automobil produktion 1/99 - neue

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automobil produktion 1/99 - neue
Engineering
VW-Passat
Hinsichtlich der JIT-Lieferung von
Modulen und Komponenten liegt
die VW-Tochter Volkswagen Sachsen
GmbH vorn. Insgesamt 13 Lieferanten siedelten sich in der Nähe des
Fahrzeugwerks Mosel an, sie liefern
15 Module.
Darüber hinaus werden durch die
BMG Baugruppen- und Modulfertigung, Glauchau, diverse Sequenzumfänge und Vormontagen ebenfalls just-in-time geliefert. Die Einzelteile liefern Sublieferanten nach
Glauchau.
Seit Januar 1999 zählt ein weiterer Modullieferant zu den Auserwählten: Takata Sachsen liefert aus
Interview
Effektiver durch
Businessplan
Otto Joos, seit dem 1. August 1998 Werkleiter in Emden, soll die Produktionsstätte des
VW-Flaggschiffes in die Spitzengruppe der
Konzernliga führen.
Herr Joos, sie leiteten zuvor die Produktion des New Beetle
in Mexiko. Welche Erfahrungen nutzen Ihnen bei der neuen
Aufgabe in Emden am meisten?
Wir waren in Mexiko so erfolgreich, weil wir als
Team arbeiteten. Diese Teamorganisation führen wir
auch hier in Emden ein. Sämtliche Bereiche des Werkes werden in Teams mit genau definierten Schnittstellen organisiert. Das ist neu und erfordert ein Umdenken.
In welcher Form sind externe Zulieferer in die Teams eingebunden?
Externe Zulieferfirmen in die Teamarbeit einzubeziehen, gilt als nächster Schritt. Wir erarbeiten ein Konzept über Kunden-Lieferanten-Verträge zwischen
dem Werk Emden und unseren Zulieferern.
Schon jetzt erfolgt eine intensive Zusammenarbeit
mit den Zulieferern, in erster Linie natürlich mit denen, mit denen wir nicht zufrieden sind. Wir veranstalten zum Beispiel Workshops, in denen die betroffenen Bereiche des Werkes zusammen mit dem Zulieferer Schnittstellen definieren, Problemfelder analysieren und entsprechende Maßnahmen entwickeln.
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Automobil-Produktion · Februar 1999
Elterlein Airbags für den Passat sowie den Golf ins Werk Mosel.
Auch bei der Lackbereitstellung gehen die Sachsen neue logistische Wege. Sie schufen gewissermaßen das
Modul ›Lack‹. Lacklieferant BASF betreut die Lackiererei komplett und
stellt sämtliche Materialien wie Lacke,
Füller und Reinigungsmittel bereit.
Der Farbauftrag läuft unter Regie
von VW. Bezahlt wird BASF nach
I.O.-lackierten Karosserien.
Sicher war diese ›Lack-Lösung‹
mit ein Grund dafür, daß VW Sachsen im Oktober auf dem Logistikkongreß in Berlin den Deutschen
Logistikpreis 1998 erhielt.
Bild: VW
Insgesamt sind in die Entstehung
des Passat 850 Zulieferer eingebunden. Die beiden Passatwerke Emden
und Mosel beziehen etwa 80 Prozent
des gesamten Lieferumfangs aus
Deutschland.
Wettbewerb und Wirtschaftlichkeit stehen bei der Lieferantenauswahl ganz oben an. Und bei den Bewerbungen mischt VW mit seinen
Eigenfertigungen mit. So wird für
den Passat in Emden das JIT-Modul
Cockpit von der Hausfertigung produziert. Für die Passatfertigung in
Mosel liefert das Cockpit die Mannesmann VDO aus dem Werk Zwickau/Crossen.
Otto Joos, Werkleiter im Passatwerk Emden: »Wir konnten mit
arbeitsorganisatorischen Maßnahmen die technisch vorgegebene
Kapazitätsgrenze deutlich überschreiten.«
Wieviele Passat produzieren Sie augenblicklich pro Tag?
In Emden fertigen wir 1270 Fahrzeuge täglich. Zusammen mit dem Werk Mosel kommen wir auf fast
1900 Passat pro Tag.
Wo liegt die technische Kapazitätsgrenze?
Eindeutig niedriger als unser derzeitiger Ausstoß vermuten ließe. Aber wir konnten durch hauptsächlich
arbeitsorganisatorische Maßnahmen wie Schichtverlängerung, Nachtschicht und Samstagsarbeit die Kapazität zusätzlich erhöhen.
Darüber hinaus stellten wir in Emden auch ca. 2000
Mitarbeiter mit Zeitverträgen neu ein. Nur so konnten wir hier im vergangenen Jahr 329 685 (genau)
Fahrzeuge produzieren. Das sind über 100 000 mehr
als 1997. Ein Rekord für Emden.
Die Zulieferer, insbesondere die System- und Modullieferanten, müssen ihre Produktion im Gleichschritt mit Ihnen hochfahren. Werden die Entscheidungen zur Steigerung der Ausbringung stets gemeinsam mit den Zulieferern getroffen?
Die Entscheidungen werden immer gemeinsam getroffen. Wir verfolgen im Falle von Produktionserhöhungen, sei es durch Investitionen zur Ausweitung der technischen Kapazität oder durch arbeitsorganisatorische Maßnahmen, sehr genaue Regelabläufe.
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Engineering
VW-Passat
Interview
Modul-Lieferanten für das VW-Werk Mosel
Lieferant
JIT-Umfänge / Module
Werk
BMG Baugruppen- und
Modulfertigung GmbH
Diverse Sequenzumfänge und Vormontage
Glauchau
Brose
Aggregateträger Tür
Meerane
DES Dräxlmaier
Cockpitleitungsstrang
Zwickau/Crossen
Gillet
Abgasanlagen hinten
Zwickau
GKN Gelenkwellenwerk Gelenkwellen
Mosel
Hella
Frontend
Meerane
Johnson Controls
Sitze
Zwickau
Mannesmann VDO
Tank
Zwickau/Crossen
Mannesmann VDO
Cockpit
Zwickau/Crossen
Peguform
Stoßfänger
Glauchau
Radsystem Zwickau
Räder
Mosel
Sachsenring
Hilfsrahmen
Zwickau
Automobiltechnik
Sachsenring
FederbeinSchwenklager
Zwickau
Automobiltechnik
Sommer Alibert
Tür- und Seitenverkleidungen
Zwickau
Varat-Plastic
Mittelkonsole
Glauchau
Volkswagen Bordnetze
Innenraumleitungsstränge
Mosel
Zu diesem Procedere gehören auch sogenannte ZweiTages-Produktionen, bei denen die Lieferanten geprüft werden, ob sie die geforderte Ausbringung auch
unter allen Aspekten der Qualitätssicherung schwankungsfrei leisten können.
Die Umwandlung in eigenständige Einheiten soll die Kostentransparenz der Werke erhöhen. Ist Emden bereits eine
Business Unit wie beispielsweise das Werk Braunschweig?
Eine Umwandlung der fahrzeugbauenden Werke,
wie Emden in Business Units ist momentan kein Thema. Für diese Werke gibt es Bereiche, wie zum Beispiel die Beschaffung, die zentral gesteuert werden
müssen.
Bei den Aggregatewerken sieht das etwas anders aus.
Es ist ein Unterschied, ob ich für die Produktion einer
Hinterachse in Braunschweig, eines Getriebes in Kassel oder eines Motors in Salzgitter Teile einkaufe oder
für Fahrzeuge, die in mehreren Werken produziert
werden.
Das Werk Emden muß sich in erster Linie wohl mit Mosel
messen, wo ebenfalls der Passat produziert wird. Wie fällt
der Vergleich hinsichtlich Produktivität, Produktionskosten
und Qualität mit dem Werk Mosel aus?
Mosel verzeichnet hinsichtlich der Produktionskosten gegenüber Emden einige Vorteile. Dafür gibt es
viele Gründe. So liegen etwa aufgrund unserer Geschichte andere Fertigungsabläufe vor. Wir stellen
zudem die Leitwerk-Funktion für den Passat, was
ebenfalls mit sehr viel Aufwand verbunden ist.
In wieviel Stunden wird der Passat in Emden gebaut, wie
viele benötigt Mosel?
Die Zahlen sind nicht so ohne weiteres zu verglei-
chen, da in Mosel beispielsweise das komplette Cockpit und das Frontend angeliefert werden. In Emden
bauen wir beide selbst. Bei der Konzeption wurde die
Fertigungszeit pro Fahrzeug mit ungefähr 30 Stunden vorgegeben. Daran arbeiten wir.
Mit welchen Methoden wollen Sie das Ziel erreichen?
Wir werden die Mitarbeiter durch die Teamarbeit
stärker mit einbeziehen, um alle Potentiale besser zu
nutzten. Niemand kann besser zeigen, wo sich etwas
optimieren läßt, als der Mitarbeiter vor Ort. Parallel
dazu soll unser ›Businessplan mit Methode‹ greifen,
den wir im Moment vorbereiten.
Was beinhaltet der Businessplan ?
Der ›Businessplan mit Methode‹ enthält alle wichtigen Details und Informationen, die dazu dienen, ein
Unternehmen zu steuern. So etwa Stunden pro Fahrzeug, Verbesserungsvorschläge pro Mitarbeiter, Qualitätswerte beim Audit, oder auch Gewährleistungskosten. Das System wurde so aufgebaut, daß wir jeden einzelnen Punkt von der Linie bis zum Werkmanagement und vice versa verfolgen können.
Anders als Mosel baut Emden ausschließlich den Passat.
Wird sich das in Zukunft ändern?
Wir kämpfen um ein zweites Standbein für unser
Werk. Zum Beispiel können wir uns vorstellen, ein
Nischenfahrzeug zusätzlich zu fertigen. Und ich bin
sicher: Wenn der Vorstand sieht, wohin unser Weg
führt, haben wir auch eine gute Chance.
Sondern?
Unsere Vorteile liegen in der funktionierenden Infrastruktur, die die Höhe der Investitionen eingrenzt,
und in der hochmotivierten und gut ausgebildeten
Mannschaft, die an anderen Standorten erst neu entwickelt und ausgebildet werden müßte.
In welchen Punkten wird sich die Fertigung des nächsten
Passatmodells gegenüber der aktuellen ändern?
Beim nächsten Modell werden wir sicherlich mehr
Module von externen Lieferanten herstellen lassen.
Außerdem werden wir unsere Karosserieteile in einem eigenen Preßwerk selbst fertigen.
Das brauchen wir aus Kapazitäts- und vor allem aus
Qualitätsgründen. Insbesondere bei Fahrzeugen mit
sehr geringen Spaltmaßen, wie Passat oder Golf, ist
eine sehr hohe Preßwerkqualität erforderlich. Die
läßt sich nur mit einem Preßwerk vor Ort erreichen,
das wir derzeit gemeinsam mit der Umformtechnik
Erfurt für rund 270 Millionen Mark bauen. Der Baubeginn ist Anfang dieses Jahres.
Wann werden Sie die ersten Teile pressen?
Zum Anlauf des B 6-Passatmodells im Jahre 2002
wird unser Preßwerk hochgefahren sein.
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Automobil-Produktion · Februar 1999