motherfuckers

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TEXT STEFANIE HARDICK
D
ie Glatze des Barkeepers glänzt arierweiß, die
Wände sind mit Hakenkreuz-Flaggen geschmückt,
und kurz bevor sich die Kneipentür öffnet, erhascht man noch einen Blick auf das angepinnte Plakat:
„Gestapo-Pool-Party”. Dann betritt ein Mann die Skinhead-Bar, der Joseph Goebbels’ Alpträumen entsprungen
sein könnte - so jüdisch und gleichzeitig so cool sieht er aus.
Schläfenlocken, Hut und Bart wie ein Orthodoxer, dazu ein
bodenlanger, schwarzer Mantel und fette Goldketten mit
hebräischen Buchstaben um den Hals. Er bestellt koscheren
Wein und wirft lässig ein paar Schekel auf die Theke. Die
heranstürmenden Neonazis begrüßt er mit zwei riesigen
Knarren und einem flockigen „Shabbat shalom,
motherfuckers!“. Mordechai Jefferson Carver, besser bekannt als der „Hebräische Hammer“, ist der erste jüdische
Superheld der Filmgeschichte. Wenn er nicht gerade als
Geheimagent das jüdische Volk rettet, kurvt er mit seinem
tiefergelegten Cadillac in den israelischen Nationalfarben
Blau und Weiß durch New York und hilft „Brüdern und
Schwestern“ in Not.
Erfunden hat ihn der Filmstudent Jonathan Kesselman,
selbst Jude, der es leid war, dass seine Glaubensgenossen in
Hollywoodkomödien immer nur als Neurotiker und Hanswürste zu sehen waren. Aus Frust, weil er von der kalifornischen Filmhochschule USC eine Absage bekam, drehte er
zunächst einen Kurzfilm über den „Hebrew Hammer“, der
innerhalb kürzester Zeit zum Geheimtipp in Los Angeles
avancierte. Im folgenden Jahr wurde Kesselman an der
USC aufgenommen und beschloss, den Streifen zu einer
abendfüllenden Komödie auszubauen.
KLARTEXT
FOTO : CO N T E N T F I L M
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Jonathan Kesselman hat den
ersten jüdischen Superhelden
der Kinogeschichte erfunden.
Der „Hebrew Hammer“ rockte
Filmfestivals auf der ganzen
Welt. In Deutschland wird die
Komödie aber wohl nie ins
Kino kommen.
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SCHLUSS MIT LUSTIG.
Der „Hebrew Hammer“ (Adam Goldberg)
lässt eine Skinhead-Kneipe hochgehen.
Zum Vorbild nahm er sich die so genannten BlaxploitationFilme der siebziger Jahre wie „Shaft“ oder „Superfly“ mit
ihren sexy schwarzen Helden. „Ein religiöser Jude, der
Sexappeal und Gewalt benutzt, um seine Ziele zu erreichen, ist für mich der ultimative Widerspruch für eine
Komödie“, sagt Kesselman. „Genau wie in BlaxploitationFilmen die schwarzen Stereotypen maßlos übertrieben
wurden, um aus den Vorurteilen dann die Luft rauszulassen, so übertreibt ‚Hebrew Hammer‘ alle jüdischen Klischees. Er ist zugleich ultracool und ultraneurotisch.“
Schnell wurde der „Hammer“ zur Symbolfigur eines
neuen Lebensgefühls unter jungen US-amerikanischen
Juden, die sich selbstbewusst mit einem früheren Schimpfwort als „Heebs“ bezeichnen, so wie Schwarze das Wort
„Nigger“ für sich vereinnahmt haben.
KLARTEXT
Kesselman tingelte ein Jahr lang zu Filmfestivals rund um
den Globus, und die Medien feierten seine anarchische
Komödie als Überraschungshit. Aufsehen erregte dabei
weniger die Handlung des Films, die in wenigen Worten erzählt ist: Der Sohn des Weihnachtsmannes putscht sich
brutal an die Macht und will Hanukkah, das jüdische Lichterfest, abschaffen. Die Jüdische Gerechtigkeitsliga beauftragt den „Hebrew Hammer“, dem üblen Weihnachtsmann
das Handwerk zu legen und Hanukkah zu retten.
Wie bei den „Nackte Kanone“- Filmen der ebenfalls jüdischen Zucker-Brüder, deren großer Fan Kesselman ist,
liegt der eigentliche Witz von „Hebrew Hammer“ in seiner
unglaublichen Fülle von Gags und Anspielungen, kleinen
Szenen, die im Hintergrund ablaufen, und skurrilen Details
in der Requisite.
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„ Die Leute sagen:
Der Film ist toll,
er ist lustig, aber
nur Juden werden
ihn verstehen.“
JONATHAN KESSELMAN ÜBER DIE REAKTIONEN IN HOLLYWOOD
JONATHAN KESSELMAN
von Ländern, darunter die Beneluxstaaten, Großbritannien
und sogar Israel verkauft hat, ist es in Deutschland immer
noch schwierig, den „Hebrew Hammer“ zu sehen. So
mussten die Veranstalter der Jüdischen Kulturtage in Berlin auf eine Kopie mit kaum erkennbarem Bild und noch
schlechterem Ton zurückgreifen – der Zuschauerraum war
trotzdem bis auf den letzten Platz gefüllt.
Als der Film während des Jüdischen Filmfestivals im
Sommer 2003 zum ersten Mal in Berlin gezeigt wurde, war
Kesselman unsicher, wie das deutsche Publikum seinen
Humor aufnehmen würde. Er saß im Kino und erwartete
nervös die Reaktionen auf die ersten Szenen: Ein jüdischer
Junge, den andere Kinder mit Münzen bewerfen, eine Lehrerin, die sich über seinen „seltsamen und fehlgeleiteten“
Glauben lustig macht. Es funktionierte. „Ein älterer Angehöriger der israelischen Botschaft hat den Saal verlassen,
aber die jungen jüdischen Deutschen haben den Film geliebt.“
Am Ende gewann „Hebrew Hammer“ den Publikumspreis des Filmfestivals. „Die Zuschauer, egal, ob jüdisch
oder nicht, waren so begeistert, dass wir den Film sogar
drei Mal zeigen mussten“, berichtet die Leiterin des Festivals, Nicola Galliner. Sie ist selbst ein großer Fan des
„Hammers“: „Der Film gibt einem ein schönes Gefühl. Man
soll sich gut fühlen, jüdisch zu sein.“ Sie ist sich sicher, dass
der Film auch in Deutschland Erfolg haben würde. „Der
‚Hebrew Hammer‘ könnte der Anfang zu etwas Neuem sein.
Aber anscheinend hat niemand den Mut, dem Film eine
Chance zu geben.“ ✽
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S C R E E N S H OTS : E R O L G U R I A N
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Seine Charaktere sind Inkarnationen jedes
erdenklichen jüdischen Klischees. So leidet der „Hammer“ unter seiner überfürsorglichen Mutter, die mit der einen Hand
„vier Sorten Hühnchen“ zum Shabbat serviert,
während sie mit der anderen ihrer durchfallkranken Katze neue Windeln anlegt und gleichzeitig die
Kollegin des Superhelden überredet, ihn dazu zu bringen,
sein Leben in bürgerliche Bahnen zu lenken, „vielleicht mit
einem Blowjob hier und da ... “.
Kesselman hat es geschafft, dem Film den Look einer
großen Hollywood-Produktion zu geben, obwohl er nur ein
vergleichsweise winziges Budget von 1,3 Millionen Dollar
zur Verfügung hatte. Diese Summe hat die Komödie nach
ihrem US-Kinostart längst wieder eingespielt. In Deutschland wird „Hebrew Hammer“ trotzdem wohl nie in die
Kinos kommen. Die Produktionsfirma „Contentfilm“
scheut sich, den Streifen im großen Stil zu vermarkten.
„Dem Film wurde nie wirklich eine Chance gegeben. Als
‚Hebrew Hammer‘ in die Kinos kam, hat es vorher kaum jemand gewusst“, ärgert sich Kesselman. Gegen das Argument, seine Komödie sei „zu jüdisch“, hatte der Filmemacher schon vor Beginn der Dreharbeiten zu kämpfen:
„Juden haben diese komische Einstellung“, erklärt er: „Ich
nenne es das Chosen Person Syndrome, wenn Juden annehmen, dass nur Juden den Film wirklich begreifen können.
Das ist der schwerste Kampf für diesen Film. Die Leute
sagen: ‚Er ist toll, er ist lustig, aber nur Juden werden ihn
verstehen.‘ Und in Hollywood arbeiten sehr viele Juden.“
Die Branchenbibel „Variety“ sagte voraus, dass „sein
spezifischer Humor den Erfolg des Films auf bestimmte
Großstädte beschränken könnte.“ Das heißt im Klartext:
Man muss kein Jude sein, um den Film zu verstehen, aber es
hilft. Das Argument, der Film sei für ein sehr kleines Publikum gemacht, ist jedenfalls schwieriger zu entkräften als
die Kritik einiger Rabbis, Kesselmans Spiel mit Klischees
sei beleidigend und grenze an Antisemitismus. Dass die jüdische Anti-Diskriminierungs-Liga „Hebrew Hammer“ von
diesem Vorwurf freigesprochen hat, nimmt Kesselman mit
Galgenhumor: „Hätte die Liga den Film als antisemitisch
bewertet, wäre der ‚Hammer‘ womöglich ein Kassenschlager
geworden, und ich stünde jetzt nicht am Rande des Bankrotts. Nun gut, sie haben sich entschieden, lieber Mel Gibson zu helfen, seine ‚Passion Christi‘ zu vermarkten.“
Und auch, wenn der Film mittlerweile jedes Jahr vor
Hannukah im amerikanischen Fernsehen gesendet wird
und „Contentfilm“ die DVD-Rechte für eine ganze Reihe
„Der ,Hebrew Hammer ’ zeigt im Wesentlichen
mein Leben als Jude“, witzelt Regisseur und
Drehbuchautor Jonathan Baruch Kesselman,
30, gerne. Er schrieb das Drehbuch zu
,Hebrew Hammer ’ in nur 17 Tagen und ließ
sich bei vielen Szenen von der eigenen Familie
inspirieren. Aufgewachsen im San Fernando
Valley, Kalifornien, lag der Schritt nach
Hollywood nahe. Kesselman hat seinen Weg
gefunden: „Komödien sind ideal für mich. Ich
bin ein unsicherer Filmemacher, und nur die
unmittelbare Anerkennung durch Gelächter
macht es mir überhaupt möglich, meine Filme
gemeinsam mit anderen Menschen anzusehen.“
Sein nächster Film ist bereits in Planung. Für
die Hauptrollen von ,It’s A Man’s World’ haben
Christina Ricci und Adam Goldberg zugesagt.
Der Film wird „keinen einzigen jüdischen Witz
enthalten“, verspricht Kesselman.
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TRAUMATISCHE Erinnerungen hat
der „Hebrew Hammer“ an Weihnachten,
gemeinsam mit seinem schwarzen
Bruder Mohamed (unten) bekämpft
er den fiesen Weihnachtsmann.