China ante portas

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China ante portas
China ante portas
ILEY - das Onlinemagazin
Ausgabe 7 vom 15.07.2005
Der Bildschirm ist eine Guillotine, die Tastatur eine
Fingerklemme,
die
Lampe
verabreicht
Elektroschocks
und
am
Stuhl
kann
man
f e s t g e s c h r a u b t we r d e n .
Shi Jinsong, Office-Equipment, Prototype No. 1,
2004, Chromstahl, Zeichnungen, Sammlung
Sigg.
Es ist ein sauberes, glänzendes, perfektes Ensemble aus
Chromstahl: ein Schreibtisch, ein Computer, ein Bürostuhl, eine
Lampe und diverse Schreibtischutensilien. Es sieht aus wie die
Hightech-Ausführung einer Folterkammer. Es ist aber ein
Kunstwerk, eine Metapher für den durchgestylten
Funktionalismus in einer Zeit, wo Macht immer mehr vom
Schreibtisch aus ausgeübt wird. Zugleich ist es ein Hinweis
darauf, dass der „Schreibtischtäter“ meistens noch unter dem
Druck einer höheren Instanz handelt. Betätigt er die falsche
Taste, schnappt die Klemme zu.
Office-Equipment Prototype No. 1 hat Shi Jinsong seine
Installation genannt. Sie gehört zur Sammlung Sigg und ist
aktuell neben weiteren rund 350 Werken im Kunstmuseum Bern
zu sehen. Das Museum präsentiert chinesische Gegenwartskunst, die tatsächlich den Nerv der Zeit trifft, die
Modernisierungsprozesse im Reich der Mitte anhand gesellschaftskritischer Arbeiten deutlich macht und zeigt,
dass das bevölkerungsreichste Land die von den westlichen Industrienationen geschaffene Weltordnung über
den Haufen wirft. China gewinnt in vielen gesellschaftlichen Bereichen zunehmend an Einfluss. Besonders
wirtschaftlich ist das Land ein Riese, vor dem Europa und die USA zu zittern beginnen. Erst förderten sie nicht
zuletzt aus Eigeninteresse den Aufstieg der Entwicklungsländer und sahen mit der Öffnung des Marktes in Asien
drei Milliarden neue Konsumenten. Bereits in den 80er Jahren fasste Coca Cola in China Fuß. Ein Jahrzehnt
später waren auch MacDonalds und Pizza Hut in größeren Städten willkommen. Damit stießen alte Traditionen
und Kommunismus auf das kapitalistische System. So kommt es, dass die Künstler Luo Weidong, Luo Weiguo
und Luo Weibing in ihren Bildern Hamburger, Mao Zedong und Ikonen chinesischer Volkskunst collagieren.
Inzwischen sind Mobiltelefone, Schuhe und Autos bekannter westlicher Marken auch in China Statussymbole.
Das ist die bedenkenswerte Botschaft der drei Brüder.
Quelle: Kunstmuseum Bern
Es ist überhaupt die Stärke der Ausstellung, dass sie politisch kritische Positionen, die künstlerisch teilweise
großartig umgesetzt wurden, öffentlich macht. Sie zeigt auch die Besonderheit zeitgenössischer chinesischer
Kunst, die sich mit der Geschichte des Landes auseinandersetzt und zur Darstellung neben traditionellen
Verfahren auch neue Medien heran zieht. Diese Kunst ist lebhaft, ironisch, humorvoll und eben sehr kritisch. Die
Ausstellung steht unter dem Namen „Mahjong“ - wie das Spiel. Es betont die Aussagekraft der Künstler, denn
Mahjong ist zutiefst chinesisch und durch seine Verbreitung im Internet (1,64 Millionen Suchergebnisse bei
google.de) zugleich global. Das Gleichgewicht zwischen nationaler Identität und weltweiter Verantwortung
herzustellen, das sollte Ziel sein und so lassen sich viele Werke im Kunstmuseum Bern verstehen.
Die Medien hierzulande bezeichnen China jedoch als einen Koloss, der alles niederwalzen wird oder als roten
Drachen, dem es sich zu erwehren gilt. Mit kämpferischer Rhetorik wird in China ein Gegner konstruiert, an dem
man keinesfalls das Recht der Stärkeren abtreten möchte. Die von westlichen Politikern und Wirtschaftslenkern
ausgelöste Globalisierung bedeutet heutzutage nicht mehr, dass nur wir unsere Produkte nach Asien verkaufen.
Die ersten chinesische Geländewagen sind kürzlich in Antwerpen eingetroffen und werden auf dem europäischen
Automarkt angeboten - wohl gemerkt zum halben Preis wie hiesige Jeeps. Kein Wettrüsten zwischen Staaten,
sondern ein Kampf ums Kapital zwischen Konzernen bestimmt die neue Weltordnung. Der Kapitalismus, einst in
Europa entstanden und spätestens nach dem Fall des Eisernen Vorhangs global verbreitet, ist ein Monster, das
gezähmt werden muss, heißt es woanders. Der Westen fühlt sich vom eigenen Kinde bedroht und versucht
dagegen zu halten. Die Gefahr ist gegenwärtig, dass wirklich alles dem wirtschaftlichen Wachstum unterworfen
wird. Alles wird privatisiert. Regierungen kapitulieren. Wer Escape drückt, wird abgeklemmt.
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15.07.2005
China ante portas
ILEY - das Onlinemagazin
Ausgabe 7 vom 15.07.2005
Kunstmuseum Bern
http://www.kunstmuseumbern.ch/
Im Osten geht die Sonne auf!
http://www.iley.de/index.php?pageID=10000000&release=00000002
Ein chinesischer Fotograf in den Wirren der Kulturrevolution
http://www.iley.de/iley.php?show&ress&60000232
Entfesselte Identität – Zhang Huan im Museum Bochum, 2003
http://www.iley.de/iley.php?show&ress&60000084
Dieser
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von
Michael
Billig
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