Chili Ein Gewürz begeistert die Welt Ein Gewürz begeistert die Welt
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Chili Ein Gewürz begeistert die Welt In der deutschen Küche geht es zunehmend heiß her. Nun erobern scharfe PaprikaFrüchte immer mehr auch den Tiefkühlmarkt in vielfältigen Variationen. minus18 verfolgte den Weg von den Ureinwohnern Südamerikas bis zu Tiefkühlpizza und Fingerfood mit Schärfeskala. >>> Die Regenwälder Südamerikas waren die ursprüngliche Heimat der Gattung Capsicum, die im unreifen Zustand grün ist und später rot wird. Chili gehört zu den beliebtesten und verbreitetsten Gewürzen der Welt. Und zu einem der vielfältigsten. Vom süßlich-milden Gewürzpaprika bis zu Bhut Jolokia, dem schärfsten Gewürz überhaupt, reicht da die Spannbreite. War Deutschland bislang – typisch für die nördliche Hemisphäre – eher auf der milden Seite, sind nun mehr und mehr auch die schärferen und scharfen Sorten im Kommen. Chili ist hierzulande zum Trend geworden – und der erfasst ganz langsam auch die Highconvenience-Bereiche der Tiefkühlwirtschaft. Mund und Rachen am besten, wenn sich mal wieder eine Chili im Produkttest als unerwartet scharf erwiesen hat. Das Toastbrot reibt die Scharfmacher dann von den Rezeptoren auf der Zunge und das Fett im Mascarpone bindet sie sogleich. Capsaicin heißt der Scharfmacher der Chilischoten und er sitzt vor allem in den hellen Scheidewänden, die die Kerne tragen, und nicht, wie oft fälschlich geglaubt wird, in den Kernen selbst. Das Fruchtfleisch enthält ebenfalls Capsaicin, jedoch deutlich weniger als die samentragenden Streben. Das Capsaicin, das unsere Schärferezeptoren so sehr reizt, ist ein fettlöslicher Stoff, der allenfalls mit fetthaltigen Lebensmitteln zu neutralisieren ist. Bewährt waren dafür bei Produktentwicklern bislang vor allem Speisequark und Joghurt. Der Versuch, den Zungenbrand mit Wasser zu löschen, wäre hingegen zum Scheitern verurteilt. Es verteilt das Capsaicin höchstens noch und macht damit alles nur schlimmer. Scoville: Von Null auf 16 Millionen Für Produktentwickler ist das eine echt heiße Sache: Seit chili-scharfes Essen auch bei uns verstärkt Fuß fasst, treibt es ihnen in den Versuchsküchen immer häufiger den Schweiß auf die Stirn und die Tränen in den Augen. Zum Glück wurden von Ernährungswissenschaftlerin Desirée Schneider an der Hochschule Fulda geeignete Rettungsmaßnahmen erforscht. Mascarpone auf Toastbrot lindert danach das Brennen in 44 tk-report minus achtzehn 12 / 2014 Viele Chilis wachsen nach unten hängend, der Royal Black Pepper aber senkrecht nach oben. Capsaicin ist ein farbloser und geschmacksneutraler Abwehrstoff der Pflanze gegen Fressfeinde, der auf den Schärferezeptoren des Menschen Hitze vortäuscht. Wie viel Hitze da erzeugt wird, ist messbar und wird international anhand der Scoville-Skala kommuniziert. Der Pharmazeut Wilbur Scoville aus Detroit, USA, hatte diese schon Anfang des vergangenen Jahrhunderts er- minus 18 forum xx highconvenience stellt, indem er Extrakte von Chiliproben immer weiter verdünnte, bis die Schärfe nicht mehr spürbar war. Wenn es dazu eine zehntausendfache Verdünnung braucht, bedeutet das in Scoville (Heat) Units (SCU oder SHU = Scoville Schärfegrad) einen Wert von 10.000 SCU. Die schärfste Chili, die Bhut Jolokia aus Assam in Indien, kann unter optimalen Anbaubedingungen angeblich auf bis zu eine Million SCU kommen. Der frühere Rekordhalter „Red Savina“ aus Kalifornien schafft immerhin 500.000 SCU. Reines Capsaicin liegt bei 16 Millionen SCU, eine Gemüsepaprika bei annähernd Null. Welcher Schärfegrad noch als angenehm empfunden wird und welcher schmerzhaft ist, wird von Mensch zu Mensch verschieden empfunden und hängt auch von Gewöhnung ab. Bei ungefähr 10.000 SCU hört der Spaß für den durchschnittlichen Westeuropäer langsam auf und über 50.000 SCU hat auch ein trainierter Mexikaner oder Asiate in der Regel keine Freude mehr daran. Alles was mehr ist, bekommt Wettbewerbscharakter. Eine Tücke dabei ist, dass nicht nur innerhalb einer Chili-Sorte, sondern sogar bei Früchten vom selben Strauch der Capsaicin-Gehalt deutlich variieren kann. Das macht Chili-Schärfe in der heimischen Küche zum Glücksspiel und für die Industrie zu einer Herausforderung. Allzu enge Vorgaben sind hier von Händlern Natur-bedingt in der Regel nicht einzuhalten. Die Scoville Schärfe-Skala 16 Millionen SCU 2 bis 5 Millionen SCU bis zu 1 Millionen SCU 10 + über 500.000 SCU reines Capsaicin amerikanisches Pfefferspray Bhut Jolokia Habanero Red Savina, Habanero Francisca, Naga Jolokia, Naga Morich 10 350.000 - 500.000 SCU Habanero, Yellow Bumpy, Fatalii, Scotch Bonnet, Tepin, Madame Jeannette 9 100.000 - 350.000 SCU Rocoto, Piri Piri, Pequin, Malagueta, Long Purple Cayenne 8 50.000 - 100.000 SCU Thai, Cayenne, Tabasco, Assam, Kung Pao, Orange Peak, Little Black Beauty 7 30.000 - 50.000 SCU De Arbol, Brazilian Starfish, Sarit Gat, Criolla Sella, Sibirischer Hauspaprika 6 15.000 - 30.000 SCU Aji Amarillo, Aji Angelo, Serrano, Peter Pepper, Fire Cracker 5 4 5.000 - 15.000 SCU Jalapeño, Halblanger Vulkan, Bishops Crown, Civitella 2.500 - 5.000 SCU Turuncu Spiral, Laos Finest, Fresno, Yellow Wax Hot, Black Hungarian, Cascabel 3 1.500 - 2.500 SCU Ancho, Bressepaprika, Dutch Orange, Mulato, Pasilla, Española, Alma Paprika 2 1.000 - 1.500 SCU Anaheim, Nu--Mex Big Jim, Indonesia, Aji Brazilian Red Olive, Poblano 1 0 - 1.000 SCU Von Südamerika in die Welt Ob Gemüsepaprika, Poblano, Jalapeno, Cayenne, Tabasco, Piri Piri, Habanero, Red Savina oder Bhut Jolokia – sie alle zählen zu den Chilis und haben ihren genetischen Ursprung in Mittel- und Südamerika. Von dort aus traten sie bereits kurz nach Entdeckung durch Christoph Kolumbus ihren Siegeszug über die warmen Regionen der ganzen Welt an und kamen schließlich mit Sklavenschiffen in die Südstaaten Nordamerikas zurück. Heute sind Chilischoten in der Landwirtschaft in Asien und Afrika ebenso vertreten wie in ihrem amerikanischen Ursprung. Auch im südlichen fast kein Capsaicin Cherry (mild), Baby Bell, Aji Dulce Amarillo, Aconcagua Medusa, Banana Sweet, Cubanelle, Feher, Yolo Wonder, alle Gemüsepaprikasorten Quelle: Conrad Bölicke, Peperoncini-Seminar - et alia tk-report minus achtzehn 12 / 2014 45 Die marinierten Sweet Chili Kabeljauportionen von Royal Greenland sind einzeln in mikrowellenbeständigen100 Gramm Portionen verpackt. Europa werden sie seit langem angebaut und züchterisch veredelt. Hier ist es vor allem Ungarn, dessen Landwirtschaft und Küche von der Paprika herausragend geprägt wird. In Südamerika nutzten die Ureinwohner die kleinen, beerenförmigen Wildformen der Chilis bereits vor tausenden von Jahren zum Würzen. Wann genau sie damit anfingen, sie nicht nur zu Lantmännen Unibake hat passend zum Trend ein Hamburger-Brötchen mit Chili entwickelt. Snacken in drei Schärfeklassen bei Salomon Foodworld: Die „Crispy Hot Kicks“ bieten eine Skala von süßlichleichter Schärfe bis zu feuriger Würzung, von Peppadew bis Habanero. Bei Alpenhain gibt’s Toastertaler mit Chili für den LEH und Back-Camembert mit Chili für die Gastronomie. minus 18 forum xx highconvenience Schwarmstedter hat seine „Kartoffeln fürs Blech“ für den Endverbraucher-Markt auch mit einer Chili-Würzung im Sortiment. Dr. Oetker brachte die deklarierte Schärfe-Abstufung in die Tiefkühltruhen: Die Zahl der Chilischoten auf der Packung zeigt dem Verbraucher den Schärfegrad. sammeln, sondern auch zu kultivieren, ist nicht belegt. Archäologische Funde deuten jedoch darauf hin, dass dies bereits 5.000 Jahre oder noch länger zurück liegt. Durch Kreuzungen und Veredelungen entstanden seither hunderte, ja vielleicht sogar tausende verschiedene Arten weltweit. Gut 400 Sorten listet das Bestimmungsbuch „Peppers of the World“ auf, mehrere Tausend finden sich in Internet-Datenbanken, hat Harald Zoschke für „Das Chili Pepper Buch“ recherchiert, das im deutschsprachigen Bereich als eine der Bibeln zum Thema Chili gilt. Nicht Pfeffer, sondern Capsicum er ebenso wenig erkannt haben. Heiße Würze für warme Länder häufig genannt werden – zur Gattung Capsicum und sind strauchartige Nachtschattengewächse. Mit Pfeffer, von dem sich der Name Paprika ableitet, haben sie botanisch somit überhaupt nichts zu tun. Die Bezeichnung dürfte auf einen Irrtum von Kolumbus und seiner Crew zurückgehen, denn der Entdecker suchte ja eigentlich den kürzeren Seeweg nach Indien und damit vor allem zum begehrten schwarzen Pfeffer. Dass er nicht in Indien, sondern in Amerika gelandet war, war Kolumbus bis zu seinem Tod nicht bewusst. Und dass die scharfe Würze des entdeckten Landes nicht mit Pfeffer verwandt, sondern halt Capsicum war, dürfte Auch wenn heute bestimmte Chili-Sorten durchaus in gemäßigten Zonen und allemal im Treibhaus anzubauen sind: am stärksten ist ihre Bedeutung immer noch in Landwirtschaft und Küche der warmen Regionen dieser Welt. Je heißer das Land, desto schärfer die Würzung, könnte man meinen - was angesichts Botanisch gesehen gehören alle Chilis – oder Paprikafrüchte, wie sie hierzulande Chili spielt bei den Fingerfood-Snacks von Frostkrone eine große Rolle. Die Auswahl reicht von roten Paprinos über grüne Jalapeños bis zur bunt gemischten „Mexican Snack Box“. tk-report minus achtzehn 12 / 2014 47 minus 18 forum xx highconvenience der schweißtreibenden Schärfe vieler indischer, südostasiatischer, afrikanischer oder mexikanischer Gerichte zunächst wie ein Widerspruch erscheinen mag. Im kalten Norden sollte man sich doch eher mit Schärfe einheizen. Verständlicher wird es, wenn man die antibakterielle Wirkung des Capsaicins betrachtet: Die scharfen Speisen in den Tropen helfen wohl, gefährliche Krankheitskeime in Schach zu halten. Bei Mex-Al spielen Chilis eine so große Rolle wie in der Küche Mexikos: Von Chili in Gläsern und Dosen über das Gewürz und Salsas bis hin zu Snacks und Gerichten mit Chili. Ein Chili-Burger ganz ohne Fleisch: Der „Vega Mexicana“ von Eichkamp wurde für die Gastronomie entwickelt. 48 tk-report minus achtzehn 12 / 2014 Klarer Spitzenreiter im Chili-Anbau ist heute Asien. Bei Gemüsepaprika liegt China mit rund 16 Millionen Tonnen pro Jahr deutlich vor Mexiko mit 2,4 und der Türkei mit 2,1 Millionen Tonnen. Betrachtet man nur das Paprika-Gewürz, die scharfen Chilis, war Indien nach Zahlen der FAO mit rund 1,3 Millionen Tonnen 2012 der mit weitem Abstand größte Produzent. Mit 290.000 Tonnen liegt die Volksrepublik China hier auf Rang 2, gefolgt von Peru (175.000 t), Bangladesch (172.000 t), Pakistan (150.000 t), Thailand (145.000 t), Myanmar (128.000 t), Ghana (100.000 t), Äthiopien (100.000 t) und Vietnam (93.000 t). Mexiko nimmt mit 60.000 Tonnen Platz 14 ein. Die Chili erobert Deutschland In Deutschland war Chili bis in die 1980er Jahre hinein praktisch kein Thema. Da gab es nur das süße und das scharfe Paprikapulver aus Ungarn, Cayennepfeffer und die unreife grüne Gemüsepaprika. Höchster Luxus war damals schon eine reife rote Gemüsepaprika – und Tabasco galt als Geheimtipp unter Insidern. Das hat sich durch die Ausbreitung der ausländischen Gastronomie und zunehmende Reiseerfahrungen der Deutschen nach und nach verändert. Frische Chilis sind heute in den Gemüseabteilungen vieler Supermärkte schon in unterschiedlichen Sorten zu bekommen und selbst beim Discounter staunt man nicht mehr wirklich über sie. Rezeptbücher mit scharfer Note kommen vermehrt auf den Markt, es bilden sich Clubs der Chili-Freunde, Samen zum selber Anbauen kursieren nicht nur unter Öko-Freaks und Conrad Bölicke – Chef von Artefakt / Handelsagentur für Erzeuger-Verbraucher-Ideen in Wilstedt – referiert vor Journalisten nicht mehr nur über sein Leib-undMagen-Thema Olivenöl, sondern entwickelt sich nun ebenfalls im Bereich Chili zur Ikone und scheut nicht davor zurück, Olivenöl und Chili schmackhaft zu mischen. Tiefkühlfrische Chili-Vielfalt für Gastronomen und die Produktentwickler der Industrie holt Koch-Berlin nach Deutschland. Auch in die Tiefkühlwirtschaft haben die scharfen Schoten in den letzten zehn Jahren verstärkt Eingang gefunden. Nachos in Form mit Käse gefüllter und panierter Jalapeño-Snacks kamen sogar schon ab Mitte/Ende der 1990er Jahre gut an. Eine ganz neue Qualität brachten im vergangenen Jahr Dr. Oetker für Endverbraucher und Salomon Foodworld für Gastronomen in den Markt: Pizza beziehungsweise FingerfoodSnacks in unterschiedlichen Schärfestufen. Da kann sich der Kunde oder Gast nun aussuchen, wie viel an Schärfe er sich gerade zumuten will. jr