der soldat von waterloo - Service public de Wallonie
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der soldat von waterloo - Service public de Wallonie
der soldat von waterloo eine archäologische untersuchung im herzen des konflikts Patrimoine Der Soldat von Waterloo eine archäologische Untersuchung im Herzen des Konflikts VERBREITUNG Öffentlicher Dienst der Wallonie Operative Generaldirektion Raumordnung, Wohnungswesen, Erbe und Energie Dienststelle Archäologie - Außendirektion WallonischBrabant Rue de Nivelles, 88 B-1300 Waver LITERATURHINWEIS Bosquet D., Yernaux G., Fossion A. & Vanbrabant Y., 2015. Der Soldat von Waterloo. Eine archäologische Unter suchung im Herzen des Konflikts. Namur, ÖDW-Abteilung Erbe, 22 S. Weitere Informationen : Tel. : +32 (0)10.480.455 [email protected] Bei Streitfragen wenden Sie sich an den Vermittler der Wallonie : Marc Bertrand Tel. : 0800.191.99 – le-mediateur.be Nur die Autoren sind für die inhaltlichen Angaben verantwortlich. Der Herausgeber hat sich bemüht, die Rechtsansprüche bezüglich der Illustrationen nach den gesetzlichen Vorschriften zu klären. Die Rechtsinhaber, die trotz angestellter Nachforschungen nicht ausfindig gemacht werden konnten, melden sich bitte beim Herausgeber. Öffentlicher Dienst der Wallonie Operative Generaldirektion Raumordnung, Wohnungs wesen, Erbe und Energie Ghislain Geron, Generaldirektor Rue des Brigades d'Irlande, 1 B-5100 Jambes VERANTWORTLICHER HERAUSGEBER Pierre Paquet, Diensttuender Generalinspektor GRAPHISCHE GESTALTUNG Ken Dethier Dominique Bosquet, Geneviève Yernaux, Alain Fossion & Yves Vanbrabant In Zusammenarbeit mit Pierre Lierneux Konzept und Realisierung : Aude Van Driessche & Dominique Bosquet LAYOUT Ken Dethier & Aude Van Driessche DRUCK Öffentlicher Dienst der Wallonie Ressortübergreifende Generaldirektion Haushalt, Logistik und Informations- und Kommunikationstechnologie Abteilung Mobiliarvermögensverwaltung Direktion der Veröffentlichungen Chaussée de Charleroi 83 bis 5000 Namur Belgium DECKBLATT Ken Dethier & Aude Van Driessche Erste Ausgabe 2015 Gesetzliche Hinterlegung : D/2015/11802/28 ISBN : 978-2-8056-0183-5 Service public de Wallonie Namur, 2015 1. Die Umstände der Entdeckung Vor dem Bau des neuen drei Hektar großen Parkplatzes, der im Rahmen der Aktivitäten rund um die Zweihundertjahrfeiern geplant ist, hat der Dienst Archäologie (ÖDW-DGO4 / Abteilung Erbe) präventive archäologische Maßnahmen durchgeführt. Dabei wurden 120 Sondierungen auf Feldern von jeweils 2 Metern Breite und 10 Metern Länge durchgeführt, die über die Gesamtfläche von 30.000 m² verteilt wur den. Bei diesen Sondierungen wurde in einer Entfernung von 500 Metern zum Löwenhügel (butte du lion) am Ausgrabungsort D39 ein Skelett entdeckt. Die Sondierungen der anderen 119 Ausgrabungsfelder blieben ohne Ergebnis. Genau an dieser Stelle waren 1815 die hinteren Reihen der alliierten Stellungen positioniert, und zwar in einer Entfernung von wenigen hundert Metern von dem im Bauernhof von Mont-SaintJean eingerichteten Lazarett und in der Nähe der belgisch-holländischen Einheiten sowie der nassauischen, hannoverschen – unter anderem die King’s German Legion – und braunschwei gischen Einheiten, und zwar um sieben Uhr, also etwa vier Stunden vor Beginn der Schlacht (Damamme, 2003, p. 199-217). Bereits zu Beginn der Ausgrabungen wurde bei der Untersuchung des Skeletts eine Bleikugel im Bereich der rechten Lunge gefunden, was kaum Zweifel hinsichtlich der Todesursache einerseits und der Zugehörigkeit des Opfers zu einer der Streitkräfte, die an der Auseinandersetzung vom 18. Juni beteiligt waren, zuließ. Blieb also noch der Versuch zu unternehmen, die Geschichte dieses Soldaten und die Umstände seines Todes besser zu verstehen. Diese Schrift liefert Ihnen alle Einzelheiten zu der wissenschaftlichen Untersuchung, die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen, aber auch die Fragen, die wohl für immer unbeantwortet blei ben werden… Ri ng Es t Ausgrabungsort D 39, Einzelheit 1m Hameau du Lion Archäologische Sondierungen Ausgrabungsfelder D 39 (skelett) Löwenhügel 100 m Oben die am Ort der Gedenkstätte durchgeführten Sondierungen, unten die Pläne der 120 archäologischen Sondierungen am Standort des Parkplatzes und Detail der Ausgrabungsstätte D39. 4 DER SOLDAT VON WATERLOO Pierre-Michaël Warnier von der Dienststelle Geomatik des SPW nimmt eine topographische Vermessung des Skeletts anhand eines sehr genauen GPS vor. DER SOLDAT VON WATERLOO Die Umstände der Entdeckung 5 2. Das Skelett 2.1. Anthropologische Studie Das Skelett wurde 80 cm unter der heutigen Erdoberfläche entdeckt, in einer kolluvialen Schicht, die sich seit mehr als einem Jahrhundert durch die Erosion gebildet hat, welche auf die in tensive Landwirtschaft zurückzuführen ist. Diese Sedimentation hat den Körper nach und nach vor den Pflugarbeiten geschützt, wenngleich durch diese Feldbestellung manche Gebeine verschoben wurden, als die kolluviale Schicht noch relativ dünn war. Die geringe Entfernung zu dem sehr sauren Ackerboden hat zudem dazu beigetragen, sie zu schädigen. Schließlich ist das Skelett bei der Entdeckung leicht gestört worden, da der Schädel durch die Baggerschaufel, die bei den Sondierungen verwendet wurde, zertrümmert wurde. Das Skelett ist insgesamt gut erhalten, wenn auch manche Knochen fehlen und insofern keine Anzeichen für eine Amputation oder ein Trauma festgestellt wurden – ohne dass diese Möglichkeit jedoch ganz ausgeschlossen werden kann – scheint diese Tatsache einzig und allein auf die bereits erwähnten Bedingungen der Beisetzung und der Entdeckung zurückzuführen sein. Dies trifft insbesondere auf einen Großteil des Schädels zu, von dem nur wenige Fragmente erhalten sind, sowie auf den linken Femur und die linke Patella sowie auf die Rippen und Knochen von Füßen und Händen. Der Schädel, das linke Knie und der linke Fuß sind von der Der gute Erhaltungszustand mancher Knochen verbindungen (hier der rechte Fuß) zeigt, dass der Körper rasch und bekleidet vergraben wurde. Baggerschaufel berührt worden, aber dies scheint nicht auf den rechten Fuß und die Hände zuzu treffen, die wohl eher durch die Feldbestellung gestört worden sind. Das Skelett befindet sich in Rückenlage und die Schultern sind entspannt. Das Becken und die Beine sind leicht nach links gedreht und der Rumpf ist etwas nach rechts gebeugt. Die Arme sind gestreckt und ausgebreitet, der rechte Arm rechtwinklig und der linke in einem stumpfen Winkel. Die linke Hand befand sich scheinbar auf dem Bauch und die rechte entlang der rechten Seite des Beckens. Die Beine sind an gewinkelt, das linke Bein ist in einer instabilen Gleichgewichtslage da das Knie höher liegt als der Körper. Manche Fußknochen sind noch vorhan den (der erste Mittelfußknochen und das erste Zehenglied) aber sie sind scheinbar verrückt wor den. Im Übrigen ist die anatomische Verbindung größtenteils noch gegeben. Manche Körperteile wie zum Beispiel die Knochen des rechten Fußes und des Beckens befinden sich in einer instabilen Gleichgewichtslage. Leichte Verschiebungen erfolgten auf Ebene des Körpervolumens und die Dynamik des Knochenbaus belegt die Verwesung im Erdreich (oder in einem geschlossenen Volumen) eines bekleideten Menschen, da die instabilen Gleichgewichte in einem Hohlraum (einem Sarg zum Beispiel) nicht erhalten ge blieben wären. Die anthropologischen und ar chäologischen Befunde lassen darauf schließen, dass der Mann eine Hose und vielleicht auch ein Hemd trug. Diese Annahme wird durch leichte Verschiebungen des Körpervolumens bestätigt: im Bereich des Brustkorbs, der rechten Schulter und der Unterarme. Da keine Metallknöpfe ge funden wurden, kann hingegen ausgeschlossen werden, dass er eine Uniformjacke trug. Es ist möglich, dass diese ausgezogen wurde, um den Verwundeten zu untersuchen. Das Stück Stoff, das unter dem Rückgrat gefunden wurde (siehe § 3.2), vielleicht ein abgerissenes Schulterstück, DER SOLDAT VON WATERLOO Das Skelett 7 ist daher scheinbar der einzige Hinweis auf diese Jacke. Wenn eine weitergehende Auslegung auch schwierig ist, ist es jedoch auf der Grundlage der Position der Gebeine vorstellbar, dass der Betroffene auf den Boden geschleudert oder rückwärts gefallen ist und – rasch mit Erde bedeckt – nicht mehr sichtbar war. Wie dem auch sei, ist der Tote nur seiner militärischen Besitztümer beraubt worden ist (Uniformjacke, Waffen) und die vorgebrachten Argumente stüt zen die Annahme, der zufolge der Körper rasch begraben wurde. Es handelt sich um eine erwachsene Person männlichen Geschlechts (Bruzek, 2002; Murail et al., 2005). Anhand der Untersuchung des Beckens (Schmitt, 2005) wird das Alter zum Zeitpunkt des Ablebens auf zwischen 20 und 29 Jahren (wahrscheinlicher noch zwischen 23 und 25 Jahren) geschätzt. Die am Skelett gemachten Feststellungen bestätigen dies, sei es was die Schlüsselbeine betrifft, als auch die Kreuzbeinwirbel, deren Verschmelzung noch nicht abgeschlossen war (im Laufe des Wachstums wachsen die Kreuzbeinwirbel zusammen, um das Kreuzbein zu bilden). Der Länge des Oberschenkelknochens (Olivier & Aaron, 1978) nach zu urteilen war dieser Mann 161,6 cm (+/- 2,98 cm) groß. Dem Skelett nach zu urteilen war er von relativ graziler Gestalt und die Oberarmknochen scheinen im Verhältnis etwas kürzer als die anderen Langknochen. Die Mandibula ist auf Höhe des aufsteigenden Asts zersplittert und nichts deutet auf einen Zahnausfall zu Lebzeiten hin. Der Kiefer ist sehr unvollständig und zersplittert. Die dritten unteren Mahlzähne und der dritte obere Mahlzahn auf der linken Seite fehlen. Vielleicht haben sie sich nie gebildet (eine so genannte Agenesie). Auf fast allen Zähnen ist eine dünne Zahnsteinschicht sichtbar und ein Zurückweichen des Zahnfleisches der Schneideund der Eckzähne im Anfangsstadium ist zu beobachten (Parodontopathie). Des Weiteren weist der Zahnschmelz aller noch vorhande ner Zähne kleine Rillen auf. Diese unter dem Namen Zahnschmelzhypoplasie bekannte Krankheit deutet auf eine Stresssituation zum Zeitpunkt der Zahnbildung hin, vielleicht geschuldet durch eine Mangelernährung, Infektionskrankheiten der Lungen, Fieber mit Ausschlag, Virosen oder seltener auch Erbkrankheiten. Keine Karieserkrankung wurde festgestellt. Der Verschleiß der Zähne weist auf eine mangelhafte Schlussbissstellung (oder Okklusion) hin, ein Anzeichen dafür, dass der Betroffene einen leicht vorste henden Oberkiefer hatte (Prognathie). Interessanterweise weisen der erste hintere Mahlzahn und der zweite vordere Backenzahn unten links eine Veränderung der Vorderseite (außen) der Krone auf, eine Veränderung, die weder auf der rechten Seite, noch bei den beiden oberen Backenzähnen im linken Wangenbereich festgestellt werden konnte. Es handelt sich dabei um parallel verlaufende Furchen, die rechtwinklig zum Zahnreihenschluss ver laufen. Es besteht die Möglichkeit, dass dieser Verschleiß auf eine spezifische und wiederholte Aktivität zurückzuführen ist, wie zum Beispiel das Öffnen der Papierhülsen der Munition mit den Zähnen, wie dies zur damaligen Zeit üblich war. Sollte dies der Fall sei, so kann geschluss folgert werden, dass es sich bei dieser Person um einen Rechtshänder handelte, der die Patrone zum Öffnen in der linken Hand hielt, wobei sich das zu ladende Gewehr in seiner rechten Hand befand. Was die Pathologien betrifft, so litt der Mann unter einer angeborenen Missbildung, einer Form von Spina bifida, da die Verschmelzung der Wirbelbögen der Kreuzbeinwirbel vollstän dig ausgeblieben ist. Lediglich die drei ersten Kreuzbeinwirbel sind erhalten, aber der Abstand zwischen den Seitenwänden belegt, dass auch für die beiden letzten Wirbel davon ausgegangen werden kann. Im Gegensatz zu einem gesunden Individuum, dessen Rückenmark im Bereich der Kreuzbeinwirbel durch Knochengewebe geschützt ist, war das Rückenmark im vorliegen den Fall nur durch die Haut des Rückens be deckt. Es handelte sich somit um einen Spina bifida occulta, die harmlosere und häufigere Form dieser Missbildung. Sie kann bei der Geburt übersehen werden und unentdeckt bleiben, so lange die mit dieser Missbildung einhergehen den Probleme nicht auftreten (Inkontinenz, Lähmungen,…). Scheinbar litt dieser Soldat zudem unter einer Kyphose des Rückgrads, die ihm wohl ein gebücktes Aussehen verlieh. Es ist wahrscheinlich möglich, diese Kyphose in 5 cm Die linken Mahlzähne sind durch die Pulverkörner zerkratzt (Bild links in sechszigfacher Vergrößerung) und durch das wiederholte Aufreißen der Papierhülsen mit den Zähnen verschlissen. 8 DER SOLDAT VON WATERLOO Das Skelett Das Kreuzbein des Soldaten (rechts) weist eine Spina bifida auf: die Wirbelbögen sind im Gegensatz zu denen eines gesunden Kreuzbeins (links) nicht verschlossen. DER SOLDAT VON WATERLOO Das Skelett 9 Verbindung zu bringen mit den arthrotischen Veränderungen, die auf den Rückwirbeln fes tgestellt werden konnten. Die leichte Arthrose, die an manchen Fußknochen nachgewiesen wurde, kann nicht auf einen altersbedingten Verschleiß der Gelenke zurückgeführt wer den. Vielmehr scheint sie auf eine besondere Tätigkeit hinzudeuten, die zu wiederholten Bewegungsabläufen und zur Beanspruchung bestimmter Muskeln und Sehnen geführt hat. Im Bereich der linken Lunge, dort wo die Kugel gefunden wurde, ist die untere Partie der Rippen stark zersplittert, wohingegen die obere Partie besser erhalten ist und keinerlei Anzeichen einer Schussverletzung zeigt. Ein knöcherner Kallus ist an einer Rippe festgestellt worden, wahrscheinlich eine Folgeerscheinung einer früheren Fraktur. Auf mehreren Brustwirbeln sind Schmorl-Knorpelknötchen (eine Art Bandscheibenvorfall) sichtbar. Schlussfolgernd kann also gesagt werden, dass dieser junge Mann, eher schmächtig und wahrs cheinlich leicht bucklig und mit vorstehendem Oberkiefer, im Bereich der linken Lunge durch 10 DER SOLDAT VON WATERLOO Das Skelett eine Kugel getroffen wurde, was zum Tode geführt hat. Selbst wenn die Einschussstelle nicht mehr ausgemacht werden kann, so kann aufgrund des guten Zustands der Rippen da von ausgegangen werden, dass die Kugel ihn frontal getroffen hat. Diese Annahme scheint durch die Lage des Skeletts bei der Entdeckung bestätigt. Er litt an einem Spina bifida, einer angeborenen Missbildung, die ihn hätte daran hindern können, an den strapaziösen Truppenbewegungen, die von den Armeen dieser Zeit ausgeführt wurden, teilzunehmen und aufgrund der er von einer Teilnahme am Kampfgeschehen hätte befreit werden müssen. Die arthrotischen Veränderungen und die mögliche Kyphose des Rückgrads können zwar auf diese angeborene Missbildung zurückge führt werden, es kann jedoch auch sein, dass sie durch eine besondere Tätigkeit wie zum Beispiel das Marschieren und das Tragen einer relativ schweren Ausrüstung, zu der das Gepäck der Soldaten in der damaligen Zeit sicherlich zu zählen ist, verursacht worden sind. Es ist jedoch auch möglich dass diese Pathologien in enger Verbindung zueinander stehen. DER SOLDAT VON WATERLOO Das Skelett 11 3. Die dem Skelett zugeordneten Gegenstände a b 3.1. c g d Mehrere Gegenstände sind in Berührung mit dem Skelett oder in unmittelbarer Nähe zu dem Skelett gefunden worden Die Identifizierung dieser Gegenstände – sei es im Rahmen der Ausgrabung oder nach der Restaurierung – hat jeweils ermöglicht, einen wichtigen Teil der Geschichte dieses Soldaten zu rekonstruieren. f e N 20 cm Die Bleikugel Die Bleikugel befand sich in der Mitte der rechten Rippen. Sie wiegt 23 Gramm und weist einen Durchmesser von 16,4 mm auf, ein Kaliber, das der französischen Munition entspricht, die mit der Muskete 1777 verwendet wurde, die von den französischen Soldaten aufgrund ihrer Länge auch als "die Klarinette von fünf Fuß und sechs Zoll" bezeichnet wurde (Logie, 2003, p. 17). Die englische Munition war von größerem Kaliber mit einem Gewicht von 32 Gramm und einem Durchmesser von 19 mm. Die durch dieses Projektil verursachte Verletzung war ohne Zweifel tödlich und die Annahme, der zufolge der Verletzte sich alleine von der Front entfernt hätte, die mehrere hundert Meter weiter südlich verlief, ist sehr unwahrs cheinlich. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass ihm eine Hilfestellung geleistet wurde, um sich von der Front zu entfer nen und seine Verletzung 1 cm untersuchen zu lassen. Der mit Kupferfäden bestickte Stofffetzen 3.2. An der Rückseite des Rückgrads (Abb. xxx: Plan Skelett und Gegenstände) klebte ein Stück Stoff in Körperbindung 2x2 gewebt, das aufgrund dieses Umstandes als aus englischer Herstellung stammend identifiziert werden kann. Auf der Seite, die mit dem Rückgrat in Verbindung war, sind eindeutig das Stoffgewebe zu erkennen, sowie eine Reihe von Kantillen (spiralförmig gedrehte Metallfäden) aus Kupferdraht Die andere Seite des Objekts hat das Aussehen eines groben Filzes aus Mischgewebe. Es handelt sich wahrscheinlich um eine Zierstickerei, einen Rockschoß (Unteres Stück der Uniformjacke) oder eine Schabracke (Satteldecke). Aufgrund seiner bedeutenden Ausmaße ist es auch möglich, dass dieses Stoffstück an dem um den Hals getragenen Säbelgehänge eines Sergent-Major (entspricht etwa einem Oberfeldwebel) befestigt war. Unser Mann scheint doch recht schwächlich, um in einen derartigen Rang befördert worden zu sein. Der sehr schlechte Erhaltungszustand des Objekts lässt eine genauere Identifizierung nicht zu. Diese französische Kugel hat den Soldat frontal getroffen und eine tödliche Verletzung verursacht. Die gefundenen Gegenstände waren neben und unter dem Soldaten wie folgt lokalisiert: die Kugel (a), das mit Kantille bestickte Stoffstück (b), die Überreste des Geldbeutels, die Geldstücke, die Cinnabaritkugel und ein Feuerstein (c), der Löffel (d), das Messer und ein weiterer Feuerstein (e), die Gürtelschnalle (f) und das Fragment einer Holzdose (g). 12 DER SOLDAT VON WATERLOO Das Skelett Es ist nicht gelungen, das unter dem Rückgrat gefundene mit Kantillen aus Kupferfäden verzierte Stück Stoff zu identifizieren (rechts; Detail einer Kantille unten rechts): Zierstickerei eines Rockschoßes, einer Schabracke (Satteldecke) oder eines Gurtes? 1 cm DER SOLDAT VON WATERLOO Die dem Skelett zugeordneten Gegenstände 13 A C B 1 cm Diese perlenbestickten Stoffreste (Bild links, vierzigfach vergrößert) gehören zum Almosenbeutel des Soldaten, vergleichbar mit dem unten gezeigten Exemplar aus dieser Zeit. 3.3. Auf Höhe des rechten Hüftgelenks wurden 28 Geldstücke gefunden, an denen drei Stofffetzen hafteten. Es handelt sich dabei um zwei sehr kleine Gestricke die mit Glasperlen bestickt wor den sind, um ein Stück Filzstoff, wahrscheinlich gewebt und um ein leinenartiges Stoffstück. Der Fundort dieser Objekte lässt darauf schließen, dass es sich hier um die Überreste des Geldbeutels des Soldaten handelt. Diese Geldbeutel, die oft perlenbestickt waren und auch als Almosenbeutel bezeichnet wurden, waren im 19. Jahrhundert weit verbreitet. Als die Geldstücke entdeckt wurden, lagen sie gehäuft übereinander. Durch die Oxidation hafteten sie aneinander (zu sehen sind auch die Cinnabaritkugel und der Feuerstein). Diese sehr abgenutzten Kupfermünzen (rechts) waren das Kleingeld der damaligen Zeit. 14 D Der Inhalt des Geldbeutels DER SOLDAT VON WATERLOO Die dem Skelett zugeordneten Gegenstände 1:1 Unter den Geldstücken, die einer Untersuchung unterzogen wurden, befinden sich ein Geldstück aus Österreich (A), zwei – und höchstwahrs cheinlich noch zwei weitere – aus Hannover (B) und acht, die in Paris geprägt wurden (C). Bemerkenswert sind ebenfalls ein 12 DenierStück aus Glockenbronze, geprägt während der Revolution 1791-1792 in Lille (D) und zwei kleine Silbermünzen: eine dieser Münzen stammt aus dem Herzogtum Braunschweig und war mehr als ein Jahrhundert lang im Umlauf (IIII GUTE PFENNIG). Insgesamt besitzt der Soldat somit 15 Franc in Silbermünzen, zusätzlich zu einigen Kupfermünzen. Dies entspricht etwas mehr als einem Monatssold eines Feldsoldaten. Ein Füsilier der französischen Armee erhält pro Tag 0,30 Franc, ein Infanterist 0,50 Franc. Der Kommandant eines Infanteriebataillons erhält 10 Franc pro Tag. En britischer Soldat erhält zwischen 8 Pence und 3 Shilling (12 Pence = 1 Shilling = 5,6 g Silber bei 925 ‰; 1 Franc = 5 g Silber bei 900 ‰). Die Gehaltsunterschiede sind folglich sehr viel größer unter den englischen Feldsoldaten und Unteroffizieren als innerhalb der französischen Armee (Holmes, 2001). Die hannoverschen Soldaten beziehen einen gerin geren Sold als die Engländer und Franzosen. Von diesem Sold muss der Soldat ungeachtet seiner Nationalität einen Teil abziehen, um seine Ausrüstung (meist die Wäsche, die Uniform und die Schuhe) zu bezahlen. Dieser Beitrag ist je nach Armee und Jahrgang unterschiedlich. Umso mehr wir uns dem Jahr 1815 nähern, umso besser werden die materiellen Bedingungen der Soldaten. Theoretisch ernähren die Armeen die Truppe, entweder mit Soldzuzahlungen, oder durch das Bereitstellen von Brot, Fleisch und Getränken. In der britischen Armee, die einen großen Einfluss auf die Praktiken innerhalb der hannoverschen Truppen hat, erhält eine Gruppe von sechs Männern 2,7 kg Brot, 4,5 kg Fleisch und 2 Pinten Rum. Es ist jedoch offensichtlich, dass die Versorgung der Streitkräfte aller Nationen unzureichend ist. Der Sold wird unregelmäßig gezahlt und die Versorgung bleibt oft aus. Den Truppen blieb daher bei ihren Feldzügen nichts anderes übrig, als die umliegenden Dörfer zu plündern. Napoleon Bonaparte fasste dieses Vorgehen treffend zusammen, als er folgendes erklärte: Der Krieg muss den Krieg ernähren. An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass das Gehalt eines Arbeiters in Frankreich zu dieser Zeit im Durchschnitt etwa 1 bis 2 Francs betrug (Paillot, 1951). Somit wurde ein Arbeiter besser bezahlt als ein Soldat. Um eine Verbindung zwischen den Münzen und der Nationalität des Soldaten herzustellen, sind die Geldbewegungen während des Kaiserreiches DER SOLDAT VON WATERLOO Die dem Skelett zugeordneten Gegenstände 15 zu beobachten. Am Ende der Revolution herrs chen in Frankreich anarchistische Verhältnisse auf dem Geldmarkt und der erste Konsul Bonaparte unternimmt Anstrengungen, um die sen Bereich neu zu organisieren. Trotz zusätzli cher Mittel gelingt es der zuständigen Verwaltung (die Administration des Monnaies) nicht, die neuen Münzen in ausreichender Stückzahl zu prägen und die alten königlichen Münzen bleiben weiterhin im Umlauf. Auf den Märkten in ganz Frankreich kommt es regelmäßig zu Auseinandersetzungen, da die Kaufleute, die einen abrupten Wertverlust der alten Währung befürchten, sich weigern, eine andere Währung als die des Kaiserreiches anzunehmen. 1810 geht der Streit um eine bereinigte Währung weiter: Die Münzen aus Glockenmetall werden ab dem besagten 1. November nicht mehr als Währung gewertet […] die 6 und 12 Sous Münzen werden nicht mehr als Währung gewertet. Im Laufe der Zeit und trotz der Produktionsschwierigkeiten in allen Münzateliers des Kaiserreiches kommt es zu einer Vereinheitlichung der Währung, die sich größtenteils aus Silbermünzen des Kaisers zusammensetzt. Zudem haben führen die Revolutionskriege und die Kriege des Kaiserreiches dazu, dass neue Ländereien Frankreich angegliedert werden. In diesen Gebieten hat sich die französische Währung oder zumindest eine Festsetzung der Wechselkurse durchgesetzt. Napoleon Bonaparte gründet 1807 das Königreich Westphalen, hauptsächlich gebildet aus dem Kurfürstentum Hessen-Kassel, dem Herzogtum Braunschweig, sowie Gebiete des Kurfürstentums Hannover und die links der Elbe liegenden preußischen Gebiete. Als Staatsoberhaupt dieses Königreiches ernennt er seinen Bruder Jérôme Bonaparte. Ab 1807 wird die französische Währung im gesam ten Königreich eingeführt. Diese Entscheidung stößt jedoch auf heftigen Widerstand und Jérôme Bonaparte sieht sich gezwungen, Münzen in der traditionellen Währung der ehemaligen Staaten zu prägen. In diesem Königreich bestehen daher das deutsche System mit Taler und Pfennig und das französische System mit Franc und Centime nebeneinander. Der Geldbeutel unseres Soldaten beinhaltet jedoch nur hannoversche Geldstücke... Die Staatsangehörigkeit eines Menschen anhand einiger Münzen zu bestimmen ist natürlich ein schier aussichtsloses Unterfangen. Idealerweise werden eine Reihe von Indikatoren herangezo gen, die durch die Analyse der Herkunft der Geldstücke bekräftigt werden können. 1815 ist die Währung des Kaiserreiches auf dem gesamten europäischen Kontinent verbreitet. Da es den Franzosen untersagt war, eine andere Währung zu benutzen, hätte ein Franzose daher keine Münzen deutscher Herkunft in seinem Geldbeutel haben können. Ein Engländer hin gegen hätte keine französischen oder deutschen Geldstücke besessen, sondern die seines eigenen Landes. Die französische Währung war hingegen innerhalb der hannoverschen Truppen ebenso verbreitet wie die ihres Herkunftslands und der angrenzenden Staaten, u.a. dem Herzogtum Braunschweig. Die Annahme, der zufolge die ser Soldat den Einheiten des Kurfürstentums Hannover angehörte, kann daher in den Raum gestellt werden. 1 cm Napoleon Bonaparte gründet 1807 das Königreich Westphalen. Als Staatsoberhaupt dieses Königreiches ernennt er seinen Bruder Jérôme Bonaparte. Hanover; Brunswick 16 DER SOLDAT VON WATERLOO Die dem Skelett zugeordneten Gegenstände Die Engländer verwendeten einen dunkelgrauen Stein, um ihre Feuersteine zu fertigen. Die bei dem Soldaten gefundenen Feuersteine (Bild oben) waren für die Brown Bess gefertigt (hier im Detail ein eingespannter Feuerstein), eine Muskete, die bei der Schlacht von den Alliierten verwendet wurde. Rechts eine Cinnabaritkugel, ein im 19. Jahrhundert als Heilmittel verwendetes Quecksilbersulfid. Der Verstorbene trug zwei neue Zündsteine aus Feuerstein bei sich: einer in seinem Almosenbeutel und ein weiterer in seiner Umhängetasche (Siehe § 3.4). Sie sind durch Abstumpfung einer Schneide gefertigt worden (Barnes, 1937, S. 330-333, Abb. 6, Abb. 7c; Abb.), aus feinkörnigem dunkelgrauen Feuerstein. Aufgrund der Art und der Größe dieser Feuersteine kann geschlussfolgert werden, dass sie dazu bestimmt waren, in eine Muskete vom Typ British Land Pattern, die umgangssprachlich die Bezeichnung "Brown Bess" trug und zwis chen 1750 und 1850 in der englischen Armee eingesetzt wurde, eingespannt zu werden (K. Charpier, communication personnelle; Logie, 2003, p. 17). Die französischen Feuersteine wurden ausschließlich aus gelbem Feuerstein gefertigt (K. Charpier, communication person nelle; Schleicher, 1927, p. 367). Eine kleine rote Kugel, die bei den Münzen und dem Feuerstein gefunden wurde und der kein 1:1 Verwendungszweck zugeordnet werden konnte, wurden drei unterschiedli chen Analysen unterzogen: Visuelle Analysen unter dem Rasterelektronenmikroskop (SEM), Molekularanalysen durch RamanSpektroskopie (benannt nach einem der Erfinder) und chemische Analysen durch ener giedispersive Röntgenspektroskopie (EDS für Energy-dispersive X-ray Spectroscopy). Diese ausgedehnten Analysen haben es möglich gemacht, das Cinnabarit als Hauptbestandteil der Kugel zu identifizieren. Es handelt sich hier um ein Quecksilbersulfid, das in Spanien und Slowenien vorkommt und seit der Antike unter anderem als Pigment genutzt wird (Plinius der Ältere, Naturalis Historia, XXXIII). Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde es ebenfalls als Salbe angewandt, um Hautkrankheiten und Syphilis zu behandeln (Mialhe, 1845, S. 150) sowie verschiedene Erkrankungen und Wunden der Pferde und des Viehs (Moiroud, 1831, S. 622). All diese Anwendungen sind im vorliegenden Fall möglich. DER SOLDAT VON WATERLOO Die dem Skelett zugeordneten Gegenstände 17 3.4. Der Inhalt der Umhängetasche In einer Entfernung von wenigen Zentimetern des Verstorbenen auf Höhe des rechten Beins wurden vier Gegenstände gefunden, die sich wahrscheinlich in einer Umhängetasche befanden, von der nichts übrig geblieben ist. Gefunden wurde ein Löffel, ein Fragment ei ner Dose aus gemasertem Erlenholz mit zwei Inschriften (siehe § 3.5) und unter dem rechten Oberschenkelknochen eine eiserne Schnalle, wahrscheinlich eine Gürtelschnalle sowie ein Messer. Erst wurden in der Fakultät für Veterinärmedizin der Universität Lüttich sowie im Labor Utica in Saint-Denis (Frankreich) von den metallischen Objekten Röntgenaufnahmen gemacht, um sicherzustellen, dass sie keine Kennzeichnung eines Regiments trugen, die ermöglicht hätte, den Soldaten einer Armee zuzuordnen. Anschließend wurden sie durch das Restaurierungslabor der Direktion der Archäologie (ÖDW-DG04 / Abteilung Erbe) und durch das Unternehmen Utica (Saint-Denis, Frankreich) restauriert Weder auf den Röntgenaufnahmen, noch auf den Objekten nach ihrer Restaurierung konnte eine Kennzeichnung gefunden werden und bei dem Löffel, dem Messer und der Schnalle handelt es sich um sehr gewöhnliche und weit verbreitete Fabrikate. Diese Funde konnten somit nicht dazu beitragen, das Regiment, dem der Soldat angehörte, zu identifizieren. 3 cm 3.5. Das Dosenfragment: eine mögliche Identifizierung des Soldaten? Unter den Objekten die im Zusammenhang mit der Umhängetasche des Soldaten gefun den wurden, hat insbesondere das Fragment der Dose aus gemasertem Erlenholz mit den Buchstaben "FCB" und dem Datum "1792" die Aufmerksamkeit erregt und bei zahlrei chen Personen, die sich mit Begeisterung für diese Schlacht interessieren, die Hoffnung geweckt, dem Opfer einen Namen geben zu können. Von einem streng wissenschaftlichen Standpunkt aus bleiben jedoch zahlreiche Fragen unbeantwortet und so muss diese Hoffnung erheblich gedämpft werden. Nicht zuletzt wirft die Identifizierung selbst des Besitzers dieses Objekts Fragen auf. Das Opfer kommt hier sehr wohl in Frage, aber andere Szenarien, die ebenfalls völlig plausibel sind, lassen Zweifel aufkommen. So ist denkbar, dass dieser Gegenstand ihm von einem Dritten, sei er ein Familienmitglied oder nicht, vor oder während der Schlacht übergeben worden ist. Ebenso ist es möglich, dass er diese Dose je mandem abgenommen hat. Hier könnte es sich um einen gefallenen Kameraden handeln, von dem er ein Andenken aufbewahren wollte oder dieses dessen Angehörigen überbringen wollte. Selbst in der Annahme, dass es sich effektiv um Initialen und ein Geburtsjahr handelt, so ist nicht erwiesen, dass diese Angaben dem Opfer zugeordnet werden können. Eine weitere Frage betrifft die Identifizierung des Gegenstands: Tabaksdose, Schreibetui, Dose für militärische Zwecke? Da von dem Objekt nur ein Fragmentstück vorliegt, ist eine Bestimmung sehr schwer und zahlreiche Möglichkeiten bieten sich an. Diese Frage steht in direktem Zusammenhang zur Bedeutung der Buchstaben und des Datums. Sollte es tatsächlich ein persönlicher Gegenstand sein, dann könnte es sich effektiv um Initialen und ein Geburtsdatum handeln. Handelt es sich hingegen um eine Dose, deren Verwendung zum Beispiel militärischer Natur ist, so könnte die Inschrift auf ein wichtiges Ereignis im Leben ihres Besitzers – sei er Soldat oder nicht – hindeuten oder gar im Zusammenhang zu dem Gegenstand stehen, der sich in dieser Dose befand. Falls es sich bei den Buchstaben um Initialen handelt, stellt sich die Frage, in welcher Reihenfolge sie zu lesen sind. Steht das "F" für den Vor- oder den Nachnamen? In den Schriften und Verzeichnissen der damaligen Zeit sind beide Möglichkeiten gegeben. Diese 5 cm Nach ihrer Ausgrabung vor Ort (Bild oben) sind die in der Tasche des Soldaten enthaltenen Gegenstände (der Löffel, die Gürtelschnalle und das Messer) geröntgt (Röntgenaufnahmen in Schwarz Weiß) und anschließend restauriert worden. Die Bilder belegen die hohe Qualität der Arbeiten des Restaurierungslabors des ÖDW und des Unternehmens Utica (Saint-Denis, Frankreich). 18 DER SOLDAT VON WATERLOO Die dem Skelett zugeordneten Gegenstände 1 cm Bereits während der Ausgrabungen wurden die Buchstaben CB auf den Überresten der Dose sichtbar. Nach der Restaurierung ist die Inschrift FCB zu lesen sowie auf der anderen Seite die Jahreszahl 1792. Die Verwendung dieses Behältnisses konnte nicht genau bestimmt werden. Es könnte sich um eine Tabakdose handeln. DER SOLDAT VON WATERLOO Die dem Skelett zugeordneten Gegenstände 19 Frage stellt sich daher auch für das "B". Das "C" würde in diesem Fall für den zweiten Vornamen stehen, der manchmal (aber nicht systematisch) auf den Wehrpflichtigenlisten vermerkt wurde. Zahlreichen Personen kommen somit in Frage, umso mehr als die Identifizierung des Regiments, dem das Opfer angehörte, ebenfalls fragwürdig erscheint. Wenn es auch denkbar ist, dass der Soldat in die erste hannoversche Brigade unter Kielmannsege eingezogen wurde (Nach de Callataÿ, erwähnt in Vander Cruysen, 2014 ; 2015), so ist dies nicht mehr als eine Vermutung, die sich auf Beweise stützt, welche zwar überzeugend, aber dennoch indirekt sind: die Präsenz von Münzen deutscher Territorien in dem Geldbeutel des Soldaten und die Anwesenheit von hannoverschen Truppen im Bereich des Ausgrabungsortes zumindest während eines Abschnitts der Schlacht (Bosquet et al., 2004). Da wir jedoch nicht wissen, wann der Tod eingetreten ist, besteht auch die Möglichkeit, dass die hannoverschen Truppen bereits nicht mehr an diesem Ort waren und schlussendlich keinerlei Verbindung vorliegt. Wie bereits gesagt, kann die Bedeutung des Datums, die teilweise mit der Identifizierung des Gegenstands zusammenhängt, ebenfalls nur vermutet werden. Sollte es sich tatsächlich um sein Geburtsdatum handeln, so wäre der Soldat im Alter von 23 Jahren in Waterloo ge fallen. Dies würde mit der anthropologischen Analyse übereinstimmen, in der das Alter zwischen 20 und 29 bestimmt wurde (Bosquet et al., 2014a ; 2014b). Auch hier ist festzustellen, dass diese Angaben übereinstimmen, jedoch reicht dieser Umstand allein nicht aus, um dieses Datum mit Sicherheit zu interpretieren. Um das Opfer zu identifizieren und gege benenfalls Nachforschungen über eventuelle Nachfahren anzustellen, sollten die gestellten Fragen ausreichend vollständig beantwortet werden können, eine äußerst schwierige, wenn nicht gar unmögliche Aufgabe. Folglich wird der Soldat von Waterloo – wahr scheinlich für immer – ein anonymes Opfer dieses blutigen Konflikts bleiben. 4. Schlussfolgerung Der 2012 in Waterloo gemachte Fund ist einzigartig, da bisher kein weiteres Skelett bei Ausgrabungen vor Ort gefunden werden konnte. Der Fund bleibt auch der einzige, da die offenen Sondierungen in dieser Zone sowie am Ort der Gedenkstätte keine weiteren Überreste hervorgebracht haben. Es handelt sich somit um einen Einzelfall, der durch die Ausgrabungen und die Analysen relativ genau beschrieben werden konnte, wenn auch – wie so oft in der Archäologie – Grauzonen fortbestehen. Aufgrund der Untersuchung der Geldstücke, die der Soldat bei sich trug, kann angenommen werden, dass er Hannoveraner oder zumindest deutscher Herkunft war. In diesem Fall muss die Annahme einer raschen Beisetzung des Körpers kurz nach dem Tod privilegiert werden, da die Allierten im Gegensatz zu den französischen Verlierern ihre Toten sofort nach der Schlacht vom Schlachtfeld entfernten. Diese Annahme wird auch dadurch untermauert, dass der Tote Münzen und andere persönliche Gegenstände bei sich trug. Die Leiche ist also nicht geplündert worden. Mehrere Aspekte der wissenschaftli chen Untersuchung weisen darauf hin, dass die Beerdigung sofort und mit Absicht erfolgte. Da auf dieser Seite des Schlachtfeld keine Kämpfe stattfanden und unter Berücksichtigung der Schwere der Verletzung kann angenommen werden, dass der verletzte Soldat von einem Kameraden zu diesem Ort gebracht worden ist, es sei denn, er ist an der Stelle, an der ihn die Archäologen zwei Jahrhunderte später entdeck ten, tot zurückgelassen worden. Was uns heute bleibt ist das ergreifende Bild eines schmächtigen jungen Mannes, leicht bucklig und an einer Missbildung des Rückgrads leidend, die in der heutigen Zeit zu einer unmittelbaren Freistellung von militäris chen Diensten geführt hätte. Das mit der Gestaltung der Gedenkstätte beauftragte Team sowie die verschiedenen Wissenschaftler, die sich mit diesem Fall be fasst haben, haben sich die Frage hinsichtlich der Präsenz des Soldaten in der Gedenkstätte gestellt. Wir haben uns schließlich dafür entschieden, ihm mit aller Bezeugung der Ehrbietung, die ihm gebührt und die wir im Rahmen der museumstechnischen Darstellung zu wahren versucht haben, eine letzte Ehre zu erweisen, indem wir ihn als namenlosen und stillen Zeitzeugen der zehntausenden Männer sehen, die an diesem Tag unter den gleichen dramatischen Umständen ihr Leben ließen. DER SOLDAT VON WATERLOO Schlussfolgerung 21 5. Bibliografie 6. Bildnachweis Die in diesem Werk vorgestellten Fotografien und Zeichnungen unterstehen dem SPW-Copyright, außer : Barnes A.S., 1937. L'industrie des pierres à fusil par la méthode anglaise et son rapport avec le coup de burin tardenoisien, Bulletin de la Société préhistorique de France, 34 (7-8), p. 328-335. Bosquet D., Yernaux G. & Fossion A., 2014a. Waterloo/ Waterloo : découverte d'un squelette de soldat sur le site de la bataille, Chronique de l'Archéologie wallonne, 21, p. 35-41. Logie J., 2003. 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DSP: a Tool for probabilistic sex diagnosis using worldwide varia bility in hip-bone measurements, Bulletins et Mémoires de la Société d'Anthropologie de Paris,17 (3-4), p. 167-176. DER SOLDAT VON WATERLOO Bibliografie DER SOLDAT VON WATERLOO Bildnachweis 23 7. Wir danken Seit Beginn der ersten Nachforschungen über den Soldaten bis zur Präsentation des Skeletts in der Gedenkstätte und der Veröffentlichung dieser Schrift haben zahlreiche Personen zum Erfolg dieses Projekts beigetragen. Ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt: Ghislain Belmans (SIEN), Pierre Blanche, Cristel Cappucci (ÖDW-OGD4), Kevin Charpier (Feuersteinmuseum, Luçay-le-Mâle, Frankreich), Agostino Da Cunha (Europa 50), Jan De Coster (Association belge pour la recherche et la reconstitution historiques ASBL), Uriel Delicourt (ÖDW-OGD4), Philippe Hamoir (ULg-Fakultät für Veterinärmedizin), Vincent Humé (ÖDW-OGD4), Pierre Paquet (ÖDW-OGD4-Diensttuender Generalinspektor ), Caroline Relier (UTICA, Saint-Denis, Frankreich), Hélène Remy, Heydan Rossini (ÖDW-OGD4), Julien Devos (ÖDW-OGD4), Aude Salmon (De Pinxi), Éric Dewamme (Königliches Belgisches Institut für Naturwissenschaften), Muriel Van Buylaere (Recherches et prospections archéologiques ASBL), Catherine Didelot (UTICA, Saint-Denis, Frankreich), Yves Vander Cruysen (Zweiter Schöffe der Gemeinde Waterloo), Nathalie du Parc Locmaria-d’Ursel (Vorsitzende der Interkommunale « Waterloo 1815 »), Ghislain Geron (ÖDW-OGD4-Generaldirektor) 24 Alain Guillot-Pingue (ÖDW-OGD4-Direktor der Archäologie a.i.), DER SOLDAT VON WATERLOO Wir danken Pierre Verly, Madeline Votion (ÖDW-OGD4), Didier Willems (ÖDW-OGD4-Archäologe der Provinz). AWEM DER SOLDAT VON WATERLOO Wir danken 25