Programmheft - Badisches Staatstheater Karlsruhe

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Programmheft - Badisches Staatstheater Karlsruhe
4. Sinfoniekonzert
POULENC MESSIAEN STRAWINSKY
4. SINFONIEKONZERT
Francis Poulenc
(1899 – 1963)
Litanies à la Vierge noire Notre-Dame de Roc-Amadour
10’
Calme – Sensiblement plus animé – Calme
Damen des BADISCHEN STAATSOPERNCHORS & EXTRACHORS
Olivier Messiaen Trois petites Liturgies de la Présence Divine (1908 – 1992)
I. Antienne de la Conversation intérieure
(Dieu présent en nous ...)
II. Séquence du Verbe, Cantique Divin
(Dieu présent en lui-même ...)
III. Psalmodie de l’Ubiquité par amour
(Dieu présent en toutes choses ...)
Nathalie Forget Ondes Martenot
Miho Uchida Klavier
Sopranistinnen des BADISCHEN STAATSOPERNCHORS & EXTRACHORS
– Pause –
35’
Igor Strawinsky (1882 – 1971)
Oedipus Rex
Opern-Oratorium in zwei Akten nach Sophokles
Matthias Wohlbrecht Ödipus, König von Theben
Ks. Ewa Wolak Jokaste, Mutter und Frau des Ödipus
Renatus Meszar Kreon, Schwager des Ödipus
Luiz Molz Teiresias, Seher
Steven Ebel Hirte
Renatus Meszar Bote
Gunnar Schmidt Sprecher
Herren des BADISCHEN STAATSOPERNCHORS & EXTRACHORS
Aufführungsrechte: Édition Russe de Musique / Boosey & Hawkes
Ulrich Wagner Choreinstudierung
Stefan Neubert Mitarbeit Choreinstudierung
Justin Brown Dirigent
BADISCHE STAATSKAPELLE
2.2.14 11.00 GROSSES HAUS
3.2.14 20.00 GROSSES HAUS
Dauer ca. 2 ¼ Stunden
50’
Das
uNsagbare
aussprechen
Musik eröffnet Möglichkeiten, das Unsagbare auszudrücken: Indem sich Musik der Semantik der verbalen Sprache entzieht, lassen
sich Räume jenseits der Sprache entdecken.
Die Werke des heutigen Konzerts dringen paradoxerweise durch die gesungene Sprache
in diese Räume vor: Francis Poulencs
Litanies à la Vierge noire entstanden unter
dem Eindruck des tödlichen Autounfalls eines
Freundes; Olivier Messiaens Trois petites
Liturgies versuchen, die ungebändigte Freude über die Anwesenheit Gottes auszudrücken; Igor Strawinskys Oedipus Rex wurde
bewusst in lateinischer Sprache komponiert
und lässt die unfassbare Verstrickung des
mythischen Helden umso ungeheuerlicher
erscheinen.
Francis Poulenc
Litanies à la Vierge noire (1936)
Widersprüche zeichnen das Schaffen des
1899 in Paris geborenen Komponisten Francis
Poulenc aus: Frivole, groteske Lieder kompo2
nierte er ebenso wie Ballette für Sergej Djaghilews berühmte Ballets russes und geistliche Werke. Selbst in seinem musiktheatralen
Werk werden diese Widersprüche deutlich:
Vom innigen Märtyrertum handeln die
Dialogues des Carmélites, uraufgeführt 1957,
von der einseitigen Kommunikation am damals noch ungewohnten Telefon La voix
humaine mit dem Text des Autors und Filmemachers Jean Cocteau, das nur zwei Jahre
später uraufgeführt wurde.
Katholisch aufgewachsen, hatte Poulenc
sich als Achtzehnjähriger nach dem Tod seines Vaters vom Glauben abgewandt. 1936
änderte sich seine Einstellung mit dem plötzlichen Tod seines Freundes Pierre-Octave
Ferroud: „Der schreckliche Tod dieses so
lebensfreudigen Musikers hat mich tief erschüttert und mir die Vergänglichkeit der
menschlichen Existenz vor Augen geführt.“
Als er kurz darauf die Chorleiterin Yvonne
Gouverné und den Sänger Pierre Bernac
besuchte, zog es ihn zur Pilgerstätte nach
Francis Poulenc
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Roc-Amadour, wo sich eine Statue der
Schwarzen Madonna befindet. Poulenc beschrieb diesen „Ort außerordentlichen Friedens“: „Vorne befindet sich ein kleiner Garten, der mit seinen Oleanderbäumchen in
Kübeln ganz rosafarben ist, eine sehr einfache Kapelle, die halb in den Felsen gebaut ist,
und die die wunderbare Madonnenstatue beherbergt, welche laut Überlieferung vom Heiligen Amadour, dem kleinen Zachäus aus dem
Evangelium, der auf einen Baum klettern
musste, um Christus zu sehen, aus schwarzem Holz geschnitzt worden war.“ Er kaufte
ein Bild mit dem Text der Litanei, den er unmittelbar für Frauenchor und Orgel vertonte.
Später orchestrierte er das Stück, das nun
laut Partitur von Frauen- oder Kinderchor mit
Orgel- oder Orchesterbegleitung aufgeführt
werden kann.
Auch in der Orchesterversion, die neben
Streichern nur Pauken vorsieht, behält das
Stück seine Innigkeit. Schlicht und klar
strukturiert verläuft der dreistimmige Chorsatz. Poulenc vertonte den Text syllabisch,
gab also jeder Silbe eine Note und verzichtete auf jede Art von vokaler Verzierung. Die
Attribute friedlich und sehr einfach, mit denen Poulenc den Wallfahrtsort beschrieb,
gelten gleichermaßen für die Musik. Diesem
ersten geistlichen Werk Poulencs sollten
zahlreiche folgen.
Olivier Messiaen
Trois petites Liturgies
de la Présence Divine (1943–44)
Anders als das disparate Werk Poulencs
lässt sich beinahe jede Komposition aus der
Feder Olivier Messiaens als geistlich bezeichnen. Seine Musik ist erfüllt vom katholischen
Glauben, der sich in seiner individuellen Kombination von liturgischem Kosmos, Ornithologie und Synästhesie äußert. 61 Jahre, bis zu
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seinem Tod 1992, wirkte Messiaen als Organist an der Pariser Kirche de la Trinité. Orgelwerke bilden neben kammermusikalischen
und sinfonischen sowie Vokalwerken eine
wichtige Gattung seines Schaffens, das ohne
seinen Glauben nicht denkbar wäre: „Ich bin
gläubig geboren. Ich hätte vielleicht nichts
komponiert, wäre mir nicht diese Gnade zuteil
geworden.“
Die wenigsten Kompositionen Messiaens
dienen tatsächlich einem liturgischen Zweck.
Sein musikalischer Kosmos stellt die gewohnten Kategorien von sakraler Musik in
Frage, seine Musik wird zu einem universellen Glaubensbekenntnis, gerade auch durch
seine intensive Beschäftigung mit Vogelstimmen. Ihnen widmeten er nicht nur mehrere
Werke wie den Klavierzyklus Catalogue
d’oiseaux oder Oiseaux exotiques für Klavier
und kleines Orchester, auch in zahlreichen
anderen Werken finden sich Vogelstimmen,
in extenso in seinem einzigen musiktheatralen Werk St. François d’Assise. Dramatisch
ist dieses Werk ebenso wenig wie die meisten anderen, die die zeitliche Wahrnehmung
des Zuhörers ins Schweben bringen. In dieser zeitlichen Dimension liegt für Messiaen
der Schlüssel zu seiner Auffassung von sakraler Musik: „Die sakrale Musik gründet in
der Tatsache, dass Gott keinen ‚Anfang’ hat
[...] Alle Musik, die die Fähigkeit besitzt, auf
eine dramatische Entwicklung zu verzichten,
um gegen die Mauer des Nicht-Anfangens zu
stoßen, ist von daher selbst eine sakrale.“
Durch seine Musik, die sehr unterschiedliche
Inspirationsquellen kennt – neben Vogelstimmen auch mittelalterliche Gregorianik und indonesische Gamelanmusik –, überwältigt
Messiaen das Publikum durch seine ungehörte universelle Klangwelt. „Meine beiden religiösen Hauptwerke, die im Konzertsaal aufgeführt werden, sind die Trois petites Liturgies
Olivier Messiaen
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de la Présence Divine und La Transfiguration
de Notre-Seigneur Jésus Christ (1965–69).
Ihre Titel wurden nicht zufällig gewählt: Ich
wollte eine liturgische Handlung vollziehen,
mit anderen Worten, eine sakrale Handlung in
den Konzertsaal bringen, oder eine Art von
Lobpreisung. Meine vorzügliche Begabung ist
es, das Wesentliche der katholischen Liturgie,
gerichtet an die Gemeinde, aus ihrem steinernen Gebäude herausgeholt und in andere
Gebäude übertragen zu haben, die ganz augenscheinlich nicht für eine solche Musik vorgesehen sind, die sie aber am Ende mit Begeisterung aufgenommen haben.“
Die Trois petites Liturgies de la Présence Divine komponierte Messiaen für Frauenchor
und ein farbenreiches Orchester aus Celesta,
Vibraphon und Klavier sowie vielfältiges
Schlagzeug, Ondes Martenot und Streichorchester. Die Ondes Martenot sind ein 1928
von Maurice Martenot entwickeltes Tasteninstrument, das mit elektronischen Schwingungen einen Tonraum von sieben Oktaven
umfasst. Messiaen war von diesem Instrument sehr fasziniert und setzte dessen
schwebenden Klang in mehreren Stücken
ein. Den Text für die Trois petites liturgies
schrieb der Komponist wie häufig selbst und
griff dafür auf das Johannes-Evangelium, die
Offenbarung und die Paulusbriefe, das Hohe
Lied, Thomas von Kempens De imitatione
Christi aus dem 15. Jahrhundert und die Dichtungen Paul Éluards zurück. Dieser Dichter
war nicht nur für Messiaen Inspiration, sondern neben Guillaume Apollinaire für Francis
Poulenc die wichtigsten Inspirationsquelle
für dessen über einhundert Lieder.
Die Zahl Drei ist nicht nur im Titel zu finden,
sondern spielt im gesamten Werk eine bedeutende Rolle. Der ausschließlich unisono
singende Frauenchor spaltet sich nur einmal
pro Liturgie in drei Stimmen auf, die jeweils
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die drei Töne des A-Dur-Dreiklangs singen –
eine Tonart, die im Notenbild mit drei KreuzVorzeichen angezeigt wird. Messiaen hebt
durch diese Aufspaltung die Worte „Mon
Dieu“ (Mein Gott), „Pour nous“ (Für uns) und
„Votre Amour“ (Deine Liebe) hervor.
Trotz seiner außergewöhnlichen Klangwelt
und der harmonischen Extreme erzeugt Messiaen durch Wiederholungen und Refrains
eingängige Melodien. Schon das beginnende
„Mon Jésus“ mit seiner charakteristischen
Intervallfolge aus fallender Septe und ansteigender Quinte kehrt im Lauf des ersten Satzes immer wieder. Noch stärker wird diese
Struktur durch die klare Anlage von Refrain
und Strophen im zweiten Satz, den Messiaen
mit den folgenden Worten beschreibt: „Es
handelt sich um eine Sequenz; in anderen
Worten: einen volkstümlich-triumphalen Gesang ähnlich den freudigen Gesängen der
ersten Christen. Der Chor wiederholt immer
wieder denselben Refrain, mit zahlreichen
Variationen in Harmonie, Rhythmus und Instrumentierung. Ein im Wesentlichen melodisches Stück in lebhaftem Tempo, der Höhepunkt des Werkes.” Der Refrain besteht aus
fünf Tönen und ist eindeutig wiederzuerkennen, gleichzeitig hält Messiaen durch kleine
Veränderungen wie einen eingeschobenen
Ton das Interesse des Ohres wach. Zwischen
der vierten und der fünften Strophe erklingt
der Refrain plötzlich „extrêmement lent, très
soutenu“ (extrem langsam, sehr zurückhaltend), der homophone Gesang wird nun von
den Ondes Martenot und den 16-stimmigen
Streichern begleitet.
Den dritten Satz dominieren die rasselnden
Maracas. Auffallend ist auch hier ein plötzlich
sehr langsamer Moment, in dem der Komponist zunächst einen Sopran, dann sechs und
schließlich bis zu 36 Soprane gegeneinander
singen lässt. Der Text besingt die Universali-
tät Gottes, die auch Widersprüche aufhebt:
Vous qui parlez en nous,
Vous qui vous taisez en nous,
Et gardez le silence dans votre Amour,
Vous êtes près, vous êtes loin,
Vous êtes la lumière et les ténèbres,
Vous êtes si compliqué et si simple
Vous êtes infiniment simple.
(Deutsche Übersetzung siehe Seite 16).
Die Uraufführung am 21. April 1945 in Paris
löste einen heftigen Streit aus, der als „le
cas Messiaen“ (der Fall Messiaen) in die Musikgeschichte einging und schon durch die
einen Monat vorher uraufgeführten Vingt
Regards sur l’Enfant-Jésus entfacht wurde.
1946 fasste ein Freund Messiaens die Diskussion zusammen: „Kein Werk seit Le Sacre du printemps hat eine solche Furore ausgelöst. Wäre das Duellieren noch in Mode,
hätten wir jetzt zweifellos den gewaltsamen
Tod mehrerer Kritiker und Musikliebhaber zu
betrauern, die darauf bedacht waren, ihre
Meinung beizutragen.“ Selbst Claude Ronstand, der später eines der ersten Bücher
über Messiaen veröffentlichte, beschimpfte
das „Werk aus Flittergold, falscher Großartigkeit und Pseudo-Mystik, dieses Werk mit
dreckigen Fingernägeln und feuchten Händen, das ängstlich um sich blickt wie ein Engel mit Lippenstift“. Der Streit erweiterte
sich noch, als einige Schüler Messiaens in
einem Konzert gegen Strawinskys neoklassische Werke protestierten. Poulenc ergriff
nun Partei für Messiaen, den er sehr bewunderte. Und Messiaen bezeichnete Strawinsky als „großes Genie“.
Igor Strawinsky
Oedipus Rex (1925–27)
Den angesprochenen Skandal bei Le Sacre du
printemps hatten 1913 der russische Komponist Igor Strawinsky und der Choreograph
Sergej Diaghilew im Pariser Théâtre des
Champs-Élysées ausgelöst. Die extreme
Rhythmisierung der Musik bei gleichzeitigem
Verzicht auf melodische Elemente erzeugte
Unverständnis und Protest. Mit seinen Kompositionen erfand Strawinsky sich immer wieder neu und verstörte später seine Anhänger
mit dem Rückgriff auf klassischen Formen,
dem sogenannten Neoklassizismus. Als Gegenentwurf zu der Anfang des 20. Jahrhunderts immer riesigere Ausmaße annehmenden Oper schrieb er 1918 L’Histoire du soldat
für einen Sprecher, zwei Schauspieler, eine
Tänzerin und sieben Musiker – bis heute ein
Meilenstein neuer musiktheatraler Formate.
1925 besprach er mit seinem Freund Jean
Cocteau den Plan für ein neues Werk, das er
1927 Diaghilew zu dessen zwanzigjährigem
Bühnenjubiläum widmen wollte. Sie wählten
den mythischen Stoff König Ödipus, wie er in
Sophokles’ Tragödie bearbeitet wurde. Angeregt durch die Lektüre einer Franz von Assisi-Biographie beschloss Strawinsky, das
Werk in lateinischer Sprache zu komponieren. Cocteaus Text wurde vom Jesuitenpater
Jean Daniélou übersetzt. In seinen Erinnerungen beschreibt Strawinsky den erwünschten Effekt: „Was ich erwartet hatte,
sah ich bestätigt: Die Gestalten der großen
Tragödie ebenso wie ihre Schicksale wurden
durch die lateinische Sprache wundervoll lebendig. Dank ihr erhielten sie das monumentale Maß und die erhabene Haltung, die dem
majestätischen Charakter der antiken Legende entspricht. Welche Freude bereitet
es, Musik zu einer Sprache zu schreiben, die
seit Jahrhunderten unverändert besteht, die
fast rituell wirkt und dadurch allein schon einen tiefen Eindruck hervorruft! Man fühlt
sich nicht an Redewendungen gebunden
oder an das Wort in seinem buchstäblichen
Sinne. Die strenge Form dieser Sprache hat
schon an sich so viel Ausdruckswert, dass
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es nicht nötig ist, ihn durch die Musik noch zu
verstärken. So wird der Text für den Komponisten zu einem rein phonetischen Material.
Er kann ihn nach Belieben zerstückeln und
sich nur mit den einfachsten Elementen beschäftigen, aus denen er besteht: den Silben.
Und haben nicht auch die alten Meister des
strengen Stils den Text auf diese Weise behandelt? So hat sich auch die Kirche seit
Jahrhunderten der Musik gegenüber verhalten und sie dadurch davor bewahrt, sentimental zu werden und dem Individualismus
zu verfallen.“
Indem er sich der lateinischen Sprache bedient, führt Strawinsky das Theater auf seine
Wurzeln im religiösen Kult zurück und löst die
Stimmen von ihrer Rolle, die er durch die Musik um so deutlicher charakterisieren kann.
Gleichzeitig erscheint das Schicksal Ödipus’
durch die Fremdartigkeit der Sprache umso
ungeheuerlicher. Zwar waren es pragmatische Gründe, die letztlich zur konzertanten
Uraufführung am 30. Mai 1927 im Pariser
Théâtre Sarah Bernhardt führten, doch diese
strenge Form entspricht der gesamten Disposition des Werks, die weit über den selbstauferlegten Zwang der lateinischen Sprache hinausgeht. Strawinsky genoss diese Ordnung,
„ohne die nichts entsteht, während alles zerfällt, wenn sie aufgehoben wird. Jede Ordnung jedoch verlangt nach einem Zwang,
aber man täte unrecht zu glauben, dass dadurch die Freiheit beschränkt wird. Im Gegenteil, die ‚Haltung’, der Zwang, tragen dazu bei,
sie zu entfalten, sie hindern die Freiheit nur
daran, Willkür zu werden.“
Sein „Opern-Oratorium“, wie Strawinsky es
selbst nannte, skelettiert die Handlung auf ihren Kern, nur selten überlagern sich die Stimmen wie beim Duett von Jokaste und Ödipus.
Die Königin ist die einzig weibliche Rolle; auch
der Chor, der sich als Volk Thebens beschrei8
ben lässt, wird wie in der griechischen Tragödie nur von Männern gesungen. Sowohl
bei der Wahl der Stimmfächer als auch bei
der musikalischen Ausgestaltung bedient
sich Strawinsky bekannter Formen.
Der Bariton Kreon gibt zu Beginn mit entschlossenem, punktiertem Rhythmus den
Orakelspruch wieder, dass der Mörder des
Laios in Theben zu finden sei. Ihm gegenüber
führt der Tenor Ödipus mit Schöngesang vor,
wie er einst die Sphinx besiegt hat, und weiß
das Volk auch durch seine stimmliche Vielfalt
davon zu überzeugen, dass der Seher Tiresias mit Kreon unter einer Decke stecke, um
ihn vom Thron zu stürzen. Eine neue
Klangsprache bringt Jokaste zu Beginn des
zweiten Akts, deren Gesang von Harfe und
Klarinette begleitet wird. Lebhaft und beschwörend auf einem Ton verharrend versucht sie alle – inklusive sich selbst – davon
zu überzeugen, dass das Orakel irre. Dass
aber sie irrt, treibt sie schließlich in den
Selbstmord. Ödipus wird das Ausmaß seines
Schicksals durch die Berichte des Boten und
des Hirten bewusst. Ergreifend lässt Strawinsky seinen Protagonisten in langsam abfallenden Noten „Lux facta est!“ singen. Das
Licht seiner Erkenntnis kann Ödipus nicht ertragen, er nimmt sich sein Augenlicht. Diese
Tat bewegt nun auch den Sprecher, dessen
letzte Worte sind: „Leb wohl, Ödipus, wie
sehr hat man dich geliebt!“
Auch der Chor äußert Mitleid, ganz im Sinne
der Aristotelischen Aufforderung zum Mitleid (eleos). Die andere Seite von eleos ist
phobos, der Schrecken. Der Schrecken über
die göttlichen Mächte bleibt auch am Ende
der Tragödie, er lässt sich weder verstehen
noch aussprechen – und öffnet damit den
Raum für die Musik, unsagbar.
Olaf A. Schmitt
Igor Strawinsky
Litanies à la Vierge noirE
LITANEIEN FÜR DIE SCHWARZE JUNGFRAU
Überlieferter Text, Autor unbekannt, bearbeitet von Francis Poulenc
Deutsche Übersetzung von Pascal Paul-Harang
Seigneur, ayez pitié de nous.
Jésus-Christ, ayez pitié de nous.
Jésus-Christ, écoutez-nous.
Jésus-Christ, exaucez-nous.
Herr, erbarme dich unser.
Jesus Christus, erbarme dich unser.
Jesus Christus, höre uns.
Jesus Christus, erhöre uns.
Dieu le père, créateur, ayez pitié de nous.
Dieu le fils, rédempteur, ayez pitié de nous.
Dieu le Saint-Esprit, sanctificateur, ayez pitié
de nous.
Trinité Sainte, qui êtes un seul Dieu, ayez pitié
de nous.
Gott Vater, Schöpfer, erbarme dich unser.
Gott Sohn, Erlöser, erbarme dich unser.
Gott, Heiliger Geist, erbarme dich unser.
Heilige Dreifaltigkeit, die ein einiger Gott ist,
erbarme dich unser.
Sainte Vierge Marie, priez pour nous.
Vierge, reine et patronne, priez pour nous.
Vierge que Zachée le publicain nous a fait
connaître et aimer,
Vierge à qui Zachée ou Saint Amadour éleva
ce sanctuaire
Priez pour nous, priez pour nous.
Heilige Jungfrau Maria, bitte für uns.
Jungfrau, Königin und Beschützerin, bitte für
uns.
Jungfrau, die Zachäus, der Zöllner, uns kennen und lieben lehrte,
Jungfrau, der Zachäus oder der heilige Amadour dieses Heiligtum errichtete,
bitte für uns.
Reine du sanctuaire, que consacra Saint
Martial,
Et où il célébra ses saints mystères,
Reine, près de laquelle s’agenouilla Saint Louis
Vous demandant le bonheur de la France,
Priez pour nous, priez pour nous.
Königin des Heiligtums, das der heilige Martial weihte,
Und in dem er das Mysterium der heiligen
Messe feierte,
Königin, vor der König Ludwig der Heilige niederkniete,
Glück für Frankreich erflehend,
bitte für uns, bitte für uns.
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Reine, à qui Roland consacra son épée,
priez pour nous.
Reine, dont la bannière gagna les batailles,
priez pour nous.
Reine, dont la main délivrait les captifs,
priez pour nous.
Königin, der Roland sein Schwert weihte,
bitte für uns.
Königin, deren Banner Schlachten gewann,
bitte für uns.
Königin, deren Hand die Gefangenen befreite,
bitte für uns.
Notre-Dame, dont le pèlerinage est enrichi de
faveurs spéciales,
Notre-Dame, que l’impiété et la haine ont
voulu souvient détruire,
Notre-Dame, que les peuples visitent comme
autrefois,
priez pour nous.
Unsere liebe Frau, deren Wallfahrt wunderliche Gnaden erweist,
Unsere liebe Frau, die Gottlosigkeit und Bosheit oft vernichten wollten,
Unsere liebe Frau, die die Menschen wie in
alten Zeiten aufsuchen,
bitte für uns.
Agneau de Dieu, qui effacez les péchés du
monde,
pardonnez-nous.
Agneau de Dieu, qui effacez les péchés du
monde,
exaucez-nous.
Agneau de Dieu, qui effacez les péchés du
monde,
ayez pitié de nous.
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde
der Welt,
vergib uns.
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde
der Welt,
erhöre uns.
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde
der Welt,
erbarme dich unser.
Notre-Dame, priez pour nous,
Afin que nous soyons dignes de Jésus-Christ.
Unsere liebe Frau, bitte für uns,
so dass wir Jesu Christi würdig seien.
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Trois petites Liturgies
de la Présence Divine
DREI KLEINE LITURGIEN ÜBER DIE GEGENWART GOTTES
Text von Olivier Messiaen
Deutsche Übersetzung von Pascal Paul-Harang
1. Antienne de la conversation intérieure
(Dieu présent en nous ...)
1. Antiphon der inneren Zwiesprache
(Gegenwart Gottes in uns ...)
Mon Jésus, mon silence,
Restez en moi.
Mon Jésus, mon royaume de silence,
Parlez en moi.
Mon Jésus, nuit d’arc-en-ciel et de silence,
Priez en moi.
Mein Jesus, mein Schweigen,
Bleibe in mir.
Mein Jesus, mein Reich des Schweigens,
Sprich in mir.
Mein Jesus, Nacht aus Regenbogen und
Schweigen,
Bete in mir!
Soleil de sang, d’oiseaux,
Mon arc-en-ciel d’amour,
Désert d’amour,
Chantez, lancez l’auréole d’amour,
Mon Amour.
Mon Amour,
Mon Dieu.
Blutsonne, Vogelsonne,
Du mein Regenbogen der Liebe,
Wüste der Liebe,
Singe, schicke den Glorienschein der Liebe
empor,
Meine Liebe.
Meine Liebe,
Mein Gott.
Ce oui qui chante comme un écho de lumière,
Mélodie rouge et mauve en louange du Père,
D’un baiser votre main dépasse le tableau,
Paysage divin, renverse-toi dans l’eau.
Dieses Ja, das wie ein Echo des Lichtes singt,
Rote und malvenfarbene Melodie zum Lob
des Vaters,
Um einen Kuss ragt Deine Hand aus dem Bild
hervor,
Göttliche Landschaft, spiegle Dich verkehrt
im Wasser wider.
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Louange de la Gloire à mes ailes de terre,
Mon Dimanche, ma Paix, mon Toujours de lumière,
Que le ciel parle en moi, rire, ange nouveau,
Ne me réveillez pas : c’est le temps de l’oiseau !
Lob der Herrlichkeit meinen irdischen Flügeln,
Meinem Sonntag, meinem Frieden, meinem
Immer aus Licht,
Der Himmel spreche in mir, Lachen, neuer Engel,
Weckt mich nicht: Es ist Vogelzeit!
2. Séquence du Verbe, cantique divin
(Dieu présent en lui-même ...)
2. Sequenz des Wortes, göttliches Lied
(Gegenwart Gottes in sich selbst ...)
Refrain :
Il est parti le Bien-Aimé,
C’est pour nous !
Il est monté le Bien-Aimé,
C’est pour nous !
Il a prié le Bien-Aimé,
C’est pour nous !
Pour nous !
Refrain:
Er ist davongegangen, der Geliebte,
Um unsertwillen!
Er ist aufgefahren, der Geliebte,
Um unsertwillen!
Er hat gebetet, der Geliebte,
Um unsertwillen!
Für uns!
I
Il a parlé, il a chanté,
Le Verbe était en Dieu !
Il a parlé, il a chanté,
Et le Verbe était Dieu !
Louange du Père,
Substance du Père,
Empreinte et rejaillissement toujours,
Dans l’Amour, Verbe d’Amour !
I.
Er hat gesprochen, er hat gesungen,
Das Wort war in Gott!
Er hat gesprochen, er hat gesungen,
Und das Wort war Gott!
Lob des Vaters,
Wesen des Vaters,
Abbild und Abglanz immerdar,
In der Liebe, Wort der Liebe!
Refrain :
Il est parti le Bien-Aimé, etc.
Refrain:
Er ist davongegangen, der Geliebte, usw.
II
Par lui le Père dit : c’est moi,
Parole de mon sein !
Par lui le Père dit : c’est moi,
Verbe est dans mon sein !
Le Verbe est la louange,
Modèle en bleu pour anges,
Trompette bleue qui prolonge le jour,
Par Amour, Chant de l’Amour !
II.
Durch ihn spricht der Vater: Ich bin es,
Wort aus meinem Herzen!
Durch ihn spricht der Vater: Ich bin es,
Das Wort ist in meinem Herzen!
Das Wort ist das Lob,
Vorbild in Blau für Engel,
Du Blaue Trompete, die den Tag verlängert,
Aus Liebe, Du Gesang der Liebe!
Refrain :
Il est parti le Bien-Aimé, etc.
Refrain:
Er ist davongegangen, der Geliebte, usw.
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III
Il était riche et bienheureux,
Il a donné son ciel !
Il était riche et bienheureux,
Pour compléter son ciel !
Le Fils, c’est la Présence,
L’Esprit, c’est la Présence !
Les adoptés dans la grâce toujours,
L‘Amour,
Enfants d’Amour !
III.
Reich war er und glückselig,
Seinen Himmel hat er hingegeben!
Reich war er und glückselig,
Um seinen Himmel zu vervollkommnen!
Der Sohn, der ist die Gegenwart,
Der Geist, der ist die Gegenwart!
Die in Gnade ewig Angenommenen,
Für die Liebe,
Kinder der Liebe!
Refrain :
Il est parti le Bien-Aimé, etc.
Refrain:
Er ist davongegangen, der Geliebte, usw.
IV (= I)
Il a parlé, il a chanté, etc.
IV. (= I.)
Er hat gesprochen, er hat gesungen, usw.
Refrain :
Il est parti le Bien-Aimé, etc.
Refrain:
Er ist davongegangen, der Geliebte, usw.
V
Il est vivant, il est présent,
Et Lui se dit en Lui !
Il est vivant, il est présent,
Voit en Lui !
Présent au sang de l’âme,
Étoile aspirant l’âme,
Présent partout, miroir ailé des jours,
Amour,
Le Dieu d’Amour !
V.
Er ist lebendig, er ist gegenwärtig,
Und Er spricht sich in Ihm aus!
Er ist lebendig, er ist gegenwärtig,
Und Er sieht sich in Ihm!
Gegenwärtig im Blut der Seele,
Stern, der die Seele einatmet,
Allgegenwärtig, geflügelter Spiegel der Tage,
Aus Liebe,
Der Gott der Liebe!
Refrain :
Il est parti le Bien-Aimé, etc.
Refrain:
Er ist davongegangen, der Geliebte, usw.
3. Psalmodie de l’Ubiquité par amour
(Dieu présent en toutes choses ...)
3. Psalmodie der Allgegenwart durch Liebe
(Gegenwart Gottes in allen Dingen ...)
I & VII
Tout entier en tous lieux,
Tout entier en chaque lieu,
Donnant l’être à chaque lieu,
À tout ce qui occupe un lieu,
Le successif vous est simultané,
I. & VII.
Ganz an allen Orten,
Ganz an jedem Ort,
Jedem Ort das Sein verleihend,
Allem, was einen Platz einnimmt,
Bei Dir ist das Sukzessive gleichzeitig
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Dans ces espaces et ces temps que vous
avez créés,
Satellites de votre Douceur.
Posez-vous comme un sceau sur mon cœur.
In diesen Räumen und Zeiten, die Du erschaffen hast,
Trabanten Deiner Sanftmut.
Drücke Dich wie ein Siegel auf mein Herz.
II & VIII
Temps de l’homme et de la planète,
Temps de la montagne et de l’insecte,
Bouquet de rire pour le merle et l’alouette,
Éventail de lune au fuchsia,
À la balsamine, au bégonia ;
De la profondeur une ride surgit,
La montagne saute comme une brebis
Et devient un grand océan.
Présent, vous êtes présent.
Imprimez votre nom dans mon sang.
II. & VIII.
Zeit des Menschen und des Planeten,
Zeit des Berges und des Insekts,
Gelächtergarbe für die Amsel und die Lerche,
Mondlichtfächer mit Fuchsie,
Mit Springkraut, mit Begonie;
Aus der Tiefe tut sich eine Falte auf,
Der Berg hüpft wie ein Lamm,
Und wird ein weiter Ozean.
Gegenwärtig, Du bist gegenwärtig!
Drücke Deinen Namen meinem Blute ein.
III & IX
Dans le mouvement d’Arcturus, présent.
Dans l’arc-en-ciel d’une aile après l’autre,
(Écharpe aveugle autour de Saturne),
Dans la race cachée de mes cellules, présent,
Dans le sang qui répare ses rives,
Dans vos Saints par la grâce, présent
(Interprétations de votre Verbe,
Pierres précieuses au mur de la Fraîcheur.)
Posez-vous comme un sceau sur mon cœur.
III. & IX.
In der Bewegung des Arcturus gegenwärtig,
Im Regenbogen eines Flügel nach dem anderen
(Blinde Schärpe um Saturn),
Im verborgenen Stamm meiner Zellen gegenwärtig,
Im Blut, das seine Ufer erneuert,
In Deinen Heiligen durch die Gnade gegenwärtig,
(Ausdeutungen Deines Wortes,
Edelsteine an der Mauer der Frische.)
Drücke Dich wie ein Siegel auf mein Herz.
IV & X
Un cœur pur est votre repos,
Lis en arc-en-ciel du troupeau
Vous vous cachez sous votre Hostie,
Frère silencieux dans la Fleur-Eucharistie,
Pour que je demeure en vous comme une aile
dans le soleil,
Vers la résurrection du dernier jour.
Il est plus fort que la mort, votre Amour.
Mettez votre caresse tout autour.
Posez-vous comme un sceau sur mon cœur.
IV. & X.
Ein reines Herz ist Deine Ruhe,
Regenbogen-Lilie der Herde,
Du verbirgst Dich unter Deiner Hostie,
Schweigender Bruder in der Blume Eucharistie,
Sodass ich wie ein Flügel in der Sonne in dir
bleibe,
Bis zur Auferstehung des letzten Tages.
Stärker als der Tod ist Deine Liebe.
Fasse uns mit Deiner Zärtlichkeit ein.
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V & XI
Violet-jaune, vision,
Voile blanc, subtilité,
Orangé-bleu, force et joie,
Flèche azur, agilité,
Donnez-moi le rouge et le vert de votre amour
Feuille-flamme-or, clarté.
Plus de langage, plus de mots,
Plus de prophètes ni de science
(C’est l’Amen de l’espérance,
Silence mélodieux de l’Éternité.)
Mais la robe lavée dans le sang de l’Agneau,
Mais la pierre de neige avec un nom nouveau,
Les éventails, la cloche et l’ordre des clartés
Et l’échelle en arc-en-ciel de la Vérité,
Mais la porte qui parle et le soleil qui s’ouvre,
L’auréole tête de rechange qui délivre,
Et l’encre d’or ineffaçable sur le livre ;
Mais le face à face et l’Amour.
V. & XI.
Violett-gelb, Vision,
Weißer Schleier, Geistigkeit,
Orange-blau, Kraft und Freude,
Himmelblauer Pfeil, Behändigkeit,
Gib mir das Rot und das Grün Deiner Liebe,
Flammenblattgold, Helligkeit,
Keine Sprache, keine Worte mehr,
Weder Propheten noch Wissen mehr.
(Dies ist das Amen der Hoffnung,
Wohlklingendes Schweigen der Ewigkeit.)
Doch das im Blut des Lammes gewaschene Kleid,
Doch der weiße Stein aus Schnee mit einem
neuen Namen,
Die Fächer, die Glocke und die Ordnung der
Klarheiten,
Und die Regenbogenleiter der Wahrheit.
Doch die Pforte, die spricht, und die Sonne,
die sich öffnet,
Der Glorienschein, einem zweiten Haupt
gleich, das erlöst,
Und die unauslöschliche Goldtinte im Buch;
Doch das von-Angesicht-zu-Angesicht und
die Liebe.
VI
Vous qui parlez en nous,
Vous qui vous taisez en nous,
Et gardez le silence dans votre Amour,
Vous êtes près, vous êtes loin,
Vous êtes la lumière et les ténèbres,
Vous êtes si compliqué et si simple,
Vous êtes infiniment simple.
L’arc-en-ciel de l’Amour, c’est vous,
L’unique oiseau de l’Éternité, c’est vous !
Elles s’alignent lentement, les cloches de la
profondeur.
VI.
Du, der Du sprichst in uns,
Du, der Du schweigst in uns,
Und Schweigen bewahrst in Deiner Liebe,
Du bist nah, Du bist fern,
Du bist das Licht und die Finsternis,
Du bist so viel- und einfältig,
Du bist unendlich einfach.
Der Regenbogen der Liebe bist Du,
Der einzige Vogel der Ewigkeit bist Du!
Sie treten langsam in einer Reihe an, die Glocken der Tiefe.
Drücke Dich wie ein Siegel auf mein Herz.
XII
Vous qui parlez en nous,
Vous qui vous taisez en nous,
Et gardez le silence dans votre Amour,
Enfoncez votre image dans la durée de mes jours.
XII.
Du, der Du sprichst in uns,
Du, der Du schweigst in uns,
Und Schweigen bewahrst in Deiner Liebe,
Drücke Dein Abbild in die Dauer meiner Tage ein.
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Oedipus Rex
KÖNIG ÖDIPUS
Text von Jean Cocteau nach Sophokles, Übertragung ins Lateinische von Jean Daniélou
Deutsche Übersetzung von Pascal Paul-Harang, Sprechertext aus Originalpartitur
PROLOGUE
PROLOG
NARRATEUR
Vous allez entendre une version latine
d’Œdipe-Roi. Afin de vous épargner tout effort
d’oreille et de mémoire et comme l’opéra-oratorio ne conserve des scènes qu’un certain aspect monumental, je vous rappellerai, au fur et
à mesure, le drame de Sophocle. Sans le savoir, Œdipe est aux prises avec les forces qui
nous surveillent de l’autre côté de la mort. Elles lui tendent, depuis sa naissance, un piège
que vous allez voir se fermer là. Voici le drame :
Thèbes se démoralise. Après le Sphinx, la peste. Le chœur supplie Œdipe de sauver sa ville.
Œdipe a vaincu le Sphinx ; il promet.
SPRECHER
Verehrtes Publikum! Man wird euch eine lateinische Version des König Ödipus vorführen. Eure Aufmerksamkeit und euer Gedächtnis sollen jedoch nicht unnötig angestrengt
werden. Auch gibt die oratorische Oper gewissermaßen nur ein lebendes Monumentalbild der Geschehnisse. Deshalb will ich euch
das Drama des Sophokles in die Erinnerung
zurückrufen. Ohne sich dessen bewusst zu
sein, kämpft Ödipus gegen die Mächte, die
uns aus dem Jenseits bedrohen. Seit seiner
Geburt haben sie ihn mit Schlingen umgarnt,
die sich jetzt – vor euren Augen – vollends zusammenziehen werden. Hier ist das Drama:
Theben ist demoralisiert. Auf die Sphinx folgte die Pest. Von Ödipus erfleht der Chor Errettung der Stadt. Ödipus, der die Sphinx besiegte, gelobt zu helfen.
ACTE I
ERSTER AKT
CHŒUR
Caedit nos pestis,
Theba peste moritur.
E peste serva nos, serva,
E peste qua Theba moritur.
CHOR
Wir werden von der Pest heimgesucht,
Theben stirbt an der Pest.
Rette uns von der Pest,
die Theben umbringt!
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Oedipus, Oedipus, adest pestis,
Caedit nos pestis.
Oedipus, e peste serva nos,
Serva, Oedipus,
E peste libera urbem, Oedipus,
E peste qua Theba moritur,
Urbem serva morientem,
Serva, urbem, serva...
Ödipus, die Pest ist da;
befreie die Stadt von der Pest,
rette die sterbende Stadt!
OEDIPE
Liberi, vos liberabo,
Liberabo vos, Vos, vos a peste.
Ego, clarissimus Oedipus,
Eg’Oedipus vos diligo.
Eg’Oedipus vos servabo.
ÖDIPUS
Ich will euch von der Pest befreien, Bürger.
Ich, der ruhmreiche Ödipus, liebe euch,
ich, Ödipus, werde euch retten.
CHŒUR
Serva, nos adhuc, serva urbem,
Oedipus, serva nos adhuc, Oedipus,
clarissime Oedipus,
Quid faciendum Oedipus,
Ut liberemur?
CHOR
Rette uns noch einmal,
Ödipus, rette die Stadt;
rette uns, erhabener Ödipus!
Was tun, o Ödipus,
uns zu erlösen?
OEDIPE
Uxoris frater mittitur,
Oraculum consulit,
Deo mittitur Creo
Oraculum consulit,
Quid faciendum consulit.
Creo ne commoretur.
ÖDIPUS
Der Bruder der Gattin wurde gesandt,
um das Orakel zu erkunden.
Kreon wurde zur Gottheit gesandt,
um das Orakel zu erkunden,
um zu erfahren, was zu tun ist.
Möge Kreon nicht mehr säumen!
CHŒUR
Vale, Creo! Audimus.
Vale, Creo! Cito, cito!
Audituri te salutant
CHOR
Sei gegrüßt, Kreon! Wir hören.
Heil dir, Kreon! Eile, eile!
Es grüßen dich alle, die deinen Worten lauschen.
NARRATEUR
Voici, Créon, beau-frère d’Œdipe. Il revient de
consulter l’oracle. L’oracle exige qu’on punisse
le meurtre de Laius. L’assassin se cache dans
Thèbes, il faut le découvrir coûte que coûte.
Œdipe se vante de son adresse à deviner les
énigmes. Il découvrira et chassera l’assassin.
SPRECHER
Sehet dort Kreon, des Ödipus Schwager! Er war
ausgesandt worden, den Orakelspruch zu erkunden. Das Orakel fordert Rache für die Ermordung
des Lajos. Der Mörder hält sich in Theben verborgen. Er muss um jeden Preis gefunden werden. Ödipus rühmt sich seiner Kunst im Rätsellösen – er wird den Mörder finden und vertreiben.
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CRÉON
Respondit deus:
„Laium ulcisci, scelus ulcisci;
Reperire peremptorem.
Thebis peremptor latet.
Latet peremptor regis,
Reperire opus istum.
Luere Thebas a labe.
Caedem regis ulcisci,
Regis Laii perempti.
Thebis peremptor latet.
Opus istum reperire,
Quem depelli deus jubet.
Jubet deus peremptorem depelli,
Peste inficit Thebas.“
Apollo dixit deus.
KREON
So sprach die Gottheit:
„Ich verlange Rache für Lajos,
ich räche den Mord!
Man soll den Mörder finden.
Der Mörder versteckt sich in Theben.
In Theben ist er untergetaucht,
man muss ihn ausfindig machen,
Theben vom Untergang retten,
den Königsmord rächen,
den ermordeten König Lajos!
Der Mörder versteckt sich in Theben.
man muss ihn ausfindig machen,
Die Gottheit will ihn verstoßen.
Die Pest befällt Theben.“
So sprach der Gott Apoll.
OEDIPE
Non reperias vetus scelus.
Thebas, Thebas eruam.
Thebis incolit scelestus.
ÖDIPUS
Nein, die alte Schuld wirst du nicht aufdecken:
ich werde Theben durchsuchen.
In Theben versteckt sich der Mörder.
CHŒUR
Deus dixit, tibi dixit.
CHOR
So sprach der Gott, er sagte es dir.
OEDIPE
Tibi dixit. Mici debet se dedere.
Opus vos istum deferre.
Thebas eruam.
Thebis pellere istum,
Vetus scelus non reperias.
ÖDIPUS
Gesprochen hat er zu euch.
Mir soll er sich ergeben,
und ihr werdet ihn richten.
Ich will Theben durchsuchen,
ihn aus Theben verstoßen.
Die alte Schuld könnt ihr nicht aufdecken.
CHŒUR
Thebis scelestus incolit.
CHOR
In Theben versteckt sich der Übeltäter.
OEDIPE
Deus dixit, dixit, dixit...
Sphynga solvi carmen, ego divinabo.
Iterum divinabo, clarissimus Oedipus.
Thebas iterum servabo,
Ego, eg’Oedipus carmen divinabo.
Polliceor divinabo.
ÖDIPUS
Der Gott hat gesprochen.
Ich habe die Sphinx besiegt,
habe ihr Rätsel erraten,
dieses werde ich auch erraten,
ich, hochberühmter Ödipus,
werde ich jetzt Theben retten.
Ich, Ödipus, will das Rätsel erraten.
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CHŒUR
Solve, solve, solve!
Solve, Oedipus, solve!
CHOR
Rate! Rate! Rate!
Rate, Ödipus, rate!
OEDIPE
Clarissimus Oedipus,
Polliceor divinabo.
ÖDIPUS
Ich, der hochberühmte Ödipus,
verspreche, das Rätsel zu lösen.
NARRATEUR
Œdipe interroge la fontaine de vérité : Tirésias, le devin. Tirésias évite de répondre. Il
n’ignore plus qu’Œdipe est joué par les dieux
sans cœur. Ce silence irrite Œdipe. Il accuse
Créon de vouloir le trône et Tirésias d’être
son complice. Révolté par cette attitude injuste, Tirésias se décide. La fontaine parle.
Voici l’oracle. L’assassin du roi est un roi.
SPRECHER
Ödipus befragt den Quell der Wahrheit: Teiresias, den Seher. Teiresias verweigert die Antwort. Er hat erkannt, dass die grausamen Götter Ödipus überlistet haben. Sein Schweigen
empört Ödipus. Er beschuldigt Kreon, die Herrschaft mit Hilfe des Teiresias an sich reißen zu
wollen. Ergrimmt ob solcher Verleumdung, beschließt Teiresias, nicht länger zu schweigen.
Der Quell spricht, und die Prophezeiung lautet:
Dem König gab ein König den Tod.
CHŒUR
Delie, expectamus,
Minerva, filia Iovis,
Diana in trono insidens,
Et tu, Phaebe insignis iaculator,
Succurite nobis!
Ut praeceps ales ruit malum
et premitur funere funus
et corpuribus corpora inhumata.
Expelle, expelle everte in mare
atrocem istum Martem
Qui nos urit inermis dementer ululans.
Et tu, Bacches,
cum taeda advola nobis
urens infamen inter deos deum.
Salve, Tiresias, Homo clare, vates!
Dic nobis quod monet deus,
dic cito, sacrorum docte, dic, dic!
CHOR
Wir erwarten den Spruch des Sehers.
Athena, Tochter des Zeus,
Artemis, du Thronende,
und du, pfeilabschnellender Apoll,
steht uns bei!
Die Hand des Unheils lastet schwer auf uns,
Sterben häuft sich auf Sterben
und Tod auf Tod.
Vertreibt aufs Meer
den Grauen einflößenden Mars,
der uns wehrlos jammernde Toren umbringt.
Und du, Bacchus, eile
mit deiner Fackel herbei,
verbrenne den schrecklichsten aller Götter.
Sei gegrüßt, Teiresias, du ruhmreicher Prophet!
Verkünde uns, was die Gottheit verlangt!
Sprich schnell, erhabener Seher, rede!
TIRÉSIAS
Dicere non possum, dicere non licet,
dicere nefastum,
Oedipus, non possum.
Dicere ne cogas!
TEIRESIAS
Ich will nichts verkünden,
ich darf nichts verkünden,
ich will kein Unheil verkünden;
Ödipus, ich kann nicht.
20
Cave ne dicam.!
Clarissime Oedipus,
tacere fas.
Erspare mir zu reden, hüte dich!
Ruhmreicher Ödipus,
lass mich schweigen!
OEDIPE
Taciturnitas t’accusat:
Tu peremptor, tu peremptor!
ÖDIPUS
Dein Schweigen klagt dich an:
Du bist der Mörder!
TIRÉSIAS
Miserande, dico,
quod me accusas, dico.
Dicam quod dixit deus;
nullum dictum celabo.
Inter vos peremptor est,
apud vos peremptor est,
Cum vobis est!
Regis est rex peremptor.
Rex cecidit Laium, rex cecidit regem.
Deus regem accusat;
peremptor, peremptor rex!
Opus Thebis pelli, Thebis pelli regem.
Rex scelestus urbem foedat,
Rex peremptor regis est.
TEIRESIAS
Unglückseliger! Dann will ich reden!
Da du mich beschuldigst, will ich reden
und verkünden, was die Gottheit sprach,
nichts verschweigen, alles sagen!
Unter euch ist der Mörder,
unter euch ist er zu finden,
bei euch lebt er, der Mörder!
Der Königsmörder ist ein König.
Ein König hat Lajos getötet,
ein König hat einen König umgebracht.
Die Gottheit klagt jenen König an!
Der Mörder ist ein König!
Theben muss ihn, den König, vertreiben,
der die Stadt entweiht, der Ruchlose!
Der Mörder des Königs ist ein König.
OEDIPE
Invidia fortunam odit.
Creavistis me regem!
Servavit vos carminibus
et creavistis me regem.
Solvendum carmen cui erat?
Tibi, tibi, homo clare, vates;
a me solutum est
et creavistis me regem.
Invidia fortunatam odit.
Nunc vult quidam munus meum.
Creo vult munus regis.
Stipendiarius es, Tiresia!
Hoc facinus ego solvo!
Creo vult rex fieri.
Quis liberavit vos carminibus?
Amici, amici! eg’Oedipus clarus, ego.
Invidia fortunam odit.
Volunt regem perire,
ÖDIPUS
Glück ist dem Neid verhasst.
Ihr habt mich zum König gewählt!
Ich habe euch von der Sphinx befreit,
und ihr habt mich zum König ernannt.
Das Rätsel, wer hat das Rätsel erraten?
Du etwa, kluger Seher?
Nein! Ich habe es gelöst,
drum habt ihr mich zum König gewählt.
Glück ist dem Neid verhasst.
Nun trachtet jemand nach meinem Thron?
Kreon will König werden?
Du bist mir untertan, Teiresias!
Und ich werde eure Pläne vereiteln!
Kreon will König werden.
Wer hat euch von der Sphinx gerettet?
Freunde! Ich, der hochberühmte Ödipus, habe
es getan!
Glück ist dem Neid verhasst.
21
vestrum regem perire,
clarum Oedipodem, vestrum regem.
Man will den König stürzen,
euren König eliminieren,
den ruhmreichen Ödipus!
CHŒUR
Gloria, gloria, gloria!
Laudibus, regina Iocasta
in pestilentibus Thebis.
Gloria, gloria, gloria!
In pestilentibus Thebis,
laudibus, regina nostra!
Gloria, gloria, gloria!
Laudibus Oedipus uxor.
CHOR
Ehre, ehre, Ehre!
Gepriesen sei die Königin Jokaste
im pestverseuchten Theben
Ehre, ehre, Ehre!
Im pestverseuchten Theben
preisen wir unsere Königin Jokaste
Ehre, ehre, Ehre!
preisen wir die Gattin des Ödipus.
ACTE II
ZWEITER AKT
NARRATEUR
La dispute des princes attire Jocaste. Vous
allez l’entendre les calmer, leur faire honte de
vociférer dans une ville malade. Elle ne croit
pas aux oracles. Elle prouve que les oracles
mentent. Par exemple on avait prédit que Laius mourrait par un fils d’elle ; or Laius a été
assassiné par des voleurs au carrefour des
trois routes de Daulie et de Delphes. Trivium !
Carrefour ! Retenez bien ce mot. Il épouvante
Œdipe. Il se souvient qu’arrivant de Corinthe,
avant sa rencontre avec le sphinx, il a tué un
vieillard au carrefour des trois routes. Si c’est
Laius, que devenir ? Car il ne peut retourner à
Corinthe, l’oracle l’ayant menacé de tuer son
père et d’épouser sa mère. Il a peur.
SPRECHER
Der Streit der Fürsten ruft Jokaste herbei. Ihr
werdet hören, wie sie sie zu beschwichtigen
trachtet, wie sie sie ermahnt, nicht so lästerliche
Reden zu führen in der heimgesuchten Stadt. Sie
glaubt nicht an Prophezeiungen, sie beweist,
dass Prophezeiungen lügen. Hatte man nicht geweissagt, Lajos würde durch die Hand ihres Sohnes fallen? Und doch erschlugen Räuber den Lajos, an jenem Kreuzweg, wo die drei Straßen von
Daulia und Delphi zusammentreffen. Trivium!
Kreuzweg! Merkt euch wohl dies Wort, das Ödipus furchtsam erschauern lässt. Er erinnert sich:
An eben jenem Kreuzweg, damals, als er aus Korinth kam – kurz bevor er die Sphinx erblickte –,
ermordete er einen Greis. Was nun, wenn es Lajos war? Nach Korinth kann er nicht zurückkehren, weil ihn dort die Prophezeiung bedroht: er
werde seinen Vater umbringen und seine Mutter
zum Weibe nehmen. Ihn erfasst Angst.
JOCASTE
Nonn’ erubescite, reges,
clamare, ululare in aegra urbe
domesticis altercationibus?
Reges, nonn’ erubescite?
JOKASTE
Schämt ihr euch nicht, ihr Fürsten,
In der kranken Stadt so herumzuschreien,
euch so laut privat zu streiten?
Schämt ihr euch nicht, so laut
22
Clamare, vestros domesticos clamores?
Nonn’ erubescite altercationibus, reges,
coram omnibus clamare?
Ne probentur oracula.
quae semper mentiantur.
Cui rex, cui rex interficiendus est?
Nato meo.
Age, rex peremptus est.
Laius in trivio mortuus,
Ne probentur oracula,
quae semper mentiantur.
in der sterbenden Stadt zu streiten?
So vor dem Volk zu streiten,
so laut euch zu zanken,
zu schreien in der gepeinigten Stadt?
Fürsten, schämt ihr euch nicht?
Wie sollten sich die Orakel erfüllen,
sie lügen doch immer!
Wie sollten sich die Orakel erfüllen,
Stets haben sie uns betrogen.
Wer hätte den König umbringen sollen?
Mein Sohn.
Der König wurde in der Tat erschlagen.
Lajos starb an einem Kreuzweg.
Wie sollten sich die Orakel erfüllen,
sie lügen doch immer!
CHŒUR
Trivium. Trivium, trivium etc.
CHOR
An einem Kreuzweg, an einem Kreuzweg!
OEDIPE
Pavesco subito, Iocasta.
Pavesco, maxime pavesco.
Iocasta, Iocasta audi:
locuta es de trivio?
Ego senem cecidi.
Cum Corintho excederem,
cecidi in trivio,
cecidi, Iocasta, senem.
ÖDIPUS
Plötzlich ergreift mich ein Schreck, Jokaste,
Eine große Angst erfasst mich.
Jokaste, Jokaste, höre:
Hast du von einem Kreuzweg gesprochen?
Einen Greis habe ich erschlagen,
als ich von Korinth herkam,
an einem Kreuzweg habe ich ihn erschlagen;
einen Greis, Jokaste, habe ich umgebracht.
JOCASTE
Oracula mentiuntur,
semper oracula mentiuntur.
Oedipus, cave oracula quae mentiantur...
Oracula mentiantur...
Domum cito redeamus,
Cave oracula!
JOKASTE
Die Orakel lügen,
sie lügen immer, die Orakel.
Ödipus, hüte dich vor den Orakeln,
die immer lügen.
Lass uns schnell nach Hause,
hüte dich vor den Orakeln!
OEDIPE
Pavesco, maxime pavesco,
pavesco subito, Iocasta.
Pavor magnus, Iocasta, in me inest.
Subito pavesco, uxor Iocasta, pavesco...
...Iocasta!
ÖDIPUS
Angst, eine große Angst erfasst mich,
plötzlich ergreift mich ein Schreck, Jokaste,
ein tiefes Grauen bedrückt mich, Jokaste,
plötzlich ergreift mich ein Schreck, Jokaste,
ich habe Angst… Jokaste!
23
JOCASTE
Oraculo mentiantur...
Oedipus, cave oracula.
Domum cito redeamus.
JOKASTE
Die Orakel lügen…
Ödipus, hüte dich vor den Orakeln,
lass uns schnell nach Hause
OEDIPE
Pavesco maxime,...
Iocasta!
Nam in trivio cecidi...
ÖDIPUS
Angst, eine große Angst erfasst mich…
Jokaste!
Denn an einem Kreuzweg habe ich…
JOCASTE
Domum, domun...
Cito redeamus.
Cave oracula Oedipus.
Cave oracula
quae semper mentiantur.
JOKASTE
Nach Hause, nach Hause…
lass uns schnell nach Hause.
Hüte dich vor den Orakeln, Ödipus,
sie lügen immer.
Hüte dich vor den Orakeln, sie lügen immer.
OEDIPE
...senem cecidi.
Pavor magnus...
Volo consulere...
ÖDIPUS
… habe ich einen Greis umgebracht.
Ein tiefes Grauen …
Ich will ins Gespräch kommen …
JOCASTE
Non est consulendum...
JOKASTE
Du sollst nicht sprechen …
OEDIPE
... consulendum est, Iocasta.
Volo videre pastorem.
Sceleris superest spectator.
Iocasta, consulendum, volo consulere.
ÖDIPUS
Ich muss sprechen, Jokaste,
Ich will den Hirten sehen,
er lebt noch, der Zeuge des Frevels.
Jokaste, ich muss mit ihm ins Gespräch kommen.
NARRATEUR
Le témoin du meurtre sort de l’ombre. Un messager annonce à Œdipe la mort de Polybe et
lui révèle qu’il n’était que son fils adoptif. Jocaste comprend. Elle tente de tirer Œdipe en
arrière. Elle se sauve. Œdipe la croit honteuse
d’être une femme de parvenu. Cet Œdipe, si
fier de deviner tout ! Il est dans le piège. Il est
le seul à ne pas s’en apercevoir. La vérité le
frappe sur la tête. Il tombe. Il tombe de haut.
SPRECHER
Der einzige Zeuge der Mordtat, ein Hirte, tritt
aus seiner Verborgenheit hervor. Ein Bote meldet Ödipus den Tod des Polybos und offenbart
ihm, dass jener nur sein Pflegevater war. Jetzt
begreift Jokaste alles. Sie versucht, Ödipus mit
sich zu ziehen, sie eilt fort. Ödipus glaubt, sie
schäme sich, das Weib eines Emporkömmlings
zu sein. Dieser Ödipus, der so stolz darauf war,
jedes Rätsel erforschen zu können: Er ist in der
Falle, und nur er allein merkt es nicht! Die Wahrheit zerschmettert ihn. Er stürzt – er stürzt hinab
in die Tiefe.
24
CHŒUR
Adest omniscius pastor,
Omniscius pastor et nuntius horribilis.
CHOR
Hier kommt der Hirte, der alles weiß.
Der Hirte, der alles weiß und der Bote mit
furchtbarer Kunde.
MESSAGER
Mortuus est Polybus.
Senex mortuus Polybus.
Polybus non genitur...
...non genitor Oedipodis;
a me ceperat Polybus,
eg’attuleram regi.
DER BOTE
Polybos ist tot.
Tot ist der Greis Polybos.
Polybos war nicht sein Vater.
… der Ödipus nicht zeugte!
Polybos nahm ihn von mir in Empfang,
ich brachte ihn dem König.
CHŒUR
Mortuus est Polybus.
Mortuus senex Polybus.
Verus non fuerat pater Oedipodis.
Falsus pater per te!
CHOR
Er war nicht der wahre Vater des Ödipus.
Nur durch dich wurde er sein Vater!
MESSAGER
Falsus pater per me!
Reppereram in monte
puerum Oedipoda derelictum,
in monte parvulum Oedipoda,
foratum pedes, vulneratum pedes,
parvulum Oedipoda.
Reppereram in monte.
Attuleram pastori puerum Oedipoda.
DER BOTE
In den Bergen fand ich
den kleinen ausgesetzten Ödipus,
den kleinen Ödipus in den Bergen,
die Füße von Fesseln durchbohrt,
den kleinen Ödipus
dn den Bergen fand ich
den kleinen Ödipus und gab ihn dem Hirten.
CHŒUR
Resciturus sum monstrum,
monstrum resciscam.
Deo claro, Oedipus natus est.
Deo et nympha
montium in quibus repertus est.
Resciturus sum monstrum.
CHOR
Schreckliches erfahren wir,
schreckliches sollen wir hören.
Von einem großen Gott wurde Ödipus geboren,
von einem Gott und einer Nymphe
im Gebirge, wo man ihn fand.
Schreckliches erfahren wir.
BERGER
Oportebat tacere,
nunquam loqui.
Sane repperit parvulum Oedipoda.
A patre, a matre in monte derelictum,
pedes laqueis foratum.
Utinam ne diceres;
hoc semper celandum inventum,
DER HIRT
Schweigen wäre besser gewesen
und nie ein Wort zu sprechen.
Es stimmt, er hat den kleinen Ödipus gefunden,
Von Vater und Mutter in den Bergen ausgesetzt,
mit durchbohrten, gefesselten Füssen.
Hättest du doch verschwiegen,
25
esse in monte derelictum parvulum.
Parvum Oedipoda.
Oportebat tacere nunquam loqui.
was auf immer geheim bleiben sollte:
Dass der Knabe in den Bergen ausgesetzt wurde,
der kleine Ödipus.
Schweigen wäre besser gewesen und nie ein
Wort zu sprechen.
OEDIPE
Nonne monstrum rescituri,
quis Oedipus?
Genus Oedipodis sciam.
Pudet Iocastam, fugit,
pudet, pudet Oedipi exulis,
Pudet Oedipodis generis.
Sciam Oedipodis genus, genus meum.
Nonne monstrum rescituri,
Genus exulis mei.
Ego exul exsulto.
ÖDIPUS
Ist das nicht schrecklich, wenn du sagst,
wer Ödipus sei?
Lass mich erfahren, wessen Sohn Ödipus ist.
Jokaste schämt sich, sie flieht,
sie schämt sich Ödipus’, des Heimatlosen,
sie schämt sich des Ödipus Herkunft.
Lass mich meine Herkunft wissen.
Nichts Schreckliches erzählst du,
ich will wissen, wer mich ausgesetzt hat.
Ich, der Ausgesetzte, freue mich.
BERGER, MESSAGER
In monte reppertus est,
a matre derelictus,
in montibus repperimus.
Laio Iocastaque natus!
DER HIRT UND DER BOTE
Man hat ihn in den Bergen gefunden,
ausgesetzt von seiner Mutter,
wir haben ihn in den Bergen gefunden.
Das Kind von Lajos und Jokaste!
CHŒUR
Natus Laio et Iocasta!
CHOR
Das Kind von Lajos und Jokaste!
BERGER, MESSAGER
Peremptor Laii parentis!
DER HIRT UND DER BOTE
Der Mörder von Lajos, seinem Vater!
BERGER, MESSAGER, CHŒUR
Coniux Iocastae parentis!
DER HIRT, DER BOTE, CHOR
Gatte des Jokaste, seiner Mutter!
BERGER, MESSAGER
Utinam ne diceres,
Oportebat tacere,
Nunquam dicere istud:
DER HIRT UND DER BOTE
Hättest du nie davon gesprochen?
Schweigen wäre besser gewesen
und nie davon zu sprechen.
BERGER, MESSAGER, CHŒUR
A Iocasta derelictum in monte
reppertus est.
OEDIPE
Natus sum quo nefastum est,
concubui qui nefastum est,
HIRTE, BOTE und CHOR
Von Jokaste wurde er ausgesetzt,
er, den wir im Gebirge fanden,
ÖDIPUS
Ein Unheil ist meine Herkunft,
ein Unheil ist mein Bett,
26
cecidi quem nefastum est.
Lux facta est!
ein Unheil ist der Mord, den ich beging.
Alles kommt ans Licht!
NARRATEUR
Et maintenant, vous allez entendre le monologue illustre „La tête divine de Jocaste est
morte“, monologue où le messager raconte la
fin de Jocaste. Il peut à peine ouvrir la bouche. Le chœur emprunte son rôle et l’aide à
dire comment la reine s’est pendue et comment Œdipe c’est crevé les yeux avec son
agrafe d’or. Ensuite c’est l’épilogue. Le roi est
pris. Il veut se montrer à tous, montrer la bête
immonde, l’inceste, le parricide, le fou. On le
chasse avec une extrême douceur. Adieu,
adieu, pauvre Œdipe ! Adieu Œdipe ; on
t’aimait.
SPRECHER
Jetzt werdet ihr den berühmten Monolog hören „Tot ist Jokastens göttliches Haupt“, den
Monolog, worin der Bote Jokastens Ende
schildert. Kaum vermag er die Lippen zu bewegen. Der Chor übernimmt seine Rolle und erzählt an seiner statt, wie sich Jokaste erhängte, wie Ödipus sich mit ihrer goldenen Spange
die Augen ausstach. Nun folgt der Epilog. Der
König ist vernichtet. Er will, dass ihn alle sehen, ihn, den fluchbeladenen Frevler, den Blutschänder, den Vatermörder, den Wahnwitzigen. Schweren Herzens vertreibt man ihn. Leb
wohl, Ödipus, wie sehr hat man dich geliebt!
MESSAGER
Divum Iocastae caput mortuum!
DER BOTE
Die Königin Jokaste ist tot!
CHŒUR
Mulier in vestibulo comas lacerare.
Claustris occludere fores, exclamare.
Et Oedipus irrumpere et pulsare,
pulsare, ululare.
CHOR
In ihrem Gemach rauft sich das Weib das Haar.
Sie verriegelt die Türen und jammert.
Und Ödipus schlägt gegen die Türen,
er schlägt und schreit.
MESSAGER
Divum Iocastae caput mortuum!
DER BOTE
Die Königin Jokaste ist tot!
CHŒUR
Et ubi evellit claustra.
Suspensam mulierem
omnes conspexerunt.
Et Oedipus praeceps ruens
illam exsolvebat, illam collacabat
et aurea fibula et avulsa fibula.
Oculos effodire. Ater sanguis rigare.
CHOR
Als er die Tür aufbricht,
sehen sie alle die Frau dort hängen:
Ödipus stürzt sich auf sie,
befreit sie von der Schlinge, legt sie hin.
Mit einer goldenen Spange aus ihrem Gewand
sticht er sich die Augen aus.
Zur Erde tropfet, ein schwarzes Blut fließt.
MESSAGER
Divum Iocastae caput mortuum!
CHŒUR
Sanguis ater rigabat, prosiliebat;
et Oedipus exclamare et sese detestare,
DER BOTE
Die Königin Jokaste ist tot!
CHOR
Ein schwarzes Blut fließt und tränkt den Boden.
Und Ödipus schreit und verflucht sich selbst.
27
Omnibus se ostendere.
Aspicite fores, fores aspicite pandere,
aspicite spectaculum
omnium atrocissimum.
Allen will er sich zeigen.
Seht das Tor, das Tor öffnet sich!
Seht das Bild,
das schrecklichste aller Bilder!
MESSAGER
Divum Iocastae caput mortuum!
DER BOTE
Die Königin Jokaste ist tot!
CHŒUR
Ecce! Regem Oedipoda,
foedissimum monstrum monstrat.
Foedissimam beluam.
Ellum, regem occaecatum!
Rex parricida, miser Oedipus.
Miser rex Oedipus carminum coniector.
Adest, adest! Ellum! Regum Oedipoda!
Vale, Oedipus! Te amabam, te miseror.
Miser Oedipus, oculos tuos deploro.
Vale, miser Oedipus noster.
Te amabam, Oedipus.
Tibi valedico.
CHOR
Seht! Ödipus, der König!
Er zeigt sich als abstoßendes Ungeheuer,
als abstoßendes Tier!
Seht den geblendeten König!
Du königlicher Vatermörder, unglückseliger
Ödipus,
unglückseliger König Ödipus, der Rätselrater!
Da! Da! Seht den König Ödipus!
Leb wohl, Ödipus! Wir haben dich geliebt, wir
beklagen dich.
Armer Ödipus, wir weinen um dein Augenlicht.
Leb wohl, Ödipus, unser unglücklicher Ödipus,
Wir haben dich geliebt, Ödipus.
Wir nehmen Abschied von dir.
28
Nathalie Forget Ondes Martenot
Miho Uchida Klavier
Nathalie Forget studierte Ondes Martenot
bei Valérie Hartmann-Claverie und wurde
zum Abschluss mit dem 1. Preis am Konservatorium in Paris ausgezeichnet. Als Solistin
auf diesem frühen Beispiel elektronischer
Musikinstrumente spielte sie mit Orchestern
wie dem NDR Sinfonieorchester Hamburg,
dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden
und Freiburg, dem BBC Scottish Symphony
Orchestra, dem RAI National Symphony
Orchestra oder dem Orchestre Philharmonique de Radio France unter Dirigenten
wie Peter Rundel, Hans Zender, Sylvain
Cambreling, Simone Young, Pierre Boulez
und Myung-Whun Chung. Neben Auftritten
in klassischen Konzerten experimentiert
sie mit neuen Kunstformen und kombiniert
ihre Musik mit Fotografie, Performance und
Kunst-Installationen. Daneben ist sie auch
Mitglied in der experimentellen Rock-Band
Ulan Bator, die jüngst durch Europa und
die USA tourte. In einem weiteren Studium
beschäftigte sie sich musikphilosophisch mit
dem Werk Olivier Messiaens.
Miho Uchida besuchte 1989 – 92 die
Oberschule der Universität für Kunst und
Musik Tokio, studierte dort anschließend
im Hauptfach Klavier und graduierte 1999
als Magister. Bis 2002 absolvierte sie ein
Studium der Musik, Schwerpunkt Klavier, bei
Kalle Randalu an der HfM in Karlsruhe und
bestand das abschließende Konzertexamen
mit Auszeichnung. Sie ist Preisträgerin bei
zahlreichen Klavierwettbewerben, u. a. beim
11. Internationalen Wettbewerb „A.M.A
Calabria“ (Italien 2001), beim 22. Internationalen Wettbewerb „Ettore Pozzoli“ (Italien
2001). Seit 2002 ist sie als Solo-Korrepetitorin am STAATSTHEATER KARLSRUHE
tätig und wurde im Folgejahr Mitglied des
dortigen Opernstudios. Gleichzeitig bekam
sie einen Lehrauftrag an der HfM Karlsruhe
als Streicherkorrepetitorin. Neben ihren regelmäßigen Auftritten mit der BADISCHEN
STAATSKAPELLE tritt sie als Solistin bei
Konzerten und Klavierabenden unter anderem in Japan, Deutschland, Italien, Belgien
und Estland auf.
29
Matthias Wohlbrecht Oedipus
Ks. Ewa Wolak Jokaste
Matthias Wohlbrecht studierte in Würzburg
und nahm Unterricht in Mailand, wo er 1997
in den Opernchor der Scala aufgenommen
wurde. Beim Festival der Kammeroper
Schloss Rheinsberg 1998 gab er sein Debüt
als Pedrillo in Die Entführung aus dem Serail.
Es folgte ein Engagement nach Rostock, 1999
wechselte er nach Darmstadt und war u. a.
als Hexe in Hänsel und Gretel und Franz in
Les contes d’Hoffmann zu hören. Als Ensemblemitglied in Mannheim konnte man ihn ab
2001 u. a. als Walther von der Vogelweide in
Tannhäuser, Steuermann in Der fliegende
Holländer und Hauptmann in Wozzeck erleben. Seit 2004/05 ist er am STAATSTHEATER
KARLSRUHE engagiert. 2007 debütierte
Wohlbrecht als Pong am Teatro La Fenice in
Venedig, 2008 sang er am Teatro Petruzzelli in
Bari den Loge und 2010 die Partie des Mime
im Siegfried. 2011 debütierte er als Herodes
in Triest. 2013/14 singt er u. a. Eisenstein
in Die Fledermaus und Schuiski in Boris
Godunow.
Ewa Wolak erhielt ihre Ausbildung in Gesang und Bratsche an der Musikakademie
Krakau sowie an der HfM in Karlsruhe. Sie
ist Preisträgerin verschiedener Wettbewerbe, u. a. der „International Vocal Competition s´Hertogenbosch“ und des „Maria
Callas Grand Prix“ in Athen. 1998 wurde sie
mit dem Kulturpreis der EU ausgezeichnet.
Konzerte führten sie nach Südkorea, Israel,
Japan, in die USA sowie zu zahlreichen
Festivals. So sang sie u. a. auf Einladung von
Krzystof Penderecki bei der „European Chimey Foundation“ in Belgien, dem Warschauer Herbst, den Tiroler Wagner-Festspielen
in Erl sowie dem Vilnius Festival. Außerdem
nahm sie an den internationalen HändelFestspielen in Göttingen, Halle und Karlsruhe teil und gastierte am Nationaltheater
Mannheim, der Opéra Montpellier und der
Komischen und Deutschen Oper Berlin. Seit
1998 ist die Kammersängerin am STAATSTHEATER KARSLRUHE engagiert. 2013/14
singt sie u. a. Ulrica in Ein Maskenball.
30
Renatus Meszar Kreon & Bote
Luiz Molz Tiresias
Der studierte Kirchenmusiker gab sein
Operndebüt während des Studiums bei
der Münchner Biennale 1990. Von 1992 bis
1995 war er Mitglied des NDR-Rundfunkchores, bevor er 1995 ans Staatstheater
Braunschweig engagiert wurde. Dort
sang u. a. den Sarastro in Die Zauberflöte, Don Alfonso in Così fan tutte sowie
den Don Basilio im Barbiere di Siviglia.
Mit der Spielzeit 2006/07 wechselte der
Preisträger mehrerer internationaler
Gesangswettbewerbe ans Nationaltheater Weimar, wo er u. a. im Ring als Fasolt,
Wotan, Wanderer und Hagen zu hören
war. Ab der Spielzeit 2010/11 war Meszar
Ensemblemitglied der Oper Bonn und ist
seit Beginn der Saison 2012/13 fest am
STAATSTHEATER KARLSRUHE engagiert.
In der Spielzeit 2013/14 ist er als General
Groves in Doctor Atomic, in der Titelpartie
in Der Fliegende Holländer und als Hans
Sachs in Die Meistersinger von Nürnberg
zu hören.
Luiz Molz wurde 1969 als Sohn einer
Musikerfamilie in Brasilien geboren. Der
Bass nahm bereits während des Studiums
an Musikfestivals in seinem Heimatland teil
und gelangte durch ein Stipendium der brasilianischen Regierung nach Deutschland.
Der Preisträger mehrerer Wettbewerbe –
u. a. 1. Preis beim Internationalen Wettbewerb „Junge Solisten“ – sang zunächst in
Stuttgart, u. a. Der gestiefelte Kater von
Cesar Cui, vom Staatstheater Stuttgart auf
einer CD veröffentlicht. Ab 1999 war er am
Theater Freiburg engagiert, 2001 kam er ins
Karlsruher Ensemble. Konzertverpflichtungen und Gastspiele führten ihn nach Bonn,
an die Deutsche Oper am Rhein, Darmstadt,
Dresden, Essen, Freiburg, Kaiserslautern,
Köln, Mannheim und Ulm sowie nach
Kroatien, Bosnien, Estland, Luxemburg,
Schweiz, Slowenien, Südkorea und Brasilien. 2013/14 ist er als Daland in Der Fliegende Holländer, Graf Horn in Ein Maskenball
und als Figaro zu hören.
31
Steven Ebel Hirte
Gunnar Schmidt Sprecher
Als Teilnehmer des Jette Parker Young
Artists Programme am Royal Opera House
in London debütierte er 2009 als Victorin/
Gaston in Korngolds Die tote Stadt. In der
Spielzeit 2010/11 sang er den Jaquino in
Fidelio, Messaggiero in Aida und Heinrich
der Schreiber in Tannhäuser. Zudem war
er unter Lorin Maazel als Quint in The Turn
of the Screw beim Castleton Festival zu
hören. Es folgten Tamino in Die Zauberflöte
am Cleveland Institute of Music sowie Jimmy Mahoney in Aufstieg und Fall der Stadt
Mahagonny am Tanglewood Music Centre,
eine Rolle, für die er auch in Livorno, Lucca,
Pisa und Ravenna engagiert war. Seine
erste Einspielung bei Naxos war die Rolle
des Frantz Wolf in Louis Karchins Romulus. Seit der Spielzeit 2011/12 ist er am
STAATSTHEATER KARLSRUHE engagiert.
In der Spielzeit 2013/14 singt er u. a. Steuermann in Der fliegende Holländer, Robert
Wilson in Doctor Atomic und Don Basilio in
Die Hochzeit des Figaro.
Gunnar Schmidt wurde 1966 in Kiel geboren. Beinahe wäre er Heilpädagoge oder
Tischler geworden, entschied sich dann
aber für eine Schauspielausbildung in
Hamburg. Zunächst spielte er im Schmidts
Tivoli an der Hamburger Reeperbahn in
Marlene Jaschke ist Carmen und gastierte am Deutschen Schauspielhaus. Sein
erstes Festengagement führte ihn an die
Landesbühne Niedersachsen Nord in Wilhelmshaven. Dann ging es unaufhaltsam in
den Süden, den er nach eigener Aussage
mittlerweile trotz des Mangels an Wind
und Wasser für die langen Sommer lieben
gelernt hat. Weitere berufliche Stationen
waren das Theater „Die Tonne“ in Reutlingen, die Städtische Bühnen in Münster
und das Landestheater in Tübingen. Seit
2002 ist der Vater von vier Kindern am
STAATSTHEATER KARLSRUHE engagiert.
2013/14 ist er u. a. in Aus, Dantons Tod,
Alice und Richtfest sowie in mehreren
Kinderkonzerten auf der Bühne zu erleben.
32
Justin brown
Dirigent
Justin Brown studierte in Cambridge und
Tanglewood bei Seiji Ozawa und Leonard
Bernstein und arbeitete später als Assistent
bei Leonard Bernstein und Luciano Berio.
Als Dirigent debütierte er mit der gefeierten
britischen Erstaufführung von Bernsteins
Mass. Für seine Programmgestaltung beim
Alabama Symphony Orchestra, wo er fünf
Spielzeiten als Chefdirigent wirkte, wurde er
drei Mal mit dem ASCAP-Award ausgezeichnet. Auf Einladung des renommierten „Spring
for Music Festival“ dirigierte er 2012 das
Orchester in der Carnegie Hall. Brown leitete
zahlreiche Uraufführungen und dirigierte
wichtige Stücke bedeutender Zeitgenossen
wie Elliott Carter und George Crumb. Er musizierte zudem mit namhaften Solisten wie
Yo-Yo Ma, Leon Fleisher und Joshua Bell.
Zahlreiche Gastengagements führten ihn an
renommierte Opernhäuser und zu Orchestern weltweit, in Deutschland u. a. an die
Bayerische Staatsoper München und zu den
Dresdner Philharmonikern. Komplettiert wird
sein Erfolg durch viele CD-Einspielungen,
2006 wurde er für einen Grammy nominiert.
Als Generalmusikdirektor am STAATSTHEATER KARLSRUHE, der er seit 2008
ist, wird Brown v. a. für seine Dirigate von
Wagners Ring sowie den Werken Berlioz’,
Verdis und Strauss’ gefeiert. Unter seiner
Leitung stehen auf dem facettenreichen
Konzertspielplan Werke wie Amériques von
Edgar Varèse, Mahlers 9. Sinfonie oder die
Gurre-Lieder von Schönberg. Gemeinsam mit
seinem Team erhielt er hierfür die Auszeichnung „Bestes Konzertprogramm 2012/13“.
33
BADISCHER
STAATS-
OPERNCHOR
Sopran
Gilda Cepreaga
Kerstin Gorny
Cornelia Gutsche
Nicole Hans
Ilka Kern
Sang-Hee Kim
Masami Sato
Krystyna Szkwarkowska
Yuki Nakashima a. G.
Maike Etzold
Andrea Huber
Elena Korenzwit
Dagmar Landmann
Ks. Julia Mazur
Camelia Tarlea
Tenor
Doru Cepreaga
Arno Deparade
Ks. Johannes Eidloth
Jan Heinrich Kuschel
Sae-Jin Oh
Rudolf E. Stache
Marian Szkwarkowski
Hans-Hermann Bauer
Peter Herrmann
Thomas Krause
Jinhyuk Lee a. G.
Jong-Won Lee
Andreas von Rüden
34
Alt
Ulrike Gruber
Elke Hatz
Uta Hoffmann
Sabine Lotz-Warratz
Emma Martjan
Claudia Nissen
Susanne Schellin
Ursula Hamm-Keller
Katarzyna Kempa
Hemi Kwoun
Unzu Lee-Park
Christiane Lülf
Cecilia Tempesta
Bass
Marcelo Angulo
Martin Beddig
Kwang-Hee Choi
Wolfram Krohn
Thomas Rebilas
Dieter Rell
Alexander Huck
Jeong-Gil Kim
Andrey Netzner
Dmitrij Polesciukas
Markku Tervo
EXTRACHOR
BADISCHEN DES
Sopran
Christine Bartelmetz
Armine Eberle
Sarah Franke
Desireé Ganter
Melitta Giel
Dominique Lerch
Gesa Salemke
Petra Wagenblatt
Claudia Fuchs
Yumiko Kuwahata
Martina Layer
Renate Traub
Joanna Weissner
Tenor
Jochen Biesalski
Gerd Brenner
Vincenzo Buono
Hans-Jürgen Heinrich
Dietmar Hellmann
Horst Jödicke
Wolfgang Müller
Hans Ochsenreither
Frank Pesci
Stefan Pikora
Stefan Tiede
Hiroshi Ueno
Aurélien Valicon
STAATSTHEATERS
Alt
Lara Cieply
Dorothea Hennig
Susanne Mangold
Anja Weber
Christina Höpfner
Elisabeth Klingner
Elisabeth Knorre
Brigitte Köhne
Wilgard Schäfer
Karen Schmitt
Uta Schneider
Eva Wasmer
Bass
Dr. Martin Blumhofer
Tobias Flick
Bruno Hartmeier
James Kim
Jürgen Kircher
Dmitri Klenin
Tom Kohler
Hans-Jürgen Köhler
Werner Lebrecht
Raphael Müller
Niels von der Osten-Sacken
Sándor Puskás
Folker Sesemann
Andreas Sevkić
Albert Süß
Clemens Werner
Erwin Wild
Peter Woidelko
35
die
badische
staatskapelle
Als sechstältestes Orchester der Welt kann
die BADISCHE STAATSKAPELLE auf eine
überaus reiche und gleichzeitig gegenwärtige Tradition zurückblicken. 1662 als
Hofkapelle des damals noch in Durlach residierenden badischen Fürstenhofes gegründet, entwickelte sich aus dieser Keimzelle
ein Klangkörper mit großer nationaler und
internationaler Ausstrahlung. Berühmte
Hofkapellmeister wie Franz Danzi, Hermann
Levi, Otto Dessoff und Felix Mottl leiteten
zahlreiche Ur- und Erstaufführungen, z. B.
von Hector Berlioz, Johannes Brahms und
Béla Bartók, und machten Karlsruhe zu
einem der Zentren des Musiklebens. Neben
Brahms standen Richard Wagner und
Richard Strauss gleich mehrfach am Pult
der Hofkapelle; Niccolò Paganini, Clara
Schumann und viele andere herausragende Solisten waren gern gehörte Gäste.
Hermann Levi führte 1856 die regelmäßigen
Abonnementkonzerte ein, die bis heute als
Sinfoniekonzerte der BADISCHEN STAATSKAPELLE weiterleben.
Allen Rückschlägen durch Kriege und
Finanznöten zum Trotz konnte die Tradition des Orchesters bewahrt werden.
Generalmusikdirektoren wie Joseph Keil36
berth, Christof Prick, Günther Neuhold
und Kazushi Ono führten das Orchester in
die Neuzeit, ohne die Säulen des Repertoires zu vernachlässigen. Regelmäßig
fanden sich zeitgenössische Werke auf
dem Programm; Komponisten wie Werner
Egk, Wolfgang Fortner oder Michael
Tippett standen sogar selbst vor dem
Orchester, um ihre Werke aufzuführen.
Die große Flexibilität der BADISCHEN
STAATSKAPELLE zeigt sich auch heute
noch in der kompletten Spannweite zwischen Repertoirepflege und der Präsentation zukunftsweisender Zeitgenossen,
exemplarisch hierfür der Name Wolfgang
Rihm. Der seit 2008 amtierende Generalmusikdirektor Justin Brown steht ganz
besonders für die Pflege der Werke
Wagners, Berlioz’, Verdis und Strauss’
sowie für einen abwechslungsreichen
Konzertspielplan, der vom Deutschen
Musikverleger-Verband als „Bestes
Konzertprogramm 2012/13“ ausgezeichnet
wurde. Auch nach dem 350-jährigen Jubiläum 2012 präsentiert sich die BADISCHE
STAATSKAPELLE – auf der reichen Aufführungstradition aufbauend – als lebendiges und leistungsfähiges Ensemble.
besetzung
1. Violine
Janos Ecseghy
Yin Li
Lutz Bartberger
Rosemarie Simmendinger-Kàtai
Susanne Ingwersen
Thomas Schröckert
Werner Mayerle
Herbert Pfau-von Kügelgen
Ayu Ideue
Bettina Knauer
Claudia Schmidt
Sabina Bunea
Yana Luzman
Johannes Anefeld*
2. Violine
Shin Hamaguchi
Km. Toni Reichl
Gregor Anger
Km. Uwe Warné
Andrea Böhler
Christoph Wiebelitz
Diana Drechsler
Dominik Schneider
Steffen Hamm
Tamara Polakovicová
Moritz von Bülow*
Aram Badalian*
Viola
Christoph Klein
Anna Pelczer
Km. Joachim Steinmann
Ortrun Riecke-Wieck
Kyoko Kudo
Sibylle Langmaack
Akiko Sato
Tanja Linsel
Nicholas Clifford
Susanna Liang-Qing Ling
Violoncello
Johann Ludwig
Benjamin Groocock
Km. Norbert Ginthör
Wolfgang Kursawe
Alisa Bock
Hanna Gieron
Akiko Hasegawa
Laura Mehlin*
Kontrabass
Km. Joachim Fleck
Xiaoyin Feng
Monika Kinzler
Karl Walter Jackl
Roland Funk
Christoph Epremian
Harfe
Km. Silke Wiesner
Flöte
Georg Kapp
Horatiu Roman
Km. Rosemarie Moser
Oboe
Kai Bantelmann
Km. Ilona Steinheimer
Dörthe Mandel
Horn
Dominik Zinsstag
Peter Bühl
Frank Bechtel
Jörg Dusemund
Trompete
Jens Böcherer
Km. Ulrich Dannenmaier
Km. Peter Heckle
Ulrich Warratz
Posaune
Sandor Szabo
Angelika Frei
Heinrich Gölzenleuchter
Tuba
Dirk Hirthe
Pauke & Schlagzeug
Helge Daferner
Raimund Schmitz
Hans-Joachim Göhler
Km. Rainer Engelhardt
Raoul Nies
Celesta
Paul Harris
Klarinette
Frank Nebl
Patrick Hollich*
Martin Nitschmann
Fagott
Lydia Pantzier
Martin Drescher
Ulrike Bertram
Km. = Kammermusiker/in
* Gast der STAATSKAPELLE
37
38
39
bildnachweise
impressum
UMSCHLAG Felix Grünschloß
S. 3
Unbekannter Fotograf
S. 5
Schott Promotion /
Susanna Schapowalow
S. 7
Unbekannter Fotograf
S. 29l
Patrice Lahaye
S. 29r – 31 Jochen Klenk
S. 32LPrivat
S. 32R
Jochen Klenk
S. 33
Arik Sokol
S. 37, 38
Uli Deck
Herausgeber
BADISCHES STAATSTHEATER
Karlsruhe
TEXTNACHWEISE
S. 2 – 9
S. 10 – 29
Originalbeitrag von
Olaf A. Schmitt
Übersetzungen von
Pascal Paul-Harang
ÜBERTITEL Pascal Paul-Harang
Sollten wir Rechteinhaber übersehen
haben, bitten wir um Nachricht.
Generalintendant
Peter Spuhler
VERWALTUNGSDIREKTOR
Michael Obermeier
Chefdramaturg
Bernd Feuchtner
ORCHESTERDIREKTOR &
KONZERTDRAMATURG
Axel Schlicksupp
REDAKTION
Axel Schlicksupp
KONZEPT
DOUBLE STANDARDS Berlin
www.doublestandards.net
GESTALTUNG
Kristina Pernesch
WIR DANKEN
Eventfloristik für die Blumen
DRUCK
medialogik GmbH, Karlsruhe
STAATSTHEATER KARLSRUHE
Saison 2013/14
Programmheft Nr. 164
www.staatstheater.karlsruhe.de
Unser Abonnementbüro berät Sie gerne!
Ab 10,00 bzw. 5,00 Euro PRO Konzert
40
ABONNEMENTBÜRO
T 0721 3557 323
F 0721 3557 346
[email protected]
DIE nächsten
Konzerte
2. KINDERKonzert –
Eine reise um die welt
6+
Alexander Borodin Eine Steppenskizze aus
Mittelasien Alberto Ginastera Tänze aus
Estancia op. 8 Lieder und Tänze aus aller Welt
Ein Riesenorchester bricht auf zur musikalischen Weltreise: Die Musiker der BADISCHEN
STAATSKAPELLE spielen gemeinsam mit zwei
Schulorchestern Lieder und Tänze aus aller
Welt. Auf der Bühne sitzen immer abwechselnd ein Profi und ein Nachwuchsmusiker.
Orchester II & III des Helmholtz-Gymnasiums
Ulrich Wagner Dirigent & Moderator
16.2. 11.00 & 15.00 GROSSES HAUS
TANGO IN DER INSEL
Tangos von Astor Piazzolla und José Bragato in Arrangements für Klarinette, Violine
und Klavier / Texte von Astor Piazzolla,
Arne Birkenstock und Dieter Reichardt
Zwar kann das ursprüngliche Programm
wegen einer Erkrankung nicht stattfinden,
doch es bleibt beim Tango: Mit Martin
Nitschmann und Annelie Groth werden
zwei Kollegen aus der STAATSKAPELLE
mit Jeannette La-Deur als Gast am Klavier
ein ähnliches Programm wie das geplante
präsentieren, dazu liest Gunnar Schmidt aus
dem Schauspiel-Ensemble Texte rund um
den Tango Nuevo und seine Schöpfer.
Martin Nitschmann Klarinette Annelie Groth
Violine Jeannette La-Deur Klavier Gunnar
Schmidt Sprecher
21.2. 20.00 INSEL
Kammerkonzert extra
Werke von Albinoni, Vivaldi, Nitschmann,
Händel, Parker und Strawinsky in Arrangements für Klarinette, Violine und Klavier
Das Konzert überschreitet die Grenzen zwischen Zeiten und Stilen, Formen und Gattungen und zeigt Gemeinsamkeiten wie den
„Groove“, der sich gleichermaßen im Jazz
wie in der Barockmusik findet. Als Höhepunkt begleiten und beleben Stoffskulpturen
die Musik mit suggestiven Bewegungen.
Martin Nitschmann Klarinette Annelie Groth
Violine Jeannette La-Deur Klavier GuMarieLuise Vanoli Kostüm-Skulpturen Wiebke
Höljes & Petr Novak bewegte Skulpturen
24.2. 20.00 KLEINES HAUS
3. SONDERKonzert
Georg Friedrich Händel Ouvertüre zu Il Pastor
Fido Jean-Féry Rebel Les Charactères de la
Danse Jean-Marie Leclair Suite aus Scylla
et Glaucus Georg Friedrich Händel Suite aus
Oreste
Händel war zuerst von den Formen des französischen Barock beeinflusst, bevor er sich
in Italien die neueste Mode anhörte. In seiner
Instrumentalmusik blieb er aber zeitlebens den
französischen Formen verpflichtet, die er auf
die nur ihm eigene originelle Weise weiterentwickelte. Barock-Spezialist Nicholas McGegan
führt beide Tendenzen spielerisch zusammen.
Bernd Feuchtner Moderation Nicholas McGegan Dirigent DEUTSCHE HÄNDEL-SOLISTEN
25.2. 19.00 GROSSES HAUS
Mit Moderation & anschl. Künstlertreff