Ursprung und Geschichte des Staatsbegriffs Jean Bodin 1529

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Ursprung und Geschichte des Staatsbegriffs Jean Bodin 1529
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Ursprung und Geschichte des Staatsbegriffs
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Ursprung und Geschichte des Staatsbegriffs
Jean-Jacques Rousseau
1712-1778
Thomas Hobbes
1588-1679
Jean Bodin
1529-1596
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Staatsbegriff: Drei-Elemente-Lehre
Das Volk in der Bundesverfassung
„Der Staat ist die mit ursprünglicher
Herrschaftsmacht ausgerüstete
Verbandseinheit sesshafter
Menschen […]. Als Rechtsbegriff ist
der Staat demnach die mit
ursprünglicher Herrschaftsmacht
ausgerüstete Körperschaft eines
sesshaften Volkes oder, um einen
neuerdings gebräuchlichen Terminus
anzuwenden, die mit ursprünglicher
Herrschermacht ausgestattete
Gebietskörperschaft.“
Georg Jellinek
1851-1911
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Präambel
Art. 1 BV
Art. 2 Abs. 1 BV
Art. 8 Abs. 1 BV
Art. 9 BV
Art. 24 Abs. 1 BV
Art. 51 Abs. 1 BV
Art. 53 Abs. 2 BV
Art. 137ff. BV
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CH Bürgerrecht, Rechtsquellen der Bundesverfassung
Rechtlicher Status der Einwohnerinnen
und Einwohner der Schweiz
Bürger
BüG
EU- und
EFTA-Bürger
Ausländer
AuG
Asylbewerber,
Flüchtlinge
AsylG, FK
Sans papiers
???
Art. 37 BV
1 Schweizerbürgerin oder Schweizerbürger ist, wer
das Bürgerrecht einer Gemeinde und das
Bürgerrecht des Kantons besitzt.
2 Niemand darf wegen seiner Bürgerrechte bevorzugt
oder benachteiligt werden. Ausgenommen sind
Vorschriften über die politischen Rechte in
Bürgergemeinden und Korporationen sowie über die
Beteiligung an deren Vermögen, es sei denn, die
kantonale Gesetzgebung sehe etwas anderes vor.
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CH Bürgerrecht, Rechtsquellen der Bundesverfassung
Art. 38 BV
1 Der Bund regelt Erwerb und Verlust der Bürgerrechte
durch Abstammung, Heirat und Adoption. Er regelt
zudem den Verlust des Schweizer Bürgerrechts aus
anderen Gründen sowie die Wiedereinbürgerung.
2 Er erlässt Mindestvorschriften über die Einbürgerung
von Ausländerinnen und Ausländern durch die Kantone
und erteilt die Einbürgerungsbewilligung.
3 Er erleichtert die Einbürgerung staatenloser Kinder.
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CH Bürgerrecht, Erwerb von Gesetzes wegen:
Abstammung
CH Bürgerrecht, Erwerb von Gesetzes wegen:
Adoption
Art. 1 BüG
Art. 7 BüG
Wird ein unmündiges ausländisches Kind von einem
Schweizer Bürger adoptiert, so erwirbt es das Kantons–
und Gemeindebürgerrecht des Adoptierenden und
damit das Schweizer Bürgerrecht.
1
2
3
Schweizer Bürgerin oder Bürger ist von Geburt an:
a. Das Kind, dessen Eltern miteinander verheiratet sind und
dessen Vater oder Mutter Schweizer Bürgerin oder Bürger ist;
b. Das Kind einer Schweizer Bürgerin, die mit dem Vater nicht
verheiratet ist.
Das unmündige ausländische Kind eines schweizerischen Vaters,
der mit der Mutter nicht verheiratet ist, erwirbt das Schweizer
Bürgerrecht, wie wenn der Erwerb mit der Geburt erfolgt wäre,
durch die Begründung des Kindesverhältnisses zum Vater.
Hat das unmündige Kind, das nach Abs. 2 das Schweizer
Bürgerrecht erwirbt, eigene Kinder, so erwerben diese ebenfalls
das Schweizer Bürgerrecht.
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Art. 267a ZGB
Das unmündige Kind erhält anstelle seines bisherigen
das Kantons- und Gemeindebürgerrecht der
Adoptiveltern.
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Verfahren der ordentlichen Einbürgerung, im Bund
Verfahren der ordentlichen Einbürgerung, im Bund
Art. 14 BüG
Vor Erteilung der Bewilligung ist zu prüfen, ob der
Bewerber zur Einbürgerung geeignet ist, insbesondere
ob er:
a. in die schweizerischen Verhältnisse eingegliedert ist;
b. mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten,
Sitten und Gebräuchen vertraut ist;
c. die schweizerische Rechtsordnung beachtet;
d. die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz nicht
gefährdet.
Art. 15 Abs.1 und 2 BüG
1 Das Gesuch um Bewilligung kann nur der Ausländer
stellen, der während insgesamt zwölf Jahren in der
Schweiz gewohnt hat, wovon drei in den letzten fünf
Jahren vor Einreichung des Gesuches.
2 Für die Frist von zwölf Jahren wird die Zeit, während
welcher der Bewerber zwischen seinem vollendeten 10.
und 20. Lebensjahr in der Schweiz gelebt hat, doppelt
gerechnet.
2
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Verfahren der ordentlichen Einbürgerung, im Bund
Art. 12 Abs. 2 BüG
Die Einbürgerung ist nur gültig, wenn eine Einbürgerungsbewilligung des zuständigen Bundesamtes [Bundesamt für
Migration] vorliegt.
Art. 13 BüG
Die Bewilligung wird vom Bundesamt erteilt.
2 Die Bewilligung wird für einen bestimmten Kanton erteilt.
3 Sie ist auf drei Jahre befristet und kann verlängert werden.
4 Sie kann hinsichtlich des Einbezuges von Familiengliedern
geändert werden.
5 Das Bundesamt kann die Bewilligung vor der Einbürgerung
widerrufen, wenn ihm Tatsachen bekannt werden, bei deren
Bekanntsein sie nicht erteilt worden wäre.
1
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Verfahren der ordentlichen Einbürgerung, kantonal
(Bsp. BS) :
§ 13 Abs. 1 BüRG
Die Aufnahme in das Bürgerrecht setzt voraus, dass die
Bewerberinnen oder Bewerber
a) einen guten Leumund besitzen;
b) mit allgemeinen Lebensgewohnheiten und wichtigen
öffentlichen Institutionen in Gemeinde, Kanton und
Bund vertraut sind, die schweizerische Demokratie
bejahen und die geltende Rechtsordnung
respektieren;
c) ihren privaten und öffentlich-rechtlichen
Verpflichtungen nachkommen.
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Verfahren der ordentlichen Einbürgerung, kantonal
(Bsp. BS) :
Verfahren der ordentlichen Einbürgerung, kantonal
(Bsp. BS) :
§ 12 BüRG*
Das Bürgerrecht in einer Gemeinde kann nur erwerben,
wer in dieser Gemeinde wohnt.
§ 2 lit. a BüRV*
Es [Das Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt] nimmt
Einbürgerungsgesuche von Ausländerinnen und Ausländern entgegen, stellt fest, ob die formellen Voraussetzungen erfüllt sind, klärt die Integration ab, fasst
diese Ermittlungsergebnisse zuhanden der Bürgergemeinde und des Justiz- und Sicherheitsdepartements
zusammen und holt die kommunale sowie die
eidgenössische Einbürgerungsbewilligung ein.
*
*
Bürgerrechtsgesetz des Kantons Basel-Stadt vom 6. Mai 1992, SG 121.100
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CH Bürgerrecht: Arten des Erwerbs:
Erleichterte Einbürgerung
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Art. 26 BüG
Art. 27 BüG
Art. 28 BüG
Art. 30 BüG
Art. 31a BüG
Art. 58ff. BüG
Allgemeine Bestimmungen
Ehegatte eines Schweizer Bürgers
Ehegatte eines Auslandschweizers
Staatenloses Kind
Kind eines eingebürgerten Elternteils
Wiedereinbürgerung
Verordnung zum Bürgerrechtsgesetz des Kantons Basel-Stadt, SG
121.110
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CH Bürgerrecht: Arten des Erwerbs:
Erleichterte Einbürgerung
Art. 58c BüG
1 Das Kind eines schweizerischen Vaters kann […] ein
Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen, […].
2 Ist es mehr als 22 Jahre alt, so kann es ein Gesuch um
erleichterte Einbürgerung stellen, wenn es mit der
Schweiz eng verbunden ist.
3
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CH Bürgerrecht: Arten des Erwerbs:
Erleichterte Einbürgerung
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Anspruch auf Einbürgerung?
Art. 15a Abs. 1 BüG (Bundesrecht)
Das Verfahren im Kanton und in der Gemeinde wird
durch das kantonale Recht geregelt.
Tagesanzeiger vom
13.01.2010
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§ 17 lit. c BüRG (kantonales Recht)
Einen Anspruch auf Aufnahme in das Bürgerrecht
derjenigen Gemeinde, in der sie wohnen haben:
c) alle […] Ausländerinnen und Ausländer, die seit
insgesamt 15 Jahren, wovon die letzten 5 Jahre
ohne Unterbrechung, im Kanton und seit drei
Jahren in der Gemeinde wohnen.
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Verlust des Bürgerrechts: Von Gesetzes wegen
Verlust des Bürgerrechts: Von Gesetzes wegen
Art. 8 BüG
Wird das Kindesverhältnis zum Elternteil, der dem
Kind das Schweizer Bürgerrecht vermittelt hat,
aufgehoben, so verliert das Kind das Schweizer
Bürgerrecht, sofern es dadurch nicht staatenlos wird.
Art. 8a BüG
1 Wird ein unmündiger Schweizer Bürger von einem
Ausländer adoptiert, so verliert er mit der Adoption
das Schweizer Bürgerrecht, wenn er damit die
Staats-zugehörigkeit des Adoptierenden erwirbt oder
diese bereits besitzt.
1bisDer Verlust des Schweizer Bürgerrechts tritt nicht ein,
wenn mit der Adoption auch ein Kindesverhältnis zu
einem schweizerischen Elternteil begründet wird oder
nach der Adoption ein solches bestehen bleibt.
2 Wird die Adoption aufgehoben, so gilt der Verlust des
Schweizer Bürgerrechts als nicht eingetreten.
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Verlust des Bürgerrechts: Von Gesetzes wegen
Verlust des Bürgerrechts: Beschluss der Behörden
Art. 10 BüG
Art. 41 Abs. 1 BüG
1 Die Einbürgerung kann vom Bundesamt mit
Zustimmung der Behörde des Heimatkantons innert
fünf Jahren nichtig erklärt werden, wenn sie durch
falsche Angaben oder Verheimlichung erheblicher
Tatsachen erschlichen worden ist.
1
2
3
4
Das im Ausland geborene Kind eines schweizerischen Elternteils,
das noch eine andere Staatsangehörigkeit besitzt, verwirkt das
Schweizer Bürgerrecht mit der Vollendung des 22. Lebensjahres,
wenn es nicht bis dahin einer schweizerischen Behörde im Ausland oder
Inland gemeldet worden ist oder sich selber gemeldet hat oder schriftlich
erklärt, das Schweizer Bürgerrecht beibehalten zu wollen.
Verwirkt das Kind das Schweizer Bürgerrecht nach Absatz 1, so
verwirken es auch seine Kinder.
Als Meldung im Sinne von Absatz 1 genügt namentlich jede Mitteilung
von Eltern, Verwandten oder Bekannten im Hinblick auf die Eintragung in
die heimatlichen Register, auf die Immatrikulation oder die Ausstellung
von Ausweisschriften.
Wer gegen seinen Willen die Meldung oder Erklärung nach Absatz 1
nicht rechtzeitig abgeben konnte, kann sie gültig noch innerhalb eines
Jahres nach Wegfall des Hinderungsgrundes abgeben.
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Verlust des Bürgerrechts: Beschluss der Behörden
Verlust des Bürgerrechts: Beschluss der Behörden
Art. 42 Abs. 1 BüG
1 Ein Schweizer Bürger wird auf Begehren aus dem
Bürgerrecht entlassen, wenn er in der Schweiz keinen
Wohnsitz hat und eine andere Staatsangehörigkeit
besitzt oder ihm eine solche zugesichert ist. […]
Art. 48 BüG
Das Bundesamt kann mit Zustimmung der Behörde
des Heimatkantons einem Doppelbürger das
Schweizer-, Kantons– und Gemeindebürgerrecht
entziehen, wenn sein Verhalten den Interessen oder
dem Ansehen der Schweiz erheblich nachteilig ist.
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Rechtsfolgen des Bürgerrechts: Rechte
Rechtsfolgen des Bürgerrechts: Rechte
Art. 136 BV
1 Die politischen Rechte in Bundessachen stehen allen
Schweizerinnen und Schweizern zu, die das 18.
Altersjahr zurückgelegt haben und die nicht wegen
Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt
sind. Alle haben die gleichen politischen Rechte und
Pflichten.
2 Sie können an den Nationalratswahlen und an den
Abstimmungen des Bundes teilnehmen sowie
Volksinitiativen und Referenden in Bundesangelegenheiten ergreifen und unterzeichnen.
Art. 24 BV
1 Schweizerinnen und Schweizer haben das Recht, sich
an jedem Ort des Landes niederzulassen.
2 Sie haben das Recht, die Schweiz zu verlassen oder in
die Schweiz einzureisen.
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Rechtsfolgen des Bürgerrechts: Rechte
Rechtsfolgen des Bürgerrechts: Pflichten
Art. 25 Abs. 1 BV
1 Schweizerinnen und Schweizer dürfen nicht aus der
Schweiz ausgewiesen werden; sie dürfen nur mit
ihrem Einverständnis an eine ausländische Behörde
ausgeliefert werden.
Art. 59 Abs. 1-3 BV
1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu
leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst
vor.
2 Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3 Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst
leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund
erhoben und von den Kantonen veranlagt und
eingezogen.
Art. 121 Abs. 2
Ausländerinnen und Ausländer können aus der
Schweiz ausgewiesen werden, wenn sie die Sicherheit
des Landes gefährden.
2
5
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Rechtsschutz in Bürgerrechtsfragen: Problem 1:
Einbürgerungsverfahren in den Gemeinden
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Rechtsschutz in Bürgerrechtsfragen: Problem 1:
Einbürgerungsverfahren in den Gemeinden
Art. 15a Abs. 2 BüG
BGE 129 I 232 E3.7
2
Zusammenfassend ergibt sich Folgendes: Einbürgerungsentscheide unterliegen der Begründungspflicht gemäss
Art. 29 Abs. 2 BV in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 BV. Eine
Begründung ist jedoch bei Volksabstimmungen, die an der
Urne erfolgen, systembedingt nicht möglich. Eine nachträgliche Begründung durch eine Gemeindebehörde kann
diesen rechtsstaatlichen Mangel nicht ausgleichen. Es
sind auch keine anderen Möglichkeiten ersichtlich, die
fehlende Begründung von Einbürgerungsentscheiden an
der Urne auszugleichen. […]
Das kantonale Recht kann vorsehen, dass ein Einbürgerungsgesuch den Stimmberechtigten an einer Gemeindeversammlung
zum Entscheid vorgelegt wird.
Art. 15b BüG
1
2
Die Ablehnung eines Einbürgerungsgesuches ist zu begründen.
Die Stimmberechtigten können ein Einbürgerungsgesuch nur
ablehnen, wenn ein entsprechender Antrag gestellt und begründet
wurde.
Art. 15c Abs. 1 BüG
1
Die Kantone sorgen dafür, dass bei der Einbürgerung im Kanton
und in der Gemeinde die Privatsphäre beachtet wird.
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Rechtsschutz in Bürgerrechtsfragen: Problem 2:
Beschwerdemöglichkeiten für Betroffene
Rechtsschutz in Bürgerrechtsfragen: Problem 2:
Beschwerdemöglichkeiten für Betroffene
Art. 29a BV
Jede Person hat bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf
Beurteilung durch eine richterliche Behörde. […]
BGE 129 I 232 E3.2
[Für die Frage nach einer Begründungspflicht kommt
es nicht auf die Behörde an], vor der ein Verfahren
stattfindet, sondern auf den rechtsanwendenden
Charakter des Verfahrens. Der Anspruch auf
rechtliches Gehör wird in allen Verfahren bejaht, in
denen jemand - als Partei - materiell betroffen,
insbesondere stärker belastet sein kann als andere
Personen. Dazu gehören grundsätzlich alle Verfahren,
die durch individuell-konkrete Anordnungen
abzuschliessen sind.
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Rechtsschutz in Bürgerrechtsfragen: Problem 2:
Beschwerdemöglichkeiten für Betroffene
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Formen der territorialen Gliederung
• Staatenbund:
USA unter den Articles of Confederation
Schweiz vor 1848 (mit kurzem Unterbruch)
• Bundesstaat:
USA heute
Schweiz heute
Deutschland
Indien
(Russland)
Art. 50 BüG
Die Kantone setzen Gerichtsbehörden ein, die als letzte
kantonale Instanzen Beschwerden gegen ablehnende
Entscheide über die ordentliche Einbürgerung beurteilen.
Art. 51 Abs. 1 BüG
1
Beschwerden gegen letztinstanzliche Verfügungen der
Kantone und gegen Entscheide der Verwaltungsbehörden
des Bundes richten sich nach den allgemeinen
Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.
• Einheitsstaat: Frankreich, (Grossbritannien)
• Europäische Union
6
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Staatenbund: USA unter den Articles of Confederation
Staatenbund:
Die Schweiz nach
dem Bundesvertrag,
1815-1848
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Staatenbund: Bundesbrief 1291
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Die Schweiz heute,
Verfassungsautonomie der Kantone
Art. 51 BV
1 Jeder Kanton gibt sich eine demokratische
Verfassung. Diese bedarf der Zustimmung des
Volkes und muss revidiert werden können, wenn
die Mehrheit der Stimmberechtigten es verlangt.
2 Die Kantonsverfassungen bedürfen der Gewährleistung des Bundes. Der Bund gewährleistet sie,
wenn sie dem Bundesrecht nicht widersprechen.
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Die Schweiz heute,
Zusammenarbeit von Bund und Kantonen
Einheitsstaat: Frankreich
Art. 44 BV
1 Bund und Kantone unterstützen einander in der
Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen.
2 Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie
leisten einander Amts- und Rechtshilfe.
3 Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen
Kantonen und dem Bund werden nach Möglichkeit
durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt.
Art. 1 Constitution de la République française
La France est une République indivisible, laïque,
démocratique et sociale. Elle assure l’égalité devant la
loi de tous les citoyens sans distinction d’origine, de
race ou de religion. Elle respecte toutes les croyances.
Son organisation est décentralisée.
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Staatsgebiet der Schweiz, Das Gebiet der Kantone
BGE 106 Ib 154 E4.c.
Praxis und Lehre des Völkerrechtes kennen eine Rangfolge
der Geltungsgründe einer Grenze: Danach sind Grenzlinien
primär durch Vertragsrecht oder einseitige Anerkennung
bestimmt. Ist die Grenzziehung weder vertraglich festgelegt
noch von den Parteien als verbindlich anerkannt, werden
die Grenzen […] nach dem sog. Effektivitätsprinzip bestimmt: Gemäss diesem Grundsatz gehört ein bestimmtes
Gebiet einem Staat soweit, als er darauf während längerer
Zeit tatsächlich und unbestritten Herrschaftsgewalt ausübt.
Kann im streitigen Gebiet kein unbestrittener Besitzstand
eines Staates - und damit keine Ersitzung - nachgewiesen
werden, ist subsidiär auf eine Reihe von Regeln über den
Verlauf natürlicher Grenzen abzustellen.
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Primäre Staatsaufgabe: Friedenssicherung
Primäre Staatsaufgabe: Friedenssicherung
Art. 1 Abs. 1 UNO-Charta
Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele:
1. den Weltfrieden und die internationale Sicherheit
zu wahren und zu diesem Zweck wirksame
Kollektivmassnahmen zu treffen, um
Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu
beseitigen, Angriffshandlungen und andere
Friedensbrüche zu unterdrücken […]
Art. 2 Abs. 4 UNO-Charta
Die Organisation und ihre Mitglieder handeln im
Verfolg der in Artikel 1 dargelegten Ziele nach
folgenden Grundsätzen:
4. Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische
Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder
sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen
unvereinbare Androhung oder Anwendung von
Gewalt.
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Primäre Staatsaufgabe: Friedenssicherung
Liberalismus bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Art. 39 UNO-Charta
Der Sicherheitsrat stellt fest, ob eine Bedrohung
oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt; er gibt Empfehlungen ab oder
beschliesst, welche Massnahmen […] zu treffen sind,
um den Weltfrieden und die internationale
Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen.
US Supreme Court, Lochner v. New York (1905)
“[…] the freedom of master and employee to contract
with each other in relation to their employment […]
cannot be prohibited or interfered with without
violating the Federal Constitution.”
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Aufgaben des liberalen Nachtwächterstaats
Friedenssicherung in globalem Rahmen
Schutz der sog. „Polizeigüter“ ( Verwaltungsrecht)
• Leib
• Leben
• Gesundheit
• Eigentum
• Sittlichkeit
• Treu und Glauben im Geschäftsverkehr
Art. 66 Abs. 1 MG*
1 Einsätze zur Friedensförderung können auf der
Grundlage eines UNO- oder OSZE-Mandates
angeordnet werden. Sie müssen den Grundsätzen
der schweizerischen Aussen- und Sicherheitspolitik entsprechen.
*
Bundesgesetz vom 3. Februar 1995 über die Armee und die Militärverwaltung (Militärgesetz, MG), SR 510.10
9
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Friedenssicherung in globalem Rahmen
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Friedenssicherung in globalem Rahmen
Art. 66b MG
Art. 66a MG
1 Der Bundesrat bestimmt im Einzelfall die
Bewaffnung, die für den Schutz der durch die
Schweiz eingesetzten Personen und Truppen
sowie für die Erfüllung ihres Auftrages erforderlich
ist.
2 Die Teilnahme an Kampfhandlungen zur
Friedenserzwingung ist ausgeschlossen.
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Friedenssicherung in globalem Rahmen,
Beispiel zu Art. 66b Abs. 2 MG
1
2
3
4
Zuständig für die Anordnung eines Einsatzes ist der
Bundesrat.
Der Bundesrat kann die für die Durchführung des Einsatzes
notwendigen internationalen Abkommen abschliessen.
Soll der Einsatz bewaffnet erfolgen, so konsultiert der
Bundesrat vorgängig die Aussenpolitischen und die
Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte.
Werden für einen bewaffneten Einsatz mehr als 100
Angehörige der Armee eingesetzt oder dauert dieser
länger als drei Wochen, so muss die Bundesversammlung
den Ein-satz genehmigen. In dringenden Fällen kann der
Bundesrat die Genehmigung der Bundesversammlung
nachträglich einholen.
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Friedenssicherung in globalem Rahmen,
Beispiel zu Art. 66b Abs. 4 MG
www.parlament.ch Dokumentation
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Heutige Kernaufgaben des Staates
•
•
•
•
•
•
Sicherung eines demokratischen Diskurses
Sicherung elementarer Grundrechte
Gewährleistung eines wirtschaftlichen Austausches
Friedenssicherung im globalen Rahmen
Rechtsetzung
Rechtdurchsetzung
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