneymaker gewann einen Platz bei der WSOP 2003 über den Online-Pokeranbieter „PokerStars“ (Einsatz: 39 $). Bei der WSOP siegte er und strich insgesamt 2,5 Mio. $ ein. Moneymaker zählt zu den Vorbildern der jungen Pokergeneration. Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen ... und noch ein Vorbild ... World Series of Poker 2007: Jerry Yang gewann als Sieger des Hauptturniers 8,25 Mio. $ bei einem Einsatz von 225 $ ... Jerry Yang ist Psychologe und Sozialarbeiter ... Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Poker – Vermarktung als Sport Sender Datum Programm AXN 27.11.2007 - 03:40 Uhr World Poker Tour DSF 27.11.2007 - 06:00 Uhr European Poker Tour Baden DSF 27.11.2007 - 17:30 Uhr Poker After Dark Premiere 27.11.2007 - 23:25 Uhr Poker DSF 28.11.2007 - 06:00 Uhr Premier League Poker 2007 GIGA TV 28.11.2007 - 00:00 Uhr Pokernight DAS VIERTE 29.11.2007 - 00:30 Uhr Poker TV3+ 01.12.2007 - 01:15 Uhr UK Open 2007 Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Texas Hold‘em – Die Spielregeln Es wird nicht gegen die Bank, sondern gegen andere Spieler gespielt. Nach dem Erhalt von 2 verdeckten Karten kann ein Spieler passen („fold“), mitgehen („call“) oder erhöhen („raise“). Wenn mindestens zwei Spieler mitgegangen sind, legt der Kartengeber zunächst 3 Karten offen auf den Tisch („Flop“). Diese Gemeinschaftskarten gehören allen Spielern. Nun haben alle Spieler die Möglichkeit, zu schieben („check“) oder einen Betrag zu setzen („bet“). Haben alle Spieler ausgeglichen, wird eine weitere Gemeinschaftskarte offen auf den Tisch gelegt („Turn Card“). Nach einer weiteren Einsatzrunde wird die letzte Karte („River Card“) aufgedeckt. Gewinner einer Runde ist der Spieler mit dem höchsten Blatt, bestehend aus 5 Karten (das beste Blatt aus den eigenen Karten und den Gemeinschaftskarten). Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Poker – Rangreihe der Blätter - High Card: - Pärchen: - 2 Pärchen: - Drilling: - Straight: - Flush: - Full House: Höchste Karte im Blatt: z.B. König 2 Karten der gleichen Wertigkeit : z.B. 7, 7 Kombination von zwei Zwillingen: z.B. Ass, Ass, König, König 3 Karten der gleichen Wertigkeit: z.B. 10,10,10 5 Karten in einer Reihe: z.B. 4, 5, 6, 7, 8 5 Karten der gleichen Farbe: z.B. 4, 6, 9, Dame, Ass von Herz Kombination von einem Drilling und einem Paar: z.B. 6, 6, 6, Bube, Bube - Vierling: 4 Karten der gleichen Wertigkeit: z.B. vier Buben - Straight Flush: 5 Karten der gleichen Farbe in einer Reihe: z.B. 8, 9, 10, Bube, Dame von Pik - Royal Flush: Ass, König, Dame, Bube und 10 einer Farbe Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Poker im Internet – „Everest Poker“ http://www.everestpoker.de Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Live-Demonstration – „Everest Poker“ (I) http://www.everestpoker.com Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Online-Poker: Erste Forschungsbefunde eCogra Global Online Gambler Report (2007) (n=10.865 aus 96 Ländern) - Profil des Online-Pokerspielers: ist männlich und zwischen 26 und 35 Jahre alt spielt zwei- bis dreimal wöchentlich spielt ein bis zwei Stunden pro Session spielt an einem oder zugleich an zwei Tischen hält das monatliche Bonusspielkapital für einen wichtigen Spielanreiz spielt sowohl „Cash Games” als auch Turniere spielt mit Mindesteinsätzen von 0,50 bis 2,00 $ glaubt, dass beim Pokerspiel eher Geschicklichkeit als Glück eine Rolle spielt Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen ... Aus der Sicht eines Betroffenen ... www.forum-gluecksspielsucht.de/forum/index.php/topic,284.0.html vom 23.06.2007 „Ich bin ein wenig verzweifelt. Ich habe vor gut einem Jahr angefangen Poker zu spielen. Erst nur auf Spielgeld-Seiten. Irgendwann bin ich auf einer Seite gelandet, die auch das Spielen um echtes Geld anbietet, und ich dachte mir: ‚Probier’s doch einfach mal!‘ Zuerst habe ich 50 Euro eingezahlt, damit ich den angepriesenen Bonus bekommen kann, doch das Geld war schneller weg, als ich gucken konnte [...]. Ich habe irgendwann den Bonus von 50 Euro bekommen, doch leider waren da schon knapp 500 Euro verspielt. So fing leider alles an, und ich zahlte immer mehr ein. Mittlerweile bin ich auch auf einer zweiten Seite angemeldet. Ich habe meine Kreditkarte derzeit mit insgesamt knapp 5.000 Euro belastet, und ich weiß nicht mehr weiter. Ich verdiene nicht viel, da ich noch Student bin, und ich weiß leider auch nicht, wie ich das abbezahlen soll [...]. Meine Freundin und meine Eltern wissen nichts davon, und dass soll auch so bleiben. Ich will da irgendwie wieder raus aus den Schulden. In letzter Zeit spiele ich auch nur, um mit einem größeren Gewinn die Schulden auszugleichen. Ich weiß, dass das dumm ist, aber es packt mich immer wieder“ Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen ... Aus Sicht eines Pokerdozenten ... Interviewauszug mit Thomas Dellbusch, Seminarleiter bei Rhinepoker RP-online vom 05.09.2007 „Pokern ist nicht suchtfördernd. Im Gegenteil: Um möglichst lange spielen zu können, muss der Spieler lernen, seine Karten in 80 Prozent der Fälle zu passen. Ein Spielsüchtiger möchte aber nicht passen, sonst wird ihm das Spiel zu langweilig. Somit passiert folgendes: Entweder er verliert rasend schnell sein Geld und kann nicht mehr mitspielen oder er begreift, dass man Geduld braucht, um dabei zu bleiben. Sprich: Beim Poker muss er seinen Spielzwang zügeln. Und das wäre der erste Weg zur Heilung [...] Das Thema „Spielsucht“ würde sich von alleine erledigen, wenn anerkannt wird, dass Poker ein Gedulds- und Geschicklichkeitsspiel und kein Glücksspiel ist. Wer Poker für sich entdeckt, sucht die analytische, intellektuelle Herausforderung. Das beweisen der große Absatz von taktischen Pokerbüchern, ausgebuchte Seminare und zahlreiche Diskussionen in Internetforen. Solange die Leute aber glauben, Pokern hänge überwiegend vom Glück ab, verirren sich Spielsüchtige auch an Pokertische“ Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Online-Gambling: Weitere Forschungsbefunde - Eine Untersuchung mit Automatenspielangeboten im Internet lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Auszahlungsquoten im Demo- und Realspielbetrieb bei einigen Anbietern erheblich voneinander abweichen (Sévigny et al., 2005) - Ein Feldversuch mit einer 16-jährigen Schülerin konnte belegen, dass eine Registrierung nur bei 7 von insgesamt 37 zufällig ausgewählten Gambling-Websites geblockt wurde (GamCare, 2005) - Der Anteil pathologischer Spieler unter den Online-Spielern scheint höher auszufallen als im Offline-Bereich (z.B. Wood & Williams, 2007); bei einer selektiven Stichprobe von Online-Poker-Spielern (Studenten) konnten 18% als wahrscheinlich pathologische Spieler eingestuft werden (Wood, Griffiths & Parke, 2007) Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Glücksspielsucht – Bedingungsgefüge Individuum: Persönlichkeit Umfeld: Psychische Auffälligkeiten Arbeits- und Lebensverhältnisse Genetik/Neurobiologie Zukunftsperspektiven Soziodemographische Merkmale Peer-Gruppe Familiäre Situation Stresserleben Soziale Bindungen Bewältigungsstile ... ... Glücksspiel: Veranstaltungsmerkmale Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Psychosoziale Folgen der Spielsucht Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Exkurs: Kinder von pathologischen Spielern (II) Hayer et al. (2006) „Mitten in der Nacht kam sie dann nach Hause, und ich brauchte ja auch immer meinen Schlaf, und dann hörte ich meine Mutter, wie die mit ihrer blöden Kugel da wieder mit diesem Roulette rumgespielt hat. Weil, das hat ja einen Riesenkrach gemacht [...]. Also mit diesem Roulette hatte sie dann auch immer gespielt, wenn sie kein Geld mehr hatte, und das war jeden Abend dann, und das war dann immer sehr deprimierend, weil meine Mutter dann immer brummte: ‚Jetzt hab ich kein Geld, jetzt habe ich hier heute so eine Glückssträhne und kann nicht losfahren, so ein Mist!’. Dann saß sie wirklich da in voller Montur, mit ihrem Kostümchen, so wie sie halt gerade aus dem Kasino Hohensyburg ist, und spielte da auf dem Teppich dieses Ding, da bin ich ausgerastet.“ Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Therapienachfrage von Spielsüchtigen Daten aus ambulanten und stationären Behandlungseinrichtungen in 2006 Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Anzahl der Selbsthilfegruppen für pathologische Spieler 180 150 160 140 115 120 103 100 101 87 76 80 54 60 32 40 20 106 106 109 2 0 Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen 124 116 101 106 110 130 144 Glücksspielsucht: Ein integrativer Erklärungsansatz (1/2) In Anlehnung an Sharpe (2002) Soziales Umfeld Genetische Besonderheit Psychologische Anfälligkeit Einstellung zum Glücksspiel Impulsivität Risikobereitschaft Selbstwertgefühl Biologische Anfälligkeit Dopaminerges System Serotonerges System Noradrenerges System Normative Glücksspielerfahrungen Eintauchen in Subkultur des Glücksspiels Frühe Glücksspielerfahrungen Frühe Gewinnerlebnisse Wahrnehmungsfilter Interpretation von Gewinn-/Verlustereignissen Glücksspielbedingte Erregung Kognitive Verzerrung und irrationale Überzeugungen Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Glücksspielsucht: Ein integrativer Erklärungsansatz (2/2) In Anlehnung an Sharpe (2002) Casinospieler/Pferdewetter Automatenspieler Lebensumstände: Intoleranz gegenüber Langeweile Sensationslust, Stimulation Lebensumstände: Vermeidung von Stress (Fluchtverhalten) Dysphorische Stimmungslage Verlangen nach dem Glücksspiel Gewinn/Verlust Coping-Strategie: Ausmaß der Kontrolle Glücksspiel Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Gewinn/Verlust Ausgewählte Informationsquellen im Internet (I) http://www.gluecksspielsucht.de Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Ausgewählte Informationsquellen im Internet (II) https://www.check-dein-spiel.de Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Präventionskampagne „Ich mach das Spiel nicht mit!“ Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Maßnahmen des Spielerschutzes (I) Einberufung einer Glücksspielkommission mit Kontrollfunktion Etablierung einer zentralen „Hotline Spielsucht“ Bedarfsnachweis bei der Einführung neuer Glücksspielformen Beschränkung der Werbeaktivitäten Pflichtabgaben aus den Einnahmen für Forschung und Versorgung Flächendeckender Ausschluss von Minderjährigen vom Spielbetrieb Einführung und Vernetzung von Sperrdateien (inkl. Besuchsbeschränkung) Personalschulung: Fakten- und Handlungswissen Zahlung von umsatzunabhängigen Gehältern Maßnahmen zur Früherkennung problematischen Spielverhaltens Aufklärung über die mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren Festlegung von Einsatz-, Gewinn- und Verlustlimits Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Maßnahmen des Spielerschutzes (II) Verbot von bargeldlosem Zahlungsverkehr im Offline-Bereich Verbindlicher Spielerschutz beim gewerblichen Spiel Keine Verknüpfung von Alkoholausschank/ Geldbezugsautomaten und Glücksspiel Grundsätzliches Verbot ausländischer Glücksspielangebote Einführung von Ausweiskontrollen beim „Kleinen Spiel“ Evaluierung der Wirksamkeit durch Begleitforschung REGULATIVE RAHMENBEDINGUNGEN: Die Erhaltung des staatlichen Glücksspielmonopols schafft am ehesten geeignete Rahmenbedingungen, um ein hinreichend attraktives Glücksspielangebot unter Verzicht auf übermäßige Spielanreize bereitzustellen und den Zielen des Spielerschutzes gerecht zu werden. Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Vielen Dank für Ihre Teilnahme! Kontakt Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Institut für Psychologie und Kognitionsforschung Grazerstr. 4 28359 Bremen Tel. 0421 218-4333 E-Mail: [email protected] Web: http://www.tobha.de Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen