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13HEBREW.4QXD ME DI EN 13.05.2005 13:15 Uhr Seite 48 S alom, VE RS CH W ÖR UN G habbat h motherf uckers TEXT STEFANIE HARDICK D ie Glatze des Barkeepers glänzt arierweiß, die Wände sind mit Hakenkreuz-Flaggen geschmückt, und kurz bevor sich die Kneipentür öffnet, erhascht man noch einen Blick auf das angepinnte Plakat: „Gestapo-Pool-Party”. Dann betritt ein Mann die Skinhead-Bar, der Joseph Goebbels’ Alpträumen entsprungen sein könnte - so jüdisch und gleichzeitig so cool sieht er aus. Schläfenlocken, Hut und Bart wie ein Orthodoxer, dazu ein bodenlanger, schwarzer Mantel und fette Goldketten mit hebräischen Buchstaben um den Hals. Er bestellt koscheren Wein und wirft lässig ein paar Schekel auf die Theke. Die heranstürmenden Neonazis begrüßt er mit zwei riesigen Knarren und einem flockigen „Shabbat shalom, motherfuckers!“. Mordechai Jefferson Carver, besser bekannt als der „Hebräische Hammer“, ist der erste jüdische Superheld der Filmgeschichte. Wenn er nicht gerade als Geheimagent das jüdische Volk rettet, kurvt er mit seinem tiefergelegten Cadillac in den israelischen Nationalfarben Blau und Weiß durch New York und hilft „Brüdern und Schwestern“ in Not. Erfunden hat ihn der Filmstudent Jonathan Kesselman, selbst Jude, der es leid war, dass seine Glaubensgenossen in Hollywoodkomödien immer nur als Neurotiker und Hanswürste zu sehen waren. Aus Frust, weil er von der kalifornischen Filmhochschule USC eine Absage bekam, drehte er zunächst einen Kurzfilm über den „Hebrew Hammer“, der innerhalb kürzester Zeit zum Geheimtipp in Los Angeles avancierte. Im folgenden Jahr wurde Kesselman an der USC aufgenommen und beschloss, den Streifen zu einer abendfüllenden Komödie auszubauen. KLARTEXT FOTO : CO N T E N T F I L M 48 Jonathan Kesselman hat den ersten jüdischen Superhelden der Kinogeschichte erfunden. Der „Hebrew Hammer“ rockte Filmfestivals auf der ganzen Welt. In Deutschland wird die Komödie aber wohl nie ins Kino kommen. 13HEBREW.4QXD 13.05.2005 13:15 Uhr Seite 49 SCHLUSS MIT LUSTIG. Der „Hebrew Hammer“ (Adam Goldberg) lässt eine Skinhead-Kneipe hochgehen. Zum Vorbild nahm er sich die so genannten BlaxploitationFilme der siebziger Jahre wie „Shaft“ oder „Superfly“ mit ihren sexy schwarzen Helden. „Ein religiöser Jude, der Sexappeal und Gewalt benutzt, um seine Ziele zu erreichen, ist für mich der ultimative Widerspruch für eine Komödie“, sagt Kesselman. „Genau wie in BlaxploitationFilmen die schwarzen Stereotypen maßlos übertrieben wurden, um aus den Vorurteilen dann die Luft rauszulassen, so übertreibt ‚Hebrew Hammer‘ alle jüdischen Klischees. Er ist zugleich ultracool und ultraneurotisch.“ Schnell wurde der „Hammer“ zur Symbolfigur eines neuen Lebensgefühls unter jungen US-amerikanischen Juden, die sich selbstbewusst mit einem früheren Schimpfwort als „Heebs“ bezeichnen, so wie Schwarze das Wort „Nigger“ für sich vereinnahmt haben. KLARTEXT Kesselman tingelte ein Jahr lang zu Filmfestivals rund um den Globus, und die Medien feierten seine anarchische Komödie als Überraschungshit. Aufsehen erregte dabei weniger die Handlung des Films, die in wenigen Worten erzählt ist: Der Sohn des Weihnachtsmannes putscht sich brutal an die Macht und will Hanukkah, das jüdische Lichterfest, abschaffen. Die Jüdische Gerechtigkeitsliga beauftragt den „Hebrew Hammer“, dem üblen Weihnachtsmann das Handwerk zu legen und Hanukkah zu retten. Wie bei den „Nackte Kanone“- Filmen der ebenfalls jüdischen Zucker-Brüder, deren großer Fan Kesselman ist, liegt der eigentliche Witz von „Hebrew Hammer“ in seiner unglaublichen Fülle von Gags und Anspielungen, kleinen Szenen, die im Hintergrund ablaufen, und skurrilen Details in der Requisite. 13HEBREW.4QXD 13.05.2005 13:15 Uhr Seite 50 „ Die Leute sagen: Der Film ist toll, er ist lustig, aber nur Juden werden ihn verstehen.“ JONATHAN KESSELMAN ÜBER DIE REAKTIONEN IN HOLLYWOOD JONATHAN KESSELMAN von Ländern, darunter die Beneluxstaaten, Großbritannien und sogar Israel verkauft hat, ist es in Deutschland immer noch schwierig, den „Hebrew Hammer“ zu sehen. So mussten die Veranstalter der Jüdischen Kulturtage in Berlin auf eine Kopie mit kaum erkennbarem Bild und noch schlechterem Ton zurückgreifen – der Zuschauerraum war trotzdem bis auf den letzten Platz gefüllt. Als der Film während des Jüdischen Filmfestivals im Sommer 2003 zum ersten Mal in Berlin gezeigt wurde, war Kesselman unsicher, wie das deutsche Publikum seinen Humor aufnehmen würde. Er saß im Kino und erwartete nervös die Reaktionen auf die ersten Szenen: Ein jüdischer Junge, den andere Kinder mit Münzen bewerfen, eine Lehrerin, die sich über seinen „seltsamen und fehlgeleiteten“ Glauben lustig macht. Es funktionierte. „Ein älterer Angehöriger der israelischen Botschaft hat den Saal verlassen, aber die jungen jüdischen Deutschen haben den Film geliebt.“ Am Ende gewann „Hebrew Hammer“ den Publikumspreis des Filmfestivals. „Die Zuschauer, egal, ob jüdisch oder nicht, waren so begeistert, dass wir den Film sogar drei Mal zeigen mussten“, berichtet die Leiterin des Festivals, Nicola Galliner. Sie ist selbst ein großer Fan des „Hammers“: „Der Film gibt einem ein schönes Gefühl. Man soll sich gut fühlen, jüdisch zu sein.“ Sie ist sich sicher, dass der Film auch in Deutschland Erfolg haben würde. „Der ‚Hebrew Hammer‘ könnte der Anfang zu etwas Neuem sein. Aber anscheinend hat niemand den Mut, dem Film eine Chance zu geben.“ ✽ KLARTEXT S C R E E N S H OTS : E R O L G U R I A N 50 Seine Charaktere sind Inkarnationen jedes erdenklichen jüdischen Klischees. So leidet der „Hammer“ unter seiner überfürsorglichen Mutter, die mit der einen Hand „vier Sorten Hühnchen“ zum Shabbat serviert, während sie mit der anderen ihrer durchfallkranken Katze neue Windeln anlegt und gleichzeitig die Kollegin des Superhelden überredet, ihn dazu zu bringen, sein Leben in bürgerliche Bahnen zu lenken, „vielleicht mit einem Blowjob hier und da ... “. Kesselman hat es geschafft, dem Film den Look einer großen Hollywood-Produktion zu geben, obwohl er nur ein vergleichsweise winziges Budget von 1,3 Millionen Dollar zur Verfügung hatte. Diese Summe hat die Komödie nach ihrem US-Kinostart längst wieder eingespielt. In Deutschland wird „Hebrew Hammer“ trotzdem wohl nie in die Kinos kommen. Die Produktionsfirma „Contentfilm“ scheut sich, den Streifen im großen Stil zu vermarkten. „Dem Film wurde nie wirklich eine Chance gegeben. Als ‚Hebrew Hammer‘ in die Kinos kam, hat es vorher kaum jemand gewusst“, ärgert sich Kesselman. Gegen das Argument, seine Komödie sei „zu jüdisch“, hatte der Filmemacher schon vor Beginn der Dreharbeiten zu kämpfen: „Juden haben diese komische Einstellung“, erklärt er: „Ich nenne es das Chosen Person Syndrome, wenn Juden annehmen, dass nur Juden den Film wirklich begreifen können. Das ist der schwerste Kampf für diesen Film. Die Leute sagen: ‚Er ist toll, er ist lustig, aber nur Juden werden ihn verstehen.‘ Und in Hollywood arbeiten sehr viele Juden.“ Die Branchenbibel „Variety“ sagte voraus, dass „sein spezifischer Humor den Erfolg des Films auf bestimmte Großstädte beschränken könnte.“ Das heißt im Klartext: Man muss kein Jude sein, um den Film zu verstehen, aber es hilft. Das Argument, der Film sei für ein sehr kleines Publikum gemacht, ist jedenfalls schwieriger zu entkräften als die Kritik einiger Rabbis, Kesselmans Spiel mit Klischees sei beleidigend und grenze an Antisemitismus. Dass die jüdische Anti-Diskriminierungs-Liga „Hebrew Hammer“ von diesem Vorwurf freigesprochen hat, nimmt Kesselman mit Galgenhumor: „Hätte die Liga den Film als antisemitisch bewertet, wäre der ‚Hammer‘ womöglich ein Kassenschlager geworden, und ich stünde jetzt nicht am Rande des Bankrotts. Nun gut, sie haben sich entschieden, lieber Mel Gibson zu helfen, seine ‚Passion Christi‘ zu vermarkten.“ Und auch, wenn der Film mittlerweile jedes Jahr vor Hannukah im amerikanischen Fernsehen gesendet wird und „Contentfilm“ die DVD-Rechte für eine ganze Reihe „Der ,Hebrew Hammer ’ zeigt im Wesentlichen mein Leben als Jude“, witzelt Regisseur und Drehbuchautor Jonathan Baruch Kesselman, 30, gerne. Er schrieb das Drehbuch zu ,Hebrew Hammer ’ in nur 17 Tagen und ließ sich bei vielen Szenen von der eigenen Familie inspirieren. Aufgewachsen im San Fernando Valley, Kalifornien, lag der Schritt nach Hollywood nahe. Kesselman hat seinen Weg gefunden: „Komödien sind ideal für mich. Ich bin ein unsicherer Filmemacher, und nur die unmittelbare Anerkennung durch Gelächter macht es mir überhaupt möglich, meine Filme gemeinsam mit anderen Menschen anzusehen.“ Sein nächster Film ist bereits in Planung. Für die Hauptrollen von ,It’s A Man’s World’ haben Christina Ricci und Adam Goldberg zugesagt. Der Film wird „keinen einzigen jüdischen Witz enthalten“, verspricht Kesselman. 13HEBREW.4QXD 13.05.2005 13:15 Uhr Seite 51 TRAUMATISCHE Erinnerungen hat der „Hebrew Hammer“ an Weihnachten, gemeinsam mit seinem schwarzen Bruder Mohamed (unten) bekämpft er den fiesen Weihnachtsmann.