Privatradio als Wirtschaftskraft
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Privatradio als Wirtschaftskraft
Bunde s gy mna s i um undBunde s r e a l gy mna s i um F r e i s t a dt Pr i v a t r a di oa l sWi r t s c ha f t s k r a f t Vo m Mo no po l z ude nPr i v a t r a di o s F a c hbe r e i c hs a r be i ta usGe o gr a phi eundWi r t s c ha f t s k unde Ro ma nP a y e r e i nge r e i c htbe i Ma g.Wo l f ga ngKur a nda a m3 .Mä r z2 0 0 8 Sehen Sie, drahtgebundene Telegraphie ist etwas wie eine sehr, sehr lange Katze. Sie ziehen in New York am Schweif und hören es in Los Angeles miauen. Verstehen Sie? Und das Radio funktioniert genauso: Sie senden Ihre Signale von hier aus, und dort empfangen Sie sie. Der einzige Unterschied ist, dass da keine Katze ist. Albert Einstein Seite 2 Kurzbeschreibung Die Arbeit erfasst zuerst den geschichtlichen Hintergrund. Darin werden das Rundfunkmonopol des ORF, die Piratensender und die Entwicklung der gesetzlichen Grundlagen angeführt. Weiters setzt sich die Arbeit mit der Werbung im Radio, mit den Marktanteilen und mit der Marktforschung auseinander. Da Werbung die einzige Einnahmequelle ist, wird in der Arbeit auch der Frage der Rentabilität von Privatradios nachgegangen. Mit Liferadio befindet sich ein erfolgreiches Privatradio in Oberösterreich, deswegen wird der Erfolg dieses Unternehmens genau analysiert. Ein weiteres Kapitel widmet sich der Darstellung der aktuellen österreichischen Privatradiolandschaft. Zum Schluss bleibt noch der Blick in die Zukunft. Da sich der Rundfunk aufgrund der Digitalisierung im Umbruch befindet, befasst sich ein Kapitel mit den digitalen Möglichkeiten und den damit verbundenen Veränderungen am Radiomarkt. Aufgrund der Fachsprache umfasst die Arbeit ein Glossar. Abstract To begin with, the FBA covers the historical background of the radio. This chapter is about the radio monopoly of the ORF, about pirate radio stations and about the development of the legal foundations. Further, the paper deals with advertising in the radio, with market share and with market research. As advertising is the only source of income, the FBA pursues the question of profitability and therefore Liferadio, a very successful private radio station in Upper Austria is analysed in depth. Another chapter discusses the current situation of the Austrian commercial radio stations. One of the most important topics is the upcoming digitalisation. That’s why there is a whole chapter about the digital possibilities and the changes in the radio market. The glossary contains a list of topic-related vocabulary. Seite 3 Vorwort Liebe Leserin, lieber Leser! Ehrlich gesagt habe ich noch nie eine Vorwort geschrieben. Es ist sozusagen eine Premiere. Der 3. März 2008 ist nicht nur der Abgabetermin meiner Fachbereichsarbeit, sondern auch das Jubiläum von „Radius 106.6“, dem Schulradio des Gymnasiums Freistadt. Ohne „Radius“ hätte ich die Leidenschaft für Radio wohl nie entdeckt. Ich selbst hörte viele Jahre lang einen einzigen Radiosender. Ich hörte den Sender, den die meisten Österreicher und Österreicherinnen hören: Ö3. Es war also eine große Umstellung für mich, als ich begann andere Sender zu hören. Ich war überrascht wie gut und professionell das Programm der privaten Anbieter ist. Leider kann ich zuhause viele Sender nicht empfangen. Deswegen habe ich viele Sender über das Internet gehört. Besonders gern hörte ich Energy 104,2. Dieser Sender trifft genau meinen Musikgeschmack. Hätte ich diese Fachbereichsarbeit nicht geschrieben, wäre ich auf Energy 104,2 nie aufmerksam geworden. Sprachlich habe ich mich für einen Stil entschieden, der die komplizierten Sachverhalte logisch und anschaulich erklärt. Das bedeutet aber auch, dass die Arbeit kein literarisches „Hochglanzwerk“ ist. Außerdem werden Firmen eigentlich mit keinem Artikel versehen, aber in allen Büchern und Internetquellen war immer von „der“ Antenne Steiermark die Rede. Daher habe ich mich ebenfalls für diese Schreibweise entschieden. Ich interessiere mich schon seit mehr als fünf Jahren für das Medium Radio, es ist meiner Meinung nach das spannendste und schnellste Medium. Ich habe mich beim Start des Schulradios mit dem „Radiovirus“ infiziert und bin seitdem „radioaktiv“. Daher war es naheliegend, mich mit dem Thema Radio auch bei meiner Matura zu befassen. Ich entschied mich für das Fach Geographie und Wirtschaftskunde, weil ich mich mit den wirtschaftlichen und kommerziellen Aspekten von Radio beschäftigen wollte. Aufgrund dieses Schwerpunktes wird das Schulradio in der Arbeit eher selten erwähnt. Außerdem wollte ich die wichtigsten Sender näher betrachten und es ist mir klar gewesen, dass es unmöglich ist jeden Privatradiosender in meiner Fachbereichsarbeit zu behandeln. Ich musste also Prioritäten setzen. Prioritäten musste ich auch bei den digitalen Übertragungsmöglichkeiten setzen, denn es wäre irreführend gewesen, alle digitalen Technologien zu erfassen. Ich habe mich für DAB entschieden, weil es der Übertragungsstandard ist, der wahrscheinlich in Österreich eingeführt wird. Jetzt, da die Arbeit fertig, bin ich schon ein bisschen stolz. Immerhin war es eine Menge Zeit, die ich in diese Fachbereichsarbeit investierte. Trotzdem habe ich immer mit Freude weitergeschrieben. Dieselbe Freude, die ich beim Schreiben verspürte, wünsche ich Ihnen nun beim Lesen dieser Fachbereichsarbeit. Roman Payer Seite 4 Inhaltsverzeichnis Vorwort..................................................................................................................................4 Einleitung ...............................................................................................................................7 1. Geschichtlicher Überblick .......................................................................... 8 1.1. Das Rundfunkmonopol ORF......................................................................................8 1.2. Piratensender in Österreich ........................................................................................9 1.3. Ausländische Sender in Österreich...........................................................................10 1.4. Entwicklung der gesetzlichen Grundlagen................................................................12 1.5. 1. April 1998: Beginn einer neuen Ära.....................................................................14 1.6. Entwicklung seit 1998..............................................................................................16 1.7. Freie Radios – Hörfunk jenseits von Kommerz ........................................................18 1.8. Zusammenfassung der österreichischen Radiogeschichte .........................................19 2. Radio als Wirtschaftskraft........................................................................ 21 2.1. Dienstleistung an zwei Klienten...............................................................................21 2.1.1. Unterhaltung, Information und Service für die Hörer.....................................21 2.1.2. Werbezeit für Firmen ....................................................................................23 2.2. Die Reichweite bestimmt die Werbepreise ...............................................................25 2.3. Rentabilität? – Pleiten und Konkurse von Sendern in Österreich ..............................26 2.4. Marktforschung und Berechnung des Radiotests ......................................................27 3. Liferadio eine Erfolgsgeschichte............................................................ 29 3.1. Der Sender...............................................................................................................29 3.2. Das Interview ..........................................................................................................30 3.3. Die Analyse .............................................................................................................36 3.4. Die Zahlen ...............................................................................................................37 Seite 5 4. Die österreichische Radiolandschaft ........................................................ 39 4.1. Privatradio in Wien..................................................................................................39 4.1.1. 88,6 ...............................................................................................................39 4.1.2. Antenne Wien ...............................................................................................39 4.1.3. Radio Arabella ..............................................................................................40 4.1.4. Energy 104,2 .................................................................................................40 4.1.5. Radio Stephansdom.......................................................................................40 4.1.6. Orange 94,0...................................................................................................40 4.1.7. Sunshine Radio..............................................................................................41 4.2. Weitere Privatradios ................................................................................................41 4.3. Kronehit – bundesweites Privatradio........................................................................41 5. Zukunft ...................................................................................................... 43 5.1. Digitalisierung .........................................................................................................43 5.2. Entwicklung am Radiomarkt....................................................................................44 6. Zusammenfassung..................................................................................... 47 7. Glossar ....................................................................................................... 48 8. Quellennachweis........................................................................................ 49 8.1. Literaturverzeichnis .................................................................................................49 8.2. Internetquellen.........................................................................................................49 8.3. Interviews, Korrespondenzen...................................................................................51 8.4. Abbildungsverzeichnis.............................................................................................51 9. Anhang....................................................................................................... 53 9.1. Zeitungsartikel.........................................................................................................53 9.2. Eidesstattliche Erklärung .........................................................................................54 Seite 6 Einleitung Mehr als fünf Millionen Menschen in Österreich hören täglich Radio. Radio beeinflusst unseren Alltag. Es ist das meistgenützte Medium. „Radio ist ein Weihnachtsgeschenk. Denn alles begann am 24. Dezember 1906. An jenem Abend vernahmen Schiffsfunker vom Nordatlantik bis hinunter in die Karibik etwas in ihren Kopfhörern noch nie Gehörtes: Musik. Sie waren gewohnt, Morsesignale zu empfangen. An diesem Weihnachtstag sendete der kanadische Erfinder Reginald Fessenden von Brant Rock in Massachusetts aus und wurde mit einem Mikrophon und einem von ihm konstruierten Radiosender zum Urvater aller DJs. In der ersten Rundfunkübertragung der Welt spielte Fessenden Geige und las aus der Bibel. Anfang 1920 gab es erst ein paar Radiostationen. Zwei Jahre später, nachdem «drahtlose Konzerte» das neue Medium rapid populär gemacht hatten, waren es bereits an die 600. Und das Radio überschritt Grenzen: geographische, ethnische, soziale. Es brachte Menschen in Kontakt mit Orten, Klängen und Lebensgefühlen, die sie sonst niemals kennengelernt hätten. Es waren goldene Radiojahre. 1935 führte die Sängerin Oum Kalsoum den ägyptischen Rundfunk ein, an jedem ersten Donnerstag im Monat schuf sie ein neues Lied. Politiker vermieden es, donnerstags Ansprachen zu halten, Radio Kairo erhöhte seine Kapazitäten, und von Marokko bis zum Golf saß alles vor dem Radio. Am 30. Oktober 1938, einem Sonntagabend, strahlte die Rundfunkgesellschaft CBS in Amerika das erste Science-Fiction-Hörspiel der Radiogeschichte aus: „Krieg der Welten“ unter der Regie von Orson Welles. Die im Stil einer Livesendung gehaltene Reportage über die Landung kriegerischer Marsbewohner in New Jersey entfaltete eine frappierende Wirkung. Tausende Radiohörer flüchteten mit ihren Angehörigen in den folgenden Stunden vor den vermeintlich anrückenden Außerirdischen. 1949 beobachtete ein gewisser Todd Storz Jugendliche dabei, wie sie an einer Jukebox immer wieder ihre Lieblingsschlager drückten. Wenn die Kids hören wollten, was populär war, dann sollten sie es haben - wieder und wieder: Storz, dem eine Radiostation in Nebraska gehörte, erfand die Hitparade. Werbetreibende liebten die Idee der «Top 40». Es gab keine Kontroversen, und nur die konsenstauglichsten Stücke konnten es in die Charts schaffen. Das moderne Radio war erfunden.“1 Radio begann den Siegeszug zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Mit der Einführung des Fernsehens drohte das Radio überflüssig zu werden. Doch das Radio überlebte. Nun droht ein neues Medium, das Internet, die Existenz von Radio zu gefährden. Doch die Erfahrung zeigt, dass kein neues Medium ein bestehendes verdrängen konnte. Lediglich die Art der Verbreitung könnte sich ändern, daher liegt es auf der Hand, dass die führenden Radiosender reagieren müssen. Spannenderweise fallen zwei entscheidende Herausforderungen des Radios in Österreich zusammen. Zuerst mussten die privaten Radiosender um die Rundfunkfreiheit kämpfen und kurze Zeit später muss die anstehende Digitalisierung bewältigt werden. Diese Fachbereichsarbeit befindet sich zeitlich genau zwischen diesen beiden Herausforderungen. Einerseits blickt man auf die Liberalisierung zurück, andererseits hält man nach neuen digitalen Übertragungsmöglichkeiten Ausschau. Das ist eine hervorragende Ausgangsposition für eine interessante Fachbereichsarbeit. 1 Glaser, Peter: S. 16 Seite 7 1. Geschichtlicher Überblick 1.1. Das Rundfunkmonopol ORF In Österreich herrschte bis 1995 ein medienpolitischer Ausnahmezustand. Während die meisten europäischen Staaten Rundfunk weitestgehend liberalisiert hatten, fand in Österreich kein Konkurrenzkampf statt. Der ORF hatte als einziger Rundfunkbetreiber eine Lizenz. Erst nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sahen die österreichischen Medienpolitiker ein, dass das bisherige Rundfunkgesetz keine Meinungsvielfalt garantiere. Der ORF war bis zum 22. September 1995 einziger Anbieter von Rundfunkprogrammen. Der ORF entwickelte sich aus der Österreichischen Radio-Verkehrs-Aktiengesellschaft, RAVAG. Die RAVAG nahm bereits vor dem 2. Weltkrieg ihren Sendebetrieb auf. Am 1. Oktober 1924 wurden die Hörer mit folgenden Worten begrüßt: Hallo, hallo, hier Radio Wien auf Welle 530. Mit dem heutigen Tage beginnen wir den Broadcasting-Dienst...2 Mit dem Anschluss Österreichs an Deutschland wurde die RAVAG zum „Reichssender Wien“. Nach 1945 haben die Besatzungsmächte Radioprogramme in ihrer Besatzungszone ausgestrahlt. Zur selben Zeit nahm die RAVAG in der russischen Besatzungszone ihren Betrieb wieder auf. Bis 1955 wurden sämtliche Besatzungssender unter dem Namen „Österreichischer Rundfunk“ vereint. Ähnlich wie in Österreich hatten die meisten Staaten Europas Rundfunkmonopole eingeführt. Hauptgrund dafür war die Angst vor der „Meinungsmacht“ des Radio. Immerhin hatten die Nationalsozialisten Radio als primäres Propagandamedium instrumentalisiert. Im Juli 1956 wurde der österreichische Rundfunk vom Bundesministerium für Verkehr und verstaatlichte Betriebe an die Bundesregierung übertragen und Bundeskanzler Raab (ÖVP) kündigte eine „Neuordnung des Rundfunks“ an. Der Rundfunk war von 1956 bis zum Volksbegehren von 1964 fest in der Hand der Bundesregierung. Dieses Volksbegehren führte schließlich zu einem neuen Rundfunkgesetz, das am 1. Jänner 1967 in Kraft trat. Es beseitigte die Missstände des vorangegangenen Proporzrundfunks. Gerd Bacher war der erste Generalintendant des ORF. Er schuf die Hörfunkprogramme Ö1, Ö2 und Ö3. Es war die Zeit der größten Erfolge des ORF. Das Farbfernsehen wurde eingeführt und man strahlte die Radioprogramme anstatt wie bisher auf Lang- und Mittelwelle nun auf UKW aus. Die Strukturen des ORF wurden sukzessive verbessert, die ORFLandesstudios wurden errichtet und seit 1993 liefert der Radiotest detaillierte Einschaltquoten. Seit 1994 ist es privaten Anbietern gesetzlich gestattet Hörfunk zu verbreiten. Jedoch fand die Liberalisierung des Hörfunks um einiges später als in anderen europäischen Ländern statt. Am 22. September 1995 ging die Ära des ORF-Monopols zu Ende, denn in der Steiermark startete unter der Regie von Bernd Sebor das erste offizielle Privatradio in Österreich.3 / 4 2 Godler / Jochum / Schlögl / Treiber: S.24 vgl. Godler / Jochum / Schlögl / Treiber: S.247-260 4 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.159-177 3 Seite 8 1. Geschichtlicher Überblick 1.2. Piratensender in Österreich Im Gegensatz zu „echten“ Piraten hatten die Radiopiraten keine Augenklappen und sie enterten auch keine fremden Schiffe. Die Radiopiraten kämpften ausschließlich für Meinungsfreiheit und gegen das ORF-Flagschiff. Ich war der Ansicht, dass das Monopol falsch ist und beseitigt werden muss. Außerdem hat es Spaß gemacht.5 Der erste Widerstand gegen das ORF-Monopol fand 1979 in Graz statt, als ein Piratensender namens Ö-Frei erstmals in der Geschichte des ORF das Monopol brach.6 Oft war der Piratenhörfunk ein Zeichen der freien Meinungsäußerung. Ein Recht, dass in der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten festgeschrieben ist. Artikel 10 – Freiheit der Meinungsäußerung 1. Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben...7 Aufgrund dieses Artikels wurde Österreich vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte am 24.11.1993 verurteilt.8 Aber schon davor hatte sich eine blühende Piratenszene entwickelt. So gingen am 31. März 1991 Radio Boiler, Radio Hotzenplotz und Radio Bleifrei „on air“.9 Die technische Ausrüstung der Radiopiraten war alles andere als professionell. Aber darum ging es den Radiomachern gar nicht. Ihnen ging es vor allem um die Möglichkeit Radio zu machen, das anders klang als die Hörfunkprogramme des ORF. Während die Politik die Radiopiraten bekämpfte und mit dem ORF als einzigen Anbieter von Rundfunkprogrammen zufrieden war, entwickelte sich unter Studenten und Künstlern zunehmend eine Art Sympathisantenszene. Ähnlich wie der ORF, wurden die Radiopiraten durch Gebühren finanziert, mit dem kleinen Unterschied, dass die „Piratensteuer“ heimlich vor Konzertveranstaltungen und Diskotheken eingesammelt wurde. So wurden bis zu 15.000 Schilling pro Woche eingenommen, die allesamt in die Studioinfrastruktur flossen.10 Die wahrscheinlich abenteuerlichste „Piratenschlacht“ fand zu Beginn der 70er Jahre in der Nordsee vor der holländischen Küste statt. Die Züricher Techniker Edwin Bollier und Erwin Meister richteten einen alten Frachter als Radioschiff ein und gingen kurzerhand mit einem Programm aus Hitparaden und Werbung „on air“. Mit diesem Programm störten sie aber das dort ansässige Piratenschiff „Radio Veronica“ und zeitweise bekämpften sich die beiden Sender sogar mit Entermanövern und Seeschlachten...11 5 Landgraf, Rüdiger vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.159 7 Europarat 8 vgl. ECHR 9 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.160 10 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.17 11 vgl. Lüönd, Karl: S.40-44 6 Seite 9 1. Geschichtlicher Überblick In Österreich ging die Ära der Piratensender zu Ende, als die Politik Interesse an einer Auflockerung des Rundfunkgesetzes zeigte. So wurde 1993 das Regionalradiogesetz beschlossen, das am 1.1.1994 in Kraft trat.12 Viele der Radiopiraten blieben aber dem Medium Radio treu und fanden Jobs bei diversen Privatradiosendern. 1.3. Ausländische Sender in Österreich Neben den zahlreichen nicht-kommerziellen Piratensendern gab es einige kommerzielle Sender, die mit ihrem Programm in Österreich zu empfangen waren. Diese Sender befanden sich zwar im Ausland, waren aber eindeutig auf ein österreichisches Publikum abgestimmt. Der ORF war gegen diese Konkurrenz machtlos, da die Sender außerhalb der österreichischen Staatsgrenzen standen. Er versuchte lediglich die Werbewirtschaft zu beeinflussen, jedoch war er dabei nur mäßig erfolgreich. 13 Aufgrund der frühen Rundfunkliberalisierung in Italien sendeten viele Radiosender in die angrenzenden Nachbarstaaten. Viele haben von Italien aus in andere Staaten gesendet; am bekanntesten sind dabei Radio 24 von Roger Schawinski (nach Zürich), Radio Uno (nach Kärnten), Radio M1 (von Südtirol in Richtung München).14 Kärnten wurde von dem „italienischen“ Privatradiosender Radio Uno versorgt. Der Radiomacher Wilhelm Weber gründete diesen deutschsprachigen Radiosender in Italien und ging damit 1985 erstmals auf Sendung. Vom italienischen Monte Forno versorgte er einen Großteil Kärntens. Radio Uno war ein beachtlicher Erfolg Webers, immerhin erreichte er bemerkenswerte Marktanteile. Deswegen ging am 17. Jänner 1986 ein zweiter Radio Uno Sender „on air“. Radio Uno erreicht einen beachtlichen Marktanteil Abb. 1: Radio Uno mit 11,9% Marktanteil Einen weiteren Erfolg verzeichnete Weber in Strassburg, als er gemeinsam mit weiteren Klägern vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Recht bekam und das ORFMonopol für menschenrechtswidrig erklärt wurde. 12 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.61 und 63 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.48 14 Landgraf, Rüdiger 13 Seite 10 1. Geschichtlicher Überblick Als in Österreich Privatradio legalisiert wurde, versuchte Weber sein Glück mit Radio Wörthersee. Aufgrund des Misserfolgs verkaufte er den Sender aber an die Styria Medien AG und zog sich aus dem Radiogeschäft zurück.15 1989 versuchte die Antenne Austria ebenfalls aus dem Ausland ein österreichisches Publikum zu erreichen. Zuerst machte sie täglich ein vierstündiges Programm beim ungarischen Sender Radio Danubius, kurze Zeit später ging die Antenne Austria Süd „on air“. Die Antenne Austria Süd war mit ihrem 24-Stunden Programm in Kärnten zu hören. 1992 mussten beide Sender aber ihren Betrieb wegen finanzieller Probleme einstellen.16 Am 31. März 1990 ging in Bratislava ein Sender namens Radio CD International „on air“. Aufgrund der Nähe von Bratislava zu Wien konnte Radio CD International den Großraum Wien versorgen. Der Sender gehörte aber offiziell dem slowakischen Rundfunk. Das Programm erwies sich als besonders kreativ und konnte eine Menge Hörer gewinnen. So bescheinigte das Umfrage-Institut Nielsen Radio CD International eine tägliche Reichweite von 360.000 Hörern. Radio CD gründete gemeinsam mit anderen Privatradiosendern, die auch aus dem Ausland nach Österreich sendeten einen Werbering um Werbekunden eine optimalere Vermarktung anbieten zu können. 1993 konnten so dreistellige Millionen-Schilling-Beträge erzielt werden. Obwohl man bei Radio CD einen treuen Hörerkreis hatte, begann 1993 die Krise. Im Oktober 1993 wurde Radio CD zum ersten Mal von der slowakischen Telekom abgeschaltet. Dadurch verhielten sich die Werbekunden natürlich etwas zaghafter und in der Folge kam es zu zwei weiteren Abschaltungen. Radio CD ging am 3. September 1996 zum letzten Mal auf Sendung. Viele bekannte Radiomacher begannen ihre Karriere bei Radio CD, z. B. Georg Spatt, der aktuelle Senderchef von Ö3 war zuvor Programmchef bei Radio CD. Radio CD bewarb sich 1998 um eine Regionalradiolizenz für Wien, ging bei der Lizenzvergabe aber leer aus. Somit war der Start der Privatradios in Österreich zugleich das Ende von Radio CD International.17 Mit dem Privatradiostart von 1998 war es nicht mehr nötig vom Ausland zu senden. Aber für die Privatradiosender war es ungleich schwerer innerhalb Österreichs erfolgreich zu sein. Grund dafür war vor allem die Anzahl der Sender, die 1998 „on air“ gingen. 15 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.39-57 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.159f 17 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.23-38 16 Seite 11 1. Geschichtlicher Überblick 1.4. Entwicklung der gesetzlichen Grundlagen Während andere demokratische Staaten Europas mit einer Liberalisierung der jeweiligen Monopole begannen, sahen die österreichischen Politiker lieber dabei zu. Bei der Liberalisierung in Italien konnte man beobachten, dass vor allem die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stark darunter litten. Die Situation in anderen Staaten war ähnlich. Für die österreichischen Politiker war das Grund genug, um am ORF-Monopol festzuhalten. Im Dezember 1991 präsentierten die RadiopiratInnen gemeinsam mit der Föderation Europäischer Freier Radios (FERL) und den Grünen einen ausgearbeiteten Gesetzesentwurf. Darin hätten die vorhandenen freien Sendefrequenzen unter den kommerziellen und den freien Radios aufgeteilt werden sollen. Jedoch wurde dieser Gesetzesentwurf von den Regierungsparteien nicht berücksichtigt.18 Nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschrechte die Republik Österreich verurteilte, trat am 1.1.1994 das Regionalradiogesetz in Kraft. Das Gesetz erlaubte zwar die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen durch Privatradios, jedoch war dieses Regionalradiogesetz genau definiert. So wurden insgesamt zehn Veranstalter zugelassen. In Wien hätten zwei Veranstalter „on air“ gehen dürfen und in den restlichen Bundesländern jeweils ein Sender. Das Veranstalten von nationalen Rundfunkprogrammen war aber weiterhin dem ORF vorbehalten.19 Insgesamt hätten also zehn Privatradios in Österreich „on air“ gehen dürfen. Dazu kam es aber nicht. Die Bewerber, die bei der Lizenzvergabe leer ausgingen, wandten sich an den Verfassungsgerichtshof. Dieser erklärte den Frequenznutzungsplan im Regionalradiogesetz für verfassungswidrig und damit war der für den 1.9.1995 geplante Sendestart wieder abgesagt. Zwei Lizenzinhaber schafften es aber trotzdem 1995 auf Sendung zu gehen. In der Steiermark einigte sich die Antenne Steiermark mit den Beschwerdeführern, die daraufhin die Klage zurückzogen. In Salzburg einigte sich Radio Melody mit der RS Privatradio und damit gab es grünes Licht für einen Sendestart von Radio Melody. Am 22.9.1995 konnte das erste offizielle Privatradio, die Antenne Steiermark, auf Sendung gehen und einen Monat später folgte Radio Melody. 20 Mit dem 1. Mai 1997 trat eine neue, novellierte Fassung des Regionalradiogesetzes in Kraft. Ein fairer Wettkampf zwischen dem ORF und den Privatradios war aber auch mit diesem Gesetz nicht möglich. Denn mit einer Regionalradiolizenz sollten die Bundesländer möglichst großflächig versorgt werden, hingegen durfte ein Sender mit einer Lokalradiolizenz nicht mehr als 150.000 Einwohner erreichen. Außerdem wurde die Lizenzdauer auf sieben Jahre beschränkt.21 Nach einer intensiven Verhandlung im Herbst 1997 wurden die restlichen acht Regionalradiolizenzen sowie über 40 Lokalradiolizenzen vergeben. Somit konnten am 1.4.1998 in ganz Österreich Privatradiosender ihren Sendebetrieb aufnehmen. Der Beginn von Privatradio in Österreich war zwar erfolgt, aber ein Ende der Gesetzesnovellierungen nicht in Sicht. Der Verfassungsgerichtshof erklärte immer wieder Teile des Regionalradiogesetzes für verfassungswidrig und die Folge waren weitere Gesetzesnovellierungen.22 18 vgl. Hirner, Wolfgang: S.24 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.61f 20 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.64f 21 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.67f 22 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.69ff 19 Seite 12 1. Geschichtlicher Überblick So wurde am 22.12.1998 im Bundesrat über eine Änderung des Regionalradiogesetzes diskutiert: Meine Damen und Herren! Zu kritisieren ist auch das Regionalradiogesetz, weil es auch nach wie vor den freien Wettbewerb nicht zuläßt. In diesem Zusammenhang möchte ich nur eine Passage zitieren, und zwar die Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z 4, die sich auf die Frequenzordnung bezieht. Da heißt es wortwörtlich, daß sicherzustellen sei, daß Doppeltund Mehrfachversorgungen nach Möglichkeit vermieden werden. [...] Meine Damen und Herren! Sie alle wissen, daß Österreich im Jahre 1993 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte deshalb verurteilt wurde, weil das ORF-Monopol, wie es der Gerichtshof ausgedrückt hat, das Menschenrecht auf freie Information eingeschränkt hat. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Österreich aufgetragen, diese Situation zu ändern und Rundfunkfreiheit herzustellen. Er hat uns aber nicht aufgetragen, Doppelt- und Mehrfachversorgungen nach Möglichkeit zu verhindern. [...] Weiters ist dieses Regionalradiogesetz insoferne nur eine Abschwächung des bestehenden Monopols, als damit ein Stufenmonopol geschaffen wird. Wir haben in Österreich auf oberster Ebene bundesweit den ORF, darunter gibt es regionale Hörfunksender, in jedem Bundesland einen, Wien darf laut Gesetz zwei haben, und auf unterster Ebene gibt es noch regionale [lokale, d. Verf.] Hörfunklizenzen, wobei gerade die Passage, daß Mehrfachversorgungen nicht tolerabel sind, diese Freiheit wieder zunichte macht.23 Während der Regierungsphase von ÖVP und FPÖ gelang es aber das Gesetz so zu ändern, dass es erstmals die Prüfung des Verfassungsgerichtshofes bestand. Außerdem gibt es seit dem 1.4.2001 die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria), sie ist die erste Instanz nach dem Privatfernsehgesetz und dem Privatradiogesetz (§ 66 PrTV-G bzw § 31 Abs 2 PrRG). Als zweite Instanz gibt es den Bundeskommunikationssenat. Der Ansturm unterlegener Bewerber an den Verfassungsgerichthof wurde dadurch vorerst verzögert.24 Ein weiterer Schritt in Richtung europäischer Normalität gelang am 1.8.2004. Erstmals war es Lizenzinhabern gestattet ihre Lizenz an ein Unternehmen zu übertragen, das damit eine bundesweite Senderkette erstellt. Dadurch konnte Anfang 2005 Kronehit, das erste bundesweite Privatradio auf Sendung gehen.25 Derzeit ist das Privatradiogesetz (PrR-G) die Rechtsgrundlage für alle österreichischen Privatradiosender. Für Unternehmen, die ausschließlich durch Werbung finanziert werden, ist eine Rechtssicherheit von immenser Bedeutung, aber trotzdem hat es über zehn Jahre gedauert diese Rechtssicherheit herzustellen. Mittlerweile ist diese wichtige Rechtssicherheit weitestgehend gewährleistet.26 23 Königshofer, Franz Werner: S.10 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.76f und 185ff 25 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.78f 26 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.80 24 Seite 13 1. Geschichtlicher Überblick 1.5. 1. April 1998: Beginn einer neuen Ära Nach den beiden Privatradiosendern Antenne Steiermark und Radio Melody durften ab dem 1. April weitere Privatradios auf Sendung gehen. Mit dem 1. April gingen in Österreich 15 Privatradiosender „on air“:27 Oberösterreich: Liferadio, Welle 1 Niederösterreich: RPN, PL1 Salzburg: Welle 1, Welle Alpin Wien: 88.6 Der Musiksender, Antenne Wien, 92,9 RTL, Energy 104,2 Burgenland: Radio Servus Tirol: Antenne Tirol, Radio Grizzly, Welle 1 Steiermark: 107,5 Grazer Radio Abb. 2: Sendestarts am 1. April In den darauffolgenden Monaten begannen weitere Radiostationen zu senden. Am 5. Mai 1998 startete die Antenne Kärnten und als letzter Antennensender nahm am 1. Juni die Antenne Vorarlberg ihren Sendebetrieb auf. Insgesamt gingen im Jahr 1998 noch weitere zehn Lokalsender „on air“.28 Alle wollten von der neuen Rundfunkfreiheit profitieren und hofften auf Erfolg in der Radiolandschaft. Aber in der Tat gab es nur wenige Radiosender, die auch langfristig erfolgreich waren. Die technische Ausrüstung war eine große und teure Investition und viele der neuen Lokalsender sendeten in einem sehr kleinen Gebiet. Die erhofften Werbeeinnahmen fielen für viele Sender zu gering aus und der erste Sender, der sich nicht länger über Wasser halten konnte, war Radio Servus. Kurzerhand wurde am 1.2.1999 aus Radio Servus der Sender Burgenland 129. Am 1. März 2000 wurde aus dem erfolglosen Bregenzer Lokalsender 95,9 Music Radio ein neuer Sender der Arabella-Kette, ebenso der Lokalsender Radio Express in Tirol. Er wurde ebenfalls zu einem Arabella-Sender.30 Der Start der Privatradios war turbulent und in vielen Fällen oft unprofessionell, nur sehr wenigen Sendern ist es gelungen eine Stammhörerschaft aufzubauen. Es lag vor allem am viel zu starken ORF. Die vier ORF-Radios erreichten einen gemeinsamen Marktanteil von über 79%31, während sich die mehr als fünfzig Privatradios den restlichen Marktanteil teilen mussten. Außerdem wechselten viele Sender das Format sobald sie merkten, dass ein 27 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.164f vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.165f 29 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.166 30 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.167 31 vgl. Medienforschung ORF, Radiotest 2. Quartal 1998, Marktanteile 10+ 28 Seite 14 1. Geschichtlicher Überblick Musikformat nicht den erhofften Erfolg erbrachte. Nur leider verliert man bei einem solchen Relaunch meist alle Hörer und das war für viele Privatradiostationen der wirtschaftliche Ruin. Die Regionalradiosender hatten den großen Vorteil ein größeres Einzugsgebiet zu haben, aber auch hier ist es nur wenigen gelungen, sich vernünftig zu etablieren. Die Antenne Steiermark war natürlich im Vorteil, weil sie bereits 1995 zu senden begann. Ihr ist es gelungen einen festen Platz in der steirischen Radiolandschaft einzunehmen. Heute erreicht die Antenne Steiermark mehr als 170.000 Hörer täglich32. Ähnlich erfolgreich ist der Privatradiosender Liferadio in Oberösterreich. Die Hörerzahlen von Liferadio stiegen kontinuierlich und mittlerweile hören mehr Oberösterreicher Liferadio als Radio Oberösterreich33. Kurzfristig erzielte auch der Wiener Privatradiosender „88,6 Der Musiksender“ beachtliche Marktanteile. Bei dem am 23. Juli 1998 erschienen Radiotest erreichte 88,6 einen Marktanteil von 24%34. Aus dem eintönigen ORF-Sendegebiet wurde mit dem 1. April 1998 eine enorm vielfältige Radiolandschaft. Zu vielfältig, denn viele der Lokalsender konnten keine Hörer für sich gewinnen. So bleibt für viele Radiomacher ein schaler Nachgeschmack, denn man erhielt zwar die lang angestrebte Rundfunkfreiheit, doch erfolgreich nutzen konnten diese nur wenige. 32 vgl. Radiotest, 2. Halbjahr 2007, Tagesreichweite 10+ Mo-So vgl. Stögmüller, Christian 34 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.165 33 Seite 15 1. Geschichtlicher Überblick 1.6. Entwicklung seit 1998 Kurz nach dem Start der Privatradios war eine enorme Euphorie erkennbar, aber schon bald sah man, dass die Rundfunkfreiheit sehr strikte Grenzen hat. Realistische Vergleiche mit der ORF-Konkurrenz sind praktisch unmöglich. Beim Fernsehen ist es normal, von einem Programm zum nächsten zu schalten. Beim Radio ist das allerdings anders, meist wechseln die Hörer nur sehr selten, das heißt, dass die Radiohörer den verschiedenen Sendern sehr treu sind und da es vor 1998 in fast allen Bundesländern nur den ORF gab, sind die Hörer den ORF-Programmen gegenüber sehr treu. Nur jeder fünfte Österreicher hört einen Privatradiosender. Somit ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass der ORF mit seinen Programmen einen Marktanteil von ungefähr 80% erreicht. Viele der Privatradiomacher sind vermutlich davon ausgegangen, dass die Marktdominanz des ORF mit der Zeit sinken wird. Der ORF hat sich aber bereits 1995 und 1996 auf die private Konkurrenz vorbereitet. Der ORF war für den Privatradiostart bestens gewappnet. Am 3. April 1995 reformierten die ORF Regionalradios ihr Programm – das Programm wurde regionaler. Sie reagierten damit auf den bevorstehenden Start der Regionalradios.35 1996 wurde aus Ö3 endgültig ein „Privatradio“. Gemeinsam mit der Nürnberger Beratungsfirma BCI formatierte Ö3 sein Programm.36 Alle nicht-kommerziellen Programmelemente werden zu Blue Danube Radio, später FM4, ausgegliedert. Dadurch ist aus Ö3 ein perfekt formatiertes „Privatradio“ geworden und für die 1998 gestartete private Konkurrenz liegt die Popwelle des ORF bis heute außer Reichweite. Die Radiotestdaten von 2000 bis 2005 bestätigen diese Behauptungen, denn die Verhältnisse zwischen ORF und den Privatradios sind annähernd konstant. Abb. 3: Marktanteile ORF-Sender und Privatradio 35 36 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.162 vgl. Landgraf, Rüdiger Seite 16 1. Geschichtlicher Überblick Wie die schwarze Linie für den Marktanteil aller Privatradio zeigt, ist der Anteil über die Jahre hinweg ungefähr gleich geblieben. Das soll aber nicht bedeuten, dass es innerhalb der Privatradios keine Schwankungen gab. Im Gegenteil, die Privatradio selbst haben, wie die nächste Abbildung beweist, unter teils enormen Marktanteilsverlusten gelitten. Natürlich gab es auch überraschende Gewinne. So hat beispielsweise die Antenne Vorarlberg vom ersten auf das zweite Halbjahr 2004 ihren Marktanteil von 12% auf 18% um die Hälfte gesteigert. Abb. 4: Markanteile regionaler Privatsender Die Daten dieser Statistik reichen bis zum ersten Halbjahr 2005. Zwei Jahre später, beim Radiotest für das erste Halbjahr 2007 ist Liferadio bei der Zielgruppe 10+ mit einem Marktanteil von 13% privater Marktführer. Knapp dahinter, mit 12% rangiert die Antenne Steiermark und auf dem dritten Platz liegt Radio Arabella. Letzterer Sender setzt sich am heiß umkämpften Wiener Radiomarkt gegenüber den anderen Wiener Privatradiosendern mit 11% durch.37 Ein Sender, der in Österreich über 15% Marktanteil erreicht, kann sich schon sehr glücklich schätzen, denn vielen Privatradios in Österreich ist dieser Erfolg nicht vergönnt. In anderen Ländern jedoch erreichen Privatradios über 30%, so zum Beispiel die Antenne Bayern, die mit 31,8% Marktanteil Marktführer in Bayern ist38. 37 38 vgl. Radiotest 1. HJ 2007 vgl. Media Analyse 2007 II Seite 17 1. Geschichtlicher Überblick 1.7. Freie Radios Hörfunk jenseits von Kommerz Die österreichische Radiolandschaft teilt sich in die öffentlich-rechtlichen Radioprogramme Ö1, Ö2, Ö3 und FM4 und in die Programme der privaten Sender. Innerhalb der Privatradios wird aber zwischen kommerziellen und nichtkommerziellen Sendern unterschieden. Sender wie Liferadio oder Antenne Steiermark sind auf Gewinn ausgerichtet und finanzieren sich durch die Werbeeinnahmen. Kommerzielle Sender legen Wert auf Quote, Profit und wirtschaftlichen Erfolg. Bei den nichtkommerziellen Radios haben andere Aspekte des Radiomachens Priorität. Ihnen sind der offene Zugang und die Meinungsvielfalt wichtig. Diese „freien“ Sender werden oft auch als Bürgermedien bezeichnet. Sie sind meist durch gemeinnützige Vereine organisiert, die sich durch das Medium Radio Gehör verschaffen wollen. Oft sind es Themen, die von den übrigen Medien nicht beachtet werden. Freie Radios sind unabhängige, gemeinnützige Organisationen, die den Offenen Zugang zum Medium Radio ermöglichen und damit zur Demokratisierung der Kommunikation beitragen.39 Das freie Radio im Ennstal „FREEQUENNS 100,8“ wird vom „Kunst- und Medienverein FREEQUENNS“ betrieben.40 Es gibt aber auch freie Radios, deren Zulassungsinhaber Unternehmen sind. Zum Beispiel ist das freie Radio in Freistadt „FR 107,1“ als Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisiert.41 Die Interessen der freien Radios werden vom Verband Freier Radios Österreich (VFRÖ) vertreten und über vier Millionen Menschen in Österreich können Freies Radio empfangen. 42 Nichtkommerzielle Radios dürfen keine Werbespots senden. Sie dürfen lediglich Sponsoring betreiben. Sponsoring ist eine Namensnennung ohne verkaufsfördernde Wirkung. In der Praxis erfolgt dies meist durch Einblendungen wie die folgende: „Diese Sendung wurde Ihnen von der Firma ... präsentiert“. 1998 gingen die ersten freien Radios on air , Ende 2006 sind in ganz Österreich bereits zwölf freie Radios auf Sendung. Abb. 5: Die freien Radios in Österreich 39 Informationsbroschüre des Verband Freier Radios Österreich vgl. FREEQUENNS 100,8 41 vgl. FR 107,1 42 vgl. Informationsbroschüre des Verbands Freier Radios Österreich 40 Seite 18 1. Geschichtlicher Überblick Die Akzeptanz der freien Radios wächst stetig. Der VFRÖ erhielt im Jahr 2007 zum ersten Mal seit 2000 wieder eine Bundesförderung: Die Förderung von insgesamt 300.000 € gibt Anlass zu der Hoffnung, dass nach sieben Jahren des systematischen Aushungerns die Bundesregierung damit einen ersten Schritt in Richtung einer umfassenden Anerkennung der Freien Radios als dritten Rundfunksektor setzt.43 Grund dieser Anerkennung dürften auch die bereits gewonnenen Rundfunkpreise sein, die normalerweise dem ORF überreicht werden. Am 23. Jänner 2007 wurde im Radiokulturhaus der neunte Radiopreis der Erwachsenenbildung vergeben, zwei der insgesamt fünf ausgezeichneten Produktionen gingen an die freien Radios. In der Kategorie „Information“ geht der Preis neben einer Ö1-Produktion an Eva Reinbacher für den Beitrag „Westsahara – Der vergessene Konflikt“ auf ORANGE 94.0, dem Freien Radio in Wien. Der Beitrag setzt sich mit der aktuellen Situation in Westsahara auseinander und legt besonderes Augenmerk auf die Rolle der sahaurischen Frauen und die Rolle der EU bzw. Österreichs in diesem Konflikt. Die Sendung ist Teil des entwicklungspolitischen Bildungs- und Medienprojekts „Globale Dialoge“ des Wiener Freien Radios ORANGE 94.0 in Kooperation mit der „FRAUENSOLIDARITÄT“.44 Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die freien Radios eine angesehene dritte Säule in der österreichischen Radiolandschaft bilden, denn die ersten Schritte in diese Richtung wurden bereits gesetzt. In anderen Ländern haben Bürgermedien ebenfalls eine große Bedeutung. In Deutschland etwa machte das freie Radio „Radio Z“ mit einem Schwulenmagazin auf sich aufmerksam und eines der bekanntesten freien Radios ist „Radio Dreyeckland“ in Freiburg, das seine Wurzel in der Anti-Atomkraft-Bewegung hat.45 Wenn es unabhängigen Journalismus gibt, dann findet man ihn am ehesten da, wo es keinen Einfluss von Parteien oder Firmen gibt. Die freien Radios erfüllen diese Voraussetzungen, aber wenn man frei von Einfluss ist, ist man oft auch frei von finanziellen Mitteln. Die zwölf in Österreich sendenden freien Radios beweisen aber alle, dass man auch mit wenig Geld erfolgreich sein kann. Die freien Radios in Österreich sind also eine enorme Bereicherung für die österreichische Medienlandschaft. 1.8. Zusammenfassung der österreichischen Radiogeschichte Die Geschichte des Hörfunks in Österreich war turbulent. Schon zu Beginn merkte man, welche neuen Möglichkeiten Radio bietet. Die Begeisterung war groß als 1924 die RAVAG den Sendebetrieb aufnahm.46 Doch im zweiten Weltkrieg erkannte man die Gefahr des Radios. Es besaß und besitzt immer noch einen immensen Einfluss, der im Nationalsozialismus missbraucht worden ist. Die Politiker in der Nachkriegszeit haben deswegen den Rundfunk unter staatliche Aufsicht gestellt. Der damals gegründete ORF war somit vor Missbrauch geschützt. Der Österreichische Rundfunk war von 1956 bis zum Volksbegehren im Jahr 1964 fest in der 43 Peissl, Helmut zit. n. Homepage des VFRÖ VRFÖ 45 vgl. La Roche / Buchholz: S.306 46 vgl. Godler / Jochum / Schlögl / Treiber: S.247 44 Seite 19 1. Geschichtlicher Überblick Hand der Bundesregierung. Gerd Bacher wurde 1967 zum ersten Generalintendanten des ORF.47 Die Erfahrungen aus dem zweiten Weltkrieg mit dem Medium Radio haben auch andere Staaten dazu bewegt staatliche Monopole einzuführen. In den meisten europäischen Ländern gab es nach dem zweiten Weltkrieg öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten. Im Laufe der Jahre wurden in ganz Europa die Monopole durch sogenannte „duale Systeme“ abgelöst, die das Nebeneinanderbestehen von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern regelten. Österreich blieb dem Monopol aber sehr lange treu. Zu lange, empfand der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 1993.48 1995 fiel das Monopol offiziell, die Antenne Steiermark startete. Dreizehn Jahre später senden über sechzig Radiosender, aber erfolgreich sind nur sehr wenige. 49 Gründe dafür gibt es viele, einer davon ist der starke ORF, der um vieles kommerzieller ist als die ARD in Deutschland oder die BBC in Großbritannien. Außerdem ist der Bundesregierung ein erfolgreicher und starker ORF immer wichtig gewesen und die nötigen Gesetze, die Privatradio ermöglichten wurden nur widerwillig verabschiedet. Aber auch die Privatradiosender selbst tragen einen Teil der Schuld, denn Professionalität ist in der Medienbranche ein Grundgebot, dass viele Privatradios missachtet haben. Ausnahmen wie Liferadio und Antenne Steiermark bestätigen diese Regel. Denn diese beiden Radiosender haben bewiesen, was am österreichischen Radiosektor möglich ist. 47 vgl. Godler / Jochum / Schlögl / Treiber: S.252f vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.61 49 vgl. RTR-Schriftenreihe zum Thema "5 Jahre Privatradio in Österreich" 48 Seite 20 2. Privatradio als Wirtschaftskraft 2.1. Dienstleistung an zwei Klienten Dienstleistung bezeichnet, volkswirtschaftlich betrachtet, eine Leistung, die nicht der Produktion eines materiellen Gutes dient und bei der auch nicht der materielle Wert eines Endproduktes im Vordergrund steht. Teilt man die wirtschaftliche Produktion in einen Primärsektor der Rohstoffproduktion und einen Sekundärsektor des verarbeitenden Gewerbes, dann fallen die Dienstleistungen in den tertiären Sektor mit Arbeitsleistungen in Bereichen wie Handel, Verwaltung und Pflege.50 Radio gehört ganz klar zum tertiären Sektor, denn es bietet zwei Klienten eine Dienstleistung, einerseits den Hörern und andererseits den Firmen, die im Radio werben wollen. Der Hörer muss Radio nicht kaufen, anders als beim Pay-TV, dafür muss er die Werbung in Kauf nehmen. Der Werbekunde muss sich allerdings die Sendezeit erkaufen. Wenn der Sender aber wenig Hörer hat, dann ist die Nachfrage nach Werbezeit eher gering und somit auch der Preis für Werbezeit niedrig. Dieser wird mithilfe des TKP (Tausend-Kontakt-Preis)51 errechnet. Da es aber physikalisch unmöglich ist eine exakte Anzahl der Hörer zu ermitteln, gibt es einen auf Umfragewerten basierenden Test. In Österreich wird dieser „Radiotest“ von „GfK Austria“ durchgeführt. Die Werte ergeben sich aus einer telefonischen Befragung der Österreicher und Österreicherinnen über 10 Jahren, die von Jänner bis Dezember kontinuierlich durchgeführt wird.52 Der Radiotest erscheint zweimal jährlich und regelt mit diesen aktuellen Daten die Werbepreise. Ein kommerzieller Radiosender ist also bestrebt, eine maximale Anzahl an Hörern zu erreichen um die Werbezeiten dementsprechend teuer verkaufen zu können. 2.1.1. Unterhaltung, Information und Service für die Hörer Radiosender müssen immer am Puls der Zeit sein, um die Hörer halten zu können. Radio hat aber den Vorteil, dass der durchschnittliche Hörer nur dann den Sender wechselt, wenn er keinen Empfang mehr hat. Die wichtigste Sendung eines Radios ist die Morgensendung. Der Morgen ist für alle Radiosender die Prime Time und die „Morningshow“ ist zugleich das „Aushängeschild“ des Senders. Zu dieser Zeit hören die meisten Menschen Radio und deswegen ist am Morgen die Werbezeit am teuersten. Weiters wird auch auf die sogenannte Drive Time wertgelegt, diese befindet sich zwischen 16:00 und 19:00, wo die meisten Menschen von der Arbeit nach Hause fahren.53 In der Morgensendung gibt es meistens mehr Redezeit für den Moderator als in den anderen Sendungen und die Persönlichkeit des Moderators fließt in das Format mit ein. Oft sieht die Sendeuhr der „Morningshow“ völlig anders aus als am restlichen Tag.54 Der Sender versucht alles um seine Stammhörer halten zu können und neue Hörer zu gewinnen, denn der Markt ist unnachgiebig und selbst kleine Fehler können fatale Auswirkung auf den nächsten Radiotest haben. 50 Wikipedia vgl. Linhart, Georg 52 vgl. GfK Austria 53 vgl. Wikipedia 54 vgl. La Roche / Buchholz: S.275 51 Seite 21 2. Privatradio als Wirtschaftskraft Zur Unterhaltung zählen neben der Musik vor allem die Comedies, die bei manchen Sendern Teil des Programms sind. 55 Am eifrigsten produziert das „Privatradio“ Ö3 Comedies. Hier haben die unterhaltsamen Serien schon eine längere Tradition. Positioniert werden sie meist nach der Werbung, um die Hörer trotz Werbeunterbrechung nicht an andere Sender zu verlieren. Neben dieser Form der Unterhaltung gibt es noch genug andere Möglichkeiten, um die Hörer zu unterhalten. Zum Beispiel mit „Call-In-Shows“, bei denen Hörer beim Sender anrufen können und in die laufende Sendung geschalten werden.56 Weitere Möglichkeiten um Hörer zu gewinnen, sind Gewinnspiele bei denen nur Hörer gewinnen können die den Radiosender oft hören. Ein Beispiel dafür wäre die „DingsbumsAktion“ auf Liferadio. Hier müssen die Hörer erraten, welches Gerät ein bestimmtes Geräusch macht. Außerdem kann der Sender bei Gewinnspielen durch Mehrwertnummern zusätzliches Geld verdienen. Oft versuchen Radiosender durch bestimmte Service-Themen den Hörer das Gefühl zu geben unterstützt zu werden. Deswegen haben mittlerweile viele Regionalradiosender eigene Abteilungen, die sich um die Hörer kümmern.57 Weiters findet man im Programm diverser Sender Magazine, die sich sogenannten „Infotainment“-Themen widmen. Das heißt, dass in der Sendung informative Elemente, aber auch unterhaltsame Beiträge vorkommen. Eine weitere Form der Dienstleistung für die Hörer sind die Nachrichten. Die meisten Sender strahlen die Nachrichten zur vollen Stunde aus, aber es gibt auch Ausnahmen. Liferadio beispielsweise hat sich dazu entschlossen, die Nachrichten fünf Minuten früher zu senden. Beworben wird dieser vorgezogenen Nachrichtenblock mit dem Slogan „Mit Liferadio immer fünf Minuten früher informiert“. Nachrichten zählen neben dem Wetter und den Verkehrsmeldungen zum Standard jedes Senders und kein kommerzieller Sender kann es sich erlauben, auf eines der drei Elemente zu verzichten. Das Wetter und der Verkehr werden häufig von Firmen gesponsert, die mit den Programmelementen in der Verbindung stehen. Auto- oder Navigationssystemhersteller etwa sponsern gerne den Verkehrsüberblick. Die Radiosender haben mit all ihren noch so unterschiedlichen Sendungen ein großes Ziel. Sie wollen damit so viele Hörer wie nur möglich von ihrem Programm überzeugen. Trotz all dieser Bemühungen, ist der entscheidende Programmbestandteil die Musik. Ein Sender zeichnet sich vor allem durch das Musikformat aus. Somit kommt der Musikredaktion eine schwierige, aber auch essentielle Arbeit zu, denn sie entscheidet welche Musik gesendet wird. Das kommerziell erfolgreichste Musikformat ist das sogenannte AC-Format. AC steht für Adult Contemporary und richtet sich an die kaufkräftigste Zielgruppe, an die 20- bis 49jährigen. Die Musik umfasst den zeitgemäßen Rock und Pop und die Hits der 80er und 90er.58 Jeder Radiosender tut alles in seiner Macht stehende um die Höreranzahl zu steigern. Er bietet seinen Hörern ein buntes Programm, geschmückt mit allen nur erdenklichen Ideen. Derzeit setzt sich ein neuer Trend durch. Radiosender versuchen auch „off air“ für das Programm zu werben.59 Liferadio hat eine eigene Marketingabteilung und ist sogar auf Festen mit DJs präsent. Sender versuchen nicht mehr nur mit ihrem Programm zu überzeugen, sondern wollen den Hörern auch ein positives Lebensgefühl vermitteln. 55 vgl. La Roche / Buchholz: S.141 vgl. La Roche / Buchholz: S.253 57 vgl. La Roche / Buchholz: S.306 58 vgl. La Roche / Buchholz: S.271 und 310 59 vgl. La Roche / Buchholz: S.312ff 56 Seite 22 2. Privatradio als Wirtschaftskraft Liferadio hat das Image des fröhlichen Senders auch in den Slogan aufgenommen („Klingt gelb. Klingt gut.“) Mit der im Frühjahr 2007 gestarteten Imagekampagne wollte man das Ansehen des Senders weiter steigern. Abb. 6: Werbekampagne von Liferadio Radiosender bieten den Hörern eine kostenlose Dienstleistung, was bei einer Dienstleistung nur sehr selten der Fall ist, dafür muss der Hörer aber Werbung in Kauf nehmen. Wie auch in anderen Bereichen ist hier der Kunde König. Doch wer ist eigentlich der Kunde eines Radios? Ist es der Hörer oder ist es der Werbekunde? Fakt ist, dass der Sender ohne Hörer aber auch ohne werbende Firmen nicht überleben könnte. 2.1.2. Werbezeit für die Firmen Die Radiosender bieten aber nicht nur den Hörern eine Dienstleistung an, sondern auch all jenen, die sich dazu entschließen Werbung für ein bestimmtes Produkt zu machen. Auf nationaler Ebene wird die Werbezeit der Privatradios von einem einzigen Vertreter, der Radio Marketing Service Austria verkauft.60 Aber auf regionaler oder lokaler Ebene verkaufen die Sender ihre Werbezeiten eigenständig. Die Werbeeinnahmen sind für die Privatradiosender lebensnotwendig und darum wird auf eine funktionierende Verkaufsabteilung großen Wert gelegt. Die Verkaufsabteilung ist für die Akquisition, die Neukundenanwerbung zuständig. Außerdem wird die Stammkundenbetreuung umso aufwendiger, je mehr Firmen zu Werbekunden werden. Die Anwerbung und Betreuung von Kunden ist entscheidender als man denkt, denn der Großteil der Firmen tritt an keinen Radiosender heran und will von sich aus Radiowerbung machen. Darum müssen sich die Verkaufabteilungen der Radiosender selbst kümmern.61 60 61 vgl. RMS Austria vgl. Linhart, Georg Seite 23 2. Privatradio als Wirtschaftskraft Der Radiosender bietet den Werbekunden kostengünstig Werbezeit. Außerdem garantiert der Sender der Firma, dass die Werbung die Zielgruppe auch erreicht. Das Radio wird also zum Medium von Käufer und Verkäufer. Radiowerbung ist überdies hinaus günstiger im Vergleich zu anderen Werbeformen im Print- oder Fernsehsektor.62 Die Angebote für Firmen sind vielfältig, die meisten Radiosender erstellen für die Kunden aber ein maßgeschneidertes Konzept, um die Effektivität der Radiowerbung zu erhöhen. Liferadio hat für die diversen Angebote eine eigene Tarifmappe, darin finden sich etwa Angebote wie „Life Time 35“, das 35 Werbeeinschaltungen auf sieben aufeinander folgenden Tagen garantiert. Viele Privatradios verkaufen den Kunden auch Werbung, die sich auf der Website des Senders befindet, sogenannte Banner oder Pop-ups.63 Weiters bieten viele Radiosender den Firmen auch die Spotproduktion an. Während die meisten nationalen Firmen die Werbespots selbst produzieren, vertrauen die kleineren Firmen auf das Können der sendereigenen Producer. Denn viele regionale Firmen haben keine Erfahrung mit der Produktion von Radiospots. Die Radios haben oft auch die nötigen Kontakte zu den berühmten Werbestimmen Österreichs. Vor allem im regionalen Sektor ist die Beratung durch die Verkaufsabteilung des Radios von großer Bedeutung. Im Gegensatz zu Firmen, die im nationalen Bereich werben, haben die kleineren Firmen nicht das Know-how um effektive Marketingstrategien zu planen. Das übernimmt entweder eine Werbeagentur oder der beauftragte Regionalradiosender selbst. Die Verkaufsabteilungen unterstützen damit die Unternehmen nicht nur auf der Ebene der Radiowerbung, sondern beraten die Firmen auch zu allgemeinen Marketingthemen.64 Eine Sonderform der Werbung ist das Sponsoring. Grundsätzlich kann alles gesponsert werden, vom Veranstaltungstipp bis zur ganzen Sendung.65 Beim Sponsoring fallen etwaige Produktionskosten weg oder zumindest geringer aus, außerdem wird der Name im Umfeld eines Programmelementes genannt. Somit werden die „Sportminuten“ gerne gesponsert, weil Sport bei vielen Hörern Emotionen hervorruft und weil im Umfeld dieser Sportberichterstattung eine Sponsornennung einprägsamer ist.66 Die Radiosender wollen den Werbekunden eine vielfältige Palette an Angeboten präsentieren, denn ohne die Werbegelder wären private Radios nicht finanzierbar. Radio zählt zu den umfassendsten Dienstleistungen, da es zwei Arten von Kunden gibt, Hörer und Werbekunden. Sendet ein Radio zu viel Werbung, verliert es die Hörer. Würde sich ein Radio aber nur den Wünschen der Hörer beugen, könnte es keine Einnahmen erzielen. Ein Radiosender muss also immer die Balance zwischen Firmen- und Hörerwunsch finden. 62 vgl. Linhart, Georg vgl. Tarifmappe Liferadio 64 vgl. Linhart, Georg 65 vgl. La Roche / Buchholz: S.430f 66 vgl. Linhart, Georg 63 Seite 24 2. Privatradio als Wirtschaftskraft 2.2. Die Reichweite bestimmt die Werbepreise Der Werbepreis der einzelnen Sender ist von der Reichweite abhängig. Um eine Steigerung der Reichweite zu erzielen, müssen die Privatsender in das Programm investieren. Die Werbepreise können nicht direkt miteinander verglichen werden, weil die Sender unterschiedlich viele Hörer erreichen. Vergleichbare Werte werden durch den TKP, TausendKontakt-Preis ermittelt. Berechnung des TKP67: Einschaltkosten Reichweite x 1000 = TKP Regionale Werbung ist in Relation zu nationaler Werbung teurer. Eine Staffelung der Werbepreise nach Tageszeit ist üblich. Der Preis pro Werbesekunde ist am Morgen am teuersten und nimmt bis zum Abend sukzessive ab.68 Die folgende Graphik zeigt die Werbepreise in Euro, die eine Firma bei fünf verschiedenen Privatradios für eine Werbesekunde zahlen müsste. Der Werbepreis ist einer von zwei Werten, der für die Berechnung des TKP erforderlich ist. 12 10 Radio Arabella Energy 104.2 8 Liferadio 6 Antenne Wien 4 Kronehit 2 0 07:00 - 09:00 11:00 - 14:00 16:00 - 19:00 19:00 - 24:00 Abb. 7: Werbepreise Der zweite, für die Berechnung des TKP ebenfalls notwendige Wert ist die Reichweite, die durch den Radiotest ermittelt wird. Die Werte sind Tagesreichweiten, angegeben in Tausend. 70 60 Radio Arabella 50 Energy 104.2 40 Liferadio 30 20 Antenne Wien 10 Kronehit 0 07:00 - 09:00 11:00 - 14:00 16:00 - 19:00 19:00 - 24:00 Abb. 8: Tagesreichweiten 67 68 vgl. Linhart, Georg vgl. Linhart, Georg Seite 25 2. Privatradio als Wirtschaftskraft Der TKP wird im Hörfunksektor mit dem Durchschnittstarif von 6:00 – 18:00 berechnet. Für die Länge des Werbespots wird ein durchschnittlicher 20-Sekunden-Spot herangezogen. Die Reichweite ist ebenfalls ein Durchschnittwert von 6:00 – 18:00.69 Der TKP wird in Euro angegeben. 20 Radio Arabella 15 Energy 104.2 Liferadio 10 Antenne Wien Kronehit 5 0 TKP Abb. 9: TKPs TKPs zwischen zwei und vier Euro sind die Regel.70 Aber auch höhere TKPs sind möglich, wie die Graphik beweist. Grund für den erhöhten TKP der Antenne Wien ist der Werbepreis, der seit 2006 unverändert geblieben ist. Aber die Tagesreichweite des Wiener Senders ist stark zurückgegangen. Somit passen Reichweite und Werbepreis nicht mehr zusammen. Mit Hilfe des TKPs können Firmen und Werbeagenturen genau abschätzen, wie viel Kapital sie für Werbung bei verschiedenen Sendern aufwenden müssen. Der TKP für Radiowerbung ist günstiger als etwa Fernsehwerbung oder Printwerbung. Hier sind höhere TKPs die Regel.71 2.3. Rentabilität - Pleiten und Konkurse von Sendern in Österreich Die Euphorie der neuen Radiomacher war groß, als 1998 die Privatradios flächendeckend starteten. Für größere Sendegebiete gibt es die Regionalradios. Sie erreichen ganze Bundesländer. In Wien etwa haben die vier kommerziellen Regionalradiosender eine technische Reichweite von 1,7 Millionen. Im Gegensatz dazu wollten die Politiker der regierenden Parteien ÖVP und SPÖ eine Radiolandschaft schaffen, in der eine große Vielfalt garantiert ist.72 „Lasst 1000 Blumen blühen“, so die Meinung vom damaligen Mediensprecher der SPÖ, Josef Cap. Viele kleine Blumen (Lokalradios) waren die Folge. Das damals gültige Regionalradiogesetz regelte die Beschränkungen für die Lokalradiosender. Unter § 2a. ist folgendes zu lesen: Sendelizenzen für lokalen Hörfunk sind solche, die die Veranstaltung von Hörfunk in begrenzten Teilen innerhalb eines Bundeslandes oder im Grenzgebiet zweier oder mehrerer Bundesländer ermöglichen, mit dem Ziel, eine Gemeinde oder höchstens 150 000 Einwohner in einem zusammenhängenden Gebiet zu versorgen, (...)73 69 vgl. Linhart, Georg vgl. La Roche / Buchholz: S.432 71 vgl. Linhart, Georg 72 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.112ff 73 Regionalradiogesetz zit. n. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.113f 70 Seite 26 2. Privatradio als Wirtschaftskraft Kritik dazu kam von der RTR, die für Verteilung von Sendelizenzen verantwortlich ist. Der Geschäftsführer der RTR, Dr. Alfred Grinschgl kritisierte den Wunsch von Josef Cap mit den Worten: Der medienpolitische Auftrag in den 90er-Jahren war ‚Lasst 1000 bunte Blumen blühen‘ – sie sollten bunt sein, aber möglichst klein, weil niemand wollte, dass ernsthafte Konkurrenz für den ORF entsteht.74 Der Geschäftsführer der RTR behielt Recht, denn eine ernsthafte Gefahr ging von den Lokalradios nie aus. Radios die höchstens 150 000 Menschen erreichen, sind wirtschaftlich nicht überlebensfähig. Die Werbeeinnahmen fallen zu gering aus, um die Ausgaben decken zu können. Deswegen wurde das Personal gekürzt. Darunter litt vor allem die lokale Berichterstattung, die der eigentliche Marktvorteil gegenüber den regionalen und nationalen Radioprogrammen war. Da es die meisten lokalen Radiosender aber trotzdem nicht schafften schwarze Zahlen zu schreiben, wurde für viele Radiomacher der Traum vom eigenen Sender zum Alptraum. Durch das am 1. April 2001 in Kraft getretene Privatradiogesetz wurde es möglich Sendernetzwerke zu gründen. Die Mediaprint reagierte am schnellsten und die vielen Lokalradios wurden unter dem Namen „Krone Hit R@dio“ zu einem einzigen Sender vereint. Neben dem „Krone Hit R@dio“ entstanden weitere Senderverbunde. In der Steiermark und in Kärnten entstand die „Harmonie“-Senderunion und aus den niederösterreichischen Sendern Radio Waldviertel, Digi Hit Radio, PL1 und Antenne 4 wurde HiT FM.75 Wirtschaftlicher Erfolg für Lokalradios war beinahe unmöglich. Beinahe, denn in Osttirol sendet nach fast zehn Jahren noch immer der Held unter den Lokalradios, nämlich Radio Osttirol. Gestartet ist Radio Osttirol 1998 unter dem Namen Radio Grizzly, jetzt verbreitet der Lokalsender das Programm als Radio Osttirol. Erklärbar ist der Erfolg dieses Senders nur durch den starken Lokalpatriotismus in Osttirol. Denn ohne diesen Zusammenhalt in der Region wären Tagesreichweiten bei der Zielgruppe 10+ von 19,8 % unvorstellbar.76 Zurück bleibt das Wissen, dass es fast unmöglich ist ein wirtschaftlich intaktes Radio zu machen, das eine so geringe technische Reichweite hat. Es war ein grober Fehler, den Radiomachern eine so kleine Radiolizenz zu überlassen. Mittlerweile ist man sich dessen aber bewusst und die Politiker haben mit dem Privatradiogesetz 2001 die einzig sinnvolle Rettungsmaßnahme gesetzt. Doch ein Fehler bleibt ein Fehler. 2.4. Marktforschung und Berechnung des Radiotests Marktforschung gibt es in vielen Bereichen, auch beim Hörfunk. Wie kommt mein Programm beim Hörer an? Welche Interessen hat mein Hörer? Welche Musik will meine Zielgruppe hören? In Österreich gibt es den Radiotest, der die Marktanteile und Reichweiten aller Radiosender ermittelt. Dieser wird von allen kommerziellen Privatradios und dem ORF in Auftrag gegeben. Neben diesem Test geben manche Radiosender noch eigene Marktforschungen in Auftrag. So beauftragt Kronehit etwa das IFES Institut. Im Gegensatz zum Radiotest werden beim 74 Grinschgl, Alfred zit. n. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.114 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.130fff 76 Radio Osttirol 75 Seite 27 2. Privatradio als Wirtschaftskraft Alternativtest des IFES Institutes die Reichweiten gestützt abgefragt. Das bedeutet einen Unterschied in der Methodik. Beim Radiotest wird gefragt: „Welchen Radiosender haben Sie gestern gehört?“. Dadurch werden vom Befragten nur die starken Marken, wie etwa Ö3 genannt. Beim Test des IFES Institutes hingegen wird gefragt, welcher der folgenden Sender gehört wurde. Danach werden die Sender namentlich genannt und der Befragte nennt durch aktives und bewusstes Nachdenken den Sender, den er tatsächlich gehört hat.77 Durch diesen Methodenunterschied, konnte Kronehit die Reichweite von 404.000 auf 693.000 steigern.78 Interessanterweise gibt es bei beiden Tests eine Frage, die ident ist. Bei beiden Tests wird die Frage „Welchen der folgenden Sender haben Sie in den letzten sieben Tagen gehört?“ gestellt. Die Ergebnisse dieser Frage sind bei beiden Tests sehr ähnlich. Michael Ebeert, ehemaliger Verkaufsdirektor bei Kronehit sieht darin die Notwendigkeit einer neuen Abfragemethode.79 Für den Radiotest werden pro Jahr 24.000 telefonische Interviews mittels CATI (Computer Assisted Telephone Interview) geführt, repräsentativ für alle Österreicher ab 10 Jahren. Ermittelt werden die Tagesreichweiten, die Viertelstundenreichweiten, die Marktanteile, der weiteste Hörerkreis, sowie die durchschnittliche Hördauer.80 Der Radiotest ersetzte im Jänner 1993 die Messung namens „Optima“. 81 Zusätzlich zur Hörerzahlenermittlung gibt es Marktforschungen, die sich mit Trends und Interessen der Hörer beschäftigen. In Gruppendiskussionen oder Einzelinterviews kann so herausgefunden werden, ob die Moderatoren tatsächlich so gut ankommen wie vermutet wird oder ob den Hörern das Musikbett unter den Nachrichten gefällt. Großes Augenmerk wird auch auf die Musikforschung gelegt. Telefonbefragungen, mündliche Befragungen oder sogenannte Auditorien-Tests in der angestrebten Zielgruppe sind gängige Verfahren. Bei allen drei Befragungsformen werden Hooks vorgespielt. Dabei handelt es sich um einen für das Musikstück typischen Ausschnitt, meist ist das der Refrain. In das Programm der streng formatierten Sender kommen nur Titel, die bei den Testpersonen Gefallen gefunden haben. In den CHR-Radiostationen, in denen Songs bis zu siebenmal pro Tag gespielt werden, wird auch regelmäßig der „Burn out“ von Musiktiteln getestet, denn die Sender wollen den Musiktitel nur spielen, solange er populär ist.82 Medienforschung gibt den Radiosendern ein Feedback über ihre Arbeit. Somit lassen sich Änderungen im Programm leichter realisieren und der Inhalt der Sendungen kann an die angestrebte Zielgruppe angepasst werden. Der Radiotest dient unter anderem auch zur Erhebung der Werbepreise, da dieser von der Werbewirtschaft anerkannt wird. 77 vgl. Ebeert, Michael Ebeert, Michael 79 vgl. Ebeert, Michael 80 vgl. GfK Austria 81 vgl. Godler / Jochum / Schlögl / Treiber: S.257 82 vgl. La Roche / Buchholz: S.341f 78 Seite 28 3. Liferadio Eine Erfolgsgeschichte 3.1. Der Sender Liferadio startete am 1. April 1998 in Oberösterreich, gleichzeitig starteten in ganz Österreich die Privatsender. Bei Liferadio versuchte man von der ersten Sekunde an, die Hörer mit einer Mischung aus Kulthits und neuem Pop für sich zu gewinnen. Dieses Format, das in der Fachsprache AC genannt wird, gilt als das erfolgreichste Format der Radiogeschichte. Liferadio spricht mit seinem Musikformat die Zielgruppe der 14 bis 49-jährigen an und erreicht damit den Großteil der oberösterreichischen Hörer. Bei Liferadio hat man seit 1998 die Marktanteile sukzessive ausgebaut und derzeit erreicht man 13% der Oberösterreicher 83. Der Claim „Oberösterreichs beste Musik“ trifft das Ziel des Senders punktgenau, durch fröhliche und heitere Musik will man die Hörer von der Marke Liferadio überzeugen. Außerdem informieren die Redakteure und Moderatoren des oberösterreichischen Privatsenders die Konsumenten mit regionalen Themen und lokalen Veranstaltungstipps. Liferadio ist es gelungen, sich gegen die öffentlich-rechtlichen Programme des ORF durchzusetzen und mittlerweile erreicht Liferadio mehr Hörer als Radio Oberösterreich. Wie sind solche Erfolge möglich? Warum gelang es Liferadio sich zu etablieren und wie werden Werbekunden vom Potenzial der Radiowerbung überzeugt? Diese und weitere Fragen beantworteten Mag. Georg Linhart, Verkaufsleiter von Liferadio und Geschäftsführer Mag. Christian Stögmüller in einem Gespräch am 3. Juli 2007. Mag. Christian Stögmüller besuchte die Universitäten in Linz und St. Gallen und arbeitete danach in der Unternehmensberatung in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Danach wechselte er in den Medienbereich und war unter anderem Assistent der Geschäftsführung bei J. Wimmer. Derzeit ist er Mitglied des Beirates der RMS, Präsident des Verbandes der österreichischen Privatsender (VÖP) und Geschäftsführer bei Liferadio. Mag. Christian Stögmüller hatte im Herbst 1993 das Unternehmen Liferadio gegründet.84 Mag. Georg Linhart hat im Jahre 1993 begonnen sich mit Privatradio zu beschäftigen. Er arbeitete an einem Projekt der Styria Medien AG in der Steiermark und ist 1994 zur Antenne Steiermark gewechselt und war damit beim Start des ersten österreichischen Privatradios dabei. Nach drei Jahren ist Mag. Georg Linhart nach Oberösterreich gewechselt und hat mit seinem Know-how den Sender Liferadio unterstützt.85 „Denn in einem Privatsender, der sich ausschließlich durch Werbung finanziert, ist es notwendig eine aktive Verkaufsmannschaft in Sachen Werbezeitvermarktung zu haben.“86 Abb. 10: Mag. Christian Stögmüller Abb. 11: Mag. Georg Linhart 83 Radiotest 1. Halbjahr 2007 Marktanteile 10+ Mo-So vgl. Stögmüller, Christian 85 vgl. Linhart, Georg 86 Linhart, Georg 84 Seite 29 3. Liferadio – Eine Erfolgsgeschichte 3.2. Das Interview Herr Stögmüller, ich möchte Sie bitten mir den Beginn von Liferadio zu erläutern. Wann wurde die Idee geboren? Die Idee geht zurück auf die Zeit 1982/1983, als man über die Liberalisierung des Rundfunks gesprochen hat. Ab diesem Zeitpunkt war politisch das Thema in der Luft. In allen anderen Ländern Europas sind daraus auch Projekte entstanden, nur in Österreich nicht. Es war dann naheliegend, dass aus den Verlagskonstruktionen Projekte entstehen. Der Aufbau von Regionalradiosendern war mit Millioneninvestitionen verbunden und das Geld und Knowhow kamen von den Verlagshäusern. Heute haben wir bei Liferadio zehn Gesellschafter und darunter sind auch die beiden großen Verlagshäuser Oberösterreichs vertreten. Es dauerte dann noch mehr als zehn Jahre bis zum tatsächlichen Start von Privatradio in Österreich. Welche Voraussetzungen muss man erfüllen um einen Privatsender in Österreich erfolgreich betreiben zu können? Man braucht viel Geld, man braucht gute Rechtsanwälte und man braucht ein enormes Durchhaltevermögen. Außerdem braucht man eine möglichst optimale Zusammenstellung der besten Kräfte. Wir haben im gesamten deutschsprachigen Raum nach Mitarbeitern gesucht, denn wir wollten so professionell wie möglich zu senden beginnen. Liferadio war der einzige Sender in Österreich, der die Lizenz ohne Einspruch bekommen hat. Sie sagten, dass Liferadio die Lizenz ohne Einspruch erhalten habe. Wie ist es dann möglich, dass die Antenne Steiermark und Radio Melody bereits 1995 „on air“ gingen? Die Antenne Steiermark und Radio Melody haben sich politischen Erpressungen hingegeben. Sie haben alle weiteren Mitbewerber einfach aufgenommen, darunter waren auch politische Parteien und freie Organisationen. Wir wollten diesen Kompromissen in Oberösterreich aber nicht zustimmen und haben uns klar dagegen entschieden. Entweder wird der private Sektor wirklich liberalisiert oder er wird nicht liberalisiert, aber dann ohne uns. Da steht ein unternehmerisches, aber auch ein christlich-soziales Gedankengut im Hintergrund. Die Antenne Steiermark hat die Lizenz erst vor Kurzem wieder erhalten, sie hat aber noch immer Verfassungsgerichtshofbeschwerden anhängig. Das ist uns erspart geblieben und darüber bin ich auch ganz froh. Herr Linhart, Sie haben bei beiden Sendern gearbeitet, bei der Antenne Steiermark und bei Liferadio. Welche Unterschiede waren bei den Sendestarts erkennbar? Die Sendestarts der beiden Radiostationen sind schwer vergleichbar, weil der Werbemarkt in der Steiermark durch die Styria und die Kleine Zeitung anders bearbeitet wurde als in Oberösterreich. Die Styria Medien AG ist ein hochgradig aggressives und kompetitives Medienhaus, das sich frühzeitig zu einer Regionalisierung bekannt hat. Fakt ist, dass in der Steiermark der Markt für Werbung viel besser aufbereitet ist als in Oberösterreich. In Oberösterreich hatte man zwei Konkurrenten, einerseits die Oberösterreichischen Nachrichten, eher wirtschaftsliberal orientiert, die auch Wert auf Optimierung der Qualität legt und andererseits die Rundschau, die sehr breit und eher ländlich orientiert ist. Ich persönlich habe es als ein Aufbrechen der Scholle mit bloßen Händen erlebt. Die Arbeit in Oberösterreich war um einiges aufwändiger als in der Steiermark. Seite 30 3. Liferadio – Eine Erfolgsgeschichte Herr Stögmüller, haben Sie Unterschiede zu anderen Sendern erkennen können? Es gibt einen ganz großen Unterschied zwischen dem Start von Liferadio und allen anderen Privatradiosendern in Österreich. In fast allen anderen Bundesländern war es so, dass ein zumeist sehr starker Eigentümer dahinter stand, der dann gewisse Dinge bestimmt hat. Liferadio hatte aber eine sehr heterogene Eigentümerstruktur und die einzelnen Gesellschafter standen sich am Werbemarkt als Konkurrenten gegenüber. Deswegen haben die Eigentümer bei Liferadio sehr wenig mitgeredet. Dadurch war es möglich konsequent zu arbeiten und Liferadio als eigenständiges Unternehmen zu positionieren. Es ist als hätte man nur eine Kugel im Lauf, aber die muss treffen. Alle die nicht getroffen haben, sind in enorme Probleme geschlittert. Das war von Vorarlberg bin Wien gleich und die Antenne Wien hat sich bis heute nicht davon erholt. Wir hingegen haben die Gunst der Stunde genützt und haben ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut. Herr Linhart, Sie leiten den Verkauf von Werbung bei Liferadio. Wie sieht Ihre Arbeit aus? Da sich Privatradios ausschließlich durch Werbung finanzieren, ist es notwendig eine aktive Verkaufsmannschaft in Sachen Werbezeitvermarktung zu haben, aber bei einem Unternehmen in der Größenordnung von Liferadio kann man davon ausgehen, dass von selber vielleicht eine Million Schilling kommt. Aber von einer Million Schilling werden wir nicht lange leben. Dementsprechend hoch ist die Arbeit in der Akquisition von neuen Kunden. Wie sieht die Werbekundenbetreuung aus? Unternehmen, die im regionalen Markt werben, haben oft einen sehr großen Nachholbedarf, deswegen müssen unsere Mitarbeiter weit über Radio hinaus geschult sein, um Unternehmen werbestrategisch beraten zu können. Unsere Beratung funktioniert zunächst auf Marketingebene. Es ist abzustecken, was das Marketingziel eines Unternehmens ist und dann können wir potentielle werbliche Maßnahmen ergreifen. Hier kommt dann Radio ins Spiel. Radio ist ein wunderbares Medium um zu verkaufen, Radio ist aber auch ein wunderbares Medium um Image zu betreiben und Positionierungen zu verbessern oder zu verändern. Es gibt aber auch die Möglichkeit Radiowerbung begleitend zu Print- und Plakatwerbung zu schalten. Es ist auch möglich Radiowerbung mit Fernsehwerbung zu kombinieren, aber diese Form findet im regionalen Bereich eher selten statt. Wie begründen Sie den Einsatz von Werbung im Radio? Radio ist im Wertvergleich zu allen anderen Medien das günstigste Medium. Radio hat im Prinzip den günstigsten TKP, also den günstigsten Tausend-Kontakt-Preis. Radio ist extrem schnell und flexibel einsetzbar. Man kann auf unterschiedliche Situationen unterschiedlich schnell reagieren. Außerdem kann man Werbebotschaften sehr rasch austauschen und man kann mit Radio eine Alleinstellung erzielen, die mit Printwerbung nicht erreichbar ist. Da gibt es eben eine Fülle an Möglichkeiten um Radio für einen Kunden gewinnbringend einzusetzen. Was unterscheidet Radiowerbung von anderen Werbeformen? Prinzipiell muss man zwischen „Kopf- und Bauchwerbung“ unterscheiden. Es gibt also Medien, die emotional wirken und es gibt Medien die ganz klar das rationale Denken ansprechen. Bei Printwerbung muss man sich bewusst mit einer Werbebotschaft auseinandersetzen. Dasselbe gilt auch für jede andere optische Werbeformen. Radio zielt als Seite 31 3. Liferadio – Eine Erfolgsgeschichte emotionales Medium bewusst auf den Bauch des Konsumenten, das heißt, dass Radiowerbung eigentlich unbewusst wahrgenommen wird. Es schaltet auch kaum jemand, der Radio als Begleitprogramm konsumiert wegen der Werbung weg. Werbung wird im Radio weitestgehend akzeptiert. Wenn man sich die Marktforschung ansieht, dann stört beim Radio die Werbung am wenigsten. Am meisten stört Werbung im Fernsehen, gefolgt von Print, aber mittlerweile wirkt Onlinewerbung mindestens so störend wie Printwerbung. Dadurch haben unsere Kunden die Möglichkeit zu einem unvergleichlich günstigen Preis den Hörer so zu erreichen, dass er die Werbung unter Umständen gar nicht bewusst registriert. Wenn er aber dann vor einer Kaufentscheidung steht, kann diese im Unterbewusstsein abgespeicherte Werbung wieder abgerufen werden. Alle kommerziellen Privatradios in Österreich haben als Partner die RMS. Wie sieht diese Zusammenarbeit aus? Die Radio Marketing Service ist unser nationaler Vermarkter. Es ist die Tochtergesellschaft der deutschen Radio Marketing Service. Die RMS ist Vermarkter aller Privatradios in Österreich um im nationalen Markt gegen einen Anbieter wie die ORF Enterprise mit Ö3 bestehen zu können. Außerdem hätten die Werbeagenturen keine Freude mit allen Privatradios einzeln zu verhandeln. Dementsprechend haben wir einen Partner für alle Sender, der die werbetreibende Wirtschaft in unserem Auftrag betreut. Wie kommt der Tarif auf nationaler Ebene zustande? Es gibt einen Tarif, der von den Beiräten der Sender genehmigt wird. Dieser Tarif wird mit Marktanteilen und Reichweiten natürlich sehr genau kalkuliert. Der dabei zustande gekommene Tarif wird dann nach einem bestimmten System auf die Sender ausgeschüttet. Natürlich behält sich die RMS einen bestimmten Prozentsatz, sozusagen eine „Handlinggebühr“. Wodurch verdient Liferadio mehr, durch nationale oder regionale Werbung? Wir verdienen mit regionaler Werbung mehr, da wir im regionalen Markt immer einen höheren Preis durchsetzen können als im nationalen Markt. Denn ein nationales Medium, das mit einer relativ hohen Reichweite operiert, hat immer einen günstigeren TKP als ein regionales Medium. Konkret bedeutet das, dass im Regelfall der regionale Preis in Relation zum nationalen Preis teurer ist. Ist es für die Werbewirtschaft nicht angenehmer nur im ORF zu werben? Im regionalen Bereich sicher nicht, da der ORF bei der regionalen Werbung auf fünf Minuten beschränkt ist. Im Vorfeld der Rundfunkliberalisierung wurde zwischen dem ORF und dem Verband der österreichischen Zeitungsherausgeber, dem VÖZ diese Vereinbarung getroffen um privaten Rundfunkanbietern die Möglichkeit zur Etablierung zu geben. Jedoch dauerte die Reparaturphase des Regionalradiogesetzes bis 1998 und somit wanderten viele Werbekunden in den Print- und Plakatsektor. Wir mussten dann die Werbewirtschaft wieder von der regionalen Hörfunkwerbung überzeugen. Seite 32 3. Liferadio – Eine Erfolgsgeschichte Wie sieht die Platzierung von Werbung im Programm konkret aus? Theoretisch haben wir die Möglichkeit 120 Minuten Werbung am Tag zu senden, aber da gibt es dann noch von Sender zu Sender unterschiedliche Selbstbeschränkungen. Bei Liferadio haben wir uns darauf geeinigt, dass kein Werbeblock länger als 4 Minuten und 20 Sekunden dauert. In der Sendeuhr von Liferadio sind zwei solche Werbeblöcke vorgesehen, zusätzlich gibt es noch zwei Singlespots vor den Nachrichten mit einer Dauer von je 30 Sekunden. Wir sind der Meinung, dass zwei etwas längere Blöcke weniger störend sind als drei oder vier kurze Werbeblöcke. In Österreich ist aber bei der Werbeblockaufteilung kein großer Unterschied zu anderen Radiostationen erkennbar. Wir legen bei Liferadio aber einen großen Wert auf eine möglichst angenehme und kluge Positionierung. Deswegen kommen die Werbeblöcke bei Liferadio im zweiten und im vierten Viertel einer Stunde, weil im ersten und dritten Viertel hat man meistens den Show-Opener, die eine oder andere Anmoderation und möglicherweise auch einen Überhang aus den Nachrichten, in Summe hat man also im ersten und dritten Viertel schon einigermaßen viel Wortanteil. Außerdem gibt es die Möglichkeit von Sponsoring. Sponsoring ist eine bloße Namensnennung, jedoch darf diese Namensnennung nicht verkaufsfördernd sein. Wenn es eine verkaufsfördernde Nennung ist, dann muss diese auch akustisch unterscheidbar sein. Das Sponsoring wird allerdings sehr genau überwacht und da kann es schon zu Verurteilungen durch die KommAustria oder durch den Bundeskommunikationssenat kommen. Welche Programmbestandteile werden bei Liferadio gesponsert? Wetter und Verkehr sind die Klassiker schlechthin, der Verkehr wird auch gerne von Navigationsgeräteanbietern gesponsert. Bei Liferadio werden aber auch Veranstaltungshinweise, Sportminuten oder Gewinnspiele gesponsert. Ganze Sendeschienen werden bei Liferadio nur sehr selten von einem Sponsor präsentiert. Herr Linhart, Sie haben soeben kurz die Verurteilungen durch die KommAustria und den Bundeskommunikationssenat erwähnt. Wie sehen die Beschränkungen für Werbung im Radio eigentlich aus? Die Werbezeitbeschränkung steht im Privatradiogesetz, Weiters gibt es noch die allgemeinen Werberichtlinien, die von der Wirtschaftskammer herausgegeben worden sind und dann gibt es noch die freiwilligen Selbstbeschränkungen. Alle Radiosender in Österreich sind dazu verpflichtet vor der Werbung ein bestimmtes akustisches Signal zu setzen, damit der Hörer weiß, dass jetzt Werbung kommt. Wir haben da eine gewisse Tonfolge, die im Prinzip die Vertonung von Liferadio ist. Der Grund für diese Trennung von Programm und Werbung liegt auf der Hand, denn der Hörer muss zwischen redaktionellem Inhalt und Werbung unterscheiden können. Die Werbung gilt aber trotzdem als Programmbestandteil und der Programmchef ist für den Inhalt der Werbespots verantwortlich. Herr Stögmüller, Sie können mir sicher sagen, wer für die schlechte Etablierung von Privatradio verantwortlich ist? Das lässt sich nicht so einfach sagen. Dieses Thema hat mehrere Facetten, die Politik hat wesentlich dazu beigetragen den ORF zu schützen. Alleine die Tatsache, dass zwischen dem ersten Regionalradiogesetz von 1995 und dem von 1998 drei Jahre vergangen sind, lässt ganz klar erkennen, dass dem ORF der Rücken freigehalten wurde. Außerdem hatten die Seite 33 3. Liferadio – Eine Erfolgsgeschichte politischen Parteien Angst vor einem möglichen Machtverlust, denn den ORF hat man in der Hand. Es gibt aber auch Rahmenbedingungen, die es den privaten Sendern sehr schwer bis unmöglich machen sich in diesem kleinen Markt Österreich vernünftig zu behaupten. Ende Juni wurde das Gesetz für Handyfernsehen beschlossen, das vorsieht, dass der ORF Spartenkanäle betreiben darf. Diese Spartenkanäle müssen aber aus dem Werbemarkt finanziert werden. Der ORF als öffentlich-rechtlicher Anbieter muss hier privates Fernsehen machen und darf bei den Spartenkanälen keine Gebühren nützen. Auf der anderen Seite wird der ATV durch staatliche Mittel gefördert, weil er sich gegen den ORF nicht behaupten kann. Das heißt, man treibt den ORF in den privaten Markt und den privaten Anbieter fördert man öffentlich-rechtlich. Hier haben wir in Österreich eine totale Schieflage, die man auch beim Radio und auch beim Online-Markt wiederfindet. Auch durch viele Bemühungen in den letzten Jahren in Richtung Liberalisierung, Optimierung und die Regulierung im Bereich der Behörde kann man einen Karren, der mal so verfahren wurde, nicht so schnell korrigieren. Dazu kommt auch, dass die Betreiber oftmals inkonsequent waren. Managements wurden zu rasch ausgetauscht, Sender wurden verkauft, Lizenzen wurden zusammengelegt und das alles ist in einem kleinen Markt wie Österreich absolut schädlich. Wie beurteilen Sie das „Privatradio des ORF“? Warum wird Ö3 nicht an seinen Programmauftrag erinnert? Für mich wäre eine Schärfung der Definition des öffentlich-rechtlichen Programmauftrages wichtig. Momentan ist Ö3 Europas bestgemachtes Privatradio, das ist aber nicht schwer mit 200 Mitarbeitern und einer Milliarde Umsatz. Ö3 macht zwölf Monate im Jahr Plakatwerbung, das kann sich kein anderer Konzern leisten. So gesehen ist Ö3 kein öffentlich-rechtlicher Sender mehr. Der ORF macht aber auch anspruchvolles, öffentlichrechtliches Radioprogramm mit Ö1 und es ist toll, dass man mit FM4 avantgardistisches Programm geschaffen hat. Jedoch ist bei FM4 der Unterschied zu Energy auch schon wieder sehr gering. Die Landesstudios machen ein Programm, bei dem der öffentlich-rechtliche Mehrwert permanent schwindet. Für mich macht der ORF mit Ö3 ein Programm, das deutlich zu hinterfragen ist. Aber der ORF finanziert durch Ö3 die Programme Ö1 und FM4... Dann sollte man FM4 und Ö1 die gesamten Radiogebühren zur Verfügung stellen und Ö3 dürfte sich nur noch durch Werbung finanzieren. Denn wenn Ö3 die gleichen Bedingungen hätte wie die privaten Anbieter, wäre es für Ö3 um ein Vielfaches schwieriger. Ist da, Ihrer Meinung nach Herr Stögmüller, eine Änderung in Sicht? Ja, denn auf europäischer Ebene werden die Gebührenlegitimationen derzeit massiv in Frage gestellt. Entweder macht man ein werbefinanziertes Programm oder ein gebührenfinanziertes Programm. Es gäbe auch ein weiteres Modell, bei dem keine ganzen Sender gefördert würden sondern bloß wertvolle Programminhalte und diese wertvollen Programminhalte würden dann dementsprechend durch Gebühren finanziert. Diese Modelle werden derzeit in der Schweiz und in Frankreich erprobt, aber das wäre ein funktionierendes Modell für die Zukunft. Herr Linhart, seit 2005 gibt es Liferadio Tirol, wie sieht diese Zusammenarbeit aus? Liferadio Oberösterreich ist Franchise-Geber, das heißt wir haben die Markenrechte und Liferadio Tirol ist Franchise-Nehmer und hat dementsprechend bestimmte Kriterien zu Seite 34 3. Liferadio – Eine Erfolgsgeschichte erfüllen damit der Franchise-Vertrag aufrecht bleibt. Liferadio Tirol ist aber trotzdem ein komplett eigenständiges Unternehmen, es besitzt auch eine komplett andere Gesellschafterstruktur. Auf welchen Ebenen gibt es eine Zusammenarbeit mit Liferadio Tirol? Das ist ein sehr vielschichtiges Thema, dazu muss man die Geschichte von Privatradio in Tirol kennen, denn in Tirol ist Privatradio oft sehr unglücklich betrieben worden. Man war in Tirol kommerziell überhaupt nicht erfolgreich. Durch die Möglichkeit der Bereinigung der Gesellschafterstrukturen, die das neue Privatradiogesetz gebracht hat, hat sich die Moser Holding entschlossen, die größte Sendelizenz zu erwerben. Die Moser Holding hat dann nach Allianzen gesucht und mit Liferadio eine starke Marke und ein erfolgreiches Privatradio gefunden. Durch unzählige Verschränkungen in der Gesellschafterstruktur von Liferadio gibt es auch im Printsektor Kooperationen. Aber innerhalb von Liferadio gibt es natürlich auch gemeinsame Programm- und Marketingstrategien. Herr Stögmüller, wird es Liferadio in Zukunft ein weiteren Bundesländern geben? Uns geht es darum, dass die Marke Liferadio wächst und damit haben wir in Tirol die richtigen Schritte gesetzt. Es wird aber eine weitere Expansion im UKW-Bereich sehr schwierig sein, da die meisten Frequenzen bereits vergeben sind. Das wird sich aber mit der Digitalisierung ändern, denn DAB, DAB+, DRM, DMB und HD Radio lassen mehr Frequenzen zu und dadurch wird Platz für neue Sender. Aber derzeit fehlt noch der Wille, diese digitale Rundfunklandschaft gesetzlich zu planen. Wie lange wird der Umstieg auf digitale Übertragung dauern? UKW wird die nächsten 30 Jahre weiter senden und wird in den nächsten 15 Jahren auch das Geld verdienen. Derzeit ist UKW einfach um einiges günstiger und der Unterschied zwischen UKW und DAB ist viel geringer als zwischen analogem und digitalem Fernsehen. Es ist einfach noch nicht rentabel. Trotzdem gehen wir mit den digitalen Technologien sehr progressiv um. Wir haben ein umfangreiches Podcast-Angebot, wir streamen unser Programm im Netz und wir werden diesen Bereich auch weiter ausbauen. Wie beurteilen Sie die Zukunft, Herr Linhart? Wir hoffen, dass Liferadio diesen erfolgreichen Weg beibehält, aber es ist derzeit eine schwierige Phase rund um die Digitalisierung. Die ORS, die Tochter des ORF und Betreiber der Sendeanlagen und Multiplexer, teilt den Radiostationen die Bandbreiten für digitale Übertragung zu. Wir müssen uns also beim ORF, dem größten Mitbewerber, um Bandbreiten bewerben. Ich gehe davon aus, dass wir bis 2050 eine Verbreitung von Radio auf UKW haben. Parallel zur analogen Übertragung wird es in den nächsten Jahren eine digitale Verbreitung geben, wobei aber noch nicht klar ist, welches Verfahren in Österreich angewendet wird. Während Norddeutschland DVB-H bevorzugt, sendet der bayrische Rundfunk über DAB. Radio wird oft mobil empfangen und deswegen wird der große Schub der Digitalisierung durch die Autoindustrie ausgelöst werden. Ab 35% Marktdurchdringung wird es interessant, weil dann wird es einigermaßen rasch gehen. Seite 35 3. Liferadio – Eine Erfolgsgeschichte Welche Rolle wird dabei das Internet spielen? Internet spielt als Vorbereitung schon eine Rolle, weil Radiosender damit natürlich gewisse Sendungen oder Beiträge im Web über Streaming bereits senden können, die sie später dann einfach terrestrisch digital verbreiten. Es ist aber kommerziell kein nennenswertes Thema. Radio und Web sind durchaus kompatible Medien, aber Web wird Radio nicht verdrängen können. Herr Stögmüller, als Präsident des Verbandes der österreichischen Privatsender hoffen Sie sicher auf eine weitere Verbesserung des Privatradiomarktes. In welche Richtung wird sich der Radiomarkt in Österreich entwickeln? Wenn man dem ORF diese marktbeherrschende Stellung weiterhin zulässt, dann wird sich da nur sehr wenig ändern, weil viel zu viele Sender in einem zu kleinem Markt tätig sind. Solange diese total zerrissene Struktur aufrecht erhalten wird und weitere Sendefrequenzen in einem überfüllten Markt ausgeschrieben werden wird sich der Radiomarkt nicht erholen können. Eigentlich müsste bei der Lizenzvergabe auf eine kommerzielle Tragfähigkeit geachtet werden und diese Tragfähigkeit wäre ganz leicht analysierbar, weil man weiß wie viel ein Werbemarkt hergibt. Solange sich strukturell nichts ändert, wird keine große Verschiebung passieren. In Deutschland war das anders, da ist der private Sektor sehr früh und sehr professionell in den Markt gestartet und die Politik hatte faire Rahmenbedingungen geschaffen. Heute haben in Deutschland die privaten Anbieter mehr Marktanteile als die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, aber solange wir in Österreich keine europäische Gleichstellung schaffen, wird es keine Veränderung am Marktgeschehen geben. Wie wird die Zukunft von Liferadio aussehen? Ich denke, dass der Weg erfolgreich weitergehen wird, wobei wir uns bemühen einen sehr sorgsamen Weg zu gehen. Wir legen Wert auf Stabilität, wir haben unsere Marktanteile am Radiomarkt permanent ausgebaut und diesen Weg des gesunden und soliden Wachstums wollen wir weitergehen. Wir sind der einzige Privatradiosender, der in den ganzen Jahren nie Mitarbeiter abgebaut hat. Wir haben derzeit etwas mehr als fünfzig Mitarbeiter und mit denen werden wir den erfolgreichen Weg weitergehen. 3.3. Die Analyse Zwischen Liferadio und allen anderen Privatradiosendern gibt es einen großen Unterschied, wie Geschäftsführer Christian Stögmüller erklärt. Durch die heterogene Gesellschafterstruktur sei von den Investoren ausschließlich Kapital und Know-how gekommen. Dadurch ist es gelungen, Liferadio als eigenständiges Unternehmen zu etablieren. Die Arbeit im oberösterreichischen Sender war ab der ersten Sendeminute mit dem höchsten Maß an Professionalität verbunden. Schon vor dem Sendestart suchte man im gesamten deutschsprachigen Raum nach den besten Mitarbeitern. Georg Linhart, Verkaufsleiter bei Liferadio empfand die Werbekundenakquisition in Oberösterreich als das Aufbrechen einer Scholle, weil es vor Liferadio keinen anderen Hörfunkanbieter für regionale Werbung gab. Diese aufwendige Akquisition bietet aber ein unheimliches Potenzial. Liferadio war der erste Anbieter von regionaler Hörfunkwerbung und hatte somit anfangs wenig bis keine Konkurrenz. Seite 36 3. Liferadio – Eine Erfolgsgeschichte In den bisherigen neun Jahren, in denen Liferadio nun sendet, gab es keinen Relaunch. Stabilität, Professionalität und konsequente Arbeit werden bei Liferadio großgeschrieben, wie Stögmüller im Gespräch erklärte. Ein progressiver Umgang mit neuen Technologien und der bevorstehenden Digitalisierung werden Liferadio auch in Zukunft eine aussichtsreiche Position sichern. Die Vergabe der digitalen Frequenzen könnte zu einer Herausforderung werden. Die Vergabe wird von der ORF-Tochtergesellschaft ORS geleitet. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob es Liferadio gelingt, diese Schwierigkeiten zu meistern. 3.4. Die Zahlen Zahlen sind aussagekräftig, Zahlen beweisen die vorangegangenen Aussagen. Diese Zahlen beschäftigen sich mit den wirtschaftlichen Daten (Bilanz und Gesellschafterstruktur) und mit den radiotechnischen Informationen. Abb. 12: Bilanz des Geschäftsjahres 2005 J. Wimmer GmbH ÖO Media Data Vertriebs- und Verlags GmbH GUTENBERG-WERBERING GmbH Privates Radio OÖ GmbH Nachfolge OEG Plus-City Medienbeteiligungs GmbH & Co KEG Vereinigung der österr. Industrie, Landesgruppe OÖ Ypsilon Immobilienvermietungs GmbH RAFIS Beteiligungs GmbH Krüger Medien GmbH Oberösterreichische Rundschau GmbH Haftsumme Haftsumme in Euro ATS 2.550.000 ATS 950.000 ATS 500.000 ATS 950.000 ATS 1.000.000 ATS 500.000 ATS 500.000 ATS 300.000 ATS 200.000 ATS 2.550.000 185.000 € 70.000 € 36.000 € 70.000 € 73.000 € 36.000 € 36.000 € 22.000 € 15.000 € 185.000 € Abb. 13: Gesellschafterstruktur Seite 37 3. Liferadio – Eine Erfolgsgeschichte Abb. 14: Hörerzahlen von Liferadio Seite 38 4. Die österreichische Radiolandschaft Eine Radiolandschaft lässt sich nach vier Kriterien ordnen: § § § § rechtliche Kriterien: öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, Privatsender oder sonstige Organisationsformen geographische Kriterien: Lokalradio, Regionalsender, Landesprogramme, Mehrländerprogramme, bundes- oder weltweit ausstrahlende Sender hörsituative Kriterien: Begleit- oder Einschaltprogramme inhaltliche Kriterien: Voll- oder Spartenprogramme87 Die österreichische Radiolandschaft, unterteilt in die privaten und öffentlich-rechtlichen Anbieter: Abb. 15: Die österreichische Radiolandschaft 4.1. Privatradio in Wien 4.1.1. 88,6 Der Radiosender „88,6“ war 1998 das „Radioexperiment der Kronen Zeitung“. 88,6 lieferte sich 1998 eine teure Marketingschlacht mit der Antenne Wien. Der Sender der Kronen Zeitung wurde verkauft, als diese an einem nationalen Sender arbeitete. 88,6 ging in den Besitz der Moira, einer Tochtergesellschaft der Ludwigshafener Medienunion über. 2004 feierte Bernd Sebor bei 88,6 sein Comeback als Programmchef. 2005 machte 88,6 mit einem neuartigen Format auf sich aufmerksam. Man stellte auf das in Europa noch unbekannte Jack FM-Format um. Im Programm eines Jack FM-Senders rotieren 1200 bis 3000 verschiedene Titel. Der Hörer bekommt dadurch ein riesiges Spektrum an Musik präsentiert.88 4.1.2. Antenne Wien Die beiden Brüder Wolfgang und Helmut Fellner wollten mit ihrem Radioprogramm den Radiomarkt erobern, ähnlich wie sie es bei „News“ und „TV-Media“ machten. 88,6 und Antenne Wien wollten beide die älteren Hörer von Ö3 und die jüngeren Hörer von Radio 87 88 vgl. La Roche / Buchholz: S.390 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.89-99 und 227 Seite 39 4. Die österreichische Radiolandschaft Wien ansprechen. Der Erfolg der Antenne Wien blieb aus. Die Brüder verkauften den Sender schon nach kurzer Zeit an den britischen Radiokonzern GWR. 2001 gab GWR das Engagement in Wien auf und die Brüder Fellner kauften den Sender zurück. Erfolge haben sich aber trotzdem nicht eingestellt. Auch nach unzähligen Relaunches ist keine Steigerung der Reichweite eingetroffen.89 4.1.3. Radio Arabella Am 14. Dezember 2001 startet Radio Arabella. Auf 92,9 MHz sendeten zuvor „92,9 RTL“ und „HiT FM“. Nun werden auf 92,9 Oldies und Schlager verbreitet. Eigentümer von Radio Arabella ist „Donauradio Wien GmbH“, dahinter stehen die Oschmann-Gruppe aus Bayern und Eugen A. Russ (Vorarlberger Nachrichten, Neue Vorarlberger). Bereits beim ersten Radiotest schafft Arabella 10% Marktanteil. Der Sender überholt damit alle anderen Wiener Privatsender. Der Höhenflug dauert bis heute an. Die Macher von Radio Arabella haben ein für Wien höchst erfolgreiches Format gefunden 4.1.4. Energy 104,2 Der Wiener Privatradiosender Energy 104,2 nahm am 2. April 1998 den Sendebetrieb auf. In den Räumlichkeiten des ehemaligen Radiosenders Radio CD International wurde an einem Programm für die Jugend gebastelt. NRJ (Nouvelle Radio Jeunesse) ist eine französische Senderkette, die in ganz Europa Radiosender betreibt. Zielgruppe des Senders sind die 14- bis 29jährigen Wiener.90 Seit Juli 2007 ist Aline Basel Geschäftsführerin des Wiener Privatsenders. Eine Umstrukturierung des erfolgreichen Programms ist nicht notwendig. Basel will aber den Internetauftritt an das Programm anpassen. Das soll zu einer Steigerung der Reichweite führen. 91 4.1.5. Radio Stephansdom Radio Stephansdom sendet religiöse Inhalte mit klassischer Musik. Der Wortanteil beschränkt sich auf drei Stunden am Abend.92 Trotzdem zählt der Sender rund 70.000 Hörer täglich.93 4.1.6. Orange 94.0 Orange ist der nichtkommerzielle Sender Wiens. Zulassungsinhaber ist der Verein zur Förderung und Unterstützung von freien lokalen nichtkommerziellen Radioprojekten. Orange ging im August 1998 auf Sendung. Die Finanzierungsprobleme des Senders wurden 2004 durch eine „Basisförderung“ der Stadt Wien in der Höhe von 320.000 € gelöst. Der Sender ist außerdem Mitglied im VFRÖ.94 89 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.89-99 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.89-99 91 vgl. Hochstöger, Hannes: S.40f 92 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.229 93 vgl. Radio Stephansdom 94 vgl. Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.230 90 Seite 40 4. Die österreichische Radiolandschaft 4.1.7. Sunshine Radio Im Sommer 2005 wurde eine neue Frequenz für Wien ausgeschrieben. Am 13. September 2006 vergab die KommAustria die Frequenz an Sunshine Radio GmbH. 95 Ausschlaggebend für die Entscheidung zugunsten des Programms Sunshine Radio waren ein stärkerer Lokalbezug durch die Einbindung der Wiener Szene für elektronische Musik, ein größerer Anteil an eigengestaltetem Programm sowie ein größerer Beitrag zur Meinungsvielfalt.96 Nach Einsprüchen von unterlegenen Bewerbern verzögerte sich der Sendestart von Sunshine Radio auf ursprünglich Herbst 2007.97 Am Ende des Jahres 2007 verhinderte jedoch das Internetradio „sunshine live“ den geplanten Namen vom neuen Wiener Privatradio. Laut Internetberichten haben sich die Veranstalter des Privatradios nun für den Namen „98,3 superfly“ entschieden.98 4.2. Weitere Privatradios In Österreich gibt es über sechzig Radiosender. In Oberösterreich befinden sich neun private Radiosender. Vier davon sind nichtkommerziell: Radio FRO, Radio Salzkammergut, Freies Radio Freistadt und Radius 106,6. Letzteres ist als einziges der vier genannten nichtkommerziellen Privatradios kein Mitglied des VFRÖ. Radius 106,6 bildet eine Ausnahme in der österreichischen Radiolandschaft. Es ist ein sogenanntes „Ausbildungsradio“. Diese Form der Lizenz ist befristet und darum muss das Gymnasium Freistadt jedes Jahr um Verlängerung der Lizenz ansuchen. Mittlerweile sendet das Schulradio schon mehr als vier Jahre. Dem Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium Freistadt wurde vom 03.03.2007 bis zum 03.03.2008 die Zulassung zur Veranstaltung von Hörfunk im Sinne des § 3 Abs. 5 Z 2 PrR-G (Ausbildungsradio) erteilt. Damit wurde die bestehende Zulassung um ein weiteres Jahr verlängert.99 Neben diesen vier nichtkommerziellen Radios gibt es noch vier private kommerzielle Privatradios (Liferadio, Antenne Wels, Welle 1 und Radio Arabella) und das Regionalradio des ORF: Radio Oberösterreich.100 Eine umfassende Liste aller Radiosender, die in Österreich derzeit „on air“ sind, findet sich auf der Website der RTR: www.rtr.at 4.3. Kronehit bundesweites Privatradio Am 28. Juni 2001 ging Krone Hit R@dio erstmals auf Sendung. Der Kern dieses neuen Sendernetzwerks, welches durch eine Gesetzesänderung ermöglicht wurde, war der ehemalige Regionalsender RPN. Im Sommer 2002 wurde Martin Zimper Chef von Krone Hit R@dio. 95 vgl. RTR Presseinformation RTR Presseinformation 97 vgl. Radionetz 98 vgl. Radionetz 99 RTR Bescheid für Radius 106,6 100 vgl. RTR Liste der Hörfunkveranstalter 96 Seite 41 4. Die österreichische Radiolandschaft Anstatt des bisher gesendeten Formats begann Zimper ein jugendorientierteres namens Kronehit auszustrahlen. Eineinhalb Jahre später verließ er aber den Sender wieder und seine Nachfolger wurden Christian Schalt und Ernst Swoboda.101 Eine weitere Novelle des Privatradiogesetzes ermöglichte ab August 2004 erstmals die Ausstrahlung von bundesweitem Privatradio. Am 6. Dezember 2004 erteilte die KommAustria Kronehit eine solche bundesweite Zulassung, die die erste und bisher einzige ihrer Art war.102 Kronehit entstand aus zwölf Regional- und Lokalradios: § § § § § § § § § § § § RPN Radio Servus, später Burgenland 1 Welle 1 Linz, später 92,6 Das City Radio Antenne 1 Innviertel Unsere Welle Steyr Radio Plus, später 93,9 City Radio Salzkammergut 107,5 Grazer Radio, später Graz Live 107,5 Radio Villach Arabella Salzburg/Radiofabrik Welle 1 Alpin Arabella Kitzbühel Welle 1 Innsbruck 103 Mittlerweile erzielt Kronehit eine technische Reichweite von 7.000.000 Hörern.104 Die Versorgungslücken liegen in Tirol, Vorarlberg und Kärnten.105 101 vgl. Reichel / Konvi vgl. Reichel / Konvi 103 vgl. Reichel / Konvi 104 vgl. Ebeert Michael 105 vgl. Reichel / Konvi 102 ka / Streit / Landgraf: S.98f und 170-175 ka / Streit / Landgraf: S.174f ka / Streit / Landgraf: S.198 ka / Streit / Landgraf: S.199 Seite 42 5. Zukunft 5.1. Digitalisierung Das analoge Zeitalter geht zu Ende. Während für manche Radiomacher UKW für die nächsten dreißig Jahre gewinnbringend sein soll, plant die Europäische Kommission bis 2012 die Digitalisierung durchzuführen: Die Kommission erwartet, dass der Übergang zum digitalen Rundfunk 2010 weit fortgeschritten sein wird, und schlägt als Frist für die Abschaltung des herkömmlichen analogen terrestrischen Rundfunks Anfang 2012 vor. Auch fordert die Kommission ein koordiniertes Konzept für die EU-weite Verfügbarmachung frei gewordener Frequenzen.106 Im Fernsehsektor ist diese Digitalisierung schon geschehen. Für Hörfunk gibt es in Tirol und Wien ein Pilotprojekt. Die ORS strahlt die vier ORF-Radioprogramme via DAB aus. DAB ist ein digitaler Übertragungsstandard für den terrestrischen Empfang von Hörfunkprogrammen.107 Neben DAB gibt es eine Vielzahl von weiteren digitalen Standards: u.a. DRM, HD Radio. Welcher dieser Standards sich letztendlich durchsetzen wird, ist heute noch weitestgehend ungeklärt. HD Radio wird in Amerika bevorzugt, Norddeutschland favorisiert DRM und in Bayern sendet der BR via DAB. Letzterer Übertragungsstandard wird auch in Großbritannien und der Schweiz gefördert. In Österreich stehen die Zeichen ebenfalls auf DAB. Da Radio überwiegend im Auto gehört wird, spielt die Autoindustrie bei dieser Digitalisierung eine wichtige Rolle.108 Alle digitalen Übertragungsstandards werden die Klangqualität und die Anzahl der verfügbaren Frequenzen erhöhen. Da DAB zum europäischen Standard gewählt worden ist, ist von einer digitalen „DAB-Zukunft“ auszugehen. Vorteile von DAB gegenüber UKW: § § § § Steigerung der Klangqualität Störsignale werden vom DAB-Empfänger gefiltert Zusatzdienste in Bild und Text Elektronischer Programmguide (EPG) für die Aufnahme von Sendungen109 Fakt ist, dass der Übergang passieren wird. Vermutlich wird der Übergang so ähnlich wie beim Fernsehen ablaufen. Die ORS hat aber noch keine klaren Pläne für die Einführung des digitalen Radios in Österreich. 106 Europa Press Releases vgl. Wikipedia 108 vgl. Linhart, Georg 109 vgl. Swiss Satellite Radio 107 Seite 43 5. Zukunft 5.2. Entwicklung am Radiomarkt Wie das Kapitel „Entwicklung seit 1998“ zeigt, entfallen vier von fünf Radiominuten auf die Radioprogramme des ORF.110 Wie werden sich die Radiosender verhalten? Wie beurteilen die Führungskräfte der Privatradios das Zeitalter der Digitalisierung? Die Statements geben die Meinung und Stimmung zum Radiomarktgeschehen in Österreich wieder. Wolfgang Struber, Geschäftsführer von Radio Arabella: Das Radio wird mehrere Plattformen und Übertragungsmöglichkeiten nutzen. Nach wie vor ist UKW heute der Übertragungsweg von Radio, aber auch Online ist langsam im Kommen, vor allem bei textbegeleitenden Diensten. Podcast spielt bei aller Euphorie keine herausragende Rolle. Zukünftig werden aber die digitalen Übertragungswege neue Varianten ermöglichen. Zu nennen ist hier DMB, fälschlicherweise auch Handy-TV genannt, das eine interessante Plattform für Bild, Ton und Text sein kann. Wachstum von Radio ist nur dann möglich, wenn es digital wird, denn die technischen Übertragungsmöglichkeiten, sprich UKW-Frequenzen sind faktisch fest zementiert und die Über- und Doppelversorgung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurde leider nicht beendet. Deshalb können nur digitale Frequenzen technische Chancengleichheit ermöglichen. Vorab die grundsätzlich wichtigste Prämisse: Digitale Radioangebote müssen aus Gewinnen von UKW-Radios finanziert werden. Wer heute keine Gewinne für das Abenteuer Digitalradio erwirtschaften kann, wird wohl die Finger davon lassen müssen. Daraus folgt, dass sich die UKW-Radios im digitalen Angebot wieder finden müssen. Warum? Wer die neuen digitalen Geräte beispielsweise im Auto nutzt, wird wohl kaum zwischen DAB und UKW ständig umherschalten. Also werden die digitalen Angebote zum Teil die gleichen sein müssen, wie die bisherigen UKW-Angebote, allerdings werden sich starke Marken zusätzliche neue Nischenprodukte, allerdings mit Marktrelevanz und keine Randgruppenprogramme suchen. Es wird spezielle Musikkanäle geben können, die sich deutlich von den live durchmoderierten Programmen von heute unterscheiden werden, ja aus Kostengründen unterscheiden müssen. Die neuen Konkurrenten werden zum Teil die alten sein, aber neu und sehr kapitalkräftig werden vor allem auch die Broadcasting-Angebote der Telefonanbieter sein. Diese GlobalPlayer werden die größten Wettbewerber werden. Die bisherige Eindimensionalität des heutigen Radios wird sich ändern. Bei amerikanischen Radios gibt es den besseren Begriff dafür: Den Broadcaster. Dieses Berufsbild wird in Österreich Einzug halten müssen. Bei Radio Arabella haben wir diesen neuen Weg schon eingeschlagen. Wer hier eine Nachricht - gleichgültig ob lokal oder national - schreibt, verfasst zwei Überschriften, eine für das Radio-Produkt, die zweite für das Internet. Die Produktion wird sich ändern, wir werden demnächst bei unserer Klausurtagung eine neue Reportage-Unit für die Reporter vorstellen und in den nächsten Monaten testen, um die Arbeitsabläufe für Internet und das Audio-Programm zu optimieren. Allerdings wird das Reizwort "crossmedial" völlig überschätzt, vieles passt nicht zusammen. Eine Nachricht für ein lebendiges Radioprodukt mit O-Ton kann nicht 1:1 im Internet oder im Fernsehen verwendet werden. 110 vgl. Medienforschung ORF Seite 44 5. Zukunft Die klassischen Werbespots und die möglichen Sonderwerbeformen bilden nach wie vor den Königsweg für eine erfolgreiche Radiovermarktung. Die Online-Werbung ist wichtig und muss ausgebaut werden, liefert aber heute noch keine entscheidenden Deckungsbeiträge für ein gesundes Unternehmensergebnis. Welche Veränderungen sich in diesem Bereich ergeben werden, lässt sich derzeit nicht sicher prognostizieren. Die Entwicklung ist mit Sicherheit so spannend wie die Einführung des privaten Rundfunks in Österreich vor 10 Jahren. Es geht jetzt um die zielgerichtete, offene und konsequente Einführung von DAB. Persönlich habe ich den Eindruck, dass manche gar nicht daran interessiert sind, DAB und alles was damit zusammenhängt, in Österreich einzuführen, denn neue Technologien bringen neue Unruhe und machen erstmals Arbeit. Aber nur digitales Radio wird ein Wachstumsmotor sein, UKW ist technisch schon ausgereizt. In den letzten Jahren war für uns der konsequente Markenauf- und ausbau ein wesentlicher Leitgedanke. Wir hatten uns sehr frühzeitig über die digitalen Entwicklungen informiert und wussten, dass Marken das Explosivste in der zukünftigen Medienwelt sein werden, wie es der Verleger Hubert Burda jüngst formulierte. Um die Marke "Arabella" werden wir sicherlich verschiedene interessante Erlebniswelten andenken, sowohl im Audio- als auch im multimedialen Bereich. Kernstück werden allerdings Audiowelten auf den verschiedensten Übertragungstechnologien sein. Zugleich denken wir auch an eine zweite neue Marke, mit einem anderen Branding für eine andere Kernzielgruppe. Georg Spatt, Programmchef von Ö3: Das Medium Radio beweist gerade jetzt, quasi zeitgleich mit der ersten Ernüchterung rund um Web 2.0 und Co. seine Vormachtstellung in der Nutzung der Konsumenten. Schnelligkeit, Aktualität und starke Emotionalität in den Inhalten und die technisch leichte sowie zeitlich und örtlich uneingeschränkte Verfügbarkeit unseres Mediums lassen das Radio eben wegen der Vergleichbarkeit mit den neuen Medien so attraktiv erscheinen. Der Megatrend besteht also in der Fokussierung auf die dem Medium Radio so eigenen Stärken in der Vermittlung von Information und Unterhaltung und der Kombination mit einer völlig neuen Diversifikation am nationalen und internationalen Musikmarkt. Daraus ergibt sich eine neue Qualität in der Programmgestaltung und der Nutzung durch Hörer- und Werbemarkt. Radio wird dadurch in den kommenden Jahren so attraktiv werden, wie selten zuvor. Mehr als 2,7 Millionen tägliche Ö3-Hörer scheinen realistisch kaum steigerbar. Und auch international gibt es keine vergleichbare Erfolgsstory. Gleichzeitig spornen uns diese Erfolge zusätzlich an und es gehört natürlich auch zum Ehrgeiz eines im Wettbewerb stehenden Teams, gewinnen zu wollen. Daher haben wir das definierte Ziel und auch den Auftrag, die Qualität und Attraktivität von Ö3 weiter zu steigern und damit die Zufriedenheit und die Treue der Ö3 Hörer zu festigen und vielleicht sogar auch den einen oder anderen Hörer dazu zu gewinnen. Als Herausforderung gilt es die Bedürfnisse und Erwartungen am Hörermarkt in höchster Qualität und in verlässlicher Konstanz zu befriedigen und durch inhaltliche, kreative und technische Innovationen die Attraktivität und damit die Anziehungskraft der Marke Ö3 zu steigern. Jeder Medienkonsument wird mittlerweile von so vielen Markteilnehmern umworben und anagitiert, dass es immer schwerer wird, die eigenen Stärken entsprechend zu positionieren. Und um diese gelernte Position als Innovationsmarktführer (z.B. Podcasts, interaktive Verkehrsinformation, diverse Informations- und Service SMS Dienste, Sozialkampagnen wie die Ö3 Wundertüte oder das Team Österreich, multimediale Kampagnen rund um "Die neuen Österreicher", etc.) auszubauen, reicht es schon lange nicht Seite 45 5. Zukunft mehr, eine ausschließliche UKW Strategie zu fahren, sondern vielmehr müssen wir hier dem geänderten Freizeit- und Medienverhalten einer neuen Generation nachkommen und mit Ö3 auch auf anderen Pattformen präsent sein. Das umfasst im Rahmen der Möglichkeiten sowohl mediale Plattformen, aber natürlich auch Angebote in den klassischen Bereichen Freizeitgestaltung, Konsum und Kultur. Michael Ebeert, ehemaliger Verkaufsdirektor von Kronehit: Die Zukunft des Radios ist unbestritten stabil und man kann unbedenklich optimistisch sein. Es werden sich eventuell die Verbreitungswege durch neue Techniken verändern, da aber dem Konsumenten die Art der Verbreitung gleich sein wird, wird weiterhin Radio das am meisten genutzte Medium bleiben. In Österreich wird es sich weiter von öffentlich rechtlichen Sendern in Richtung Privatradio verschieben. Das Tempo dieser Entwicklung wird sich durch die Abfragemethode im Radiotest entscheiden. Wenn weiterhin der ORF die Radiotestfragen und Methodik dominiert, wird sich nichts dramatisch schnell verändern. Sobald aber die Sender gestützt abgefragt werden, können sich die Reichweiten der Privatsender nahezu verdoppeln. Kronehit hat dies bereits getan und konnte die Tagesreichweite von 400.000 Hörern (ungestützt befragt) auf 700.000 deutlich steigern. Diese Ergebnisse führen bereits heute zu großen Diskussionen in der Radiolandschaft, denn die ORF-Gruppe sieht sich dadurch deutlich bedroht. Es werden von den Sendern diejenigen Erfolg haben, die sich der Qualität und der professionellen Eigenvermarktung verschreiben. Leider gibt es noch immer eine Vielzahl an kleinen Lokalsendern, die keinen eigenen relevanten Verkauf haben und sich so in Abhängigkeit von Zentralvermarktern gestellt haben. Kronehit beschäftigt rund 30 Mitarbeiter im Verkauf und ist dadurch autonom geblieben. Unser Sender wird auch in Zukunft der einzige nationale Privatradiosender sein und seine Position auch weiterhin kontinuierlich ausbauen. Auch wirtschaftlich wird Kronehit, als einer der wenigen Privatradiostationen, weiterhin Gewinne schreiben, die in den Sender investiert werden. So gelang es uns, die technische Reichweite von 6.000.000 auf knapp 7.000.000 Hörer auszubauen. Dies garantiert weiterhin steigende Reichweiten, mehr Erlöse und die Rahmenbedingungen, um sich als einziger Privatsender gegen die ORF-Sender zu behaupten. Schon heute hat Kronehit deutlich mehr Hörer als der zu 100% verbreitete Sender FM4. Sebastian Loudon, in Vertretung von Dr. Alfred Grinschgl, Geschäftsführer der RTR: Das Medium Radio ist nach wie vor das am häufigsten und längsten genutzte Medium. Die durchschnittliche Hördauer in Österreich beträgt 209 Minuten pro Tag und 82,9 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher über zehn Jahren hören täglich Radio. Durch die zunehmende Nutzung des Internets und damit verbundener Technologien (Webradio, Podcasting usw.) steht das Medium zweifellos vor einer Herausforderung, wobei augenscheinlich ist, dass diese Entwicklungen für Radio auch sehr große Chancen bereit halten. Es ist abzusehen, dass der Radiomarkt in Österreich in den kommenden Jahren keine fundamentalen Änderungen erfahren wird. Derzeit kommen die Privatradios insgesamt auf einen Marktanteil von rund 20%, der Rest liegt nach wie vor beim ORF. Mit den derzeit existierenden Rahmenbedingungen wird sich dieses Verhältnis in den nächsten Jahren nur geringfügig ändern. Die Radiosender werden sich sicher immer spitzer positionieren, das heißt gezielt klarer definierte Zielgruppen ansprechen um somit unverwechselbarer zu werden. Seite 46 6. Zusammenfassung Es war ein steiniger Weg bis zur Liberalisierung des Rundfunks. Es dauerte eine Weile bis die Politik aktiv wurde und ohne den Druck des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hätte die Liberalisierung wahrscheinlich noch länger gedauert. Fakt ist aber, dass am 22.9.1995 die Antenne Steiermark „on air“ ging und dass damit die Zeit des ORF-Monopols zu Ende ging. Es folgten die Jahre in denen die erfolgreichen Sender um Marktanteile und Reichweiten und die weniger erfolgreichen Sender ums Überleben kämpften. Gleichzeitig wurde das Regionalradiogesetz immer wieder geändert, auch der Name wurde von „Regionalradiogesetz“ auf „Privatradiogesetz“ geändert. Es waren turbulente Jahre für die österreichische Radiogeschichte. Die Unternehmen hatten durch den Privatradiostart in Österreich plötzlich die Möglichkeit Radiowerbung zu betreiben. Sie mussten sich auf die Suche nach dem optimalen Sender machen, denn nicht jeder Sender erreicht dieselbe Zielgruppe. Außerdem mussten die werbenden Unternehmer mit den Verkaufsabteilungen der Sender nach einer idealen Lösung für den jeweiligen Werbekunden suchen. Damit die Suche nach dem optimalen Sender für die Firmen etwas leichter fällt, wurde mit dem Radiotest ein Messinstrument gefunden, das zeigt welcher Sender welchen Hörer erreicht, außerdem gibt der Radiotest ein Feedback über den Erfolg eines Senders. Neben dem Radiotest gibt es noch genug andere Marktuntersuchungen, die entweder von den Radiosendern oder von den Werbekunden in Auftrag gegeben werden. Liferadio ist ein Sender der im regionalen Werbemarkt verkauft. Georg Linhart gibt in dem Gespräch einen Einblick in die Arbeit der Verkaufsabteilung von Liferadio. Er betont, dass vor allem die Kundenakquisition viel Arbeit erfordert. Das Interview mit Georg Linhart und dem Geschäftsführer von Liferadio, Christian Stögmüller zeigt außerdem welche Strategie bei Liferadio verfolgt wird: Man will die älteren Hörer von Ö3 und die jüngeren Hörer von Radio Oberösterreich ansprechen und diesen auch ein positives Lebensgefühl vermitteln. Neben Liferadio gibt es noch weitere sechzig Radiosender, davon ist ein Sechstel nichtkommerziell. Besonders diese nichtkommerziellen Radiosender sind eine Bereicherung für die österreichische Radiolandschaft. Sie greifen Randthemen auf und bieten den Hörern somit einen Mehrwert. Nichtkommerzielle Radiosender haben einen großen Wortanteil im Programm. Das ist bei den kommerziellen Privatradios oft nicht der Fall. Manche Sender glauben, dass Radio auf wenige Dinge beschränkbar sei: Nachrichten, Werbung und Musik. Leider, denn Radio kann viel mehr! Warum machen Privatradios keine Reportagen, Kommentare, Hintergrundberichte oder Features? Ganz einfach: Es kostet Geld! Darum beschränken sich die meisten Radiosender auf Nachrichten, Werbung und Musik. Aber darf man da von einer Vielfalt sprechen, wenn alle privaten Radiosender im Großen und Ganzen das Gleiche machen? Dem Hörfunk stehen rosige Zeiten bevor. Radio wird durch die Digitalisierung interaktiv und somit noch attraktiver für die Jugend. Ob sich Radio in Zukunft nur noch auf Musik beschränkt oder sich doch wieder auf journalistische Inhalte konzentriert, hängt einzig und allein von den Wünschen der Konsumenten ab. Seite 47 7. Glossar AC/CHR, sind zwei erfolgreiche Musikformate in Begleitprogrammen. Während bei den AC-Radios (Adult Cotemporary) die Zielgruppe der 20- bis 49-jährigen angesprochen wird, werden bei CHR-Stationen (Cotemporary Hit Radio) meist nur aktuelle Hits gespielt. Dementsprechend ist die Zielgruppe solcher CHR-Sender meist jünger als 30 Jahre alt.111 BBC, (British Broadcasting Corporation) ist die „Mutter“ aller öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Nach ihrem Prinzip sind in ganz Europa öffentlich-rechtliche Sender entstanden. Im Gegensatz zum ORF ist die BBC fast ausschließlich durch Gebühren finanziert. Einerseits ist sie für ihre Vorreiterstellung im digitalen Bereich bekannt, andererseits gilt sie für viele als teure und schwerfällige Einrichtung.112 BCI, ist eine der führenden Beratungsfirmen im deutschsprachigen Raum. In Österreich betreut BCI u. a. Radio Oberösterreich, Radio Salzburg und Hitradio Ö3. Zusätzlich produziert BCI sämtliche Jingles für viele Radiosender.113 DAB, (Digital Audio Broadcasting) ist die wahrscheinlichste Übertragungstechnik für die Zukunft. DAB eignet sich für den Frequenzbereich von 30 MHz bis 3 GHz und erreicht annähernd CD-Qualität. Es ist ein digitaler Übertragungsstandard und bietet im Gegensatz zum analogen UKW-Sendebetrieb mehr zusätzliche Datendienste an.114 Frequenz, ist eine physikalische Einheit. Die Frequenz bezeichnet die Anzahl von Schwingungen pro Sekunde. Radiosender bekommen für ein Sendegebiet verschiedene Frequenzen zugeteilt. Ein Radioempfänger filtert die gewünschte Frequenz heraus. 115 Hook, ist ein zwischen 8- und 20-sekündiger typischer Musikausschnitt, der bei Musikumfragen eingesetzt wird. Durch die Reaktion der Testperson wird beschlossen, ob der Musiktitel in das Programm des Radiosenders aufgenommen wird.116 Podcast, ist ein aus „iPod“ und Broadcast entstandenes Modewort, das für digitale Beiträge im Internet verwendet wird. Oft sind es Sendungsausschnitte, die von den Radiosendern im Internet zum Nachhören angeboten werden. Weil der Hörer bei Podcasts die Werbung einfach überspringen kann, erfordert Podcasting bei werbefinanzierten Radios neue Geschäftsmodelle. 117 TKP, (Tausend-Kontakt-Preis) ist eine Kennzahl aus der Mediaplanung. Der TKP gibt an, welcher Geldbetrag bei einer Werbemaßnahme eingesetzt werden muss, um 1000 Personen einer Zielgruppe zu erreichen. Je niedriger der TKP, desto günstiger ist die Werbung.118 VÖP, (Verband Österreichischer Privatsender) ist der Verband, der alle kommerziellen privaten Rundfunkanbieter vertritt. Präsident ist Mag. Christian Stögmüller.119 111 vgl. La Roche / Buchholz: S.271 vgl. Wikipedia 113 vgl. BCI 114 vgl. Wikipedia 115 vgl. Settele, Claude: S.60 116 vgl. La Roche / Buchholz: S.341 117 vgl. Settele, Claude: S.60 118 vgl. Linhart, Georg 119 vgl. VÖP 112 Seite 48 8. Quellennachweis 8.1. Literaturverzeichnis Bücher Godler, Haimo / Jochum, Manfred / Schlögl, Reinhard / Treiber, Alfred (Hrsg.) (2004): Vom Dampfradio zur Klangtapete. Beiträge zu 80 Jahren Hörfunk in Österreich. Wien: Böhlau Verlag. La Roche, Walther von / Buchholz, Axel (Hrsg.) (2004): Radio-Journalismus. Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis im Hörfunk. 8., völlig neu bearbeitete Auflage. Ulm: Paul List Verlag. Reichel, Werner / Konvi ka, Michael / Streit, Georg / Landgraf, Rüdiger (Hrsg.) (2006): Privatradio in Österreich. Eine schwere Geburt. München: Verlag Reinhard Fischer. Zeitschriftenartikel Glaser, Peter: Unerhört. In: NZZ Folio. Nr. 3/2007. S.16-22. Hirner, Wolfgang: Vom PiratInnenradio zum Freien Radio. In: Medien Journal. Nr. 4/2003. S.20-31. Hochstöger, Hannes: Basel: “Wir wollen uns abheben!“. In: Sound & Media. Nr. 8/2007. S.40f Lüönd, Karl: Konzessionslos. In: NZZ Folio. Nr. 3/2007. S.40-44. Settele, Claude: Radio-Glossar. In: NZZ Folio. Nr. 3/2007. S.58-61 Protokolle Königshofer, Franz Werner: In: Stenographisches Protokoll. 648. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich. (22.12.1998). Broschüren Informationsbroschüre des Verbands Freier Radios Österreich. Tarifmappen Tarifmappe Antenne Wien für 2007 Tarifmappe Arabella für 2007 Tarifmappe Energy 104,2 für 2007 Tarifmappe Kronehit für 2007 Tarifmappe Liferadio für 2007 8.2. Internetquellen BCI (2008): bci – the broadcast partner. http://www.bci.de/de/index.htm (27.01.2008) ECHR (European Court of Human Rights) (1993): Case of Informationsverein and Others v. Austria. http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/view.asp?item=2&portal=hbkm&action=html&highlight=&sessionid=103504 34&skin (09.06.2007). Seite 49 8. Quellennachweis Europa Press Releases (2005): Die Europäische Kommission erwartet, dass Radio und Fernsehen bis 2010 fast überall in der EU digital sind. http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/05/595&format=HTML&aged=0&language=DE&g uiLanguage=en (14.10.2007). 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VFRÖ (2007): Freie RadiomacherInnen gewinnen Radiopreise der Erwachsenenbildung. http://www.freie-radios.at/article.php?id=162 (23.09.2007). Seite 50 8. Quellennachweis VÖP (2008): Verband Österreichischer Privatsender. http://www.voep.at/index.php (27.01.2008). Wikipedia (2008): BBC. http://de.wikipedia.org/wiki/BBC (11.01.2008) Wikipedia (2008): DAB. http://de.wikipedia.org/wiki/Digital_Audio_Broadcasting (11.01.2008) Wikipedia (2007): Dienstleistung. http://de.wikipedia.org/wiki/Dienstleistung (24.09.2007). Wikipedia (2007): Digital Audio Broadcasting. http://de.wikipedia.org/wiki/Digital_Audio_Broadcasting (14.10.2007). Wikipedia (2007): Drive Time. http://de.wikipedia.org/wiki/Drive_Time (29.09.2007). 8.3. Interviews, Korrespondenzen Ebeert, Michael (2007): E-Mail an den Autor (28.09.2007). Landgraf, Rüdiger (2007): E-Mail an den Autor (29.05.2007). Linhart, Georg (2007): Interview mit dem Autor (03.07.2007) und E-Mail an den Autor (28.09.2007). Loudon, Sebastian (2007): E-Mail an den Autor (28.09.2007). Spatt, Georg (2007): E-Mail an den Autor (21.09.2007). Stögmüller, Christian (2007): Interview mit dem Autor (03.07.2007). Struber, Wolfgang (2007): E-Mail an den Autor (20.09.2007). 8.4. Abbildungsverzeichnis Titelseite: Erstellung durch den Autor Abb. 1: Radio Uno mit 11,9% Marktanteil Quelle: ORF-Almanach 1995/96: S.236. Abb. 2: Sendestarts am 1. April Quelle: Google Earth. Informationen aus Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.164f. Abb. 3: Marktanteile ORF-Sender und Privatradio Quelle: Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.193. Bearbeitung durch den Autor. Abb. 4: Marktanteile regionaler Privatsender Quelle: Reichel / Konvi ka / Streit / Landgraf: S.195. Bearbeitung durch den Autor. Abb. 5: Die freien Radios in Österreich Quelle: Informationsbroschüre des Verbands Freier Radios Österreich. Bearbeitung durch den Autor. Abb. 6: Werbekampagne von Liferadio Quelle: http://www.liferadio.at/info/pressemitteilungen/presse10/ (23.09.2007). Abb. 7: Werbepreise Quelle: Tarifmappen der Radiosender. Erstellung der Graphik durch den Autor. Abb. 8: Tagesreichweiten Quelle: Radiotest 1. HJ 2007. TRW 10+ Mo-Fr. Erstellung der Graphik durch den Autor. Abb. 9: TKPs Quelle: Tarifmappen der Radiosender und Radiotest 1. HJ 2007. TRW 10+ Mo-Fr. Berechnung und Erstellung der Graphik durch den Autor. Seite 51 8. Quellennachweis Abb. 10: Mag. Christian Stögmüller Quelle: http://www.liferadio.at/community/nickpage/?uid=105 (16.09.2007). Abb. 11: Mag. Georg Linhart Quelle: http://www.liferadio.at/community/nickpage/?uid=10760 (16.09.2007). Abb. 12: Bilanz des Geschäftsjahres 2005 Quelle: Auszug aus dem Firmenbuch. Stichtag 25.09.2007. Abb. 13: Gesellschafterstruktur Quelle: Auszug aus dem Firmenbuch. Stichtag 25.09.2007. Erstellung der Tabelle durch den Autor. Logo: http://www.liferadio.at/kooperationen/logo-download/ (14.10.2007). Abb. 14: Hörerzahlen von Liferadio Quelle: Radiotestfolder von Liferadio. Bearbeitung durch den Autor. Abb. 15: Die österreichische Radiolandschaft Quelle: http://mediaresearch.orf.at/c_radio/c_radio_radiolandschaft.htm (14.10.2007). Bearbeitung durch den Autor. Seite 52 9. Anhang 9.1. Zeitungsartikel http://derstandard.at/?url=/?id=3059649 Radios müssen um Lizenzen fürchten: Die Neuvergabe dutzender abgelaufener Privatradiolizenzen ist für die bisherigen Betreiber keine durchwegs gemähte Wiese, signalisiert der Chef der Medienbehörde KommAustria, Michael Ogris, im Gespräch mit dem STANDARD. Bis Ende März 2008 muss er die anstehenden Radiolizenzen erneuern oder neu vergeben – und dem Bundeskommunikationssenat genug Zeit lassen, darüber zu befinden. Erst wenn die zweite Instanz entschieden hat, sind die Lizenzen rechtskräftig. Das ist insbesondere für Neuvergaben entscheidend. Vor allem in jenen Fällen, "die wir kritisch sehen, werden wir dem Bundeskommunikationssenat zeitgerecht die Möglichkeit geben, darüber zu entscheiden", sagt Ogris. Diese Bescheide ergingen "noch dieses Jahr". Die Styria etwa hat ihre Lokalradios in der Steiermark und Kärnten abgegeben, um die Lizenzen ihrer landesweiten Antennen nicht zu gefährden. (fid/DER STANDARD; Printausgabe, 4.10.2007) http://derstandard.at/?url=/?id=3172022 Morak verärgert freie Radios: Wenig anfangen können Österreichs freie Radios mit den Einwänden von VP-Mediensprecher Franz Morak, das vom Kanzleramt entworfene Modell zur Medienförderung bevorzuge nichtkommerzielle Sender. Der Entwurf orientiere sich "an Fördermodellen anderer EUStaaten, nicht zuletzt, um die Chancen auf eine rasche Genehmigung durch die EUWettbewerbsbehörde sicherzustellen", meint dazu Verbandschef Helmut Peissl. Morak forderte im STANDARD einen "Fokus auf kommerzielle Private". Seine Forderung, die Einrichtung des Förderfonds von der Etablierung einer unabhängigen Medienbehörde abhängig zu machen, ist laut Peissl "entbehrliche Verzögerungspolitik". Sie bedrohte die Vielfalt im privaten Rundfunk. Morak und Josef Cap (SP) verhandeln diese Woche. (prie/DER STANDARD; Printausgabe, 7.1.2008) Seite 53 9. Anhang 9.2. Eidesstattliche Erklärung Ich, Roman Payer, erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Fachbereichsarbeit mit dem Titel „Privatradio als Wirtschaftskraft – Vom Monopol zu den Privatradios“ selbst verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Ich habe diese Arbeit ohne die unzulässige Hilfe Dritter verfasst und die vorliegende Arbeit stellt auch keine Kopie anderer Arbeiten dar. Freistadt, am 25. Februar 2008 Seite 54