Biologische Vielfalt und deren Bewertung am Beispiel
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Biologische Vielfalt und deren Bewertung am Beispiel
Berichte des Forschungszentrums Waldökosysteme der Universität Göttingen, Reihe B, Band 73 Abschlussbericht 2003-2006 zum BMBF-Forschungsvorhaben Biologische Vielfalt und deren Bewertung am Beispiel des ökologischen Waldumbaus in den Regionen Solling und Lüneburger Heide Jürgen Meyerhoff, Volkmar Hartje, Stefan Zerbe (Hg.) Berlin, im September 2006 Gefördert im Rahmen der Förderinitiative „BioTEAM – Integrative und anwendungsorientierte Modellprojekte“ im Programm Forschung für die Nachhaltigkeit (FONA) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) (Fkz. 01LM0207). Inhalt 1 Einleitung 1 Volkmar Hartje, Jürgen Meyerhoff, Stefan Zerbe 2 2.1 Waldumbau, ökonomische Bewertung und forstliche Entwicklungsziele Anlass und Ziele des Waldumbaus 13 13 Jürgen Meyerhoff 2.2 Ökonomische Bewertung der öffentlichen Güter des Waldes 16 Jürgen Meyerhoff, Ulf Liebe, Volkmar Hartje 2.3 Forstliche Entwicklungsziele als Basis zur Bewertung der Veränderungen der Biodiversität 25 Jürgen Meyerhoff, Stefan Zerbe, Bernhard Möhring, Hermann Spellmann 2.4 Charakterisierung der Untersuchungsgebiete 31 Swen Hentschel 3 3.1 Auswirkungen des Waldumbaus auf die biologische Vielfalt Einleitung 41 41 Stefan Zerbe 3.2 Forstliche Entwicklungsziele mit unterschiedlichen Baumartenzusammensetzungen und deren Auswirkungen auf die biologische Vielfalt 43 Stefan Zerbe, Inga Schmidt 3.3 Szenarien der Waldentwicklung 61 Hermann Spellmann, Jürgen Nagel, Henriette Duda, Swen Hentschel 3.4 Zusammenfassende Bewertung der Biodiversitätsveränderungen 96 Stefan Zerbe 4 Nutzen aus Biodiversitätsveränderungen 101 Ulf Liebe, Peter Preisendörfer, Jürgen Meyerhoff 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 Ausgestaltung des hypothetischen Marktes Deskriptive und bivariate Ergebnisse Multivariate Ergebnisse zum ökonomischen Basismodell Einfluss der Attribute auf die Wahl eines UmbauprogrammsErgebnisse aus den Choice Experimenten Multivariate Ergebnisse sozialwissenschaftlich erweiterter Modelle am Beispiel der Lüneburger Heide Zusammenfassung: Zahlungsbereitschaften und Methodenbewertung 101 115 125 130 136 149 5 Kosten aus Biodiversitätsveränderungen 157 Nils von Schmidt, Bernhard Möhring 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 Einleitung Material und Methoden Ergebnisse des Simulationsgebietes Solling Ergebnisse für das Untersuchungsgebiet Lüneburger Heide Diskussion Zusammenfassung 157 157 165 174 182 187 6 Kosten-Nutzen-Analyse für den Waldumbau nach LÖWE 191 Jürgen Meyerhoff, Volkmar Hartje 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 Einleitung Die Kosten-Nutzen-Analyse zur Bewertung öffentlicher Maßnahmen Kosten und Nutzen des Waldumbaus Grundlagen der Berechnung Ergebnisse der Kosten-Nutzen-Analysen Sensitivitätsanalysen Fazit 191 193 195 197 200 203 206 7 Bewertung der Ergebnisse und Schlussfolgerungen 211 Volkmar Hartje, Jürgen Meyerhoff 7.1 7.2 7.3 Wesentliche Ergebnisse der Untersuchung Ökonomischer Gesamtwert des Waldumbaus Ökonomische Bewertung und Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt 211 217 Autorinnen und Autoren 240 229 1 Einleitung Volkmar Hartje, Jürgen Meyerhoff, Stefan Zerbe Die biologische Vielfalt hat in den letzten zwei Jahrzehnten sowohl in der Umweltforschung als auch in der Umweltpolitik einen steten Bedeutungszuwachs erfahren. Das Übereinkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt, die sogenannte Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity - CBD 1992), war ein wichtiger Katalysator für die Untersuchung und Entwicklung von Politiken zum Schutz, der Entwicklung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt. Einen besonderen Schwerpunkt im Rahmen der Forschung stellt die Bewertung der von Ökosystemen bereitgestellten Dienstleistungen dar (NATIONAL RESEARCH COUNCIL 2005). Beispiele für Ökosystemdienstleistungen für den Menschen sind die Bereitstellung von Trinkwasser, Erosions- oder Hochwasserschutz, Biomasseproduktion und Erholungsmöglichkeiten (z. B. DAILY 1997, WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT DER BUNDESREGIERUNG GLOBALE UMWELTVERÄNDERUNGEN WBGU 2000). Jüngstes Beispiel für die Dokumentation und Bewertung dieser Leistungen ist der Millennium Ecosystem Assessment Report „Living Beyond Our Means“ (2005), der explizit die Bedeutung von Ökosystemen und damit den Erhalt biologischer Vielfalt für die gesellschaftliche Wohlfahrt zum Gegenstand hat. Vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) wurde 2002 im Rahmen der „Forschung für die Nachhaltigkeit“ die Forschungsinitiative „Biosphärenforschung – Integrative und Anwendungsorientierte Modellprojekte (BIOTEAM)“ ins Leben gerufen. Ein wesentliches Motiv für die Initiative war, Antworten auf die Frage zu finden, wie der Mensch die biologische Vielfalt als natürliche Ressource, die eine unserer Lebensgrundlagen ist, gleichzeitig nutzen und erhalten könne (BMBF 2005). Die Ergebnisse der Forschungsprojekte sollen Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft bei der Entwicklung von Formen nachhaltiger Ressourcennutzung unterstützen. Dabei ist die Forschungsinitiative in drei Förderbereiche gegliedert, deren Themengebiete jeweils mit einer der folgenden Fragen umrissen werden können (vgl. BMBF 2005): Kann man Biodiversität monetär bewerten? Wie lassen sich die Vorteile aus der Nutzung der biologischen Vielfalt gerecht verteilen? Welche Strategien können identifiziert bzw. entwickelt werden, um auch in Deutschland die biologische Vielfalt zu erhalten? Das Projekt „Biologische Vielfalt und deren Bewertung am Beispiel des ökologischen Waldumbaus in den Regionen Solling und Lüneburger Heide (Forest Conversion: Ecological and Socio-economic Assessment of Biodiversity FOREST)“ ist dem ersten Förderbereich zuzuordnen. Im Mittelpunkt des Pro- 2 Einleitung jektes stand die integrierte ökologische und ökonomische Bewertung von biologischer Vielfalt, genauer, von deren Veränderung bei der Umsetzung unterschiedlicher Entwicklungsziele des Waldumbaus. Den Wäldern kommt für die Erhaltung und nachhaltige Entwicklung der biologischen Vielfalt eine wichtige Rolle zu. Dies wurde z. B. auf der zweiten Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa in Helsinki 1993 mit der Verabschiedung der „Allgemeinen Leitlinien für die Erhaltung der biologischen Vielfalt der europäischen Wälder“ gewürdigt (Helsinki-Resolution H2). Auch in Deutschland, das zu einem Drittel seiner Landesfläche bewaldet ist, spielen die Wälder für den Schutz der biologischen Vielfalt eine wichtige Rolle, wie die Strategie „Forstwirtschaft und biologische Vielfalt“ verdeutlicht (BUNDESMINISTERIUM FÜR VERBRAUCHERSCHUTZ, ERNÄHRUNG UND LANDWIRTSCHAFT 2001; siehe auch BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ UND REAKTORSICHERHEIT 1998, 2005). Aktuelle Angaben zum derzeitigen Stand der biologischen Vielfalt in deutschen Wäldern aus forstlicher Perspektive macht zum Beispiel KÄNDLER (2005) anhand von Daten aus der zweiten Bundeswaldinventur. Danach nehmen die drei Baumarten Fichte (Picea abies), Kiefer (Pinus sylvestris) und Buche (Fagus sylvatica) ca. 2/3 der Waldfläche ein und bestimmen so das Waldbild in Deutschland. Anteile zwischen 1 bis 5 % haben weitere Baumarten wie z. B. die Traubeneiche (Quercus petraea), die Birke (Betula pendula) und die Esche (Fraxinus excelsior). Somit gehören Buchen(misch)wälder und Forstbestände aus reiner Fichte und Kiefer auf bodensauren und oligotrophen Standorten zu den häufigsten Waldgesellschaften im Mittelgebirge bzw. Tiefland (ELLENBERG 1996; ZERBE 2002). Allerdings weisen gerade die selteneren Waldgesellschaften wie thermophile Laubmischwälder bzw. Wälder auf Kalkstandorten, was die Artenzahlen der höheren Pflanzen anbelangt, die höchste Biodiversität auf (LEUSCHNER 1999). Da die Forstwirtschaft durch waldbauliche Maßnahmen wie z. B. die Baumartenwahl, Durchforstung und Holzernte in starkem Maße die biologische Vielfalt beeinflusst, sind Waldumbauprogramme ein wichtiger Ansatzpunkt für eine aktive Biodiversitätspolitik. Daher kam dem Thema „biologische Vielfalt und Waldumbau“ auch eine besondere Rolle im BMBF-Förderschwerpunkt „Zukunftsorientierte Waldwirtschaft“ von 1998 bis 2004 zu. Die Ergebnisse aus den entsprechenden Projekten sind u. a. dokumentiert in FRITZ (2006) und VON TEUFFEL et al. (2005). Eine deutliche Forschungslücke besteht allerdings weiterhin hinsichtlich der Frage, ob und in welchem Umfang der Waldumbau z. B. durch die Erhaltung oder Erhöhung von biologischer Vielfalt im Wald einen ökonomischen Nutzen stiftet. Die bisherigen ökonomischen Untersuchungen konzentrierten sich weitgehend auf die Erhebung der Kosten, die sich vor allem für die Forstbetriebe aus dem Umbau der Wälder ergeben bzw. ergeben würden. Welche Gründe sprechen nun für eine monetäre Bewertung von Veränderungen biologischer Vielfalt infolge von Waldumbau? Aus ökonomischer Sicht ist Einleitung 3 die Monetarisierung bei Gütern wie z. B. der biologischen Vielfalt erforderlich, da Märkte allein keine vollständige Information über ihren ökonomischen Wert liefern. Biologische Vielfalt und viele der damit verbundenen Ökosystemdienstleistungen sind öffentliche Güter, die sich im Unterschied zu privaten Gütern dadurch auszeichnen, dass Nicht-Rivalität und Nicht-Ausschließbarkeit gegeben sind (HAMPICKE 1991; BERGEN et al. 2002). Dadurch führen Märkte allein nicht zu einer optimalen Versorgung mit diesen Gütern und es bedarf zusätzlicher Informationen, um die aus gesellschaftlicher Sicht optimale Menge des öffentlichen Gutes bereitstellen zu können. Die grundlegende Idee der monetären Bewertung ist, dass durch die Kenntnis des ökonomischen Wertes von biologischer Vielfalt bessere Entscheidungen im Sinne ihrer Nutzung und Erhaltung getroffen werden können. Prototypisch bringt dies der Titel des schon genannten Berichts des NATIONAL RESEARCH COUNCIL (2005) „Valuing Ecosystem Services. Toward Better Environmental Decision Making“ zum Ausdruck. In der (Umwelt-) Ökonomie wurden entsprechend verschiedene Verfahren zur ökonomischen Bewertung öffentlicher Güter entwickelt, die inzwischen weltweit zur Anwendung gekommen sind (ADAMOWICZ 2004). Für einen Teil der öffentlichen Güter, die von den Wäldern in Deutschland bereit gestellt werden, wurden ökonomische Bewertungsverfahren auch bereits angewendet und entsprechende Informationen über ihren ökonomischen Nutzen präsentiert (vgl. BERGEN 2001). Anders dagegen für das Gut „biologische Vielfalt“. Hier liegen selbst auf internationaler Ebene nur wenige Studien vor. So konnten WILLIS et al. (2000) in ihrer Studie für die Forestry Commission in Großbritannien lediglich eine Studie anführen, in der Biodiversität in Wäldern monetär bewertet wurde.1 In dieser Studie haben GARROD & WILLIS (1997) den Nutzen aus verschiedenen Strategien zur Bewirtschaftung der Wälder in Großbritannien untersucht. Die betrachteten Managementstrategien hatten unterschiedliche Auswirkungen auf die Qualität der biologischen Vielfalt in den Wäldern. Inzwischen hat sich das Bild etwas geändert. So liegen für Europa weitere Studien aus Finnland (LETHONEN et al. 2003; HORNE et al. 2005) und aktuell auch aus Deutschland (KÜPKER et al. 2005) vor. Angesichts dieser geringen Zahl an Studien zum ökonomischen Wert biologischer Vielfalt im Wald sollte nicht nur eine Antwort auf die Frage gegeben werden, ob biologische Vielfalt monetär bewertet werden kann, sondern es sollten auch weitere Informationen über den Nutzen veränderter Biodiversität in Wäl1 Für einen Überblick über die internationale Literatur siehe auch SECRETARIAT OF THE CONBIOLOGICAL DIVERSITY (2001). Die meisten der dort aufgeführten Studien zum Wert biologischer Vielfalt beziehen sich allerdings auf (tropische) Regenwälder. VENTION ON 4 Einleitung dern gewonnen werden. Dabei zeichnet sich das Projekt durch die folgenden Merkmale aus: Erstens war das Projekt sehr interdisziplinär ausgerichtet. Die Interdisziplinarität zielte, ausgehend von der Ökonomik, nicht nur in Richtung Ökologie und Forstwissenschaft. Die Zusammenarbeit insbesondere mit den Naturwissenschaften ist in (fundierten) Studien zur ökonomischen Bewertung von Umweltgütern eher eingeübte Praxis, da ohne genaue Kenntnisse und Beschreibungen der zu bewertenden Umweltveränderungen eine ökonomische Bewertung nicht durchführbar ist. Die Interdisziplinarität im Projekt zielte, und dies ist eine bisher weit weniger verbreitete Praxis, auch in Richtung Soziologie und Sozialpsychologie. Der Grund hierfür ist, dass allein über die von der Ökonomik vorgeschlagenen Determinanten der in Umfragen geäußerten Zahlungsbereitschaft oft nur wenig Varianz erklärt werden kann. Entsprechend gibt es eine wissenschaftliche Diskussion darüber, ob durch die Hinzuziehung von Theorien anderer Disziplinen, die Handeln und Entscheiden von Individuen zum Gegenstand haben, eine Verbesserung der Erklärungskraft der Modelle erreicht werden kann. Zweitens zeichnet sich das Projekt dadurch aus, dass zwei ökonomische Bewertungsmethoden zur Ermittlung von Zahlungsbereitschaften angewendet wurden. Neben der Kontingenten Bewertung, die nach wie vor die am häufigsten angewendete Methode zur ökonomischen Bewertung ist, wurden auch Choice Experimente eingesetzt. Sie unterscheiden sich von der Kontingenten Bewertung dadurch, dass sie stärker auf die einzelnen Attribute einer Umweltveränderung abzielen und dadurch für das Management von Ressourcen sowie für politische Entscheidungen detailliertere Informationen zur Verfügung stellen können (HOLMES & ADAMOWICZ 2003). Mit dem Projekt wurden somit öffentliche Güter des Waldes in Deutschland zum ersten Mal unter Anwendung von Choice Experimenten monetär bewertet. Drittens konnten über die Kosten, die den Forstbetrieben aus der Verfolgung verschiedener forstlicher Entwicklungsziele entstehen würden, vergleichsweise genaue Aussagen getroffen werden. Dies war möglich durch die Koppelung der betriebswirtschaftlichen Bewertung mit Simulationen über die Waldentwicklung in den Untersuchungsgebieten für einen Zeitraum von 40 Jahren. Auf dieser Grundlage wurde eine integrierte Bewertung in Form einer Kosten-NutzenAnalyse (vgl. BROUWER & VAN EK 2004) durchgeführt und anhand der Ergebnisse Aussagen über die ökonomische Vorteilhaftigkeit verschiedener forstlicher Entwicklungsziele abgeleitet. Sie stellen eine wichtige Information für eine aktive Biodiversitätspolitik dar. Allerdings ist hinsichtlich der Frage nach der Möglichkeit einer monetären Bewertung biologischer Vielfalt zu bedenken, dass eine eindeutige Antwort hierauf nicht auf der Grundlage der Ergebnisse eines einzelnen Forschungspro- Einleitung 5 jektes gegeben werden kann. Dies aus mehreren Gründen: Es gibt zur ökonomischen Bewertung von biologischer Vielfalt durchaus einige Arbeiten, in die sich das vorliegende Projekt einreiht. Stellvertretend und für einen Überblick seien hier die Arbeiten von PEARCE & MORAN (1994), NUNES et al. (2003) sowie das von PEARCE et al. für die OECD erstellte Handbuch zur Bewertung von Biodiversität (OECD 2002) genannt. So gesehen könnte die Frage, ob man biologische Vielfalt monetär bewerten kann, schon als beantwortet angesehen werden. Folgt man jedoch PEARCE (2001) mit seinem Fazit zu den Ergebnissen bisheriger Arbeiten, dann wurde oftmals nicht Biodiversität bewertet, sondern es wurden biologische Ressourcen bewertet. So waren häufig vom Aussterben bedrohte Tierarten Gegenstand von Bewertungsstudien. Biodiversität im Sinne von Vielfalt ist PEARCE zufolge nur in wenigen Fällen Gegenstand ökonomischer Bewertungen gewesen. Demnach könnte die eigentliche Frage für die ökonomische Forschung lauten, wie biologische Vielfalt „richtig“ bewertet werden müsste. Dieser Hinweis führt zu einem weiteren Punkt, der eine Antwort auf die Frage nach der ökonomischen Bewertbarkeit von Biodiversität erschwert. Auch in der Ökologie besteht keine Einigkeit darüber, wie Biodiversität adäquat operationalisiert und gemessen werden soll und kann (MAYER 2006; ZERBE & KREYER 2006). „Biological diversity means different things to different people…“ (NOSS 1990). Auszugehen ist daher davon, dass nicht ein einziges Maß biologische Vielfalt befriedigend abbilden kann. Vielmehr werden mit verschiedenen Indikatoren, angefangen von der Anzahl von Arten bis hin zu komplexen Diversitätsindizes, verschiedene Aspekte von Biodiversität gemessen (WIEGLEB 2003; KREYER & ZERBE 2006; SCHMIDT et al. 2006). Damit hängt aber auch die Antwort auf die Frage, ob man biologische Vielfalt monetär sinnvoll bewerten kann, sehr von den Indikatoren ab. Ohne eine entsprechende Vorarbeit der Ökologie kann eine aussagekräftige ökonomische Bewertung nicht erfolgen (vgl. hierzu auch HOFFMANN et al. 2005). Selbst unter Ökonomen ist die ökonomische Bewertung von öffentlichen Gütern wie Natur und Landschaft nicht unumstritten. Insbesondere die Validität der Ergebnisse aus dem Einsatz umfragebasierter Bewertungsmethoden, wie sie auch in unserem Projekt zum Einsatz gekommen sind, ist umstritten (BOYLE & BERGSTROM 1999). Zwar hat die inzwischen große Zahl an Studien zur ökonomischen Bewertung, sei es in Form von Umfragen oder Experimenten, das Verständnis darüber, wie Personen öffentliche Güter bewerten und welche Einflüsse das Design einer Studie auf die geäußerten Zahlungsbereitschaften haben kann, enorm vergrößert. Und auch auf die Entwicklung der Mikroökonomik hat diese Forschung einen Einfluss gehabt, da sie die ökonomische Theorie mit empirischen Daten konfrontiert hat. Die Arbeiten haben aber nicht zu einer eindeutigen Klärung der Frage geführt, ob die Ergebnisse hinreichend valide sind oder nicht. RANDALL (1998) weist zu Recht darauf hin, dass es nicht die eine Studie geben 6 Einleitung wird, die die Diskussion um die ökonomische Bewertung entscheiden wird. Vielmehr könne jede einzelne Studie nur Bausteine zum Verständnis darüber liefern, wie Individuen öffentliche Güter bewerten. Entsprechend liefert die hier vorgelegte Studie ein weiteres Mosaikteilchen zum Verständnis der ökonomischen Bewertung von biologischer Vielfalt, kann aber keine abschließende Antwort geben. Für die integrierte Bewertung der Veränderungen der biologischen Vielfalt im Wald wurde folgende Vorgehensweise gewählt: Gemeinsamer Ausgangs- und Bezugspunkt für die Arbeiten in allen Teilprojekten waren vier forstliche Entwicklungsziele. Sie wurden von dem Projektteam zu Beginn der Studie formuliert. Im Mittelpunkt stand dabei das Programm „Langfristige ökologische Waldentwicklung (LÖWE)“, das 1991 von der Landesregierung Niedersachsen als Leitlinie für die Bewirtschaftung der Landesforsten verabschiedet wurde und mittlerweile auf eine über 10-jährige Umsetzungsphase zurückblicken kann. Alle Teiluntersuchungen wurden so angelegt, dass in jedem Fall Aussagen zum forstlichen Entwicklungsziel LÖWE getroffen werden können. Für die Bewertung der Auswirkungen des Waldumbaus auf die biologische Vielfalt wurde zudem ein Set von sieben Kriterien festgelegt. Für die ökonomische Bewertung wurde im Laufe des Projektes eine Auswahl dieser Kriterien verwendet. Diese Kriterien werden dann als „Attribute“ bezeichnet. Dies begründet sich über die Anwendung der Choice Experimente, bei denen die zu bewertenden Eigenschaften eines Gutes als Attribute bezeichnet werden. Zur ökonomischen Bewertung der Auswirkungen des Waldumbaus sind noch einige Vorbemerkungen zu machen. Um Aussagen nicht nur für die Landesforsten, sondern auch für den Privatwald machen zu können, werden für die betriebswirtschaftliche Bewertung Standardkosten verwendet, die von Eigentumsart und Organisationsstruktur unabhängig sind. Weiterhin wird für die ökonomische Bewertung, d. h. sowohl für die Ermittlung der Kosten als auch der Nutzen, der Zustand der Wälder in den Untersuchungsgebieten im Jahr 2000 als Bezugszeitpunkt gewählt. Der in der Periode von 1991 bis 2000 bereits realisierte Waldumbau wird somit nicht berücksichtigt. Entsprechend kann die vorgelegte Analyse als eine Bewertung der Fortführung des Waldumbaus ab 2000 gelesen werden. Schließlich wurde für die Berechnung der Opportunitätskosten, die aus dem Umbau entsprechend LÖWE resultieren, angenommen, dass auch die Landesforstbetriebe eine im Wesentlichen ertragsorientierte Bewirtschaftung verfolgen. Eine weitere Vorbemerkung betrifft die verschiedenen räumlichen Ebenen, auf denen gearbeitet wurde. Wie der Titel des Projektes anzeigt, sollte die Bewertung der Auswirkungen für die beiden Regionen Lüneburger Heide und Solling/Harz durchgeführt werden. Diese zwei Regionen stellen Schwerpunkte für die Umsetzung des Waldumbaus in Niedersachsen dar. Während in der Lüne- Einleitung 7 burger Heide der Waldumbau zu einer Verringerung der Kiefernreinbestände zugunsten von Laubmischwäldern führen soll, wird für die Region Solling/Harz angestrebt, den Anteil der Fichte zugunsten von Laubbäumen zu reduzieren (NIEDERSÄCHSISCHES MINISTERIUM FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN 1999). Da insbesondere für die Simulation der Waldentwicklung und Biodiversitätsveränderungen bei der Umsetzung der verschiedenen forstlichen Entwicklungsziele eine flächendeckende Untersuchung jedoch zu umfangreich gewesen wäre, wurden diese Arbeiten auf Teilflächen, hier als Untersuchungsgebiete bezeichnet, durchgeführt. Dies gilt auch für die betriebswirtschaftliche Bewertung der Waldumbaustrategien. Die auf der Ebene der Untersuchungsgebiete erzielten Ergebnisse wurden später dann auf einen größeren Raum übertragen. Letzterer wird in diesem Forschungsbericht als Untersuchungsraum bezeichnet. Auf der Ebene des Untersuchungsraumes wurde auch der Nutzen einer veränderten Biodiversität infolge des Waldumbaus erhoben. Sie nur für die Untersuchungsgebiete als Teilflächen des Untersuchungsraumes zu ermitteln, hätte eine zusätzliche Quelle für Verzerrungen in den Ergebnissen bedeutet, die unter dem Stichwort Embedding-Effekt bzw. Zuordnungsfehler in der Literatur diskutiert wird (CARSON & HANEMANN 2005). Die Auswahl der Untersuchungsgebiete in der Lüneburger Heide und dem Solling ist weiterhin darauf zurückzuführen, dass für die Gebiete auf diverse Vorarbeiten zurückgegriffen werden konnte. An der TU Berlin waren für den Solling umfangreiche Vegetations- und Sukzessionsforschungen durchgeführt worden (ZERBE 1993; ZERBE & MEIWES 2000; ZERBE 2001). Ferner haben die Niedersächsische Forstliche Versuchsanstalt und das Institut für Forstökonomie der Universität Göttingen im Rahmen des BMBF-Förderschwerpunktes „Zukunftsorientierte Waldwirtschaft“ an der Fallstudie „Waldlandschaft Solling“ mitgearbeitet (DIV. AUTOREN 2004a, 2004b). Die Niedersächsische Forstliche Versuchsanstalt hat darüber hinaus im EU/Life-Projekt „Demonstration of Methods to Monitor Sustainable Forestry“ das deutsche Teilprojekt bearbeitet und hier auf den Flächen gearbeitet, die dem vorliegenden Projekt als Untersuchungsgebiete dienten (vgl. NIEDERSÄCHSISCHE FORSTLICHE VERSUCHSANSTALT & NIEDERSÄCHSISCHES FORSTPLANUNGSAMT 2002). Der Bericht ist wie folgt gegliedert: In Kapitel 2 werden die Grundlagen sowohl für die ökologische als auch für die ökonomische Bewertung gelegt. Nach einem Abriss über den Anlass und die Ziele des Waldumbaus (2.1) wird der ökonomische Ansatz zur Bewertung der öffentlichen Güter des Waldes eingeführt (2.2). Anschließend werden die forstlichen Entwicklungsziele, die die Basis für die Bewertung der Veränderungen der Biodiversität im Wald sind, dar gestellt (2.3) und die beiden Untersuchungsgebiete Lüneburger Heide und Solling/Harz kurz charakterisiert (2.4). 8 Einleitung Karte 1-1: Waldumbaugebiete in der Lüneburger Heide und im Solling/Harz überwiegend Kiefernwälder überwiegend Fichtenwälder Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 1999 Einleitung 9 In Kapitel 3 werden für die forstlichen Entwicklungsziele die Ergebnisse der ökologischen Bewertung der Auswirkungen des Waldumbaus auf die biologische Vielfalt dargestellt (3.2). Dies schließt die Ergebnisse aus der Simulation der Waldentwicklung entsprechend den forstlichen Entwicklungszielen ein (3.3). Kapitel 3 endet mit einer zusammenfassenden Bewertung der Biodiversitätsveränderungen (3.4). In Kapitel 4 wird die durchgeführte Bewertung der Nutzen aus Veränderungen der Biodiversität im Wald mithilfe der Kontingenten Bewertung und den Choice Experimenten beschrieben. Dem schließt sich, als andere Seite der Medaille, die Erfassung der Kosten in Kapitel 5 an. Zusammengeführt werden Nutzen und Kosten dann in Kapitel 6, bevor der Bericht mit einer Bewertung der Ergebnisse und entsprechenden Schlussfolgerungen in Kapitel 7 endet. Literatur Adamowicz, W. L. (2004): What's it Worth? An Examination of Historical Trends and Future Directions in Environmental Valuation. The Australian Journal of Agricultural and Resource Economics 48 (3): 419-443. Bergen, V. (2001): Monetäre Bewertung der öffentlichen Güter des Waldes. In Beckenbach, F., Hampicke, U., Leipert, C., Meran, G., Minsch, J., Nutzinger, H. G., Pfriem, R., Weimann, J., Wirl, F. & Witt, U. (Hg.) Jahrbuch Ökologische Ökonomik: Ökonomische Naturbewertung. Marburg. Bergen, V., Löwenstein, W. & Olschewski, R. 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Dr. Ulf Liebe, Universität Leipzig, Institut für Soziologie, Beethovenstraße 15, 04107 Leipzig. Dr. Jürgen Meyerhoff, Technische Universität Berlin, Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung, EB 4-2, Straße des 17. Juni 145, 10623 Berlin. Prof. Dr. Bernhard Möhring, Georg-August-Universität zu Göttingen, Institut für Forstökonomie, Büsgenweg 5, 37077 Göttingen. Prof. Dr. Jürgen Nagel, Niedersächsische Forstliche Versuchsanstalt (NFV), Grätzelstr. 2, 37079 Göttingen. Prof. Dr. Peter Preisendörfer, Institut für Soziologie, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Colonel-Kleinmann-Weg 2, 55099 Mainz. Dipl.-Ing. Inga Schmidt, Georg-August-Universität Göttingen, Albrechtvon-Haller-Institut für Pflanzenwissenschaften, Untere Karspüle 2, 37073 Göttingen. Assessor des Forstdienstes Nils von Schmidt, Investment Forester. The International Woodland Company A/S, Amalievej 20, DK-1875 Frederiksberg C Prof. Dr. Hermann Spellmann, Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt (NW-FVA – seit 2006), Grätzelstr. 2, 37079 Göttingen. Prof. Dr. Stefan Zerbe, Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Institut für Botanik und Landschaftsökologie, Grimmer Str. 88, 17487 Greifswald. 19