Ursprung und Geschichte des Staatsbegriffs Jean Bodin 1529
Transcription
Ursprung und Geschichte des Staatsbegriffs Jean Bodin 1529
Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 25 Ursprung und Geschichte des Staatsbegriffs Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 26 Ursprung und Geschichte des Staatsbegriffs Jean-Jacques Rousseau 1712-1778 Thomas Hobbes 1588-1679 Jean Bodin 1529-1596 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 27 Staatsbegriff: Drei-Elemente-Lehre Das Volk in der Bundesverfassung „Der Staat ist die mit ursprünglicher Herrschaftsmacht ausgerüstete Verbandseinheit sesshafter Menschen […]. Als Rechtsbegriff ist der Staat demnach die mit ursprünglicher Herrschaftsmacht ausgerüstete Körperschaft eines sesshaften Volkes oder, um einen neuerdings gebräuchlichen Terminus anzuwenden, die mit ursprünglicher Herrschermacht ausgestattete Gebietskörperschaft.“ Georg Jellinek 1851-1911 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 28 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 29 • • • • • • • • • Präambel Art. 1 BV Art. 2 Abs. 1 BV Art. 8 Abs. 1 BV Art. 9 BV Art. 24 Abs. 1 BV Art. 51 Abs. 1 BV Art. 53 Abs. 2 BV Art. 137ff. BV Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 30 CH Bürgerrecht, Rechtsquellen der Bundesverfassung Rechtlicher Status der Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz Bürger BüG EU- und EFTA-Bürger Ausländer AuG Asylbewerber, Flüchtlinge AsylG, FK Sans papiers ??? Art. 37 BV 1 Schweizerbürgerin oder Schweizerbürger ist, wer das Bürgerrecht einer Gemeinde und das Bürgerrecht des Kantons besitzt. 2 Niemand darf wegen seiner Bürgerrechte bevorzugt oder benachteiligt werden. Ausgenommen sind Vorschriften über die politischen Rechte in Bürgergemeinden und Korporationen sowie über die Beteiligung an deren Vermögen, es sei denn, die kantonale Gesetzgebung sehe etwas anderes vor. 1 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 31 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 32 CH Bürgerrecht, Rechtsquellen der Bundesverfassung Art. 38 BV 1 Der Bund regelt Erwerb und Verlust der Bürgerrechte durch Abstammung, Heirat und Adoption. Er regelt zudem den Verlust des Schweizer Bürgerrechts aus anderen Gründen sowie die Wiedereinbürgerung. 2 Er erlässt Mindestvorschriften über die Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern durch die Kantone und erteilt die Einbürgerungsbewilligung. 3 Er erleichtert die Einbürgerung staatenloser Kinder. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 33 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 34 CH Bürgerrecht, Erwerb von Gesetzes wegen: Abstammung CH Bürgerrecht, Erwerb von Gesetzes wegen: Adoption Art. 1 BüG Art. 7 BüG Wird ein unmündiges ausländisches Kind von einem Schweizer Bürger adoptiert, so erwirbt es das Kantons– und Gemeindebürgerrecht des Adoptierenden und damit das Schweizer Bürgerrecht. 1 2 3 Schweizer Bürgerin oder Bürger ist von Geburt an: a. Das Kind, dessen Eltern miteinander verheiratet sind und dessen Vater oder Mutter Schweizer Bürgerin oder Bürger ist; b. Das Kind einer Schweizer Bürgerin, die mit dem Vater nicht verheiratet ist. Das unmündige ausländische Kind eines schweizerischen Vaters, der mit der Mutter nicht verheiratet ist, erwirbt das Schweizer Bürgerrecht, wie wenn der Erwerb mit der Geburt erfolgt wäre, durch die Begründung des Kindesverhältnisses zum Vater. Hat das unmündige Kind, das nach Abs. 2 das Schweizer Bürgerrecht erwirbt, eigene Kinder, so erwerben diese ebenfalls das Schweizer Bürgerrecht. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 35 Art. 267a ZGB Das unmündige Kind erhält anstelle seines bisherigen das Kantons- und Gemeindebürgerrecht der Adoptiveltern. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 36 Verfahren der ordentlichen Einbürgerung, im Bund Verfahren der ordentlichen Einbürgerung, im Bund Art. 14 BüG Vor Erteilung der Bewilligung ist zu prüfen, ob der Bewerber zur Einbürgerung geeignet ist, insbesondere ob er: a. in die schweizerischen Verhältnisse eingegliedert ist; b. mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen vertraut ist; c. die schweizerische Rechtsordnung beachtet; d. die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährdet. Art. 15 Abs.1 und 2 BüG 1 Das Gesuch um Bewilligung kann nur der Ausländer stellen, der während insgesamt zwölf Jahren in der Schweiz gewohnt hat, wovon drei in den letzten fünf Jahren vor Einreichung des Gesuches. 2 Für die Frist von zwölf Jahren wird die Zeit, während welcher der Bewerber zwischen seinem vollendeten 10. und 20. Lebensjahr in der Schweiz gelebt hat, doppelt gerechnet. 2 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 37 Verfahren der ordentlichen Einbürgerung, im Bund Art. 12 Abs. 2 BüG Die Einbürgerung ist nur gültig, wenn eine Einbürgerungsbewilligung des zuständigen Bundesamtes [Bundesamt für Migration] vorliegt. Art. 13 BüG Die Bewilligung wird vom Bundesamt erteilt. 2 Die Bewilligung wird für einen bestimmten Kanton erteilt. 3 Sie ist auf drei Jahre befristet und kann verlängert werden. 4 Sie kann hinsichtlich des Einbezuges von Familiengliedern geändert werden. 5 Das Bundesamt kann die Bewilligung vor der Einbürgerung widerrufen, wenn ihm Tatsachen bekannt werden, bei deren Bekanntsein sie nicht erteilt worden wäre. 1 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 38 Verfahren der ordentlichen Einbürgerung, kantonal (Bsp. BS) : § 13 Abs. 1 BüRG Die Aufnahme in das Bürgerrecht setzt voraus, dass die Bewerberinnen oder Bewerber a) einen guten Leumund besitzen; b) mit allgemeinen Lebensgewohnheiten und wichtigen öffentlichen Institutionen in Gemeinde, Kanton und Bund vertraut sind, die schweizerische Demokratie bejahen und die geltende Rechtsordnung respektieren; c) ihren privaten und öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen nachkommen. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 39 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 40 Verfahren der ordentlichen Einbürgerung, kantonal (Bsp. BS) : Verfahren der ordentlichen Einbürgerung, kantonal (Bsp. BS) : § 12 BüRG* Das Bürgerrecht in einer Gemeinde kann nur erwerben, wer in dieser Gemeinde wohnt. § 2 lit. a BüRV* Es [Das Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt] nimmt Einbürgerungsgesuche von Ausländerinnen und Ausländern entgegen, stellt fest, ob die formellen Voraussetzungen erfüllt sind, klärt die Integration ab, fasst diese Ermittlungsergebnisse zuhanden der Bürgergemeinde und des Justiz- und Sicherheitsdepartements zusammen und holt die kommunale sowie die eidgenössische Einbürgerungsbewilligung ein. * * Bürgerrechtsgesetz des Kantons Basel-Stadt vom 6. Mai 1992, SG 121.100 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 41 CH Bürgerrecht: Arten des Erwerbs: Erleichterte Einbürgerung • • • • • • Art. 26 BüG Art. 27 BüG Art. 28 BüG Art. 30 BüG Art. 31a BüG Art. 58ff. BüG Allgemeine Bestimmungen Ehegatte eines Schweizer Bürgers Ehegatte eines Auslandschweizers Staatenloses Kind Kind eines eingebürgerten Elternteils Wiedereinbürgerung Verordnung zum Bürgerrechtsgesetz des Kantons Basel-Stadt, SG 121.110 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 42 CH Bürgerrecht: Arten des Erwerbs: Erleichterte Einbürgerung Art. 58c BüG 1 Das Kind eines schweizerischen Vaters kann […] ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen, […]. 2 Ist es mehr als 22 Jahre alt, so kann es ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen, wenn es mit der Schweiz eng verbunden ist. 3 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 43 CH Bürgerrecht: Arten des Erwerbs: Erleichterte Einbürgerung Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 44 Anspruch auf Einbürgerung? Art. 15a Abs. 1 BüG (Bundesrecht) Das Verfahren im Kanton und in der Gemeinde wird durch das kantonale Recht geregelt. Tagesanzeiger vom 13.01.2010 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 45 § 17 lit. c BüRG (kantonales Recht) Einen Anspruch auf Aufnahme in das Bürgerrecht derjenigen Gemeinde, in der sie wohnen haben: c) alle […] Ausländerinnen und Ausländer, die seit insgesamt 15 Jahren, wovon die letzten 5 Jahre ohne Unterbrechung, im Kanton und seit drei Jahren in der Gemeinde wohnen. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 46 Verlust des Bürgerrechts: Von Gesetzes wegen Verlust des Bürgerrechts: Von Gesetzes wegen Art. 8 BüG Wird das Kindesverhältnis zum Elternteil, der dem Kind das Schweizer Bürgerrecht vermittelt hat, aufgehoben, so verliert das Kind das Schweizer Bürgerrecht, sofern es dadurch nicht staatenlos wird. Art. 8a BüG 1 Wird ein unmündiger Schweizer Bürger von einem Ausländer adoptiert, so verliert er mit der Adoption das Schweizer Bürgerrecht, wenn er damit die Staats-zugehörigkeit des Adoptierenden erwirbt oder diese bereits besitzt. 1bisDer Verlust des Schweizer Bürgerrechts tritt nicht ein, wenn mit der Adoption auch ein Kindesverhältnis zu einem schweizerischen Elternteil begründet wird oder nach der Adoption ein solches bestehen bleibt. 2 Wird die Adoption aufgehoben, so gilt der Verlust des Schweizer Bürgerrechts als nicht eingetreten. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 47 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 48 Verlust des Bürgerrechts: Von Gesetzes wegen Verlust des Bürgerrechts: Beschluss der Behörden Art. 10 BüG Art. 41 Abs. 1 BüG 1 Die Einbürgerung kann vom Bundesamt mit Zustimmung der Behörde des Heimatkantons innert fünf Jahren nichtig erklärt werden, wenn sie durch falsche Angaben oder Verheimlichung erheblicher Tatsachen erschlichen worden ist. 1 2 3 4 Das im Ausland geborene Kind eines schweizerischen Elternteils, das noch eine andere Staatsangehörigkeit besitzt, verwirkt das Schweizer Bürgerrecht mit der Vollendung des 22. Lebensjahres, wenn es nicht bis dahin einer schweizerischen Behörde im Ausland oder Inland gemeldet worden ist oder sich selber gemeldet hat oder schriftlich erklärt, das Schweizer Bürgerrecht beibehalten zu wollen. Verwirkt das Kind das Schweizer Bürgerrecht nach Absatz 1, so verwirken es auch seine Kinder. Als Meldung im Sinne von Absatz 1 genügt namentlich jede Mitteilung von Eltern, Verwandten oder Bekannten im Hinblick auf die Eintragung in die heimatlichen Register, auf die Immatrikulation oder die Ausstellung von Ausweisschriften. Wer gegen seinen Willen die Meldung oder Erklärung nach Absatz 1 nicht rechtzeitig abgeben konnte, kann sie gültig noch innerhalb eines Jahres nach Wegfall des Hinderungsgrundes abgeben. 4 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 49 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 50 Verlust des Bürgerrechts: Beschluss der Behörden Verlust des Bürgerrechts: Beschluss der Behörden Art. 42 Abs. 1 BüG 1 Ein Schweizer Bürger wird auf Begehren aus dem Bürgerrecht entlassen, wenn er in der Schweiz keinen Wohnsitz hat und eine andere Staatsangehörigkeit besitzt oder ihm eine solche zugesichert ist. […] Art. 48 BüG Das Bundesamt kann mit Zustimmung der Behörde des Heimatkantons einem Doppelbürger das Schweizer-, Kantons– und Gemeindebürgerrecht entziehen, wenn sein Verhalten den Interessen oder dem Ansehen der Schweiz erheblich nachteilig ist. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 51 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 52 Rechtsfolgen des Bürgerrechts: Rechte Rechtsfolgen des Bürgerrechts: Rechte Art. 136 BV 1 Die politischen Rechte in Bundessachen stehen allen Schweizerinnen und Schweizern zu, die das 18. Altersjahr zurückgelegt haben und die nicht wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt sind. Alle haben die gleichen politischen Rechte und Pflichten. 2 Sie können an den Nationalratswahlen und an den Abstimmungen des Bundes teilnehmen sowie Volksinitiativen und Referenden in Bundesangelegenheiten ergreifen und unterzeichnen. Art. 24 BV 1 Schweizerinnen und Schweizer haben das Recht, sich an jedem Ort des Landes niederzulassen. 2 Sie haben das Recht, die Schweiz zu verlassen oder in die Schweiz einzureisen. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 53 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 54 Rechtsfolgen des Bürgerrechts: Rechte Rechtsfolgen des Bürgerrechts: Pflichten Art. 25 Abs. 1 BV 1 Schweizerinnen und Schweizer dürfen nicht aus der Schweiz ausgewiesen werden; sie dürfen nur mit ihrem Einverständnis an eine ausländische Behörde ausgeliefert werden. Art. 59 Abs. 1-3 BV 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor. 2 Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig. 3 Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen. Art. 121 Abs. 2 Ausländerinnen und Ausländer können aus der Schweiz ausgewiesen werden, wenn sie die Sicherheit des Landes gefährden. 2 5 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 55 Rechtsschutz in Bürgerrechtsfragen: Problem 1: Einbürgerungsverfahren in den Gemeinden Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 56 Rechtsschutz in Bürgerrechtsfragen: Problem 1: Einbürgerungsverfahren in den Gemeinden Art. 15a Abs. 2 BüG BGE 129 I 232 E3.7 2 Zusammenfassend ergibt sich Folgendes: Einbürgerungsentscheide unterliegen der Begründungspflicht gemäss Art. 29 Abs. 2 BV in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 BV. Eine Begründung ist jedoch bei Volksabstimmungen, die an der Urne erfolgen, systembedingt nicht möglich. Eine nachträgliche Begründung durch eine Gemeindebehörde kann diesen rechtsstaatlichen Mangel nicht ausgleichen. Es sind auch keine anderen Möglichkeiten ersichtlich, die fehlende Begründung von Einbürgerungsentscheiden an der Urne auszugleichen. […] Das kantonale Recht kann vorsehen, dass ein Einbürgerungsgesuch den Stimmberechtigten an einer Gemeindeversammlung zum Entscheid vorgelegt wird. Art. 15b BüG 1 2 Die Ablehnung eines Einbürgerungsgesuches ist zu begründen. Die Stimmberechtigten können ein Einbürgerungsgesuch nur ablehnen, wenn ein entsprechender Antrag gestellt und begründet wurde. Art. 15c Abs. 1 BüG 1 Die Kantone sorgen dafür, dass bei der Einbürgerung im Kanton und in der Gemeinde die Privatsphäre beachtet wird. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 57 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 58 Rechtsschutz in Bürgerrechtsfragen: Problem 2: Beschwerdemöglichkeiten für Betroffene Rechtsschutz in Bürgerrechtsfragen: Problem 2: Beschwerdemöglichkeiten für Betroffene Art. 29a BV Jede Person hat bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde. […] BGE 129 I 232 E3.2 [Für die Frage nach einer Begründungspflicht kommt es nicht auf die Behörde an], vor der ein Verfahren stattfindet, sondern auf den rechtsanwendenden Charakter des Verfahrens. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird in allen Verfahren bejaht, in denen jemand - als Partei - materiell betroffen, insbesondere stärker belastet sein kann als andere Personen. Dazu gehören grundsätzlich alle Verfahren, die durch individuell-konkrete Anordnungen abzuschliessen sind. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 59 Rechtsschutz in Bürgerrechtsfragen: Problem 2: Beschwerdemöglichkeiten für Betroffene Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 60 Formen der territorialen Gliederung • Staatenbund: USA unter den Articles of Confederation Schweiz vor 1848 (mit kurzem Unterbruch) • Bundesstaat: USA heute Schweiz heute Deutschland Indien (Russland) Art. 50 BüG Die Kantone setzen Gerichtsbehörden ein, die als letzte kantonale Instanzen Beschwerden gegen ablehnende Entscheide über die ordentliche Einbürgerung beurteilen. Art. 51 Abs. 1 BüG 1 Beschwerden gegen letztinstanzliche Verfügungen der Kantone und gegen Entscheide der Verwaltungsbehörden des Bundes richten sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. • Einheitsstaat: Frankreich, (Grossbritannien) • Europäische Union 6 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 61 Staatenbund: USA unter den Articles of Confederation Staatenbund: Die Schweiz nach dem Bundesvertrag, 1815-1848 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 62 Staatenbund: Bundesbrief 1291 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 63 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 64 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 65 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 66 Die Schweiz heute, Verfassungsautonomie der Kantone Art. 51 BV 1 Jeder Kanton gibt sich eine demokratische Verfassung. Diese bedarf der Zustimmung des Volkes und muss revidiert werden können, wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten es verlangt. 2 Die Kantonsverfassungen bedürfen der Gewährleistung des Bundes. Der Bund gewährleistet sie, wenn sie dem Bundesrecht nicht widersprechen. 7 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 67 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 68 Die Schweiz heute, Zusammenarbeit von Bund und Kantonen Einheitsstaat: Frankreich Art. 44 BV 1 Bund und Kantone unterstützen einander in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen. 2 Sie schulden einander Rücksicht und Beistand. Sie leisten einander Amts- und Rechtshilfe. 3 Streitigkeiten zwischen Kantonen oder zwischen Kantonen und dem Bund werden nach Möglichkeit durch Verhandlung und Vermittlung beigelegt. Art. 1 Constitution de la République française La France est une République indivisible, laïque, démocratique et sociale. Elle assure l’égalité devant la loi de tous les citoyens sans distinction d’origine, de race ou de religion. Elle respecte toutes les croyances. Son organisation est décentralisée. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 69 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 70 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 71 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 72 Staatsgebiet der Schweiz, Das Gebiet der Kantone BGE 106 Ib 154 E4.c. Praxis und Lehre des Völkerrechtes kennen eine Rangfolge der Geltungsgründe einer Grenze: Danach sind Grenzlinien primär durch Vertragsrecht oder einseitige Anerkennung bestimmt. Ist die Grenzziehung weder vertraglich festgelegt noch von den Parteien als verbindlich anerkannt, werden die Grenzen […] nach dem sog. Effektivitätsprinzip bestimmt: Gemäss diesem Grundsatz gehört ein bestimmtes Gebiet einem Staat soweit, als er darauf während längerer Zeit tatsächlich und unbestritten Herrschaftsgewalt ausübt. Kann im streitigen Gebiet kein unbestrittener Besitzstand eines Staates - und damit keine Ersitzung - nachgewiesen werden, ist subsidiär auf eine Reihe von Regeln über den Verlauf natürlicher Grenzen abzustellen. 8 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 73 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 74 Primäre Staatsaufgabe: Friedenssicherung Primäre Staatsaufgabe: Friedenssicherung Art. 1 Abs. 1 UNO-Charta Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele: 1. den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmassnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken […] Art. 2 Abs. 4 UNO-Charta Die Organisation und ihre Mitglieder handeln im Verfolg der in Artikel 1 dargelegten Ziele nach folgenden Grundsätzen: 4. Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 75 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 76 Primäre Staatsaufgabe: Friedenssicherung Liberalismus bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts Art. 39 UNO-Charta Der Sicherheitsrat stellt fest, ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt; er gibt Empfehlungen ab oder beschliesst, welche Massnahmen […] zu treffen sind, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen. US Supreme Court, Lochner v. New York (1905) “[…] the freedom of master and employee to contract with each other in relation to their employment […] cannot be prohibited or interfered with without violating the Federal Constitution.” Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 77 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 78 Aufgaben des liberalen Nachtwächterstaats Friedenssicherung in globalem Rahmen Schutz der sog. „Polizeigüter“ ( Verwaltungsrecht) • Leib • Leben • Gesundheit • Eigentum • Sittlichkeit • Treu und Glauben im Geschäftsverkehr Art. 66 Abs. 1 MG* 1 Einsätze zur Friedensförderung können auf der Grundlage eines UNO- oder OSZE-Mandates angeordnet werden. Sie müssen den Grundsätzen der schweizerischen Aussen- und Sicherheitspolitik entsprechen. * Bundesgesetz vom 3. Februar 1995 über die Armee und die Militärverwaltung (Militärgesetz, MG), SR 510.10 9 Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 79 Friedenssicherung in globalem Rahmen Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 80 Friedenssicherung in globalem Rahmen Art. 66b MG Art. 66a MG 1 Der Bundesrat bestimmt im Einzelfall die Bewaffnung, die für den Schutz der durch die Schweiz eingesetzten Personen und Truppen sowie für die Erfüllung ihres Auftrages erforderlich ist. 2 Die Teilnahme an Kampfhandlungen zur Friedenserzwingung ist ausgeschlossen. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 81 Friedenssicherung in globalem Rahmen, Beispiel zu Art. 66b Abs. 2 MG 1 2 3 4 Zuständig für die Anordnung eines Einsatzes ist der Bundesrat. Der Bundesrat kann die für die Durchführung des Einsatzes notwendigen internationalen Abkommen abschliessen. Soll der Einsatz bewaffnet erfolgen, so konsultiert der Bundesrat vorgängig die Aussenpolitischen und die Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte. Werden für einen bewaffneten Einsatz mehr als 100 Angehörige der Armee eingesetzt oder dauert dieser länger als drei Wochen, so muss die Bundesversammlung den Ein-satz genehmigen. In dringenden Fällen kann der Bundesrat die Genehmigung der Bundesversammlung nachträglich einholen. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 82 Friedenssicherung in globalem Rahmen, Beispiel zu Art. 66b Abs. 4 MG www.parlament.ch Dokumentation Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS2010 / Prof. Dr. Markus Schefer | 83 Heutige Kernaufgaben des Staates • • • • • • Sicherung eines demokratischen Diskurses Sicherung elementarer Grundrechte Gewährleistung eines wirtschaftlichen Austausches Friedenssicherung im globalen Rahmen Rechtsetzung Rechtdurchsetzung 10