Teil 1: Was ist Stress?

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Teil 1: Was ist Stress?
Artikelreihe Im Einklang mit mir
- auf den Spuren des gestressten Menschen von heute von Diplom-Psychologin Sonja Dargatz
Teil 1: Was ist Stress?
Stress kennen wir doch alle - mal mehr, mal weniger fühlen wir uns gehetzt und
ausgelaugt. Manchmal wissen wir beim kleinsten Problem einfach nicht weiter.
Wie fühlen wir uns dabei in unserer Haut? Gerade als gestresster Mensch von heute,
der tagtäglich Mehrfachbelastungen (er)trägt, können wir unseren Stress oft auch an
eigenen körperlichen Reaktionen erkennen oder ablesen, wie es unserem Körper geht.
Dieser Zusammenhang zeigt, weshalb es so wichtig ist, psychologische Strategien zur
Behandlung von vielen Erkrankungen wie z. B. Erschöpfung, Atemwegserkrankungen,
Hauterkrankungen, Magen-Darm-Erkrankungen, chronischen Schmerzerkrankungen,
Tinnitus, Adipositas etc. heranzuziehen, auch wenn diese Krankheitsbilder erst einmal
als organische Erkrankungen bezeichnet werden und notwendigerweise auch zuallererst
einer genauen medizinischen Abklärung bedürfen.
In der heutigen Medizin wird der betontere Teil einer Erkrankung zu Beginn eines
Wortes bewusst platziert; so stellen Erkrankungen wie Asthma, Migräne, Neurodermitis,
chronische Schmerzsyndrome oder Magen-Darm-Beschwerden eine grundlegende
organische Erkrankung dar, bei der psychologische Faktoren im Verlauf der Erkrankung
mit eine Rolle spielen. In diesem Sinne handelt es sich um somatopsychische
Erkrankungen. Ein Beispiel hierzu wäre die Refluxkrankheit , unter der heute viele
Menschen leiden, oft ohne es zu wissen. Hierbei ist der obere Schließmuskel des
Magens erschlafft oder anderweitig beeinträchtigt und somit nicht mehr voll
funktionsfähig. Auf diese Weise kann durch den Rückfluss von Magensäure Sodbrennen
ausgelöst werden. Viele Betroffene leiden an für sie stressigen Tagen mehr darunter als
anderen normalen Tagen.
Von einer psychosomatischen Erkrankung würde
man hingegen sprechen, wenn eine Person unter
körperlichen Beschwerden leidet, die keine
organische Ursache oder Grundlage haben. Ein
Beispiel hierfür sind ständige
Magenschleimhautentzündungen durch den
Volkssport Mobbing am Arbeitsplatz.
Das Wort Soma wird aus dem Griechischen mit Körper übersetzt, das Wort psyche
mit Seele. Durch den Fortschritt in der Medizin und in der Psychologie sind wir in der
Lage, Erkrankungen viel genauer untersuchen zu können, um neue und bessere
Behandlungsansätze für Patienten zu entwickeln. Gerade weil Körper, Geist und Seele
eines jeden Menschen eine untrennbare Einheit darstellen, ist es so wichtig, dieses
komplexe Zusammenspiel zu sehen. Haben Sie schon mal versucht, den berühmten
Käse zum Bahnhof zu rollen? Schneiden Sie ein großes Stück heraus und versuchen
Sie es erneut, ihn zu rollen. Ein sehr aussagekräftiges Beispiel.
Wir sprechen von einem bio-psycho-sozialen Modell, um Ursachen, Folgen und
Begleitumstände einer Erkrankung zu erfassen. Im Zentrum steht der Betroffene in
seiner Umwelt mit seinen Belastungen und seinen persönlichen Ressourcen. Eines ist
sicher: Psychologische Faktoren haben auf erneuten Ausbruch und Verlauf einer
somatopsychischen Erkrankung einen erheblichen Einfluss.
Aber warum lassen sich dann zum Beispiel nicht alle Hautbetroffenen einer
Hauterkrankung gleich behandeln, was die Psyche betrifft? Wie kommt es, dass das,
was den einen stresst und reizt, den anderen einfach kalt lässt ? Das ist das Ziel dieser
Artikelreihe: Ihnen mit jedem weiteren Artikel das Konzept Stress näher zu bringen.
Zu lernen, wie man Stress bewältigt und längerfristig auch vorbeugt.
So kann Ihnen die Psychologie helfen, mehr Harmonie in Ihr eigenes Leben zu bringen.
Das bedeutet nicht, dass diese Erkenntnisse Ihre chronische Erkrankung wie Psoriasis,
Asthma, Reflux, Migräne, Tinnitus etc. einfach wegzaubern könnten. Nein, aber sie
können Ihnen deutlich dabei helfen, bei Stress nicht mehr (so stark) aus der Haut zu
fahren .
Sie selbst können großen Einfluss auf den Verlauf Ihrer Beschwerden nehmen, die
immer wieder bei Stress aufflackern. Werden Sie Ihr eigener Gesundheits- und
Stressmanager. Sie werden langfristig mehr innere Ruhe gewinnen, nicht nur im
Umgang mit ihren stressbedingten Beschwerden, sondern auch ganz allgemein.
Stress ist heute ein Modewort schlechthin und
spiegelt sich in vielen Sprichwörtern wider:
Man könnte vor Ärger aus der Haut fahren; es
läuft einem eiskalt den Rücken runter; man
errötet vor Wut oder erblasst vor Schreck; es
schlägt einem auf den Magen; etwas bereitet
uns Kopfzerbrechen; oder etwas sitzt einem im Nacken bzw. im Kreuz. Hier lassen sich
noch viele weitere Beispiele im Alltag finden. Entscheidend ist jedoch, dass es zwischen
Körper, Geist und Seele eine völlig natürliche und lebensnotwendige Wechselwirkung
gibt, die es im Gleichgewicht zu halten gilt.
Das bemerken Sie schon, wenn Sie einmal für einige Momente Ihre Augen schließen
und sich eine reife, saftige Zitrone vorstellen. Riechen Sie den Duft der reifen
Zitrusfrucht, schneiden Sie diese in Gedanken in zwei Hälften, riechen Sie am
Fruchtfleisch und träufeln Sie langsam einige Tropfen des sauren Zitrussaftes in Ihren
Mund. Spätestens jetzt bemerken Sie einen sauren Geschmack in Ihrem Mund und
ziehen in Gedanken das Gesicht zusammen.
Der Begriff Stress kommt ursprünglich aus dem Englischen von to stress und wurde
grundlegend von einem Mediziner, namens Hans Seyle, in den 50er Jahren geprägt.
Er beschrieb mit Stress ein Geschehen, dass den Menschen seelisch und körperlich
aus seinem persönlichen Gleichgewicht bringt, und betonte schon damals, wie
individuell verschieden das Stressgeschehen beim Menschen aussehen kann.
Die ausgelöste Stressreaktion zeigt sich auf verschiedenen Ebenen: in physiologischen
Reaktionen (z.B. schwitzen wir), im eigenen Verhalten (z.B. eine stressige Situation
verlassen), auf emotionaler Ebene (z.B. ängstlich sein) und auf gedanklicher Ebene
(z.B. sich den Kopf zerbrechen, wie es weitergehen soll).
Interessant ist weiter, dass Stress im Alltagsgeschehen fast ausschließlich als negativ
beschrieben wird, als etwas, das uns selbst überfordert und von dem wir glauben, dass
wir es nicht mit unseren eigenen Fähigkeiten und unserem Wissen bewältigen könnten.
Dieser Stress wird als Distress bezeichnet; die Vorsilbe Di lässt sich mit "zerstörerisch"
übersetzen.
Aber Stress ist nicht nur negativ; die Medaille hat also zwei Seiten; denn es gibt auch
jene Stresserfahrung, die uns aufputscht und Energie verleiht, wenn wir z.B. an einem
Wettkampf teilnehmen oder ein gutes Projekt bearbeiten. Das ist der sogenannte
Eustress; die Vorsilbe Eu lässt sich mit "gut" übersetzen.
Und genau hier findet sich die Antwort auf die oben gestellte Frage:
Gerade weil die eigene Bewertung einer Situation als stressend-bedrohlich oder
stressend-herausfordernd jeder für sich alleine fällt, in Abhängigkeit von der heutigen
Tagesform, von der persönlichen Lebensgeschichte, vom Glauben an sich selbst und an
die eigenen Fähigkeiten, ist es so bedeutsam, sein eigener Stress- und
Gesundheitsmanager zu werden.
Wir wollen dabei aber nicht den Schwerpunkt allein darauf setzen, was einen krank
machen kann - die sogenannte Pathogenese: Entstehung von Krankheit. Vielmehr
wollen wir vor allem auf jene Strategien schauen, die uns bei der Gesundung bzw.
Linderung helfen können - die sogenannte Salutogenese: Förderung von Gesundheit.
Es gilt also, die eigenen Stressquellen zu entdecken; des weiteren die bisherigen
eigenen Strategien danach zu überprüfen, ob sie einem bei der Stressbewältigung auch
wirklich helfen. Sollten diese Strategien aber nicht effektiv, also nicht funktional sein,
so gilt es den Blick darauf zu richten, was einem denn besser helfen könnte,
den eigenen Stress zu bewältigen. Und schließlich sollte auch die Vorbeugung von
Stress ein Thema sein, um langfristig besser für sich sorgen zu können, mehr Ruhe zu
finden und zu bewahren, selbst wenn einem tagtäglich ein Alltagssturm in unsicheren
Zeiten wie diesen begegnet. Lassen Sie sich nicht umwirbeln und lernen Sie
stattdessen, mit Ihren eigenen Mitteln und Ressourcen Ihren Weg zu finden.
Ausblick auf Artikel 2: Was geschieht bei Stress im Körper des Menschen?