Ni hao China!

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Ni hao China!
karriereführer handel
2009.2010
Ausland
Reportage:
Ni hao China!
Hallo China!
Das Reich der Mitte hat es Florian Piel angetan, obwohl er ursprünglich
gar nicht dorthin wollte. Heute ist der 28-Jährige froh, dass es anders
gekommen ist. Seine Faszination für das Land, die Leute und den Job ist
ungetrübt – trotz oder gerade wegen der kulturellen Unterschiede.
Florian Piel, 1980 in Hanau geboren,
studierte Wirtschaftsinformatik an der
Otto-Friedrich-Universität in Bamberg.
Nach seinem Abschluss im Jahr 2007
fing er als IT/Application Manager bei
CWS-boco Laundry and Hygiene Services
in Shanghai an.
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Dass ich seit über drei Jahren in China
lebe, habe ich einem Zufall zu verdanken: Als ich 2003 nach meinem Vordiplom ein Praktikum im Ausland
machen wollte, sollte die Reise eigentlich nach Thailand gehen. Mein Praktikumsplatz bei einem deutschen Chemieunternehmen war längst bestätigt
– dann kam einen Monat vor der Abreise die Asienkrise dazwischen. Das Praktikum in Thailand, das besonders stark
von der Krise betroffen war, hatte sich
erledigt. Nach langem Hin und Her
und mit einer riesigen Portion Glück
konnte ich zwei Wochen vor dem
geplanten Abflug doch noch ein Praktikum ergattern: im deutschen Wirtschaftsbüro in Taipeh. Damals habe ich
es nicht für möglich gehalten, dass ich
zu Asien eine so tiefe Verbundenheit
entwickeln würde. Inzwischen habe ich
mehrere Sprachkurse absolviert, ein
Semester an der Taiwan Normal Uni-
versity studiert, meine Diplomarbeit in
Wirtschaftsinformatik in Zhongshan –
etwa eineinhalb Stunden von Hongkong entfernt – geschrieben und
meine taiwanesische Frau geheiratet.
Gut vorbereitet
Seit anderthalb Jahren lebe und arbeite ich in Shanghai, was ich wahrscheinlich auch in den nächsten zwei Jahren
tun werde. Meinen Job bei CWS-boco,
einem der international führenden
Anbieter für Waschraumhygiene,
Schmutzfangmatten und textile
Dienstleistungen, habe ich sofort nach
meinem Studienabschluss gefunden.
Das Unternehmen, das zum Duisburger Handels- und Dienstleistungskonzern Haniel gehört, hatte im Frühjahr
2007 beschlossen, künftig auch in
Asien Geschäfte zu machen. Für den
Aufbau der ersten Wäscherei in China
brauchte CWS-boco Mitarbeiter mit
Dauer Direktflug:
10,5 Std. Shanghai – Frankfurt, 12 Std.
Frankfurt – Shanghai
Zeitverschiebung:
GMT+8 Stunden
Währung:
CNY – Chinese Yuan (genannt RMB –
Renminbi)
Verkehrsmittel:
Bus: 0,20 Euro, Taxi: 3 Euro für eine 10 km
lange Fahrt, Kosten für ein Pkw-Nummernschild: knapp 4000 Euro (In Shanghai ist die Erlaubnis, das Auto im Straßenverkehr einsetzen zu dürfen, teurer
als ein Kleinwagen.)
Aufenthaltsgenehmigung:
Ein Arbeitsvisum bekommt man nur mit
hohem Aufwand. In Shanghai wird ein
Gesundheits-Check verlangt.
Essen:
Gebratene Nudeln am Straßenrand für
0,30 Euro, Sonntagsbrunch im „Four Seasons“ für 50 Euro. Durchschnittlich zahlt
man für ein Essen in einem „normalen“
Restaurant 5 Euro.
Miete:
50 Euro für ein fensterloses Zimmer mit
10 m2 in der Nähe der CWS-boco
Wäscherei, bis zu 4000 Euro für ein 250
m2 großes Haus in Shanghai Stadt. Florian Piel wohnt für 750 Euro in einem
Mindestlohn:
105 Euro im Monat
Einwohner Shanghai:
offiziell 18 Millionen, geschätzt knapp 26
Millionen
China
Erfahrungen im Reich der Mitte. Und
ich suchte einen Arbeitgeber, der mir
dort mindestens für die nächsten zwei
Jahre eine Perspektive bietet.
cation Manager. Ich befasse mich
jeweils zu 40 Prozent mit Aufgaben
aus dem IT- beziehungsweise Controlling-Bereich. 20 Prozent meiner
Arbeitszeit entfallen auf spezielle Aufgaben. Zum Beispiel war ich als Projektmanager für die Verleihung des
RAL-Gütesiegels zuständig. Dieses
Qualitäts- und Hygienezertifikat bestätigt seit August 2008, dass unsere
Wäscherei den höchsten internationalen Standards genügt. Durch spezielle
Verfahren zur Wärmerückgewinnung
senkt CWS-boco zum Beispiel den
Energieverbrauch um bis zu 40 Prozent. Außerdem wird bei besonders
niedriger Temperatur und mit umweltverträglichen Zusätzen gewaschen.
Dank eines ressourcenschonenden Systems benötigt die Waschanlage nur
sechs Liter Frischwasser pro Kilo Textilien. Das sind 35 Liter weniger als bei
herkömmlichen Verfahren. Bei 40 Tonnen Wäsche bedeutet das eine Wasserersparnis von über 230 gut gefüllten
Badewannen – täglich.
halb viel früher als zum Beispiel in
Deutschland wichtige Entscheidungen
trifft. So leite ich bereits jetzt ein Team
von vier Mitarbeitern und halte von
Zeit zu Zeit Präsentationen vor dem
Vorstand. Natürlich hat der Job auch
weniger angenehme Seiten: 60-Stunden-Wochen oder Wochenendarbeit
gehören in China einfach dazu. Ganz
anders als in Deutschland wird mit
Verantwortung und Verantwortlichkeiten umgegangen. Es kommt nicht selten vor, dass sich für Aufgaben, die
nicht eindeutig einer Abteilung zuzuordnen sind, einfach niemand verantwortlich fühlt und sie deswegen unerledigt bleiben. Meetings werden ganz
anders geplant und vorbereitet.
Manchmal werden wichtige Besprechungen mit dem Management erst
zwei Stunden vorher angekündigt.
Aber die Chinesen sind unglaublich
spontan. So lassen sich große Probleme, sofern sie als solche akzeptiert
werden, schon in wenigen Minuten
lösen.
Eisiger Winter
Nach einer längeren Ausbildungsphase mit Stationen in Irland und
Deutschland habe ich meinen ersten
Monat in Shanghai als vorübergehender Wäschereileiter verbracht. Ich hatte
unter anderem dafür zu sorgen, dass
die Installation der Maschinen – zum
Beispiel eines Waschtunnels mit einer
Waschleistung von 1,6 Tonnen pro
Stunde – reibungslos verläuft. Zum
damaligen Zeitpunkt gab es an dem
Standort weder ein Büro noch einen
Schreibtisch – und auch keine Heizung.
Leider erlebte Shanghai damals den
härtesten Winter seit 50 Jahren, und in
der Wäscherei herrschten gerade mal
Temperaturen zwischen plus zwei und
minus zwei Grad Celsius. Als die
Wäscherei im Dezember 2007 in
Betrieb ging, waren dort drei Mitarbeiter beschäftigt. Ein Jahr später: mehr
als 100. Zu den Kunden zählten damals
schon renommierte Unternehmen wie
die Luxushotels Hilton, Hyatt und Marriott, der Großmarkt Metro Jinjiang
Cash & Carry oder der Automobilhersteller Porsche.
Abwechslungsreiche Aufgaben
Mein jetziges Büro in der chinesischen
Zentrale von CWS-boco habe ich in
meinem zweiten Monat in Shanghai
bezogen. Hier arbeite ich als IT/Appli-
36
140 m2 großen Apartment mit Blick auf
die Shanghai Pudong Skyline.
Flexibilität ist wichtig
Da meine Arbeit so vielfältig ist,
kommt nie Langeweile auf. Besonders
gefällt mir die Tatsache, dass man als
Ausländer in China schon sehr schnell
Verantwortung übernimmt und des-
„Besonders gefällt mir die Tatsache, dass man als Ausländer in
China schon sehr schnell Verantwortung übernimmt und deshalb
viel früher als zum Beispiel in Deutschland wichtige
Entscheidungen trifft.“