Frühes Fremdsprachenlernen – ja oder nein?

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Frühes Fremdsprachenlernen – ja oder nein?
Frühes Fremdsprachenlernen – ja oder nein?
Ivica Lenčová
V príspevku sa zaoberáme tematikou skorej výučby cudzích jazykov. V centre pozornosti sú
vybrané aspekty predškolskej výchovy v kontexte jazykovej politiky, výskumu mozgu a
vývinových zákonitostí dieťaťa predškolského veku.
Our presentation deals with teaching of foreign languages to children at an earlier age. The
principal focus is on selected aspects of pre-school education in the context of language
policy, brain research in preschool age children.
Doc. PhDr. Ivica Lenčová, PhD.
Katedra germanistiky
FHV Univerzity Mateja Bela v Banskej Bystrici
Tajovského 40
SK – 974 01 Banská Bystrica
Einführung
Die derzeitige Diskussion um die Frühvermittlung von Fremdsprachen in der Slowakei wirkt
im Hinblick auf Zielsetzung, didaktische Erfordernisse, Leistungsfähigkeit der verschiedenen
Konzeptionen und die lernpsychologischen Voraussetzungen der Kinder oft diffus. Die
Zielsetzung bleibt unzureichend, wenn so getan wird, als ginge es nur darum, das erreichbare
Niveau für die erste Fremdsprache, in der Regel Englisch, zu steigern. Die Entwicklung
Europas erfordert die Beherrschung von mindestens 3 Sprachen auf einem funktional
angemessenen Niveau im Sinne der 3-Sprachenformel. Die Mehrsprachigkeit der
europäischen Bürger, nämlich dass sie neben ihrer Muttersprache mindestens zwei
Fremdsprachen beherrschen, gehört zu den Zielen der Sprachenpolitik der Europäischen
Union.
In den letzten Jahrzehnten wird immer intensiver über Vor- und Nachteile des frühen
Fremdsprachenunterrichts, über geeignete Methoden, bzw. Unterrichtsmaterialien und
Medien diskutiert. Eine stärkere Fokussierung auf das kleine Kind und seinen
Fremdsprachenerwerb hängt zweifellos mit der dynamischen Entwicklung der
Neurowissenschaften, der Psychologie und der humanistischen pädagogischen Richtungen
zusammen.
Die europäische Sprachenpolitik und der Fremdsprachenfrüherwerb
Der Fremdsprachen-Frühbeginn hat sich in den letzten 20 Jahren (seit dem Fall des Eisernen
Vorhangs) von einer politischen Wunschvorstellung zu einem gut etablierten Unterrichtsfach
entwickelt.
Immer stärker wird gewünscht, dass bereits im Kindergarten eine Fremdsprache regulär
angeboten wird – sowohl vonseiten der supranationalen Institutionen wie der Europäischen
Kommission als auch von den Eltern (Edelenbos/Kubanek, 2009, 7).
Die Schlüsseldokumente des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission betonen
die Notwendigkeit der Mehrsprachigkeit als Weg zur Koexistenz und der Zusammenarbeit der
Nationen in der Europäischen Union. Die Mehrsprachigkeit soll zur wichtigen Devise für
Europa und die gemeinsame Verpflichtung werden. Das Sprachenlernen und die
Sprachenvielfalt können wesentlich dazu beitragen, den kulturellen Reichtum in seiner
Unterschiedlichkeit und Verschiedenheit als Ausdruck der mit Grenzüberschreitungen
verbundenen Autonomien und Besonderheiten des multilingualen Europas zu fördern und zu
entwickeln. Mehrsprachige Kommunikationsfähigkeit ist Voraussetzung für interkulturelle
Kommunikation und bildet so eine wichtige Basis für ein friedliches dynamisches
Zusammenleben.
Auf die Bedeutung des Fremdsprachenfrüherwerbs wurde von der Europäischen Kommission
in ihren Mitteilungen hingewiesen.1 Die Staats- und Regierungschefs der EU forderten im
März 2002 in Barcelona das Erlernen von mindestens zwei Fremdsprachen ab der frühen
Kindheit. Diese Vorgabe bedeutet, dass die kleinen Kinder bereits im Vorschulalter mit
Mehrsprachigkeit vertraut gemacht werden sollten.
Auf ihrer Entdeckungsreise werden die Kleinen für andere Kulturen sensibilisiert. Damit
werden Grundlagen für die Entwicklung der Ambiguitätstoleranz geschaffen, die die
unproblematische grenzüberschreitende Kommunikation fördert.2
Im Jahre 2003 veröffentlichte die Europäische Kommission den Aktionsplan zur Förderung
des Sprachlernens und der Sprachenvielfalt.(http://ec.europa.eu/education/languages/eulanguage-policy/doc112_sk.htm, 22. 1. 2011) In diesem Dokument wurde der
Mehrsprachigkeit und der Förderung der sprachlichen Vielfalt ein hoher Stellenwert
eingeräumt. Der EU-Bürger soll neben seiner Muttersprache zwei weitere Sprachen sprechen.
Durch den Früherwerb einer oder mehrerer Sprachen werden die notwendigen Fähigkeiten
und Kenntnisse vermittelt, um mit anderen zu kommunizieren und sie besser zu verstehen.
Der Aktionsplan definiert drei Förderbereiche, in denen verschiedene Initiativen (Studien,
transnationale Projekte, Maßnahmen zur Begünstigung des Informationstransfers und austausches etc.) durch erkenntnisfördernde Maßnahmen der Europäischen Union finanziert
werden.
Im November 2005 hat EU-Kommissar Ján Figeľ 3 eine neue Rahmenstrategie für
Mehrsprachigkeit veröffentlicht. Zum ersten Mal befasste sich eine Mitteilung der
Kommission mit diesem Politikbereich
(http://ec.europa.eu/education/languages/archive/doc/com596_de.pdf, 22. 1. 2011). In diesem
offiziellen Dokument wurden drei vorrangige Ziele formuliert: die Förderung des
Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt, die Förderung einer multilingualen Wirtschaft und
der erleichterte Zugang der Bürger zu Informationen über die EU in ihrer eigenen Sprache.
Der Fremdsprachenfrüherwerb wurde als ein wichtiges Aufgabengebiet bezeichnet. Die EUMitgliedstaaten wurden ersucht, ihre derzeitigen Vorgaben und Rahmenbedingungen für den
Frühbeginn zu überprüfen (im Sinne von best practice-Beispielen aus ganz Europa). Der
Kindergarten als erste Bildungseinrichtung sollte dabei eine wichtige Rolle spielen. Ob er
seinen Bildungsauftrag beim Erlernen einer Fremdsprache erfüllt, hängt von mehreren
Faktoren ab. Vor allem sind dies die folgenden: Ausbildung der ErzieherInnen,
Angemessenheit des Unterrichtsmaterials, kleinere Klassenzahl, das im Curriculum
involvierte Fremdsprachenlernen.
Im Zusammenhang mit dem Obengenannten tauchen mehrere Fragen auf:
• Müsste die existierende Ausbildung nicht umgestaltet werden und eine gezielte
Fortbildung von ErzieherInnen eingeführt werden?
• Welche Themenschwerpunkte sollten nach welchen Kriterien ausgewählt werden,
welche Ziele und Methoden sollten eingesetzt werden?
1
Näheres dazu http://ec.europa.eu/education/languages/eu-language-policy/index_de.htm
2
Unter der Ambiguitätstoleranz verstehen wir die Fähigkeit, andere oft kulturell bedingte Sichtweisen und
Widersprüche zu akzeptieren und zu tolerieren, diese positiv zu bewerten ohne sich unwohl zu fühlen und
aggressiv zu reagieren.
3
Damals EU-Kommissar für Allgemeine und Berufliche Bildung, Kultur und Multilingualismus.
Inwieweit sollten die Eltern in den Prozess des Fremdsprachenlernens ihrer Kinder
einbezogen werden?
• Sind den Lehrkräften im Kindergarten verschiedene interkulturelle Konzepte beim
Fremdsprachenlernen bekannt?
Diese und weitere Fragen werden auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen immer wieder
diskutiert. Der Fremdsprachenfrüherwerb hat zweifellos viele Vorteile, die durch die
aktuellsten Gehirnforschungen belegt wurden und mit den Charakteristiken des jeweiligen
Alters in der Entwicklungspsychologie und nicht zuletzt mit dem politischen Willen und der
starken Förderung von und Forderung nach besten Bildungschancen für kleine Kinder, die
man als gute Sprachenlerner bezeichnet, verbunden sind (Edelenbos/Kubanek 2009, 15-21).
•
Bedingungen für den Fremdsprachenfrüherwerb
Das frühzeitige Heranführen des Kindes an andere Sprachen hat positive Auswirkungen auf
seine ganzheitliche Entwicklung. Es lernt „Fremdsprachen meist schneller, entwickelt
bessere sprachliche Fähigkeiten in der Muttersprache und wird auch in anderen Lernbereichen
bessere Leistungen erzielen” (http://ec.europa.eu/education/languages/languagelearning/index_de.htm , 22. 1. 2011).
Der frühe Fremdsprachen-Einstieg kann nur unter bestimmten Bedingungen erfolgreich sein.
Wir sind überzeugt, dass nur eine radikal reformierte Ausbildung der künftigen Lehrkräfte in
den Kindergärten und die Fortbildung der Lehrkräfte aus der Praxis zur Erweiterung und
Vertiefung ihrer pädagogischen Kompetenzen als Voraussetzung eines guten Unterrichtens
führen kann. Methoden und Arbeitformen müssen altersgemäß sein und auf die Kinder darf
kein Leistungsdruck ausgeübt werden.
Laut Klippel (2003, 245) werden vier Ziele für den Fremdsprachenfrüherwerb unterschieden:
1. Grundlagen für den Erwerb einer hohen Kompetenz in der Fremdsprache – dies muss
ohne Leistungsdruck ausgeübt werden;
2. Lernmotivation für das Sprachenlernen – Kinder sind aufnahmefähig, haben eine
natürliche Lernmotivation und Neugier;
3. Lerntechniken und –strategien anbieten, damit die Kinder möglichst früh ein breites
Angebot bekommen und selbst erfahren und eine Auswahl derjenigen Techniken und
Strategien treffen können, die ihnen das Lernen erleichtern und auch Spaß machen;
4. Begegnungen mit (englischsprachigen bzw.) anderssprachigen Kulturen, die
themenorientiert ausgewählt und altersgemäß präsentiert werden. Wichtige
Bedingungen dabei sind Personalisierung und klare, in kleine Schritte strukturierte
Inhalte.
Die oben genannten Bedingungen setzten eine curriculare Transformation der ursprünglichen
Lehrpläne voraus, die mit dem derzeit aktuellen Bildungsauftrag des Kindergartens
zusammenhängt. Das Angebot an Fremdsprachen sollte nicht nur auf den Englischunterricht
fokussieren, sondern auch an andere Fremdsprachen, die wert sind, gepflegt zu werden,
beachten (vgl. Klippel 2003, 244-246).
Regionale Besonderheiten bzw. unterschiedliche kulturelle Hintergründe und Lerntraditionen
können das Erlernen einer Fremdsprache im Kindergarten gewissermaßen modifizieren und
die Auswahl von Methoden und Arbeitsformen beeinflussen. Hilfsreich wäre es, unter den
Eltern und den PädagoInnen im Kindergarten eine Umfrage durchzuführen, um ihre Meinung
über Fremdsprachen im Kindergarten (Vor- und Nachteile) mit ihren Begründungen zu
erfahren. Weiters ob in ihrem Kindergarten eine Fremdsprache angeboten wird, und wenn
nicht, ob Interesse daran bestehen würde. Außerdem wäre die Frage zu stellen, wie die
Fremdsprache bei den Kindern ankommt.
Gehirnforschung und Fremdsprachenunterricht
Untersuchungsergebnisse zum Fremdsprachenlernen besagen, dass Fremdsprachenlernen im
Kindergarten kein vorgezogenes Schulfach ist und den Eltern keinen Aufschluss über die
Begabung ihrer Kinder gibt. Es geht darum, dem natürlichen Potential des Kindes durch das
Erlernen einer Fremdsprache freien Lauf zu lassen. Für die Kinder ist es relevant, am Lernen
Spaß zu haben. Begegnungen mit der Fremdsprache sollen für sie ein Erlebnis sein, weder
Leistungsdruck noch Kontrolle sollen dabei eine Rolle spielen. Erfolge beim Lernen machen
den Kindern Mut, mit dieser Sprache umzugehen, bzw. erleichtern ihnen den schulischen
Start in die gelernte oder eine andere Fremdsprache. Die Fremdsprache wird ihnen nicht
durch Grammatikübungen und Wortübersetzungen erklärt, sondern sie wird im Alltag
gesprochen und gelebt und gewinnt somit an Bedeutung.
Das Vorschulalter ist der Zeitraum, in dem Kinder besonders empfänglich dafür sind, sich
neues Wissen anzueignen. Bis zum siebten Lebensjahr nehmen sie Wissen völlig unbewusst
auf und genauso, wie sie die eigene Muttersprache lernen, können die Kinder auch ohne
besondere Anstrengungen Fremdsprachenkenntnisse erwerben. Die Ergebnisse zahlreicher
Studien (Aamond/Wang 2010, Allen/Marotz 2002, Apeltauer 2006, Bredenkamp 1998, Reich
2005) bestätigen, dass sich eine solche Phase des unbewussten Nachahmens in der späteren
Entwicklung des Kindes nicht wiederholt. Dies betrifft auch die Fremdsprache, die die Kinder
auf natürliche Art und Weise lernen. Sie sind in der Lage, fremde Laute zu imitieren und
wiederzugeben. Das Imitieren macht ihnen Spaß, mühelos können sie das Gehörte lauttreu
nachahmen. Je älter die Kinder sind, desto schwieriger fällt es ihnen, lauttreu nachzuahmen
und akzentfrei zu sprechen.
Die Erkenntnisse der modernen Gehirnforschung werden zunehmend herangezogen, um
Lernprozesse im Zusammenhang von Spracherwerb- und Sprachförderung besser zu
verstehen. Nach neusten Ergebnissen in den Neurowissenschaften gilt es als erwiesen, dass
sich die für das Erlernen einer Fremdsprache verantwortlichen Strukturen des Gehirns
besonders schnell bis zum siebten Lebensjahr entwickeln (vgl. Reich 2005, Lojová
2005/2006). Das Sprachzentrum ist in diesem Alter noch nicht abschließend ausgereift und
die Kinder können grammatische Strukturen wie in ihrer Muttersprache erlernen.
Beim Erstsprachenerwerb wird in einer Region des Gehirns die neuronale Vernetzung
herausgebildet und wenn ein Kind mit dem Erlernen einer weiteren Sprache im Vorschulalter
beginnt, werden diese Sprachen im Rahmen derselben neuronalen Vernetzung verarbeitet.
Nach den Erkenntnissen der Neurolinguistik aktivieren frühe Zweisprachige, also Kinder, die
vor dem 4. Lebensjahr mit der zweiten Sprache in Kontakt traten, beim freien Sprechen
identische Subareale innerhalb des Broca-Zentrums (vgl. Lachout 2011, Anstatt 2006).
Dadurch werden Grundlagen für das leichtere Erlernen weiterer Sprachen bzw. die Vertiefung
dieser Sprache in der Schule gelegt. Es werden Hemmschwellen für das Fremdsprachenlernen
abgebaut, die Kinder verlieren ihre Berührungsängste in Begegnungen mit Menschen, die eine
andere Sprache sprechen, problemlos knüpfen sie Kontakte mit Anderssprachigen. Die
Sprache hilft ihnen dabei, neue Lebenswelten zu entdecken, andere Kulturen furchtlos
wahrzunehmen und zu akzeptieren. Wenn sich ein Mensch eine zweite Sprache (die
Fremdsprache) erst nach dem 10. Lebensjahr aneignet, aktiviert er unterschiedliche Subareale
des Broca-Zentrums, d. h. weitere Sprachen im späteren Alter werden mit mehreren
neuronalen Vernetzungen verarbeitet.
Die Altersgrenze zwischen Frühlernern und Spätlernern (verschiedene Netzwerke für
unterschiedliche Sprachen) liegt etwa bei drei Jahren, wobei diese Grenze allerdings auf
Vermutungen beruht. Es gibt Hinweise, dass es auch sechs Jahre sein könnten (Anstatt 2007).
Hirnforscher weisen darauf hin, dass die Reifung des Neuronennetzes in zwei Stufen verläuft,
wobei der Schaltplan der Nervenvernetzung schon während der Kindheit erstellt wird. Damit
wird entschieden, welche Neuronen sich untereinander verbinden. Für unser geistiges
Potential sind diese Vernetzungsmöglichkeiten von großer Bedeutung und können nur durch
Anregungen und Förderung in der frühen Kindheit optimal hergestellt werden.
In der Pubertät ist das Netz aufgebaut und beim Lernen kann man die bereits vorhandenen
Synapsen4 stärken oder schwächen, neue werden nur selten hergestellt. Aus diesem Grund
wird von Hirnforscher empfohlen (Anstatt 2007, S. 55), Synapsen möglichst früh und
vielseitig anzuregen – im Kindergarten müssen Sprachen, Musik, Naturwissenschaften ihren
Platz finden. Das Vorschulalter bedeutet eine besonders sensible Phase5 für den
Fremdsprachenerwerb. Neuere Forschungen haben ergeben (Aamond/Wang 2010, Apeltauer
2006, Spitzer 2002, Reich 2005), dass sich beim späteren Lernen einer zweiten Sprache in
Teilen ein neues neuronales Netzwerk in den Sprachzentren des Gehirns entwickelt. Dies trifft
etwa beim Fremdsprachenunterricht in der Schule zu oder wenn ein Mensch als älteres
Schulkind oder später in ein anderes Land mit einer anderen Sprache umsiedelt.
Übrigens, wer in früher Kindheit zweisprachig aufgewachsen ist, also nur ein neuronales Netz
aufgebaut hat für zwei Sprachen, nutzt dieses Netz auch für den Erwerb einer dritten oder
vierten Sprache - das heißt, er erlernt weitere Sprachen ähnlich einfach und intuitiv wie seine
beiden Erstsprachen6. Das erklärt auch, warum es Sprachvirtuosen gibt, die vier, fünf oder
mehr Sprachen problemlos beherrschen.
Folgerungen für den Fremdsprachenfrüherwerb
Aus den bisherigen Überlegungen zu den Ergebnissen der Gehirnforschung über das Lernen
und den Spracherwerb lassen sich einige wichtige Grundsätze für die pädagogische Arbeit
ableiten. Für den Fremdsprachenfrüherwerb ist es sehr wichtig, dass Kinder viele sprachliche
Impulse bekommen, nur so können die notwendigen neuronalen Netze entstehen. Durch
Sprachinput werden sie Wortschatz, Aussprache und Grammatik intuitiv nachahmen. Wenn
die sensible Phase für den Spracherwerb ungenutzt bleibt, wird das Erlernen viel mühevoller.
Neurobiologische Prozesse werden von Emotionen beeinflusst, deshalb ist es besser, wenn
das Lernen mit Gefühlen verbunden ist und spielerische Aktivitäten eingesetzt werden
(Hockicková/Chebenová/Žilová 2008, Lenčová 2006).
Untersuchungen weisen nach, dass eine lange rezeptive Spracherfahrung der
Sprachproduktion vorangeht, deshalb muss der Lehrer das natürliche Tempo des Kindes
berücksichtigen und respektieren.
Wichtige Faktoren als Voraussetzung für den Fremdsprachenfrüherwerb
Erfolg oder Misserfolg beim Erlernen einer Sprache im Vorschulalter hängen von einer Reihe
von Faktoren ab. Entscheidend dabei sind sprachlernpsychologische Fähigkeiten der Kinder,
wie oben behandelt wurden.
4
Der Begriff Synapse wurde 1897 von Sherrington eingeführt: Synapsen sind die Verbindungsstelle zwischen 2
Nervenzellen, Nervenzellen und Muskelzellen oder Nervenzellen und Sinnenszellen.
http://www.neuro24.de/synapse.htm
5
Die Begriffe "sensible Phase" und "Zeitfenster" des Spracherwerbs beschreiben beide einen begrenzten
Zeitraum im Leben eines jeden Menschen, innerhalb dessen Erfahrungen mit der menschlichen Sprache
maximale positive (oder negative) Auswirkungen haben, d.h. innerhalb der sensiblen Phase funktioniert der
Spracherwerb um einiges leichter und schneller als außerhalb. http://www.kindergartenpaedagogik.de/1201.html
6
Näheres dazu: Lachout 2011
Zum anderen müssen Gesetzmäßigkeiten der Entwicklungspsychologie berücksichtigt
werden: kleine Kinder lernen gerne auf spielerischer Weise. Im Vorschulalter wird eine
Sprache spontan und unbewusst angeeignet. Die Kinder empfangen sprachliche Impulse in
enger Verbindung mit Bewegung, mit verschiedenen motorischen Aktivitäten (Tanzen,
Turnen). Ihre Reaktionen sind locker, im Vergleich mit älteren Kindern verspüren sie keine
Angst oder Hemmungen. Hier geht es um keinen Leistungsdruck, keine Noten bzw. Formen
der Bestrafung oder des Tadelns. In diesem Sinne handelt es sich um kein richtiges Lernen im
Sinne eines Schulfachs. Zu den beliebtesten Aktivitäten der Kinder gehören Spiele
(Hockicková/Harťanská 2010). Man kann am Spiel teilnehmen, ohne sich durch die
unbekannte Sprache gestört zu fühlen. Die Kinder sind sehr gute Beobachter, die bereit sind
nachzuahmen, sich der Situation anzupassen und sich im Notfall nonverbal auszudrücken.
Kleine Kinder imitieren gern. Sie sind fähig, wenn etwas interessant ist für sie, konzentriert
und aufmerksam zuzuhören und danach nicht nur Aussprache, sondern auch Tempo, Akzent,
Intonation bzw. Bewegungen ganz getreu nachzuahmen. Verglichen mit den älteren Kindern
nähert sich ihre Aussprache der Aussprache von Native-speakern an (Apeltauer 2006)
Durch das Imitieren als eines der wichtigen Prinzipien wird der Hörsinn gefördert und die
richtige Aussprache geübt.
Im Wesentlichen haben kleine Kinder mehr Zeit als ältere Kinder oder Erwachsene. Sie
lernen durch Handeln und Spielen, eignen sich nicht nur isolierte Wörter, sondern ganze
Satzkonstruktionen an. Besonders beliebt sind unter kleinen Kindern narrative Texte,
Geschichten und Märchen, die sie worttreu mit allen begleitenden Phänomenen nacherzählen
können. Lojová (2005/2006) spricht in diesem Zusammenhang über die Anfangsphase im
Fremdsprachenlernen, die man als Schweigephase bezeichnen kann. Die Kinder nehmen viele
Informationen wahr ohne selbst sprachlich tätig zu sein. Gerade in dieser Phase können
narrative Texte sehr behilflich sein. Die einzelnen Wörter und Sätze werden durch Bilder zur
jeweiligen Geschichte assoziiert, das Auditive bringt die Situation, den Kontext näher.
Langsam fangen die Kinder an, einfachere Wortverbindungen zu memorieren. Es kann öfters
passieren, dass sie die Bedeutungen gar nicht verstehen. Trotzdem sind sie sehr gute Zuhörer,
die erzählende Texte sehr lebendig begleiten – Bewegungen, Gesten, Mimik verraten, dass sie
in das Geschehen eingebunden sind, wenn sie auch nur wenig verstehen. Später erinnern sie
sich an die jeweiligen Wörter und Sätze und fangen an, Inhalte zu verstehen. Narrative Texte
sind für sie motivierend und machen Spaß, wecken das Interesse, sich weiter mit ihnen zu
beschäftigen. Die Vorstellungskraft der Kinder wird gefördert, sie nehmen an Geschichten
teil, identifizieren sich mit den Gestalten und versuchen, das Gehörte oder Bilder als
Illustrationen zu den Geschichten wiederzugeben. Sie mögen es sehr, Geschichten wiederholt
zu hören. Durch die mehrmalige Wiederholung können sie sich bestimmte Bestandteile des
jeweiligen Textes besser aneignen (in vielen erzählenden Formen sind natürliche
Wiederholungen schon beinhaltet). Parallel dazu werden das Hörverstehen und die
Aufmerksamkeit gefördert.
Der frühe Fremdsprachenerwerb hat einen beträchtlichen Einfluss auf die ganzheitliche
Entwicklung des Kindes. Durch das Sprachenlernen werden solche Einstellungen wie
Toleranz und Akzeptanz gefördert, Offenheit und Empathie den anderen Sprachen gegenüber
geformt und entwickelt.
Fazit
Vieles von dem, was zum Fremdsprachenfrüherwerb gesagt wurde, ist sicherlich schon
bekannt. Die moderne Gehirnforschung zeigt aber, warum das so ist. Sie verhilft zu einem
vertieften Verständnis des Fremdsprachenlernens. Dadurch kann die pädagogische Arbeit
fruchtbar beeinflusst werden.
Sprachen sind eine Bereicherung für alle Menschen, egal wie alt sie sind oder aus welchen
Gründen sie eine andere Sprache lernen möchten. Denn Fremdsprachenkenntnisse helfen
dabei, persönliche wie nationale Grenzen zu überwinden. Sie erleichtern die Verständigung in
Europa, fördern die Zusammenarbeit und die Mobilität der Menschen. Die Mehrsprachigkeit
als ein natürliches Phänomen dieser Zeit spricht für eine zweite Sprache im Kindergarten,
denn fast zwei Drittel der Weltbevölkerung wachsen zwei- oder mehrsprachig auf.
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