THINLINE TELECASTER
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THINLINE TELECASTER
thinline tele 22.08.2001 12:32 Uhr Seite 68 M e x i c o C l a s s i c ’6 9 , ’7 2 & A m e r i c a n S p e c i a l 9 0s THINLINE TELECASTER D i e Fe n d e r Te l e c a s t e r w a r d i e e r s t e i n M a s s e n p ro d u z i e r t e , k o m m e r z i e l l e r f o l g re i c h e „ S p a n i s h E l e c t r i c S o l i d b o d y G u i t a r “ ü b e r h a u p t . A n f a n g s s o l l t e a u c h J a z z a u f i h r g e s p i e l t w e rd e n , d e s h a l b re g e l t e e i n e i n g e l ö t e t e r Ko n d e n s a t o r d e n K l a n g d e s H a l s p i c k u p s d u m p f. D o c h r i c h t i g e J a z z e r b ra u c h e n Lu f t i n i h re r G i t a r re – s o w u rd e a u c h Fe n d e r vo n d e m E r f o l g vo n G i b s o n s u n d G re t s c h s S e m i a k u s t i k g i t a r re n i n s p i r i e r t , s e l b s t m e h r i n d i e s e R i c h t u n g z u k o n z i p i e re n . ssi c ’6 9 Roger Rossmeisl, der bereits seit 1962 für Fender arbeitete, entwickelte 1967 erst die Coronado-Serie und ein Jahr später die semiakustische Telecaster Thinline. 6896 Es hat also siebzehn Jahre gedauert, bis Fender, inzwischen für 13 Millionen Dollar von CBS übernommen, eine Telecaster-LightVariante auf den Markt brachte, bei der man das Gewicht des schweren Esche-Bodies reduziert hatte. Roger Rossmeisl fräste drei Tonkammern aus dem massiven Korpus. Übrig blieben ein von der Halsaufnahme bis zum Korpusende durchlaufender, mittig platzierter Block, rund herum Zargen von ca. 12 mm Stärke und eine 6 mm starke Decke mit F-Loch. Er verschloss den Body mit einem 7 mm dicken Boden und stimmte die große Schlagplatte optisch auf das gegenüber liegende F-Loch ab. Drei Saitenreiter aus Stahl ersetzten die bisherigen Messing-Bridges. Die erste Version der Thinline Telecaster wurde 1971 von einer zweiten abgelöst. Diese bot die neuen, von Seth Lover entwickelten Fender-Humbucker mit drei justierbaren Polschrauben pro Spule – für die singlecoilgewohnten Kunden damals ein © 2006 MM-Musik-Media-Verlag GmbH & Co. KG KÖLN Michael Dommers American Special 90s Cla beinahe revolutionäres Unterfangen. An die Stelle der Tele-Bridge trat eine Non-VibratoStrat-Brücke mit sechs einzelnen Reitern, die klassische „Through-Body“-Saitenbefestigung wurde beibehalten. Bis 1979 wurde dieses Modell von CBS produziert. Ganz nebenbei: Um einem Insolvenzverfahren zu entgehen, verkaufte CBS im Februar 1985 seine Tochter „Fender Musical Instruments“ an eine Investoren-Gruppe um den heutigen Fender-Präsidenten William Schultz für 12,5 Millionen Dollar. Man beachte den Kaufpreis zwanzig Jahre zuvor! Anfang 1998 stellte Fender die 90s Thinline Telecaster vor, eine moderne, edle Variante des 69er Modells. Den von Bindings umgebenen Eschenkorpus gibt es in den fünf Lackierungen 3-Tone-Sunburst, Olympic White, Black, Natural und Translucent Crimson Red. Binding und 4schichtige Schlagplatte kommen in White Shell, bei den Natural- und Olympic-White-Modellen in Brown Shell. Hardware wie auch Pickups wurden von den Instrumenten der American-Serie übernommen: sechsteilige TeleBridge, Standard-Pickups und Schaller Security Locks. Dem Klangregler hat man Fenders „No-Load“-Konzept spendiert: Dreht man das Poti voll auf, rastet es leicht ein und leitet das PU-Signal direkt unter Umgehung der Regeleinheit auf den Ausgang. Mit Ausnahme eines Tele-Deluxe-Modells, das von 1973 bis 1981 mit zwei Humbuckern, Gibson-Schaltung, Strat-Hals und großer Kopfplatte hergestellt wurde (einige sogar mit Strat-Vibrato), kam bei Telecasters stets die charakteristische kleine Kopfplatte zum Einsatz. g&b fender special thinline tele C la 22.08.2001 ic ss 12:32 Uhr Seite 69 ’72 n e c k s Bis ca. 1969 besaß der Thinline-Hals ein aufgeleimtes (!) Ahorngriffbrett, danach bot CBS wahlweise Palisander-Griffbretter oder einteilige, bundierte Ahornhälse an. Ungeachtet dessen kam stets die rückseitige Walnuss-Einlage („skunk stripe“) zum Einsatz, die die Aufnahmenut des Stahlstabes abdeckte. Maple Necks lackierte man komplett, Rosewood-Hälse nur am AhornHalsrücken. Zum Standard zählten auch die 21 dünnen Fender-Bünde (2,05 × 0,85 mm). Über die klassische 4-Punkt-Befestigung war der Korpus mit dem Hals verbunden, dessen Krümmung sich mittels Kreuzschlitzkopf an der Stirnseite justieren ließ. Zwei Butterfly Stringtrees (die mexikanische Replika besitzt nur einen) hielten paarweise die E1/H2- und G3/D4-Saiten in ihren Sattelkerben. Die hauseigenen Mechaniken mit Parallelogramm-förmiger Basisplatte, F-gestempelter Blechkappe, kantigeren Knöpfen und geschlitzten Achsen ließ man von Race & Olmsted fertigen. Die zweite Thinline-Version von 1971 war ausschließlich mit einteiligem, bundierten Ahornhals erhältlich, der nun ein runderes D-Profil erhielt. Wie bei den damaligen Strats, so kam auch hier erstmals das „Bullet Truss-Rod“-Konzept zum Einsatz, bei dem die Halsjustiervorrichtung komfortabel über einen geschossförmigen (bullett truss rod) Inbuskopf von der Kopfplatte her zugänglich war. Für die Verbindung von Hals und Korpus sorgten drei Schrauben und das neue Neck-Tilt-System, das eine stressfreie Justierung des Halsneigungswinkels und Vierloch-Halsplatte inkl. „neck tilt“-Vorrichtung bei der American Special 90s gleichzeitig der Saitenlage ermöglichte. Sowohl die Mechaniken als auch die beiden Butterfly String Trees – auch hier hat Fender der MexikoReplika nur einen spendiert – wurden vom ersten Modell übernommen. Die 90s Thinline Tele ist wieder mit einem einteiligen, bundierten Ahornhals mit ovalem DQuerschnitt am Start. Das an seinem Ende überhängende Griffbrett bietet 22 Medium-Jumbo-Bünden Platz (2,60 × 1,05 mm). Um der Oberfläche eine angenehmere Griffigkeit zu verleihen, lackiert man sie mit einem matten Finish. Die Neck-Tilt-Justiervorrichtung wird durch eine vierte Schraube stabilisiert. Seit 1983 dient mit dem Erscheinen der zweiten Version der US-Standard Strat ein runder Tunnel an der Kopfplatte als Truss-Rod-Zugang, der nach einer kurzen Übergangsphase die „Bullet“ ablöst. Die Kopfplatte Humbucker-Sound in der Classic ’72 der 90s Thinline ist mit gekapselten Schaller-Mechaniken und einem String Tree bestückt. b o d i e s Von Beginn an wurde für die Thinline-Bodies ausschließlich Esche verarbeitet und diese in 3-Tone Sunburst und Natural lackiert. Lediglich bei der mexikanischen 69er Reissue verwendet man bei schwarzer Lackierung gelegentlich auch Mahagoni. In der Regel besteht der Korpus aus drei, der aufgeleimte Boden aus zwei Teilen. Im Innern gibt es drei Kammern, eine in der oberen, zwei in der unteren Body-Hälfte. Hals, Pickups, Stegplatte und die rückseitigen Aufnahmehülsen der Saitenringe finden im rund 110 mm breiten Mittelblock Halt. p r a x i s Der Rücken darf sich freuen, sind doch die Thinlines im Schnitt ein gutes Pfund leichg&b fender special © 2006 MM-Musik-Media-Verlag GmbH & Co. KG KÖLN ter als ihre „fetten“ Verwandten. Logisch, man hat aus den Bodys schließlich einiges an Material heraus geholt. Dennoch, und das ist Fender bestens gelungen, ist Kopflastigkeit kein Thema. Sowohl auf dem Oberschenkel als auch am Gurt hängend zeigen alle drei Gitarren perfekte Ausgewogenheit. Hinzu kommt, dass sie konstruktionsbedingt schon im Trockentest kraftvoll und laut klingen, beim Unplugged-Üben auf der Couch also schon einen richtigen Ton abliefern, im Gegensatz zum „Gezimpel“ von reinrassigen Solidbodies. Zudem bringen sie trotz dezimierter Korpusmasse ein beachtliches Sustain mit kontinuierlich ausklingendem Ton zustande. Leichte Einschränkungen in puncto Spielkomfort muss man bei den MexicoModellen in Kauf nehmen, bei denen der „Bund-Entgrater“ stellenweise nicht die erforderliche Sorgfalt hat walten lassen. Während das runde Klangbild der 69er eine gewisse Wärme auf weist, geben sich Brillanz und Obertonspektrum hier eher dezent und brav. Die 72er hingegen strotzt mit kraftvollen, prägnanten Bässen und trumpft in den Höhen und im Obertonbereich richtig auf. Insgesamt wirkt sie nicht nur lauter, sondern auch frischer, offener und lebendiger als die Kollegin. Die am meisten ausgewogene Balance besitzt das 90er USA-Modell, das charakterlich eher zur 69er hin tendiert, jedoch beim direkten Vergleich in den oberen Mitten noch ein wenig zulegen kann. Hinsichtlich ihrer dynamischen Eigenschaften unterscheiden sich Wie ganz früher hat die Classic ’69 einen Steg mit drei Saitenreitern die drei nur um Nuancen. Während sich die 72er und die 90er durch direkte, spritzige Ansprachen und schnelle, lebendige Tonentfaltungen auszeichnen, kommt die 69er ein wenig gemächlicher in die Hufe, was sich am leicht erhöhten Arbeitsaufwand bemerkbar macht. 0769 12:32 Uhr Seite 70 Am Verstärker darf man fairerweise lediglich die beiden Singlecoil-Modelle direkt vergleichen, wobei festzustellen ist, dass das 69er Modell insgesamt etwas offener und luftiger als das 90er, und im Steg-PU gleichzeitig einen Hauch brillanter, daher kommt, ohne jedoch schrill zu klingen. Die Hals-Pickups liefern die bekannten warmen Blues-, die Kombination beider die hellen, glockigen, Übersicht Fabrikat: Modell: Herkunftsland: Typ: Mensur: Hals: Halsform: Halsbreite: Halsdicke: Korpus: Oberflächen: Tonabnehmer: Bedienfeld: Fender Classic ’69 Telecaster Thinline Mexiko Semi Hollowbody E-Gitarre 648 mm Ahorn, einteilig inklusive Griffbrett (7,25"-Radius, lackiert), 4fach verschraubt, 21 Vintage-Bünde (2,05 × 0,90 mm) rückseitige WalnussEinlage für Halsjustierstab, Justierschraube am Halsende Fender Classic ’72 Telecaster Thinline Mexiko Semi Hollowbody E-Gitarre 648 mm Ahorn, einteilig inklusive Griffbrett (7,25"-Radius, lackiert), 3fach verschraubt, rückseitige WalnussEinlage für Halsjustierstab, Justierschraube an Kopfplatte (Bullet), Neck-Tilt-Justiervorrichtung des Halsneigungswinkels, 21 Vintage-Bünde (2,05 × 0,85 mm) D, oval Sattel: 42,20 XII. Bund: 51,40 (mm) I. Bund: 22,40 V. Bund: 23,35 XII. Bund: 23,95 (mm) Esche, semi hollow mit 3 Tonkammern, F-Loch, 3-teilig Boden 2-teilig 3-tone Sunburst Polyester-Lack (Korpus) Polyurethan-Lack (Hals) 2× Vintage Type Singlecoil, staggered Polepieces (Steg-PU), keramische Stabmagnete 3-Weg-PU-Schalter 1× Volume, 1× Tone, 3schichtige angegilbte White Pearl-Schlagplatte (12 Schrauben) D, rund Sattel: 42,75 XII. Bund: 51,90 (mm) I. Bund: 22,20 V. Bund: 22,75 XII. Bund: 24,00 (mm) Esche, semi hollow mit 3 Tonkammern, F-Loch, 3-teilig Boden 2-teilig Natur Polyester-Lack (Korpus), PolyurethanLack (Hals) 2× Wide Range Humbucker, 3/3 versetzte Polschrauben, keramische Stabmagnete 3-Weg-PU-Schalter, 1x Volume, 1x Tone, 3schichtige White Pearl-Schlagplatte (10 Schrauben) Fender American Special 90s Telecaster Thinline USA Semi Hollowbody E-Gitarre 648 mm Ahorn, einteilig inklusive Griffbrett (9,5"-Radius, Satin Finish), 4fach ver schraubt, rückseitige WalnussEinlage für Halsjustierstab, Justierschraube an Kopfplatte (Inbus versenkt), Micro-TiltJustiervorrichtung des Halsneigungswinkels, 22 Medium Jumbo-Bünde (2,60 × 1,05 mm) D, oval Sattel: 42,85 XII. Bund: 52,30 (mm) I. Bund: 21,35 V. Bund: 21,65 XII. Bund: 22,25 (mm) Esche, semi hollow mit 3 Tonkammern F-Loch Olympic White Polyurethan-Lack (Korpus) Satin Finish (Hals) 2× American Standard Tele Singlecoil (StegPU non staggered) Alnico 5-Magnete 3-Weg-PU-Schalter, 1× Volume, 1× Delta Tone/No-Load-Schaltung, 4schichtige Brown Shell-Schlagplatte (12 Schrauben) Fender American Standard Tele Bridge 6 Stahlreiter Chrom Fender/Schaller, gekapselt, 15:1 1× American Series Stringtree, silbernes Fender TelecasterSpaghetti-Logo, Schaller Security Locks 3,40 kg ca. DM 4090,– inkl. Formkoffer Vintage Type Tele Bridge, 3 Doppelreiter Stahl Chrom Vintage F-Type, geschlossen, 14:1 1× Butterfly Stringtree ’69 Fender Telecaster-Logo Vintage Non Tremolo Bridge, 6 Stahlblechreiter Chrom/Nickel Vintage F-Type, geschlossen, 14:1 1× Butterfly Stringtree, 70’s Fender Telecaster ThinlineLogo Gewicht: Preis: 3,35 kg ca. DM 1650,– inkl. Gigbag 3,25 kg ca. DM 1900,– inkl. Gigbag Getestet mit: Engl Sqeeze 30 und Yamaha DG60FX-112-Combos, Rath-Amp 5050 Top, Engl 520 Preamp, Engl 530- und Vintage Amp Mark III-Power Amps, 1×12- und 4×12-Boxen Steg/Vibratosystem: Hardware: Mechaniken: Sonstiges: 7017 © 2006 MM-Musik-Media-Verlag GmbH & Co. KG KÖLN leicht näselnden Perkussiv-Sounds. Dass die humbuckerbestückte 72er nicht wie eine Les Paul klingt, dürfte sicherlich jedem klar sein; da wäre der Vergleich z. B. mit einer Gibson ES-335 schon treffender. Diese Thinline Tele liefert zwar im Gegensatz zu den Singlecoil-Varianten deutlich wärmere und fettere Sounds, tönt jedoch in jeder Hinsicht drahtiger, knackiger oder perkussiver und sogar transparenter als eine Paula – auch der Hals-PU. Während die Einspuler der 69er und 90er bei bluesig angezerrten, crunchy und gemäßigten Lead-Sounds richtig gut klingen und den Charakter des Instruments deutlich herausstellen, sollte man für ultimatives Gezerre eher die 72er bemühen, deren Doppelspuler fette, drückende Rhythm- und HiGain-Lead-Sounds ermöglichen – natürlich ohne jegliche Nebengeräusche. Alle drei Testinstrumente reagieren sensibel auf nuancenreiches Spiel, unterstützen die Tonformung per Anschlag- und Spieltechnik und erlauben eine feinfühlige Steuerung des Verzerrungsgrades mit Hilfe ihrer Volume-Potis. r e s ü m e e Die drei Telecasters bieten einen guten Einblick in die verschiedenen Epochen der Thinline-Entwicklung, auch wenn zwischen den ersten beiden gerade mal drei Jahre liegen. Die beiden Mexico-Classic-Modelle liefern sehr gute authentische Sounds, sogar wahlweise mit Humbuckern, sind bis auf einzelne nicht ganz optimal verrundete Bunddrähte vorzüglich verarbeitet und für einen wirklich akzeptablen Preis zu haben. Auch die luxuriösere American Special 90s Thinline zeigt sich vorbildlich verarbeitet und bietet klassische Sounds par excellence. Ob jedoch der recht stolze Preis den Luxus von Korpus-Binding, USA-Hardware und -Herstellung rechtfertigt, muss jeder für sich selbst entscheiden. ■ Plus • Sustain • Ansprache • Verarbeitung • Bespielbarkeit • Tonentfaltung • authentische Sounds • Qualität der Bauteile Minus Minus 22.08.2001 Plus thinline tele • z. T. scharfkantige Bünde bei Mexico-Modellen g&b fender special