Würzburg

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Würzburg
WÜRZBURG
M o n t a g , 4 . J a n u a r 2 0 1 0 – N r. 2
Polizeibericht
Blumenkübel und
Glasfront gingen zu Bruch
Einen zerbrochenen Blumenkübel
und eine abgerissene Lichterkette
als Folgen der Silvesternacht meldetet am Neujahrstag eine Wirtin am
Kardinal-Faulhaber-Platz. Der massive Blumenkübel wurde umgestoßen, ging dadurch zu Bruch und beschädigte beim Umfallen noch die
Glasfront des Lokals. Der Schaden
wird auf rund 500 Euro geschätzt.
Als Tatzeit kommt der Zeitraum zwischen Silvester, 22 Uhr, und Neujahr, 14 Uhr, in Betracht.
Hinweise an die Polizei:
ü (09 31) 4 57 22 30.
Spanner auf der
Damentoilette einer Diskothek
Als „beschämend“ empfunden hat
am Neujahrstag eine Frau das Verhalten eines jungen Mannes. Im
Ausklang einer Open-End-SilvesterParty in einer Diskothek musste die
26-jährige gegen 12 Uhr die Toilette
aufsuchten. Während sie sich in der
Kabine aufhielt, bemerkte
sie plötzlich einen Mann, der ihr
von oben zuschaute. Sie merkte sich
das Gesicht des Spanners und zeigte
ihn kurze Zeit später den Türstehern. Diese hielten ihn bis zum Eintreffen einer Polizeistreife fest. Der
24-Jährige aus dem Landkreis Bad
Kissingen wird für sein Verhalten
eine Anzeige wegen Beleidigung
erhalten.
Fahranfängerin stand
unter Drogeneinfluss
Ihm Rahmen einer Verkehrskontrolle hielt eine Polizeistreife am
Neujahrstag gegen 21 Uhr in der
Balthasar-Neumann-Promenade
einen VW Golf an. Neben Auffälligkeiten im Verhalten zeigte die
18-jährige Fahrerin auch größere
Unsicherheiten bei einigen persönlichen Tests, was den Verdacht auf
Rauschgifteinnahme erhärtete. Da
die Fahranfängerin in der Folge
auch zugab, einige Zeit vor Fahrtantritt Marihuana konsumiert zu
haben, musste eine Blutentnahme
angeordnet und von einem herbeigerufenen Arzt in der Polizeidienststelle vorgenommen werden. Die
Weiterfahrt wurde unterbunden.
Lieferwagen aufgebrochen
und Geldkassette geklaut
Auf dem Parkplatz eines Discounters in der Frankfurter Straße wurde
in der Nacht zu Neuen Jahr ein Lebensmittelverkaufswagen aufgebrochen und eine Geldkassette geklaut.
Mit einem Stein zertrümmerten bislang noch unbekannter Täter die
Scheibe der Fahrertüre um an die
Kassette zu kommen, in der sich ein
geringer Bargeldbetrag befand.
Sachdienliche Hinweise erbittet
die Kriminalpolizei:
ü (09 31) 45 70.
Pkw zerkratzt –
1000 Euro Schaden
Die Polizei sucht Zeugen für Beschädigungen an einem Pkw in der Silvesternacht oder am Neujahrsmorgen in der Tiepolostraße. Bei diesem
wurde die rechte Seite zerkratzt. Der
Schaden beträgt 1000 Euro.
Hinweise an die Polizei WürzburgOst: ü (09 31) 4 57 22 30.
Nach Zerstörungswut auch
noch rabiater Schläger
Am Sonntagmorgen beobachtete
ein Anwohner in der Valentin-Becker-Straße wie ein Mann gegen das
geparkte Auto seiner Freundin trat.
Er verfolgte den Übeltäter und
konnte ihn stellen. Doch der
23-jährige Würzburger war mit der
Verständigung der Polizei gar nicht
einverstanden und schlug seinem
Verfolger mit der Faust ins Gesicht,
konnte aber überwältigt und der
Streife übergeben werden. Nun
muss er den Schaden von 1000 Euro
zahlen und erhält er auch eine
Strafanzeige.
WÜS - Seite 23
„Noch einmal spüren, was Leben bedeutet“
Engelsflügel-Tätowierung: Tumorkranker Michael Rauch hat sich seinen letzten Wunsch erfüllt
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Von unserem Mitarbeiter
STEFFEN STANDKE
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Michael
Rauch hatte einen Traum. Der
Karbacher leidet an einem Hirntumor und hat nur noch wenig Zeit
zu leben. Um sich den Abschied
von dieser Welt zu erleichtern,
wünschte er sich ein paar Engelsflügel, tätowiert zwischen die
Schulterblätter. Sie sollen ihn
durch den Rest seines Lebens tragen, ihm Halt geben. Auch dann,
wenn seine letzte Minute kommt.
Jetzt ist der Wunsch des 38-Jährigen Wirklichkeit geworden.
KARBACH/WÜRZBURG
Zufrieden sitzt Michael Rauch auf
der Couch in seinem Haus in Karbach
(Lkr. Main-Spessart). Der Weihnachtstrubel liegt hinter ihm und
auch die Aufregung eines besonderen
Moments. Kurz nach dem Fest hatte
er Besuch von Morgwn Pennypacker
und Janette Aguirre vom Tattoo-Studio Miami Ink. Sie waren extra für
drei Tage aus Florida ins verregnete
Unterfranken gekommen, um Rauch
seinen letzten Herzenswunsch zu erfüllen: sein ganz persönliches Engelsmotiv, für seine verbleibende Zeit,
verewigt in seinem Rücken.
Im Handumdrehen hatten die
Amerikaner ihre Werkzeuge ausgepackt und das Gästezimmer der Familie Rauch in ein Tattoo-Studio verwandelt. Obwohl durch die Krankheit stark geschwächt, hielt der
38-Jährige, über eine Stuhllehne gebeugt, die dreistündige Prozedur tapfer durch. Sauber verrichteten die Experten ihr Werk, stachen mit Nadeln
die unterschiedlichen Farben in die
Haut, zogen sauber die Linien des Engelsmusters nach: „Er ließ sich nichts
anmerken, hielt vollkommen still“,
so Pennypacker über seinen wohl bisher ungewöhnlichsten Kunden.
Wie in Trace
Rauch selbst erlebte die Situation
wie in Trance. „Nur die letzten zehn
Minuten waren sehr anstrengend“,
erzählt er. Mittlerweile ist der Tätowier-Schmerz vergessen. Zu stolz ist er
darauf, sein Ziel erreicht zu haben.
Direkt sehen kann er die Engelsflügel
auf dem Rücken nicht. Aber spüren:
„Sie haben mir noch mal das Gefühl
gegeben, was Leben bedeutet.“
Nicht, dass jetzt alles in bester Ordnung wäre. Die Flügel können die
Verzweiflung und die Angst vor dem
Tod nicht einfach wegwischen. Aber
so paradox es klingt: Sie haben Michael Rauch ein Stück Lebensmut zurückgegeben. Die Überzeugung, dass
es für ihn trotz seiner schweren
Krankheit weitergehen kann, dass er
nicht aufgeben will: „Die Flügel geben mir jetzt viel Kraft. Ohne sie wäre
ich schon längst gefallen.“
Auch einige andere Dinge machen
Michael Rauch Mut. So zum Beispiel
eine Videobotschaft aus Amerika, in
dem ihm die Tattoo-Experten von
Miami Ink Anerkennung zollen.
Aber auch, dass die 2000 Euro dafür,
die Tätowierer über den großen
Teich zu holen, dank der Hilfsbereitschaft von Verwandten, Freunden
und Spendern gedeckt sind. Kosten,
die deutlich unter den zunächst kalkulierten 4000 Euro liegen.
Viele Spender
Rund 1000 Euro an Einzelspenden
sind bei der Palliativstation der Uniklinik eingegangen. Ihre Mitarbeiter
hatten die Reise der Tattoo-Künstler
nach Deutschland organisiert. 1100
Euro kamen über den Harley-Davidson-Meisterbetrieb von Peter Schädel
in Randersacker zusammen. Schädel
hatte die Abholung und das Bringen
der Amerikaner zum Flughafen organisiert. Und auch beim Roten Kreuz,
in dem sich die Rauchs ehrenamtlich
engagieren, wurde gespendet. Das
Geld, das nun „übrig“ ist, will die
Familie der Klinik übergeben.
Michael Rauch möchte noch so
viel Zeit mit seiner Frau Tanja und
den drei Kindern verbringen wie
möglich. Einige Tage, Wochen, vielleicht auch Monate. Der Todkranke
weiß, dass der Tag des Sterbens unweigerlich für ihn kommen wird.
Doch jetzt ist er gut darauf vorbereitet: „Dann werde ich sehen, wie die
Engelsflügel mich tragen.“
Online-Tipp
Der ungewöhnliche Wunsch von
Michael Rauch war nicht unumstritten. Diese Zeitung hat auch die
Zweifel thematisiert. Viele Internet-User zeigten derweil Verständnis. Alles zum Thema im Netz:
http://wuerzburg.mainpost.de
Mit dem Engelsflügel-Tattoo auf dem Rücken hat sich der tumorkranke Michael Rauch einen letzten Wunsch erfüllt. Im Bild hält ihn Ehefrau Tanja.
FOTO THERESA MÜLLER
Viele Klischees
über Leonhard Frank
Nach Jubiläum Neues über den Schriftsteller
Kanonenschlag zerstört
Briefkasten und Sprechanlage
Wenig erfreulich war das bunte Silvesterfeuerwerk für einen Hausbesitzer in der Klingenstraße in Heidingsfeld. Dort wurden der Briefkasten und eine Sprechanlage vermutlich durch einen Kanonenschlag zerstört. Der Schaden beläuft
sich auf circa 1500 Euro. Ebenfalls
in der Silvesternacht wurde am
Place de Caen am Heuchelhof das
Schaufenster eines Blumenladens
eingeschlagen und damit ein Schaden von mehreren hundert Euro
verursacht.
In beiden Fällen sucht die Polizei,
ü (09 31) 4 57 15 30, Zeugen.
VBW
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Von unserem Mitarbeiter
CHRISTIAN AMMON
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Ist ein einziges Menschenleben ergiebig genug, um es
über Jahrzehnte hinweg zu erforschen? Gewiss im Falle des Schriftstellers Leonhard Franks, selbst nach
dem turbulenten Jubiläumsjahr
2007. Dies zeigen die Beiträge für die
neue Broschüre der Schriftenreihe
der Leonhard-Frank-Gesellschaft.
Zur Jahresversammlung wies der
Berliner Frank-Spezialist Michael
Henke nach, dass selbst in zwei bedeutenden Neuerscheinungen des
Vorjahrs, Volker Weidermanns „Das
Buch der verbrannten Bücher“ über
das Autodafé am 10. Mai 1933 und
Armin Strohmeyrs „Verlorene Generation“ über vergessene Dichter des
„anderen Deutschland“ immer noch
nur ein verzerrtes, im Detail sogar
fehlerhaftes Bild des gebürtigen
Würzburgers vermittelt wird. „Es
gibt eine Menge falsche Sachen, die
über Frank herumgeistern“, lautete
das Fazit Henkes.
So sei es ein verkürztes Klischee,
dass der in der Weimarer Republik berühmte Schriftsteller damals ein Frauenschwarm gewesen sei, der einen
Sportwagen fuhr und Maßanzüge
trug. „Das stimmt, stimmt aber auch
wieder nicht.“ Beispielsweise habe er
nie eine Villa im Berliner Grunewald
besessen, er wohnte zwar dort – und
das auf großem Fuß, mit Garten und
sieben Zimmern, doch zur Miete.
Zwar führte der Schriftsteller in
Berlin das Leben eines Bohemien,
doch zeitgleich erinnerte er sich in
dem 1927 erschienenen WürzburgRoman „Das Ochsenfurter Männerquartett“ an seine bodenständige Jugend in der Zellerau. Stadtheimatpfleger Hans Steidle kann in seinem
WÜRZBURG
Bibliothekarin Kerstin Dößel zeigt Bischof Friedhelm Hofmann (rechts) die
auf Pergament geschriebenen Paulusbriefe, eine Handschrift aus dem achten Jahrhundert. Das Buch diente im 19. Jahrhundert als Grundlage für die
Rekonstruktion der heutigen irischen Nationalsprache. Im Hintergrund UniPräsident Alfred Forchel.
FOTO MARKUS HAUCK
Mit Christentum kam auch
Buchkultur nach Franken
Bischof besichtigt Burkard-Evangeliar
WÜRZBURG (ric)
Wertvolle historische Bücher wie das Kilians- und das
Burkard-Evangeliar hat Bischof
Friedhelm Hofmann in der Uni-Bibliothek am Hubland besichtigt. UniPräsident Alfred Forchel und Dr.
Karl Südekum, Leiter der Universitätsbibliothek, begleiteten den Bischof bei seinem Rundgang.
Zwei Drittel des ursprünglichen
Bestands an historischen Schriften
seien im Zweiten Weltkrieg zerstört
worden, erklärte Südekum laut
einem Pressebericht aus dem Bistum.
Dennoch seien rund 2300 Handschriften erhalten, darunter eine
große Zahl an Papyri.
Sichtlich beeindruckt zeigte sich
der Bischof, als er historische Dokumente aus dem sechsten bis neunten
Jahrhundert in Augenschein nehmen
durfte. Mit dem Christentum sei auch
die lateinische Buchkultur der katho-
lischen Kirche nach Franken gekommen, erläuterte Dr. Hans-Günter
Schmidt, Leiter der Abteilung Handschriften und Alte Drucke. „Insofern
sind die irischen Missionare auch Vermittler und Lehrer der spätantiken
Kultur in Mitteleuropa."
Verschiedene Glossen im KiliansEvangeliar, das bei der Amtseinführung von Bischof Paul-Werner Scheele sogar noch bei der Liturgie verwendet wurde, bewiesen, dass das in
späterer Zeit mit Elfenbeinschnitzerei und Edelsteinen verzierte Buch
von Lesern mit Einflüssen aus Frankreich, England und Franken genutzt
wurde.
Ein wichtiges Zeugnis irischer
Kloster- und Buchkultur des achten
Jahrhunderts sind die Paulusbriefe,
die der Uni-Bibliothek als Pergament-Manuskript vorliegen.
Aufsatz nachweisen, dass der Autor
die noch heute gegenüber seinem
Wohnhaus in der Frankfurter Straße
bestehende Gärtnerei genau beschreibt. Nur die Bewohner waren
andere. Dorthin verpflanzt er den
kleinbürgerlichen Gärtner Theodor
Schletterer, den er nach einem mit
ihm bekannten Gärtnereibesitzer
aus Rothenburg gestaltete. Ein typisches Verfahren des Autors, erklärte
Steidle: „Er gestaltet in den Texten
die eigene Biographie, verfälscht sie
jedoch ganz bewusst.“
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„Über Leonhard Frank
herrscht trotz zahlreicher
Biografien immer noch ein
verzerrtes Bild“
Michael Henke
Frank-Spezialist
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Faszinierend ist eine weitere Lebensspur Franks. Sie führt nach Los
Angeles, wo er als Exiliant 1944/45
die Schauspielerin Natasha Lytess,
die Lehrerin Marilyn Monroes kennen lernte. Beide hatten eine Tochter, Barbara Frank. Was aus ihr wurde, ist unbekannt, bedauert Steidle.
Derartige Detailforschungen abrunden könnte eine umfassende Biografie, die ein namhafter Verfasser der
Stadt zur Feier des 50-jährigen Todestags 2011 angeboten hat, teilte Steidle
den Mitgliedern mit. „Wir dürfen uns
keine Illusionen machen, über Würzburg hinaus ist Frank wenig bekannt“, hofft er auf Impulse. Außerdem schlug er vor, an der LeonhardFrank-Promenade Würzburg-Zitate
des Autors auf Plexiglas-Tafeln anzubringen und Frank als „Kulturboten“
in den Partnerstädten Würzburgs
stärker bekannt zu machen.
Leserforum
In Afghanistan
herrscht Krieg
Zur Diskussion um den Bundeswehreinsatz in Afghanistan:
Unsere sogenannten verantwortungsbewussten Politiker haben ihre
„Parlamentsarmee“ in das Krisengebiet Afghanistan entsandt. Wenn
die Bundeswehr schon in einem
Land ins Feuer geschickt wird, in
dem angeblich kein Krieg oder
„kriegsähnliche Zustände“ herrschen, sollten sich die Damen und
Herren Parlamentarier zumindest
darüber im Klaren sein, was das für
unsere Soldaten bedeutet. Diese unklare und schwammige Haltung erscheint mir unerträglich, insbesondere wenn behauptet wird, dass das
Töten von Taliban-Kriegern nicht
durch das deutsche Mandat gedeckt
sei. Die Tötung deutscher Soldaten
anscheinend schon. In Afghanistan
herrscht kein klassischer Krieg zwischen zwei verfeindeten Nationen,
sondern, ein asymmetrischer, fast
Bürgerkrieg. Im Verständnis der Parlamentarier ist die Bundeswehr offensichtlich nichts anderes als ein
bewaffnetes THW, von dem nicht
erwartet wird, dass es sich bei Angriffen qualifiziert zur Wehr setzt.
Wie sonst müssen unsere Soldaten
bei Gegenwehr dem Staatsanwalt in
Potsdam jeden erwiderten Schuss
vorzählen und begründen. In der
Praxis führt das immer wieder zu
Situationen, in denen unsere Soldaten gar nicht erst zurückschießen.
Das Motto „wasch mich, aber mach
mich nicht nass“ darf nicht das
Leitmotiv von verantwortungsbewussten Politikern sein. In Afghanistan herrscht Krieg und unsere Parlamentarier sollten nicht so tun, als
wüssten sie es nicht. Was der Bürger
von ihnen erwartet, ist, dass sie sich
zur Wahrheit bekennen und sie sich
ihrer Verantwortung gegenüber
unseren Soldaten bewusst werden.
Kurt Dorner
97070 Würzburg