Ausgewählte Dokumente während der

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Ausgewählte Dokumente während der
Ausgewählte Dokumente während
der Repression unter der deutschen
Besatzung im Zweiten Weltkrieg
und Zeugnisse des Alltagslebens
Formale Merkmale und geschichtlicher Hintergrund
Auf der Grundlage der Archivbestände der Stiftung
„Polnisch-Deutsche Aussöhnung
Fundacja „Polsko-Niemieckie P O J E D N A N I E”
Stiftung „Polnisch-Deutsche AU S S Ö H N U N G”
Ausgewählte Dokumente während
der Repression unter der deutschen
Besatzung im Zweiten Weltkrieg und
Zeugnisse des Alltagslebens
Formale Merkmale und geschichtlicher Hintergrund
Auf der Grundlage der Archivbestände der Stiftung
„Polnisch-Deutsche Aussöhnung“
Warschau 2009
Herausgeber:
Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung“
00-921 Warszawa, ul. Krucza 36
Tel. +48 22 695 99 41, Fax: +48 22 629 52 78
E-mail: [email protected], www.fpnp.pl
Auswahl und graphische Bearbeitung der Archivmaterialien
Satz und Layout:
Tomasz Kubaczyk
Vorbereitet im Rahmen des Projektes Online-Archiv der NS-Opfer
Mitfinanziert vom
Ministerium für Kultur und Nationalerbe
Fundacja Polsko-Niemieckie
POJEDNANIE
Stiftung Polnisch-Deutsche
AUSSÖHNUNG
Über die Archivbestände der Stiftung „PolnischDeutsche Aussöhnung“
Die Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung“ wurde am 27. November 1991 auf der Grundlage des Abkommens zwischen den Regierungen der Republik Polen und der Bundesrepublik
Deutschland gegründet.
Sie ist eine Non-Profit-Organisation, die sich für überlebende Opfer des Dritten Reiches und die
deutsch-polnische Verständigung engagiert. Sie ist in gesellschaftlichen, humanitären und Bildungsbereichen tätig. Die Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung“ sieht ihre Aufgabe darin, den
überlebenden NS-Opfern Hilfe zu leisten, Wissen über den Zweiten Weltkrieg und die deutsche
Besatzung Polens zu verbreiten sowie aktiv für eine deutsch-polnische Aussöhnung einzutreten.
Während ihrer bisherigen Tätigkeit in den Jahren 1992-2009 wurden im Archiv der Stiftung
Dokumente von über einer Million Menschen, die aufgrund nationalsozialistischer Verfolgung
während des Zweiten Weltkriegs eine humanitäre Finanzleistung beantragt haben, angesammelt. Diese Dokumente beinhalten in der Regel eine ausführliche Beschreibung des Einsatzortes und der herrschenden Bedingungen dort, belegt durch zusätzliche Zeugenberichte sowie den Originalen oder Kopien von Amtsdokumenten. Sie werden durch Fotographien und
andere ikonographische Materialien ergänzt. Typische Dokumente (Originale sowie Kopien),
die sich im Archiv der Stiftung befinden, sind während des Krieges oder der Nachkriegszeit
entstanden. Es handelt es sich auch um Bescheinigungen und Beglaubigungen und Dokumente verschiedener Institutionen, die die Archivalien aus der Kriegszeit aufbewahren. Die erste
Gruppe dieser Materialien umfasst u.a. Dokumente, die:
•durch den nationalsozialistischen Verwaltungsapparat während des Zweiten Weltkriegs,
•durch deutsche Betriebe und Arbeitsstätten, die Zwangs- und Sklavenarbeiter verschiedener Nationalitäten eingesetzt haben,
•
von den Alliierten während des Krieges oder in der Nachkriegszeit
ausgestellt wurden.
Die zweite Gruppe der Materialien ist mengenmäßig eindeutig zahlreicher vorhanden. Dabei
handelt es sich u.a. um Bescheinigungen, die von:
•Hauptkommission (oder Bezirkskomissionen) zur Verfolgung von Verbrechen gegen die Polnische Nation am Institut des Nationalen Gedenkens [Glówna Komisja
Badania Zbrodni przeciwko Narodowi Polskiemu - Instytut Pamieci Narodowej],
3
•
Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen,
•
Agenda des Roten Kreuzes - Internationales Komitee oder Landeskomitees,
•
staatlichen Museen der Konzentrationslager,
•
dem Jüdischen Historischen Institut,
•
Staats- und Landesarchiven - polnischen, deutschen und anderen,
•
Zeugenberichte, mit ihren beglaubigten Unterschriften,
•Kombattantenbescheinigungen, Ausweise, Bescheide des Amts für Kombattanten
sowie Versicherungsnachweise der Verfolgten (ZUS, KRUS und andere)
ausgestellt wurden.
In den Antragsdokumenten der Leistungsempfänger kann man weiteres Quellmaterial aus privatem Besitz finden, wie z.B.: Korrespondenz aus der Zeit der Repressionen, Tagebücher und
andere Erinnerungsstücke. Im Archiv der Stiftung befinden sich tausende persönliche Berichte
und Erinnerungen der NS-Opfer, die als Antwort auf die Appelle oder Wettbewerbe der Stiftung zugesandt wurden.
Die Stiftung bewahrt auch Dokumente auf, die zum Archiv von Kombattanten und NS-Opfern –
von Filialen des Verbandes der durch das Dritte Reich geschädigten Polen - übergeben werden.
In Anbetracht der territorialen Reichweite kann das angesammelte Material sowohl europäischer als auch lokal-regionaler historischer Forschung dienen. Es erlaubt sowohl den Verlauf
der Nazi-Repressionen in einzelnen Ländern zu erörtern als auch Einblick in das Schicksal der
vielen Menschen zu erlangen, die auf dem ganzen besetzten Gebiet des Dritten Reiches verstreut waren. Unter dem lokal-regionalen Aspekt geben sie Informationen über die Verfolgung
in den einzelnen Landkreisen, Städten und Dörfern, die oft der Aufmerksamkeit der Historiographie entgehen. Es ist möglich das Material bei der Erforschung von Kriegsschicksalen der
verschiedenen Gesellschaftsgruppen wie Elite, Bauern, Arbeiter.
In der vorliegenden Abhandlung, die im Rahmen des vom Ministerium für Kultur und Nationales Erbe mitfinanzierten Projektes „Internetarchiv der NS-Opfer“ entstanden ist, präsentieren
wir eine Auswahl der charakteristischen Dokumente der Repression und Zeugnisse des Alltagslebens der polnischen Sklaven- und Zwangsarbeiter, die für die Wirtschaft des Dritten Reiches
eingesetzt waren, aus dem Archiv der Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung“. Wir hoffen,
dass diese Arbeit zum besseren Verständnis der Schicksale der polnischen Bürger während des
Zweiten Weltkriegs, beiträgt.
Team
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I. Einwohnererfassung der Besatzungszeit
Anmeldung zum polizeilichen Einwohnererfassung – kurz: Einwohnererfassung,
oder umgangssprachlich: „palcówka” („palec“ – der Finger). Der Fingerabdruck, der auf diesem Dokument gemacht wurde, sollte das Foto des Registrierten ersetzen und zu seiner Identifikation dienen. „Palcówka” war ein doppelseitiges Dokument mit der Funktion eines Personalausweises, das teilweise in den polnischen Gebieten angewendet wurde, die ins Reich
einverleibt wurden (im Wahrteland und in der Provinz Oberschlesien). Die Vorderseite des
Dokuments beinhaltete die wichtigsten Kontaktdaten und war ein detaillierter Fragebogen,
in dem jeder seine Personaldaten und zusätzliche Informationen angeben musste. Dies waren
einerseits Informationen über die Konfession, die Nationalität und die Sprache, die registrierte
Person zu Hause sprach, andererseits Informationen über den Militärdienst in der polnischen
Armee, den Beruf und den Arbeitsplatz. Außerdem sollte die Person angegeben, wie lange sie
Anmeldung zum polizeilichen
Einwohnererfassung –
kurz Einwohnererfassung poder umgangssprachlich
„palcówka” (palec – Finger),
Kreis Wreschen (Września),
Wartheland
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bereits in den einverleibten Gebieten wohnte, ob sie ein Grundbesitzer ist, ob sie Immobilien
oder ein Unternehmen besitzt und wie viele Kinder unter 12 Jahren in demselben Haushalt wie
sie wohnen. Das „Nicht-Ausfüllen“ der Anmeldung oder die Angabe falscher Informationen
standen unter Strafe. Die Unterschrift und der Fingerabdruck wurden in Anwesenheit der Polizei-Funktionäre entgegengenommen. Der Funktionär beglaubigte das Dokument durch einen
Siegel. Die ausgefüllte Anmeldung diente als Personalausweis. Wenn jemand ein Arbeitsbuch
besaß oder bekommen hatte, wurde diese Information in Form eines Stempels mit der Angabe
der Nummer des Arbeitsbuches ebenfalls in die Anmeldung eingetragen.
Kennkarte – war ein Personalausweis, der während der Besatzungszeit angewandt wurde.
Es gab getrennte Vorlagen der Kennkarten, die der Verwaltungsstruktur des Landes und der
Gliederung nach der Nationalität entsprachen. Diese wurden vom deutschen Besatzer eingeführt. In den einverleibten Gebieten waren die Kennkarten ein zweiseitiges Büchlein mit den
Personaldaten, dem Foto, dem Fingerabdruck und der Unterschrift des Registrierten. Im Falle
der Personen deutscher Nationalität oder derjenigen, die die Volksliste unterschrieben hatten
oder in diese eingetragen wurden, hatten die Kennkarten einen senkrechten Streifen. Dazu
wurden Eintragungen wie „Reichsdeutscher“, „Volksdeutscher“ gemacht, und manchmal
auch die „Deutsche Staatsangehörigkeit“ eingetragen. Im Generalgouvernement (GG) gab es
ein dreiseitiges, zweisprachiges Büchlein, und die sich darin befindenden Informationen wurden mit Meldedaten und einem Vermerk über Konfession ergänzt. Kennkarten wurden auf
eine bestimmte Zeit ausgestellt. Jede Registrierung war mit der Vergabe einer Kennnummer
verbunden. Im GG wurde die Kennkarte mit der Verordnung vom 26. Oktober 1939 eingeführt,
aber die Ausgabe lief noch bis zum Jahre 1943. Die Kennkarten-Pflicht betraf alle im Alter ab
15 Jahren. Um eine Kennkarte zu bekommen, sollte der Bürger im Einwohnermeldeamt einen
entsprechenden Antrag stellen, die Geburtsurkunde, eventuell eine Heiratsurkunde und die
Anmeldungsbestätigung einreichen; im Falle der nicht jüdischen Polen und einigen anderen
Kennkarte – aus Kamienica
Polska, Kreis Blachownia,
Provinz Oberschlesien (für
polnische Bürger). Die gute,
polnische Rechtschreibung in
der Eintragungen ist bemerkenswert. Kennkarte, ausgestellt in Ostoberschlesien, wo
die Einführung der Volksliste
ohne Zwang vorging
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Kennkarte – Warschau, GG
(Vorlage für polnische Bürger)
Nationalitäten auch eine Bescheinigung über die arische Abstammung. Der Vorkriegspersonalausweis wurde nicht obligatorisch als Anhang zum Antrag verlangt, weil in der Zweiten
Republik Polen das Besitzen eines Personalausweises ein Recht des Bürgers, aber nicht seine
Pflicht war. Es ist hinzuzufügen, dass in der Anfangszeit der Besatzung die Personalausweise
auch als zweisprachige Formulare (in deutscher und polnischer Sprache) ausgegeben wurden.
Bei der Aushändigung der Kennkarte wurde der Fingerabdruck genommen und das Dokument
unterschrieben. Beglaubigt wurde es durch ein Siegel und die Unterschrift eines Vertreters
der Polizei. Die Kennkarten im GG unterschieden sich durch eine Farben- und Buchstabenkennzeichnung, die für die nationalen Minderheiten angewendet wurden. Die Kennkarten der
Polen waren grau, die der Juden und Roma gelb, die der Ukrainer, der Weißrussen, der Russen
und anderer Minderheiten blau. Die Dokumente der Juden wurden zusätzlich mit dem Buchstaben „J“, die der Roma mit „Z“, die der Ukrainer mit „U“, die der Weißrussen mit „W“ und
die der Russen mit „R“ versehen. Neben dem „bunten“ Dokument, das dem Besitzer ausgegeben wurde, fertigte man ein Duplikat in weißer Farbe an, das den polizeilichen Behörden
zur Verfügung stand. Im Falle des Verdachts der Fälschung oder beim Verdacht, dass sich eine
Person mit falschen Personalien ausgab, wurde auf das Duplikat zurückgegriffen. Die Kennkarten wurden sowohl mit der Maschine, als auch mit der Handschrift ausgefüllt. Sie wurden
aus einer speziellen Papierart angefertigt, deren Oberflächenstruktur sich immer veränderte,
wenn versucht wurde, frühere Eintragungen auszuradieren oder abzukratzen. Trotzdem war
die Kennkarte eines der am häufigsten gefälschten Dokumente im GG.
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Anmeldung und Abmeldung bei der polizeilichen Meldebehörde – Die Völkerbewegung stand sowohl in den einverleibten Gebieten, als auch im GG unter einer streng polizeilichen Kontrolle. Die Dokumente, die das bestätigten, waren normalerweise zweiseitige
Formulare in polnischer und deutscher Sprache. Als historische Quelle dokumentieren sie die
Dislokationen repressiven Charakters. Es ist ein Dokument abgebildet, das die Deportationen
zur Zwangsarbeit und die Zwangsaussiedlung bestätigt.
Polizeiliche Anmeldung –
Gemeinde Duraczów, Kreis
Końskie, GG. Das Dokument
bestätigt die Anmeldung der
Zwangsaussiedler aus Warschau nach dem Warschauer
Aufstand. Auf dem Gebiet des
GGs konnten sich formal nur
Mütter mit kleinen Kindern,
Kinder unter 16 Jahre, kranke
und ältere Personen aufhalten.
Der Rest der Warschauer Bürger wurde außerhalb des GGs
in Konzentrationslager und zur
Zwangsarbeit deportiert
Abmeldung bei der polizeilichen
Meldebehörde – Litzmannstadt
(Łódź), Wartheland. Das Dokument bestätigt die Abmeldung
der Person aus Litzmannstadt
und ihre Versetzung zur
Zwangsarbeit nach Bremen
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II. Zwangsarbeiter
DAS Arbeitsbuch – wurde im III. Reich als Pflichtdokument mit einem Gesetz vom 26. Februar 1935 eingeführt und die registrierte Anstellung von Erwachsenen. Es wurde aber schon
bereits Ende des 19. Jahrhunderts in Preußen in manchen Wirtschaftszweigen benutzt (Bergbau, Handel). Nach dem Gesetz über die Arbeitsbuch-Einführung, erließ die deutsche Regierung
am 26. Mai 1935 die Verordnung über die Arbeitspflicht für deutsche Bürger. Dieses Gesetz von
1935 war eine rechtliche Konsequenz der Bildung eines totalitären Staates, in dem jeder Bürger
die Pflicht hatte, zu arbeiten. So wurden die Menschen für die auf Krieg eingestellte Wirtschaft
ausgenutzt. Drei Jahre später, im Juni 1938, wurden zwei weitere Verordnungen erlassen: die
erste begrenzte die Freiheit zum Wechsel des Arbeitsplatzes, die zweite ermöglichte es dem
Staat, konkrete Personen im Rahmen der Dienstverpflichtung auch außerhalb des festen Wohnsitzes zur Arbeit zu schicken. Ab dem 1. September 1938 konnte ein Arbeitsvertrag nur noch mit
Erlaubnis des Arbeitsamtes aufgelöst werden. Die Verwaltung und Verteilung der Arbeitskräfte
gehörten im Gesamten zu den Aufgaben der Landesarbeitsämter, die kraft einer Verwaltungsentscheidung im August 1943 in Gauarbeitsämter umgewandelt wurden. Noch vor dem Kriegsausbruch wurden die Landesämter der Grenzprovinzen Schlesien, Brandenburg, Ostpreußen
und Pommern verpflichtet, sich auf die Einrichtung von Niederlassungen vorzubereiten, die
parallel zum Voranschreiten der deutschen Armee auf dem polnischen Gebiet gegründet werden sollten. So waren die Arbeitsämter die ersten Zivilverwaltungen, die von Deutschen auf
den polnischen Gebieten eingerichtet wurden. Am 3. September nahm das erste Arbeitsamt in
Schlesien in Rybnik die Arbeit auf. Am Ende dieses Monats waren es schon 70, im Oktober 115.
Die Errichtung der Arbeitsämter war auch mit einer gewissen Veränderung der bisherigen Arbeitsverhältnisse verbunden. Der Zwangscharakter wurde mehr und mehr deutlich. Diese rechtlichen Änderungen wurden durch die Besatzungsmacht allmählich eingeführt und schränkten
die Rechte der polnische Bevölkerung, aber mehr noch der Bevölkerung jüdischer Abstammung
Schritt für Schritt ein. Infolgedessen wurde der Arbeitszwang die politisch-rechtliche Grundregel für die Beschäftigung (für Deutsche war dies die „Arbeitspflicht“).
n einem Teil der Gebiete, die direkt in das III. Reich einverleibt wurden, wurde die Personenerfassung für die Arbeitsämter noch im Jahre 1939 durchgeführt. In den Arbeitsämtern wurden
die folgenden zwei Register geschaffen: eines für Beschäftigte, die eine Beschäftigungskarte
(später Arbeitsbuch) besaßen und eines für Arbeitslose, die eine Meldekarte oder Ausweiskarte
bekamen. Sowohl für Beschäftigte, als auch für Arbeitslose wurden Erfassungskarten ausgestellt, mit Daten wie Alter, Wohnort und Berufsqualifikationen. Diese Daten wurden ständig
überprüft. Das Arbeitsamt ließ die Beschäftigten mit der Beschäftigungskarte und der Bestätigung der über den letzten Lohn zu sich kommen. Gleichzeitig wurden die Arbeitgeber verpflichtet, die Listen der beschäftigten Arbeiter vorzulegen. Die Arbeitslosen wurden dazu gezwungen, täglich oder alle paar Tage mit der Meldekarte beim Arbeitsamt (oder in einer seiner
Niederlassungen) zu erscheinen. Die Erfahrungen aus den einverleibten Gebieten wurden dann
im GG genutzt. Für die Beschäftigungspolitik waren hier die Arbeitsabteilung bei der Regierung
des GG und auf der unteren Ebene die Arbeitsabteilungen in Ämtern der Gouverneure der Distrikte verantwortlich.
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Formal war das Arbeitsbuch ein Dokument, das an den Grenzen zwischen dem Arbeitsamt, dem
Arbeitgeber und dem Arbeiter funktionierte. Es bestand aus einem guten Dutzend in Rubriken
eingeteilte Seiten, in die Personal- und Adressdaten, Informationen über Familienstand, Kinder,
frühere und aktuelle Beschäftigungen, Arbeitsgruppen, Berufsausbildungen usw. eingetragen
wurden. Es gab zwei Vorlagen der Arbeitsbücher. Eine mehr detaillierte Vorlage (38 Seiten),
die bereits mit dem erwähnten Gesetz vom 26. Februar 1935 eingeführt wurde. Diese wurde
vor dem September 1939 als ein gewöhnliches Dokument gebraucht, das die Beschäftigung
in Deutschland bestätigte. Diese Fassung des Arbeitsbuches wurde während des Krieges zum
Schriftstück, das auch an die Zwangsarbeiter ausgegeben wurde. Die Pflicht für Polen, die zur
Zwangsarbeit in Deutschland bestimmt wurden, das Arbeitsbuch zu besitzen, wurde mit einer
Verordnung vom 22. Mai 1942 eingeführt. Mit einem Befehl vom 1. Mai 1943 wurde eine vereinfachte Vorlage des Arbeitsbuches (36 Seiten) für Ausländer, die zur Arbeit im Reich deportiert
wurden, ausgegeben – das Arbeitsbuch für Ausländer. Auf dem Gebiet der Freien Stadt Danzig
wurde das Arbeitsbuch weiterhin nach der Vorlage aus dem Jahre 1935 verwendet. In diesem
Arbeitsbuch – Vorlage aus
dem Jahr 1935, Lentschütz
(Łęczyca), Arbeitsamt
Litzmannstadt (Łódź), Wartheland. Stempel Nicht Reichsdeutscher und Eintragung
Pole bestätigen polnische
Nationalität des ArbeitsbuchBesitzers
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Gebiet an der Ostseeküste wurde es wiederum mit einer Verordnung vom 1. Juni 1938 eingeführt. Es hatte eine andere graphische Gestaltung: das Wappen des Dritten Reichs wurde durch
das Wappen der Freien Stadt Danzig ersetzt. Die Pflicht, ein Arbeitsbuch zu besitzen, wurde auf
den polnischen Gebieten schrittweise verwirklicht. Am frühesten im Oktober 1939 in Schlesien,
im Juli 1942 in Pommern und in Großpolen im Dezember 1943. Im GG entsprach die Arbeitskarte
dem Arbeitsbuch (Verordnung vom 20. Dezember 1940), erstellt nach der Vorlage des bereits
im Reich existierenden Arbeitsbuches. Trotz anderen Namens hatte die Arbeitskarte aus dem
GG als ein Dokumenttyp die gleiche Form (Buch) und eine innere Gestaltung wie das Arbeitsbuch. Sie wurde im GG allmählich bis 1942 eingeführt, zuerst in den für die Kriegsführung wichtigen Industriebetrieben, am Ende bekamen sie die Personen, die in der Verwaltung beschäftigt
waren. Keine Arbeitskarten besaßen im GG Deutsche aus dem Reich, für die das Arbeitsbuch
ein Pflichtdokument war, sowie Lohnarbeiter, Kinder im Grundschulalter und auch Personen,
die in Fischerei, Forstwirtschaft und Landwirtschaft beschäftigt waren. Die verfügbaren Landwirtschaftsarbeiter im GG waren in den durch die Arbeitsämter geführten Landwirtschaftlichen
Betriebskarteien immer erfasst und konnten so je nach „Nachfrage“ zwischen den landwirtschaftlichen Betrieben hin und her versetzt werden, um sie am gewinnbringendsten einzusetzen und die Produktion abzusichern. In den Dokumenten der Arbeitskräfte waren Daten der
Betriebe, wie Größe des Bauernhofes, die Art der Einrichtung und die Zahl der dort wohnenden
oder arbeitenden Personen verzeichnet.
Das Arbeitsbuch wurde auf Antrag ausgestellt. Auf der ersten Seite des Arbeitsbuches trug
das Arbeitsamt eine doppelte Nummer ein. Ihr erster Teil war die Nummer des Arbeitsamtes,
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der zweite war die Nummer der Erfassungskarte in der Kartei des Arbeitsamtes. So hat das
abgebildete „Arbeitsbuch für Ausländer“ einer deportierten Zwangsarbeiterin die Nummer:
„65/2257”. Dabei betreffen die Ziffern „65” das Arbeitsamt in Prenzlau, und die Ziffern „2257”
bilden die Nummer der Erfassungskarte der Person, für die das Arbeitsbuch ausgestellt wurde. Beim Beginn der Arbeit sollten die Arbeiter dem Betriebsbesitzer das Arbeitsbuch (im GG
die Arbeitskarte) geben, dieser trug folgende Informationen ein: Datum des Arbeitsbeginns,
Charakter der Beschäftigung, Wohnort und seine eventuellen Wechsel und das Datum des
Arbeitsschlusses. Der Betriebsbesitzer benachrichtigte das Arbeitsamt über jede Eintragung,
das Arbeitsamt trug diese neuen Daten in Erfassungskarten der Beschäftigten ein, die sich in
seiner Kartei befanden. Wenn eine Person bei mehr als einem Arbeitgeber beschäftigt war,
befand sich das Arbeitsbuch beim ersten Arbeitgeber. In den Pausen in der Beschäftigungszeit
sollte man das Arbeitsbuch beim Arbeitsamt deponieren. Die Arbeitenden durften aber nicht
zwei Arbeitsbücher besitzen. Es war jedoch erlaubt, eine Arbeitskarte und ein Arbeitsbuch zu
besitzen. Im Fall der zur Zwangsarbeit aus dem GG Deportierten, wurden die gewöhnlichen
Arbeitsbücher ausgegeben. Im Fall der nach Deutschland Deportierten, blieb das Arbeitsbuch
dem Arbeitgebers zur Verfügung und das ganze Verfahren seiner Ausstellung verlief zwischen
dem Arbeitgeber und dem Arbeitsamt (es kam vor, dass der Zwangsarbeiter kein Dokument
„in die Hand“ bekam). Deshalb verfügen wir heute über viele Arbeitsbücher, die im guten Zustand erhalten geblieben sind, weil sie den Zwangsarbeitern erst nach dem Krieg ausgegeben
wurden oder weil sie die Dokumente erst dann „bekamen“, nachdem der deutsche Arbeitgeber gegen Ende des Krieges sein Haus oder Unternehmen verließ. Deutsche Vorschriften aus
der Zeit des Krieges verboten den ausländischen Arbeitern jegliche Dokumentation über ihre
Beschäftigung mit nach Hause zu nehmen. Die Verordnung vom 18. November 1941 regelte
dies im Fall der Polen. Diese Vorschrift betraf aber nicht die Arbeitsbücher der Polen, die auf
den ins Reich einverleibten Gebieten wohnten.
Als historische Quellen sind die Arbeitsbücher eine sehr wertvolle Dokumentation, weil sich
mit ihrer Hilfe der „Beschäftigungslebenslauf“ eines Zwangsarbeiters rekonstruieren lässt.
Das Arbeitsbuch war ein zwischen dem Arbeitsamt, dem Arbeitgeber und dem Arbeiter „wanderndes Dokument“. In den Arbeitsbüchern gibt es einerseits Spuren der formalen Eintragungen des Arbeitsamtes, des Unternehmens bzw. des Unternehmers und andererseits hat
manchmal der „Besitzer“ selbst Änderungen im Dokument in der Nachkriegszeit gemacht.
Es geht hier u.a. um selbst geschriebene Eintragungen über Beschäftigung, für den Fall, dass
der Arbeitgeber sie nicht gemacht hat (weil er geflüchtet ist und sich davor geweigert hat).
Dazu zählen auch das Ausmerzen oder Beschmieren der nationalsozialistischen Symbole (Hakenkreuze, Reichsadler). Letzteres machten auch die alliierten Besatzungsmächte oder die
polnische Nachkriegsverwaltung (z.B. im Polnischen Repatriierungsamt – PUR). Manchmal
rissen die „Besitzer“ ihre Fotografien vom Arbeitsbuch ab, weil es manchmal die einzigen Fotografien waren, die von ihnen während der Kriegszeit gemacht wurden und deshalb sie sehr
wertvoll sie für waren. Obwohl die Fotografien in Arbeitsbüchern nur Porträts sind, die der
Identifikation dienten, sind sie auch eine wichtige historische Informationsquelle. Oft wurden
dort „Momente“ festgehalten. So finden sich in Arbeitsbüchern Fotos, die gleich nach dem
Verlassen des Lagerbades gemacht wurden – die Menschen sind nass, halb nackt, mit kurz
geschorenen Haaren oder sie sehen verängstigt aus. Es gibt auch Fotografien von Kinder, die
nicht zur Zwangsarbeit bestimmt waren und denen das Arbeitsbuch als ein Identitätsdokument ausgegeben wurde, weil sie zusammen mit den Eltern in Durchgangslagern für deportierte Zwangsarbeiter waren und deshalb registriert wurden.
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Die Daten, die in Arbeitsbüchern (oder in anderen Dokumenten der Zwangsarbeit, sowie in
Personaldokumenten) von der Besatzungsmacht eingetragen wurden, spiegeln den rechtlichpolitischen Status der polnischen Staatsbürger im damals besetzen Land, sowie dessen neue
Verwaltungsstruktur wieder. So betraf die Eintragung „Schutzangehörige“ in der Rubrik
Staatsangehörigkeit Polen, die aus den Gebieten stammten, die mit dem Dekret Hitlers vom
8. und 12. Oktober 1939 ins Reich einverleibt wurden (Schlesien, die Wojewodschaft Posen mit
dem Gebiet um Lodz, Pommern, Nordmasowien und das Gebiet um Suwałki – so genannte
eingegliederte Ostgebiete). Offiziell ging es hier um Personen, die zur Eindeutschung nicht geeignet waren. Im Falle der polnischen Arbeiter, die aus dem GG deportiert wurden, trug man
in diese Rubrik staatlos ein. Diese Menschen wurden theoretisch als Personen mit polnischer
Staatsangehörigkeit betrachtet, aber diese wurde ihnen abgenommen bzw. nicht bestätigt,
weil das Dritte Reich den polnischen Staat nicht anerkannte. Im Falle der Personen mit einer
anderen als der deutschen Nationalität, die aus dem Distrikt Galizien und aus Białystok umgesiedelt wurden, kamen manchmal Eintragung wie ungeklärt vor. Einen noch anderen Status
hatten polnische Staatsbürger aus dem östlichen Grenzland der zweiten Republik Polen, das
nach dem Beginn des Krieges mit der UdSSR unter der deutschen Besatzung war. Hier war die
Regel der Deutschen gültig, laut der alle Personen, die vor dem 22. Juni 1941 auf dem Gebiet
der UdSSR wohnten als Ostarbeiter gehalten wurden, unabhängig davon, welche Nationalität
sie deklariert haben (Ausnahme waren Deutsche) und von ihrer Staatsangehörigkeit vor September 1939. Diese Regel betraf die Bewohner der Ostseerepubliken, des Bezirks Białystok
und des Distriktes Galizien.
Die Rubrik der Volkszugehörigkeit im Arbeitsbuch für Ausländer muss allerdings differenziert
betrachtet werden, da die Eintragungen manchmal nicht der Wirklichkeit entsprachen. Polnische Staatsbürger, die z.B. vom Distrikt Galizien zur Zwangsarbeit deportiert wurden, gaben
absichtlich die ukrainische Nationalität an, weil sie wussten, dass die ukrainischen Arbeiter in
Deutschland besser behandelt wurden als polnische Bürger. Manchmal hat die ukrainische Verwaltung die Polen oder Personen, die ihre Nationalität nicht bestimmen konnten, absichtlich
„ukrainisiert“, um auf diese Weise ihre ethnische Überlegenheit auf bestimmten Gebiet zu beweisen. Wiederum fuhren die Polen aus dem Generalbezirk Litauen zur Zwangsarbeit als Litauer und wurden wie ausländische Arbeiter aus den Ländern, mit denen das Dritte Reich keinen
Krieg führte, behandelt (Restriktionen gegen diese Personen erfolgten erst 1944). Eine andere
Nationalität deklarierten auch Personen jüdischer Nationalität, um auf diese Weise Repressionen und Tod zu entfliehen. Für sie war die Entscheidung über die Fahrt zur Zwangsarbeit ein
Versuch, vor dem Tod zu flüchten.
Es kam oft vor, dass die Menschen während der Registrierung einen anderen Beruf angaben,
als den wirklich von ihnen ausgeübten. Am meisten vermied man die Angabe des Berufs eines
Landwirtes, weil dies mit der Deportation zur Zwangsarbeit enden konnte. Einen anderen Beruf deklarierten auch vor allem auch Menschen, die durch ihr gewöhnlich nach gegangenem
Metier höchst wahrscheinlich der deutschen Rüstungsindustrie nützlich waren.
Mit Personaldaten in Arbeitsbüchern (oder in anderen Dokumenten, die die Zwangsarbeit
während der Deportation bestätigen) muss man vorsichtig sein. In den eingetragenen polnischen Nachnamen und Eigennamen (fonetische Schreibweise), sowie in den Geburtsdaten
usw. kommen häufig Fehler vor.
Arbeitsbücher können die Vermerke der alliierten und polnischen Institutionen aus dem Jahr
1945 und den Jahren danach haben. Die Dokumente der Personen, die in den von PUR organisierten Transporten in die Heimat zurück kamen, wurden an Kontrollpunkten gestempelt. Es
kam auch vor, dass die Arbeitgeber weitere Beschäftigung der Personen nach dem Kriegsende
in Arbeitsbüchern bestätigten, so lassen sich auch Eintragungen mit einem Datum nach Mai
1945 finden
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Arbeitsbuch fűr Ausländer –
„książka pracy dla obcokrajVorlage aus dem Jahr 1943,
Arbeitsamt Prenzlau. Auf der
Seite 26 sind Informationen
über den Aufenthalt im Durchgangslager für Zwangsarbeiter
in Frankfurt (Oder) und über
eine ärztliche Untersuchung
vor dem Beginn der Arbeit, der
sich die Person unterziehen
musste
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Ersatzkarte fűr Arbeitsbuch – vierseitige Ersatzkarte, wurde vom Arbeitsamt anstelle
des Arbeitsbuches ausgestellt. Sie beinhaltete weniger Personaldaten und auch nicht so viele
Daten über die Beschäftigung. Sie wurde auf begrenzte Zeit und bis zu einem angesetzten
Termin ausgegeben. Bei der Rückgabe des alten oder bei der Ausstellung des neuen Arbeitsbuches, sollte sie sofort an das Arbeitsamt übergeben werden. Der Arbeitgeber musste sich
an dieselben Vorschriften halten, die im Fall des Arbeitsbuches erwähnt wurden. Alle Bemerkungen und Eintragungen in der Ersatzkarte sollten im Mitwissen des Arbeitsamts gemacht
werden und mussten ihm gemeldet werden. Im GG stellten die Arbeitsämter den Beschäftigten statt der Arbeitskarten (die im GG den Arbeitsbüchern entsprachen) und die meist der
Arbeitgeber aufbewahrte, spezielle Bescheinigungen aus, die so genannten Beschäftigungsnachweise.
Ersatzkarte fűr Arbeitsbuch
– Arbeitsamt Geldern
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Arbeitskarte – war ein doppelfunktionales Dokument: sie bestätigte die Anstellung vom
Auslandsarbeiter und funktionierte gleichzeitig als Pass und Personalausweis. Die Notwendigkeit des Besitzes einer Arbeitskarte wurde durch die Anordnung vom 8. März 1940 geregelt.
Ihre Ausstellung erforderte die Zusammenarbeit von zwei Behörden: des Arbeitsamtes und
der lokalen Polizeimacht (Ausländeramt). Die Beschäftigung vom Auslandsarbeiter in Deutschland bedurfte nämlich einer besonderen Genehmigung. Ein solcher Antrag musste vom Arbeitgeber bei dem richtigen Arbeitsamt gestellt werden; andererseits musste der Arbeiter selbst
den Antrag auf die Genehmigung in der Polizeiaufsichtseinheit stellen, dies konnte auch der
Arbeitgeber tun, als Vertretung des Arbeiters. Die Polizei sendete den Antrag nach seiner Akzeptanz ins Arbeitsamt weiter. 1942 wurde die Prozedur, wegen der vermehrten Zahl von Auslandsarbeitern vereinfacht. Die Arbeitsstätte oder der Arbeitgeber stellte einen allgemeinen
Antrag bei dem Arbeitsamt auf Arbeiterzuteilung. Es wurde auf den Antrag des Arbeiters auf
Arbeitsbewilligung in der Polizeibehörde verzichtet. Ab diesem Zeitpunkt beschäftigte sich das
Arbeitsamt nach der Arbeiterzuteilung zum konkreten Arbeitsplatz, auch mit dem Arbeitsgenehmigungsformular und schickte dieses zur Polizeieinheit. Nach den Anmeldungsformalitäten, die mit der Abgabe des Fingerabdrucks verbunden waren, wurde die Arbeitskarte dem
Arbeiter übergeben. Die Daten, die von der Polizei bei der Arbeitskartenausstellung gewonnen
wurden, blieben am Ort enthalten, Duplikate sind in die Zentralkartei der zwangsbeschäftigten Polen und Ostarbeiter, beim Hauptamt des Reichssicherheitsdienstes gelangt. Die Kartei
funktionierte bis Ende 1943 oder Anfang 1944, als sie von einem Alliierten-Luftangriff vernichtet wurde (darüber informierte der Reichsführer SS in einem Rundschreiber vom 5. Februar
1944). Der Arbeiter war verpflichtet, die Arbeitskarte immer bei sich zu tragen. Sie wurde für
unbestimmte Zeit ausgegeben, und für ihre Verlängerung hatte der Arbeitgeber zu sorgen. Die
Arbeitskarte war nur gültig für einen bestimmten Arbeitsplatz, dies erleichterte das Einfangen
von Flüchtlingen während Polizeikontrollen.
Arbeitskarte – „karta pracy”,
Arbeitsamt Waldenburg Schlesien (Wałbrzych)
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Formell war die Arbeitskarte ein zweiseitiges Formular. Die erste Seite musste mit dem Foto,
dem Zeigefingerabdruck und mit der Unterschrift des Arbeiters ausgestellt werden. Die Erstellung dieser Hälfte des Dokuments war Arbeit der Polizei. Im Februar 1944 gab es eine
Anordnung über die Notwendigkeit der Platzierung eines roten Stempels auf dieser Seite:
kennzeichenpflichtig, d.h. „P“ im Fall der Polen oder „O“ für die Ostarbeiter. Dies trug zur
leichteren Unterscheidung von Weißrussen und Ukrainern während Polizeikontrollen im GG
bei, denn diese Nationalitäten waren von der Kennzeichnungspflicht befreit. Auf der anderen
Seite der Karte wurde das Arbeitsamtsformular mit genauen Personendaten des Arbeiters und
Informationen über seine Anstellung angeklebt. Im Falle einer Arbeitsfortsetzung, konnte an
dieses Formular ein weiteres angeklebt werden, wenn das erste nicht mehr gültig war. Im Gegenteil zu Arbeitsbüchern, die aufgrund ihrer Buchform von Hand ausgefüllt waren, wurden
die Arbeitskarten oft mit der Schreibmaschine erstellt. Ähnlich wie Arbeitsbücher, enthielten
die Arbeitskarten auch Spuren der Alliierten, polnischer Nachkriegsverwaltung oder von Hilfsorganisationen.
Die Arbeitskarte war manchmal mit der Bescheinigung über eingezahlte Lohnersparnisse verbunden. In der Praxis wurde dies allerdings selten dokumentiert. Lohnersparnisse verschiedener Geldbeträge und ihre Deponierung bei dem Arbeitgeber waren eine Art und Weise der
„Anbindung“ der Arbeiter an ihren Arbeitsplatz. Der Plan der deutschen Verwaltung war es,
der Flucht vom Arbeitsplatz vorzubeugen. In der Praxis erwies es sich meistens nicht als erfolgreich
.
Arbeitskarte – Arbeitsamt
Wismar (die Vorlage vorbereitet speziell für die Arbeiter aus
dem GG). Auf der Rückseite
ist das erste (ältere) Formular
sichtbar, das sich hinter dem
oberen Formular befindet. Es
enthält die Bestätigung der
früheren Beschäftigung
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Ausweis, Werkausweis, Personenausweis – es handelt sich hierbei um Ausweise verschiedensten Typus – Identitätsdokumente, die mit dem Beschäftigungsort verbunden waren.
Sie wurden von den größeren Betrieben oder Unternehmen ausgestellt, die eine eigene Erfassungskartei führten. Sie erfüllten die Rolle des Personalausweises, bzw. eines Passierscheines für den Beschäftigungsort und seiner Umgebung. Der Ausweis musste dem Werkschutz
oder der Polizei bei Kontrollen vorgelegt werden. Er beinhaltete Informationen über die Art
der Beschäftigung, die Nationalität (z.B. durch den Buchstaben „P“) und die Unterbringung.
Manchmal, wenn das Foto des Besitzers fehlte, war der Ausweis erst gültig, wenn er mit einem anderen Dokument mit Foto vorgezeigt wurde. Weil der Ausweis am Beschäftigungsort
schnell beschädigt werden konnte, wurde er manchmal durch Folie oder einen zusätzlichen
Metallumschlag geschützt. Im GG bewahrte das Besitzen eines Ausweises (oder einer Arbeitskarte), der vom Betrieb ausgestellt wurde, vor der Deportation zur Zwangsarbeit, z.B.
während einer Straßenrazzia oder einer zufälligen Polizeikontrolle. 1943 gab es bereits so viel
gefälschte Werksausweise, dass die Besatzungsmacht dieses Dokument bei der Kontrolle
nicht mehr berücksichtigte, so schützte ein Ausweis ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vor der
Deportation ins Reich. Es gab auch eine einfache Möglichkeit der Verifizierung seiner Echtheit
durch die Überprüfung der Informationen, die sich auf dem Ausweis befanden, denn ähnliche
Daten waren auch in der Kartei des Arbeitsamtes verzeichnet. Wie auch andere mit Zwangsarbeit in Verbindung stehende Dokumente, konnten die Ausweise ebenfalls Bemerkungen aus
der Nachkriegszeit, Bemerkungen der alliierten Mächte, der polnischen Verwaltung oder der
Hilfsorganisationen haben.
Werks-Ausweis Pertrix
Werke GMBH
A-Ausweis Arado
Flugzeug-Werke G.m.b.H.
19
Ausweis der Hirth Motoren
G.M.B.H. – Stuttgart/Zuffenhausen
Personenausweis – Ostbahn
20
Personalauweis –
Siemens & Halskie AG
Ausweis der Staatlichen
Saline Friedrichshall
21
Baudienstpass – GG (Vorlage
Nr. 2)
Baudienstpass – Ausweis im GG für Angehörige des Baudienstes, in den zwischen Mai 1940
und Sommer 1944 Männer eingesetzt wurden und dessen Vorbild der Reichsarbeitsdienst war.
In Wirklichkeit war der Baudienst aber eine Art der Sklavenarbeit. Sein Funktionieren wurde
durch zwei Verordnungen geregelt, einer vom 1. Dezember 1940 und einer weiteren vom 22.
April 1942. Der Baudienst dauerte ein Jahr lang und betraf viele junge Männer, die bei öffentlichen Arbeiten, Arbeiten zu Gunsten der Armee und auch bei der Bestattung der Opfer von
Massenexekutionen zwangsweise helfen mussten. Zu Spitzenzeiten beschäftigte Baudienst
45 Tausend Personen (Januar 1944). Die im Baudienst Beschäftigten wohnten in Lagern. Diese
Isolierung sollte verhindern, dass sie sich in konspirative Tätigkeit engagieren. Jedes Vergehen
und jede Flucht wurde mit dem Transport in spezielle Straflager des Baudienstes in der Nähe
von Krakau (Steinbruch „Liban“) oder nach Solec an der Weichsel bestraft.
Baudienstpass – GG (Vorlage
Nr. 1)
22
Lagerausweis – ein Dokument, das für die Zwangsarbeiter ausgestellt wurde, die nach der
Deportation ins Reich in speziellen Gemeinschaftslagern einquartiert wurden. Der abgebildete
Lagerausweis beinhaltet außer der Identitätsdaten auch Informationen über den Beschäftigungsort. Auf der Rückseite sind Notizen über den Erhalt von Tabak, Seife und über weitere Sonderzuteilungen. Ein solches Gemeinschaftslager wurde oft von einem Delegierten der
Deutschen Arbeitsfront (DAF) beaufsichtigt, der meist auch über gewisse Polizeikompetenzen
verfügte. Das Sammeln der Arbeitskräfte in Sammellagern war üblich für große Industriegebiete und Städte. Meist wurden diese Gemeinschaftslager in leer stehenden öffentlichen oder
industriellen Gebäuden eingerichtet. Es konnten ehemalige Tanz- und Kinosäle, Feuerwachen
oder geschlossene Industriebetriebe sein. Weil die ausgewählten Gebäude früher allerdings
einem anderen Zweck dienten, waren die Bade- und Waschräume, sowie die Waschküchen,
aber auch die Küchen nicht ausreichend vorhanden oder ausgestattet. Die Inneneinrichtung
bestand generell nur aus sehr einfachen Geräten bzw. Möbeln. Es kam auch vor, dass Decken
zum Schlafen fehlten, so litten die Lagerbewohner an Kälte. Im Sommer herrschte lästige Hitze und Mief in Baracken. Immer größere Kriegszerstörungen, fehlende Reparatur- und Baumaterialien und zunehmender Bedarf an billigerer Arbeitskraft verursachten, dass gegen Ende
des Krieges in den Gemeinschaftslagern große Überfüllung herrschte. Ein lästiges Problem
waren auch die Insekten. Diese Schwierigkeit war sogar unter der deutschen Bevölkerung bekannt. Weiterhin wurden die Sammellager mit Stacheldraht umgeben, dadurch ähnelten sie
den Straflagern. Weil in den Lagern eben diese schlechten Bedingungen herrschten und sie
den Anschein von Sklavenarbeit erweckten, weigerten sich einige Unternehmen, Zwangsarbeiter aus Westeuropa in diese Sammellager einzuquartieren.
Lagerausweis – Sammellager
Berlin-Rudow
23
Arbeitsvertrag – dieses Dokument hat den Charakter eines zweiseitigen Vertrags, der zwischen dem polnischen Landwirtschaftsarbeiter und dem deutschen Arbeitgeber geschlossen
wurde. Er enthält beidseitige Verpflichtungen.
Das abgebildete Dokument wurde auf dem Gebiet des „alten Reiches“ in Deimern, Kreis Soltau
niedergeschrieben. Die Pflichten des Arbeiters auf dem Bauernhof sind ziemlich genau geregelt
(die Zahl des ihm anvertrauten Inventars, die Hilfe eines zusätzlichen Arbeiters bei der Reinigung
der Landwirtschaftsgebäuden usw.). Im vierten Punkt wird genau formuliert, dass jeder dritte
Samstag, gerechnet vom 19. Dezember 1943 ein freier Tag sein soll. In nächsten Punkt ist die Rede
über die Entlohnung. Im sechsten Punkt wurde die Kündigungsfrist auf vier Wochen bestimmt.
Aus der Inhaltsanalyse des Vertrags lässt sich schließen, dass die Seiten als gleichberechtigte Partner auftreten und es gibt den Anschein, dass es eine gewisse Freiheit in der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses gab. Jedoch bestimmte der Arbeitgeber die Pflichten des Beschäftigten genau.
Eine der rechtlichen Hauptvorschriften, die die polnischen Arbeiter in ihrer Position diskriminierte, war die Anordnung, kraft deren sie kein Recht dazu hatten, einen Arbeitsvertrag selbst
abzuschließen, den Inhalt des Arbeitsverhältnisses zu beeinflussen oder ihn gar zu kündigen.
Mit den Polen aus den einverleibten Gebieten schloss man keine Arbeitsverträge ab. Ihnen
wurde ein Arbeitsverhältnis amtlich zugewiesen, wenn ein Arbeitsgeber den Bedarf an Beschäftigten im Arbeitsamt meldete. Diese Polen hatten keine Möglichkeit, den Arbeitsort auszuwählen oder die Arbeitsdauer selbst zu bestimmen. Sie konnten das Arbeitsverhältnis auch
nicht kündigen, dies konnte nur der Arbeitgeber mit einer zweiwöchigen Kündigungsfrist tun
(der abgebildete Vertrag spricht allerdings von vier Wochen). Die Kündigung durch den Arbeitgeber musste dem Arbeitsamt aber gemeldet und von ihm akzeptiert werden. Das Amt
war aber auch in der Lage, den Antrag auf Entlassung des Arbeiters abzulehnen oder bei einer
positiven Entscheidung, die Entsendung neuer Arbeitskräfte auszusetzen.
Arbeitsvertrag – Deimern,
Kreis Soltau
24
Quittungskarte – war auf dem Reichsgebiet und in den einverleibten Gebieten im Rahmen der obligatorischen Invalidenversicherung in Benutzung, die sowohl beschäftigte Deutsche, als auch Polen betraf. Die Quittungskarte enthielt Informationen über die Entrichtung
entsprechender Versicherungsbeiträge. So machten spezielle Bestätigungsmarken, die einmal
die Woche an der Rückseite der Quittungskarte angeklebt wurden, deutlich, dass ein Beitrag
in einer bestimmten Höhe eingezahlt worden war. Seit Juli 1942 sollte die Quittungskarte Informationen über den Zeitraum der Entrichtung der Beiträge, über ihre Höhe, über die Zielkrankenkasse, sowie über den Arbeitgeber haben. Nach einem Jahr, spätestens aber nach
drei Jahren sollten die Krankenkasse oder Versicherungsanstalt die Quittungskarten an das für
Rentenversicherung verantwortliche Amt übergeben. Am Anfang des Krieges wurden in den
einverleibten Gebieten auch polnische Vorkriegsformulare der Quittungskarten benutzt, was
dank der Ähnlichkeiten im polnischen und deutschen Versicherungssystem der Vorkriegszeit
möglich war. Die Quittungskarte besaß auf der Kopfseite die Zeichen der Versicherungsanstalt
und auf der Rückseite eine Information über die Krankenkasse (hier AOK – Allgemeine Ortskrankenkasse), sowie einen Siegel oder eine Eintragung über den Arbeitsort bzw. Arbeitgeber.
Das Dokument war zwei Jahre nach der Ausstellung gültig. Eine neu ausgestellte Quittungskarte hatte auch eine Information über das Stempeldatum der letzen Versicherungsmarke auf
der vorherigen Quittungskarte. Im Fall von Arbeitgeberwechseln konnte eine Quittungskarte
weiter benutzt werden. Sie bestätigte gleichzeitig die Fortsetzung oder Erneuerung der Versicherung. Der versicherte Arbeiter konnte eine Aufstellung der entrichteten Beiträge in Form
eines Sammelbuches bekommen.
Quittungskarte
– Braunschweig
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Lohnsteuerkarte – Das Hauptmerkmal der Entlohnung der polnischen Zwangsarbeiter
war, dass ihre Löhne im Vergleich zu den Deutschen trotz gleicher schwerer Arbeit nur 70-80%
betrugen (in der Landwirtschaft nur 60-65%). Diese Finanz- und Sozialpolitik basierte auf einer
Verordnung des Reichsfinanzministers vom 10. Februar 1940 und wurde von dort an wie folgt
praktiziert. Der Arbeitgeber war verpflichtet, den Polen die Lohnsteuer nach dem zweit höchsten Steuersatz, der normalerweise nur für Alleinstehende und kinderlose Ehepaare galt, zu berechnen. Außerdem erhielten die Polen ihre Löhne ohne alle Sozial- oder Familienzuschüsse.
Am 5. August 1940 wurde eine spezielle finanzielle Belastung für Polen aus den einverleibten
Gebieten und dem Reich eingeführt. So mussten sie einen Tribut leisten - die so genannte Sozialausgleichsabgabe oder Polenabgabe. Die Polen waren gezwungen 15% ihres Bruttolohns abzuführen. Ausgeschlossen davon waren die in der Landwirtschaft Beschäftigten, weil die Löhne
in diesem Sektor ohnehin drastisch niedrig waren (allerdings galt in diesem Bereich ein anderer
diskriminierender Lohntarif für Polen).
Lohnsteuerkarte – NienburgWeser
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Lebensmittelkarten – wurden von den Deutschen bereits am Anfang des Krieges eingeführt. Mit der Zeit waren sie für den Erhalt der meisten Grundlebensmittel nötig geworden.
So gab es Lebensmittelkarten für Brot – die Reichsbrotkarte, für Marmelade (aus Möhren und
Rüben) – die Lebensmittelkarte für Zucker und Brotaufstrich, für Zigaretten – die Raucherkarte, für Seife – die Seifenkarte, für Webstoffe und Textilwaren (Kleidung) – die Spinnstoffkarte
usw. Lebensmittelkarten wurden von den Verpflegungsabteilungen der Gemeinden und Magistrate ausgestellt. Die Lebensmittelkarten für Personen in den einverleibten Gebieten und
im „alten“ Reich wurden mit Information über den Sitz des entsprechenden Landesversicherungsamt (LVA) versehen. Seit 1942 durften Lebensmittelkarten in den einverleibten Gebieten
nur noch gegen Vorlage einer Bescheinigung, die die Beschäftigung bestätigte, ausgegeben
werden. Diese Bescheinigungen wurden dann zu den Arbeitsämtern zurückgeschickt, damit
die entsprechenden Informationen in der Dokumentation der betreffenden Person vermerkt
werden konnten.
Reichsbrotkarte – Lebensmittelkarte für Brot (und Mehl)
für Selbstversorger, Danzig
(Gdańsk)
Lebensmittelkarte fűr Zucker
und Brotaufstrich – Lebensmittelkarte für Zucker und
Marmelade (aus Möhren und
Rüben), Danzig (Gdańsk)
Die Menge, Größe und Art der zugestandenen Lebensmittel waren unterschiedlich. Die Zuteilungsmenge hing von der Nationalität ab – die größten Zuteilungen bekamen Deutsche
und Volksdeutsche (im GG waren sie zwei- bis dreimal größer als die für Polen); von der Art
der Arbeit, die die Person verrichtete – höhere Zuteilungen bekamen z.B. Arbeiter der Rüstungsindustrie. In den ins Reich annektierten Gebieten, im Bezirk Ciechanów (Ziechenau) und
in Oberschlesien bekamen Beschäftigte größere Zuteilungen als Arbeitslose. Die Größe hing
auch vom Alter ab, so wurden besonders Kinder unter 14 Jahren benachteiligt, obwohl sie die
gleiche Arbeit wie Erwachsene leisteten. Weiterhin war auch das Geschlecht entscheidend –
Spinnstoffkarten wurden deshalb eingeteilt in: Karten für Frauen, Männer, Knaben, Mädchen
und Kinder im Alter unter einem Jahr. Es gab auch territoriale Unterschiede, nicht nur zwischen
Provinzen oder Gauen, sondern auch innerhalb eines Verwaltungsgebiets. Im GG z.B. waren
die Zuteilungen der Lebensmittel in Warschau ein bisschen höher als in anderen Städten. Im
Jahre 1940 wurde die Größe der Verpflegung durch die Einführung von einheitlichen Kalorienmengen angeglichen. Unterschiede in Größe und Art der Zuteilungen gab es aber immer noch,
sie hingen z.B. von den örtlichen Vorräten und Jahreszeiten ab.
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Seifenkarte – Kattowitz
(Katowice)
Raucherkarte – Bezugskarte
für Zigaretten, Münster
Spinnstoffkarte fűr Polen
(Frauenkarte) – Bezugskarte
für Webstoffe und Textilwaren
(Kleidung) für Polen, Version
für Frauen, Kattowitz
(Katowice)
Die Lebensmittelzuteilungen im GG betrafen nur Beschäftigte und deren Familien in den
Städten (bzw. Personen, die als arbeitsunfähig klassifiziert wurden). Allerdings war das Brot
schlecht, weil es im Jahre 1940 verboten wurde, Weizenmehl zum Backen zu benutzen, das
Fleisch hatte ebenfalls eine schlechte Qualität, es wurde sogar Pferdefleisch verteilt. Die Dorfbevölkerung war von den Lebensmittelzuteilungen nicht betroffen, sondern musste sich selbst
mit Nahrung versorgen. Die Zuteilung der Kleidung verlief mit Hilfe der Bezugsscheine, die
von Kreis- und Stadtverwaltungen ausgegeben wurden. Seifenzuteilungen waren sehr klein.
Die Lebensmittelrationen wurden besonders im GG mit der Zeit immer kleiner. So bemerkten
Funktionäre der Besatzungsmacht im Jahre 1943, dass Beschäftigte im GG viel schlechter als
ausländische Arbeiter im Reich, aber auch als polnische und sowjetische Kriegsgefangene arbeiteten, weil sie viel schlechter versorgt waren. Es wurde noch im selben Jahr versucht, ihre
Situation ein wenig zu verbessern. Weil es an Allem fehlte und die gesamte Versorgung reglementiert war, blühte der Schwarzmarkt, wo praktisch alles erhältlich war: niederländische
Möbel, französisches Parfüm (von den aus Frankreich zurückkehrenden deutschen Soldaten)
und andere Luxuswaren. Das Ausmaß des illegalen Handels lässt sich nur erahnen. Es muss
aber unwahrscheinlich groß gewesen sein, denn es ist dokumentiert, dass selbst die deutschen Truppen ihre Proviantmängel durch Einkäufe auf dem Schwarzmarkt ausglichen. Auch
die habsüchtige deutsche Verwaltung war bestechlich und machte riesigen Profit mit illegalem
Güterverkehr.
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Spinnstoffkarte fűr Polen
(Knabenkarte) – nBezugskarte
für Webstoffe und Textilwaren
(Kleidung) für Polen, Version
für Knaben,
Bresslau (Wrocław)
Fahhradschein, Fűhrerschein – Das Benutzen von Transportmitteln, besonders auch
von öffentlichen Verkehrsmitteln, wurde während des Krieges sehr erschwert, vor allem durch
die deutschen Rassengesetze. So wurde auf dem Gebiet des Reiches das Fahrrad als Fortbewegungsmittel für polnische Staatsbürger unzugänglich gemacht. Die Polizei in Stettin verbot
das Benutzen von Fahrrädern endgültig. Im Wartheland war das Benutzen von Fahrrädern
nur möglich, wenn man eine Erlaubnis der Polizei hatte, die allerdings bei einem Arbeitsweg
von unter zwei Kilometern nicht erteilt wurde. Die Fahrräder der Polen mussten gelegentlich
auch bestimmte Markierungen haben - in Lissa (Leszno) zum Beispiel musste der Rahmen und
das hintere Schutzblech weiß bestrichen werden. Solche Einschränkungen wurden in den einverleibten Gebieten - in Schlesien und Pommern - nicht angewandt. Allerdings wurde das Benutzen von Fahrrädern indirekt eingeschränkt, so bekamen die polnischen Bürger nur wenig
Bereifung zugeteilt. Im letzten Kriegsjahr konnte man ein Rad nur bekommen, wenn der Weg
zur Arbeit fünf bis zehn Kilometer betrug. Die Anstellung in einem Fuhrbetrieb oder in einem
Unternehmen mit einem Bestand an Transportmitteln erforderte einen Führerschein. Der Unternehmer konnte seine Arbeiter auf einen Berufskurs schicken. Ein solcher Kurs wurde von
Ämtern bzw. dazu berechtigten Unternehmen organisiert. Berufsschulungen jedoch mussten
von den Arbeitern zwangsweise besucht werden. An solchen Schulungen sollte teilgenommen
werden, wenn ein Angestellter zusätzliche Qualifikationen benötigte, um in einer höheren Position zu arbeiten, so konnte z.B. der Helfer eines Fahrers selbst zum Fahrer werden.
Fahhradschein – Vogelfeld,
Kreis Kalisch, Wartheland
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Fűhrerschein – Kreis Arnswalde
(Choszczno)
Briefwechsel – Während der ganzen Zeit des Krieges unterlag die Korrespondenz der
Zwangsarbeiter, die nach Deutschland deportiert wurden, einer strengen Kontrolle. Bis 1940
wurde diese stichprobenartige Kontrolle durch die Gestapo durchgeführt. 1941 entstand in
jedem Administrationsbezirk eine Auslandsbriefprüfstelle, die mit der Polizei zusammenarbeitete. Es wurde besonders auf Informationen über das Militär, Schutzobjekte und die Atmosphäre im Reich geachtet. Es war auch verboten, über die Bedingungen der Zwangsarbeit zu
berichten. In der Praxis befolgten die Arbeiter aber besonders die im letzten Punkt genannte
Regel nicht. Als in Polen dadurch bekannt wurde, wie die „Arbeit“ im Deutschen Reich wirklich
aussieht, meldeten sich kaum noch Polen freiwillig zur Arbeit im Reich. Der Ton in vielen Briefen war ziemlich frei und es fehlte nicht an bissigen Bemerkungen über die deutschen Arbeitgeber. Größer war die Korrespondenzfreiheit bei denen, die außerhalb der Sammellager oder
in der Nähe der Fabriken untergebracht waren. Dort war häufig nur das Verschicken von einem
Brief pro Monat erlaubt. Manchmal wurden auch zweiteilige Postkarten an die Zwangsarbeiter
verteilt. Diese „Formulare“ waren auch gleichzeitig für die Antwortschreiben bestimmt, d.h.
die gleiche Postkarte kam mit einer kurzen Antwort im dafür vorbereiteten Feld zurück. Diese Praxis erinnerte stark an den Briefwechsel in Gefangenen- oder Konzentrationslagern. Auf
solche Postkarten konnte man nur eine eingeschränkte Anzahl von Wörtern schreiben. Den
Polen wurde es auch verboten, Ansichtskarten zu verschicken, wobei sie auch dieses Gesetz
oft nicht respektierten. Eine zusätzliche Verschärfung der Regelungen war das Zerstören von
Briefen und Postkarten, wenn sie undeutlich oder unleserlich waren. Dadurch kam ein Teil der
Sendungen nie bei den Adressaten an. Für viele Deportierte, die nur die Grundschule besucht
hatten und im Alltag die Schrift nicht benutzten, d.h. für Personen die dem Schreiben noch
nicht mächtig waren, bedeutete dies den Kontaktabbruch mit der Familie; ähnlich war dies
bei Kindern.
Postkarte – einer Zwangsarbeiterin aus Calw, Schwarzwald
an ihren Vater, der sich in Sochaczew aufhielt, GG (mit der
Zustimmung der Rücksendung
an den Sender)
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Rückseite einer Ansichtskarte –
verschickt durch eine Zwangsarbeiterin aus Steinbach am
Attersee zu ihren Nächsten in
Lowitsch (Łowicz), GG
Ein interessantes Dokument ist das abgebildete Telegramm. Aufgegeben wurde
es aus dem Kreis Ostrowo an eine Zwangsarbeiterin, die auf dem Landgut Bonfeld im Kreis
Heidenheim angestellt war. Das Telegramm informierte sie über den Tod ihres Vaters und
den angesetzten Termin der Beerdigung (Donnerstag 8 Uhr nachmittags). Der Absender war
ihre Mutter. Unten befindet sich eine Aufschrift: Beglaubigt der Amtskommissar Görsch. Auf
Grundlage der in Deutschland geltenden Gesetze für polnische Zwangsarbeiter, konnte eine
Benachrichtigung per Telegramm über den Tod einer nahe stehenden Person der Grund für
besonderen Urlaub sein. So ein Telegramm musste jedoch einen Vermerk der Polizei oder
Gestapo aus dem Wohnort des Absenders haben. Dieser galt als Bestätigung des Todesfalls
(Beglaubigung vom Amtskommissars Görsch). Dabei herrschte allerdings Willkür der Polizei
oder Gestapo, denn diese richteten sich bei einer eventuellen Zustimmung nach der politischen Beurteilung des Verstorbenen bzw. nach der Beurteilung seiner Familie. Es wurde keine
Bestätigung ausgestellt, wenn der Tod Ergebnis der deutschen Repression oder des Handeln
der Wehrmacht bzw. SS war. Sogar im Falle einer positiven Beurteilung der Polizei konnte das
Arbeitsamt den Urlaub ablehnen. Urlaub dieser Art wurde nur selten erteilt.
Telegramm – das eine in
Bonfeld im Kreis Heidenheim
angestellte Zwangsarbeiterin
über den Tod ihres Vaters und
den Termin der Beerdigung
informiert
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Bescheinigung – über die Registrierung und den Aufenthalt
im Lager Mackensen für DPs,
Karlsruhe
Die Nachkriegsdokumente der alliierten Mächte – das Ende des Krieges war verbunden mit der Ausstellung von Dokumenten, deren Aussteller die in Deutschland Aufsicht
führenden alliierten Mächte waren. Dies waren vor allem Anmeldebestätigungen, Passierscheine, vorläufige Identifikationsdokumente, Ausweise usw. Hilfe für Millionen von Menschen, die sich bei Ende des Krieges auf Gebieten Deutschlands befanden, kam von internationalen Organisationen, sowie den Militärs der Alliierten. Die Hilfe für die alliierten Länder, die
am meisten durch den Krieg betroffen waren, wurde teilweise durch das am 9.November 1943
berufene Programm United Nations Relief and Rehabilition Administration (UNRRA) geleistet,
das bis 1947 arbeitete (ab 1945 im Rahmen der UNO). Die Tätigkeiten der UNRRA beinhalteten
unter anderem Versorgung mit Nahrung und andere materielle Hilfe, die Wiedergabe der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen oder die Organisation von speziellen Lagern
für so genannte Displaced Persons (DP). DPs waren Personen, die sich infolge der Kriegshandlungen außerhalb ihrer Heimat befanden, aber dorthin zurückkehren bzw. sich neu ansiedeln
wollten, dies jedoch ohne fremde Hilfe nicht tun konnten. Die Nachkriegsdokumente der Alliierten enthalten häufig Vermerke des Staatlichen Repatriierungsamts (PUR) bzw. der Institutionen der sozialen Fürsorge.
Zeitweilige Registrierungskarte – einer Person durch die
alliierten Besatzungsmächte
Passierschein für zwangsverschickte Personen – eines
Lager für DPs, Heilbronn
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Registrierungskarte – für die
DPs
Passierschein des Staatlichen
Repatriierungsamts (PUR) –
(Vorlage Nr. 1)
Dokumente des Staatlichen Repatriierungsamts (PUR) – Die Aufgabe dieses Amtes war es, nach dem Krieg, die Repatriierungen der polnischen Bevölkerung in die Heimat zu
organisieren (nicht nur aus deutschen Territorien). Weiter war es auch für die Umsiedlungen
der „Fremdbevölkerung“ aus Polen verantwortlich, z.B. nach Deutschland oder in die Sowjetunion. Dieses Amt musste den Repatriierten und Umgesiedelten also den Transport, Verpflegung, eine Unterkunft, medizinische Fürsorge, sowie sanitäre Einrichtungen bis zur Ankunft
absichern. Das PUR wurde auf Grund des Dekrets vom 7. Oktober 1944 berufen und war dem
Vorsitz des Polski Komitet Wyzwolenia Narodowego (PKWN, zu deutsch: Polnisches Komitee
der Nationalen Befreiung) untergeordnet. Ab dem 7. Mai 1945 jedoch, war es dem Ministerium für öffentliche Verwaltung untergeordnet. Am 13. Dezember 1945 wurde das PUR dem
Ministerium der Wiedergewonnenen Gebiete eingegliedert. Nachdem dieses Ministerium wiederum im Januar 1949 aufgelöst wurde, war das PUR von April 1949 bis Ende März 1951 dem
Premierminister unterstellt. Das PUR stellte viele Dokumente aus, dies half gleichzeitig bei
der Erfassung der rückkehren Bevölkerung. Am häufigsten waren dies Passierscheine und Bescheinigungen, die zur kostenlosen Durchreise bis zum Zielort berechtigten. Diese Dokumente
waren später auch die Grundlage für die Ausstellung eines Personalausweises. Die Anmeldung
33
Passierschein des Staatlichen
Repatriierungsamts (PUR) –
(Vorlage Nr. 2)
Bescheinigung des Staatlichen
Repatriierungsamts (PUR) – ermöglichte einem Repatriierten
eine ermäßigte Fahrt
erfolgte an Stellen, die verteilt an den Ländergrenzen waren (Repatriierungspunkte), obwohl
die Verwaltung des PURs auch auf dem Territorium des Kreises funktionierte. Der Übergang
durch die Repatriierungspunkte wurde durch Vermerke und mit einem Stempel auf den Dokumenten der angemeldeten Personen durch das PUR bestätigt. Diese Bescheinigungen wurden
auch durch die alliierten Mächte ausgestellt. In Polen beschäftigte sich der Generalbevollmächtigte der Regierung für Repatriirung mit der Organisation der Heimkehr. Ab dem Zeitpunkt
seiner Ernennung wurden die Aufgaben des PURs eingeschränkt und so war es nur noch für
die Organisation der Transporte im polnischen Territorium verantwortlich.
34
Fotografien – im Falle der Zwangsarbeiter kann in die institutionelle und in die nicht institutionelle Fotodokumente eingeteilt werden. Institutionelle Fotografien sind hauptsächlich durch die deutschen Arbeitsämter und polizeilichen Organe gemacht worden. Es handelt
sich um Porträts, also Identifikationsfotos (ihre Eigenschaften wurden im Punkt Arbeitsbuch
bereits angesprochen), Personalausweise und Dokumente über die Beschäftigung. Nicht institutionelle Dokumente sind meist Fotografien „der Opfer“, also Fotos, die den Alltag der
Zwangsarbeiter dokumentieren. Sie wurden häufig von den Arbeitgebern oder Aufsehern gemacht. Von „den Opfern“ selbst gemachte Fotos, kommen eher selten vor, denn die in das
Reich Deportierten durften keine Fotoapparate besitzen.
Zwangsarbeiter, Beschäftigte
der Stahlwerke, Linz,
Februar 1944 – April 1945
Arbeit zugunsten der Deutschen Reichsbahn, Gegend um
Tarnopol
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Zwangsarbeit in der Landwirtschaft, Hildesheim
Zwangsarbeit in einer Baufirma, Feldkirch
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III. Jeńcy wojenni
Personalkarte – Die Personalkarte eines Kriegsgefangenen bestätigte seine Registrierung
im Strafgefangenenlager (Stalag). Sie enthielt außer den Personalien und der Lagernummer
(die bei der Aufnahme in ein anderes Lager geändert wurde) Informationen über das Datum
und den Ort der Gefangennahme, die militärische Zuteilung, den Beruf, Informationen über
den Gesundheitszustand und die Adressen der Familienmitglieder. Weitere Bezeichnungen
des Stalags, sowie die Lagernummern, wurden in der rechten oberen Ecke der Karte eingetragen. Die Personalkarte wurde immer nach dem gleichen Schema angefertigt und „folgte“ dem
Gefangenen, wenn er in ein anderes Stalag oder Offizierslager (Oflag) kam. Aufbewahrt wurde
sie in einer Kartei. Der Gefangene konnte die Personalkarte erst nach der Befreiung der Lager
durch die Alliierten oder nach der Flucht des deutschen Personals erhalten.
Es ist eine Personalkarte eines Jugendlichen abgebildet. Einem Soldat der Heimatarmee, der
auch Teilnehmer des Warschauer Aufstands war, der zuerst in das Gefangenenlager in Lamsdorf (Łambinowice) kam (Stammlager 318, 344) und danach in das Stalag IVB (Mühlberg-Elbe).
Auf der Rückseite der Karte befinden sich Anmerkungen über die Überweisung des Gefangenen zur Arbeit im Rahmen des Arbeitskommandos (K.D Chemnitz) und über den Namen seines
Arbeitsplatzes. Das internationale Recht genehmigte es die gefangenen Soldaten zur Arbeit
zu schicken, jedoch unter der Bedingung, dass die Arbeit nicht über ihre Kräfte ging und nicht
mit der Kriegsführung verbunden war. Die Gefangenen konnten also nicht in der Rüstungsindustrie, auf Truppenübungsplätzen oder beim Transport der Munition arbeiten. In Wirklichkeit
wurden diese Regeln jedoch oft gebrochen. So wurden im Falle der Warschauer Aufständischen in Chemnitz in der Munitionsfabrik V1 Soldatinnen der Heimatarmee angestellt, außerdem arbeiteten jugendliche Gefangene in Goslar in einer Glasfabrik, wo gläserne Mäntel für die
Rumpfnase von Flugzeugen gefertigt wurden.
Personalkarte – eines Häftlings
des Gefangenenlager Stammlager 318, 344 in Lamsdorf um
des Stalags IVB (MühlbergElbe)
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Verpflichtungsschein – war ein Dokument, das für Schützen und Unteroffiziere ausgestellt wurde. Sie wurden aus den Stalags entlassen, um in die Zwangsarbeit zu geschickt zu
werden. Formal wurde diese Aktion durch ein Dekret Hitlers im Mai 1940 initiiert und dauerte bis Ende dieses Jahres. Jeder Entlassene musste die Verpflichtung unterschreiben, dass er
nach dem Verlassen des Stalags im Reich bleibt und sich dem Arbeitsamt zur Verfügung stellt.
Diese theoretisch freie Erklärung wurde praktisch jedoch zum Zwang. Mit dem Versprechen
höherer Löhne, der Verbesserung der Verpflegung, der Möglichkeit des Urlaubs und des Besuchs bei Verwandten und Freunden versuchte man den Gefangenen zum Unterschreiben des
Verpflichtungsscheins zu überreden. Wenn der „Noch-Häftling“ nicht einwilligte, kam es zu
Schikanen und es wurde sogar geprügelt. Mit dem Einverständnis mit den von den Deutschen
vorgeschlagenen Bedingungen, verlor der Gefangene zum einen die Kriegsgefangenenrechte
und zum anderen auch die Fürsorge des Roten Kreuzes, außerdem das Privileg, Pakete zu erhalten. Oft lehnten die Soldaten die Bestimmungen des Verpflichtungsscheins aber auch aus
patriotischen Beweggründen ab. Das Handeln der deutschen Verwaltung stand in Widerspruch
mit der Genfer Konvention aus dem Jahr 1929, die von der Reichsregierung im Jahr 1934 ratifiziert wurde. Die Bereitstellung einer so großen Anzahl von Personen zur freien Verfügung der
Arbeitsämter, war eine große Unterstützung der Reichswirtschaft, denn der fehlte es langsam
an Arbeitskräften. Die Erfassung in den Arbeitsämtern machte auch die polizeiliche und administrative Kontrolle über die Entlassenen leichter und entlastete außerdem die Wehrmacht,
unter deren Verwaltung sich damals die Kriegsgefangenenlager befanden.
Verpflichtungsschein – Dokument der Entlassung aus der
Kriegsgefangenschaft, unter
der Bedingung des Übergangs
zum Status eines Zivilarbeiters,
Stalag IIIA Luckenwalde
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Briefwechsel – Es gibt zwei Arten von Briefen der Kriegsgefangenen. Zum einen Briefe mit
amtlichen und zum anderen mit einem amtlich-privaten Charakter. Eine Todesanzeige ist ein gutes Beispiel amtlicher Briefsendungen. Dieses Dokument, das an das Standesamt in Wołownia
im Kreis Suwałki gerichtet war (damals zu Ostpreußen eingegliedert), informiert über den Tod
eines im Militärkrankenhaus in Lötzen verstorbenen Kriegsgefangenen. Die Todesanzeige betrifft einen Soldaten, der im September 1939 während des Einmarsches der Deutschen in Polen
gekämpft hat (in Gefangenenlagern und –krankenhäuser kamen 10000 Veteranen ums Leben,
die während der Verteidigungskämpfe beim Überfall auf Polen verletzt wurden). Außer den
Personendaten und der Todesursache, gibt das Dokument auch Aufschluss über die Verwandten des Verstorbenen, sowie darüber, welchem Truppenteil er angehörte.
Todesanzeige – eines Kriegsgefangenen, der im Notmilitärlazarett in Lötzen (Giżycko)
behandelt wurde, gerichtet an
des Standesamt in Wołownia,
Kreis Suwałki (damals eingegliedert zu Ostpreußen)
Private Briefe der Gefangenen sind viel mehr eine Mischform amtlicher und privater Bestandteile. Ihr offizieller Teil besteht in der Formalisierung des Schriftstücks, sowie in der Beschränkung, die die Korrespondenzprinzipien vorschreiben. Nach der ersten Anmeldung im Stalag
wurde den Kriegsgefangenen eine spezielle Karte verteilt. Auf dieser waren auf Polnisch und
auf Deutsch Information für die Verwandten des Gefangenen abgedruckt. Es stand darauf geschrieben, dass ihr Angehöriger in Gefangenschaft geraten ist. Weiterhin wurde noch über
seinen Gesundheitszustand berichtet. Außer des Namens, des Vornamens und dem Truppenteil, dem der Gefangene einst angehörte, wurde nichts weiter auf dieses Stück Papier eingetragen. Das war der erste Brief des Soldaten aus dem Lager, oft war das gar der erste Kontakt,
seitdem er in Gefangenschaft geraten war, weil in Durchgangslagern die Möglichkeit, Briefe
zu senden, nicht bestand. Danach durfte er einmal in der Woche eine spezielle Karte bzw. einen zusammengeklappten Briefvordruck mit sieben oder 25 Linien für den Inhalt bekommen.
1940 wurde das Briefformular zum zweiteiligen Druck vereinheitlicht. Es hatte 21 Linien, auf
denen der Empfänger auch gleichzeitig die Antwort schreiben konnte. Ein solches Formular
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beinhaltete auch Anweisungen über die Art und Weise des Antwortgebens und wurde ohne
Umschlag verschickt. Die Briefformulare wurden aus Kreidepapier hergestellt, was die Erkennung von eventuellen Eintragungen mit Geheimtinte erleichtern sollte. Der Briefinhalt stellte
den individuellen Bestandteil dar, der allerdings aufgrund vieler Regeln und Einschränkungen
stark verkürzt war. Im Gegenteil zu Briefen aus Konzentrationslagern wurden Schreiben aus
den Gefangenenlagern in der Muttersprache verfasst. Jedoch unterlagen auch diese Briefe der
Zensur, die von Deutschen, Volksdeutschen oder manchmal auch Ukrainern durchgeführt wurde. Briefe mit Informationen über die Lagersituation, die Ausstattung oder militärische Angelegenheiten wurden konfisziert und vernichtet. Die Kriegsgefangenen konnten aber auch für die
Weitergabe solcher Informationen zur Verantwortung gezogen werden. Zensierte Briefe wurden mit dem Stempel „Geprüft“ gekennzeichnet. Der runde Stempel der Lagerkommandantur zeugte von zusätzlichen Stichprobekontrollen, die der Untersuchung der Stimmungen im
Lager, aber auch der Kontrolle der Zensoren diente. Sendungen von Außen gingen auch durch
die Prüfung. Briefe aus Oflags und Stlags waren durch die Aufschrift „Kriegsgefangenenpost“
von der Gebühr befreit. Wenn die Gefangenen außerhalb des Lagers in einem Arbeitskommando arbeiteten, nahmen ihre Briefe den Weg über das Stammlager.
Antwort-Postkarte – eines
Oflag-Gefangenen (der
abgebildete Teil ist vom Briefformular – dem Schreiben
des Gefangenen – abgetrennt
worden und diente als Antwortformular)
Briefkarte – eines Kriegsgefangenen, Stalag XI/B
Fallingbostel
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Dokumente der Alliierten aus der Nachkriegszeit – im Fall der Kriegsgefangenen
entsprachen diese teilweise den Dokumenten, die den Zwangsarbeitern ausgegeben wurden.
Mit der Organisation des Aufenthaltes der ehemaligen Soldaten in Deutschland beschäftigten
sich die Verwaltungsstellen der (alliierten) Militärs. Soldaten wurden in besonderen Militärlagern einquartiert. Als typisches Dokument eines ehemaligen Stalag-Gefangenen galt der „Ausweis eines ehemaligen Kriegsgefangenen“. Er funktionierte auch als Passierschein.
Ausweis – eines ehemaligen
Kriegsgefangenen aus dem
Stalag IXA Ziegenheim
Passierschein – aus dem Polnischen Militärlager, HannoverStöcken
Dokumente des staatlichen Repatriierungsamts (PUR) – Die Dokumente die das
PUR den ehemaligen Gefangenen ausstellte, ähnelten stark denen, die auch den heimkommenden Zwangsarbeitern und anderen Repatriierten ausgestellt wurden. Für Personen mit
militärischer Vergangenheit gab es während der Registrierung durch das PUR spezielle Verhöre durch Beamte des polnischen Amts für Staatssicherheit. Dies betraf besonders die Soldaten
der polnischen Armee, die im Westen zusammen mit den Alliierten gekämpft haben, Angehörige der Heimatarmee aus dem Untergrund und jene, die in der Vorkriegszeit im Geheimdienst
tätig waren. An der Vorbereitung und Durchführung der Repatriierungen ehemaliger Soldaten
nach Polen waren auch die polnische Militärvertretungen beteiligt.
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IV. Häftlinge der Konzentrationslager
Häftlings-Personal-Karte – sie wurde im Moment der Aufnahme ins Lager in der Aufnahme- und Entlassungsstelle ausgestellt und in der Lagerkartei aufbewahrt. Abgebildet ist
eine Karte eines Häftlings des KZs Gross-Rosen. Sie enthielt Personendaten, Information über
die Nationalität, die Häftlingsnummer (die in einem anderen Lager verändert wurde) und den
Winkel, also die Kategorie des Häftlings (hier: Sch vom Schutzhaftbefehl), die Familienadresse, eine Personenbeschreibung, einige Polizeidateien, eventuelle Daten über Aufenthalte in
anderen KZs. Bei der Beispielkarte wurden viele Felder nicht ausgefüllt, weil Daten fehlten. Die
Häftlings-Personal-Karte hatte Standardmuster und sie war ein Dokument, das dem Häftling
„hinterher wanderte”, wenn er in andere Lager deportiert wurde. In den Besitz dieser Karte
konnte der Gefangene nach dem Krieg nur durch Zufall gelangen, z.B. im Zeitpunkt der Befreiung des Lagers, weil damals Chaos herrschte.
Häftlings-Personal-Karte - KZ
Gross-Rosen
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Entlassungsschein – Bestätigung der Entlassung eines Häftlings. Entlassungen aus dem
Konzentrationslager gab es sehr selten. Sie konnten z.B. im Fall der Aufhebung eines Schutzhaftbefehls oder der Vorbeugehaft durch Gestapo oder Kripo bedingt werden. Wenn sich eine
der beiden Polizeistellen für eine Aufhebung entschied, wurde im Lager die Entlassungsprozedur durchgeführt. Über diesen Prozess wachte die Aufnahme- und Entlassungsstelle und
sie fertigte die entsprechenden Dokumente an. Über den Termin der Entlassung wurden die
entsprechenden Polizeistellen im Heimatort des Häftlings informiert, weil der Entlassene noch
weiterhin beobachtet werden sollte. Der Entlassene musste sich (zunächst) bei einer bestimmten Gestapostelle melden. Im Beispielfall musste der aus dem KZ Mauthausen Entlassene in
Stapoaußenstelle in Gnesen (Gniezno) erscheinen.
Entlassungsschein – KZ Mauthausen
Oft kannte der Häftling die Gründe seiner Entlassung nicht. Manchmal war diese Resultat der
Bemühungen der Familie außerhalb des Lagers, entsprechende Gestapo- oder Kripofunktionäre zu erreichen und sie mittels Bestechung dazu zu „überreden“, den Schutzhaftbefehl oder
die Vorbeugehaft aufzuheben. Darum bemühten sich auch wichtige internationale Organisationen. Vor dem Verlassen des Lagers standen die Häftlinge unter Quarantäne, in der sie besser
behandelt wurden. Sie mussten sich auch einer ärztlichen Untersuchung unterziehen, die die
Entlassung verspäten konnte, wenn sie zu sehr geschwächt oder verletzt waren. Bei der Entlassung wurde den Häftlingen die Kleidung ausgegeben, die ihnen bei der Aufnahme ins Lager
weggenommen wurde. Sie mussten sich auch schriftlich dazu verpflichten, dass sie das, was
sie im Lager gesehen hatten, geheim halten. Daran erinnerte man die Freigelassenen auch immer wieder während der Besuche bei der Gestapo im Wohnort. Die Strenge der polizeilichen
Aufsicht ließ nach der Aufnahme einer Arbeit, zu der die Entlassenen verpflichtet waren, nach.
Die Entlassung war eine gewöhnliche Prozedur für die Erziehungshäftlinge, die nach 56-tägigen Strafe im KZ für die Verletzung der Arbeitsordnung aus dem Lager entlassen wurden.
Danach kamen sie zu ihrem Arbeitsort zurück oder blieben dem Arbeitsamt zur Verfügung.
Sterbuerkunde – Dieses Beispieldokument wurde vom Standesamt des KZs Auschwitz
ausgestellt und bestätigt den Tod eines dort isolierten Häftlings. Weil man die wirkliche Rolle
der KZs verheimlichen wollte, gab es innerhalb dieser Lager Verwaltungsorgane, die die Aufgaben und Kompetenzen der entsprechenden Institutionen außerhalb des Lagers übernahmen. In der Anfangsphase des Bestehens vom KZ Auschwitz beschäftigte sich das Standesamt in Bielsk mit den zivilen Dokumenten der Häftlinge. Es stellte u.a. Sterbeurkunden aus
und benachrichtigte die Familien über den Tod eines Häftlings. Im Jahre 1943 entstand aber
ein eigenes Standesamt auf dem Lagergebiet. Es wurde vom Unteroffizier SS mit dem Titel
des Standesbeamten geleitet. Die am meisten ausgebaute Abteilung des Lagerstandesamtes
war die Abteilung für Todesfälle. Diese Abteilung führte chronologisch das Todesbuch und
die Kartei der verstorbenen Häftlinge, auf Grund derer Dokumente für die Familie, staatliche
und kirchliche Verwaltung ausgestellt wurden. Seine Rolle bestand auch in der Ausstellung gefälschter Dokumente über den Tod der Häftlinge (am häufigsten wurde der natürliche Tod als
Todesursache angegeben). Über direkt in die Gaskammer geschickten Personen wurde nicht
Buch geführt.
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Sterbeurkunde – KZ Auschwitz
(ausgestellt vom
Lagersstandesamt)
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Briefwechsel – ähnlich wie im Fall der Briefsendungen, die aus den Sammellagern und
den Gefangenenlagern geschickt wurden, gab es in Konzentrationslagern zum einen Briefe
mit amtlichen (v.a. Sterbeurkunden) und zum anderen Schreiben mit einem amtlich-privaten
Charakter (Briefe von Häftlingen – vgl. auch Briefwechsel von Kriegsgefangenen). Der Briefwechsel wurde jedoch aufgrund der Lagervorschriften sehr stark formalisiert. In den Lagern
gab es eigene Poststellen. Den Häftlingen wurde das Senden und Empfangen von Briefen oder
Postkarten einmal in zwei Wochen erlaubt. Eine Ausnahme gab es für die Gefangenen, die erneut inhaftiert waren, sie hatten lediglich das Recht zu nur einem Brief pro Monat. Einschränkungen betrafen auch Juden. Das Verbot, Briefe zu bekommen und vor allem zu senden betraf
sowjetische Kriegsgefangene, Personen, die durch Vorgehen der SS oder Gestapo gegen den
Widerstand im Untergrund inhaftiert wurden und Personen, deren Familien in den von den
Deutschen befreiten Gebieten wohnten. Ein solches Verbot konnte auch durch Behörde, die
den Häftling in das KZ eingewiesen hatte oder durch die Lagerleitung als Regelstrafe verhängt
werden. Die Adresse, an die die Postsendungen eines Häftlings gerichtet waren, wurde vom
Gefangenen während der Aufnahme zu Protokoll gegeben und konnte nicht ohne Einverständnis des Lagerleiters verändert werden. Um einen Brief zu senden, sollte sie ein Briefvordruck und eine Briefmarke in der Lagerkantine gekauft werden. Das Geld für den Kauf dieser
Dinge konnte der Gefangene aus der Lagerdepotkammer abholen, vorausgesetzt, er hat im
Moment der Aufnahme ins Lager dort Geld hinterlassen. Wenn die Häftlinge kein Geld besaßen, mussten sie ihr Brot gegen Geld anderer Häftlinge eintauschen, um „Briefpapier“ und
Briefmarken zu erstehen. Manchmal kam es vor, dass ältere Häftlinge Briefvordrucke sowie
Telegramm – in dem die
Ehefrau eines verstorbenen
Häftlings über seinen Tod im
KZ Auschwitz informiert wird
Briefmarken für die Zugänge organisierten, damit diese ihren Familien so schnell wie möglich
über ihr Schicksal Bescheid geben konnten. Die Briefe wurden nur in deutscher Sprache verfasst. Häftlinge, die dieser Sprache nicht mächtig waren, mussten sich auf einige einfachste
Wendungen beschränken oder sie waren auf die Hilfe ihrer Kollegen angewiesen, die Deutsch
schrieben. Die Blockältesten erinnerten die Häftlinge daran, dass sie am Briefende den Satz
„Ich bin gesund und fühle mich gut.“ schreiben mussten. In den KZs wurden verschiedene
Briefdrucke verwandt und bis 1943 hatte eigentlich jedes Lager eigene Muster. Eine Gemeinsamkeit aller Formulare war allerdings eine abgedruckte Information über Vorschriften des
Briefeschreibens für den Häftling und auch der Aufdruck des Lagernamens. Briefvordrucke
waren liniert. In jeder Linie durfte nur eine beschränkte Zahl von Wörtern geschrieben werden.
Wenn die Familie eine Antwort senden wollte, musste auch sie diese Vorschriften berücksichtigen. So durfte die Antwort auf einen Brief aus dem Lager im Jahr 1942 lediglich 15 Linien haben.
Der Brief musste mit deutlicher Handschrift ebenfalls in Deutsch geschrieben werden. 1943
wurde das Briefvordrucksystem vereinheitlicht und von allen KZs gleichermaßen angewandt.
Es gab ab diesem Zeitpunkt ein zweiseitiges Formular. Auf der Außenseite dieser Klappkarte wurden Adressdaten des Empfängers und des Häftlings, sowie der Name des Lagers von
Hand geschrieben. Die Innenseite war dem Briefinhalt vorbehalten. Auf dem Formular wurde
der Lagername nicht vorgedruckt. Das neue Formular war auch nur halb so groß wie das früher gebräuchliche. Der Brief durfte nicht mit Bleistift geschrieben werden, sondern musste
mit Tinte zu Papier gebracht werden. Wenn der Briefdruck leserlich ausgefüllt war und keine
Durchstreichungen enthielt, lieferte ihn der Blockälteste in der Kanzlei ab, wo er in die Hände
der Zensoren gelangte. Abhängig vom verwendeten Formular, schnitt der Zensor verdächtige
Stellen aus oder kreiste diese mit einem Stift ein. Danach wurden diese Briefe mit dem Stempel
Geprüft versehen. Durch das neue Formular wurden ab 1943 nur Markierungen gemacht, weil
das Ausschneiden nicht mehr möglich war. Die Zahl der gesendeten und empfangenen Briefe
wurde in der jeweiligen Blockkartei und in der Zensurkartei erfasst. Das Verfassen von Inhalt,
der als verdächtig betrachtet wurde, konnte ein Ermittlungsverfahren und eine Strafe zur Folge haben. Mit dem Versand des Briefes beschäftigte sich die Lagerpost. Die ankommenden
Briefe liefen den umgekehrten Weg und mussten auch die Lagerzensur passieren.
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Brief eines Häftlings – des KZs
Sachsenhausen an seine Verwandten, verfasst auf einem
Briefformular nach der Vorlage
von 1943
Nachkriegsdokumente der alliierten Besatzungsmächte – Nachkriegsdokumente der alliierten Besatzungsmächte – vgl. mit Dokumenten der Alliierten für Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Die ehemaligen Häftlinge der KZs wollten eine besondere Stellung
im Gegensatz zu anderen Deportierten haben. Weil sie so gelitten hatten, wurden sie mit besonderer Fürsorge behandelt. Die Überreste der Dokumente aus damaliger Zeit sind z.B. hier
abgebildete Ausweise der KZ-Häftlinge.
Dokumente des Staatlichen Repatriierungsamtes (PUR) – vgl. Dokumente des
PUR für Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene.
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Personalausweise – ausgestellt
für die ehemaligen weiblichen
Häftlinge der deutschen KZs
vom Polnischen Verband der
ehemaligen KZ-Häftlinge – für
die Mutter, inhaftiert im KZ
Ravensbrück und KZ BergenBelsen und die Tochter, die
im KZ Bergen-Belsen kurz vor
seiner Befreiung zur Welt kam
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Projekt został zrealizowany przez:
Fundacja Polsko-Niemieckie
POJEDNANIE
Stiftung Polnisch-Deutsche
AUSSÖHNUNG
Wsparcie finansowe:
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