Wenn Erwachsene in den Sattel wollen - Reit

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Wenn Erwachsene in den Sattel wollen - Reit
Land und Leute
Nach getaner Arbeit schmeckt den Schulpferden des Reit-Zentrums Reken das Gras auf der Weide besonders gut.
Wenn Erwachsene in den
Sattel wollen
Im FS Reit-Zentrum Reken sind Späteinsteiger „herzlich willkommen“
„So ein Pony musst du haben.
Denn dann hast du einen Freund.
Wirft es dich auch mal runter,
war‘s bestimmt nicht bös gemeint.“
So singen die „Mädels vom Immenhof“ in
dem gleichnamigen Kultfilm aus den 50er
Jahren. Noch besser ist es natürlich, gar
nicht erst runterzufallen. Die Chancen „oben
zu bleiben“ steigen, wenn man reiten kann.
Doch was Kindern (nicht nur Mädels) erfahrungsgemäß spielerisch gelingt – das Reiten lernen –, bereitet vielen Erwachsenen
erhebliches Kopfzerbrechen.
Wie kriegt man ein Pferd vom Fleck? Wie
um die Kurve? Und wie wechselt man von
Schritt in den Trab oder gar in den Galopp?
Und reicht es laut „brrrr“ ... oder „halt“ zu
rufen, um ein Pferd zu bremsen? Fragen
über Fragen, die sich Erwachsene stellen.
Die Suche nach rationalen Antworten
macht das Reiten lernen eher schwierig.
Der Frust sitzt dann tief, wenn im Reitstall
die 10- bis 14-Jährigen den Oldies dann zeigen, was „‘ne Harke ist“. Denn Kinder kön60
nen selbst komplexe Bewegungsabläufe
auf Anhieb durch Nachahmung lernen.
Nach der Pubertät geht diese Fähigkeit verloren. Kein Wunder, wenn im Reitsport die
Aussteigerquote gerade bei Erwachsenen
hoch ist.
„Das muss nicht sein“, ist Jochen Schumacher vom FS Reit-Zentrum in Reken (Kreis
Borken) überzeugt. Er muss es wissen. Zusammen mit seiner Kollegin Theresa Tölke
und einem kompetenten Team von Assistentinnen hat der 52-Jährige schließlich
mehrere tausend Menschen zwischen 20
und 70 Jahren „in den Sattel gebracht“.
Seit über 20 Jahren leitet Schumacher die
etwas „andere Reitschule“ in Westmünsterland, die übrigens eine interessante
Verbindung zum oben erwähnten „Immenhof“ hat. Denn gegründet wurde das FS
Reit-Zentrum Reken von Ursula Bruns. Die
heute 89-Jährige in Spanien lebende Auto-
Theresa Tölke, Luisa
Danzeglocke und
Christine Berstermann
(v. l. n. r.) sorgen dafür,
dass Erwachsene in den
Sattel kommen – und das
nicht nur auf den
hölzernen Hektor,
sondern auch auf die
bildhübsche Jana.
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rin und begeisterte Reiterin lieferte mit
„Dick und Dalli und die Ponys“ die Romanvorlage für die Immenhof-Filme.
Doch von wegen Ponyhof-Image! Das Rekener Reit-Zentrum gilt über das Münsterland
hinaus als eine der innovativsten und erfolgreichsten Reitschulen Deutschlands.
Hier wird nicht nur von Beginn an eine fundierte Basisschulung für Jugendliche und
Erwachsene praktiziert. Auch erfahrene
Reiter können je nach Neigung einen Kurs
buchen. Vom Cavalettitraining über Springund Dressurkurse für Freizeitreiter bis hin
zum entspannten Reiten im Gelände – dies
und mehr bietet das Team um Jochen Schumacher an. Und wer mit seinem Pferd nicht
zurechtkommt oder ausbilden lassen will,
ist ebenfalls mit „Bodenarbeit nach Linda
Tellington Jones“ im Reit-Zentrum gut aufgehoben. Sogar Sonderwünsche werden
erfüllt: So hat auch schon das berittene
„Aktive Korps“ der Kölner Ehrengarde sich
und seine Pferde in Reken für die tollen
Tage trainieren lassen.
Grundkurs für Anfänger
Doch zurück zu den Neueinsteigern, die
schon am Infostand des Reit-Zentrums im
wahrsten Sinne des Wortes plakativ mit einem „herzlich Willkommen“ begrüßt werden. Zehn Mal im Jahr (in den Monaten Februar bis November) gibt es den Grundkurs, der in neun Tagen Anfängern oder
unerfahrenen und vorsichtigen Menschen
das Reiten beibringen soll. Auch dieser
Kurs ist wie die anderen Angebote des ReitZentrums ein Gruppenreitkurs mit sechs
bis maximal zehn Teilnehmern. Im Oktober
sind es Melanie, Rabea und Susanne sowie
Andreas, Jörg und Paul, die endlich unter
professioneller Anleitung in den Sattel
wollen.
Die Motivation der Teilnehmer – die jüngste ist 36, der älteste 54 – reiten lernen zu
wollen, ist ganz unterschiedlich. Der/die
eine will einmal etwas völlig Neues ausprobieren, andere wollen nach einigen mehr
oder weniger erfolgreichen Stunden in der
Reithalle das Reiten endlich „von der Pike
auf“ lernen. Doch auch die Ausbildung
zum Tierheilpraktiker kann Anlass sein, einen solchen Kursus zu buchen. Und
schließlich gibt es ja auch noch die Reitschüler, die es ihrem reiterfahrenen Ehegatten (meistens die Ehefrauen) gleichtun
und das Reiten zu einem gemeinsamen
Hobby machen wollen.
„Wir vermitteln im Grundkurs eine vielseitige Ausbildung ohne Spezialisierung“, sagt
Kursleiterin Theresa Tölke im Eingangsgespräch. Wo die Reitschüler nach einem Kurs
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mal landen, ist offen. Ob dressurmäßig auf
dem Hufschlag in der Bahn, ob „relaxt“ im
Gelände, ob sportlich im Reitparcours oder
sogar lässig im Westernstil – jeder muss irgendwann die Sparte finden, die ihm besonders liegt. „Wer die Reitweise gefunden
hat, die im Spaß macht, bleibt auch dabei“,
ist Tölke überzeugt.
Intensive Betreuung
Unterstützt wird die langjährige Reitlehrerin von ihren Assistentinnen Luisa Danzeglocke und Christine Berstermann, so dass
eine intensive Betreuung der Kursteilnehmer gewährleistet ist. Bei der Methode,
nach der diese „Grundschule des Reitens“
vermittelt wird, kommt wieder die legendäre Ursula Bruns ins Spiel. Zusammen mit
der Erwachsenenpädagogin Prof. Inge
Behr hat sie nämlich ein pädagogisches
Konzept für einen effektiven und pferdegerechten Reitunterricht erwachsener Freizeitreiter entwickelt. Auf einen Nenner gebracht: Das Wissen um Pferde und Reiten
gepaart mit pädagogischem Fingerspitzengefühl.
Und so lernt man in Reken langsam, aber
intensiv. Zuerst den Umgang: wie hole ich
ein Pferd, wie binde ich es an, wie führe ich
es. Natürlich gehören auch das Striegeln,
Putzen und Hufauskratzen zur Grundausbildung rund ums Pferd. Später kommen das
Satteln und das Zäumen hinzu. Über 17
Schulpferde verfügt das Reit-Zentrum augenblicklich, die den Kursteilnehmern als
„Trainingspartner“ zur Verfügung stehen.
Durchaus gewollt dabei: auf „Reinrassigkeit“ haben die Rekener keinen Wert gelegt.
Da gibt es den quirligen schwarzen Isländer
„Fafnir“, die beiden etwas gemütlichen Norweger „Nils“ und „Ole“, den braven Haflinger „Dino“, aber auch die bildschönen
Warmblutstuten „Jana“ und „Wega“ bis hin
zu dem wirklichen Vollblut „Addi“ – und
nicht zu vergessen das Maultier „Ralda“,
dessen Qualitäten (völlig unberechtigt) zunächst unterschätzt werden. Im Laufe des
Kurses bekommt man es mit einer Vielzahl
von Pferden zu tun. So gewöhnt sich der
Reiter nicht an ein Pferd, und das Pferd nicht
an einen Reiter. Das ist auch sinnvoll, denn
wer weiß, auf welche Pferde man nach dem
Grundkurs trifft.
Nachdem man am ersten Tag nach der Theorie einige Runden in der für Reken typischen beidseitig eingezäunten Ovalbahn
ohne Sattel „gedreht“ hat, um ein Gefühl
für die Bewegung der Pferde zu bekommen, lernt man in den folgenden Tagen
(dann natürlich mit Sattel) die verschiedenen Gangarten Schritt, Trab und auch
schon einige Galoppsprünge. Abwech-
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selnd moderieren Theresa und Luisa die
einzelnen Lektionen und geben Hilfestellungen, während Christine die Reitversuche der Kursteilnehmer mit der unbestechlichen Videokamera aufnimmt. Dieses Videofeedback gehört unbedingt zur intensiven Schulung, da so die Teilnehmer anschaulich auf ihre Fehler hingewiesen werden können. Natürlich darf man sich auch
freuen, wenn Theresa die Bildsequenzen
mit den Worten „das sieht doch schon ganz
gut aus“ kommentiert.
Videofeedback gehört zur intensiven Schulung der
Reitschüler.
Das Reiten in der beidseitig eingezäunten Ovalbahn
vermittelt Reitanfängern ein Gefühl der Sicherheit.
Alles klar zum Ausritt ins Gelände rund um das ReitZentrum.
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Angstfrei und entspannt
Wenn man das alles ein wenig beherrscht,
geht es dann vom Oval unters „Rekener
Dach“, wo man erste Hufschlagfiguren erlernt, und – das ist sicherlich das besondere Highlight des Kurses – ins Gelände. Dies
macht umso mehr Spaß, wenn sich, wie
Ende Oktober, das Wetter im Münsterland
wirklich von seiner besten Seite zeigt. Ganz
zum Schluss darf man sich auch im Spielepark versuchen, wo man unter anderem
lernt, durch ein Labyrinth, über eine Brücke
oder durch das Wasser zu reiten.
Jochen Schumacher ist
Eigentümer und Leiter
des FS Reit-Zentrums
und seit 30 Jahren in
Reken tätig.
Sehr hilfreich sind die „Trockenübungen“
am Holzpferd „Hektor“, bei dem man insbesondere das Auf- und Absteigen üben kann,
oder die Trainingsmöglichkeiten auf Sitzoder Trittbalken. Dort wird man gezielt auf
den Entlastungssitz im Trab und auf das
Leichttraben vorbereitet. Dazu lockern tägliche Gymnastik- und Koordinationsübungen
die erwachsenen Schüler für’s Reiten auf.
Und weil man bei einem Reitkurs Pferde mit
allen Sinnen genießen sollte, gehört natürlich auch das „Abäppeln“ der Weiden, Paddocks und Ställe zum täglichen Kursprogramm.
In den ersten fünf Tagen reitet man im Übrigen die Pferde mit gebissloser Zäumung.
Erst nachdem man ausbalanciert sitzen
kann und alle Gangarten geritten ist, tragen
die Pferde ein Mundstück und es wird vermehrt an der richtigen Zügelführung gearbeitet. Auch dies wird erst ohne Pferd geübt: ein Partner hält das Mundstück in beiden Händen, während der andere ihn mit
den Zügeln zu lenken versucht. „So bekommt man ein Gefühl dafür, was man mit
richtiger oder auch falscher Zügelführung
im Maul des Pferdes anrichtet“, sagt Theresa Tölke.
Am Ende des Kurses ist man zwar noch nicht
der perfekte Reiter, aber man bewegt sich in
Halle oder Gelände schon völlig angstfrei
und entspannt. Darüber hinaus hat man viele
nützliche Informationen rund ums Pferd und
ums Reiten bekommen. Dazu gehören nicht
nur Tipps bei der Suche nach einem Reitstall
oder beim Kauf eines eigenen Pferdes, auch
Regeln, wie man sich in Reithallen oder im
Gelände verhält, gehörten zu den theoretischen Kursinhalten. Melanie, Rabea, Susanne, Andreas, Jörg und Paul haben es auf jeden Fall nicht bereut, Urlaub und Geld für den
Rekener Grundkurs geopfert zu haben. Sie
alle haben Spaß am Reiten bekommen beziehungsweise behalten, so dass man sie bestimmt auf der einen oder anderen Reitanlage – oder auf einen der zahlreichen Folgekurse des FS-Reit-Zentrums – wiedersehen wird.
(weitere infos zum FS Reit-Zentrum Reken unsts
ter www.fs-reitzentrum.de)
Auf dem Sitzbalken die gutgelaunten Grundkursteilnehmer (v. l. n. r.): Susanne, Paul, Jörg, Rabea, Melanie und Andreas.
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Fotos: Stefan Sallen, Jörg Hartmann
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