Das Sanierungs - Burgenforschung Zeune

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Das Sanierungs - Burgenforschung Zeune
Das Sanierungsprojekt „Burgruine
Hohenfreyberg“
wie das Büro für Burgenforschung
Dr. Zeune arbeitet – ein Bericht und
Einblick, statt einer „neutralen,
isolierten“ Leistungsbeschreibung
Das Sanierungsprojekt Hohenfreyberg
Auf zwei direkt nebeneinander liegenden
Berggipfeln über dem Dorf Zell erheben sich
zwei mächtige Burgruinen: Eisenberg und
Hohenfreyberg. Ihre Geschichte ist ebenso
eng miteinander verbunden.
Geschichte: Die 1315 vom Geschlecht der Hohenegger erbaute Burg Eisenberg
wurde 1382 an das Herzogtum Österreich-Tirol verkauft, das damit eine
Territorialinsel nördlich der Alpen erwarb. Acht Jahre später belehnte Herzog
Ludwig III. von Österreich Friedrich von Freyberg mit der Burg. Dem ältesten
Sohn Friedrich reichte es nicht aus, die väterliche Burg zu erben, er war davon
beseelt, eine eigene Herrschaft mit einer eigenen Burg zu besitzen. Mit dem
vorab ausgezahlten Erbteil begann er 1418 auf dem Nachbargipfel eine Burg
zu erbauen, die das Zentrum seiner neu geschaffenen Herrschaft Hohenfreyberg werden sollte.
Friedrich nannte sich bereits ab 1423 „von der Hohenfreyberg“, obwohl der
Bau seiner Burg noch bis 1432 andauern sollte. Die Herrschaft, die zur Burg
Hohenfreyberg gehörte, war winzig, sie umfasste nur den Burgberg, den
Schlossweiher und den Weiler Schweinegg – mit nicht mehr als zwei Dutzend Bauernhöfen. Bau und Unterhalt der riesigen Burg überforderten die
Freyberger finanziell, und so verkauften sie die Burg kurz vor 1485 an ihren
obersten Lehnsherren Erzherzog Sigmund von Österreich-Tirol. Dieser bestimmte 1485 den reichen und einflussreichen Patrizier Georg Gossenbrot
zum Pfandherrn der Burg und installierte dort fortan Pfleger. Seit dieser Zeit
sind neben der Bestellung der Pfleger alle Ausgaben und Einnahmen schriftlich fixiert und erlauben einen guten Einblick in die Geschichte und Baugeschichte der Burg.
Hier erfahren wir, dass Georg Gossenbrot im Jahr 1501 den hohen Betrag von
2000 Rheinischen Gulden in Baumaßnahmen investiert hat. Zusammen mit
der langen Baudauer weist dies auf einen größeren Ausbau hin. Im Zuge
dieser Baumaßnahmen wurde die Burg auch auf Artilleriewaffen umgerüstet, was sich schon 1525 bezahlt machte, als die Burg Eisenberg von den
Bauern eingenommen werden konnte, nicht jedoch die Burg Hohenfreyberg.
Auch in der Folge wurde immer wieder in Reparatur und Ausbau der Burg
investiert, so zum Beispiel 1542 oder 1607/08, als man am Rondell und am
Ökonomiehaus arbeitete und die Baumaßnahme 1609 mit dem Einbau eines
Badeofens abschloss. Kurz darauf sorgte ein schwerer Sturm für neue Bauschäden.
Ihre Beseitigung während des 30-jährigen Krieges fand allerdings wenig
Beachtung. Angesichts der heranrückenden Schweden fasste die österreichische Heeresleitung bereits 1632 den folgenschweren Entschluss, die auf der
Burg Hohenfreyberg installierten Geschütze auf die Feste Ehrenberg abzutransportieren, um dadurch die alpinen Pässe stärker zu befestigen. Die
entfestigte Burg wurde kurz darauf von österreichischen Truppen geplündert – ein Umstand, der darauf hinweist, dass den Burgen kein militärischer
Wert mehr beigemessen wurde. Am 15. September 1646 entschloss sich die
Tiroler Landesregierung angesichts der erneut heranrückenden Schweden
und Franzosen zu einer Politik der verbrannten Erde und ließ ihre voralpinen
Burgen Eisenberg, Hohenfreyberg und Falkenstein in Brand strecken. Dieser
fatale Entschluss besiegelte das Schicksal der Burgen, stellte sich im Nachhinein aber als unsinnig heraus, da der Feind einen anderen Weg nahm. Die
Burgen blieben seitdem Ruinen. 1805 wurde die Burg Hohenfreyberg dem
bayerischen Staat zugesprochen, der die Ruine 1841 an die Freiherren von
Freyberg verkaufte, die heute noch Eigentümer der Burgruine sind.
Auch der berühmte Maler
Domenico Quaglio war von
der „Bilderbuch-Ruine“
Hohenfreyberg angetan.
Er zeichnete um 1830 auf
seiner Reise durch das
Allgäu u. a. auch die Burg
Hohenschwangau und das
Hohe Schloss in Füssen.
Der Verfall:
Nach dem Brand 1646 war die Ruine dem kontinuierlichen Verfall preisgegeben. Um 1830 wurde die Burgruine dann zum Inbegriff der Burgenromantik – nicht zuletzt durch die Zeichnungen des berühmten Malers
Domenico Quaglio. Niemand dachte daran, die Romantik zu „zerstören“,
indem man den problematischen Bewuchs entfernte, der sich in den Mauerresten breit gemacht hatte. In den späten 1980er Jahren hatten Wurzelwerk,
Witterung und Besteigungsattacken die ohnehin schon maroden Mauern
derart zermürbt, dass es jedes Jahr zu massiven Substanzverlusten kam. Für
eine Großmaßnahme wie die Sicherung der großen Burgruine fehlten jedoch
lange Zeit die finanziellen Mittel. Mit der Stiftung Alp Action und Ebel Uhren
fand sich jedoch 1995 ein potenter Sponsor, durch den die langwierige und
schwierige Sanierung möglich wurde. Der Präsident von Alp Action, Prinz
Sadruddin Aga Khan (†2003), wurde Schirmherr der Sanierung, die 1997 und
2001 von der bayerischen Sparkassenstiftung weitergefördert wurde. Die
Sanierung wird im Jahr 2005 beendet. Weitere Bezuschusser sind das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege, der Bezirk Schwaben, der Landkreis
Ostallgäu, die Gemeinde Eisenberg und die Bayerische Landesstiftung.
Auf diesem Luftfoto
sieht man ein harmonisches Ineinander von
grün und grau – Bewuchs und Gemäuer.
Diese Romantik hat
aber auch ihre zerstörerischen Seiten.
(Luftfoto Klaus Leidorf, 1997)
Die Sanierung:
Hohenfreyberg ist eine Mustersanierung von bundesweiter Bedeutung. Es
wurde eine reine Konservierung durchgeführt, auf kommerzielle Um- und
Neunutzungen wurde verzichtet. Das Ziel war es, mit einem Minimum an
Eingriffen den Bauzustand und die Burgsilhouette zum Zeitpunkt des Sanierungsbeginns zu erhalten. Als sinnvolle Sofortmaßnahme erfolgte die Entholzung und Entgrünung der Mauern in einem Umkreis von zwei Metern. Für
diese Maßnahme wurde ein Botaniker hinzugezogen, der auf schützenswerte
Pflanzen hinwies, den Pflanzenbestand kartierte und alle Bonsais fachgerecht entfernte. Bewuchs, der tief wurzelte, wurde lediglich stark zurück geschnitten, da ein gewaltsames Entfernen der Wurzeln große Substanzverluste zur Folge gehabt hätten. Erst im Zuge der Sanierungsarbeiten wurden
die Wurzeln händisch freigelegt und behutsam beseitigt. Auch wenn die
Entgrünung in den Augen der Burgenromantiker sehr radikal wirken mag,
rechtfertigt sie sich voll und ganz durch die massiven Bauschäden, die das
Mauerwerk durch die extreme Durchwurzelung bereits erlitten hat. Welchen
Schaden der Bewuchs anrichten kann, hatte nicht zuletzt der Sturm „Wiebke“
Südwand der Vorburg. Befundung
und Schadenskartierung. Rot markiert die Schadensbilder, schwarz
die Baubefunde.
Südwand der Vorburg. Sanierungskonzept. Gelb markiert Ergänzungen
und Neuverfugungen, schwarz markiert „Tabuzonen“ für die Mauerer
Südwand der Vorburg vor und nach
der Sanierung.
1989 bewiesen: Bäume auf den Mauerkronen lockerten durch den Rütteleffekt
das Mauerwerk auf und rissen bei einem Windbruch beträchtliche Mauerteile
mit – ganz abgesehen von den Schäden, die entwurzelte oder gebrochene
Bäume anrichten, die auf größere Mauerscheiben stürzten. Durch die Entholzung war außerdem eine wesentlich bessere Dokumentation der Burgwände
möglich. Neben dem Erhalt ihrer Gestalt, ihrer Atmosphäre und ihrer Romantik stand aber auch der Erhalt aller baugeschichtlichen Informationen der Ruine im
Vordergrund. Zu diesem Zweck wurde jede Wand mit einer Spezialkamera
großformatig fotografiert. Da ein händisches Aufmaß einer solch großen Ruine
mit all ihren Bruchsteinmauern nicht finanzierbar gewesen wäre, wurden die
Großbildfotos durchgezeichnet und die Umzeichnungen dann vor Ort befundet,
indem alle Befunde eingetragen und beschrieben wurden. Von wichtigen
datierenden Details wie Schießscharten, Fenstern und Türen wurden zusätzlich von Hand stein- und verformungsgerechte Aufmaße angefertigt. Darüber hinaus
wurden in die Befundungsblätter auch die Bauschäden eingetragen, so dass
parallel eine Schadenskartierung entstand. Die baugeschichtlichen Befunde auf Hohenfreyberg fielen so übersichtlich aus, dass Befundung und Schadenskartierung
nicht wie üblich auf separaten Blättern angefertigt werden mussten, sondern
auf einem gemeinsamen Blatt Platz fanden.
oben: Westtrakt (Tortrakt) der Kernburg
vor und nach (rechts) der Sanierung.
unten: Befundung und Schadenskartierung.
Gelb: Artilleriehäuschen um 1460.
Blau: Tortrakt um 1500. Rot: Schäden
Aus Grundlage dieser Befundungs- und Schadensblättern wurden Sanierungsblätter
entwickelt, auf denen für die Maurer exakt eingezeichnet wurde, was wo wie
zu ergänzen oder erneuern war. Auf den Blättern waren zudem „Tabuzonen“
vermerkt – so konnte sichergestellt werden, dass die Maurer an diesen Stellen
nicht versehentlich sanierten. Baufugen, die tatsächlich neu zu schließen
waren, wurden bewusst um mehrere Zentimeter nach hinten versetzt, um
sie als solche kenntlich zu machen. Obwohl es den Anschein machen könnte,
dass die Erstellung von Befundungsblatt, Schadensblatt und Sanierungsplan
sehr aufwändig ist, wurde schnell klar, dass die dadurch möglichen gezielten
Sanierungseingriffe letztlich sehr viel Zeit und Geld sparten.
Die Mauerkronen waren durch Frost und Feuchtigkeit weitgehend aufgebrochen.
Sie wurden deshalb soweit es nötig war abgetragen und anschließend in der
vorgefundenen Silhouette, jedoch mit einem beidseitigen Gefälle und größeren Steinplatten wiederhergestellt. Die Mauern selbst behielten dadurch ihre
zerklüftete, bewegte Kontur. Der letzte Arbeitsschritt bei der Mauerkronensanierung war zugleich der wichtigste: feine Schwundrisse wurden durch händisches Nachwascheln geschlossen. Schnell zeigte sich, dass jede noch so gut
vorbereitete Maßnahme nichts nutzt, wenn es an der Qualität der Ausfüh-
Schließen der Schwundrisse auf den
Mauerkronen. Damit wird die Sanierung
dauerhaften Schutz für das Gemäuer
bringen.
unten: Die Maurer beim – für Besucher
auf der Burg spektakulären – Kalklöschen.
rung mangelt. Aus diesem Grund mussten die „Burgmaurer“, die das Aufmauern „steriler Wände“ mit industiellem Mörtel gewohnt waren, erst auf eine
behutsame, sorgfältige und auf den historischen Bestand achtende Arbeitsweise umgeschult werden. Vor allem die älteren unter ihnen wollten sich
partout nicht auf diese Arbeitsweise und den anfangs „verteufelten“ Kalkmörtel
einlassen, auf den sie mittlerweile schwören! Die Maurer mussten sich durch
mehrere Musterflächen der Vorgabe annähern, das alte Mauerwerk möglichst
exakt zu kopieren: Kalkbruchstücke mussten grob lagerhaft versetzt und stark
ausgezwickt werden. An einer großen Wandscheibe mussten sie sogar die
unterschiedlichen Mauertechniken verschiedener Jahrhunderte imitieren,
sich also handwerklich ständig zwischen dem 15. und 17. Jh. hin und her
bewegen, was ihnen dank intensiver Baubetreuung hervorragend gelang.
Ausschließlich dort, wo der alte Fugenmörtel mehr als 5 cm ausgewittert war,
wurde neu verfugt, und dort lediglich in reduzierter Form mit vorstehenden
Steinhäuptern. So blieben weite Teile des Mauerwerks völlig unberührt.
Mit den Sanierungsarbeiten wurde an einer Wandscheibe begonnen, die relativ unkompliziert zu sichern war. So konnte man sich dem Objekt annähern
und sich mit ihm vertraut machen. Nachdem eine Wand eingerüstet war,
oben: das Artillerierondell
während der Sanierung.
mitte: Befundung und
Schadenskartierung.
Unterteil um 1501,
Zinnenkranz 1609–09
rechts: Großbildfoto
vor der Sanierung.
(Uwe Gaasch, 1995)
wurden Befundungen und Schadenskartierungen nochmals vom Gerüst aus
überprüft und ergänzt. Dann erst wurde darauf basierend ein Sanierungskonzept
entwickelt. Darin wurden ganz gezielt punktuelle Sicherungsmaßnahmen
festgelegt, durch die sich – im Gegensatz zu einer wie sonst üblichen Komplettsanierung „von vorne bis hinten“ – viel Geld einsparen lässt. Anschließend wurde für die Maurer das dazu gehörige Sanierungsblatt erstellt. Dieser
Prozess nahm jeweils nur wenige Tage in Anspruch. Im zweiten Sanierungsjahr bestätigte sich die sorgfältige Bestandsdokumentation am großen
Artillerierondell als sinnvoll. Obwohl dem Turm aufgrund des späteren Ausbruches aller Gewändesteine jede datierbare Detailform fehlte, konnte nachgewiesen werden, dass er um 1500 gebaut und 1607–09 massiv überformt und
erhöht worden war. Dank dieser Information war es dem mit der Burg befassten Historiker Bertold Pölcher möglich, eine bislang unbekannte Baurechnung aus dem Jahr 1501 im Tiroler Staatsarchiv in Innsbruck ausfindig
zu machen. Noch beeindruckender aber war die baugeschichtliche Beurteilung eines
statischen Schadens, der lange Zeit große Sorgen bereitet hatte: der untere Teil
des Artillerierondells wurde von einem gefährlich wirkenden Vertikalriss
durchzogen. Nach ersten Berechnungen des Statikers hätte die Torkretierung
und Verspannung des Turms bereits am Anfang der Sanierung das Projekt
Schlüsselscharte aus Tuffstein
in der Vorburg (um 1490). Daneben das steingerechte Aufmaß
(Detail Innenansicht) einer anderen Schlüsselscharte (um 1510).
Luftansicht während der Sanierung des Rondells (links). Die
Ruine ist weitgehend vom Bewuchs befreit. (Luftfoto Klaus
Leidorf, 1997)
finanziell ruiniert. Aus der Verzweiflung heraus wurde ein zweiter Statiker hinzugezogen, mit dem zusammen stundenlang jeder Zentimeter des
Risses vom Gerüst aus intensiv untersucht wurde. Dabei stießen wir in einer
1607–09 umgebauten Fensternische auf Reparaturmörtel aus dieser Zeit, der den
Riss ungestört noch schloss. Dies bedeutete, dass es sich um einen Setzungsriss
aus der Erbauungszeit des Rondells handelte, und dass sich seitdem nichts
mehr bewegt hatte. Durch diese Erkenntnis konnte ein riesiger Geldbetrag
eingespart werden.
Nachdem die Sanierung des Artillerierondells einen zufriedenstellenden
Stand erreicht hatte, folgte das erste schwierige Bauteil: der laut statischer
Prioritätenliste akut einsturzgefährdete Westtrakt der Kernburg. Dieses mächtige Gebäude bildet einen zur Vorburg quergestellten Tortrakt und zieht somit
den Blick schon beim Durchschreiten des Vorburgtores auf sich.
Anhand verschiedener Fugen und vermauerter Öffnungen ließen sich hier
mehrere Bauphasen erkennen, die sich burgenkundlich als höchst interessant
erwiesen. Der Ausgangspunkt der Bauentwicklung an dieser Stelle war ein
kleines, eingeschossiges Artilleriehäuschen, das sich mit einem Pultdach
Ansicht und Zeichnung der Verdämmung
mit Geschützplattform (1539–1549) gestört durch einen Schatzgräberschacht von
1970/80. Oben: Detail der Mönch- und
Nonnenabdeckung mit Steinplattendeckung.
gegen die ältere Kernburg lehnte. Es sollte den hier vorbeiführenden inneren
Zugang sichern. Gemäß seiner spatenförmigen Schießscharten lässt sich der
Baukörper auf 1460 datieren, Baumaßnahmen sind in der Tat für 1456 überliefert. Kurz nach 1500 wurde dieses Blockhaus in einen langen Gebäudetrakt
integriert, der zusätzlich an seinem Nordende ein neues Haupttor zur Kernburg aufnahm. Dieser Bautrakt wies 1996 ein erschreckendes Schadensbild
auf: Permanenter Wasseraustritt und Spritzwasser hatten den Mauerfuß ausgehöhlt, die Mauerkronen waren durch Wind, Regen und Frost aufgelöst und
die Fugen ausgewaschen. Im südlichen Drittel klaffte ein großes Loch, das bis
zu den vermauerten Schießscharten hinabreichte.
Im Inneren des Gebäudetraktes hatte sich meterhoch der Schutt aufgetürmt
und drückte auf den schadhaften Wandsockel, so dass sich die Außenwand
nach außen zu neigen begann. In Abstimmung mit den Denkmalschutzbehörden und dem Statiker wurde beschlossen, den Gebäudetrakt noch vor der
Sanierung händisch zu entschutten, um die Mauer statisch zu entlasten. Diese
Maßnahme dauerte dank archäologischer Begleitung nur wenige Stunden: In geringer Tiefe kam eine gemauerte Plattform zutage, die verriet, dass es sich
bei dem Schutt nicht um Verfallsschutt, sondern um bewusst eingebrach-
links: Grundriss der Burg
Eisenberg. Farbig markiert
die Versteifung und Verdämmung mit Artillerieplattform. Rechts daneben
ein Foto der Kleinkammern.
oben: Artillerieplattform auf Hohenfreyberg, mit Störung
(großes Loch) eines
Schatzgräerschachtes
ten Schutt handelte. Man hatte zwischen 1539 und 1549 aus Furcht vor einem
Beschuss aus Westen – wie auch auf der Nachbarburg Eisenberg – den Gebäudetrakt fast komplett mit Schutt verdämmt. Auf dem Schutt hatte man
sinnvollerweise eine Plattform aus vermörtelten Dachziegeln und trocken
aufgelegten Steinplatten installiert, die als Gefechtsstellung für leichte
Artillerie dienen konnte. In den 80er Jahren hatte man in der Ostbastion von
Eisenberg ähnlich viel Schutt vorgefunden, bei dessen Entfernung man auf
ein Netz aus Binnenmauern stieß, die schachtartige Kleinräume bildeten, die
aber keinerlei Verbindung untereinander aufwiesen. Exakt diese Maßnahme
empfielt Albrecht Dürer in seiner 1527 erschienenen Befestigungslehre zum
Schutz der Bastionen vor Artilleriebeschuss: das Einziehen eines versteifenden Netzwerks aus Binnenmauern und dessen Verdämmung durch Schutt.
Offenbar inspirierte dieses damals vielbeachtete Traktat die Burgherren von
Hohenfreyberg und Eisenberg zur Nachahmung. Vermutlich würden sich auch
auf Hohenfreyberg beim Durchstoßen der Plattform ähnliche Binnenmauern
finden.
Solche Verdämmungen sind burgenkundlich selten, daher wurde das Konzept kurzfristig geändert und der Befund in situ belassen, nachdem er durch
Bergfried vor und nach
der Sanierung. Trotz massiver Schäden hat sich die
Kontur kaum verändert.
(U. Gaasch 1995; 2001)
oben: Bergfried noch weitgehend intakt auf einer
Zeichnung von Marcel
Dornier, 1920er Jahre.
eine Schicht Sand, Lehm und Schotter gesichert und detailliert dokumentiert
worden war. Statt dessen wurde die Maßnahme auf die Wiederherstellung
des Gebäudesockels, das Schließen größerer Ausbrüche und tief ausgewitterter Fugen, die Erneuerung der Mauerkrone und eine gezielte Wasserführung beschränkt. Neuverfugungen an den Baunähten wurden wiederum
zurückversetzt, wodurch alle baugeschichtlichen Informationen ablesbar blieben.
Die Mauerstärke dieser Wand erwies sich glücklicherweise als wesentlich
massiver als anfangs gedacht, was sich durch zahlreiche Messungen an den
durch das Baugerüst zugänglich gewordenen Gerüstlöchern ergab. Allein mit
handwerklichen Mitteln gelang die Sanierung des inneren Tortraktes hervorragend. Zumindest in Deutschland handelt es sich hier um eine der qualitätvollsten Sanierungen mittelalterlichen Mauerwerks. In drei weiteren
Sanierungskampagnen wurden zwischen 1997 und 1999 alle Bereiche gesichert, die laut Statikgutachten akut einsturzgefährdet waren. Die Sanierung des Bergfriedes stellte sich dabei als besonders schwierig heraus. Als im
Frühjahr 1997 ohne jede Vorwarnung ein großer Teil des Turmsockels wegbrach, geriet der Bergfried, der seit den 1950er Jahren nur noch aus zwei
hohen, zerklüfteten Mauerzähnen besteht, ernsthaft in Gefahr. Am mehrfach
Thomas Starke, Restaurator
und Leiter eines Filialbüros
bei der Sicherung des Putzes.
unten: Das Aufmauern der
neuen Mauerkronen am
Westtrakt der Hauptburg.
gewölbten Rundturm mit einem Außendurchmesser von 10 Metern wurde in
einer Sofortmaßnahme der Ausbruch geschlossen und damit vorerst stabilisiert.
Im Frühjahr 1999 war das Mauerwerk des Turmes völlig marode, die Innenschale weitgehend weggebrochen. Im oberen Teil des Turmes fehlte sogar das
Füllwerk – die Steine lagen hier fast trocken aufeinander – so dass man zwischen ihnen den Himmel durchschimmern sah. Die Mauerkrone hatte sich
schon lange aufgelöst und bröckelte langsam vor sich hin. Nach der Befundung
des Bergfriedes wurde ein äußerst sensibles Sanierungskonzept erstellt. Es bestand
darin, die lockeren Steine an den Abbruchkanten und Mauerkronen abzutragen und unter Beibehaltung der alten Konturen eine neue Oberfläche bzw.
Verschleißschicht aufzusetzen. Im oberen Drittel des Turms war teilweise nur
noch die Außenschale vorhanden – hier musste zu deren Stabilisierung die
Innenschale rekonstruiert werden, was durch die vielen Versprünge zur Reduzierung der Mauerstärke nicht leicht war. Rechtzeitig vor dem ersten Wintereinbruch konnte die sechsmonatige Turmsicherung fertiggestellt werden, ein
weiterer Beweis für die mittlerweile sehr hohe handwerkliche Qualität, die
auf Hohenfreyberg erreicht wurde. Ähnliche Schwierigkeiten wie bei der
Turmsanierung ergaben sich bei den Sicherungsarbeiten (2000/2001) am
nördlichen Palas.
Damit die beiden Burgen auch
in Zukunft und viele weitere
Jahrhunderte die Landschaft
prägen, war diese Sanierung
wichtig.
rechts: Unser Schirmherr Prinz
Sadruddin Aga Khan (†2003;
links) während eines Pressetermins auf der Burg Hohenfreyberg.
Bei der Ausführung der Sanierungseingriffe wurde sehr behutsam vorgegangen,
man glich sich hier der mittelalterlichen Bautechnik an. So wurde im gleichen
Stil und mit dem gleichen Material gemauert wie im 15. bis 17. Jh., Branntkalk, der vor Ort gelöscht wird, bildet die Hauptkomponente des modernen
Kalkmörtels. Lediglich an den Mauerkronen, die eine geböschte und unregelmäßige Kontur erhalten haben, wurde – um die neuen Mauerabdichtungen
wasserdichter zu machen – hochsulfatbeständiger Zement verwendet. Auf
archäologische Eingriffe wurde weitgehend verzichtet, sie wurden nur dort
vorgenommen, wo statische Maßnahmen dies erforderten.