Der elektronische Vertragsabschluss - edoc
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Der elektronische Vertragsabschluss - edoc
Der elektronische Vertragsabschluss Inauguraldissertation zur Erlangung der Würde eines Doktors beider Rechte an der Hohen Juristischen Fakultät der Universität Basel eingereicht von STEFAN BAUM aus Deutschland 2001 Basler Dissertation Für Stephanie Vorwort Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2001/2002 von der Juristischen Fakultät der Universität Basel als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde für die Drucklegung in Details ergänzt und überarbeitet und im Dezember 2001 abgeschlossen. Danach veröffentlichte Literatur und Rechtsprechung sowie Gesetzgebung konnten nur in ausgewählter Form berücksichtigt werden. Das zum 1. Januar 2002 in Kraft getretene Gesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr und das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, deren legislative Vorarbeiten diese Untersuchung begleitete, wurden in diesem Sinne noch berücksichtigt. Ich möchte an dieser Stelle all jenen danken, die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Zuerst sei mein Doktorvater, Herr Prof. Dr. Anton K. Schnyder, genannt, der das Thema und seine Erörterung mit wertvollen Ratschlägen und konstruktiven Gesprächen begleitete. Ihm gebührt mein besonderer Dank. Er hat mir als Mentor stets die notwendige Gestaltungsfreiheit bei der Wahl des Themas und der Abfassung der Dissertation gewährt und grosses Vertrauen entgegengebracht. Mein weiterer Dank gebührt Herrn Prof. Dr. Lukas Handschin, der freundlicherweise den Prüfungsvorsitz des Kolloquiums übernommen hat. Besonders danken möchte ich auch Herrn PD Dr. Markus Müller-Chen für die Übernahme des Korreferats. Eine überaus wertvolle Hilfe waren mir die von Prof. Dr. Anton K. Schnyder und Prof. Dr. Lukas Handschin veranstalteten Werkstattgespräche im Rahmen des Doktorandenseminars in Castelen (Kaiseraugst). Dieses Vorwort bietet auch die schöne Gelegenheit, all jenen zu danken, die mich beim Verfassen dieser Arbeit in vielfältigster Weise unterstützt haben. Mein erster Dank gilt meinem Vater und Frau Christiane Schneider für die akribische Durchsicht des Manuskripts, die zahlreichen stilistischen Verbesserungsvorschläge und das stete Hinterfragen der Problemstellung. Die Untersuchung entstand im wesentlichen während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent am Europainstitut der Universität Basel, das mir ausgezeichnete Arbeitsbedingungen und genügend Freiraum garantierte. Stellvertretend für das gesamte Team des Europainstituts Basel möchte ich Herrn Prof. Dr. Georg Kreis meinen Dank aussprechen. Danken möchte ich an dieser Stelle auch Frau Ass. Prof. Dr. Christa Tobler, die sich immer Zeit für meine Fragen genommen hat und mein Dissertationsprojekt mit wertvollen Anregungen unterstützte. Ein ganz herzlicher Dank gebührt meiner Kollegin Zsuzsana Vasváry, die mich, wenn immer nötig, ermunterte und stets ein offenes Ohr für alle Probleme eines Assistenten hatte. Mein wichtigster Dank gilt jedoch meiner Freundin Stephanie. Sie gab mir die nötige Ruhe, Gelassenheit und das Vertrauen in mich und meine Arbeit. Ohne ihre liebevolle Unterstützung hätte ich diese Arbeit nicht schreiben können. VII Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht .........................................................................................................VII Inhaltsverzeichnis........................................................................................................ X Abbildungsverzeichnis............................................................................................ XXI Verzeichnis der Abkürzungen................................................................................XXII Verzeichnis der Gesetzestexte und Materialien ................................................... XXXI Literaturverzeichnis................................................................................................ XLII Einführung.................................................................................................................. 1 § 1. Elektronische Willenserklärung und Computererklärung im System des BGB ...................................................................................... 13 I. Rechtliche Grundlagen................................................................................... 13 II. Begriffsklärung .............................................................................................. 24 III. Problemstellung ............................................................................................. 40 IV. Lösungsansätze in der Literatur ..................................................................... 43 V. Eigene Stellungnahme.................................................................................... 54 VI. Zusammenfassung.......................................................................................... 64 § 2. Wirksamwerden elektronischer und automatisierter Willenserklärungen...................................................................................... 66 I. Gesetzliche Ausgangslage.............................................................................. 66 II. Stand der Dogmatik........................................................................................ 70 III. Einordnung der modernen Kommunikationsmittel........................................ 79 IV. Unanwendbarkeit der (eingeschränkten) Vernehmungstheorie ..................... 91 V. Der Zugang nach 130 Abs. 1 S. 1 BGB im Lichte moderner Telekommunikation ..................................................................................... 108 VI. Widerruf ....................................................................................................... 155 VIII VII. Zusammenfassung........................................................................................ 213 § 3. Vertragsabschluss unter Einsatz moderner Telekommunikationsmittel........................................................................ 215 I. Funktion und Begriff des Vertrages ............................................................. 215 II. Angebot oder invitatio ad offerendum ......................................................... 216 III. Rechtzeitigkeit der Annahme ....................................................................... 248 IV. Die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr (E-Commerce-Richtlinie)............................................................................. 267 § 4. Zukünftiger Rechtsrahmen für den elektronischen Geschäftsverkehr in Deutschland ............................................................. 290 I. Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den Elektronischen Geschäftsverkehr (EGG) .............................................................................. 290 II. Entwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes.................................. 303 § 5. Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ...................................... 326 I. Einleitung ..................................................................................................... 326 II. Ausdrücklicher Hinweis (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AGBG) ..................................... 332 III. Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AGBG) ........... 337 IV. Einverständnis des Kunden .......................................................................... 356 V. Rahmenvereinbarungen nach § 2 Abs. 2 AGBG ......................................... 361 VI. Geltung des AGBG bei internationalen Internet-Verträgen......................... 363 VII. Ausblick ....................................................................................................... 389 VIII. Zusammenfassung........................................................................................ 392 § 6. Fehlerhafte Willenserklärungen ............................................................... 394 I. Einleitung ..................................................................................................... 394 II. Anfechtung ................................................................................................... 394 III. Versehentliche Abgabe einer Erklärung ...................................................... 414 IV. Technische Mittel zur Korrektur von Eingabefehlern.................................. 420 V. Zusammenfassung........................................................................................ 428 IX § 7. Besonderheiten der mobilen Kommunikation ........................................ 431 I. Vom E- zum M-Commerce.......................................................................... 431 II. Definition ..................................................................................................... 432 III. Technische Grundlagen................................................................................ 432 IV. Limitationen mobiler Kommunikationsgeräte ............................................. 434 V. Ergebnis und Zusammenfassung ................................................................. 441 X Inhaltsverzeichnis Inhaltsübersicht ........................................................................................................ VII Inhaltsverzeichnis........................................................................................................ X Abbildungsverzeichnis ............................................................................................XXI Verzeichnis der Abkürzungen................................................................................XXII Verzeichnis der Gesetzestexte und Materialien ................................................... XXXI Literaturverzeichnis................................................................................................ XLII Einführung.................................................................................................................. 1 § 1. Elektronische Willenserklärung und Computererklärung im System des BGB ...................................................................................... 13 I. Rechtliche Grundlagen................................................................................... 13 1. 2. 3. 4. 5. II. Einleitung .............................................................................................. 13 Tatbestand der Willenserklärung .......................................................... 14 a) Vorbemerkung................................................................................... 14 b) Objektiver Tatbestand – das „Erklärte“ ............................................ 16 c) Subjektiver Tatbestand – das „Gewollte“ ......................................... 18 Geltungsgrund der Willenserklärung .................................................... 19 Funktion und Zurechnungsprinzipien ................................................... 21 Zusammenfassung................................................................................. 23 Begriffsklärung............................................................................................... 24 1. 2. 3. Meinungsstand ...................................................................................... 24 Systematisierung der unterschiedlichen Erklärungstypen..................... 25 a) Differenzierung ................................................................................. 25 b) Definition .......................................................................................... 26 c) Eigene Ansicht – Kategorisierung der unterschiedlichen Erklärungstypen................................................................................ 28 Elektronische Willenserklärung ............................................................ 29 a) Beispiele............................................................................................ 29 b) Vergleich zur traditionellen Willenserklärung.................................. 30 aa) Negative und positive Beschränkungen der Erklärungsfreiheit. 30 XI 4. 5. III. Problemstellung ............................................................................................. 40 1. 2. IV. Ablehnende Ansichten .......................................................................... 43 Die Computererklärung als „echte“ Willenserklärung ......................... 45 a) Anerkennung des Gesetzgebers ........................................................ 45 b) Anerkennung in der Literatur ........................................................... 45 c) Vorbestimmung der Computererklärung durch den Menschen........ 46 aa) Antizipierte Willensbildung des Anlagenbetreibers? ................ 46 bb) Rechtliche Würdigung............................................................... 47 d) Vergleich mit der Warenautomatenerklärung................................... 47 aa) Willenserklärung an jedermann? ............................................... 47 bb) Rechtliche Würdigung............................................................... 48 e) Analogie zum Boten- und Vertretungsrecht ..................................... 49 aa) EDV als Wissens- und Willensvertreter? .................................. 49 bb) Rechtliche Würdigung............................................................... 50 f) Vergleich mit der Blanketterklärung ................................................. 52 aa) Die Computererklärung als Willenserklärungsblankett............. 52 bb) Rechtliche Würdigung............................................................... 53 Eigene Stellungnahme.................................................................................... 54 1. 2. VI. Vorbemerkung....................................................................................... 40 Die Computererklärung als Willenserklärung?..................................... 41 Lösungsansätze in der Literatur ..................................................................... 43 1. 2. V. bb) Fallbeispiel ................................................................................ 31 cc) Unterschiede zur traditionellen Willenserklärung ..................... 32 Automatisierte Erklärung ...................................................................... 33 Computererklärung ............................................................................... 36 a) Beispiele............................................................................................ 36 b) Technischer Hintergrund .................................................................. 37 c) Grenzfälle.......................................................................................... 39 Die fehlerfreie Computererklärung ....................................................... 55 a) Objektive Erklärungshandlung ......................................................... 55 b) Wille eines Menschen....................................................................... 56 Die fehlerhafte Computererklärung ...................................................... 58 a) Objektive Erklärungshandlung ......................................................... 58 b) Wille eines Menschen....................................................................... 59 c) Normative Zurechnung ..................................................................... 62 Zusammenfassung.......................................................................................... 64 XII § 2. Wirksamwerden elektronischer und automatisierter Willenserklärungen...................................................................................... 66 I. Gesetzliche Ausgangslage.............................................................................. 66 1. 2. II. Stand der Dogmatik........................................................................................ 70 1. 2. III. Abgabe .................................................................................................. 70 a) Rechtliche Grundlagen...................................................................... 70 b) Abgabe bei der elektronischen Willenserklärung ............................. 71 c) Vollautomatisierte Abgabe bei der Computererklärung ................... 73 Zugang................................................................................................... 74 a) Anwendbarkeit der Empfangstheorie (auch) auf verkörperte Erklärungen unter Anwesenden........................................................ 75 b) Zugang unverkörperter Willenserklärungen unter Anwesenden ...... 75 c) Wirksamwerden unverkörperter Willenserklärungen unter Abwesenden...................................................................................... 76 d) Zusammenfassung............................................................................. 78 Einordnung der modernen Kommunikationsmittel........................................ 79 1. 2. 3. 4. IV. Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts ...................................................... 66 Die Regelung des BGB ......................................................................... 68 a) Kategorisierung der Willenserklärungen .......................................... 68 b) Wirksamwerden empfangsbedürftiger Willenserklärungen ............. 68 Streitstand.............................................................................................. 79 a) Anwendbarkeit der Empfangstheorie................................................ 79 b) Anwendbarkeit der eingeschränkten Vernehmungstheorie .............. 80 c) Der Zugang prozessualer Erklärungen nach der Rechtsprechung .... 81 Konvergenz der Telekommunikationsmittel......................................... 82 „Lebenszyklus“ einer Willenserklärung................................................ 84 Interessengerechte Risikoverteilung ..................................................... 88 a) Die Verteilung der Risiken nach der Empfangstheorie..................... 88 b) Die Verteilung der Risiken nach der Vernehmungstheorie .............. 89 c) Zwischenergebnis.............................................................................. 90 Unanwendbarkeit der (eingeschränkten) Vernehmungstheorie ..................... 91 1. Willenserklärung unter Anwesenden .................................................... 92 a) Bedeutung der Frage ......................................................................... 92 b) Bestehen eines direkten Übermittlungskontakts............................... 93 aa) Einweg-Kommunikation............................................................ 93 bb) Dialog-Kommunikation............................................................. 94 cc) Echtzeit-Kommunikation........................................................... 96 dd) Vergleich zum UN-Kaufrecht ................................................. 100 XIII 2. 3. 4. V. Der Zugang nach 130 Abs. 1 S. 1 BGB im Lichte moderner Telekommunikation ..................................................................................... 108 1. 2. 3. 4. 5. VI. c) Zwischenergebnis............................................................................ 100 Die fehlende Verkörperung als Anwendungsgrund............................ 101 a) Körperlose Kommunikation gleich körperlose Erklärung? ............ 101 b) Zwischenergebnis ........................................................................... 103 Die Flüchtigkeit der Erklärung als Anwendungsgrund....................... 104 a) Das Kriterium der zuverlässigen Speichermöglichkeit .................. 104 b) Rechtliche Würdigung .................................................................... 105 Ergebnis und Zusammenfassung......................................................... 107 Machtbereich des Empfängers ............................................................ 109 a) Direkte Übermittlung ...................................................................... 110 b) Abrufspeicherung – Mailboxkommunikation................................. 112 Vollständiges Gelangen in den Machtbereich..................................... 117 Möglichkeit der Kenntnisnahme ......................................................... 118 a) Der Meinungsstand ......................................................................... 118 b) Grundsätze der Faxübertragung...................................................... 120 aa) Geschäftliche Nutzung............................................................. 120 bb) Nutzung durch Privatpersonen ................................................ 121 c) Abrufspeicherung – Mailbox Telekommunikation......................... 122 aa) Geschäftliche Nutzung............................................................. 122 bb) Nutzung durch Privatpersonen ................................................ 123 cc) Lese- und Empfangsbestätigungen .......................................... 124 d) „Automatisierter Zugang“ – Erweiterung des Zugangsbegriffs ..... 129 Zugangsstörungen und Risikoverteilung............................................. 130 a) Problemhintergrund ........................................................................ 130 b) Funktionsstörungen......................................................................... 131 c) Unterschiedliche Arten von Zugangshindernissen ......................... 135 aa) Absichtliche Zugangsvereitelung ............................................ 135 bb) Annahmeverweigerung ........................................................... 137 cc) Objektiv pflichtwidriges Verhalten ......................................... 144 d) Verteilung des Verlust-, Verzögerungs- und Verfälschungsrisikos ...................................................................... 147 e) Kenntnis des Erklärenden ............................................................... 150 f) Zusammenfassendes Fallbeispiel .................................................... 151 Zusammenfassung............................................................................... 154 Widerruf ....................................................................................................... 155 1. Widerruf nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB................................................ 155 XIV 2. 3. 4. a) Rechtliche Einordnung.................................................................... 155 b) Rechtsvergleichende Betrachtung: Die Situation in der Schweiz... 158 c) Das Widerrufsrecht nach UN-Kaufrecht......................................... 160 Widerruf und Verbraucherprivatrecht................................................. 160 a) Hintergrund ..................................................................................... 160 b) Das deutsche Sonderprivatrecht...................................................... 162 Die Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz .................................................... 164 a) Hintergrund ..................................................................................... 164 b) Anwendungsbereich........................................................................ 165 aa) Vertragsabschluss im Fernabsatz............................................. 165 bb) Abwesenheit der Vertragsparteien .......................................... 168 c) Das Schutzkonzept der Richtlinie ................................................... 169 d) Das Widerrufsrecht nach Art. 6 FARL ........................................... 170 Die Umsetzung der Richtlinie 97/7/EG durch das deutsche Fernabsatzgesetz ................................................................................. 173 a) Hintergrund ..................................................................................... 173 aa) Verspätete Umsetzung ............................................................. 173 bb) Umsetzungsbedarf ................................................................... 174 b) Anwendungsbereich........................................................................ 175 aa) Fernabsatzvertrag..................................................................... 175 bb) Ausnahmen .............................................................................. 177 cc) Konkurrenzen........................................................................... 178 c) Wesentliche Bestimmungen des Fernabsatzgesetzes...................... 180 aa) Vorbemerkung ......................................................................... 181 bb) Einheitliches Widerrufs- und Rücktrittsrecht.......................... 182 cc) Sondervorschriften für teilfinanzierte Fernabsatzverträge....... 183 dd) Legaldefinition des Verbrauchers und Unternehmers ............. 185 d) Informationspflichten...................................................................... 186 aa) Vorvertragliche Informationspflichten .................................... 186 bb) Nachvertragliche Informationspflichten – Das Modell der gestuften Präzisierung ............................................................. 190 cc) Der Begriff des „dauerhaften Datenträgers“............................ 191 dd) Zwischenergebnis .................................................................... 198 e) Das Widerrufsrecht nach § 361a BGB i. V. m. § 3 FernAbsG ....... 200 aa) Die dogmatische Konstruktion ................................................ 200 bb) Schwebende Wirksamkeit nach § 361a BGB.......................... 201 cc) Die Widerrufsfristen nach § 3 Fernabsatzgesetz ..................... 203 dd) Ausnahmen vom Widerrufsrecht............................................. 205 f) Rechtsfolgen des Widerrufs des Fernabsatz-Vertrages ................... 208 XV aa) Rückabwicklungsverhältnis ..................................................... 208 bb) Kosten und Gefahr der Rücksendung...................................... 209 cc) Haftung des Verbrauchers ....................................................... 212 VII. Zusammenfassung........................................................................................ 213 § 3. Vertragsabschluss unter Einsatz moderner Telekommunikationsmittel ....................................................................... 215 I. Funktion und Begriff des Vertrages............................................................. 215 II. Angebot oder invitatio ad offerendum ......................................................... 216 1. 2. 3. 4. III. Bedeutung der Frage ........................................................................... 216 Rechtliche Beurteilung........................................................................ 217 a) Meinungsstand ................................................................................ 217 b) Eigene Stellungnahme .................................................................... 219 aa) Informations- und Werbemittel ............................................... 220 bb) Integrierte Bestellfunktion („ Elektronischer Warenkorb“) .... 221 cc) Elektronisches Vertriebsmittel („Live Order Pages“) ............. 223 c) Rechtsvergleichende Betrachtung: Die Situation in der Schweiz... 225 Bindung an den Antrag ....................................................................... 228 a) Widerruflichkeit des Antrags .......................................................... 228 b) Die Wirksamkeit von „Freiklauseln“.............................................. 228 aa) Meinungsstand......................................................................... 229 bb) Widerrufsrecht nach Zugang der Annahmeerklärung? ........... 229 cc) Eigene Stellungnahme ............................................................. 230 dd) Schranken des AGBG ............................................................. 231 ee) Ergebnis ................................................................................... 233 Exkurs: Online-Auktionen .................................................................. 233 a) Erscheinungsformen und Mechanismen ......................................... 234 b) Problemstellung .............................................................................. 238 c) Wirksamer Vertragsabschluss – der Fall „Ricardo.de“ .................. 241 aa) Hintergrund.............................................................................. 242 bb) Freischaltung der Internet-Auktion als bindender Antrag....... 242 cc) Eigene Stellungnahme ............................................................. 244 Rechtzeitigkeit der Annahme....................................................................... 248 1. 2. Rechtliche Einordnung........................................................................ 248 Bestimmung der Annahmefrist ........................................................... 249 a) Meinungsstand ................................................................................ 249 b) Unterschiedliche Annahmefristen................................................... 251 aa) Hintergrund.............................................................................. 251 XVI 3. 4. IV. bb) Korrespondenz der Beförderungsmittel .................................. 252 cc) Einzelheiten.............................................................................. 253 c) Bestimmung einer Annahmefrist nach § 148 BGB......................... 256 aa) Vorbemerkung ......................................................................... 256 bb) Vertragsabschlussklauseln....................................................... 257 cc) Schranken nach § 10 Nr. 1 AGBG........................................... 258 Verspätete Annahmeerklärung............................................................ 260 Annahmeerklärung durch Schweigen ................................................. 261 Die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr (ECommerce-Richtlinie).................................................................................. 267 1. 2. 3. Einleitung ............................................................................................ 267 Hintergrund ......................................................................................... 269 Inhalt.................................................................................................... 270 a) Der Abschluss von Verträgen auf elektronischem Weg ................. 271 b) Die Abgabe einer Bestellung .......................................................... 274 aa) Rechtsnatur der Bestätigung .................................................... 274 bb) Annahmeerklärung durch den Anbieter .................................. 279 cc) Art und Weise der Bestätigung ................................................ 283 dd) Zeitpunkt des Vertragsschlusses.............................................. 284 c) Informationspflichten bei Abschluss von Verträgen auf elektronischem Weg ....................................................................... 286 d) Zusammenfassung........................................................................... 287 § 4. Zukünftiger Rechtsrahmen für den elektronischen Geschäftsverkehr in Deutschland ............................................................. 290 I. Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den Elektronischen Geschäftsverkehr (EGG) .............................................................................. 290 1. 2. II. Hintergrund ......................................................................................... 290 Umsetzungsbedarf im einzelnen ......................................................... 292 a) Anwendungsbereich........................................................................ 292 b) Herkunftslandprinzip ...................................................................... 293 c) Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip .......................................... 299 d) Informationspflichten...................................................................... 301 e) Abschluss von elektronischen Verträgen ........................................ 301 Entwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes.................................. 303 1. 2. 3. Hintergrund ......................................................................................... 303 Umsetzung von Art. 10 und 11 der E-Commerce-Richtlinie.............. 305 Diskussionsentwurf vom 6. August 2000 ........................................... 306 a) Integration von Verbraucherschutzgesetzen ................................... 306 XVII 4. 5. b) Elektronische Bestellungen (§ 305b BGB-DiskE) ......................... 307 c) Rechtliche Würdigung .................................................................... 308 Konsolidierte Fassung vom 6. März 2001 .......................................... 309 a) Hintergrund ..................................................................................... 309 b) Zusätzliche Pflichten beim Vertragsschluss im elektronischen Geschäftsverkehr ( § 311f BGB-KF) ............................................. 309 c) Rechtliche Würdigung .................................................................... 311 aa) Konzeption............................................................................... 311 bb) Die Umsetzung von Art. 11 ECRL ......................................... 312 cc) Richtlinienkonforme Auslegung.............................................. 313 dd) Zusammenfassung ................................................................... 319 Regierungsentwurf vom 9. Mai 2001.................................................. 320 a) Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312e BGB-RegE) ....................................................................... 320 b) Rechtliche Würdigung .................................................................... 320 § 5. Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen................................. 326 I. Einleitung ..................................................................................................... 326 1. 2. 3. 4. II. Ausdrücklicher Hinweis (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AGBG) ..................................... 332 1. 2. 3. III. Hintergrund ......................................................................................... 326 Einbeziehungsvereinbarung ................................................................ 327 a) Abweichung vom allgemeinen Vertragsrecht................................. 327 b) Das Verhältnis zu den §§ 145 ff. BGB ........................................... 328 Ausnahmen......................................................................................... 328 Erweiterung des Anwendungsbereichs des AGBG für Verbraucherverträge ........................................................................... 331 Formale Anforderungen ...................................................................... 332 Hinweis bei Vertragsschluss ............................................................... 334 Angebot durch den Kunden ................................................................ 337 Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AGBG) ........... 337 1. 2. Möglichkeit der Kenntnisnahme ......................................................... 337 Zumutbarkeit ....................................................................................... 339 a) Rechtsprechung zur Einbeziehung von AGB in Btx-Angebote...... 340 b) Einbeziehung von AGB im Internet ............................................... 342 c) Art. 10 Abs. 3 der E-Commerce-Richtlinie .................................... 346 aa) Inhalt ........................................................................................ 346 bb) Präsentationsformate ............................................................... 349 cc) Verfehlte Umsetzung durch § 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BGB-RegE .............................................................................. 352 XVIII d) Die Einbeziehung fremdsprachlicher AGB .................................... 353 e) Einzelfragen .................................................................................... 356 IV. Einverständnis des Kunden .......................................................................... 356 1. 2. V. Rahmenvereinbarungen nach § 2 Abs. 2 AGBG ......................................... 361 1. 2. VI. Online-Bestellformular........................................................................ 357 Bestellung per E-Mail ......................................................................... 359 Gegenstand .......................................................................................... 361 Inhalt und Voraussetzungen ................................................................ 362 Geltung des AGBG bei internationalen Internet-Verträgen......................... 363 1. 2. 3. 4. Einleitung ............................................................................................ 363 Schuldstatut und Vertragsabschlussvoraussetzungen ......................... 365 Sonderanknüpfung nach IPR............................................................... 366 a) Verbraucherverträge – Art. 29 EGBGB.......................................... 366 aa) Anwendungsbereich................................................................. 367 bb) Website als Werbung i.S.v. Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB...... 369 cc) Aktive und passive Websites ................................................... 374 dd) Abgabe der Vertragserklärung durch den Verbraucher........... 385 ee) Entgegennahme der Erklärung durch den Unternehmer.......... 386 b) Verbraucherschutz für besondere Gebiete – Art. 29a EGBGB ...... 387 AGBG und CISG ................................................................................ 389 VII. Ausblick ....................................................................................................... 389 VIII. Zusammenfassung........................................................................................ 392 § 6. Fehlerhafte Willenserklärungen ............................................................... 394 I. Einleitung ..................................................................................................... 394 II. Anfechtung ................................................................................................... 394 1. 2. 3. Eingabe- und Bedienungsfehler .......................................................... 395 Daten- und Systemfehler..................................................................... 397 a) Datenfehler...................................................................................... 398 b) Systemfehler ................................................................................... 401 aa) Der unerhebliche Irrtum........................................................... 401 bb) Der ausnahmsweise erhebliche Irrtum .................................... 402 c) Zwischenergebnis............................................................................ 404 Übermittlungsfehler ............................................................................ 405 a) Unrichtige Übermittlung ................................................................. 405 b) Neufassung des § 120 BGB ............................................................ 410 XIX 4. III. Versehentliche Abgabe einer Erklärung ...................................................... 414 1. 2. 3. IV. Zwischenergebnis................................................................................ 411 Einleitung ............................................................................................ 414 Rechtliche Beurteilung........................................................................ 415 a) Tatbestandliche Voraussetzungen einer Willenserklärung ............. 415 b) Rechtliche Würdigung .................................................................... 416 „Abhandengekommene“ Erklärung .................................................... 418 a) Vertrauenshaftung nach § 122 BGB analog ................................... 418 b) Eigene Ansicht................................................................................ 419 Technische Mittel zur Korrektur von Eingabefehlern ................................. 420 1. 2. Vorbemerkung..................................................................................... 420 Technische Mittel zur Korrektur von Eingabefehlern ........................ 422 a) Die Regelung des Schuldrechtmodernisierungsgesetzes (Konsolidierte Fassung).................................................................. 422 b) Änderungen durch den Regierungsentwurf zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz............................................... 425 aa) Nichtigkeit ............................................................................... 426 bb) Anfechtung wegen Irrtums...................................................... 426 cc) Haftung aus Culpa in contrahendo........................................... 427 dd) Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB................... 428 V. Zusammenfassung........................................................................................ 428 § 7. Besonderheiten der mobilen Kommunikation ........................................ 431 I. Vom E- zum M-Commerce.......................................................................... 431 II. Definition ..................................................................................................... 432 III. Technische Grundlagen................................................................................ 432 IV. Limitationen mobiler Kommunikationsgeräte ............................................. 434 1. 2. V. Problemhintergrund............................................................................. 434 Rechtliche Würdigung ........................................................................ 436 a) Fernabsatzgesetz ............................................................................. 437 b) E-Commerce-Richtlinie .................................................................. 439 c) AGB-Gesetz .................................................................................... 440 Ergebnis und Zusammenfassung ................................................................. 441 XX XXI Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Kategorisierung der unterschiedlichen Erklärungstypen ................. 29 Abbildung 2: Versicherungsabschluss im Internet – I............................................ 34 Abbildung 3: Versicherungsabschluss im Internet – II .......................................... 34 Abbildung 4: Versicherungsabschluss im Internet – III ......................................... 35 Abbildung 5: Versicherungsabschluss im Internet – IV......................................... 35 Abbildung 6: Das funktionale Zusammenspiel von Mensch und EDV bei der Computererklärung .......................................................................... 65 Abbildung 7: Unterschiedliche Konzepte zur Beurteilung des Zugangs von Willenserklärungen .......................................................................... 78 Abbildung 8: Konvergenz der Telekommuniationsmittel und -medien................. 82 Abbildung 9: Lebenszyklus einer E-Mail .............................................................. 86 Abbildung 10: Normative Zurechnung bei der Mailboxkommunikation .............. 114 Abbildung 11: Freigabe der vom Absender angeforderten Lesebestätigung ......... 125 Abbildung 12: Lesebestätigung bei Unterstützung des Absender-Formats ........... 126 Abbildung 13: Empfangsbestätigung ohne Unterstützung des Absender-Formats 126 Abbildung 14: Beispiel einer Fehlermeldung bei überfüllter Mailbox .................. 131 Abbildung 15: Beispiel einer Fehlermeldung bei Überschreitung der maximalen Speicherkapazität......................................................... 132 Abbildung 16: Beispiel einer Fehlermeldung bei Server Timeout......................... 134 Abbildung 17: „Virenverseuchter“ Dateianhang einer E-Mail .............................. 139 Abbildung 18: Warnung vor möglicherweise gefährlichen Inhalten ..................... 141 Abbildung 19: Unberechtigte Annahmeverweigerung........................................... 143 Abbildung 20: Kategorisierung der unterschiedlichen Absatzformen ................... 169 Abbildung 21: Faktoren zur Bestimmung der Annahmefrist nach § 147 Abs. 2 BGB .......................................................................... 255 Abbildung 22: Der elektronische Vertragsabschluss nach Art. 11 E-Commerce-Richtlinie ................................................................. 282 Abbildung 23: Beispiel der Bestätigung einer Bestellung nach Art. 11 E-Commerce-Richtlinie ................................................................. 284 Abbildung 24: Musterbeispiel eines ausdrücklicher Hinweises nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGBG.................................................................. 335 Abbildung 25: Beispiel einer Btx-Seite ................................................................. 341 Abbildung 26: Musterbeispiel nach Art. 10 Abs. 3 E-Commerce-Richtlinie ........ 351 Abbildung 27: Anfechtbarkeit fehlerhafter Willenserklärungen............................ 413 Abbildung 28: Limitationen mobiler Endgeräte .................................................... 435 XXII Verzeichnis der Abkürzungen a.A. ........................................... Abb. .......................................... ABGB ....................................... ABl. .......................................... ABl. C ....................................... ABl. CE .................................... ABl. L ....................................... Abs. .......................................... abw. .......................................... AcP ........................................... a.E. ............................................ a.F. ............................................ AfP ........................................... AG ............................................ AGB ......................................... AGBG ....................................... allg. ........................................... Alt. ............................................ a.M. ........................................... amtl. .......................................... Anh. .......................................... Anl. ........................................... Anm. ......................................... Anwalt ...................................... AnwBl. ..................................... Anz. .......................................... AP ............................................. ArchPT ..................................... Art. ............................................ ASCII ....................................... ASP ........................................... AT ............................................. Aufl. .......................................... ausf. .......................................... Ausg. ........................................ Az. ............................................ andere(r) Ansicht Abbildung Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) Amtsblatt Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Teil C: Mitteilungen und Bekanntmachungen Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften: Teil CE: Ausschliesslich elektronische Teil der Reihe C des Amtsblattes, der als „ABl. CE“ benannt wird. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Teil L: Rechtsvorschriften Absatz abweichend Archiv für die zivilistische Praxis (Zeitschrift) am Ende alte Fassung Archiv für Presserecht (Zeitschrift) Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen allgemein Alternative andere(r) Meinung Amtlich Anhang Anlage Anmerkung(en) Anwalt – Das Magazin mit NJW-CoR (Zeitschrift) Anwaltsblatt (Zeitschrift) Anzeiger Arbeitsrechtliche Praxis, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts Archiv für Post und Telekommunikation (Zeitschrift) Artikel American Standard Code for Information Interchange Active Server Pages Allgemeiner Teil Auflage ausführlich Ausgabe Aktenzeichen XXIII BAG .......................................... BAnz. ........................................ BayOblG ................................... BayVBl. .................................... BB ............................................. Bd.; Bde. ................................... BDI ........................................... BDZ .......................................... Bearb. ........................................ begr. .......................................... Begr. ......................................... Beil. .......................................... Bek. ........................................... ber. ............................................ bes. ............................................ Beschl. ...................................... betr. ........................................... BGB .......................................... BGBl. ........................................ BGH .......................................... BGHZ ....................................... Bl. ............................................. BMJ .......................................... BMWI ....................................... BPatG ....................................... BR ............................................. BR-Drucksache ......................... BReg. ........................................ BT ............................................. BT-Drucksache ......................... Btx ............................................ BVerfG ..................................... BVerfGE ................................... BVerwG .................................... BVerwGE ................................. ccTLD ....................................... CD-ROM .................................. CGI ........................................... cic ............................................. CISG ......................................... Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger Bayrisches Oberstes Landgericht Bayrische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Betriebs-Berater (Zeitschrift) Band, Bände Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. Bearbeiter begründet(en) Begründung Beilage Bekanntmachung berichtigt besonders Beschluss betreffend Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Blatt Bundesminister(ium) der Justiz Bundesminister(ium) für Wirtschaft Bundespatentgericht Bundesrat Bundesrats-Drucksache Bundesregierung Besonderer Teil Bundestags-Drucksache Bildschirmtext Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung) Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgericht (Amtliche Sammlung) Country Code Top Level Domain Compact Disc – Read Only Memory Common Gateway Interface, culpa in contrahendo Convention of Contracts for the Internationale Sale of Goods (UN-Kaufrecht) XXIV COM ......................................... CR ............................................. CRI ........................................... c’t .............................................. Dokument der Europäischen Kommission Computer und Recht (Zeitschrift) Computer und Recht International (Zeitschrift) Magazin für Computertechnik (Zeitschrift) DB ............................................ DBP .......................................... DENIC ...................................... ders. .......................................... DFÜ .......................................... DHTML .................................... DIHT ........................................ DIN ........................................... DiskE ........................................ Diss. .......................................... DNotZ ....................................... DNS .......................................... Dok. .......................................... dmmv ........................................ DÖV ......................................... DoS ........................................... DDoS ........................................ DRiZ ......................................... DStR ......................................... DSWR ...................................... Der Betrieb (Zeitschrift) Deutsche Bundespost Deutsches Network Information Center derselbe Daten Fernübertragung Dynamic HTML Deutscher Industrie- und Handelstag Deutsche Industrie Norm Diskussionsentwurf Dissertation Deutsche Notar-Zeitschrift (Zeitschrift) Domain Name Server Dokument Deutscher Multimediaverband Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Denial of Service (Attack) Distributed Denial of Service (Attack) Deutsche Richterzeitung (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Datenverarbeitung, Steuer, Wirtschaft und Recht (Zeitschrift) DuD .......................................... Datenschutz und Datensicherung (Zeitschrift) DVBl. ....................................... Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) DZWiR ..................................... Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) ECRL ........................................ Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt – „Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“ (E-Commerce Richtlinie) Ed. ............................................ Edition EDI ........................................... Electronic Data Interchange EDV .......................................... Elektronische Datenverarbeitung EGG .......................................... Regierungsentwurf eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr, Stand 14.2.2001 EG ............................................. Europäische Gemeinschaft(en) EGBGB .................................... Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch XXV EGV .......................................... Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung von Amsterdam Einf.; einf. ................................. Einführung, einführend Einl. .......................................... Einleitung E-Mail ....................................... Electronic Mail endg. ......................................... endgültig Entsch. ...................................... Entscheidung entspr. ....................................... entsprechend Entw. ......................................... Entwurf EP ............................................. Europäisches Parlament erg. ............................................ ergänzt et. al. ......................................... und andere EU ............................................. Europäische Union EuGH ........................................ Gerichtshof der europäischen Gemeinschaften EuGVÜ ..................................... Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 EuZW ....................................... Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) evtl. ........................................... eventuell EWiR ........................................ Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Kurzkommentare, Beil. zu ZIP (Zeitschrift) EWG ......................................... Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, seit 1.11.1993 Europäische Gemeinschaft (EG) EWR ......................................... Europäische(r) Wirtschaftsraum EWS .......................................... Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) FARL ........................................ Richtlinie 97/7/EG des Rates und des europäischen Parlaments vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Fernabsatz-Richtlinie) FernAbsG .................................. Fernabsatzgesetz FernUSG ................................... Fernunterrichtsschutzgesetz Fn .............................................. Fussnote fortgef. ...................................... fortgeführten FS .............................................. Festschrift FTD ........................................... Financial Times Deutschland FTP ........................................... File Transfer Protocol GB ............................................. GBl. .......................................... GD ............................................ gem. .......................................... GeschZ ...................................... GG ............................................ Giga-Byte Gesetzblatt, Gesetzblätter Generaldirektion gemäss Geschäftszeichen Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland XXVI GPRS ........................................ General Packet Radio Service grdl. .......................................... grundlegend GRUR ....................................... Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) gTLD ......................................... Generic Top Level Domain GVBl. ....................................... Gesetz- und Verordnungsblatt H. ............................................. h.A. ........................................... Hab.-Schr. ................................. Halbbd. ..................................... HGB ......................................... h.L. ........................................... h.M. .......................................... HPP ........................................... Hrsg. ......................................... HRR .......................................... Hs. ............................................ HTML ....................................... HTTP ........................................ HWiG ....................................... Heft herrschende Ansicht Habilitations-Schrift Halbband Handelsgesetzbuch herrschende Lehre herrschende Meinung Hypertext Pre-Processor Herausgeber Höchstrichterliche Rechtsprechung Halbsatz Hypertext Markup Language Hypertext Transport Protocol Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften (Haustürwiderrufsgesetz) ICANN ...................................... Internet Cooperation für Assigned Names and Numbers i.d.F. .......................................... in der Fassung i.d.R. ......................................... in der Regel i.E. ............................................ im Ergebnis i.e.S. .......................................... im engeren Sinne IM ............................................. Instant Messaging IMAP ........................................ Instant Message Access Protocol insb. .......................................... insbesondere IP .............................................. Internet Protocol IPR ............................................ Internationales Privatrecht IPRax ........................................ Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) i.S. ............................................. im Sinne ISDN ......................................... Integrated Services Digital Network ISP ............................................ Internet Service Provider IT .............................................. Informationstechnik ITRB ......................................... Der IT – Rechtsberater (Zeitschrift) i.ü. ............................................. im übrigen IuKDG ...................................... Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz i.V.m. ........................................ in Verbindung mit i.w.S. ......................................... im weiteren Sinne XXVII JA .............................................. Jg. .............................................. JR .............................................. JurBüro ..................................... JurPC ........................................ Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Jahrgang Juristische Rundschau (Zeitschrift) Das juristische Büro (Zeitschrift) JurPC (Internet Zeitschrift für Rechtsinformatik, abzurufen unter: <http://www.jurpc.de/>) JuS ............................................ Juristische Schulung (Zeitschrift) JZ .............................................. Juristenzeitung (Zeitschrift) Kap. .......................................... KF ............................................. KG ............................................ KOM ......................................... K&R ......................................... Kapitel Konsolidierte Fassung Kammergericht Dokument der Europäischen Kommission Kommunikation und Recht (Zeitschrift) LAN .......................................... Lfg. ........................................... LG ............................................. LM ............................................ Local Area Network Lieferung Landgericht Das Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, herausgegeben von Lindemaier und Möhring m.a.N. ....................................... m.a.W. ...................................... MDR ......................................... MDStV . .................................... mit ausführlichen Nachweisen mit anderen Worten Monatsschrift des Deutschen Rechts (Zeitschrift) Staatsvertrag über Mediendienste – MediendiensteStaatsvertrag Gesetz zur Regelung der Miethöhe Multi-Purpose Internet Mail Extension Multi Media & Recht (Zeitschrift) Motive zum BGB mit weiteren Nachweisen MHG ......................................... MIME ....................................... MMR ........................................ Mot. .......................................... m.w.N. ...................................... neubearb. ................................... n.F. ............................................ NJW .......................................... NJW-CoR ................................. NJW-RR ................................... Nr. ............................................. NZA .......................................... neuberabeitete neue Fassung Neue Juritische Wochenschrift (Zeitschrift) NJW-Computereport (Zeitschrift) NJW-Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift) Nummer Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht (Zeitschrift) OECD ....................................... Organization for Economic Cooperation and Development ÖVD ......................................... Öffentliche Verwaltung und Datenverarbeitung (Zeitschrift) o.g. ............................................ oben genannt XXVIII OLG .......................................... Oberlandesgericht OR ............................................ Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Fünfter Teil: Obligationenrecht o.V. ........................................... ohne Verfasser OVG ......................................... Oberverwaltungsgericht PC ............................................. PDA .......................................... PDF ........................................... PIN ........................................... POP ........................................... ProdHG ..................................... Personal Computer Personal Digital Assistant Portable Document Format Persönliche Identifikationsnummer Post Office Protocol Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz) Prot. .......................................... Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des BGB pVV .......................................... positive Vertragsverletzung RabelsZ ..................................... Zeitschrift für ausländisches und Internationales Privatrecht (Zeitschrift) Rn ............................................. Randnummer RefE .......................................... Referentenentwurf RegE ......................................... Regierungsentwurf RegBgr. .................................... Regierungsbegründung RG ............................................ Reichsgericht RGZ .......................................... Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RIW .......................................... Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) RL ............................................. Richtlinie Rspr. ......................................... Rechtsprechung SeuffA ...................................... Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten SigG .......................................... Gesetz zur digitalen Signatur (Signaturgesetz) SigVO........................................ Verordnung zur digitalen Signatur (Signaturverordnung) Slg. ............................................ Sammlung SMS .......................................... Short-Message-Service s.o. ............................................ siehe oben SR ............................................. Systematische Rechtsammlung (der Schweiz) SSI ............................................ Server Side Includes str. ............................................. strittig st. Rspr. ..................................... ständige Rechtsprechung s.u. ............................................ siehe unten XXIX TAN .......................................... TCP/IP ...................................... TDDSG ..................................... TDG .......................................... teilw. ......................................... TLD .......................................... TK ............................................. TKG .......................................... TKV .......................................... TzWrG ...................................... UCITA ...................................... UM ............................................ UMTS ....................................... UN ............................................ UNCITRAL .............................. UNIDROIT ............................... u.ö. ............................................ URL .......................................... u.U. ........................................... UWG ......................................... Transaktionsnummer Transmission Control Protocol/Internet Protocol Teledienstedatenschutzgesetz Gesetz über die Nutzung von Telediensten (Teledienstegesetz) teilweise Top Level Domain Telekommunikation Telekommunikationsgesetz Telekommunikations-Kundenschutzverordnung Teilzeit-Wohnrechtegesetz Uniform Computer Information Transaction Act Unified Messaging Universal Mobile Telecommunications System United Nations United Nation Commission on International Trade Law Principles of International Commercial Contracts 1994, published by the International Institute for the Unification of Private Law (UNIDROIT), Rome, Italy und öfter Uniform Resource Locator unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v.a. ............................................ Var. ........................................... VDZ .......................................... verb. Rs. .................................... VerbrKrG .................................. Verf. .......................................... VersR ........................................ VerstV ....................................... VG ............................................ VGH ......................................... Vol. ........................................... Vorb. ......................................... VPRT ........................................ vor allem Variante Verband Deutscher Zeitungsverleger e.V. verbundene Rechtssache Verbraucherkreditgesetz Verfasser Versicherungsrecht (Zeitschrift) Versteigererverordnung Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Volume (Band) Vorbemerkung Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation e.V. VuR ........................................... Verbraucher und Recht (Zeitschrift) VVG ......................................... Gesetz über den Versicherungsvertrag VwVfG ..................................... Verwaltungsverfahrensgesetz WAP ......................................... Wireless Application Protocol WIPO ........................................ World Intellectual Property Organization XXX WM ........................................... Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankenrecht, Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift) WML ........................................ Wireless Markup Language WRP ......................................... Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) WWW ....................................... World Wide Web ZdH ........................................... Zentralverband de Deutschen Handwerks ZeuP ......................................... Zeitschrift für europäisches Privatrecht (Zeitschrift) ZIP ............................................ Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis (Zeitschrift) Zit. ............................................ Zitat ZPO .......................................... Zivilprozessordnung ZRP ........................................... Zeitschrift für Rechtspolitik (Zeitschrift) ZUM ......................................... Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht/Film und Recht (Zeitschrift) zust. .......................................... zustimmend zutr. ........................................... zutreffend XXXI Verzeichnis der Gesetzestexte und Materialien I. Internationale Verträge und Abkommen Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) vom 11. April 1980, BGBl. 1989 II, 588 Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelsachen (LuGÜ) vom 16. September 1988, ABl. EWG L 319 vom 25.11.1988, S. 1 II. Gemeinschaftsrecht 1. Geltendes Gemeinschaftsrecht Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelsachen (EuGVÜ) vom 27. September 1968, ABl. EWG L 299 vom 31.12.1972, S. 32, in der konsolidierten Fassung, ABl. C 27 vom 26.01.1998, S. 1 Übereinkommen 80/934/EWG über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Römer Schuldvertragsübereinkommen), aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. Juni 1980 in Rom, ABl. EWG L 266 vom 9.10.1980, S. 1, in der konsolidierten Fassung, ABl. C 27 vom 26.01.1998, S. 34 Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, ABl. EWG L 250 vom 19. September 1984, S. 17 Richtlinie 85/877/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von ausserhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen („Haustürgeschäfte“), ABl. EWG L 372 vom 31. 12 1985, S. 31 Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, ABl. EWG L 42 vom 12.02.1987, S. 48 Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen, ABl. EWG L 158 vom 23.06.1990, S. 59 Richtlinie 93/13/EG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. L 95 vom 21.04.1993, S. 29 Richtlinie 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien (Timesharing Richtlinie), ABl. L 280 vom 29.10.1994, S. 83 Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Fernabsatzrichtlinie), ABl. L 144 vom 4. 06. 1997, S. 19 XXXII Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen, ABl. L 166 vom 11.06.1998, S. 51 Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft, ABl. L 204 vom 21.07.1998, S. 37 in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG, ABl. L 217 vom 5.08.1998, S. 18 Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro – Euro VO II, ABl. L 139 vom 11.05.1998, S. 1, zuletzt geändert durch die VO (EG) Nr. 2596/2000 des Rates vom 27. November 2000, ABl. EG L 300 vom 29.11.2000, S. 2 Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl. L 171 vom 7.07.1999, S. 12 Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen, ABl. L 13 vom 19.01.2000, S. 12. Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. L 178 vom 17. 07 2000, S. 1 Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, ABl. L 200 vom 8.08.2000, S. 35 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelsachen, ABl. L 12 vom 16.01.2001, S. 1 2. Entwürfe und Materialien Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates und Europäischen Parlaments über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, KOM (92) 11 endg. vom 20.05.1992, ABl. C 156 vom 23.06.1992, S. 14 Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 24. November 1992 zum Vorschlag für eine Richtlinie über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. C 19 vom 25.01.1993, S. 111 Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 26. Mai 1993 zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, Dok. A3-0159/93, ABl. C 176 vom 28. 06.1993, S. 85. Geänderter Vorschlag Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates und Europäischen Parlaments über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, KOM (93) 396 endg. vom 7.10.1993, ABl. C 308 vom 15.11.1993, S. 18 Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 19/95 vom Rat festgelegt am 29. Juni 1995 im Hinblick auf den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie 95/.../EG des XXXIII Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. C 288 vom 30.10.1995, S. 10 Beschluss des Europäischen Parlaments betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europaeischen Parlaments und des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz Dok. C 40369/95, ABl. C 17 vom 22.01.1996, S. 51. Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, KOM (1999), 385 endg., ABl. C 177E vom 27.06.2000, S. 21 Europäische Initiative für den elektronischen Geschäftsverkehr, Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, KOM (97) 157 endg. vom 14. 04. 1997, abzurufen unter: <http://europa.eu.int/ ISPO/ecommerce/legal/documents/com97-157/ecomcomd.pdf> (Stand: 10.09.2001) Entschließung des Europäischen Parlaments über die Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über europäische Initiative für den europäischen Geschäftsverkehr vom 14.05.1998, Dok. A4-0173/98, abzurufen unter: <http://europa.eu.int/ISPO/ecommerce/epreports/EP223_962_de.pdf> (Stand: 10.09.2001) Entschließung des Rates, Die Verbraucherdimension der Informationsgesellschaft, Protokoll der 2128. Tagung des Rates – Verbraucherschutz, Brüssel, 3. November 1998, ABl. C 23 vom 28.01.1999, S. 1 Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt, KOM (98) 586 endg. vom 18. 11. 1998 – 98/0325 (COD); Erwägungsgründe und Richtlinientext sind veröffentlicht im ABl. EG 1999 Nr. C 30 vom 5. 02.1999, S. 4, abzurufen unter: <http://europa.eu.int/comm/internal_market/ en/ecommerce/com586de.pdf> (Stand: 10.09.2001) Stellungnahme des Europäischen Parlaments im Hinblick auf den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt vom 6.05.1999, Dok. A4-02-248/99, ABl. C 279 vom 1.10.1999, S. 389, abzurufen unter: <http://europa.eu.int/ISPO/ecommerce/epreports/EP229_868_de.pdf> (Stand: 10.09.2001) Stellungnahme des Wirtschaft- und Sozialausschuss zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt, ABl. C 169 vom 16.06.1999, S. 36, abzurufen unter: <http://europa.eu.int/ISPO/ecommerce/oj/1999/1999C169/ 1999C169_14_de.pdf> (Stand: 10.09.2001) Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt vom 17.08.1999, KOM (99) 427 endg., Dok. 98/0325 COD, ABl. C 248E vom 29.08.2000, S. 69, abzurufen unter: <http://europa.eu.int/comm/internal_market/en/ecommerce/com427de.pdf> (Stand: 10.09.2001) Gemeinsamer Standpunkt (EG) vom Rat festgelegt am 28.02.2000 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2000/.../EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im XXXIV Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), Dok.. 14263/1799 REV 1 abzurufen unter: <http://europa.eu.int/comm/internal_market/en/ ecommerce/composde.pdf> (Stand: 25. 09. 2000). Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament gemäss Artikel 251, Absatz 2, zweiter Unterabsatz des EG-Vertrages zum gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) vom 20.03.2000, Dok. 500PC0386S Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, KOM (1999) 348 endg.vom 14.07.1999, ABl. C 376E vom 28.12.1999, S. 1, abzurufen unter: <http://europa.eu.int/ISPO/ecommerce/legal/documents/51999PC0348/ ce37619991228de00010017.pdf> (Stand: 10.09.2001) Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschuss Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. C 117 vom 26.04.2000, S. 6 Geänderter Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen vom 26.10.2000, KOM (2000) 689 endg., ABl. C 62E vom 27.02.2001, S. 243 Protokoll der 2314. Tagung des Rates Justiz, Inneres und Katastrophenschutz am 30. November/ 1. Dezember 2000 in Brüssel, Dok. 13865/00 (Presse 457), Conseil/00/457, Gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Zivil- und Handelssachen, Erklärung zu den Artikeln 15 und [68], Anlage; S. 35, abzurufen unter: <http://register.consilium.eu.int/pdf/de/00/st13/13865d0.pdf> (Stand: 10.09.2001), abgedruckt in IPRax 2001, S. 260. Communication from the Commission to the European Paliament and the Council, Internet Domain Name System – Creating the .EU Top Level Domain, COM (2000) 421 final vom 5.07.2000, abzurufen unter: <http://europa.eu.int/comm/ information_society/policy/internet/pdf/com2000421_en.pdf> (Stand: 10.09.2001) III. Nationales Recht A. Bundesrepublik Deutschland 1. Geltendes Recht Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vom 18. August 1896, RGBl. S. 195, zuletzt geändert durch das Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf den Euro vom 27. Juni 2000, BGBl. I, 897, berichtigt BGBl. I, 1139 XXXV Handelsgesetzbuch, ohne Seehandel (HGB) vom 10. Mai 1897, RGBl. 219, zuletzt geändert durch das Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf den Euro, BGBl. I, 897 vom 27. Juni 2000, berichtigt BGBl. I, 1139 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 7. Juni 1908, RGBl. S. 499, zuletzt geändert durch das Gesetz zur vergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften vom 1.09.2000, BGBl. I, 1374 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) vom 23. Mai 1949, BGBl., 1, BGBl. III 1, Nr. 100-1 zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 12a) vom 19.12.2000, BGBl. I, 1755 Zivilprozessordnung (ZPO), in der Fassung vom 12. September 1950, BGBl., 535; BGBl. III 3, Nr. 310-4), zuletzt geändert durch das Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf den Euro, BGBl. I, 897 vom 27. Juni 2000, berichtigt BGBl. I, 1139 Gesetz zur Regelung der Miethöhe (Miethöhegesetz – MHG) vom 18. Dezember 1974, BGBl I, S. 3603, 3604, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Einführung des Euro (Euro-Einführungsgesetz) vom 9. Juni 1998, BGBl. I, 1242 Verordnung über gewerbsmässige Versteigerungen (Versteigererverordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Juni 1976, BGBl. I, 1345, geändert durch die dritte Verordnung zur Änderung gewerberechtlicher Vorschriften vom 7. November 1990, BGBl. I, 2476 Gesetz über den Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (Fernunterrichtsschutzgesetz – FernUSG) vom 24. August 1976, BGBl. I, 2525, in der Neufassung vom 04.12.2000, BGBl. I, 1670. Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) vom 9. Dezember 1976, BGBl. I, 3317, in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 2000, BGBl. I, 946 Gewerbeordnung (GewO), Neubekanntmachung vom 1. Januar 1978, BGBl. I, 97, in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Januar 1987, BGBl. I, 425 Preisangabenverordnung (PangV) vom 14. März 1985, BGBl. I, 580, zuletzt geändert durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Preisangabenverordnung vom 22. Juli 1997, BGBl. I, 1910. Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften (HWiG) vom 16. Januar 1986, BGBl. I, 122, in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 2000, BGBl. I, 955 Gesetz zu dem Übereinkommen vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, BGBl. 1986 II, 810 Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkhaftungsgesetz – ProdHG) vom 15.12.1989 (BGBl. I, 2189), zuletzt geändert das Markenrechtsreformgesetz vom 25.10.1994 (BGBl. I, 3802). Verbraucherkreditgesetz (VerbrKrG) vom 17. Dezember 1990, BGBl. I, 2840, in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 2000, BGBl. I, 940 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1994, BGBl. I, 2494, berichtigt 1997, BGBl. I, 1061, zuletzt geändert durch das Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des XXXVI Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf den Euro, BGBl. I, 897 vom 27. Juni 2000, berichtigt BGBl. I, 1139 Verordnung über die Informationspflichten von Reiseveranstaltern vom 14. November 1994, BGBl. I, 3436 Telekommunikationsgesetz (TKG) vom 25. Juli 1996, BGBl. I, S. 1120, geändert durch das Begleitgesetz zum Telekommunikationsgesetz (BegleitG) vom 17. Dezember 1997, BGBl. I, 3108 Gesetz über die Veräusserung von Teilzeitnutzungsrechten an Wohngebäuden (TeilzeitWohnrechtegesetz – TzWrG) vom 20. Dezember 1996, BGBl. I, 2154, in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 2000, BGBl. I, 957 Staatsvertrag über Mediendienste (Mediendienste-Staatsvertrag – MDStV) vom 20. Januar /12. Februar 1997; Baden-WürttGBl 1997, 181 = BayGVBl. S. 226 = BerlGVBL 1997, 360 = BbGGVBL 1997, 75 = BremGBl 1997, 205 = HbgGVBL 1997, 253 = HessGVBL 1997, 134 = MVGVBL 1997, 242 = NdsGVBl 1997, 280 = NWGVBl 1997, 158 – RhPfGVBl 1997, 235 = SaarlABl 1997, 641 = SachsGVBl 1997, 500 = SachsAnhGVBl 1997, 572 = SchlHGVBL 1997, 318 = ThürGVBl 1997, 258 Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste (Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz – IuKDG) vom 22. Juli 1997, BGBl. I, 1870 Gesetz über die Nutzung von Telediensten (Teledienstegesetz – TDG) vom 22. Juli 1997, BGBl. I, 1870 Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV) vom 11. Dezember 1997, BGBl. I, 2910 Begleitgesetz zum Telekommunikationsgesetz vom 17. Dezember 1997, BGBl. I, 3108 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) in der Fassung vom 21. September 1998, BGBl. I, 3050 Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf den Euro (Fernabsatzgesetz – FernAbsG) vom 27. Juni 2000, BGBl. I, 897; berichtigt am 21. Juli 2000, BGBl. I, 1039 Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000, BGBl. I, 330 Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen und zur Änderung weiterer Vorschriften (Signaturgesetz – SigG) vom 16. Mai 2001; BGBl. I, 876 Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001, BGBl. I, 1542. Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001, BGBl. I, 3138 Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz – EGG) vom 14. Dezember 2001, BGBl. I, 3721. Neufassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 2. Januar 2002, BGBl. I, 42. Verordnung über Informationspflichten nach Bürgerlichem Recht (BGBInformationspflichten-Verordnung – BGB-InfoV) vom 2. Januar 2002, BGBl. I, 342 XXXVII 2. Entwürfe und Materialien Entwurf eines Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften vom 9. November 1983 der Abgeordneten Dr. Kübler, Bachmaier, Dr. Emmerlich, Fischer (Osthofen), Klein (Dieburg), Lambinus, Schmidt (München, Schröder (Hannover), Dr. Schwenk (Stade), Stiegler, Dr. de With, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD, Bundestags-Drucksache 10/584, abzurufen unter: <http://www.parlamentsspiegel.de/cgi-bin/hyperdoc/ show_dok.pl? pl=BA&part= D&pnr=10/584&quelle=parla> (Stand: 10.09.2001) Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste (Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz – IuKDG), BT-Drucksache 13/7385, abzurufen unter: <http://www.parlamentsspiegel.de/cgi-bin/hyperdoc/ show_dok.pl?pl=BA&part=D&pnr=13/7385&quelle=parla> (Stand: 10.09.2001) Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Begleitgesetz zum Telekommunikationsgesetz vom 23. Juni 1997, BT-Drucksache 13/8016, abzurufen unter: <http://www.parlamentsspiegel.de/cgi-bin/hyperdoc/show_dok.pl?pl=BA&part= D&pnr=13/8016&quelle=parla> (Stand: 10.09.2001) Stellungnahme des Bundesrats und Gegenäusserung der Bundesregierung zum Entwurf eines Begleitgesetz zum Telekommunikationsgesetz vom4.09.1997, BT-Drucksache 13/8453, abzurufen unter: <http://www.parlamentsspiegel.de/cgi-bin/hyperdoc/ show_dok.pl?pl=BA&part=D&pnr=13/8453&quelle=parla> (Stand: 10.09.2001) Referentenentwurf des Gesetzes über Fernabsatzverträge, Referat I B2, 3420/12-4 vom 31.05.1999, abzurufen unter: <http://www.bmj.bund.de/download/fernag.pdf> (Stand: 10.09.2001) Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf den Euro vom 9.02.2000, BT-Drucksache 14/2658; abzurufen unter: <http://dip.bundestag.de/btd/14/026/1402658.pdf> (Stand: 10.09.2001) Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäusserung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf den Euro vom 9.02.2000, BT-Drucksache 14/2658, BT-Drucksache 14/2920, abzurufen unter: <http://dip.bundestag.de/btd/14/029/1402920.pdf> (Stand: 10.09.2001) Regierungsbegründung zum Fernabsatzgesetz vom 14. 01 2000, BR-Drucksache 25/00, abzurufen unter: <http://www.parlamentsspiegel.de/cgi-bin/hyperdoc/ show_dok.pl?pl=BB&part=D&pnr=25/00&quelle=parla> (Stand: 10.09.2001) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6.Ausschuss) vom 12. 04. 2000 zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT- Drucksachen 14/2658, 14/2920, BT-Drucksache 14/3195, abzurufen unter: <http://dip.bundestag.de/btd/14/031/1403195.pdf> (Stand: 10.09.2001) Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestags vom 28.04.2000, BR-Drucksache 237/00, abzurufen unter: <http://www.parlamentsspiegel.de/cgibin/hyperdoc/show_dok.pl?pl=BB&part=D&pnr=237/00&quelle=parla> (Stand: 10.09.2001) Pressemitteilung des Bundesrats vom 19. Mai 2000, 69/2000, „Bundesrat ruft Vermittlungsausschuss zum Fernabsatzgesetz ein“, abzurufen unter: <http://www.bundesrat.de/pr/pr69_00.html> (Stand: 10.09.2001) XXXVIII Pressemitteilung des Bundesrats vom 7. Juni 2000, 85/2000, „Bei Kleinstaufträgen können dem Käufer die Rücksendekosten auferlegt werden“, abzurufen unter: <http://www.bundesrat.de/pr/pr85_00.html> (Stand: 10.09.2001) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des BGB und anderer Gesetze, Bundesminster der Justiz, Stand: 31.1.1997, BMJ 3414/2 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 5. Juni 2000, abzurufen unter: <http://www.bmj.bund.de/ggv/ggv010.pdf> (Stand: 10.09.2001). Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 14. Dezember 2000, BT-Drucksache 14/4987, abzurufen unter: <http://dip.bundestag.de/ btd/14/049/1404987.pdf> (Stand: 10.09.2001). Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen und Entwicklungen bei den neuen Informations- und Kommunikationsdiensten im Zusammenhang mit der Umsetzung des Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz (IuKDG) vom 18.06.1999, BTDrucks. 14/1191, abzurufen unter: <http://dip.bundestag.de/btd/14/011/1401191.pdf> (Stand: 10.09.2001) Entwurf eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr(Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz – EGG), abzurufen unter: <http://www.iid.de/iukdg/EGG-Entwurf.pdf> (Stand: 14.02.2001) Entwurf eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr, (Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz – EGG), Erstes Arbeitspapier: Stand 1.12.2000, BMWi (VI B 2), BMJ (III B 1), abzurufen unter: <http://www.iid.de/iukdg/EGG-01-12-00-E.pdf> (Stand: 10.09.2000), entspricht inhaltlich der BR-Drucksache 136/01 vom 16.02.2001 Erläuternde Hinweise zum Arbeitspapier „Entwurf eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr, abzurufen unter: <http://www.iid.de/iukdg/EGG-Begruendung.pdf> (Stand: 10.09.2000) Konsolidierte Fassung des Entwurfs eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr, (Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz – EGG, abzurufen unter <http://www.bmj.bund.de/ggv/egg.pdf> (Stand: 10.09.2001) Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz-EGG) vom 17.05.2001, BT-Drucksache 14/6098, abzurufen unter: <http://dip.bundestag.de/btd/14/060/1406098.pdf> (Stand: 10.09.2001) Fassung des Teledienstegesetzes (TDG) unter Berücksichtigung der in Art. 1 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr vorgeschlagenen Änderungen, abzurufen unter: <http://www.iid.de/iukdg/aktuelles/fassung_tdg.pdf> (Stand. 10.09.2001) Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Abschlussbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1992 Entwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, Diskussionspapier vom 4. August 2000, abzurufen unter: <http://www.lrz-muenchen.de/~Lorenz/schumod/diske/ eschurmo.pdf> (Stand: 10.09.2001) Konsolidierte Fassung des Diskussionsentwurfs eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes auf der Grundlage des Diskussionsentwurfs eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, der hierzu vorliegenden Stellungnahmen und der Ergebnisse XXXIX der Beratungen der Arbeitsgemeinschaften zu den einzelnen Komplexen und der Kommission Leistungsstörungsrechts vom 6. März 2001, BMJ (I B 2), abzurufen unter: <http://www.lrz-muenchen.de/~Lorenz/schumod/diske/entwurf.pdf> (Stand: 10.09.2001) Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Mai 2001, abzurufen unter <http://www.bmj.bund.de/ggv/schuldre.pdf>, inhaltlich identisch mit der BT-Drucksache 14/6040, abzurufen unter: <http://dip.bundestag.de/btd/14/060/1406040.pdf> (alle Stand: 10.09.2001) Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 13. Juli 2001, BR-Drucksache 338/01 (Beschluss), abzurufen unter: <http://www.parlamentsspiegel.de/cgi-bin/hyperdoc/ show_dok.pl?pl=BB&part=D&pnr=338/01&quelle=parla> (Stand: 10.09.2001) Auffassung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates (BRDrucksache 338/01) vom 31.08.2001, BT-Drucksache 14/6857 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) vom 9.10.2001 - BT-Drucksache 14/7052 - zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Alfred Hartenbach, Hermann Bachmaier, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Grietje Bettin, Irmingard Schewe-Gerigk und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, - BTDrucksache 14/6040 -, Pressemitteilung der Bundesregierung vom 13. Dezember 2000, „Rabattgesetz und Zugabeverordnung werden abgeschafft“, abzurufen unter: <http://www.bundesregierung.de/dokumente/Artikel/ix_26160_5711.htm> (Stand: 10.09.2001) Pressemitteilung des Bundesrates vom 13. Juli 2001, 157/2001, „Bundesrat bewilligt Aufhebung von Zugabeverordnung und Rabattgesetz“, abzurufen unter: <http://www.bundesrat.de/pr/pr157_01.html> (Stand: 10.09.2001) Gesetztesbeschluss des Deutschen Bundestages vom 9.11.2001 zum Entwurf eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz – EGG), BR-Drucksache 912/01, abzurufen unter:<http://www.parlamentsspiegel.de/cgi-bin/hyperdoc/show_dok.pl?=BBD912/01> B. Schweiz 1. Geltendes Recht Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht – OR) vom 30. März 1911 (Stand am 24. April 2001), SR 220 2. Entwürfe und Materialien Bundesgesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr (Teilrevisionen des Obligationenrechts und des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb), Vernehmlassungsvorlage vom 17. Januar 2001; abzurufen unter: <http://www.bj.admin.ch/themen/e-commerce/vn-ve-b-d.pdf> (Stand: 10.09.2001) XL Bundesgesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr (Teilrevisionen des Obligationenrechts und des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb), Begleitbericht, abzurufen unter: <http://www.bj.admin.ch/themen/e-commerce/vn-ber-bd.pdf> (Stand: 10.09.2001). C. Österreich Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch – ABGB vom 1. Juni 1811, in der Fassung BGBl. I Nr. 140/1997 IV. Dokumente und Publikationen Entwurf eines Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr erarbeitet von der Bundesnotarkammer vom 29. April 1997 Stellungnahme der Bundesnotarkammer zum Fragenkatalog des BMJ zur elektronischen Form (GeschZ. I 1—3414/2-1-1-11 1507/97) vom 28.04.1998 Stellungnahme von Micklitz (Universität Bamberg) zur öffentlichen Anhörung zu dem Entwurf der Regierung eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherschutzes sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro, am 22. März 2000, abzurufen unter:<http://www.fernabsatzgesetz.de/datenbank/index.php3?snr=496> (Stand: 10.09.2001) Stellungnahme des Bundesverbandes deutscher Banken zum Fernabsatzgesetz vom 20.03.2000, abzurufen unter: <http://www.fernabsatzgesetz.de/datenbank/ index.php3?snr=495> (Stand: 10.09.2001) Stellungnahme des Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) vom 3.09.1999 zum Referentenentwurf des Fernabsatzgesetzes, abzurufen unter: <http://www.vdz.de/ doku/index.asp?section=5&id=116> (Stand: 10.09.2001) Pressemitteilung des BMWi zum Gesetzentwurf über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (EGG) vom 14.02.2001, abzurufen unter: <http://www.bmwi.de/Homepage/Presseforum/Pressemitteilungen/2001/0214prm1.jsp> (Stand. 10.09.2001) Umfangreiche Materialen zur Schuldrechtsmodernisierung finden sich auf den Internet Seiten von Lorenz (Universität Augsburg), abzurufen unter: <http://www.lrzmuenchen.de/~Lorenz> und von Dauner-Lieb (Universität Köln), abzurufen unter: <http://www.uni-koeln.de/jur-fak/lbrah/index_schuldrecht.htm> (alle Stand: 10.09.2001) Initiative von 18 Hochschullehreren gegen den Ansatz der Bundesregierung zur Schuldrechtsmodernisierung, der sich bis zum 11. Juni 2001 über 256 Zivilrechtswissenschaftler und -innen aus ganz Deutschland angeschlossen haben. Die Passauer Professoren Holger Altmeppen und Jan Wilhelm haben die Organisation der Initiative übernommen, abzurufen unter: <http://www.jura.uni-passau.de/fakultaet/ lehrstuehle/Altmeppen/1024x768/Schuldrechtsreform.htm> (Stand: 10.09.2001) Gemeinsames Positionspapier deutscher Wirtschaftsverbände (BDI, BDZV; DIHT, dmmv, VDZ, VPRT, ZDH) vom 19. Oktober 1999 zum Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und XLI Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, Elektronischer Geschäftsverkehr und Internationales Privatrecht, abzurufen unter: <http://www.dmmv.de/info/elektro_ge_verkehr.htm> (Stand: 10.09.2001) Teilnahmebedingungen „atrada.de“, abzurufen unter: <http://media.atrada.de/images/AGB.pdf>, (Stand: 10.09.2001) Nutzungsbedingungen für die Mitglieder von „eBay-Deutschland“, abzurufen unter: <http://pages.ebay.de/help/community/png-user.html>, (Stand: 10.09.2001) Allgemeine Geschäftsbedingungen der „Primus MyPrice GmbH“ im Rahmen von PrimusAuktion Privat, abzurufen unter: <http://www4.primusauktion.de/ index.jsp?app=b2pprimus>, Version Januar 2001 (Stand: 10.09.2001) Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Dienste von „ricardo.de“, abzurufen unter: <http://de.ricardo.de/isroot/html/DE/static/152.shtml>, druckfähige Version unter: <http://de.ricardo.de/isroot/html/DE/static/AGB.html> (Stand: 10.09.2001) Allgemeine Geschäftsbedingungen „Sold24.de“, abzurufen unter: <http://sold24.de/agb.php3> Version 26.06.2001, (Stand: 10.09.2001) Allgemeine Geschäftsbedingungen – „Amazon.de“, abzurufen unter <http://www.amazon.de/exec/obidos/subst/help/agb.html/302-4816247-0167214> (Stand: 10.09.2001) Microsoft Security Buletin MS01-028, “RTF document linked to template can run macros without warning”, Originally posted: May 21, 2001, abzurufen unter: <http://www.microsoft.com/technet/treeview/default.asp?url=/technet/security/bulletin/ MS01-028.asp> (Stand: 10.09.2001) GMX-Info 22/2001: „GMX ist böse“, Date: Fri, 01 Jun 2001 16:04:23 GMT, From: GMX <[email protected]>, To: Alle Mitglieder von GMX <[email protected]>, Subject: Info 22: GMX ist böse Microsoft Security Bulletin MS01-038, “Outlook View Control Exposes Unsafe Functionality”, Originally posted: July 12, 2001, abzurufen unter: <http://www.microsoft.com/technet/treeview/default.asp?url=/technet/security/bulletin/ MS01-038.asp> (Stand: 10. 09.2001) Avert-Lab, Network Associates, McAffee, “VBS/PeachyPDF@MM”, posted: August 8, 2001, abzurufen unter: <http://vil.nai.com/vil/virusSummary.asp?virus_k=99179> (Stand: 10.09.2001). 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Problemstellung 1. Eigenarten elektronischer Kommunikation In der Gesellschaft hat sich eine Mobilität des Handelns herausgebildet, die den Transport von Erklärungen über grosse Distanzen hinweg erlaubt. Moderne Telekommunikationsmittel ermöglichen den Austausch von Nachrichten im Bild-, Ton-, Text- oder Datenformat an jedem beliebigen Punkt der Erde. Die Kommunikation findet dabei in weltumspannenden Netzen statt und ist von jedem Ort möglich, an dem ein Zugang zum Netzwerk besteht. Herausragende Bedeutung kommt dabei dem Internet zu, das zehn Jahre, nach dem das world wide web (www) ans Netz ging, aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken ist. Allein in Deutschland, so ergab kürzlich eine Studie, werden im Jahre 2001 mehr als 24 Millionen Menschen das Internet nutzen, davon über 8 Millionen täglich.1 Das Internet entwickelt sich dabei immer mehr von einem reinen Informations- und Kommunikationsmedium hin zu einem globalen Marktplatz, auf dem Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden. Hiefür hat sich der Begriff Electronic Commerce durchgesetzt, unter dem allgemein der elektronische Handel mittels globaler Kommunikationsnetze, vornehmlich des Internet, verstanden wird. Weltweit entstehen immer mehr sog. Online-Shops, die Waren und Dienstleistungen aller Art ausschliesslich im Netz anbieten oder das Internet als zweiten Vertriebsweg wählen. Grosse Bedeutung kommt dabei dem Handel mit dem Verbraucher zu, dem sog. „Business to Consumer“ – Bereich in Abgrenzung zum Handel zwischen Unternehmen („Business to Business“). Die Vorteile der Abwicklung von Rechtsgeschäften über das Internet liegen auf der Hand. Unternehmen bietet die elektronische Abwicklung ein Potential zur Kostensenkung und Produktivitätssteigerung. Verbraucher profitieren von der vollkommenen Marktransparenz, die einen weltweiten Vergleich der Produkte und Preise erlaubt, und von der Möglichkeit, diese Güter weltweit online zu kaufen. Der elektronische Vertragsabschluss funktioniert dabei nach folgendem Grundmuster: Der Anbieter präsentiert Waren oder Dienstleistungen auf seiner Website, auf der Grundlage dieser Angaben tritt der Verbraucher über das Internet mit dem Anbieter in Kontakt und erteilt eine Bestellung, woraufhin er zu einem späteren Zeitpunkt die Ware bzw. Dienstleistung erhält oder diese unmittelbar über das Netz geliefert bzw. erbracht wird. Der Abschluss von Verträgen mittels moderner Telekommunikationsmittel wie Internet oder E-Mail unterscheidet sich wesentlich von den herkömmlichen Formen des Vertragsabschlusses. Dabei handelt es sich aber nicht um einen neuen, 1 Internetshopping Report 2001 - ECIN - Electronic Commerce InfoNet 2 eigenständigen Vertragstypus. Grundsätzlich können, sofern keine gesetzlichen Vorschriften entgegenstehen, über das Internet Kauf-, Dienst- Werk- oder Geschäftsbesorgungsverträge angebahnt und abgeschlossen werden. Der elektronische Vertragsabschluss ist nicht gekennzeichnet durch einen charakteristischen Regelungsinhalt, sondern durch die besondere Art und Weise seines Zustandekommens: Da beide Seiten für die Abgabe ihrer auf den Abschluss eines Vertrages gerichteten Erklärung auf moderne Kommunikationsmittel zurückgreifen, ist eine gleichzeitige physische Präsenz von Käufer und Verkäufer bzw. Dienstleistungsanbieter nicht mehr gegeben. Der Transport der Erklärungen erfolgt elektronisch, d. h. die Erklärung wird nach ihrer Erstellung moduliert, digital über das Kommunikationsnetz übertragen und zum Empfangsgerät des Adressaten transportiert, das die Signale demoduliert. Erst danach können sie zur Kenntnis genommen werden oder eine Reaktion auslösen. Die Erklärungen der Vertragsparteien sind aus sich selbst heraus nicht mehr wahrnehmbar. Während in der Anfangsphase des Internet Absender und Empfänger einen festen, d. h. ortsgebunden Zugang benötigten, ist es heute möglich, mittels mobiler Kommunikationsgeräte eine drahtlose, ortsungebundene Verbindung zum Netzwerk aufzubauen. Das Netzwerk kommt zum Nutzer und nicht mehr der Nutzer zum Netzwerk. Dadurch wird eine Lokalisation des Gegenübers erschwert. Die technische Entwicklung führt immer mehr zu einer Konvergenz der Medien. Moderne Telekommunikationsmittel erlauben dem Nutzer den Austausch von Nachrichten über Systemgrenzen hinweg. So können über das Internet Kurznachrichten an Mobiltelefone, E-Mail, Fax oder Sprachnachrichten an unterschiedliche Empfangseinrichtungen geleitet werden, die ihrerseits multifunktional sind und über eine einzige Schnittstelle die gängigen Nachrichtensysteme zusammenfassen. Dabei lassen sich die empfangenen Nachrichten unabhängig von ihrem Ursprungsformat fast beliebig in Bild, Text oder Sprache konvertieren. Der elektronische Vertragsabschluss verändert die traditionellen Formen zwischenmenschlicher Kommunikation. Die direkte persönliche Kommunikation der Vertragsparteien ist beim herkömmlichen Vertragsabschluss der Regelfall, unabhängig davon ob, diese persönlich anwesend sind, mündlich über das Telefon oder schriftlich miteinander kommunizieren. Im Unterschied hierzu sind beim elektronischen Vertragsabschluss Computer in den Prozess der Erstellung und/oder Abgabe der Erklärung eingeschaltet, die den Menschen ganz oder teilweise substituieren. Abhängig vom Grad der Beteiligung kann zwischen der „Kommunikation mittels Computern“, der „Kommunikation mit einem Computer“ oder der „Kommunikation unter Computern“ differenziert werden. 3 Der Abschluss von Verträgen über Bestellformulare auf Websites unterliegt technischen Restriktionen und ist in seinen Abläufen weitgehend standardisiert. Eine weitere rechtliche Besonderheit der elektronischen Geschäftsabwicklung liegt darin, dass die Willenserklärung nur einen sehr schwachen Bezug zum sich Äussernden besitzt.2 Der Vertragsschluss kommt in der Regel durch einen einfachen Mausklick zustande. Benutzer sind sich deshalb oft nicht über Inhalt und Tragweite ihres Verhaltens im Internet bewusst. 2. Neue Problemkreise Das Vertragsabschlussverfahren selbst war schon immer eng mit dem Stand der Verkehrs- und Nachrichtentechnik verbunden. Die geschilderten Eigenarten des Abschlusses von Verträgen auf elektronischem Wege stellen den Gesetzgeber und die Vertragsparteien vor eine Reihe neuer Herausforderungen, die sich in drei Problembereiche unterteilen lassen: a) Der Abschluss von Verträgen im Internet ist in besonderem Masse anfällig für technische Störungen der Empfangs-, Sende- und Übermittlungseinrichtungen. Die Leichtigkeit, mit der es theoretisch möglich ist, Verträge im Internet abzuschliessen, birgt deshalb die praktische Gefahr mangelnder Wirksamkeit und fehlender Durchsetzbarkeit solcher Verträge. Das Risiko fehlerhafter Willenserklärungen oder ungewollter Willensäusserungen ist im Vergleich zum traditionellen Vertragsabschluss ungleich höher. b) Der grenzüberschreitende, oder besser gesagt, grenzenignorierende Charakter des Internet wirft die Frage nach der anwendbaren Rechtsordnung auf. Soll das Recht am Forum des Käufers Anwendung finden oder entscheidet der Sitz des Anbieters über das in der Sache anwendbare Recht? Rechtsunsicherheit besteht aber nicht nur in der Frage, welches materielle Recht auf Internet-Sachverhalte Anwendung findet. Es stellt sich grundsätzlich das Problem, wieweit die bestehenden rechtlichen Grundsätze und Regeln den Bedingungen des neuen Mediums Internet entsprechen. Welche Regeln sollen unverändert auch im „Cyberspace“ für den Abschluss von Verträgen gelten und welche müssen nach der ratio legis ausgelegt werden? c) Die Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs in der Gemeinschaft wird durch eine Reihe von rechtlichen Hemmnissen für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts behindert, die die grenzüberschreitende Ausübung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs weniger attraktiv machen. Die Hemmnisse bestehen vor allem in den Disparitäten der innerstaatlichen Rechtsvorschriften sowie in der Rechtsunsicherheit hinsichtlich der auf den elektronischen Geschäftsverkehr anwendbaren Regelungen. Solange die innerstaatlichen Rechtsvorschriften nicht koordiniert sind, können die staatlichen 2 Weber, E-Commerce, Kap. VI 3.2, S. 312 4 Hemmnisse nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft gerechtfertigt sein, wenn sie aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses geboten sind und nicht diskriminierend wirken.3 Rechtsunsicherheit besteht aus der Perspektive der Gemeinschaft vor allem im Hinblick darauf, in welchem Ausmass die Mitgliedstaaten über die Dienste aus einem anderen Mitgliedstaat Kontrolle ausüben dürfen. 3. Der elektronische Vertragsabschluss im Spannungsfeld zwischen nationalem und europäisch überlagertem Privatrecht Der elektronische Vertragsabschluss ist eingebetet in ein System nationaler und gemeinschaftsrechtlicher Regelungen, die es auf ihre Vereinbarkeit mit den Erfordernissen des elektronischen Geschäftsverkehrs zu untersuchen gilt. Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung ist das deutsche Privatrecht als die Gesamtheit aller Normen, die auf den elektronischen Vertragsabschluss Anwendung finden können. Daneben findet eine Entwicklung statt, die als Europäisierung des Privatrechts bezeichnet werden kann. Das Privatrecht wird dabei zunehmend durch Rechtsakte der Gemeinschaft überlagert. Die Angleichung bestimmter spezieller Teilbereiche des Vertragsrechts auf EG-Ebene erstreckt sich auf eine ständig steigende Anzahl von Einzelfragen. Im Vordergrund stehen dabei Richtlinien, die gemäss Art. 249 Abs. 3 EGV für die Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich sind, dem Mitgliedstaat aber die Wahl der Form und Mittel zur Erreichung dieses Ziels überlassen. Das aufgrund der rechtlichen Vorgaben der Gemeinschaft in den Mitgliedstaaten eingeführte Privatrecht wird nach seinem Ursprung auch als „Gemeinschaftsprivatrecht“ bezeichnet. Es steht auf gleicher Stufe wie das originäre nationale Recht. Die Umsetzungsgesetzgebung muss sich jedoch stets am Schutzzweck der Richtlinie messen lassen. Bei Zweifeln über deren Vereinbarkeit mit den Bestimmungen der Richtlinie besteht das Gebot richtlinienkonformer Auslegung und die Möglichkeit, Auslegungsprobleme via Vorabentscheidungsverfahren (Art. 234 EGV) an den EuGH heranzutragen. In diesem Spannungsfeld zwischen nationalem und europäisch überlagertem Privatrecht bewegt sich auch der elektronische Vertragsabschluss. Im Vertragsrecht seien (ohne vollständig zu sein) die Verbraucherkreditrichtlinie 87/102/EWG4, die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen 93/13/EG5 und, besonders aktuell und bedeutsam, die Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG 6 genannt, die beim Vertragsabschluss unter Nutzung neuer Fernkommunikationstechniken, wie etwa E-Mail und Internet, Anwendung finden können. 3 4 5 6 Vgl. EuGH, Rs. C-55/94, Gebhard, Slg. 1994, I-4165. ABl. EWG L 42 vom 12.02.1987, S. 48. ABl. L 95 vom 21.04.1993, S. 29. ABl. L 144 vom 4. 06. 1997, S. 19. 5 4. Schaffung eines kohärenten rechtlichen Rahmens Die möglichst weitgehende Nutzung des elektronischen Geschäftsverkehrs verlangt aber nicht nur eine den Bedingungen des Internet entsprechende Anwendung bestehender Rechtsvorschriften. Sie verlangt darüber hinaus, dass die genannten Hindernisse für den elektronischen Vertragsabschluss so weit wie möglich beseitigt werden und die Rechtssicherheit für Verbraucher und Anbieter durch einen verlässlichen gesetzlichen Rahmen gestärkt wird. Die Verlässlichkeit privater Rechtsgeschäfte ist gerade in einem durch die Rechtsvielfalt geprägten Binnenmarkt von eminenter Bedeutung. Sowohl die europäischen als auch die nationalen Gesetzgebungsorgane haben daher den Handlungsbedarf für die Schaffung einheitlicher rechtlicher Rahmenbedingungen erkannt: a) Die intellektuelle Grundlage aller von der Europäischen Gemeinschaft erlassenen oder geplanten Rechtsakte bildet die im April 1997 von der Europäischen Kommission verabschiedeten Mitteilung über eine „Europäische Initiative für den elektronischen Geschäftsverkehr“7. Danach gehört die Schaffung eines kohärenten Rechtsrahmens, der die Freiheit der Waren-, Dienstleistungs-, Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit gewährleistet, zu den vordringlichsten Aufgaben der Gemeinschaft: Das Ziel des europäischen Reglungsansatzes liegt dabei nicht in einer umfassenden, unterschiedlosen Regulierung der neuen Medien, sondern in einer massvollen, flexiblen und technikoffenen Regelung einzelner Bereiche. Dort, wo das bestehende Recht adäquate Instrumente zur Bewältigung von Rechtsproblemen nicht bereitgestellt hatte wurde der europäische Gesetzgeber aktiv: E-Commerce-, Fernabsatz-, Finanzdienstleistungs-, Signatur- und Datenschutzrichtlinie. Die - nicht abschliessende – Aufzählung macht deutlich, dass zu Recht von dem Medium Internet gesprochen wird. Es wurde kein neuer mehr oder weniger klar definierter Komplex Internetrecht geschaffen, vielmehr wurden bereits existierende Rechtsbereiche um neue Dimensionen erweitert, mit denen neue bisher nicht gekannte Problemkreise in den Vordergrund rücken.8 Eine Schlüsselrolle kommt dabei der Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (E-Commerce-Richtlinie)9 zu. Sie ist das Fundament der europäischen Regelung des elektronischen Geschäftsverkehrs. Um Rechtssicherheit zu erreichen und das Vertrauen der Verbraucher zu gewinnen, legt die Richtlinie einen klaren allgemeinen Rahmen ausgewählter Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs fest. Ziel der Richtlinie ist, Hemmnisse durch die Koordinierung innerstaatlicher Rechtsvorschriften und durch Klarstellung von Rechtsbegriffen zu beseitigen, soweit dies für das reibungslose Funktionieren im Binnenmarkt erforderlich ist. Hierzu gehören insbesondere auch verbindliche Vorschriften für den Abschluss von 7 8 9 KOM (97) 157 endg. vom 14. 04. 1997 Hübner, EuZW 2001, S. 225 ABl. L 178 vom 17.06.2000, S. 1. 6 Verträgen auf elektronischem Wege, die den zentralen Gegenstand dieser Arbeit bilden. b) In Deutschland fehlt es bislang an einem rechtlichen Rahmen, der den besonderen Problemen der Geschäftsanbahnung und -abwicklung im elektronischen Handel Rechnung trägt. Zwar wurde bereits 1997 mit dem Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz (IuKDG)10 ein erster Schritt zur Schaffung einheitlicher Rahmenbedingungen für die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten elektronischer Dienste unternommen. Er beschränkt sich jedoch auf die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen für das Angebot und den Zugang zu Tele- und Multimediadiensten, sowie dem Schutz personenbezogener Daten im Bereich der Individualkommunikation. Wirtschaftliche Bedeutung erhalten die Telekommunikations- und Multimediadienste aber vor allem dadurch, dass in ihnen Geschäfte elektronisch getätigt werden. Das IuKDG enthält indes keine spezifischen Regelungen für den elektronischen Geschäftsverkehr. Dadurch entsteht jedoch kein Rechtsvakuum. Die Zeiten, in denen viele das Internet als eine Art „rechtsfreien Raum“ ansahen, sind endgültig vorbei. Das geltende Recht findet auch auf InternetSachverhalte Anwendung. Das ist heute unbestritten. Da spezialgesetzliche Bestimmungen bislang fehlen, müssen viele Rechtsfragen, die in der Welt der körperlosen Netze entstehen, dadurch beantwortet werden, dass Regelungen für die körperliche Welt entsprechend konkretisiert werden. Angetrieben durch die Dynamik der Entwicklung bildet sich zur Zeit in Deutschland anhand einzelner Urteile ein fallbezogenes Recht (case law) heraus, dass naturgemäss relativ uneinheitlich ist11. So ist es zu erklären, dass Urteile wie jenes des LG Münster12 zum Sonderfall der Internet-Auktionen grosse Beachtung finden. Zwar bedarf es keines Internetrechts als umfassende Rechtsgrundlage für Rechtsgeschäfte im Netz, da sich das Bürgerliche Recht als so flexibel erweist, dass es auf die Herausforderungen zu reagieren in der Lage ist. Allerdings sind in einzelnen Bereichen Anpassungen und Erweiterungen des Privatrechts, bedingt durch die neuen Herausforderungen des Mediums Internet und der gesetzgeberischen Antworten hierauf, unumgänglich. Die allgemeinen Regeln des BGB und die einschlägigen verbraucherschützenden Normen mit dem schon bisher Fragen des Internet-Vertragsschlusses gelöst werden mussten, werden ergänzt durch neue Instrumentarien nach der E-Commerce-Richtlinie und der Fernabsatzrichtlinie, die auch in Deutschland eine Neuorientierung notwendig machen. Die Anpassung des nationalen deutschen Rechts befindet sich gegenwärtig auf folgendem Stand: Die Fernabsatzrichtlinie wurde durch das Fernabsatzgesetz zum 27.06.2000 umgesetzt13. Mit verschiedenen Gesetzgebungsvorhaben strebt der 10 11 12 13 BGBl. I, 1870. Ende/Klein, Vertriebsrecht im Internet, S. 16. Siehe dazu unten § 3 II 4, S. 233 ff. BGBl. I, 897; berichtigt am 21. Juli 2000, BGBl. I, 1039 7 deutsche Gesetzgeber die Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie sowie der Richtlinie 1999/44/EG über den Verbrauchergüterkauf14 an. Hierzu gehören u.a. das Gesetz zur Modernisierungs des Schuldrechts15 sowie das am 1. August 2001 in Kraft getretene Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr16. Parallel dazu liegt ein Entwurf eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (EGG)17 vor, der die E-Commerce Richtlinie in Teilen umsetzen soll. Die Entwicklungszyklen in der Internet- und Telekommunikationsindustrie sind rasant. Immer neuere, verbesserte Medien und Formen der elektronischen Kommunikation drängen auf den Markt, mit denen wir auf elektronischen Märkten Geschäfte aller Art tätigen können. Die damit verbundenen Probleme haben sich kaum gewandelt: Nach wie vor sind die mit dem elektronischen Vertragsabschluss zusammenhängenden Fragen nicht zufriedenstellend gelöst. Wer gibt im Rahmen einer elektronischen Kommunikationsbeziehung wann und auf welche Weise eine Willenserklärung ab? Wem werden aus welchem Grund die Ergebnisse elektronischer Datenverarbeitung und technischer Abläufe zugerechnet? Wie steht es mit dem Zugang, der Annahme und der Rückgängigmachung elektronisch übermittelter Willenserklärungen? Wie ist das Verlust-, Verzögerungs- und Verfälschungsrisiko zu verteilen? Der deutsche Gesetzgeber hat es im Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr versäumt, hier Klarheit zu schaffen. Das Gesetz verzichtet nach der amtlichen Begründung bewusst auf besondere Regelungen über Anfechtung, Zugang und Widerruf elektronischer bzw. elektronisch übermittelter Willenserklärungen, da die allgemeinen Vorschriften des Rechts der Willenserklärungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, ergänzt durch die von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Auslegungskriterien und Wertungen eine hinreichende Grundlage dafür böten, auch im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs zu angemessenen und sich in das Gesamtsystem einfügenden Lösungen zu gelangen.18 Dieser Aufgabe will sich die Arbeit widmen. Ziel der Arbeit ist es, den elektronischen Vertragsabschluss im Spannungsfeld zwischen Technik und Recht zu beleuchten. Die zu findenden juristischen Lösungen müssen dabei die Strukturen und Wirkungen der Elektrifizierung des Geschäftsverkehrs berücksichtigen. Für den elektronischen Vertragsabschluss im europäischen Gefüge werden ein verlässlicher rechtlicher Rahmen abgesteckt und praxistaugliche Lösungsansätze vorbereitet. 14 15 16 17 18 ABl. L 171 vom 7.07.1999, S. 12. BT-Drucksache 14/6040 BGBl. I, 1542. BT-Drucksache 14/6098. BT-Drucksache 14/4987, S. 11. 8 II. Abgrenzung Da der grundsätzliche Aufgabenbereich der Arbeit mit der Untersuchung des bestehenden und des geplanten Rechtsrahmens für den Abschluss von Verträgen auf elektronischem Wege sowie der darauf fussenden Erarbeitung von Lösungsansätzen für die Praxis relativ weit gespannt ist, müssen einige Abgrenzung getroffen werden, um eine angemessene Abhandlung der Thematik zu gewährleisten: Die folgende Arbeit geht den einzelnen Phasen des Abschlusses von Verträgen auf elektronischem Wege vor dem Hintergrund des bestehenden Rechts und des sich entwickelnden europäischen Rechtsrahmens nach. Fragestellungen mit technischem Hintergrund werden dabei in die Untersuchung miteingewoben. Ausgangspunkt der Forschung sind die bestehenden Regelungen des deutschen Rechts. Das Vertragsrecht enthält keine spezifischen Regelungen für den elektronischen Geschäftsverkehr. Soweit die Probleme in der körperlichen Welt und der immateriellen Welt vergleichbar sind, müssen die Bestimmungen des BGB mit Blick auf die neuen Sachverhalte konkretisiert werden. Auch auf elektronischen Märkten muss der Verbraucher gegen die wirtschaftliche Dominanz der Anbieter hinreichend geschützt werden. Dieser Zielsetzungen dient vor allem das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen19 und das Verbraucherkreditgesetz20, die auch im elektronischen Geschäftsverkehr uneingeschränkt Anwendung finden. Die Bestimmungen werden durch das Fernabsatzgesetz und die bis zum 17. Januar 2002 in das nationale Recht umzusetzende E-Commerce-Richtlinie ergänzt, mit denen einheitliche Rahmenbedingungen für online abgeschlossene Kauf- und Dienstleistungsverträge geschaffenen werden sollen. Die Durchforstung des nationalen Rechts auf seine Verträglichkeit mit dem elektronischen Geschäftsverkehr innerhalb kürzester Zeit stellt den deutschen Gesetzgeber vor enorme Herausforderungen. Hinzu kommt das Risiko eines Vertragsverletzungsverfahrens wegen mangelnder Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie, da das komplizierte Schutzklauselverfahren nach Art. 3 Abs. 4 – 6 der Richtlinie nationale Beschränkungen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erlaubt.21 Der auf den elektronischen Vertragsabschluss anwendbare Rechtsrahmen soll in seiner Gesamtheit beleuchtet und kommentiert werden. Angesprochen werden hierbei auch die noch laufenden, aber noch nicht abgeschlossenen Gesetzgebungsvorhaben, namentlich das Gesetz über den Elektronischen Geschäftsverkehr und das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts. Aufgrund der Geschwindigkeit der technischen Entwicklung und der sich erst langsam herauskristallisierenden Ordnungsprinzipien beim Vertragsabschluss auf elektronischem Wege hat die Arbeit zwangsläufig nur einen vorläufigen und nicht abschliessenden Charakter. Dargestellt wird der momentane Stand, der die Basis für die künftige Weiterentwicklung des Rechts bildet. 19 20 21 In der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 2000, BGBl. I, 946. In der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 2000, BGBl. I, 940. Spindler, MMR-Beilage 7/2000, S. 21. 9 Die Arbeit beschränkt sich auf nationale und gemeinschaftsinterne Belange. Internationale Aspekte werden mit Ausnahme des Abkommens über den Internationalen Warenkauf22 ausgeklammert. Ebenfalls nicht behandelt werden die UNIDROIT-Principles of International Commercial Contracts23 sowie die Principles of European Contract Law der Lando-Kommission24 oder das UNCITRAL Modell Law on Electronic-Commerce25, denen keine eigentliche Verbindlichkeit zukommt. Da der grundsätzliche Fokus der Arbeit in der umfassenden Untersuchung der auf den elektronischen Vertragsabschluss anwendbaren Regelungen des Privatrechts besteht, werden das Kollissionsrecht und zivilprozessuale Aspekte ausgeblendet. Der Vertragsabschluss unter Einsatz digitaler Signaturen und die Verwendung elektronischer Dokumente im Zivilprozess, sowie die hiermit verbundenen Fragen der rechtlichen Gleichstellung papiergebundener und elektronischer Verträge bergen eigenständige Probleme, die teilweise Gegenstand bereits veröffentlichter Arbeit sind und hier nicht angesprochen werden sollen. Nicht thematisiert wird zudem die gesamte Vertragsabwicklung, d. h. der Austausch der vereinbarten Leistungen, einschliesslich der online Bezahlung. III. Aufbau Damit erschliesst sich der Aufbau der folgenden Untersuchung: Die essentialia eines jeden Rechtsgeschäfts ist stets die Willenserklärung. In § 1 werden deshalb die unterschiedlichen Arten und Mischformen, bei denen sowohl Menschen wie auch EDV-Systeme in den Prozess der Erzeugung oder Erstellung und der anschliessenden Kundgabe bzw. Übermittlung der Erklärung eingeschaltet sind, untersucht. Konkret geht es zum einen darum zu klären, ob es sich bei Erklärungen, die vollständig mit Hilfe eines Computerprogramms erzeugt und elektronisch übermittelt werden, um Willenserklärungen im System des BGB handelt. Zum anderen ist auf die normative Zurechnung derartiger Erklärungen einzugehen. Die auf den Vertragsabschluss gerichtete Willenserklärung ist regelmässig empfangsbedürftig. Ausgangspunkt der Überlegung ist, dass eine Willenserklärung zu ihrer Wirksamkeit der Abgabe durch den Erklärenden und des Zugangs beim Empfänger bedarf. Das eigentliche Problem ist heutzutage nicht mehr der Transport der Erklärung zum Empfänger, sondern die Funktionstüchtigkeit der Empfangseinrichtungen. In § 2 der Arbeit geht es im Kern darum, wie bei Einsatz moderner Telekommunikationsmittel das Transport-, Verlust- und Verzögerungsrisiko zwischen den Vertragsparteien zu 22 23 24 25 Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) vom 11. April 1980, BGBl. 1989 II, 588. Abzurufen unter: <http://www.jus.uio.no/lm/unidroit.contract.principles.1994/doc.html> Abzurufen unter: <http://www.jus.uio.no/lm/eu.contract.principles.1998/toc.html> Abzurufen unter: <http://www.jus.uio.no/lm/un.electronic.commerce.model.law.1996/index. html> (alle Stand: 10.09.2001). 10 verteilen ist. Die Beantwortung der Frage hängt entscheidend davon ab, ob man das Wirksamwerden der Erklärung nach der in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB statuierten Empfangstheorie oder nach der (eingeschränkten) Vernehmungstheorie beurteilt. Die Fragestellung wird verschärft durch den Umstand, dass der Austausch von Nachrichten über Systemgrenzen hinweg erfolgen kann und nicht mehr an ein bestimmtes Medium (Text, Daten, Bild oder Ton) gebunden ist. Notwendig ist daher eine netzwerkorientierte Betrachtung, die dem Phänomen moderner Telekommunikation insgesamt gerecht wird. Spezifische Risiken des elektronischen Vertragsabschlusses, die auf der Unsichtbarkeit des Vertragspartners und der Virtualität des Produkts einerseits sowie auf der Flüchtigkeit der Informationen und der Geschwindigkeit der Übertragung andererseits beruhen, bedingen ihrerseits spezifische Mechanismen zum Schutze der Verbraucher. Mit der Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG, die im Kern ein an die Erfüllung von vor- und nachvertraglichen Informationspflichten gekoppeltes Widerrufsrecht normiert, besteht ein einheitlicher europäischer Rahmen. § 3 der Arbeit ist dem elektronischen Vertragsabschluss selbst gewidmet. Bei der Beurteilung des Zustandekommens eines elektronischen Vertrages stellt sich in der Vorphase bereits die Frage, welche Willensäusserung als rechtserhebliches „Angebot“ zu betrachten ist. Das Angebot ist nach § 145 BGB regelmässig rechtlich bindend, sofern der Antragende seine Gebundenheit nicht explizit ausgeschlossen hat. Reichweite und Umfang des Ausschlusses der Bindungswirkung sind umstritten. Fraglich ist insbesondere die Zulässigkeit konstitutiver Befreiungsvorbehalte, die dem Antragenden auch nach Zugang der Annahmeerklärung ein Recht auf Widerruf einräumen. Die Bestimmung einer Annahmefrist, bis zu der sich Anbieter die Annahme der Bestellung vorbehalten kann, ist im elektronischen Geschäftsverkehr üblich. Die Situation ist für den Antragenden unbefriedigend, da er in der Zwischenzeit rechtlich gebunden ist, ohne seinerseits Gewissheit zu haben, ob der Vertrag zustandekommt. Fehlt es an einer ausdrücklichen Fristbestimmung, so ist fraglich, welcher Bearbeitungszeitraum mit Blick auf die automatisierte Bearbeitung der Bestellung angemessen ist. Auf der anderen Seite ist unklar, ob das Schweigen auf den Antrag oder die Vornahme der Erfüllungshandlung nach § 151 BGB die Erklärung der Annahme bedeutet. Eine dahingehende Verkehrssitte besteht derzeit im traditionellen Versandhandel. Substantielle Veränderungen für den Abschluss von Verträgen auf elektronischem Wege ergeben sich aus der E-Commerce-Richtlinie. Art. 10 normiert umfangreiche Informationspflichten des Anbieters, die zu denjenigen nach der Fernabsatzrichtlinie hinzutreten. Während die Fernabsatzrichtlinie von ihrer Konzeption her dem Verbraucherschutzrecht zuzuordnen ist, handelt es sich bei der E-Commerce-Richtlinie um eine horizontale Regelung, die auf den elektronischen Geschäftsverkehr unterschiedslos Anwendung findet. Art. 11 führt einen europäischen Vertragsabschlussmechanismus ein, der das herkömmliche Schema von Angebot und Annahme durchbricht. Danach ist der Eingang einer Bestellung im elektronischen Geschäftsverkehr vom Unternehmer 11 unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen, unabhängig davon, wer das Angebot erklärt. § 4 untersucht die Implementierung der E-Commerce-Richtlinie in das deutsche Recht. Die Informationspflichten und die Regeln über die Grundsätze der elektronischen Bestellung nach Art. 11 werden durch das zum 1. Januar 2002 in Kraft tretende Schuldrechtsreformgesetz in das BGB eingestellt. Die geplante Umsetzung beschränkt sich im wesentlichen auf eine Übernahme der Richtlinienbestimmungen und verzichtet – anders als beispielsweise das Fernabsatzgesetz – auf ausdrückliche Sanktionen bei einem pflichtwidrigen Verhalten des Anbieters. Die Arbeit untersucht den bestehenden und den geplanten Regelungsrahmen im Hinblick auf seine Kompatibilität mit der E-CommerceRichtlinie und empfiehlt eine richtliniekonforme Auslegung einzelner Bestimmungen. § 5 beschäftigt sich mit einem Nebenaspekt des elektronischen Vertragsabschlusses. Er widmet sich in seinem ersten Teil der Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Die Rechtsprechung hatte sich in einer Reihe von Fällen mit der Frage der Einbeziehungen von AGB bei Vertragsabschlüssen mittels Bildschirmtext zu beschäftigen. Die Entscheidungen zum nicht-graphischen BtxSystem der 90er Jahre dürfen jedoch nicht unkritisch übertragen werden, sondern müssen den telekommunikativen Eigenarten des Mediums Internet Rechnung tragen. Die von Rechtsprechung und Lehre zu § 2 AGBGB entwickelten Kriterien werden kritisch überprüft und mit Blick auf Art. 10 Abs. 3 der E-Commerce-Richtlinie weiterentwickelt. Im Vordergrund steht dabei die Frage, welche Anforderungen an die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme zu stellen sind. Der zweite Teil befasst sich unter der Überschrift „Geltung des AGBG bei Internationalen InternetVerträgen“ mit der Frage, ob die hier gefundenen Ergebnisse auch für die Einbeziehung von AGB bei grenzüberschreitenden Vertragsabschlüssen gelten. Im weiteren Sinne geht es um die Frage nach dem anwendbaren materiellen Recht bei Sachverhalten mit Auslandsberührung. Deutsches Recht kann grundsätzlich aus zwei Anknüpfungsmomenten zur Anwendung kommen: Erstens aufgrund einer Rechtswahl der Parteien und zweitens aufgrund von Sonderanknüpfungen, die die Anwendung deutschen Rechts trotz grundsätzlicher Geltung eines ausländischen Statuts sicherstellen. Hier liegt ein Kernproblem des elektronischen Vertragsabschlusses. Hintergrund ist die Frage, ob bereits die blosse Präsentation von Waren und Dienstleistungen im Internet eine gezielte Bewerbung des Verbrauchers bedeutet, der diese Website abruft. Die Auslegung der Art. 29 und 29a EGBGB nach bisherigem Verständnis führt zu einer praktisch grenzenlosen Anwendbarkeit des materiellen Verbraucherschutzrechts bei Rechtsgeschäften im Internet, ohne dass in jedem Fall ein eigenständiger Inlandsbezug gegeben ist. Die Arbeit schlägt deshalb mit dem Modell der „aktiven und passiven Websites“ ein 12 praxistaugliches Konzept vor, um den Anwendungsbereich des Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBG für den elektronischen Vertragsabschluss zu konkretisieren. § 6 schliesst den Bogen zu den einleitenden Ausführungen in § 1 und ergänzt die Untersuchung des Zugangs von Willenserklärungen in § 2. Der auf elektronischem Wege abgeschlossene Vertrag hat nur Bestand, wenn er nicht rückwirkend anfechtbar ist. Auf der Grundlage der in § 1 behandelten Mindestanforderungen einer Willenserklärung und der normativen Zurechnung elektronischer und automatisierter Erklärungen werden fehlerhafte Erklärungen im Hinblick auf ihre mögliche Anfechtbarkeit untersucht. Umstritten ist insbesondere, ob fehlerhaft zustandegekommene Erklärungen eines Computers stets als ein unbeachtlicher Irrtum im Beweggrund (Motivirrtum) des Anlagenbetreibers zu werten sind oder im Einzelfall auch Ausdruck einer Inkongruenz von Wille und Erklärung sein können. Eine weitere Fallgruppe bilden die abhandengekommenen Willenserklärungen. Das Kapitel ergänzt insoweit die Untersuchung des Wirksamwerdens von Willenserklärungen in § 2, als es die Fehler untersucht, die bis zum Zugang beim Empfänger, d. h. bei Abgabe und Übermittlung der Willenserklärung, auftreten können. Gegenüber herkömmlichen Kommunikationsarten ist der elektronische Vertragsabschluss nicht nur besonders irrtumsanfällig, sondern auch besonders irrtumsresistent. Die E-Commerce-Richtlinie zielt darauf ab, diese Problematik für die Mitgliedstaaten einheitlich zu lösen. Nach Art. 11 Abs. 2 Richtlinie hat der Anbieter dem Nutzer technische Mittel zur Verfügung zu stellen, mit denen er vor Abgabe der Bestellung Eingabe- und Bedienungsfehler erkennen und korrigieren kann. Fehlen solche Mittel oder verstösst der Anbieter gegen andere vorvertragliche Informations- und Schutzpflichten der Richtlinie, die dem Verbraucher einen elektronischen Vertragsabschluss in Kenntnis aller wesentlichen Umstände ermöglichen sollen, so ist zu klären, wie ein angemessener Schutz des Verbrauchers dennoch erreicht werden kann. Der zweite Teil ist daher den unterschiedlichen Instrumentarien des allgemeinen Schuldrechts gewidmet, die dem Verbraucher eine entschädigungsfreie Loslösung vom Vertrag erlauben oder einen Anspruch auf Schadensersatz gewähren. Die Arbeit schliesst mit einer Analyse der neuen mobilen Kommunikationstechniken (§ 7). Die Arbeit fasst den gegenwärtigen Stand der Diskussion zum Abschluss elektronischer Verträge mittels moderner Telekommunikationsmittel zusammen, überprüft vorhandene Lösungsansätze kritisch und fügt neue Modelle zu. Die Entwicklung des Internet ist rasant. Ebenso rasch entwickeln sich Rechtsprechung, Literatur und Legislative in diesem Bereich. Der Autor ist daher für jede Kritik und Anregung dankbar (E-Mail: [email protected]). Basel, Dezember 2001 13 § 1. Elektronische Willenserklärung und Computererklärung im System des BGB I. Rechtliche Grundlagen 1. Einleitung Ein für das gesamte Zivilrecht grundlegender Begriff ist die Willenserklärung, von der der Eintritt einer Rechtswirkung gewöhnlich abhängt. Auf dem privatrechtsgestaltenden Akt der Willenserklärung beruht der Begriff des Rechtsgeschäfts, insbesondere des Vertrages. Die drei abstrakten Grundbegriffe Willenserklärung, Rechtsgeschäft und Vertrag bilden das dogmatische Grundgerüst des Privatrechts.1 Weder das Rechtsgeschäft noch die Willenserklärung werden im BGB ausdrücklich definiert. Beides sind juristische Kunstbegriffe mit einem hohen Abstraktionsgrad, die vornehmlich rechtstechnischen Zwecken dienen.2 Nach den Motiven3 ist das Rechtsgeschäft eine Privatwillenserklärung, gerichtet auf die Hervorbringung eines rechtlichen Erfolgs, der nach der Rechtsordnung deshalb eintritt, weil er gewollt ist.4 Dem Institut des Rechtsgeschäfts ist die Aufgabe zugedacht, die Voraussetzungen und den Rahmen für die rechtsgeschäftliche Betätigung des privatautonomen Willens gesetzlich festzulegen.5 Es gibt kein Rechtsgeschäft „an sich“, sondern nur konkret bestimmte Rechtsgeschäfte, deren Abschluss die Rechtsordnung zulässt. Jedes Rechtsgeschäft schliesst notwendigerweise eine Willenserklärung ein. Es gibt kein Rechtsgeschäft ohne Willenserklärung.6 Der Tatbestand eines Rechtsgeschäfts setzt sich aus ein oder mehreren korrespondierenden Willenserklärungen zusammen. Aber nicht jede Willenserklärung ist deshalb ein Rechtsgeschäft. Auch das BGB unterscheidet nicht 1 2 3 4 5 6 Soergel/Hefermehl, Vor § 116 I Rn 1. Flume AT, § 2.1; Leipold, BGB, § 1 II Rn 302. Mot. I, S. 126; Mugdan I, S. 402. Wo der Handelnde die gewollte Rechtsfolge allein dadurch herbeiführt, dass er die ihr entsprechenden tatsächlichen Verhältnisse vollzieht, etwa bei der Aneignung nach § 958 BGB, wird zum Teil wegen der fehlenden Kundgabe des Rechtsfolgewillens nach aussen in Abgrenzung zur Willenserklärung von einer Willensbetätigung gesprochen und diese als weitere eigenständige Form des rechtsgeschäftlichen Handelns der klassischen Willenserklärung gegenüber gestellt (Palandt/Bassenge, § 959 Rn 1; Larenz AT § 22 I Rn 9). Sie sei reiner Vollzugs- und nicht Erklärungsakt. Da die Willensbetätigung ohne Kundgabezweck vorgenommen werde, komme es für Wirksamkeit nicht auf den Zugang an, weshalb § 130 BGB keine Anwendung finde. Richtigerweise handelt es sich auch bei der Willensbetätigung um eine echte Willenserklärung. In der Willensbetätigung liegt regelmässig eine Willenserklärung durch schlüssiges Verhalten, die den Willen des Erklärenden nach aussen erkennen lässt; Soergel/Hefermehl, Vor § 116 I Rn 6; Ennercus-Nipperdey, § 145 II A 3, S. 899; RGRK/ KrügerNieland, Vorb. § 116 Rn 14.; Flume, § 5.6. Larenz, AT § 22 I Rn. 1. Paland/Heinrichs, Überbl. vor § 104 Rn 2 . 14 immer exakt. Synonym sind die Begriffe nur, wenn eine Willenserklärung genügt, um die gewollte Rechtswirkung herbeizuführen. Eine Kündigung beispielsweise ist deshalb Willenserklärung und Rechtsgeschäft. Bedarf es für den Eintritt der Rechtswirkung ausser der Willenserklärung noch weiterer Erfordernisse, so bezeichnet der Ausdruck Rechtsgeschäft den Gesamttatbestand, nicht dessen einzelne Bestandteile.7 Wird ein Kaufvertrag geschlossen, so ist dieser das Rechtsgeschäft, nicht die beiden auf Abschluss des Vertrages gerichteten Willenserklärungen des Verkäufers und Käufers. Die Essentialia eines Rechtsgeschäfts ist jedoch stets die Willenserklärung. Kraft der Rechtsordnung kommt ihr die Rechtswirkung zu. 2. Tatbestand der Willenserklärung a) Vorbemerkung aa) Internetseiten sind eine, wenn nicht die wichtigste Präsentationsmöglichkeit im Internet. Durch sie wird das World Wide Web (WWW) definiert, welches integraler Bestandteil des Internet ist. Eine rechtliche Besonderheit der elektronischen Geschäftsabwicklung über das Internet liegt darin, dass die Willenserklärung nur einen sehr schwachen Bezug zum sich Äussernden hat. Die rechtlich relevante Willenserklärung kommt nämlich häufig „lediglich“ durch einen Mausklick zustande. Diese Tatsache ist deshalb bemerkenswert, weil der Nutzer eines Computers eine Vielzahl von Mausklicks tätigt, aber nur in wenigen Fällen daraus eine rechtserhebliche Willenserklärung resultiert. Das Bewusstsein, welcher Mausklick ein verbindliches Angebot bzw. eine verbindliche Annahme bedeutet, mag deshalb oft nicht deutlich sein.8 Stellt hingegen ein Computer aufgrund einer Programmierung die Erklärung automatisch her, weil eine oder beide Vertragsparteien mit vollautomatisierten Datenverarbeitungsanlagen arbeiten, handeln insofern nicht Menschen, sondern Maschinen. Im Rahmen der überkommenen Rechtsgeschäftslehre bereit es Probleme die Signale und Zeichen eines Computers als Willenserklärung zu qualifizieren. Soll derartigen Erklärungen die Qualität von Willenserklärungen zukommen, muss sich das Recht mit Zurechnungskonzepten behelfen, deren Anwendbarkeit und Reichweite im Einzelfall umstritten sind. Damit stellt sich die Frage nach den Mindestanforderungen einer Willenserklärung, die für die Zwecke dieser Untersuchung aus zwei Gründen von Bedeutung ist: Sollen an Erklärungen, die unter Einsatz moderner Telekommunikationsmittel wie E-Mail oder Internet an den Empfänger übermittelt oder von einer EDVAnlage ganz oder teilweise unter Ersetzung des Menschen erstellt wurden, 7 8 Soergel/Hefermehl, Vor § 116 I Rn 2. Vgl. für das Schweizerische Recht Weber, E-Commerce, Kap. VI. 3.2, S. 312 f. 15 Rechtsfolgen geknüpft werden, ist eine Stellungnahme zu den Mindestanforderungen einer Willenserklärung unumgänglich. Nur so können die unterschiedlichen Arten und Mischformen bei denen sowohl Menschen wie EDV-Systeme an der Erklärung oder deren Transport zum Empfänger beteiligt sind, rechtlich eingeordnet werden. Darüber hinaus kommt der Untersuchung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Willenserklärung besondere Bedeutung bei der Frage zu, ob und unter welchen Bedingungen rechtsverbindliche aber fehlerhaft zustandegekommene automatisierte Willenserklärungen eines Computers angefochten werden können. Umstritten ist die rechtliche Einordnung und Behandlung des Problems der Beteiligung von Telekommunikationsmittel bei der Erzeugung und Übermittlung von Willenserklärungen. Kritische Stimmen behaupten, die rechtliche Qualität derartiger „Telekommunikationserklärungen“ sei nicht wirklich problematisch, wie auch immer diese zustandegekommen sein mögen. Das Problem sei vielmehr auf der zweiten Stufe anzusiedeln, d. h. bei der Frage, ob der Erklärende eine von einer EDV-Anlage automatisch erstellte Erklärung in jedem Fall und unbedingt gegen sich gelten lassen müsse. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Systematisch empfiehlt es sich jedoch zunächst die Rechtsnatur der elektronischen Willenserklärung und der automatisierten Erklärungen zu untersuchen und sodann auf der Basis der gefundenen Ergebnisse eine rechtliche Bewertung fehlerhafter Erklärungen abzugeben. Denn erst wenn feststeht, dass jedes zurechenbare Verhalten mit Erklärungswert eine Willenserklärung darstellen kann, die ihrerseits Rechtsfolgen auslöst, macht es überhaupt Sinn, die Behandlung fehlerhafter Erklärungen im Hinblick auf ihre mögliche Anfechtbarkeit zu untersuchen. Für diese Vorgehensweise spricht m.E. auch der Umstand, dass es sich gesetzessystematisch beim fehlenden Geschäftsbewusstsein um eine eigenständige Kategorie fehlerhafter Willenserklärungen handelt, die nicht unmittelbar von den Irrtumsregeln nach §§ 119 ff. BGB erfasst ist. bb) Notwendiger Bestandteil von Rechtsgeschäften ist eine Willenserklärung oder bei Verträgen mehrere, ihrem Sinne nach aufeinander bezogene Willenserklärungen. Nach einer weitverbreitenden Definition können Willenserklärungen wie folgt umschrieben werden: Willenserklärungen sind zur Kenntnisnahme durch andere bestimmte Äusserungen, durch die der Erklärende zu erkennen gibt, dass eine bestimmte Rechtsfolge – oder ein Komplex von Rechtsfolgen – nach seinem Willen eintreten und gelten solle.9 9 Larenz AT (1988), § 19 I, S. 333. 16 Die Voraussetzungen, die ganz allgemein an das Vorliegen einer Willenserklärung zu stellen sind, wurden weder vom BGH noch von der Literatur bisher eindeutig beantwortet. Eine Willenserklärung setzt sich nach h.M. aus mehreren Elementen zusammen, die einen einheitlichen Tatbestand bilden; namentlich dem sinnlich wahrnehmbaren Erklärungsakt (der Erklärungshandlung) und bestimmten subjektiven Komponenten. Üblicherweise wird der Tatbestand der Willenserklärung in einen subjektiven und einen objektiven Tatbestand unterteilt. Der objektive oder auch äussere Tatbestand bezieht sich auf die Erklärung, der subjektive oder auch innere Tatbestand auf den Willen. Die Einteilung in objektive und subjektive Tatbestandsmerkmale wird im neueren Schrifttum kritisiert, sie ist aber wegen der bei Fehlen der einzelnen Willensmerkmale eintretenden unterschiedlichen Rechtsfolgen unentbehrlich.10 b) Objektiver Tatbestand – das „Erklärte“ Die Willenserklärung setzt im objektiven Tatbestand eine Erklärung voraus. Darunter ist jede „Erklärungshandlung“ oder ein ihr gleichzusetzendes willentliches Verhalten zu verstehen. Hinzu kommen muss ein erkennbarer Rechtsbindungswille des Erklärenden. Das bedeutet, die Erklärungshandlung muss für den objektiven Beobachter auf den sogleich zu behandelnden inneren Willen zu rechtlicher Bindung schliessen lassen. Eine Erklärung im objektiven Sinne wird als daher als ein Akt der qualifizierten Kundgabe (Willensäusserung) verstanden, der einen erkennbaren Rechtsbindungswillen beinhaltet. Der Vorgang der Erklärung als solcher kann mit unterschiedlichsten Mitteln bewirkt werden. Die Benutzung von Wort oder Schrift ist nicht erforderlich, soweit keine Formvorschriften bestehen. Die Erklärung kann ausdrücklich oder durch sogenannte stillschweigende Erklärungen erfolgen, beide besitzen dieselbe Kraft. Die ausdrückliche Erklärung ist der Normalfall. Die stillschweigenden Erklärungen werden weiter unterteilt in Erklärungen durch schlüssiges Verhalten und das blosse Schweigen.11 Schlüssiges Verhalten genügt für eine Willenserklärung, denn es ist unerheblich, ob jemand seine Zustimmung in Worten vorträgt oder durch Leistung und Taten („non refert an quis assensum praefert verbis an rebus et factis“). Bei Erklärungen durch schlüssiges Verhalten findet das Gewollte nicht unmittelbar in der Erklärung seinen Ausdruck. Der Erklärende nimmt vielmehr Erklärungshandlungen vor, die mittelbar einen Schluss auf einen bestimmten Rechtsfolgewillen zulassen.12 Anders als Wort und Schrift ist das schlüssige Verhalten nicht zur Erklärungshandlung bestimmt, 10 11 12 Palandt/Heinrichs, Einf. vor § 116 Rn 1. Palandt/Heinrichs, Einf. vor § 116 Rn 6. Vgl. für das österreichische Recht die ausdrückliche Regelung in § 863 Abs. 1 ABGB: „Man kann seinen Willen nicht nur ausdrücklich durch Worte und allgemein angenommene Zeichen; sondern auch stillschweigend durch solche Handlungen erklären, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen.“ 17 sondern nur Indiz für den Rechtsfolgewillen. Schlüssig ist ein Verhalten nur, wenn es zuverlässig auf einen bestimmte Rechtsfolgewillen schliessen lässt.13 Auf welchen Rechtsfolgewillen ein Verhalten schliessen lässt muss dabei durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) ermittelt werden. Erklärungen durch schlüssiges Verhalten finden ihre Grenzen dort, wo ihnen Formvorschriften entgegenstehen. Da der Erklärungstatbestand in einem positiven Tun, nämlich in einer Handlung mit Erklärungswert und nicht im blossen Schweigen besteht, ist die Bezeichnung Erklärung durch konkludentes Tun oder besser konkludente Erklärung dem Terminus stillschweigende Erklärung vorzuziehen. Das Schweigen ist ein rechtlichen Nullum, das ist die gesetzliche Regel. Sie gilt auch unter Kaufleuten.14 Wer schweigt, setzt keinen Erklärungstatbestand, es fehlt insofern an der Erklärungshandlung.15 Von dieser allgemeinen Regel existieren zwei gewichtige Ausnahmen, in denen dem Schweigen ausnahmsweise ein objektiver Erklärungswert zukommt; weil dem Schweigen ein objektiver Erklärungswert ausdrücklich zuerkannt oder dieser gesetzlich oder gewohnheitsrechtlich fingiert wird. Das erstere ist der Fall, wenn das Schweigen von Parteien im Rahmen der Privatautonomie ausdrücklich als Erklärungszeichen vereinbart wurde.16 In diesen (seltenen) Fällen ist das Schweigen eine echte Erklärungshandlung, die den Schluss auf einen bestimmten Rechtsfolgewillen zulässt. Es drückt je nach Vereinbarung Zustimmung oder Ablehnung aus. Man spricht daher auch von „beredtem Schweigen“. Das letztere ist der Fall, wenn der Schweigende verpflichtet gewesen wäre, seinen gegenteiligen Willen zum Ausdruck zu bringen: „qui tacet, consentire videtur, ubi loqui debuit atque potuit“.17 Eine solche Verpflichtung des Schweigenden sich gegenteilig zu äussern ergibt sich zu einem aufgrund gesetzlicher Vorschriften, die eine Erklärungswirkung des Schweigens ausdrücklich fingieren.18 In anderen nicht ausdrücklich normierten Fällen, wurde eine „Pflicht zum Reden“ von der Rechtsprechung entwickelt. Hier steht das Schweigen der Willenserklärung gleich, wenn der Schweigende nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verpflichtet gewesen wäre, seine abweichende Meinung zu äussern. Beim Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben gilt das Schweigen kraft Gewohnheitsrecht als Zustimmung.19 Die Wirkung des Schweigens beruht auf dem Grundsatz der Rechtsscheinshaftung. Erklärt sich der Schweigende nicht, obwohl dies die Rechtsordnung von ihm in der bestimmten Situation erwarten darf, so wird seine Erklärung gesetzlich oder gewohnheitsrechtlich fingiert. Da es an einer 13 14 15 16 17 18 19 BGH NJW 1984, S. 482; 1986, S. 977. BGHZ 1, 335; 18, 215; 47, 213; 61, 285; 97, 221. Palandt/Heinrichs, Einf. vor § 116 Rn 7. Entsprechende formularmässige Klauseln sind nur in den Grenzen von § 10 Nr. 5 AGBG wirksam. RGZ 145, 94; BGH 1, 355. Gemäss §§ 108 II 2, 177 II 2, 415 II 2, 458 I 2 BGB gilt Schweigen auf die Auforderung zur Genehmigung als Ablehnung. In den Fällen der §§ 416 I 2, 496 S.2, 516 II 2, 1943 BGB und §§ 362 I 2, 377 II HGB hat Schweigen dagegen die Bedeutung einer Genehmigung (Annahme). RGZ 54, 179; BGHZ 7, 189. 18 objektiven Erklärungshandlung fehlt, ist das Schweigen zwar tatbestandlich keine Willenserklärung, steht aber in seinen Rechtswirkungen einer Willenserklärung gleich.20 Seine rechtliche Bedeutung liegt in dem Unterlassen eines gebotenen Widerspruchs. Larenz21 spricht daher von Schweigen an Erklärungs statt.22 c) Subjektiver Tatbestand – das „Gewollte“ Bei der subjektiven Komponente der Willenserklärung ist zwischen verschiedenen Willensschichten zu differenzieren. Uneinigkeit besteht darüber, welche unterschiedlichen Willensstufen zu unterscheiden sind und welche als Kern den notwendigen Bestandteil der Willenserklärung bilden. Der subjektive innere Tatbestand wird üblicherweise unterteilt in den das äussere Verhalten beherrschenden Handlungswillen, das Erklärungsbewusstsein als das Bewusstsein, überhaupt eine rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben und in den Geschäfts- oder Rechtsfolgewillen als die auf einen bestimmten rechtsgeschäftlichen Erfolg gerichtete Absicht. Seit jeher umstritten ist die Frage, welches von den genannten typologischen Merkmalen der Willenserklärung zu deren konstitutiven Tatbestandsmerkmalen zählt. Die Mindestvoraussetzungen, die hinsichtlich der Willensgrundlage erfüllt sein müssen, damit eine wirksame Willenserklärung vorliegt, sind gesetzlich nicht geregelt und bis heute nicht abschliessend geklärt23. Zwingend erforderlich ist zunächst ein Handlungswillen, der ein bewusst gesteuertes Verhalten erkennen lässt. Die Willenserklärung setzt ein „vom Willen beherrschtes Tun oder Unterlassen“ voraus.24 Nur wenn das Verhalten des Erklärenden von dessen Willen getragen ist, kann die Handlung als Willenserklärung zugerechnet werden. Kein vom Willen gesteuertes Tun oder Unterlassen liegt beispielsweise vor, wenn es sich lediglich um rein mechanische Reflexbewegungen oder Handlungen im Schlaf handelt, die beim hier interessierenden elektronischen Vertragsabschluss keine praktische Relevanz besitzen. Ebenfalls nicht vom eigenen Willensentschluss zu handeln getragen, sind Handlungen, die unter unmittelbar ausgeübten Zwang (vis absoluta) vorgenommen werden. Diese Situationen, in denen der Handelnde durch Dritte fremdbestimmt wird, sind zu unterscheiden von Erklärungen, die unter psychologischem Zwang vorgenommen werden. In diesen Fällen ist zwar die Freiheit der Willensbestimmung beeinträchtigt, weshalb der Erklärende gemäss § 123 BGB anfechten kann, dennoch liegt ein willentliches Verhalten vor. Als weiteres Willenselement kommt das Erklärungsbewusstsein hinzu, dass den Willen umfasst überhaupt am rechtsgeschäftlichen Verkehr 20 21 22 23 24 Larenz AT (1988) § 19 IV c), S. 361; Flume AT, § 4.3; Staudinger/Dilcher, Vorbem. zu §§ 116 – 144 Rn. 41 ff. Larenz AT (1988), § 19 IV c), S. 361. So auch Pawlowski AT, Rn 404. Die Einteilung des subjektiven Tatbestands der Willenserklärung in Handlungswillen, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswillen wird vom neueren Schrifttum, namentlich von Larenz AT (1988), § 19 III und Flume AT, § 4.3 kritisiert. H.M. vgl. statt vieler Erman/Palm, vor § 116 Rn 2; Palandt/Heinrichs, Einf. vor § 116 Rn 16. 19 teilzunehmen und durch sein Handeln eine rechtsgeschäftlich relevante Erklärung abzugeben.25 Es hat noch keine konkrete Rechtsfolge zum Inhalt, sondern nur das allgemeine Bewusstsein, rechtsgeschäftlich tätig zu sein. Der eigentliche konkrete Rechtsfolgen erzeugende Willensinhalt ist der Geschäftswille, der auf die Herbeiführung eines bestimmten rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Da der Geschäftswille die unmittelbare Grundlage der konkreten Rechtsfolge ist, wird er auch Rechtsfolgewillen genannt.26 Er ist durch die auf Erzeugung einer bestimmten Rechtsfolge gerichteten Absicht gekennzeichnet.27 Der Geschäftswille setzt das Erklärungsbewusstsein voraus und schliesst es in sich ein.28 3. Geltungsgrund der Willenserklärung aa) Umstritten ist, worin der Geltungsgrund der durch die Willenserklärung ausgelösten Rechtsfolge zu erblicken ist. Nach der im gemeinen Recht des 19. Jahrhunderts und bis in die Anfangsjahre des BGB vorherrschenden, von Savigny29 geprägten, finalen Willenstheorie ist der subjektive Wille des Erklärenden Die Willenserklärung sei Ausdruck einer geistigen entscheidend.30 Grundausrichtung, die dem Willen des Einzelnen rechtsgestaltende Kraft beimisst. Nach der Willenstheorie muss die Rechtsordnung ihre Folgen zwar primär an die Erklärung als den sichtbaren Teil knüpfen. Sekundär berücksichtigt sie aber, ob hinter der Erklärung ein entsprechender Wille steht. Diese Berücksichtigung trage der Privatautonomie Rechnung: Die Erklärung hat Rechtsgeltung, weil sie auf dem Willen beruht.31 Das Fehlen des Geschäftswillens, d. h. des Willens eine bestimmte Rechtsfolge herbei zuführen, schliesst deshalb, unabhängig von der Mitteilung desselben, die Wirksamkeit der Willenserklärung aus. So meint Savigny: „der Wille an sich müsse als das einzig Wichtige und Wirksame gedacht werden; nur weil er ein inneres unsichtbares Ereignis sei, bedürfe es eines Zeichens, woran er erkannt werden könne“.32 Von Thur33 formuliert es so: „Die Willenserklärung sei eine Handlung, welche zu dem Zwecke vorgenommen wird, einen Vorgang des Seelenlebens zur Kenntnis der Mitmenschen zu bringen“. Die finale Willenstheorie wird von der h.M. abgelehnt, da der rein innerlich gebliebene Wille offensichtlich eine bestimmte Rechtsfolge nicht herbeizuführen vermag. Wer rechtsgeschäftlich etwas bewirken will, muss sich eben erklären. Eine im Busen fest verschlossene Absicht bewirkt nichts („ Intentio in mente retenta nihil operatur“). 25 26 27 28 29 30 31 32 33 MüKo/Kramer, Vor § 116 Rn 8; Palandt/Heinrichs, Einf. vor § 116 Rn 16. Larenz, AT § 24 II Rn 9. BGHZ 21, 106; Flume AT, § 4.5; Hübner AT, Rn 666. Larenz, AT, § 24 II Rn 9. Savigny, System III, 258. Vgl. zu dieser Theorie die Darstellungen bei MüKo/Kramer, Vor § 116 Rn 4 ff.; Erman/Palm, vor § 116 Rn 1. Medicus BGB, Rn. 122. Savigny, System III, 258. Von Thur II 1, S. 400. 20 bb) Demgegenüber stellt die Erklärungstheorie darauf ab, wie der Erklärungsempfänger das Verhalten des anderen nach Treu und Glauben deuten durfte. Die Rechtsfolgen beruhen danach darauf, dass der Erklärungsempfänger aufgrund des äusseren Erscheinungsbildes auf das Vorhandensein des Erklärungsbewusstseins und des Geschäftswillens schliessen durfte, auch wenn ein entsprechender Wille nicht vorhanden war. Anknüpfungspunkt für den Eintritt der Rechtsfolge ist die Dritten gegenüber kundgetane Erklärung. Das Reichsgericht formulierte es so: „Die Rechtsfolge tritt ein, weil sie anderen gegenüber erklärt wurde und das Gesetz sie gelten lässt“.34 Eine Rechtsfolge gilt danach, weil sie objektiv erklärt und nicht weil sie (auch) subjektiv gewollt ist. Die Erklärungstheorie, ist abzulehnen, da sie die Erklärung zu stark verselbständigt und einseitig zu Gunsten des Vertrauensschutzes die Bedeutung des Willens vernachlässigt. cc) Als vermittelnder Ansatz ist aus der neueren Lehre die von Larenz geprägte Geltungstheorie zu nennen.35 Die Vertreter der Geltungstheorie kritisieren, dass nach der Willenstheorie der Erklärung nur die Bedeutung eines Beweiszeichens zukommt. Täusche dieses Zeichen und lasse sich beweisen, dass der Erklärende keinen Rechtsfolgewillen gehabt hat, so muss in derartigen Fällen die Erklärung ohne die in ihr bezeichnete Wirkung bleiben. Das BGB berücksichtigt jedoch in sehr viel stärkerem Masse neben dem subjektiven Willen die objektive Erklärung. Insbesondere ist nach § 116 Satz 1 BGB eine Willenserklärung nicht deshalb nichtig, weil sich der Erklärende insgeheim vorbehält, das Erklärte, also die Rechtsfolge, nicht zu wollen. Nach Larenz36 ist die Willenserklärung deshalb nicht blosses Beweisanzeichen für das Vorhandensein eines Rechtsfolgewillens, sondern ihrerseits der unmittelbare Grund für den Eintritt der Rechtsfolge. Die rechtsgeschäftliche Willenserklärung ist in Wahrheit keine Mitteilung, sondern dem Sinne nach eine Geltungserklärung und als solche im Regelfall bereits die Verwirklichung des in ihr sich zur Geltung bringenden Rechtsfolgewillens. Denn, wer einem anderen lediglich mitteilt etwas zu wollen, ist dadurch noch nicht gehindert, alsbald seinen Willen zu ändern und etwas anderes zu wollen. Erklärt jemand dagegen, dass er sich verpflichtet, so erhält diese Erklärung den Sinn der Endgültigkeit. Die Willenserklärung ist ihrem Wesen nach daher ein Akt rechtlicher Regelung, eine Rechtsetzung inter partes.37 Von Savignys Willenstheorie unterscheidet sich die Geltungstheorie dadurch, dass sie den Geltungsgrund der Willenserklärung nicht mehr in einem der Erklärung vorausgehenden und von ihr kundgegebenen Wille sieht; d. h. dem Willen selbst „keine rechtschöpferische Kraft“ mehr beimisst.38 Die Ansicht, die in der Willenserklärung eine Geltungserklärung erblickt, geht über die Erklärungstheorie hinaus. Sie besagt nicht, dass etwas so oder so sein werde, sondern dass diese zum Ausdruck gebrachte Rechtsfolge fortan „gelten solle“. Der 34 35 36 37 38 RGZ 68, 324. Larenz AT (1988), § 19 I, S. 334. Larenz, a.a.O. Larenz, a.a.O.; Flume AT, § 4.7; Soergel/Hefermehl, Vor § 116 I Rn 7. Wieacker, JZ 1967, S. 387. 21 Erklärende begibt sich durch die Geltungserklärung – sofern er sich nicht den Widerruf vorbehält – der Möglichkeit, sich auf eine Änderung des Willens zu berufen. Er ist durch die Willenserklärung gebunden. Damit stimmt überein, dass nach § 145 BGB, derjenige, der einem anderen einen anderen die Schliessung eines Vertrags anträgt, an den Antrag gebunden ist, es sei denn, er hat ausdrücklich die Gebundenheit ausgeschlossen. dd) Auch bei dieser Betrachtung bleibt aber die Frage offen, ob Grundlage für die in der Willenserklärung enthaltene Regelung der Wille des Erklärenden ist oder der objektive Sinn seines Verhaltens.39 Sie ist für den Regelfall der empfangsbedürftigen Willenserklärung im Sinne eines Vorrangs der objektiven Erklärungsbedeutung zu beantworten. Dieser ist in zweifacher Weise von Bedeutung: Erstens, wenn der Inhalt der Willenserklärung durch Auslegung zu ermitteln ist und zweitens auch dann, wenn zweifelhaft ist, ob ein bestimmtes Verhalten als Willenserklärung zu werten ist oder nicht.40 Eine Handlung, die aus der Sicht des Erklärungsempfängers als Ausdruck eines bestimmten Rechtsfolgewillens erscheint, ist dem Erklärenden grundsätzlich auch dann als Erklärung zuzurechnen, wenn er keinen Rechtsfolgewillen hatte. Anknüpfungspunkt der durch die Willenserklärung ausgelösten Rechtsfolge ist die objektivierte Erklärungshandlung. Unter den Begriff der Willenserklärung fallen daher sowohl finale wie auch normativ zugerechnete Erklärungen.41 4. Funktion und Zurechnungsprinzipien Hier wird die Doppelfunktion der Willenserklärung deutlich: Sie ist einmal als bestimmender Akt das Mittel für den Erklärenden, um seinen Rechtsfolgewillen zu verwirklichen. Die Willenserklärung dient der rechtlichen Selbstbestimmung und damit der Verwirklichung der Privatautonomie. Die Selbstbindung, d. h. rechtliche Gestaltungswirkung und Verpflichtung zur Treue, treten ein, weil es der Erklärende so will – ita jus esto.42 Auf der anderen Seite ist das Vertrauen des Gegenübers in den von ihm verstandenen Erklärungssinn zu beachten,43 denn die Erklärung ist als eine Äusserung, die dazu bestimmt ist, von anderen zur Kenntnis genommen zu werden, ein Akt zwischenmenschlicher sozialer Kommunikation.44 Die Willenserklärung lässt sich folglich nicht lediglich als souveräner Selbstbestimmungsakt begreifen, der dem Willen des rechtsgeschäftlich Handelnden ohne Rücksicht auf Vernunft und 39 40 41 42 43 44 Palandt/Heinrichs, Einf. vor § 116 Rn 3. BGHZ 21, 106; 91, 328; NJW 1990, S. 456; BAG NJW 1971, S. 1423. Palandt/Heinrichs, Einf. vor § 116 Rn 3; MüKo/Kramer, Vor § 116 Rn 18. Dieses dem bürgerlichen Recht zugrunde liegende Individualprinzip ist in seiner Wurzel römischrechtlichen Ursprungs. BGH, NJW 1993, S. 2100; NJW 1995, S. 953. Larenz AT, § 24 IV Rn 30. 22 soziale Gerechtigkeit Geltung verschafft („stet pro ratione voluntas“).45 Die Interessen des Erklärungsempfängers, insbesondere des Vertragsgegners, aber auch Interessen Dritter oder der Allgemeinheit werden, soweit sie betroffen sind, neben den Interessen des Erklärenden berücksichtigt. Beim Erklärenden liegt der Ansatz, das Verursachen und Setzen des Erklärungstatbestands, hinzu tritt die Berücksichtigung der Interessen des Betroffenen. Nur durch den Schutz berechtigten Vertrauens (Vertrauensgrundsatz46) kann Gerechtigkeit hergestellt und gewährleistet werden, und nur so verwirklicht der Vertragsmechanismus des Aushandelns äquivalenter Leistungen und Rechtspositionen wahre Vertragsgerechtigkeit.47 Nach dem Vertrauensgrundsatz kann es daher notwendig sein, dem Erklärenden den Bedeutungsinhalt seiner Erklärung unter bestimmten Umständen auch gegen seinen inneren Willen zuzurechnen. Vertrauensschutz und Rechtsgeschäftslehre sind keine sich ausschliessenden Gegensätze; der Gedanke des Vertrauensschutzes ist vielmehr integrierender Bestandteil der Rechtsgeschäftslehre.48 Der Vertrauensschutz begrenzt in diesem Sinne die Selbstbestimmungsmacht.49 Diese Doppelfunktion von privatautonomer Selbstbestimmung und Vertrauensschutz fordert die Ergänzung des subjektiv orientierten Willensprinzips um objektive Zurechnungsprinzipien50, etwa um das Veranlassungs-, Verschuldens- und Risikoprinzip. Das Verschuldensprinzip51 begründet eine Einstandspflicht aufgrund des vorwerfbaren Verstosses gegen Verhaltenspflichten. Nach dem Risikoprinzip52 muss derjenige eine bestimmte Gefahr tragen, aus dessen Sphäre sie stammt, der die Gefahr eröffnet und der sie abstrakt beherrscht. Veranlassen bedeutet dagegen blosse kausale Verursachung. Allgemein anerkannt ist, dass die ausschliessliche Verursachung einer Handlung oder Erklärung die Zurechnung rechtsgeschäftlicher Folgen (noch) nicht rechtfertigt.53 Im übrigen besteht jedoch Streit darüber, auf welchen objektiven Zurechnungsprinzipien der Tatbestand der Willenserklärung beruht und was zu dessen konstitutiven Erfordernissen zählt. 45 46 47 48 49 50 51 52 53 Soergel/Hefermehl, Vor § 116 I Rn 5. Das Vertrauensprinzip beherrscht neben und im Verbund mit dem Prinzip der Selbstbestimmung den rechtsgeschäftlichen Verkehr, Larenz AT § 2 IV; Staudinger/Dilcher, Vorbem. zu §§ 116 – 144 Rn 44 ff. Larenz AT § 2 IV; MüKo/Kramer, Vor § 116 Rn 3. BGHZ 91, 330. Soergel/Hefermehl, Vor § 116 I Rn 5. Vgl. zu den Zurechnungsprinzipien innerhalb der Rechtsgeschäftslehre und der Vertrauenshaftung Canaris, Vertrauenshaftung, §§ 37 f.; zu den unterschiedlichen Ausprägungen des Vertrauensprinzips, Larenz AT, § 2 IV. Die Motive zum Entwurf des BGB gehen etwa noch vom Verschuldensprinzip aus, Mot. I, S. 194, 200 (Mugdan I, S. 459, 463), ohne dass dies jedoch vom Gesetzgeber aufgenommen wurde. Für die Heranziehung des Verschuldensprinzip plädieren Staudinger/Dilcher, Vorbem. zu §§ 116 – 144 Rn 48; Hübner Festschrift für Nipperdey, 1965, S. 388 f. Für die Heranziehung des Risikoprinzips als objektives Zurechungskriterium Cannaris, Vertrauenshaftung, § 38 III ( S. 479 ff.); § 41 (S. 517 f.); Kellerman JuS 1971, S. 615. Canaris, Vertrauenshaftung, §§ 37 I 2 (S. 469), § 38 I 1 (S. 474) 23 5. Zusammenfassung Zusammenfassend besteht heute insoweit Übereinstimmung darüber, dass für den Tatbestand der Willenserklärung eine objektivierte Erklärungshandlung und der Handlungswille unabdingbar sind (vgl. §§ 104 Nr. 2, 105 Abs. 2 BGB), während der fehlende Geschäftswille dem Vorliegen einer Willenserklärung nicht entgegensteht und nur für die Frage ihrer Vollwirksamkeit (§ 116 BGB), Anfechtbarkeit (§ 119 ff. BGB) oder Nichtigkeit (§ 117 Abs. 1 BGB) bedeutsam ist. Der Meinungsstreit dreht sich im wesentlichen darum, ob auch das Erklärungsbewusstsein als subjektiver Willensinhalt eine unverzichtbare Voraussetzung für das Vorliegen einer Willenserklärung darstellt, wie man früher angenommen hat, oder ob nicht das objektive äussere Erscheinungsbild ausreicht, aufgrund dessen andere auf das Vorhandensein eines Erklärungsbewusstseins vertrauen dürfen. Der historische Gesetzgeber hat sich bei Erlass des BGB einer Stellungnahme zum Streit zwischen der Willens- und Erklärungstheorie ausdrücklich enthalten.54 Zur Einordnung einer ohne Erklärungsbewusstsein abgegebenen Erklärung fehlt eine klare gesetzliche Regelung. Die Rechtsprechung55 behandelt als Willenserklärung jede Erklärungshandlung, die der Erklärende sich nach Treu und Glauben als Willenserklärung bestimmten Inhalts zurechnen lassen muss. Der BGH56 hat in Anlehnung an die Theorie der normativen Zurechnung dahingehend Stellung bezogen, dass nach dem Prinzip des Vertrauensschutzes eine (anfechtbare) Willenserklärung auch trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins vorliege, „wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äusserung nach Treu und Glauben und der Verkehrsitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte“. Aufgrund der Offenheit der gesetzlichen Regelung hat sich die Auslegung des Begriffs Willenserklärung letztlich an einer teleologischen Betrachtung zu orientieren.57 Dies soll im nachfolgenden Abschnitt im Hinblick auf die elektronische Willenserklärung und die Computererklärung und damit anhand eines Grenzbereichs rechtsgeschäftlichen Handelns näher untersucht werden. Die dort gefundenen Ergebnisse werden anschliessend bei der Behandlung fehlerhafter Willenserklärungen (vgl. § 6) nutzbar gemacht, getreu dem hier verfolgten Ansatz, zunächst die unterschiedlichen Arten und Mischformen, bei denen sowohl Menschen wie EDV-Systeme an der Erklärung oder deren Transport zum Empfänger beteiligt sind, rechtlich einzuordnen und in einem zweiten Schritt die damit zusammenhängende Frage, wie mit pathologischen Fällen, insbesondere dem fehlenden Erklärungsbewusstsein, zu verfahren ist, zu beantworten. Der Frage des 54 55 56 57 Prot. I, 94, S. 106 f.; Mot. I, S. 189 – 191; Mugdan I, S. 457. BGHZ 88, 373; 91, 324; 92, 168; 97, 372, NJW 1995, 953: aber nur zum Schutz des redlichen Empfängers. BGHZ 91, 324 ff. = NJW 1984, S. 2279 ff. = JR 1985, S. 12 ff. = JZ 1984, S. 985; mit Anm. Ahrens, JZ 1984, S. 986 f.; Emmerich, Jus 1984, S. 971 f.; ablehnend Schubert, JR 1985, S. 15 f. und Cannaris, NJW 1985, S. 2281 f. Kuhn, § 5 II, S. 52. 24 Bewusstseins des Erklärenden, eine rechtsverbindliche Erklärung abzugeben, d. h. dem Wissen darum, dass eine Erklärungshandlung bestimmte Rechtsfolgen hat, ist für die Zwecke dieser Untersuchung noch in anderem Zusammenhang von zentraler Bedeutung. Angesichts der technischen Besonderheiten bei der Bestellung im Internet oder der Abgabe einer Willenserklärung im allgemeinen besteht verstärkt die Gefahr, dass Nutzer rechtsverbindliche Erklärungen abgeben, ohne sich dessen bewusst zu sein oder deren konkreten Inhalt zu kennen. Da der Anbieter beim Online Vertragsabschluss gegenüber dem Verbraucher regelmässig über einen Informationsvorsprung verfügt, bestehen auf nationaler und insbesondere gemeinschaftsrechtlicher Ebene zahlreiche Regelungen, die den besonderen Risiken des elektronischen Geschäftsverkehrs Rechnung tragen. Ziel ist es, den Verbraucher in die Lage zu versetzen, in Kenntnis aller für den Vertrag relevanten Umstände, einschliesslich der einzelnen technischen Schritte, die zu einem Vertragsabschluss führen, zu handeln. So gesehen, korrespondiert das Problem des fehlenden Erklärungsbewusstseins und des sich daraus ableitenden mangelhaften Rechtsfolgewillens mit den Pflichten des Anbieters, den Verbraucher umfassend über den elektronischen Vertragsabschluss zu informieren. Den weitreichenden vor – und nachvertraglichen Informationspflichten des Anbieters beim elektronischen Vertragsabschluss wird im Rahmen dieser Arbeit bei Untersuchung der Rechtslage de lege lata et ferenda im Zusammenhang mit der Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie und der Richtlinie über den Elektronischen Geschäftsverkehr nachgegangen (vgl. nachfolgend die Ausführungen in § 2 VI 4 bzw. § 3 IV 3). II. Begriffsklärung 1. Meinungsstand a) Die Anforderungen an einen Vertragsabschluss im Internet weisen im Ausgangspunkt keine Unterschiede zu den Voraussetzungen eines Vertragsschlusses in herkömmlicher Weise auf. Auch bei einem Internet-Vertrag müssen sich die Vertragsparteien über die wesentlichen Vertragsbestandteile, die essentialia negotii, einigen, regelmässig also darüber, wer die Vertragsparteien sind und welche Leistungen die Parteien erbringen sollen. Die Besonderheit des elektronischen Vertragsschlusses – und anderer online geschlossener Verträge – besteht darin, dass in den gesamten Prozess des Vertragsschlusses Computer eingeschaltet sind, die über offene Netze miteinander kommunizieren. In der Literatur findet sich für das zu behandelnde Phänomen der Beteiligung eines Computers (oder anderer Datenverarbeitungsanlagen) bei der Erzeugung und/oder Übermittlung von Erklärungen unterschiedliche Bezeichnungen. Grosse Teile der Literatur wie Hübner58, Kilian59, Köhler60, Kramer61, Medicus62 und Seidel63 verwenden für den 58 Hübner AT, Rn 667. 25 bezeichneten Sachverhalt den Begriff „automatisierte Willenserklärung“. Andere Autoren wie Heinrichs64 und Jauernig65 sprechen dagegen von der „automatisierten Erklärung“, während Möschel66 den Begriff „vollelektronische Willenserklärung“ verwendet.. Den hiermit verwandten Terminus „elektronische Willenserklärung“ gebrauchen Bachmann67, Clemens68, Fritsche/Malzer69, Mellius70, Schneider71 und Pawlowski.72 Schwerdfeger73 führt den Begriff der „digitalen Willenserklärung“ ein. Während ein Teil der Literatur von der „automatisierten“ Willenserklärung spricht, definieren andere Stimmen diese als „vollelektronisch“, als „elektronisch“ oder als „digital“. Schuster74 bezeichnet diese Form der Erklärung als „automatisierte Computererklärung“. Baetge75 verwendet die Terminologie „Computererklärung“ und „automatisierte Erklärung“ in Abgrenzung zur „digitalen“ oder auch „elektronischen Erklärung“. 2. Systematisierung der unterschiedlichen Erklärungstypen a) Differenzierung Die Begriffsvielfalt erscheint auf den ersten Blick verwirrend. Im BGB ist diese terminologische Unterscheidung nicht zu finden. Das über 100 Jahre alte BGB unterschied dem Stand der Nachrichtentechnik entsprechend bis vor kurzem nur zwischen mündlichen, schriftlichen und per Telefon abgegebenen Willenserklärungen. Neue Kommunikationsmittel und –formen, in Gestalt von elektronischen Medien, haben erst in jüngster Zeit Eingang in das Gesetz gefunden.76. Die Begriffsvielfalt hat sich zum einem aufgrund der sprachlichen Präferenzen der Autoren entwickelt. Die unterschiedliche Terminologie rührt aber auch daher, dass den tatsächlichen Gegebenheiten nicht ausreichend Rechnung getragen wird. Erschwerend kommt hinzu, dass dieselbe Bezeichnung teilweise für 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 Kilian/Heussen, Computerrechtshandbuch, Kap. 20 Rn 15 f. Köhler, Automatisierte Rechtsvorgänge, S. 126, 132 ff. MüKo/Kramer, Vor § 116 Rn 22. Medicus AT, Rn. 256. Seidel, S. 113. Palandt/Heinrich, Einf. vor § 116 Rn. 1. Jauernig, vor § 104 Rn 1a. Möschel AcP 186 (1986), S. 187, 192. Bachmann, Vertragsschluss und Haftung im Internet, S. 173. Clemens; NJW 1985, S. 1998 ff. Fritsche/ Malzer, DNotz 1995, S. 6 Melullis, MDR 1994, S. 109 ff. Schneider, EDV-Recht, Kap. B, Rn 663. Pawlowski AT, Rn 448 Schwerdfeger, Vertragsschluss im Internet, Kap. 6.-2.3, S. 3. Schuster, Vertragshanduch Telemedia, S. 102 Rn 200. Baetge, Handbuch E-Business, 2. Kap., S. 100. Etwa durch das Fernabsatzgesetz vom 27.06.2000, BGBl. /, 897 oder das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13.07.2000, BGBl. I, 1542. Vgl. hierzu unten § 2 VI 4, S. 173 ff. bzw. § 2 IV 1 lit. b) cc) , S. 99 f. 26 verschiedene Sachverhalte verwendet wird und umgekehrt.77 Es macht einen Unterschied, ob eine Erklärung durch die Eingabe eines Menschen über die Tastatur und damit manuell erzeugt und dann in unveränderter Form mittels elektronischer Datenfernübertagung (DFÜ) zum Empfänger transportiert wird oder ob die Erklärung als solche durch den Computer in Ausführung eines Computerprogramms erzeugt wurde und sodann elektronisch an den Empfänger übermittelt wird. Dabei ist zwischen den elektronischen Medien als reine Kommunikationsmittel und den elektronischen Medien als eigenständigen Erzeugern und Empfängern von Willenserklärung zu unterscheiden. Als reine Kommunikationsmittel dienen die elektronischen Medien allein dem Transport menschlicher Erklärungen, ohne die Fähigkeit zum eigenständigen Verstehen und Entscheiden. Wolf spricht daher von „elektronisch übermittelten Willenserklärungen“.78 Bei der Abgabe und Entgegennahme von Erklärungen durch elektronische Medien mit der Fähigkeit, (im Rahmen der technischen Möglichkeiten) zu eigenständigem Verstehen und Entscheiden bedienen sich die Parteien zur Erstellung ihrer Willenserklärung der elektronischen Datenverarbeitung, d. h. die Software des Datenanbieters schliesst den Vertrag (scheinbar) selbständig ab und führt ihn u.U. anschliessend im Wege der Übersendung der bestellten Daten79 auch sofort durch80. b) Definition aa) Entsprechend differenziert Schwerdfeger81 zwischen „digitalen Willenserklärungen“ als solchen, die mittels eines Computer erzeugt wurden und „Computererklärungen“ als diejenigen Erklärungen, die durch den Computer selbst, auf der Basis eines Computerprogramms erzeugt wurden. Er ist jedoch der Ansicht, dass es der zweiten Fallgruppe der Computererklärungen nicht bedarf, da der EDV bei der Abgabe der Erklärung zwar eine besondere Bedeutung zukomme, aber letztlich auch hier ein menschlicher Wille durch Nutzung moderner Techniken zum Ausdruck gebracht werde und somit eine normale Willenserklärung vorliege. Kuhn82 nimmt den von Schwerdfeger geprägten Begriff der Computererklärung auf und setzt diesen mit den automatisierten Erklärungen gleich. Nach dieser Ansicht wäre 77 78 79 80 81 82 Pawlowski, a.a.O., will bspw. unter dem Begriff „elektronische Willenserklärung“, alle Erklärungen, die ein Computer automatisch erstellt und anschliessend elektronisch an den Empfänger absendet, verstanden wissen. Folgerichtig werden die Begriffe elektronische Willenserklärung und Computererklärung synonym verwendet. MüKo/Kramer, a.a.O., dagegen verwendet die Begriffe „elektronische“ und „automatisierte“ Willenserklärung gleichbedeutend. Soergel/Wolf, Vor § 145 Rn 108. Daten sind nach der DIN 44300 „Zeichen oder kontinuierliche Funktionen, die zum Zwecke der Verarbeitung Information aufgrund bekannter oder unterstellter Abmachungen darstellen“. Soergel/Wolf, Vor § 145 Rn 109. Schwerdfeger, Vertragsschluss im Internet, Kap. 6.-2.3, S. 3. Kuhn § 6 I, S. 56. 27 zwischen zwei Kategorien von Erklärungen zu unterscheiden.83 Zur ersten Kategorie zählten die Willenserklärungen, die mittels eines Computers als Hilfsmittel von Menschen erzeugt werden. Hierzu zählen alle Erklärungen, bei denen die Substitution des Menschen durch die Technik nicht den Erklärungsakt selbst betrifft, sondern diesem vorgelagert ist, ihm nachfolgt oder durch den Benutzer der EDVoder Telekommunikationsanlage in umfassender Kenntnis ihrer Funktionen selbst gesteuert. Hierfür ist der Begriff der elektronischen Willenserklärung am einprägsamsten. bb) Unter der zweiten Kategorie würden unter dem Oberbegriff Erklärungen eines Computers, die das unmittelbare Ergebnis eines datenverarbeitenden Programms sind, die Termini Computererklärung84 und automatisierte Erklärung85 zusammengefasst. Im Unterschied zur ersten Fallgruppe tritt bei der Computererklärung die Technik im Kernbereich der Erklärungserstellung an die Stelle des Menschen, wobei die Steuerung der Erklärung nicht unmittelbar durch den Erklärenden selber, sondern durch das zu einem früheren Zeitpunkt festgelegte Computerprogramm erfolgt.86 Die Übergänge sind fliessend, das Spektrum reicht von partiell automatisierter Unterstützung bis hin zur vollständigen Automation der Erklärungserstellung ohne aktuellen menschlichen Handlungs- und Kontrollbeitrag. Nach Ansicht von Mehrings87 ist eine Dreiteilung mit den Fallgruppen der elektronischen Willenserklärung, der automatisierten Willenserklärung und der Computererklärung einer Strukturierung der Fallgruppen deshalb dienlicher. Er schliesst sich damit ausdrücklich nicht der Meinung von Kuhn und Schwerdfeger an, wonach die automatisierte Erklärung und die Computererklärung gleichzusetzen seien, sondern differenziert innerhalb der Kategorie Erklärungen eines Computers, die das unmittelbare Ergebnis eines datenverarbeitenden Programms sind, danach, ob konkret in irgendeinem Stadium der Erzeugung der Erklärung ein Mensch beteiligt ist oder nicht. Im ersten Falle handelt es sich nach der Ansicht des Autors um die automatisierte Erklärung eines Computers auf der Basis manuell eingegebener Daten, im letzteren Falle liege eine Computererklärung im eigentlichen Sinne vor. 83 84 85 86 87 Der gleichen Auffassung ist auch Baetge, Handbuch E-Business, 2. Kap., S. 100 wonach zwischen zwei Grundformen unterschieden werden muss: Digitale oder elektronische Erklärungen auf der einen Seite, bei denen die Erklärung vom Benutzer selbst verfasst und unter Verwendung eines Computer an den Empfänger geschickt werden. Demgegenüber stehen die Computererklärungen oder automatisierten Erklärungen, die vom Computer infolge einer entsprechenden Programmierung erstellt und dann an den Computer des Empfängers übermittelt werden. Soergel/Hefermehl, Vor § 116 I Rn 30, der allerdings von einem zu engen Begriff der Computererklärung ausgeht, indem er unterstellt, dass die Unterschrift gewöhnlich faksimiliert sei. Kilian, Computerrechtshandbuch, Kap. 20 Rn 14 spricht davon, dass es die automatisierte Willenserklärung als solche eigentlich nicht gäbe, sondern nur elektronische Datenverarbeitung mit rechtsgeschäftlichen Wirkungen. Die rechtsgeschäftlichen Wirkungen ergeben sich ausschliesslich aus den jeweiligen Rahmenbedingungen und dem konkreten Einsatzzweck. Kuhn, § 6 I, S. 56. Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1 Rn. 24. 28 Richtigerweise handelt es sich hierbei nicht um eine eigenständige Fallgruppe, sondern um einen Unterfall der automatisierten Erklärung.88 c) Eigene Ansicht – Kategorisierung der unterschiedlichen Erklärungstypen Bei der Erzeugung oder Erstellung einer Erklärung und der anschliessenden Kundgabe bzw. Übermittlung der Erklärung können, wie eingangs dargestellt, sowohl Menschen wie auch Computer oder andere Datenverarbeitungsanlagen eingeschaltet sein. Der Prozess der Erzeugung oder Erstellung einer Erklärung kann abstrakt als Input bezeichnet werden, der Vorgang der Kundgabe oder Übermittlung der Erklärung kann unter dem Oberbegriff Output zusammengefasst werden. Ordnet man den beiden Variablen Input und Output, die relevanten Faktoren Mensch und Computer zu, so lassen sich unterschiedliche Fallgruppen bilden. Die Fallgruppe, in der die Erklärung auf traditionellem Wege vom Menschen erzeugt (Input) und anschliessend von diesem ohne Einschaltung von Computern oder anderen Datenverarbeitungsanlagen Dritten übermittelt wird (Output), entspricht dem Normalfall. Es handelt sich um die Willenserklärung im herkömmlichen Sinne, für die allgemeinen Regeln gelten. Sie bedürfen keiner weiteren Untersuchung. Gleiches gilt für die Kombinationen, in der die Erklärung entweder ausschliesslich durch einen Computer oder unter Beteiligung von Mensch und Computer erzeugt (Input) und anschliessend durch den Menschen erklärt werden (Output). Sie unterscheiden sich vom Normalfall lediglich dahingehend, dass die Erzeugung der Erklärung teilweise oder vollständig mittels elektronischer Datenverarbeitungsanlagen erfolgt. Die Kundgabe und Übermittlung der Erklärung an Dritte und damit die Manifestation des Inhalts in der Aussenwelt erfolgt wiederum durch den Menschen, der sich den Inhalt der elektronisch erzeugten Erklärungen zu eigen macht. Auch diese Erklärungen lassen sich zwanglos als Willenserklärungen einordnen. Damit verbleiben die zwei bereits benannten Arten, elektronische Willenserklärung und automatisierte Willenserklärung, die beide der Kategorie Computer-Output zuzuordnen sind. Wird die vom Computer zu übermittelnde Erklärung vom Menschen generiert, so spricht man von einer elektronischen Willenserklärung. Ist die elektronisch übermittelte Erklärung dagegen in Ausführungen eines Datenverarbeitungsprogramms erzeugt worden, handelt es sich nach der hier verwendeten Terminologie um eine automatisierte Willenserklärung. Innerhalb der Fallgruppe der automatisierten Willenserklärung wird weiter differenziert, ob konkret in irgendeinem Stadium der Erzeugung der Erklärung ein Mensch beteiligt ist oder nicht. Im letzteren Fall handelt es sich nach der hier verwendeten Terminologie um eine Computererklärung. 88 Soergel/Wolf, Vor § 145 Rn 109; Larenz AT, § 30 Rn 56; Medicus AT, Rn 256; Paefgen, JuS 1988, S. 592. 29 Die unterschiedlichen Möglichkeiten lassen sich in einer zweidimensionalen Matrix wie folgt darstellen: Abbildung 1: Kategorisierung der unterschiedlichen Erklärungstypen Output Mensch Computer Input 3. Mensch Willenserklärung „elektronische Willenserklärung“ Mensch und Computer Willenserklärung „automatisierte (Willens-) Erklärung“ Computer Willenserklärung Unterfall: „Computererklärung“ Elektronische Willenserklärung a) Beispiele In der ersten Fallgruppe werden Willenserklärungen auf normalen Wege hergestellt, dann aber vom Erklärenden mittels eines Computer elektronisch an den Empfänger übermittelt.89 Die Fallgruppe der elektronischen Willenserklärungen kann weiter unterteilt werden in die Übermittlung von Willenserklärung mittels Elektronischer Post (E-Mail90) und in Bestellvorgänge, in denen der Kaufinteressent, der mit dem Anbieter über das Netz in Kontakt tritt, am Computer durch Eingabe seines Namens, seiner Anschrift und der Warennummer oder Bezeichnung des Artikels eine formularmässige Bestellmaske ausfüllt und diese anschliessend elektronisch übermittelt. „Bei der elektronischen Willenserklärung betrifft die Substitution des Menschen durch die Technik nicht den eigentlichen rechtsgeschäftlichen Erklärungsakt selbst, sondern ist diesem vor- oder nachgelagert oder wird vom Erklärenden im Bewusstsein und in Kenntnis der Funktion der EDV- oder 89 90 Von Herget/ Reimer, DStR 1996, S. 1291. E-Mail ist ein Postdienst, der über einen Internet-Anschluss zur Nachrichtenübertragung genutzt wird. Über einen E-Mail-Client (z.B. Oulook, Eudora) können Nachrichten erstellt, empfangen und an einen oder mehrere Teilnehmer gleichzeitig verschickt werden. Fügt der Teilnehmer der Nachricht eine Datei bei, so wird diese als „Attachment“ bezeichnet. Nach dem typischen @ Zeichen befindet sich der Host Name des Providers, d. h. des Zentralrechners im Netz, der den elektronischen Briefkasten bereitstellt, vor diesem steht der (i.d.R. beliebig wählbare) Benutzername; Beispiel: [email protected]. 30 Telekommunikationsanlage selbst gesteuert.“91. Man spricht deshalb auch von der „Kommunikation mittels Computern“. Wenn eine vom Erklärenden selbst formulierte Erklärung von diesem oder auf dessen Veranlassung mittels Telekommunikation übermittelt wird,92 wie beispielsweise das Ausfüllen einer Bestellmaske eines Online Anbieters, handelt es sich um einen nachgelagerten EDV- und Telekommunikationseinsatz. Bei diesem können sowohl eine menschliche Erklärungshandlung als auch eine diesen tragenden Willen bejaht werden. Ein weiteres Beispiel bildet das Versenden elektronischer Nachrichten mittels EMail. Bereits mit der Absendung der Erklärung ist der Tatbestand der Willenserklärung erfüllt und die nachfolgende technische Übermittlung hat nur noch Bedeutung hinsichtlich des Wirksamwerdens der Willenserklärung und dem Zeitpunkt des Zugangs. Ein Beispiel für einen vollkommen vom Erklärenden beherrschten EDV Einsatz93 bildet der Einsatz elektronischer Textverarbeitungssysteme, und die Nutzung von sog. Büro-Anwendersoftware im allgemeinen. Ein Anwendungsfall für einen vorgelagerten Einsatz von Computern ist der Abruf von Daten und Informationen zur Entscheidungsfindung aus internen und externen Datenbanken und anderen Informationsquellen wie beispielweise dem Internet. Die elektronische Willenserklärung unterscheidet sich im Grundsatz nicht von der handschriftlichen oder maschinenschriftlichen Erklärung.94 Im Detail bestehen jedoch gewisse Unterschiede, die auf den Eigenheiten des elektronischen Willenserklärung beruhen. b) Vergleich zur traditionellen Willenserklärung aa) Negative und positive Beschränkungen der Erklärungsfreiheit Im Vergleich zur schriftlichen Erklärung ist der Erklärende bei der Bestellung über Bestellmasken, bedingt durch die technischen Vorgaben des Anbieters in seiner Erklärungsfreiheit eingeschränkt. Die Erklärungsfreiheit kann durch die 91 92 93 94 Kuhn, § 6 I, S. 56. Kuhn, § 6 I, S. 55 verwendet hierfür den Begriff „Telekommunikationserklärung“. Kuhn, § 6 I, S. 55 verwendet hierfür den Begriff „EDV-unterstützte Erklärung“. Die technischen Beschränkungen, Fehlfunktionen oder die unzureichenden Erfahrungen des Anwenders schliessen die generelle Beherrschbarkeit nicht aus und stehen der grundsätzlichen Anerkennung der auf diesem Wege erstellten Erklärungen als Willenserklärung nicht entgegen, können aber im Rahmen der Irrtumslehre relevant werden. Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1 Rn. 25 31 Ausgestaltung der Bestellmaske sowohl in positiver wie in negativer Hinsicht beschränkt sein. (1) Eine Beschränkung negativer Art liegt vor, wenn der Erklärende „mehr erklären muss, als er möchte“. Dies ist regelmässig der Fall, wenn der Anbieter gewisse Angaben des Kaufinteressenten wie beispielsweise Telefonnummer oder E-Mail Adresse zur Pflicht erhebt. Werden die von der Bestellmaske geforderten Angaben ganz oder teilweise verweigert oder sind diese unvollständig, wird die Erklärung vom Computerprogramm des Anbieters nicht akzeptiert und zurückgewiesen. Der Erklärende gelangt in eine elektronisch gesteuerte Schleife, die ihn wieder auf die Eingabeposition der Bestellmaske setzt. Jede fehlerhafte und/oder defiziente Eingabe löst diesen Prozess von neuem aus. In einem solchen Fall verbleiben dem Erklärenden lediglich zwei Alternativen: Entweder er erklärt sich in der vom Anbieter gewünschten Weise (wobei es ihm frei steht, wahrheitsgemässe Angaben zu machen), um seine Erklärung zu übermitteln oder er bricht den Vorgang ganz ab; die Erklärung wird nicht übermittelt. (2) Eine Beschränkung positiver Art liegt vor, wenn der Erklärende „weniger erklären kann, als er möchte“. Eine positive Beschränkung ist bei der Bestellung mittels einer Bestellmaske der Normalfall. Die formularmässige Ausgestaltung der Maske erlaubt es dem Erklärenden, lediglich die vom Anbieter – genauer vom Computerprogramm des Anbieters – geforderten Angaben zu machen. Weitere Zusätze des Erklärenden sind üblicherweise nicht vorgesehen. Darüber hinaus können die erforderlichen Angaben nahezu ausschliesslich in den von der Anwendungssoftware hierfür vorgesehen Feldern gemacht werden. Eine Vertauschung der Angaben, wie sie bei papiergebunden Formularen denkbar ist und in der Praxis häufig vorkommt, ist bei der elektronischen Willenserklärung mittels Bestellmasken durch entsprechende Programmsschritte gewöhnlich ausgeschlossen. bb) Fallbeispiel Am Beispiel des Online-Buchhändler Amazon95 sollen die positiven und negativen Beschränkungen bei der Bestellung über Bestellmasken verdeutlicht werden. Der Kunde hat nach Auswahl des entsprechenden Artikels auf der Website des Anbieters und dessen Ablage im virtuellen Warenkorb („Zur Kasse gehen“) keinen Einfluss auf den Inhalt des Kaufvertrags als solchen. Lediglich die Modalitäten der Erfüllung stehen zur Disposition d. h. die Zahlungsweise – Lastschriftverfahren, Kreditkarte oder Vorausscheck („Die Rechnung bitte“) – , der Versand (einzeln oder im Paket mit allen bestellten Artikeln) die Lieferanschrift („Ab die Post“) und die Rechungsadresse können vom Kunden bestimmt werden, daneben wird wahlweise 95 <http://www.amazon.de> 32 gegen Aufpreis, die Verpackung des Artikels als Geschenk angeboten („Geschenkpapier und Schleife“). Der Kunde muss, um den Artikel bestellen zu können, jede der einzelnen Stationen durchlaufen, ein Überspringen ist nicht möglich. Darüber hinaus kann er sich auf den einzelnen Masken nur in der vom Anbieter vorgegebenen Weise erklären, d. h. er muss die Eingabe von Daten bestätigen und ist durch den Aufbau der Website gezwungen die Rechungsadresse und Lieferanschrift sowie der Zahlungsart positiv zu wählen. Andere Varianten sind vom Programm nicht vorgesehen. cc) Unterschiede zur traditionellen Willenserklärung Gewisse Unterschiede im Vergleich zur schriftlichen oder maschinenschriftlichen Erklärungen können sich bei der elektronischen Willenserklärung, auch daraus ergeben, dass das Computerprogramm des Anbieters im Falle der Bestellung möglicherweise die Gesamtsumme zzgl. der Versandkosten und anderer Kosten, wie Transportversicherung etc. ausrechnet, dem Kaufinteressenten das Zahlungsziel u.a. Kaufkonditionen mitteilt oder nach Eingabe der Warennummer oder Anklicken eines Bildsymbols automatisch die Warenbezeichnung hinzufügt. Dennoch liegt keine automatisierte Willenserklärung vor, weil der Kern der Erklärung von einem Menschen stammt. Auch wenn der Besteller in bestimmten Fällen mehr erklären muss, als er eigentlich möchte und sich aufgrund technischer Vorgaben der Computerapplikation möglicherweise nicht in der von ihm gewünschten Form erklären kann, so stammt diese Erklärung doch unmittelbar von einem Menschen. Dem Erklärenden steht es nämlich frei, die Beschränkungen der Erklärungsfreiheit durch Bestellmasken zu akzeptieren oder auf diese Art der Erklärung im konkreten Fall zu verzichten. Wenn eine in dieser Weise hergestellte Willenserklärung über das Netz zum Empfänger transportiert wird, liegt eine elektronisch übermittelte Willenserklärung vor, die hier als elektronische Willenserklärung bezeichnet wird. Das gleiche gilt im Grundsatz für diejenigen Erklärungen mittels E-Mail, bei der die Erklärung ebenfalls unmittelbar vom Menschen erzeugt wird. Die Erklärungsfreiheit ist bei dieser Form der elektronischen Willenserklärung weder positiv noch negativ beschränkt. Dem Erklärenden steht es grundsätzlich frei, Form und Inhalt seiner Erklärung autonom zu bestimmen und diese anschliessend an Dritte zu übermitteln. In diesem Punkt ist die Übermittlung von Erklärungen mittels E-Mail mit der schriftlichen oder maschinenschriftlichen Erklärung vergleichbar. Anders dagegen bei der Abgabe formalisierter E-Mails mittels spezieller Masken auf der Website des Anbieters bei denen Text, Schrift, Inhalt etc. ganz oder teilweise vom Anbieter vordefiniert sind. Die Restriktionen sind vergleichbar mit der Erklärungssituation beim Kauf über Bildschirm-Bestellmasken. 33 4. Automatisierte Erklärung Hiervon zu unterscheiden sind Erklärungen, die ein Computer, dem manuell Daten eingegeben oder maschinell eingelesen werden, mit Hilfe eines Computerprogramms erzeugt oder erstellt. Dieser Vorgang unterscheidet sich von der elektronischen Willenserklärung dadurch, dass der Mensch an der Erzeugung der Erklärung nur mittelbar beteiligt ist. Die Erklärung selbst wird durch das Computerprogramm auf der Basis der eingegebenen Daten generiert. Automatisierte Erklärungen betreffen somit nicht eine besondere Übermittlungsform einer elektronischen Willenserklärung, sondern beziehen sich auf die Besonderheiten der Willensbildung und der Erklärungserstellung, bei der im Zeitpunkt der Abgabe kein aktives menschliches Handeln mehr erfolgt.96 Dieser Vorgang weisst starke Parallelen zur Erstellung öffentlich-rechtlicher Bescheide in Form von automatisierten Erklärungen auf. Bekanntestes Beispiel aus diesem Bereich ist der computergestützte Bussgeldbescheid.97 Während bei der elektronischen Willenserklärung die Erklärung als solche unmittelbar vom Menschen erzeugt wird, ist die automatisierte Erklärung lediglich das Ergebnis menschlichen Handelns. Ein Beispiel hierfür ist die automatische Erstellung eines Versicherungsangebots. 96 97 Schuster, Vertragshandbuch Telemedia, S. 102/103 Rn 200. BGH MDR 1997, S. 483; OLG Hamm, NJW 1995, S. 2937 f. 34 Abbildung 2: Versicherungsabschluss im Internet – I Abbildung 3: Versicherungsabschluss im Internet – II 35 Abbildung 4: Versicherungsabschluss im Internet – III Sofortige Annahme des Angebots per „Mausklick“ Möglichkeit, das Angebot später annehmen zu können Abbildung 5: Versicherungsabschluss im Internet – IV Bestimmung der Annahmefrist nach §§ 145, 148 BGB Quelle Abb. 2 – 5: http://www.inseas.de 36 Der Kunde begibt sich auf die Internetseiten eines Versicherungsanbieters und wählt ein entsprechendes Versicherungsprodukt. Nach Eingabe der massgeblichen Daten, wie den kundenbezogenen Informationen, dem zu versichernden Risiko, der Laufzeit des Versicherungsvertrags und der gewünschten Zahlungsweise wird durch die Anwendungssoftware automatisch ein Versicherungsschein bzw. ein gleichlautendes Angebot unter Berechnung der Versicherungsprämie erstellt und dem Kunden mittels Bildschirm übermittelt. Aufgrund der Angaben des Antragsteller prüft die EDV des Versicherers, ob der Antrag angenommen werden und übermittelt die Annahmerklärung bzw. das Angebot automatisch. Da der Versicherungsvertrag als solcher keiner Form bedarf,98 ist die Antragsstellung und der Vertragsabschluss im Internet grundsätzlich möglich. Bei der Online Versicherung Ineas Insurance Company99 beispielsweise kann man online ein Versicherungsangebot einholen und – falls gewünscht – den Vertrag über das Internet schliessen. Bei dieser Variante unterbreitet, das Versicherungsunternehmen auf die elektronische invitatio ad offerendum des potentiellen Versicherungsnehmers hin ein konkretes elektronisches Vertragsangebot, dass der Versicherungsnehmer entweder sogleich online oder später annehmen kann. Dazu wählt der Kunde das gewünschte Versicherungsprodukt aus und gibt seine Daten ein, der Tarifrechner erstellt daraufhin automatisiert ein Versicherungsangebot, das der Kunde sofort annehmen oder 30 Tage lange auf einer nur für ihn zugänglichen Domain speichern und einsehen kann. Wer das Angebot später annehmen will, schliesst den Versicherungsvertrag über die private Domain ab: Per Mausklick wird der Vertrag geschlossenen, der Versicherungsschutz wirksam (vgl. oben die Abbildungen 2-5). In Abgrenzung zu der elektronischen Willenserklärung wird für diesen Typus der Erklärung der Begriff der automatisierten Erklärung vorgeschlagen. Sind die nach der Rechtsgeschäftslehre erforderlichen Voraussetzungen für eine Willenserklärung erfüllt, ist es zur Klarstellung empfehlenswert, die Bezeichnung automatisierte Willenserklärung einzuführen.100 5. Computererklärung a) Beispiele Die Computererklärung bildet keine eigenständige Kategorie, sondern ist lediglich ein Unterfall der automatisierten Willenserklärung.101 Die Erklärung wird vollständig mit Hilfe eines Computerprogramms erzeugt und elektronisch übermittelt. Diese besondere Form der Kommunikation zwischen Menschen auf der einen Seite und einer vom Vertragspartner eingeschalteten EDV auf der anderen Seite wird - in 98 99 100 101 Prölss/Martin, VVG, § 3 Rn 1 m.w.N.; BK/Schwintowski, § 3 VVG Rn 3. <http://www.ineas.de> Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1 Rn 26. Soergel/Hefermehl, Vor § 145 Rn 109. 37 ‚Abgrenzung zur elektronischen Willenserklärung - auch als „Kommunikation mit Computern“ bezeichnet. Sie unterscheidet sich von der automatisierten Erklärung dadurch, dass auf mindestens einer Seite kein Mensch an der Erstellung der Erklärung beteiligt ist. Bei dem oben erwähnten Beispiel der Online-Buchbestellung mittels einer Bestellmaske überprüft der Rechner des Online-Anbieters auf der Gegenseite selbständig den Lagerbestand der gewünschten Artikel, dessen Lieferbarkeit sowie die Bonität des Kunden und „entscheidet“ ohne menschliches Zutun über den Vertragsschluss. Die Erklärung wird dem Kunden ohne zeitliche Verzögerung mittels Bildschirm übermittelt. Denkbar ist, dass die EDV nicht nur die gesamte Lagerhaltung kontrolliert, sondern auch gleich die entsprechenden Zahlungen abwickelt, indem es die entsprechenden Überweisungsaufträge und Lastschriften erstellt und mittels Clearing Verfahren an die Bank weiterleitet. Diese lösen dort automatisch Gutschriften und Lastschriften auf dem Lieferantenkonto aus, die mit den ausgehenden Lieferungen abgeglichen werden können und im Bedarfsfalle automatisch angemahnt werden indem ein Brieftext ausgedruckt, mit einer faksimilierten Unterschrift versehen und dem Postausgang zugeleitet wird. b) Technischer Hintergrund Computererklärungen im Internet basieren auf entsprechend programmierten und gestalteten Websites. Die Implementierung von Inhalt, Struktur und Funktion der Website bedeutet die Kodierung aller Seiten in HTML und möglicherweise die Programmierung in weiteren Programmiersprachen. Ein CGI-Script ist ein simples Protokoll, das zur Kommunikation zwischen HTML-Formen und einem Programm benutzt werden kann. Gibt der Absender über ein CGI-Script seine Bestellung ab, wird die Bearbeitung automatisiert. Es ist nicht notwendig, dass eine natürliche Person die Bestellung an die verantwortlichen Stellen weitergeben muss. Dies übernimmt ein Computer, der die gesendeten Daten analysiert und sie dann an die zuständigen Abteilungen im Unternehmen des Empfängers schickt. Dies kann auf zwei unterschiedliche Arten geschehen: (1) Eine Website besteht klassischerweise aus „statischen“ Einzelheiten. Dabei werden für jede einzelne Seite Darstellung und Inhalt manuell gesondert festgelegt, zusammen verwaltet und gemeinsam auf dem Serverrechner bereit gehalten. (2) Eine technisch vielseitigere und aufwendigere Alternative ist der Aufbau der Website als Zwei-Komponenten-Modell. Content Managing Systeme (CMS) – auch Redaktionssysteme102 genannt – funktionieren alle nach dem gleichen 102 Der Begriff entspringt der Historie dieser Technologie. In Deutschland waren die grossen Verlagshäuser die ersten CMS-Anwender. 38 Prinzip: Inhalte und Technik sind getrennt. Auf der einen Seite existiert eine grosse Datenbank, in der beispielsweise alle Daten, Texte und Bilder oder Verweise hierauf eingestellt und verwaltet werden. Auf der anderen Seite stehen HTML-Musterseiten – sogenannte Templates – mit genau spezifizierten Darstellungsvorgaben. Mit der Verknüpfung eines Templates erhält der Inhalt die passende Optik und Funktionalität. Statt kompletter HTML-Seiten werden Objekte programmiert, die als Platzhalter fungieren. Was der Kunde sieht, wenn er die Website des Anbieters innerhalb der Rubrik „Bestellung“ mit seinem Browser aufruft, ist die HTML Musterseite dieser Rubrik. Deren Texte und Inhalte werden „on the fly“, also im Moment des Aufrufs durch den Anbieter aus der Datenbank in die Maske, d. h. das Template „geschossen“.103 Statt manuell eingefügter Inhalte werden im Moment des Aufrufs mit dem Browser die aktuellen Inhalte aus der Datenbank gezogen und an den spezifizierten Stellen entsprechend den Designvorgaben automatisch dargestellt.104 Solche Seiten die aus einem immer gleichbleibenden Teil – Darstellung (Design) und einem variablen Teil – Inhalt (Content) – bestehen, nennt man „dynamische“ Seiten: Erst im Moment des Aufrufs werden Inhalt und Form zu einer HTML Seite zusammengefügt. Dies erleichtert wesentlich die Pflege der Informationen und die einheitliche Gestaltung der Daten, Texte und Bilder, da jede Seite nur einziges Mal programmiert werden muss. Websites, die in DHTML (Dynamic HTML)105 programmiert wurden, ermöglichen neben einem flexiblen Design eine unverzügliche Interaktion mit dem Nutzer, indem die Website auf Eingaben des Nutzers reagiert und den Inhalt der Seiten an die Betrachter anpasst. In beiden Fällen wird die Erklärung des Anbieters in Ausführung eines Datenverarbeitungsprogramms, nach Eingang der Bestellung vollelektronisch hergestellt und übermittelt. Das Datenverarbeitungsprogramm enthält die anwenderspezifischen Vorgaben und Grundwerte, die im Zuge der Verarbeitung der Daten als Vergleichs-, Soll- oder Istwerte dienen oder vom Computer als Berechnungsfaktoren herangezogen werden. Bei dynamisch programmierten Websites erfolgt die Erstellung und Übermittlung der Erklärung stets unter Rückgriff auf die Datenbank(en) des Anbieters, während bei konventionellen, statischen Websites eine Abfrage und ausgelagerte Verarbeitung der Daten erfolgen kann, aber nicht zwingend vorgesehen ist. Ob die Erstellung der Erklärung getrennt von ihrer Darstellung und Übermittlung erfolgt, spielt dabei keine Rolle, entscheidend ist die 103 104 105 Friedel/Weiss, Anwalt 2/2000, S. 40. Die Abrufe von Inhalten aus Datenbanken wie etwa einer SQL-Datenbank (Standard Query Language, die fest programmierte Standardsuchbefehle verwendet, mit denen bestimmte Abfrageroutinen vom Anwender selbst, ohne entsprechende Programmierung, erstellt werden können) unter Linux werden meist mit HPP (Hypertext Pre-Processor), ASP (Active Server Pages) oder JSP (Java Server Pages) programmiert. Das sind Programmiersprachen, die speziell für dynamische Websites entwickelt wurden. Es gibt unterschiedliche Technologien um dynamische Seiten um zu erzeugen. Die bekanntesten sind CGI-Skrips (Common Gateway Interface), Server Extensions wie SSI (Server Side Includes), Cookies, Java, Java Skript, Cold Fusion oder Axtive X. 39 automatische Erzeugung der Erklärung durch den Computer und der Umstand, dass der Anbieter und Betreiber der Anlage keine Kenntnis von ihr erlangt und auch keinen unmittelbaren Einfluss darauf nimmt, ob und wem gegenüber die Erklärung abgegeben wird. In Anlehnung an die hier benutzte Terminologie wird der Begriff der Computererklärung verwendet. Hierunter wird eine Erklärung verstanden, die eine Datenverarbeitungsanlage ohne konkretes menschliches Zutun vollständig automatisiert erzeugt und anschliessend elektronisch übertragen wird.106 Eine Steigerung liegt vor, wenn auf beiden Seiten die Geschäftsabwicklung vollelektronisch erfolgt, also weder bei der Abgabe noch bei der Annahme einer Erklärung ein Mensch beteiligt ist, z.B. bei beidseitig vollautomatisierten Transaktionen zwischen zwei Datenverarbeitungssystemen. Diese – in Ansätzen schon realisierte – Vision der unmittelbaren „Kommunikation unter Computern“ bei der Datenverarbeitungssysteme selbständig Geschäfte abwickeln ohne, dass sich der Ausstausch von Willensertklärungen in der Aussenwelt manifestiert, wird treffend als „silent commerce“ bezeichnet.107 c) Grenzfälle aa) Fraglich ist, ob der Begriff der Computererklärung auch auf eine Willenserklärung per Mausklick passt. Im Internet, genauer im World Wide Web (WWW) begegnet man, wie bereits dargestellt, häufig der Aufforderungen, durch einen Mausklick eine Erklärung abzugeben. Dies geschieht in unterschiedlicher graphischer Form, ist jedoch immer ein sogenannter „Hyperlink“. Zur Beantwortung der Frage ist es deshalb notwendig Aufgabe und Gebrauch derartiger Hyperlinks zu klären. Hyperlinks sind Mechanismen, mit denen Referenzen in ein Dokument eingebettet werden und die Verbindungen zwischen Dokumenten schaffen. Mittels Hyperlinks sind Verweise von einer Internetseite auf eine andere Internetseite möglich. Ein einfacher Link stellt sich für den Nutzer als hervorgehobene Textstelle, aber auch als Grafik dar. Diese ist mit einem bestimmten Verweisziel einer Internetadresse, sog. Uniform Resource Locator (URL), verknüpft. Klickt der Nutzer die Textstelle oder Grafik an, so wird die Verweisstelle aufgerufen. Die Verweisung kann auf eine Internetseite oder zusätzlich auf eine bestimmte Stelle der Internetseite erfolgen, wenn diese eine entsprechende Sprungmarke (sog. „Anchor“) enthält. Bei Einbindung einer Sprungmarke führt die Verweisung nicht zum Anfang einer anderen Internetseite, sondern präsentiert dem Nutzer gleich den Ausschnitt innerhalb dieser Seite.108 Dies ist insbesondere unter Haftungsgesichtspunkten relevant, wenn für den Nutzer nicht erkennbar ist, ob und inwieweit die aufgerufenen Inhalte vom Anbieter stammen. Erleichtert wird diese Form der Verschleierung der Urheberschaft durch den im Internet üblichen Einsatz spezieller „Frame-Techniken“. 106 107 108 Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1 Rn. 29; Vertragsschluss im Internet, Kap. 6.-2.3, S. 3. Boehme-Neßler, Internetrecht.com, S. 89 Sieber, Multimediarecht, Kap. 1 Rn 80. 40 Frames werden häufig verwendet, um die Steuerelemente auf einer Internetseite unterzubringen. Dadurch wird es möglich, die Bildschirmausgabe in verschiedene Bereiche (Frames) zu trennen und jedem Frame individuelle Eigenschaften zuzuweisen. Werden dabei nicht nur eigene Inhalte, sondern auch fremde Internetseiten eingebunden, so spricht man von „Deep Links“. Noch weitergehende Möglichkeiten der Einbeziehung fremder Inhalte bietet die Einbeziehung dynamischer Inhalte fremder Seiten. Dabei werden die fremden Inhalte, wie z.B. Bilder, Such- oder Eingabemasken, aber auch blosse Texte per Verweis in die eigenen Seiten eingebunden, ohne dass der Nutzer interaktiv, d. h. durch Auswählen eines Links tätig werden muss. Dem Nutzer präsentiert sich eine Internetseite mit dynamischen Inhalten, die u.U. aus verschiedenen Quellen stammen, ohne dass ihm dies erkennbar ist.109 bb) Unabhängig von der Art des verwendeten Links, ist die Grenzlinie zwischen Computererklärung und elektronischer Willenserklärung, nach dem hier erörterten Ansatz der Kategorisierung der unterschiedlichen Erklärungstypen zu ziehen, der nach der Beteiligung von Mensch und Computer bei der Erzeugung (Input) und der Übermittlung (Output) der Erklärung, differenziert.110 Die automatisch generierte Aufforderung des Anbieters auf der Website ist, wie oben aufgezeigt, sicher eine Computererklärung. Fraglich könnte jedoch sein, ob auch das Betätigen dieses „links“ durch den Nutzer selbst eine Computererklärung ist. Dies ist zu bejahen, wenn das Betätigen des Links auf dem Computer desjenigen, der „klickt“, einen Programmablauf auslöst, der seinerseits eine Erklärung ohne weiteren Eingriff des Nutzers automatisch erzeugt und weiterleitet. Die blosse Weiterleitung unabhängig davon, ob es sich um einen einfach Link oder um die Einbindung von Internetinhalten Dritter handelt, ist dagegen als (elektronische) Willenserklärung eines Menschen zu qualifizieren. Die genaue Differenzierung ist teilweise kompliziert und hängt von den technischen Abläufen im Einzelnen ab. III. Problemstellung 1. Vorbemerkung Ohne Schwierigkeiten lassen sich die Fallgruppen der elektronischen Willenserklärung tatbestandlich als Willenserklärungen im System des BGB einordnen.111 Eine elektronische Willenserklärung ist nach der hier verwendeten Terminologie die „Äusserung eines auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung 109 110 111 Sieber, Multimediarecht, Kap. 1 Rn 83. Vgl. Abbildung 1 „Kategorisierung der unterschiedlichen Erklärungstypen“; S. 29. A.A. Clemens, NJW 1985, S. 2000, „die elektronische Willenserklärung sei der Gegensatz zu der natürlichen Erklärung menschlichen Willens und der menschlichen Absicht, da sie sich im Entstehen, in der Übermittlung und dem Empfang stofflos darstelle“. 41 gerichteten Willens mittels elektronischer Medien“. Der durch elektronische Übermittlung erklärte Wille per E-Mail oder durch Aktivierung eines Bildsymbols (Icons) auf der Bildschirmoberfläche ist nach herrschender Meinung als Erklärung eines menschlichen Willens anerkannt.112 Allen Definitionen zum Tatbestand gemeinsam ist die Anknüpfung an eine menschliche Erklärungshandlung, welche für den objektiven Beobachter auf einen Rechtsbindungswillen des Erklärenden zumindest schliessen lässt. Die Subsumtion der automatisierten Willenserklärung und insbesondere die Computererklärung ist problematisch, da hier der Mensch durch das EDV- oder Telekommunikationssystem teilweise oder vollständig verdrängt wird. Die automatisierte Willenserklärung ist ein selbstautorisierender computergestützter Prozess durch den Erklärungsakte automatisch erzeugt und abgegeben werden. Bei diesen tritt der Computer bei Erstellung der Erklärung ganz oder teilweise an die Stelle des Menschen, wobei die Steuerung des Computers nicht unmittelbar durch den Erklärenden selbst, sondern durch das zu einem früheren Zeitpunkt festgelegte Computerprogramm erfolgt. Die Substitution des Menschen reicht von der teilweise automatisierten Unterstützung des Erklärenden bis hin zur vollständigen Automation der Erklärungserstellung ohne konkretes menschliches Zutun. Als Unterfall der automatisierten Erklärung113 und zugleich extremste Form der rechtsgeschäftlichen Erklärung unter Einsatz moderner Kommunikationsmittel soll im nachfolgenden exemplarisch die Computererklärung auf ihre tatbestandliche Einordnung als Willenserklärung untersucht werden. Soweit im folgenden von der Computererklärung gesprochen wird, ist die automatisierte Erklärung mit eingeschlossen. Die Grenzen sind fliessend. Beide Begriffe werden zur Vereinfachung daher nachfolgend synonym verwendet, sofern im Einzelfall Unterschiede zur automatisierten Erklärung im Sinne der hier verwendeten Terminologie bestehen, wird auf diese gesondert eingegangen. 2. Die Computererklärung als Willenserklärung? a) Während bei der elektronischen Willenserklärung an der erforderlichen Willensbildung und damit an der Willenserklärung kein Zweifel besteht, liegt im Fall der Computererklärung auf den ersten Blick eine Erklärung durch den Computer vor, der ein konkreter menschlicher Wille fehlt. In den genannten Beispielen einer Computererklärung verarbeitet das EDV-System jeweils allein entsprechend seiner Programmierung die Ausgangsdaten zu einer konkreten Erklärung und übermittelt diese per Telekommunikation und/oder Briefpost an den Erklärungsempfänger, ohne dass der Anlagenbetreiber oder dessen Gehilfe hieran aktuell mitgewirkt oder auch nur Kenntnis von der konkreten Computererklärung erhält.114 Es fehlt daher sowohl 112 113 114 Palandt/Heinrichs, Einf. vor § 116 Rn 1 m.w.N. Soergel/Hefermehl, Vor § 145 Rn 109. Kuhn, § 6 I, S. 57. 42 an einer menschlichen Erklärungshandlung115, noch ist ein Handlungs-, Erklärungs- oder Geschäftswille vorhanden.116 Der Anlagenbetreiber macht sich über die jeweiligen Erklärungen gar keine konkreten Vorstellungen, sondern hat lediglich den allgemeinen Willen, dass die Erklärungen, wie sie vom Computer nach den Vorgaben des Programms erstellt werden, für und gegen ihn gelten sollen, ohne zu wissen, wann oder wem gegenüber eine solche Erklärung abgegeben wird, oder mit welchem Inhalt. Darüber hinaus entziehen sich nicht nur die einzelnen Erklärungen, sondern auch die inhaltsbestimmenden Parameter seiner Kenntnis.117 In vernetzten Dialogsystemen, wie etwa bei der Online Bestellung, werden die Ausgangsdaten vom Kunden von ausserhalb in das EDV-System des Anbieters eingespeist, die diese automatisch erfasst oder unter Rückgriff auf interne oder externe Datenbanken weiterverarbeitet. Bei der Dialogverarbeitung und beim Einsatz höherer Programmiersprachen sind individuelle Eingriffe in den Programmablauf nicht möglich. Die Verarbeitung der Daten wird durch eine Programmroutine gesteuert, die typischerweise von einem Dritten geschrieben wurde. b) Funktion der EDV und Art und Weise der Datenverarbeitung sind vom Anwender als Laien in ihrer Komplexität nicht überschaubar.118 Die der konkreten Willenserklärung vorausgehende Willensbildung wird vom Computer automatisiert vorgenommen. Die Anerkennung einer solchen Computererklärung als Willenserklärung ist deshalb nach wie vor umstritten. Anderseits ist zu berücksichtigen, dass auch der Tätigkeit des Computers immer ein menschlicher Wille zugrunde liegt. Die Datenverarbeitungsanlage trifft keine autonomen Entscheidungen, sondern führt lediglich logische Operationen nach einem vorhandenen Programm durch.119 Sie kann nicht mehr als das vorgegebene Programm durchführen.120 Computer und Computerprogramm nehmen lediglich die Funktion eines Werkzeugs ein, wobei das Computerprogramm die Regeln für die 115 116 117 118 119 120 Schwörbel, Automation als Rechtstatsache, S. 39; Viebcke, S. 79. Zu den fehlenden subjektiven Willensmerkmalen der Computererklärung Viebcke, S. 63 f., 79; Schwörbel, S. 40 f.; Brauner, Erklärungsrisiko, S. 41 ff. Kuhn, § 6 I, S. 57. Der Arbeitspeicher speichert alle Informationen, die der Computer für seine Arbeit benötigt, so etwa die zu verarbeitenden Daten, die dazu gehörigen Programme, Zwischen- und Endergebnisse. Der Datenfluss innerhalb der Recheneinheit zwischen Arbeitsspeicher, Ein- und Ausgabeeinheiten und den entsprechenden Programmschnittstellen wird vom Prozessor gesteuert. Der Prozessor verarbeitet die ein- und ausgehenden Informationen in dem er arithmetische und logische Operationen durchführt. Durchschnittliche PC-Prozessoren der neuesten Giga Hertz (GHz)-Generation sind bereits in der Lage, mehr als 1,6 x 109 Rechenoperationen pro Sekunde zu bewältigen. Die Arbeitsumgebung wird bestimmt durch das zugrundeliegende Betriebssystem wie etwa Windows, Mac OS oder Unix und Linux. Programme (Software) sind quasi die Arbeitsvorschriften für die Datenverarbeitungsanlage und in einer computerlesbaren Sprache wie beispielsweise C++, Visual Basic oder Java verfasst. Diese enthalten neben den allgemeinen programmimmanenten Handlungsabläufen auch die anwenderspezifischen Vorgaben und Grundwerte, die im Zuge der Verarbeitung der Daten als Vergleichs-, Soll- oder Istwerte dienen oder vom Computer als Berechnungsfaktoren herangezogen werden. Köhler, Automatisierte Rechtsvorgänge, S. 126 und 132. Medicus AT, Rn 256. 43 Bearbeitung der künftig anfallenden Geschäftsvorfälle enthält.121 Denn es kann nur eine Person Vertragspartner sein und niemals der Computer. Fraglich ist deshalb, ob die Computererklärung als eine menschliche Erklärungshandlung, auf einen Rechtsbindungswillen des Erklärenden zurückgeht und damit als Willenserklärung einzuordnen ist. Da er Betreiber der EDV Anlage weder die konkrete Erklärung des Computers noch deren massgebenden Parameter kennt, besitzt er lediglich den allgemeinen unbestimmten Willen, Erklärungen, wie sie vom Computer nach den Vorgaben des Programms erstellt werden, für und gegen sich gelten zu lassen. Mit dem Betrieb der EDV-Anlage hat der Anbieter aufgrund eines „allgemeinen Handlungswillens“ und „allgemeinen Erklärungsbewusstsein“ zunächst nur die tatsächlichen Voraussetzung für den automatischen Erklärungsakt geschaffen (Erklärungsvorbereitung). Die Herstellung der einzelnen computergenerierten Erklärungen beruht mangels Kenntnis nicht auf dem konkreten Rechtsfolgewillen (Geschäftswillen)122, sondern lediglich auf dem generellen Willen des Anlagenbetreibers, hieraus rechtsgeschäftlich gebunden zu sein.123 c) Die klassischen rechtsdogmatischen Kriterien für das Vorliegen einer Willenserklärung sprechen zunächst dagegen den Zeichen und Signalen eines Computers den Charakter von Willenserklärungen beizumessen. Legt man die finale Willenstheorie zugrunde, so ist fraglich, ob der generelle Wille, der nicht auf die Erzeugung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtet ist, für die Bejahung einer Willenserklärung ausreicht. Stellt man hingegen mit der normative Lehre auf die objektive Zurechnung der Erklärung ab und vernachlässigt die vermeintlich problematisch subjektiven Defizite, so ist damit noch nichts gewonnen. Problematisch ist in diesem Fall die objektive Zurechenbarkeit der Computererklärung, weil deren Veranlassung und die Beherrschbarkeit der Programmabläufe durch den Anlagenbetreiber aufgrund der Offenheit und der relativen Selbständigkeit moderner Systeme fraglich sind. Offen bleibt auch die Relation zwischen „Wille“ und „Erklärung“. IV. Lösungsansätze in der Literatur 1. Ablehnende Ansichten Da vordergründig ausschliesslich eine Datenverarbeitungsanlage für das Zustandekommen und den Inhalt der Erklärung verantwortlich ist, wurde früher von 121 122 123 Köhler, a.a.O. Brauner, Erklärungsrisiko; S. 41. Kuhn, § 6 I, S. 58 spricht von einem „verkürzten, generalisierten Geschäftswillen“. 44 grossen Teilen der Literatur der rechtsgeschäftliche Charakter derartiger Erklärungen verneint. Angesichts der sich 1957 allmählich abzeichnenden Automation plädierten Susat und Stolzenburg124 in ihren „Gedanken zur Automation“ für eine „Neukonzeption des Begriffs der Willenserklärung“, der nicht contra legem auf Willenskundgebungen qua einer – horribile dictu – „Menschenmaschine“ ausgedehnt werden dürfe. Die Computererklärung sei keine Willenserklärung, da der Computer über ein „unmenschliches Erinnerungsbild und Kombinationsvermögen verfüge“. Clemens125 stuft die Unsicherheiten bei der Erzeugung automatischer Erklärungen, welche zwingend mit dem Einsatz moderner EDV-Anlagen, denen ein starrer Programmalgorithmus fehlt, verbunden sind, als unvereinbar mit der Funktion rechtlicher Selbstbestimmung ein. Er unterscheidet zwischen „determinierten“ und „probabilistischen“ Systemen. Determiniert sei ein System, dessen Teile in vollständig voraussehbarer Weise aufeinander einwirken, mit der Folge, dass bei einem Verarbeitungssystem das Ergebnis der Verarbeitungstätigkeit eingegebener Werte feststeht und dass eine Abweichung von dem vorhergesehen und feststehenden Ergebnis nur durch einen Eingabeoder einen technischen Fehler begründet werden kann. Dem gegenüber lasse ein probabilistisches System keine detaillierten und sicheren Voraussagen zu. Bei der interaktiven Dialogverarbeitung, wie sie beim Einsatz moderner EDV-Anlagen stattfinde, sei eine sichere Voraussage über das Arbeitsergebnis typischerweise nicht möglich. Die Vorhersehbarkeit und Determiniertheit des Arbeitsergebnisses sei aber notwendige Voraussetzung, damit die Erklärung dem Anlagenbetreiber objektiv zugerechnet werden könne, da dieser nur dann verantwortlich handeln und seinen Sorgfalts- und Überwachungspflichten nachkommen könne. Dies gelte ohne Differenzierung nach dem Grad der relativen Selbständigkeit der EDV generell, da die Ablehnung der Computererklärung nicht von der „technologischen Höhe eines Datenverarbeitungssystems“ abhängen dürfe.126 Ein vollautomatisiertes Dialogverfahren zwischen dem Btx-Anbieter und dem Kunden mit rechtlich bindender Wirkung sei daher nicht möglich.127 124 125 126 127 Susat/Stolzenburg, MDR 1957, S. 146. Clemens, NJW 1985, S. 2001. Clemens, NJW 1985, S. 2001. Clemens, NJW 1985, S. 2001, sieht als Ausweg daher entweder den Weg, dass die Annahmeerklärung formularmässig ausgedruckt wird und dem Betreiber vorgelegt wird, damit er im Rahmen seiner Verantwortung durch Abzeichnen dieser formalisierten Willenserklärung und damit aufgrund einer Willenserklärung die Annahmeerklärung abgibt (so auch das OLG Frankfurt, NJW 1976, S. 367) oder aber, dass sich der Rechner aus dem Dialogbetrieb mit dem Kunden abschaltet und ein unmittelbarer Dialog zwischen dem Betreiber und dem Kunden aufgenommen wird. 45 Zeidler128 argumentiert, wegen der Nichtbeteilung eines Menschen an der Erstellung der konkreten Erklärung fehle es an der Möglichkeit, das „Maschinenprodukt“ dem dahinterstehenden Menschen zuzurechnen. 2. Die Computererklärung als „echte“ Willenserklärung a) Anerkennung des Gesetzgebers Der Gesetzgeber hat das Bedürfnis nach automatisierten Erstellung von Erklärungen und Verwaltungsakten frühzeitig erkannt und deren Zulässigkeit und Wirksamkeit in ausgewählten Bereichen positiv-rechtlich geregelt. So bestimmt § 8 MHG129, dass „mit Hilfe automatisierter Einrichtungen gefertigte Vermietererklärungen nicht der eigenhändigen Unterschrift bedürfen“. Nach § 37 Abs. 4 VwVfG130 und § 119 Abs. 4 AO131 können „auf einem schriftlichen Verwaltungsakt der (formularmässig oder) mit Hilfe automatisierter Einrichtungen erlassen wird, Namenswiedergabe und Unterschrift fehlen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann“. b) Anerkennung in der Literatur Auch in der modernen Rechtsgeschäftslehre hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass die arbeitsökonomisch motivierte Einschaltung von EDV-Anlagen den Charakter einer nach dem Grundsatz der Privatautonomie zurechenbaren Willenserklärung nicht beeinträchtigt.132 Mit der heute herrschenden Meinung ist daher im Ergebnis davon auszugehen, dass auch Computererklärungen tatbestandlich als Willenserklärung anzuerkennen sind.133 Die Begründungen hierfür sind jedoch stark unterschiedlich. Sie lassen sich vereinfacht in vier divergierende Ansätze unterteilen: 128 129 130 131 132 133 Zeidler, S. 15 f.; zitiert nach Schmidt, AcP 166 (1966), S. 21. Gesetz zur Regelung der Miethöhe vom 18. Dezember 1974, BGBl. I, S. 3603, 3604. Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25. Mai 1976, BGBl. I, 1253. Abgabenordnung vom 16. März 1976, BGBl. I, 613, ber. 1977 , BGBl. I, 269 Paefgen, JuS 1988, S. 593. Jauernig; vor § 104 Rn 1; Palandt/Heinrichs, Einf. vor § 116 Rn 1; Soergel/Hefermehl, Vor § 116 I Rn 30; Staudinger/Dilcher, Vorbem. zu §§ 116-144 Rn 6; Brauner, Erklärungsrisiko, S. 53; Eisenhard, JZ 1986, S. 875; Ernst, NJW-CoR, 1997; Heun, CR 1994, S. 596; Hübner AT, Rn 667; Köhler, Automatisierte Rechtsvorgänge, S. 133; ders., Rechtsgeschäfte, S. 53; Köhler AT, § 6 I Rn 8; Leipold, BGB AT, § 1 III 4 Rn 317; Medicus AT, Rn 256; Mehrings, MMR 1998, S. 31; ders.; Multimediarecht, Kap. 13.1 B Rn. 29; Melullis, MDR 1994, S. 111; Paefgen, Btx, S. 18; ders., Jus 1988, S. 593; Redecker, NJW 1984, S.2392; Schmidt, AcP 166 (1966), S. 21; Schneider, EDV-Recht, S. 134; Schwerdfeger, Vertragsschluss im Internet, Kap. 6.-2.3, S. 3; Schwörbel, S.33, 42; S. 165; Taupitz/Kritter, Jus 1999, S. 840; Viebcke, S. 92; Zuther, S. 4 f. 46 Teile der Literatur vertreten die Ansicht, die Computererklärung sei echte Willenserklärung, da sie durch den Anlagenbetreiber vorbestimmt sei und auf dessen Handlungswillen zurückzuführen sei (vgl. nachfolgend lit. c) Anderer Ansicht sind Teile der Literatur, die die besonderen Umstände der automatisierten Erklärungsabgabe durch Computer mit der Erklärungsabgabe durch einen Warenautomaten vergleichen wollen (vgl. nachfolgend lit. d). Dies wird wiederum in Frage gestellt von Stimmen, die eine Analogie zum Boten- oder Vertretungsrecht ziehen (vgl. nachfolgend lit. e). Eine vierte Ansicht schliesslich will die rechtliche Qualität der Computererklärung als Willenserklärung mit einer Analogie zur Rechtsfigur der Blanketterklärung begründen (vgl. nachfolgend lit. f). Die unterschiedliche dogmatische Begründung führt zu divergierenden Lösungen bei der Behandlung fehlerhafter Willenserklärungen und soll nachfolgend näher untersucht werden. c) Vorbestimmung der Computererklärung durch den Menschen aa) Antizipierte Willensbildung des Anlagenbetreibers? Teile der Literatur134 wollen die Computererklärung generell mit der traditionellen Willenserklärung gleichsetzen, da sie letztlich immer auf den menschlichen Willen zurückzuführen sei. Auch Schwörbel135 stützt sich auf den „antizipierten Handlungswillen“ des Anlagenbetreibers. Die Computererklärung sei kein blosser tatsächlicher Akt, der eine aufschiebende Bedingung auslöse, sondern vielmehr echte Willenserklärung. Er unterteilt den Tatbestand der Willenserklärung in drei Phasen: Die Willensbildung, die Willensformulierung und die Erklärungsabgabe. Der Computer sei für die Abgabe der Erklärung und Formulierung des Willens verantwortlich. Die eigentliche Willensbildung sei antizipiert mit der Inbetriebnahme, Programmierung und Dateneingabe durch den Menschen bereits abgeschlossen und liege der Computererklärung zugrunde. So verstanden, ist die automatisierte Erklärungsabgabe des Computers durch den Menschen vorbestimmt. 134 135 Staudinger/Dilcher, Vorbem. zu §§ 116 – 144 Rn 6; Medicus AT, § 21 III Rn 256; Brauner, Erklärungsrisiko, S. 53; Paefgen, Btx, S. 18; ders., Jus 1988, S. 593; Schmidt, AcP 166 (1966), S. 21; Schneider, EDV-Recht; Zuther, S. 134. Schwörbel, S. 33 f, 52 f. 47 bb) Rechtliche Würdigung Die Präsumtion einer antizipierten Willenserklärung stimmt nicht mit den tatsächlichen Umständen des Zustandekommens der Computererklärung überein, wie sie einführend bei Darstellung der Problemstellung aufgezeigt wurden. Zum Zeitpunkt der Bereitstellung von Programmen und in diese implementierte Ausgangsdaten, anwenderspezifischen Vorgaben und Grundwerte, die im Zuge der Verarbeitung der Daten als Vergleichs-, Soll- oder Istwerte dienen oder vom Computer als Berechnungsfaktoren herangezogen werden, liegt in Bezug auf die zukünftige konkrete Computererklärung noch keine abgeschlossene Willensbildung vor. Das Programm legt als Arbeitsvorschrift nur konditional die Rahmenbedingungen fest, während der Zeitpunkt der Abgabe, der Erklärungsgegner und insbesondere der Erklärungsinhalt noch nicht konditioniert sind. Der Computer „trifft die Entscheidung“ im Einzelfall regelmässig erst nach Eingabe zuvor unbekannter Parameter136, die von aussen in das System eingespeist werden. Es leuchtet ein, dass angesichts der Komplexität interaktiver Dialogsysteme und ihrer fehlenden Determiniertheit137 ein Vorausdenken aller zukünftigen Konstellationen nicht möglich ist. Während der Abgabe der Erklärung erfährt der Betreiber der Anlage von ihr nichts. Individuelle Eingriffe in den Programmablauf sind abgesehen von Kontrollmassnahmen nicht möglich. Damit kann die einzelne Computererklärung nicht auf einer konkrete Willensbildung zurückgeführt werden, sondern leitet sich nur mittelbar ab, aus dessen Willen die Anlage in Betrieb zu nehmen und die Rahmenbedingungen festzulegen.138 d) Vergleich mit der Warenautomatenerklärung aa) Willenserklärung an jedermann? Eine andere Ansicht sieht den Tatbestand der Willenserklärung schon mit der Inbetriebnahme der EDV bzw. mit ihrer Programmierung und der Eingabe der Daten durch den Menschen als verwirklicht und vergleicht die Computererklärung mit der Rechtsfigur der Automatenerklärung.139 Während die Einzelheiten des Kaufpreisabschlusses und der Verfügung umstritten sind, besteht Einigkeit darüber, dass der Automatenaufsteller eine zwar noch unbestimmte, aber bestimmbare Willenserklärung an jedermann (ad incertas personas)140 abgibt. Der 136 137 138 139 140 Brauner, Erklärungsrisiko, S. 47 ff.; Redecker NJW 1984, S. 2392; Viebcke, S. 55. Clemens, NJW 1985, S. 2001. Clemens, NJW 1985, S. 2001; Viebcke, S. 55; Redecker NJW 1984, S. 2392; Allgemein zum Warenautomatengeschäft Palandt/Heinrichs, § 145 Rn 7; Medicus AT Rn 362; Larenz AT (1988) § 27 I; Brauner, Erklärungsrisiko, S. 52; Schmidt, AcP 166 (1966), S. 16. Die im deutschen Recht nicht ausdrücklich geregelte Offerte an einen unbestimmten Personenkreis (ad incertas personas), wird von Art. 14 (2) CISG (Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den Internationalen Warenkauf vom 11. April 1980, BGBl. 1989 II, 588) 48 Automatenaufsteller gibt die erforderlichen Willenserklärungen durch das Aufstellen und die Inbetriebnahme des Automaten ab – diese sind als vollständige Willenserklärungen im Automaten zwischengespeichert141 und werden durch das Einwerfen der richtigen Münze abgegeben.142 Dies ist für konventionelle Waren- und Dienstleistungsautomaten, einschliesslich Geldautomaten, unabhängig von der Art der Steuerung des Automaten richtig.143 Das Leistungsangebot ist bereits mit Aufstellen des Automaten mit Blick auf Funktion und Inhalt klar bestimmt, mindestens aber bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses klar bestimmbar. bb) Rechtliche Würdigung α) Auf die von einem EDV-System erzeugten Computererklärungen lässt sich dies jedoch nicht übertragen. Die Tragfähigkeit der Analogie zur Automatenerklärung ist in mehrfacher Weise beschränkt. Die Vorstellung, die EDV-Anlage speichere Willenserklärungen, stelle diese aber nicht selbst her, versagt beim Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen zur Vornahme von Rechtsgeschäften. Der Anlagenbetreiber trifft keine Einzelentscheidungen sozusagen auf Vorrat. Es gibt nur eine allgemeine Regel für die Bearbeitung von Geschäftsvorfällen. Diese Regel stellt das Computerprogramm dar, aufgrund dessen anfallende Daten zur Einzelentscheidung verarbeitet werden.144 Die Computererklärung ist daher nicht gleichermassen eindeutig vorbestimmt oder bestimmbar, wie die fertige Willenserklärung beim Warenautomatengeschäft. Die Ansicht von Schmitz,145 wonach die Computererklärung bedingte Willenserklärung des Betreibers gemäss § 158 BGB sei, mit dem Argument, nach dem Grundsatz der Privatautonomie komme als ungewisses Ereignis, welches die Rechtswirkungen bedingt, prinzipiell jedes Ereignis in Betracht – ergo sei auch die steuerbare, komplexe Entscheidungsfindung des Computers tauglicher Anknüpfungspunkt der Bedingung, ist daher abzulehnen. Darüber hinaus ist die Situation beim Warenautomaten mit der Abgabe einer rechtsgeschäftlichen Erklärung durch eine Datenverarbeitungsanlage nur sehr eingeschränkt für den Fall vergleichbar, dass es sich tatsächlich um ein Angebot von Waren handelt. In diesen Fällen ist es nach überwiegender Ansicht möglich, das Angebot statt an einen bestimmten Empfänger, mit dem der Anbieter einen Vertrag zu schliessen wünscht, an einen unbestimmten Personenkreis mit der Massgabe zu richten, dass es jedem gegenüber gelten solle, der es innerhalb einer bestimmten Frist, oder solange es aufrechterhalten wird, annehmen werde. 141 142 143 144 145 ausdrücklich anerkannt, wie sich aus dem Umkehrschluss ergibt. Vgl. zur Rechtsfigur der offerte ad incertas personas Neunmond, AcP 89 (1899), S. 160 ff. MüKo/Kramer, § 145 Rn 10; Palandt/Heinrichs, § 145 Rn 7; Larenz AT (1988), § 27 I, Medicus AT, Rn 362; Brauner, Erklärungsrisiko, S. 52; Schmidt, AcP 166 (1966), S. 16. Palandt/Heinrichs, § 145 Rn 7. Vgl. Jauernig, § 145 Rn 6: „Beim Selbstbedienungstanken liegt in der Freigabe der Zapfsäule das stets zugangsbedürftige Angebot, im Einfüllen die nicht zugangsbedürftige Annahme“ Köhler, Automatisierte Rechtsvorgänge, S. 132. Schmitz, Informationsanbieter im Internet, S. 6. 49 Umstritten ist aber, ob es sich beim Warenautomaten überhaupt um ein Angebot des Anbieter handelt. Nach Medicus146 geht das Vertragsangebot – durch den Einwurf des Geldstücks – erst vom Kunden aus, die Annahme des Angebots erfolgt durch das Funktionieren des Automaten, so dass kein Vertrag zustande kommt, wenn der Automat nicht funktioniert.147 β) Folgt man der Ansicht von Medicus, wird im Falle einer Funktionsstörung das Angebot des Kunden durch den Warenautomaten nicht angenommen, nach anderer Ansicht fehle es bereits an einem wirksamen Angebot, da das Angebot bei Warenautomaten nur so lange gelte, wie Waren in dem Automaten vorhanden sind.148 In der Konsequenz müsste man der Computererklärung ebenfalls die rechtliche Qualität einer Willenserklärung absprechen, wenn dem Anbieter eine Lieferung von Waren nicht möglich ist. Eine solche Begründung ist m.E. weder inhaltlich überzeugend, noch praxistauglich. Nicht zu erklären vermag der Vergleich mit dem Verkauf durch Warenautomaten auch, wie Informationen und Erklärungen eines Computers, die nicht unmittelbar auf den Abschluss eines Vertrages gerichtet sind, rechtlich zu qualifizieren sind? e) Analogie zum Boten- und Vertretungsrecht aa) EDV als Wissens- und Willensvertreter? Eine dritte Ansicht verweist zur Begründung auf eine entsprechende Anwendung der Vertretungsregeln. Der Einsatz und die Verwendung von Datenverarbeitungsanlagen durch den Betreiber sei rechtlich so zu behandeln wie der Einsatz eines Erfüllungsgehilfen. Die Erklärungen des Computers werden dem Betreiber der Anlage, in entsprechender Anwendung von § 166 I BGB zugerechnet, wenn und soweit ihm die Organisationskompetenz für die Abgabe der Erklärung zustehe.149 Die Anwendung von § 166 BGB ist nicht auf die rechtsgeschäftliche Vertretung beschränkt, der zu Grunde liegende Rechtsgedanke kann auch auf den Tatbestand einer Wissenszurechnung entsprechend angewendet werden.150 Wissensvertreter ist jeder, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, „bestimmte Aufgaben in eigner Verantwortung zu erledigen und die dabei anfallenden Informationen zur Kenntnis zu nehmen und gegebenenfalls 146 147 148 149 150 Medicus AT, Rn. 362. Dies stimmt mit der Auslegungsregel des Art. 14 (2) CISG überein, nach der ein Vorschlag, der nicht an eine oder mehrere bestimmte Personen gerichtet ist, als Aufforderung, ein Angebot abzugeben gilt, wenn nicht das Gegenteil deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Richtigerweise handelt es sich in diesem Fall nicht um ein Angebot an jedermann, sondern um eine Aufforderung zur Offertstellung an jedermann („invitatio ad offerendum incertas personas“). Larenz AT (1988), § 27 I. Kilian, Computerrechtshandbuch, Kap. 20 Rn 27. BGHZ 83, 296; 117, 106 50 weiterzuleiten“.151 Eine ausdrückliche Bestellung zum „Wissensvertreter“ ist nicht unbedingt erforderlich, entscheidend ist seine Beteiligung am Vertragsschluss und seiner Vorbereitung. In analoger Anwendung von § 166 BGB seien die vom Computer abgegebenen Erklärungen dem Betreiber als eigene zuzurechnen, da der Computer mit Wissen und Willen des Betreibers zur Abgabe und Entgegennahme von Erklärungen eingesetzt werde. Die Verwendung von Datenverarbeitungsanlagen sei rechtlich so zu behandeln wie der Einsatz eines Erklärungsgehilfen.152. Auch demjenigen, der im Rahmen einer elektronischen Kommunikationsbeziehung eine Willenserklärung nicht oder nicht mit diesem Inhalt abgegeben wollte, sei diese deshalb zuzurechnen, wenn er fahrlässig nicht verhindere, dass die Willenserklärung seinen Machtbereicht verlässt.153 bb) Rechtliche Würdigung α) Angesichts der fehlenden Determiniertheit und der relativen Selbständigkeit probabilistischer Systeme drängt sich ein Vergleich mit dem Vertreter scheinbar auf. Die rechtsgeschäftliche Vertretung beruht auf dem Repräsentationsprinzip. Der rechtsgeschäftlich Handelnde tritt erkennbar für den Vertretenen auf, gibt eine eigene, auf seinem Wille beruhende Erklärung für den Vertreter ab (Offenkundigkeitsgrundsatz)154, mit der Wirkung, dass die Rechtsfolgen unmittelbar in der Person des Vertretenen eintreten. Der getreue Vertreter handelt dabei im Rahmen seiner Vollmacht nach den Weisungen des Vollmachtgebers. Diese Situation ist mit der Abgabe einer Computererklärung durch die EDV des Anbieters vergleichbar.155 Wie oben aufgezeigt, ist ein Eingriff und damit eine individuelle Erklärung des Anlagenbetreibers bei interaktiven Dialogsystem nicht möglich. Dieser legt durch die entsprechende Programmierung die konditionalen Rahmenbedingungen der Erklärungsabgabe durch den Computer fest und „bevollmächtigt“ in diesem Sinne die EDV zur weisungsgemässen Abgabe von Erklärungen. Die konkrete inhaltliche „Entscheidung“ und die Abgabe der Erklärung selbst erfolgen durch die EDV, die an Stelle des Anlagenbetreibers auftritt, und diesen unmittelbar rechtlich verpflichtet. Die EDV trifft in Ausführung des Programms eigenständig Erklärungen, die unmittelbar für und gegen den des 151 152 153 154 155 BGHZ 117, 106; Richardi/ Schultz, S. 479. Brauner, Erklärungsrisiko, S. 58 f. Kilian, Computerrechtshandbuch, Kap. 20 Rn 28. Vgl. zum Offenheitsgrundsatz Palandt/Heinrichs, Einf. vor § 164 Rn 2. Redecker, NJW 1984, S. 2390 formuliert es so: „Die EDV Anlage gibt wie ein Vertreter Erklärungen ab, deren Einzelheiten dem Anbieter nicht bekannt sind, die er aber genau vorprogrammiert hat. Die Vertretung führt aber auch bei strikt gebundenem Handeln des Vertreters nicht dazu, dass es um Willenserklärungen des Vertretenen geht. Diese kennt dabei weder den Erklärungsempfänger noch den genauen Inhalt der Erklärung. Vielmehr gibt der Vertreter eigene Willenserklärungen ab, die dem Vertretenen deshalb zugerechnet werden, weil er Vertretungsvollmacht erteilt hat. Dagegen gibt es keine eigenständigen Willenserklärungen der EDV-Anlage. Erklärungen, die eine EDV-Anlage gibt, können, wenn sie Willenserklärungen sind, nur Willenserklärungen des Betreibers der EDV Anlage sein.“ 51 Anlagenbetreiber gelten sollen. Nach Viebcke156 wird der Wille des Programmierers oder des EDV Anwenders im Computerprogramm „verselbständigt“. Probabilistische Systeme sind in der Lage, auf der Basis ihrer Datenbank die in ihnen niedergelegten Regeln der Datenverarbeitung für neue Fallkonstellationen zu testen, durch deren Verknüpfung neue Regeln entwickeln und sich so ständig weiterentwickeln. Neben der Vergleichbarkeit von Wille und Programm sei daher auch eine gewisse Parallele zwischen menschlichen Wissen und dem Datenbestand der EDV gegeben.157 β) Fraglich ist, ob dies bereits für eine analoge Anwendung der Regeln des Vertretungsrechts auf die Computererklärung ausreicht. Das BGB regelt im dritten Abschnitt unter dem Titel Rechtsgeschäfte abschliessend die Voraussetzungen, unter den der einzelne seine Rechtsbeziehung zu Dritten oder Sachen regeln kann. Die hier interessierende Computererklärung ist gesetzlich nicht geregelt. Eine Lücke, die im Wege der Analogie geschlossen werden kann,158 liegt somit vor, da das BGB im dritten Abschnitt eine Bestimmung vermissen lässt, die es nach dem Zweck der Regelung und dem Plan des Gesetzgebers enthalten sollte. Eine analoge Anwendung der §§ 164 ff. BGB ist jedoch nur dann geboten, wenn die relative Selbständigkeit moderner EDV-Systeme und die Willensfreiheit des Vertreters wesensmässig und nach der Interessenlage vergleichbar sind. Dies ist nicht der Fall. Das Vertretungsrecht setzt einen eigenen Willen und Eigenverantwortlichkeit des Vertreters voraus. Dieser trifft seine Entscheidung aufgrund seiner weitreichenden Erfahrung und dem seinem Willen zugrundeliegenden Weltverständnis. Mögen in den über das Internet miteinander vernetzten Datenbanken und Computersystemen auch noch so viele Informationen gespeichert und miteinander verknüpft sein, die Komplexität menschlicher Willensbildung und Entscheidungsfindung ist bisher unerreicht. Es fehlt an geeigneten Verfahren zur EDV gestützten Wissensrepräsentation und -verarbeitung (fehlende „Wissenspräsenz“).159 Der Computer ist lediglich hochfunktionales Erklärungswerkzeug und daher nur begrenzt mit einem menschlichen Vertreter vergleichbar. Allenfalls, soweit die relative Selbständigkeit reicht, mag die Anwendung bestimmter Vorschriften des Vertretungsrechts im Einzelfall sach- und interessengerecht sein.160 Eine generelle Gleichstellung der Computererklärung mit der Erklärung des Vertreters lässt sich daraus jedoch nicht herleiten, so dass die Frage der Tatbestandsmässigkeit der Computererklärung, sich nicht mit den 156 157 158 159 160 Viebcke, S. 101 f.; ebenso Brauner, Erklärungsrisiko, S. 57. Kuhn, § 6 II 2 , S. 65. Larenz, Methodenlehre, S. 365 ff. Kuhn, § 6 II 2 S. 66. Kuhn, § 6 II 2, S. 66; Viebcke, S. 96 ff. bejaht beispielsweise die analoge Anwendung des § 166 BGB auf die Anfechtbarkeit von Maschinenirrtümern. 52 Grundsätzen des Vertretungsrechts beantworten lässt.161 Dagegen spricht auch der Umstand, dass der Computer weder Rechtsträger noch Haftungsperson ist und somit, anders als ein vollmachtloser Vertreter nicht für die Abgabe fehlerhafter Erklärungen einstehen kann.162 γ) Reicht die Selbständigkeit der EDV nicht für eine Gleichstellung mit einem Vertreter aus, so geht sie umgekehrt über die blosse Übermittlungsfunktion des Boten hinaus, da die EDV keine vom Datenspeicher oder Programm abgespeicherten vorgefertigten Willenserklärungen des Anlagenbetreibers übermittelt,163 sondern selbständig das Ob, Wann und Wie der Erklärung bestimmt. Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass der Computer weder als Vertreter fungiert, da er keine eigene Willenserklärung abgibt, noch als Bote, da er keine inhaltlich vom Auftraggeber festgelegte Willenserklärung übermittelt.164 δ) Die Diskussion erfährt in jüngster Zeit eine Belebung durch den Einsatz sog. „Software-Agenten“, die auf elektronischen Marktplätzen, wie etwa Internetauktionen165 vermehrt zum Einsatz kommen. Bei diesen handelt es sich um Programme, die für den Nutzer als eine Art „virtueller Stellvertreter“ agieren und dabei selbständig Aufgaben erledigen können. Derartige Agenten besitzen einen gewissen Grad künstlicher Intelligenz, die sie befähigt als Reaktion auf Wahrnehmungen im Zuge ihres Einsatzes, selbständig Lernprozesse in Gang zu setzen und entsprechende Erklärungen abzugeben (z.B. Kauf bestimmter Ware zu oder unter einem bestimmten Preis).166 f) Vergleich mit der Blanketterklärung aa) Die Computererklärung als Willenserklärungsblankett Eine auf Viebcke167 zurückgehende Begründung zieht eine Parallele zwischen der Computererklärung und der Blanketterklärung und anderen Formen arbeitsteiligen, rechtsgeschäftlichen Handelns. Allgemein anerkannt ist, dass jemand eine 161 162 163 164 165 166 167 Ebenfalls gegen eine analoge Anwendung der Vertretungsregeln Soergel/Hefermehl, Vor § 116 Rn 30; Brauner, Erklärungsrisiko, S.46; Clemens, NJW 1985, S. 2001; Kuhn, § 6 II 2, S. 66; Redecker, NJW 1984, S. 2391; Zuther, S. 104 . Kuhn, § 6 II 2, S. 66; Redecker, NJW 1984, S. 2391; a.A. Narayanan/Perrott, S. 58, die den Computer selbst als Haftungssubjekt verstehen. A.A. die Stimmen, die in der Computererklärung eine Automatenerklärung an jedermann (ad incertas personas) erblicken. Soergel/Hefermehl, Vor § 116 Rn 30. Vgl. zum Vertragsabschluss bei Internetauktionen unten § 3 II 4, S. 233 ff. Vgl. zum Vertragsabschluss durch Software-Agenten und den juristischen Implikationen künstlicher Intelligenz, Zankel, E-Commerce und Internetrecht, 2 Teil, D III 5 S. 98 ff. Viebcke, S. 42; dieser Ansicht folgen Staudinger/Dilcher, Vorbem. zu §§ 116-144 Rn 16. 53 Willenserklärung auf die Weise abgeben kann, dass er seine Unterschrift unter eine teilweise unvollständige Erklärung (oder auf ein leeres Blatt) setzt und einen anderen dazu ermächtigt, das Blankett – typischerweise innerhalb eines bestehenden Rahmens – auszufüllen und dem Empfänger zu übermitteln.168 Die Blankounterschrift ist „wörtlich Widerspruch in sich, aber gewohnheitsrechtlich zugelassen“.169 Das funktionelle Zusammenwirken zwischen Computer und dem dahinterstehenden Erklärenden sei mit der Situation der Blanketturkunde vergleichbar. Auch der Blankettgeber will aus einer rechtsgeschäftlichen Erklärung gebunden sein, ohne von deren Inhalt genaue Kenntnis zu haben. Ebenso wie bei der Blankettausfüllung durch einen Gehilfen sei der Computer bei der Formulierung von Inhalten einer Erklärung tätig. Der Gehilfe wie der Computer seien im rein tatsächlichen Bereich tätig, so dass Geschäftsfähigkeit oder die Fähigkeit zur Bildung eines eigenen Willens keine Bedeutung habe. Ähnlich einem EDV-Anlagebetreiber begibt sich der Blankettgeber einer noch unvollständigen Urkunde und legt den Rahmen fest, innerhalb dessen der Blankettnehmer das Fehlende ergänzen soll.170 Die Verpflichtung des Blankettgebers durch den weisungsgemäss handelnden Gehilfen sei vergleichbar mit der Computererklärung.171 Der Computer vervollständige aufgrund vorheriger Programmierung des Betreibers weisungsgemäss eine (Blankett-)Willenserklärung und verpflichtet diesen ohne erneute Willenserklärung. bb) Rechtliche Würdigung Da diese Form der Erklärungsgehilfenschaft gesetzlich nicht geregelt ist,172 haben sich unterschiedliche Theorien hierzu entwickelt, die eine Zurechung der ganz oder teilweise fremderstellten Erklärung in Analogie zum Boten-, Ermächtigungs- oder Vertretungsrecht173 begründen sollten. Fraglich ist, ob diese Ansätze auch für eine tatbestandliche Einordnung der Computererklärung als Willenserklärung fruchtbar sind. Bei der Abgabe einer Computererklärung ist für den Dritten erkennbar, dass nicht der Anlagenbetreiber selbst, sondern die Datenverarbeitungsanlage reagiert. Damit käme nur eine Analogie zum offenen Blankett in Betracht. Die Zurechnung von Blanketterklärungen wird heute überwiegend auf eine Analogie zu den §§ 164 ff. BGB gestützt.174 Keiner der Theorien vermag aber letztlich zu überzeugen. Der Blankettnehmer gibt nicht selbst als Vertreter eines anderen die Erklärung ab, sondern vervollständigt lediglich die vom Aussteller herrührende Erklärung, die 168 169 170 171 172 173 174 Larenz AT (1988), § 33 III, S. 644 ff. Jauernig, § 126 Rn 6. Kuhn, § 6 II 2, S. 66. Vgl. Soergel/Hefermehl, Vor § 116 Rn 30, der damit das Vorliegen einer Willenserklärung bei automatisierten Erklärungsakten begründet. Die Vorschriften zum Blankowechsel (Art. 10 WG) und Blankoscheck (Art. 13 ScheckG) sind aufgrund wertpapierrechtlicher Besonderheiten nicht anwendbar. Vgl. die Darstellung des Theorienstreits bei Müller AcP 181 (1981), S. 518, Fn 7. Cannaris, Vertrauenshaftung, S. 233 f.; Köhler, Automatisierte Rechtsvorgänge, S. 133. 54 dieser durch seine Unterschrift regelmässig als seine eigene zu erkennen gibt und demgemäss auch als solche gelten lassen muss. Er wirkt lediglich bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Erklärung mit. Wegen dieser Mitwirkung ist er aber nicht lediglich Bote.175 Der Inhalt der Erklärung wird weder allein vom Erklärungsgehilfen, noch allein vom Auftraggeber bestimmt. Die Erklärung wird vielmehr im arbeitsteiligen Zusammenwirken beider erstellt. Obwohl die Parallelen zur Computererklärung unverkennbar sind und der Vergleich mit der Blanketterklärung die tatsächlichen Umstände der Erklärungsabgabe durch die EDV des Anbieters am trefflichsten beschreibt, ist damit für eine tatbestandliche Einordnung der Computererklärung wenig gewonnen.176 Der wesentliche Unterschied und zugleich Kernpunkt der Kontroverse über den rechtlichen Charakter der Computererklärung ist die arbeitsteilige Erklärungsabgabe zwischen Mensch und einer Maschine. Begründet man die Anerkennung der Computererklärung als Willenserklärung mit der Ermächtigungs- oder Vertretungstheorie so sprechen hiergegen die gleichen Gründe, die vorstehend gegen eine analoge Anwendung der Regeln über das Vertretungs- oder Botenrecht angeführt wurden.177 Erblickt man indes in der inhaltlichen Vervollständigung der Blanketterklärung lediglich einen rein tatsächlichen Akt, so macht es in der Tat, wie Köhler178 es formuliert, „keinen Unterschied, ob der Inhalt einer Erklärung mit Hilfe von Menschen oder mit Hilfe technischer Einrichtungen konkretisiert wird“. V. Eigene Stellungnahme Die Problemlösung kann nur auf der Grundlage allgemeiner Erwägungen unmittelbar aus dem Tatbestand der Willenserklärung abgeleitet werden.179 Ungeachtet mancher Unterschiede im Detail besteht Einigkeit darüber, dass für eine Willenserklärung eine menschliche Erklärungshandlung erforderlich ist, die auf einen 180 Rechtsbindungswillen des Erklärenden schliessen lässt. Der Ausgangspunkt der Überlegung besteht also darin, dass sich die Computererklärung als menschliches Erklärungshandeln darstellen und daher notwendig auf einem menschlichen Willen beruhen muss. Die Fragestellung ist damit eine zweiteilige. Welcher Grad an menschlicher Beeinflussung ist bei der automatisierten Erklärungen bzw. Computererklärungen erforderlich? Unter welchen Voraussetzungen sind diese Erklärungen dem Anlagebetreiber als eigene zuzurechnen? 175 176 177 178 179 180 Larenz AT (1988), § 33 III, S. 644 ff. Kuhn, § 6 II 2, S. 66. Soergel/Hefermehl, Vor § 116 Rn 30; Schmitz, Informationsanbieter im Internet, S. 6. Köhler, Automatisierte Rechtsvorgänge, S. 134. Kuhn, § 6 III, S. 69; Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1 Rn. 40. Vgl. oben § I 2 lit. b), S. 14 55 Unter diesen beiden Gesichtspunkten wird zunächst die fehlerfreie Computererklärung erörtert. Im Anschluss hieran wird die fehlerhafte Computerklärung dargestellt, bei der der Theorienstreit zum Tatbestand der Willenserklärung und die dogmatische Begründung der Computererklärung entscheidungsrelevant werden. Die gefundenen Ergebnisse sind für die rechtliche Beurteilung fehlerhafter Willenserklärungen, insbesondere von Daten- und Systemfehlern von Bedeutung.181 1. Die fehlerfreie Computererklärung a) Objektive Erklärungshandlung aa) Erforderlich ist nach allen hier dargestellten Theorien eine objektive Erklärungshandlung. Erklärungshandlung im Sinne der Rechtsprechung des BGH182 ist jedes menschliche Tun oder Unterlassen, das der Bewusstseinskontrolle unterliegt und somit vom menschlichen Willen beherrschbar ist. Die Untersuchung der tatsächlichen Umstände der Computererklärung hat gezeigt, dass die Computererklärung vollständig automatisiert ohne menschliches Mitwirken von der EDV erzeugt wird. Ein menschliches Handeln liegt lediglich vor bei der Aufstellung, Inbetriebnahme, ihrer Programmierung, der Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft, in der Kontrolle der Funktionen und in dem Unterlassen von Eingriffen in den Betriebsablauf.183 Diesen menschlichen Handlungen kommt im Regelfall aber keine Erklärungsfunktion zu,184 als Erklärung wird im Rechtsverkehr erst der automatisierte, ohne menschlichen Handlungsbeitrag erzeugte Output185 verstanden. Die Erklärung ohne (scheinbare) Handlung ist das Ergebnis eines zeitlich gestreckten, von Mensch und Maschine arbeitsteilig bewerkstelligten Prozesses.186 Der Anlagenbetreiber legt mit der Inbetriebnahme und Programmierung die Rahmenbedingungen fest, unter denen die Erklärung der EDV inhaltlich erzeugt und an Dritte übermittelt werden.187 Der menschliche Handlungsbeitrag ist der Computererklärung zeitlich vorgelagert, für diese ursächlich und erfolgt zweckgerichtet auf die Abgabe der entsprechenden Erklärung durch den Computer. Damit erfüllt auch ein automatisierter Erklärungsakt den objektiven Tatbestand der Willenserklärung, wenn er auf den durch die EDV konkretisierten Rechtsfolgewillen des Anlagenbetreibers zumindest schliessen lässt und für die Erstellung der Computererklärung die Handlungen des Anlagebetreibers oder seiner Erfüllungsgehilfen ursächlich wurden. So verstanden bereiten die Handlungen des 181 182 183 184 185 186 187 Vgl. unten § 6. BGHZ 39, 106. Kuhn, § 6 III, S. 69. Kuhn, § 6 III, S. 69. Vgl. zur Terminologie oben § 1 II 2 lit. c), S. 28. Haft, DSWR 1979, S. 45 spricht von einem „neuartigen Organisationsprinzip“ und einer Arbeitsteilung im Sinne eines „funktionellen Wechselspiels zwischen Mensch und Maschine“. Kuhn, § 6 III 1, S. 69. 56 Anlagenbetreiber die spätere Abgabe Erklärung durch den Computer vor (Erklärungsvorbereitung). bb) Gleiches gilt im Einzelfall auch bei Untätigkeit der EDV. Unterlässt die EDV die Abgabe eine automatisierten Erklärung, obwohl der Erklärungsempfänger diese aufgrund vorheriger rechtsgeschäftliche Vereinbarung vom Anlagenbetreiber erwarten durfte, so handelt es sich um eine objektive Erklärungshandlung, die auf den vereinbarten Rechtsfolgewillen des Anlagenbetreibers schliessen lässt. Kuhn schlägt hierfür den Begriff „automatisiertes Schweigen“ vor.188 Dies gilt dem Grunde nach auch für das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, oder wenn der Anlagenbetreiber nach der Rechtsordnung verpflichtet gewesen wäre, seinen gegenteiligen Willen zum Ausdruck zu bringen. Erklärt sich die Datenverarbeitungsanlage nicht, obwohl der Erklärungsempfänger dies redlicherweise durfte, wird die Erklärungswirkung des Schweigens ausdrücklich189 oder gewohnheitsrechtlich fingiert. Da es beim „automatisierten Schweigen an Erklärungs statt“190 an einer objektiven Erklärungshandlung fehlt, ist das Unterlassen der Abgabe der Erklärung zwar tatbestandlich keine Willenserklärung, wird aber in seinen Rechtswirkungen – sofern die weiteren sogleich zu behandelnden Voraussetzungen erfüllt sind – der Willenserklärung gleichgestellt. b) Wille eines Menschen aa) Soweit in der Literatur die Qualifizierung der Computererklärung als Willenserklärung des Anlagenbetreibers mit der Begründung abgelehnt wird, eine Willenserklärung müsse auf dem Willen eines Menschen beruhen, wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass dieser Wille nicht notwendig zum Zeitpunkt der Erzeugung der Erklärung aktuell und konkret vorliegen muss191. Richtig ist, dass es aufgrund des zeitlich gestreckten und arbeitsteiligen Erklärungsvorgangs im Zeitpunkt der automatisierten Erstellung der Computererklärung regelmässig an einem aktuell, konkreten Handlungswillen des Anlagenbetreibers fehlen wird. Entsprechend der Anerkennung der objektiven Erklärungshandlung ist aber für den subjektiven Tatbestand ausreichend, dass die Verursachungshandlung des Anlagenbetreibers oder Gehilfen von dessen Handlungswillen getragen wurde.192 Nach richtiger Ansicht liegt schon darin, dass der Erklärende sich überhaupt eines Computers bedient, eine vom Willen des Erklärenden getragene Handlung.193 Der notwendige Handlungswille des Anlagenbetreibers ist damit auch bei der 188 189 190 191 192 193 Kuhn, § 6 III 1, S. 70. Gemäss §§ 108 II 2, 177 II 2, 415 II 2, 458 I 2 BGB gilt Schweigen auf die Aufforderung zur Genehmigung als Ablehnung. In den Fällen der §§ 416 I 2, 496 S.2, 516 II 2, 1943 BGB und §§ 362 I 2, 377 II HGB hat Schweigen dagegen die Bedeutung einer Genehmigung (Annahme). Terminologie in Anlehnung an Larenz AT (1988), § 19 IV c). Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1 Rn. 42 Kuhn, § 6 III, S. 70. Heun, CR 1994, S. 596. 57 Computererklärung zu bejahen. Dieser fehlt bei einem am Rechtsverkehr im Internet Teilnehmenden nur dann, wenn der Anlagenbetreiber oder sein Gehilfe durch absolute Gewalt (vis absoluta) zur Inbetriebnahme der EDV oder zur Auslösung bestimmter Datenverarbeitungen gezwungen werden oder entsprechend von Eingriffen in den Programmablauf abgehalten werden, die in der Praxis kaum relevant sein dürften. bb) Problematischer ist das Erklärungsbewusstsein und der sich hieraus ableitende Rechtsfolgewillen. Der Wille des Anlagenbetreiber bezieht sich nur auf die vorbereitenden Tätigkeiten wie die Inbetriebnahme, Programmierung und Kontrolle der EDV-Anlage und erschöpft sich in allgemeinen Vorstellungen über den beabsichtigen und steuerungsgemässen Ablauf, während die Einzelheiten der Erklärung dem programmierten Entscheidungsvollzug durch die EDV überlassen werden.194 Die Computererklärung ist dennoch echte Willenserklärung. Voraussetzung ist nämlich allein, dass der Erklärungsakt letztlich auf einem menschlichen Willen beruht. Die Rechtsbindung des Anlagenbetreibers ist gerechtfertigt, da dieser mit der automatisierten Erklärungserstellung nach aussen seinen generellen Rechtsfolgewillen mit dem Inhalt kundgibt, durch die innerhalb seiner Betriebsorganisation ordnungsgemäss erstellten Computererklärungen rechtsgeschäftlich gebunden zu sein, wobei die Willensbildung durch SoftwareProgrammierung festgelegt ist.195 Im Vertrauen auf die Funktionstüchtigkeit macht sich der Betreiber der Datenverarbeitungsanlage die Computererklärung zumindest stillschweigend von vornherein zu eigen.196 Damit ist auch ein generelles Erklärungsbewusstsein zwanglos zu bejahen, denn der Rechtsfolgewillen setzt das Erklärungsbewusstsein voraus und schliesst es in sich ein.197 Schneider spricht anschaulich von einer „Generalwillenserklärung“.198 Hieran dürfte sich auch in absehbarer Zukunft durch den Einsatz „kreativer Programme“199 oder die Implementierung künstlicher Intelligenz in probabilistischen Computersystemen nichts ändern. Zwar wird damit zu rechnen sein, dass in Ausführung solcher Programme Erklärungen erstellt werden, die der Anlagenbetreiber überhaupt nicht mehr vorhersehen konnte, da das Programm die zur Verfügung stehenden Daten eigenständig interpretiert und bewertet, die massgeblichen Entscheidungsparameter überprüft und das Programm sich in der Folge fortwährend selbständig anpassen wird. Auch in einem solchen Fall verbleiben Planung und Herkunft der technischen Vorgänge beim Anlagenbetreiber, der über das Mass der intellektuellen Selbständigkeit der Anlage entscheidet.200 194 195 196 197 198 199 200 Kuhn, § 6 III, S. 70. Köhler/Arndt, Recht des Internet, Rn 87 ff. Hübner AT, Rn. 667; Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1 Rn. 45. Larenz, AT, § 24 II Rn 9. Schneider, EDV-Recht, Kap. B, Rn 692. Hübner AT, Rn. 667. Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1 Rn. 45; Paefgen, JuS 1988; S. 593; Hübner AT, a.a.O. 58 Das führt zu folgendem Ergebnis: Mensch und Maschine arbeiten bei der Erstellung und Abgabe der Computererklärung funktional zusammen. Während der Anlagenbetreiber die Erklärungsvorbereitung übernimmt, kommt der so beauftragten EDV der Vollzug der Erklärung zu (Erklärungsvollzug).201 2. Die fehlerhafte Computererklärung Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob sich der Anlagenbetreiber die automatisierten Erklärungen seiner EDV-Anlage auch dann noch als ihn bindende Willenserklärungen zurechnen lassen muss, wenn diese wegen der Fehlerhaftigkeit des Entstehungsprozesses nicht von seinem Generalwillen gedeckt sind. Die möglichen Ursachen für eine fehlerhafte Computererklärung sind vielfältig. Als Fehlerquellen kommen etwa Fehler bei der Inbetriebnahme, der Programmierung oder der Kontrolle der EDV-Anlage in Betracht, die auf einen Mangel der Hardoder Softwarekomponenten beruhen können oder auf eine fehlerhafte Bedienung zurückgehen. Das Willensprinzip steht in solchen Fällen der Anerkennung der Computererklärung entgegen, denn deren Geltung ist vom Anlagebetreiber ebenso wenig gewollt, wie die eines abredewidrig ausgefüllten Blanketts.202 Bejaht man eine Rechtsbindung des Anlagenbetreibers auch in diesen Fällen, so kommt dies einer Garantiehaftung gleich, da die Fehlerfreiheit komplexer EDV Systeme regelmässig nicht garantiert werden kann. Der Betreiber hätte unabhängig vom Vorliegen eines Verschuldens für die automatisierten Erklärungen einzustehen. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der redliche Erklärungsempfänger regelmässig auf die Verbindlichkeit der automatisierten Erklärungen vertrauen darf, da die interne Datenverarbeitung und Betriebsorganisation für ihn nicht durchschaubar ist. Es geht also, wie eingehend dargestellt, um einen angemessenen Interessenausgleich zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Anlagenbetreibers und dem schützenswerten Vertrauen der Erklärungsempfänger. Das hier vertetene Konzept des arbeitsteiligen Zusammenwirkens von Mensch und EDV, das zwischen Erklärungsvorbeitung und Erklärungsvollzug unterscheidet vermag auch die Zurechnung fehlerhafter Computererklärungen zu erklären. a) Objektive Erklärungshandlung Für den Tatbestand der Willenserklärung ist eine objektivierte Erklärungshandlung unabdingbar. Wird infolge eines Verarbeitungsfehlers etwa durch Verstümmelung der Erklärung bei der Erzeugung oder Übermittlung das EDV-Produkt inhaltlich seiner objektiven Erklärungsfunktion beraubt und ist deshalb nicht aus sich heraus verständlich, fehlt es bereits an einem objektiven Erklärungstatbestand. Eine 201 202 Vgl. unten Abbildung 6, S. 65. Kuhn, § 6 III, S. 72. 59 Willenserklärung scheidet tatbestandlich aus. In allen anderen Fällen steht das Auftreten eines Programm-, Daten- oder Hardwarefehlers der Ursächlichkeit der zeitlich vorgelagerten Vorbereitungshandlungen des Anlagenbetreibers nicht entgegen.203 Wie eingehend dargestellt, ist es für den objektiven Tatbestand ausreichend, wenn die Computererklärung im Wege des „funktionellen Wechselspiels zwischen Mensch und Maschine“204 auf den konkretisierten Rechtsfolgewillen des Anlagenbetreibers zumindest schliessen lässt und die Vorbereitungshandlungen des Anlagebetreibers oder seiner Erfüllungsgehilfen bei der Erstellung ursächlich wurden. Der substantielle Beitrag liegt in der Erklärungsvorbereitung. Da die Bereitstellung und Inbetriebnahme der Anlage nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass die daraus resultierende (fehlerhafte) Computererklärung entfiele, erfüllt auch ein automatisierter fehlerhafter Erklärungsakt unproblematisch den objektiven Tatbestand der Willenserklärung. b) Wille eines Menschen aa) Noch relativ einfach lässt sich die Frage nach dem Vorhandensein eines Handlungswillens auf Seiten des Anlagenbetreibers oder seiner Gehilfen beantworten. Ein solcher wurde nur für Betriebshandlungen verlangt, als deren Ergebnis die Computererklärung automatisiert erzeugt wird.205 Für die fehlerhafte Computererklärung gilt insoweit nichts anderes. Einigkeit besteht darüber, dass der Geschäftswille kein konstitutives Tatbestandsmerkmal der Willenserklärung ist. Heftig umstritten ist dagegen die Frage, ob die Selbstverantwortung und der Vertrauensschutz eine Bindung an das objektive Erklärungsverhalten durch normative Zurechnung der Erklärung rechtfertigen, wenn dem Erklärenden das Erklärungsbewusstsein fehlt. Da der Anlagenbetreiber nur durch eine solche Computererklärung gebunden sein will, die in einem ordnungsgemässen Datenverarbeitungsprozess auf der Basis irrtumsfrei gesetzter Rahmenbedingungen entstanden sind, wird eine Erklärung der EDV-Anlage, die von Störungen der Hardware oder von Programmierungs- oder Bedienungsirrtümern betroffen ist, nicht mehr vom generellen Rechtsfolgewillen gedeckt.206 Trotz des Fehlers wird der Anlagenbetreiber typischerweise nicht einschreiten, da er an der Erstellung weder mitgewirkt hat, noch von ihr Kenntnis erlangt. Die Zurechnung solcher fehlerhafter Computererklärungsakte aufgrund eines allgemeinen Erklärungsbewusstseins ist besonders problematisch, wenn der Anlagenbetreiber mit einer solch fehlerhaften Erklärung bei der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht rechnen musste. Eine Steigerung liegt vor, wenn der Anlagenbetreiber nicht einmal ein allgemeines Erklärungsbewusstsein besitzt. Will der Anlagenbetreiber die EDV 203 204 205 206 Kuhn, § 6 III, S. 73. Haft; DSWR 1979, S. 45. Vgl. oben § 1 III 2, S. 41. Kuhn, § 6 III, S. 74. 60 bestimmungsgemäss nicht mit rechtsgeschäftlicher Funktion einsetzen und die von ihm im Internet dargestellten Seiten, die von seiner EDV automatisiert aktualisiert werden, lediglich als unverbindliche Informationen verstanden wissen, so fehlt es bereits am Willen, überhaupt am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilzunehmen und durch sein Handeln eine rechtsgeschäftlich relevante Erklärung abzugeben. bb) Damit wird die bei der Darstellung des Theorienstreits aufgeworfene Frage relevant, ob das Erklärungsbewusstsein zu den konstitutiven Tatbestandsmerkmalen einer Willenserklärung gehört. Dies ist in der Literatur umstritten. Teilweise wird vertreten, dass das Erklärungsbewusstsein ein konstitutives Erfordernis der Willenserklärung sei, sein Fehlen also die Nichtigkeit der Erklärung zur Folge habe.207 Nach der gegenteiligen Auffassung ist die ohne jenes Erklärungsbewusstsein abgegebene Erklärung, die ihr Empfänger als rechtsgeschäftliche verstehen durfte, zunächst wirksam, aber wie ein Erklärungsirrtum gemäss §§ 119 Abs. 1, 120, 121 BGB anfechtbar.208 Zur Beantwortung der Frage ist es nützlich, sich noch einmal die Doppelfunktion der Willenserklärung deutlich zu machen. Die Willenserklärung ist als bestimmender Akt Mittel für den Erklärenden, um seinen Rechtsfolgewillen zu verwirklichen, zugleich aber ist die Erklärung, eine Äusserung, die dazu bestimmt ist, von anderen zur Kenntnis genommen zu werden, ein Akt zwischenmenschlicher sozialer Kommunikation.209 Nach dem Vertrauensgrundsatz ist es unter bestimmten Umstände daher notwendig, dem Erklärenden den Bedeutungsinhalt seiner Erklärung auch gegen seinen inneren Willen zuzurechnen. Gerade bei der Computererklärung ist der Erklärungsempfänger besonders schutzbedürftig, weil er die Sphäre des Betreibers nicht zu durchschauen vermag.210 Das Recht der Willenserklärung baut nicht nur auf der Selbstbestimmung des Rechtsträgers auf, es schützt das Vertrauen des Erklärungsempfängers und die Verkehrssicherheit, indem es den Erklärenden auch an nicht vorgestellte und nicht bewusst in Gang gesetzte Rechtsfolgen bindet. Durch die Befugnis des Erklärenden, die Erklärung durch Anfechtung rückwirkend zu beseitigen, ist dem Gedanken der Selbstbestimmung ausreichend Rechnung getragen.211 Das Selbstbestimmungsrecht des Anlagenbetreibers korrespondiert deshalb mit dessen Selbstverantwortung für den Bedeutungsinhalt der von seiner EDV Anlage erstellten und übermittelten Erklärungen. Durch die Inbetriebnahme der EDV und deren Einsatz im Rechtsverkehr hat der Anlagenbetreiber die Gefahr einer fehlerhaften Computererklärung geschaffen. Er zieht vorrangig den Nutzten aus dem 207 208 209 210 211 Staudinger/Dilcher, Vorbem. zu § 116 Rn 18, 27, 80, 83; Ennercus/Niperdey, BGB AT, S. 901 ff.; Lehmann/Hübner, BGB AT, § 34 III 1 b; Cannaris, NJW 1974, S. 527, 528. MüKo/Kramer, Vor § 116 Rn 13; Soergel/Hefermehl, Vor § 116 Rn 12 f., Erman/Palm, Vorb. § 116 Rn 3; Flume AT, S. 449 ff.; Larenz, Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, S. 82 ff.; ders., BGB AT, S. 343; Bydlinski, JZ 1975, S. 1 ff.; Kellerman, JuS 1971; S. 612 f.; von Craushaar, AcP 174 (1974), S. 6 ff. Larenz AT, § 24 IV Rn 30. Kuhn, § 6 III, S. 74. BGH, NJW 1984, S. 2280. 61 Einsatz der EDV und ihm obliegt es, die Systemsicherheit durch entsprechende Kontrollen zu erhöhen und damit das Risiko fehlerhafter Computererklärungen so weit als möglich zu vermindern. Auch wenn die Abgabe fehlerhafter Computererklärungen nicht vollständig ausgeschlossen werden kann, so hat der Betreiber der Anlage durch den Betrieb der EDV die Voraussetzung für die Realisierung des nach menschlichen Ermessen nicht zu kontrollierenden Restrisikos geschaffen. Er hat daher auch die Folgen fehlerhafter Computererklärungsakte zu tragen.212 Dies entspricht dem allgemeinem Prinzip, wonach derjenige, der in zurechenbarer Weise einen Erklärungstatbestand geschaffen hat, auch die hieraus erwachsenen Folgen zu tragen hat, wenn der Erklärungsempfänger in redlicher Weise auf eine bestimmte Erklärungsbedeutung vertraut.213 Der Erklärende ist durch die fehlerhafte Computererklärung rechtlich gebunden. Für eine Beschränkung der Einstandspflicht auf den Ersatz des Vertrauensschadens besteht kein Grund. Nach der Interessenwertung ist der Fall des fehlenden Erklärungsbewusstseins mit der Situation des fehlenden oder abweichenden Geschäftswillens vergleichbar.214 Zwischen dem der – im Falle fehlerhafter Computererklärungen – rechtsgeschäftlich gar nichts will und dem der rechtsgeschäftlich etwas anderes will, besteht kein Unterschied: „Die Rechtsfolgen an denen der Erklärende von der Rechtsordnung festgehalten werden soll, hat er da und dort nicht gewollt“.215 In beiden Fällen erscheint es angemessen, dem Erklärenden die Wahl zu lassen, ob er nach § 119 Abs. 1 BGB anfechten will und dann nach § 122 BGB das Vertrauensinteresse ersetzen muss, oder ob er seiner Erklärung festhalten will und dann eine entsprechende Gegenleistung erhält, die ihn günstiger stellen könnte, als die einseitige Verpflichtung zum Ersatz des Vertrauensschadens. Aus dem gesagten folgt daher, dass das Erklärungsbewusstsein nicht zu den konstitutiven Tatbestandsmerkmalen der Willenserklärung gehört.216 Das gilt gleichermassen für den Rechtsfolgewillen217, der das Erklärungsbewusstsein mitumfasst. 212 213 214 215 216 217 Soergel/Hefermehl, Vor § 116 I Rn 5. BGH NJW 1995, S. 953: „Soll schlüssiges Verhalten ohne Erklärungsbewusstsein als Willenserklärung behandelt werden, muss der sich Äussernde fahrlässig beim Erklärungsempfänger das Vertrauen auf einen bestimmten Erklärungsinhalt geweckt haben.“ Medicus AT, Rn 607. Zitat aus Bydlinski, Privatautonomie, S. 163; zustimmend Soergel/Hefermehl, Vor § 116 Rn 13, Larenz AT, § 14 II 2, S. 126, § 19 III, S. 356. BGHZ 91, 324 = NJW 1984, S. 2279 = LM § 119 BGB Nr. 28 = JR 1985, S. 12 ff. = JZ 1984, S. S. 985 f.; BGHZ 109, 171 = BGH, NJW 1990, 454; BGH, NJW 1995, S. 953; MüKo/Kramer, § 119 Rn 92 ff.; Palandt/Heinrichs, Einf. v. § 116 Rn 17; Soergel/Hefermehl, Vor § 116 Rn 12 ff.; Larenz AT, § 19 III, S. 354 ff. BGH NJW 1993, S. 2100 62 c) Normative Zurechnung aa) Auch eine ohne Erklärungswillen abgegebene und insbesondere eine fehlerhafte Computererklärung kann als Ausdruck des Geltungswillens zu verstehen sein und ist daher rechtswirksame Willenserklärung, wenn sie dem Erklärenden normativ zugerechnet werden kann. Bringt man in diesem Sinne die Geltungstheorie und die Lehre von der normativen Zurechnung in Einklang, so muss abschliessend geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen eine ohne Erklärungsbewusstsein abgegebene oder fehlerhafte Erklärung der EDV dem Anlagenbetreiber zugerechnet werden kann. Die blosse Kausalität der Vorbereitungshandlungen des Anlagenbetreibers vermag, wie einführend dargestellt, die Zurechnung rechtsgeschäftlicher Folgen alleine noch nicht rechtfertigen.218 Der Ansicht Kilians,219 für eine Zurechnung bedürfe es stets eines Rahmenvertrages, in dem Geschäfts- und Erklärungswille festgelegt ist, ist m.E. nicht uneingeschränkt zu folgen.220 Der automatisierte Vertragsschluss eines Neukunden mit einem OnlineAnbieter ist, wie aufgezeigt, sehr wohl ohne vorhergehenden Rahmenvertrag möglich, sofern die ausgetauschten Erklärungen unmissverständlich sind oder durch Auslegung ermittelt werden können. Etwas anderes gilt nur, wenn zwei Computer in einer Weise miteinander kommunizieren, dass der Dialog aus sich heraus nicht verständlich ist und nur unter Hinzuziehung vereinbarter Rahmenbedingungen verstanden werden kann.221 Nach Rechtsprechung und Lehre wird die Zurechenbarkeit des objektiven Erklärungstatbestands dann bejaht, „wenn der Erklärende bei der Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äusserung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat“.222 bb) Die Frage der Vermeidbarkeit der Deutung des Erklärungsakts als Willenserklärung hat sich dabei allgemein am Risikoprinzip im Sinne einer abstrakten Gefahrenbeherrschung zu orientieren. Auf ein persönlich vorwerfbares Verhalten des Betreiber kommt es nicht an. Die Heranziehung eines solchen Verschuldensprinzips wäre nach Kuhn223 bereits deshalb verfehlt, weil es ausserhalb 218 219 220 221 222 223 Vgl. oben § 1 I 4, S. 21; Canaris, Vertrauenshaftung, §§ 37 I 2 (S. 469), § 38 I 1 (S. 474); a.A. Pawlowski AT, Rn 552a: „Es genüge, dass dem Erklärenden die Installation der Absendeorganisation zuzurechnen ist“. Kilian/Heussen, Computerrechtshandbuch, 20. Kap., Rn 17. Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1 Rn. 47 Schneider, EDV-Recht, Kap. B, Rn 669. BGH, NJW 1984, S. 2279, vgl. auch BGH, NJW 1995, S. 953: Soweit einem tatsächlichen Verhalten ohne Erklärungsbewusstsein und ohne Rechtsbindungswille die Wirkungen einer Willenserklärungen beigelegt werden, muss der Äussernde fahrlässig bei dem Erklärungsempfänger das Vertrauen auf einen entsprechenden Erklärungsinhalt geweckt haben. Dieser Begründungsansatz und der Schutzzweck schliessen es aus, aus einem tatsächlichen Verhalten ohne Erklärungsbewusstsein Rechtsfolgen zu Lasten Dritter herzuleiten (hier: die Behandlung als Widerruf einer dem Erben unbekannten Vollmacht gegenüber dem vom Erblasser Bevollmächtigten). Kuhn, § 6 III, S. 79. 63 bestehender Sonderverbindungen an einer fremdgerichteten Rechtspflicht des Erklärenden fehlt, gegen die er verstossen könnte. Der Erklärungsempfänger wäre bei Anwendung des Verschuldensprinzips weitgehend schutzlos gestellt. Dem Anlagenbetreiber kann nämlich hinsichtlich der fehlerhaften Computererklärung häufig keine schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfenen werden, da eine vollständige Fehlerfreiheit von EDV Anlagen auch bei pflichtgemässer Sorgfalt von niemand garantiert werden kann. Der Einsatz von EDV Anlagen im rechtsgeschäftlichen Verkehr ist nämlich „per se“ potentiell fehlerhaft. Darüber hinaus bestünde für den Anlagenbetreiber bei nachgewiesener Pflichtverletzung die Möglichkeit der Exkulpation. Besteht durch den Einsatz von EDV, wie eingehend dargestellt, ein unvermeidbares Restrisiko fehlerhafter Computererklärungen, so ist allein das Risikoprinzip geeignet, für einen gerechten Ausgleich der gegenläufigen Interessen zu sorgen. cc) Nach dem Risikoprinzip ist die normative Zurechnung zu bejahen, wenn sich in der fehlerhaften Erklärung eine spezielle Gefahr verwirklicht, die der Zurechnungsadressat geschaffen hat und als seiner Sphäre zugehörig auch abstrakt beherrscht. Entscheidend ist danach, ob der Erklärende ein erhöhtes Risiko geschaffen hat und ob er die fraglichen Gefahren abstrakt zu beherrschen vermag. Vergleicht man die Computererklärung mit dem Grundtypus der vom Erklärenden selbst mit der notwendigen Sorgfalt erstellten Willenserklärung, so lässt sich ein erhöhtes Fehlerrisiko bei der arbeitsteiligen, technisch und zeitlich gestreckten Erstellung der Computererklärung nur schwer leugnen. Dieses spezifische EDVBetriebsrisiko hat der Anlagenbetreiber geschaffen, es stammt aus seiner Sphäre und er allein kann das Risiko durch entsprechende Kontroll- und Sicherungsmassnahmen beherrschen.224 Dabei ist egal, wie gross der Freiheitsgrad der EDV ist. Macht sich der Betreiber durch den Einsatz intelligenter Dialogsysteme die erweiterten Möglichkeiten fortgeschrittener probabilistischer Systeme zu nutzen, muss er sich auch deren Ergebnisse zurechnen lassen, vorausgesetzt in der Fehlerhaftigkeit der Erklärung verwirklicht sich das vom Anlagenbetreiber geschaffene und abstrakt beherrschte Risiko. 224 Kuhn, § 6 III, S. 79. 64 VI. Zusammenfassung Der Begriff der Willenserklärung ist weit genug, dass er neben den traditionellen Formen der Willenserklärung auch die automatisierte Willenserklärung und die Computererklärung umfasst. Entscheidend ist nicht, wie eine Erklärung in den Rechtsverkehr gelangt, sondern dass die Verantwortung über das Ob und Wann des Inverkehrbringens sowie über das Was beim Erklärenden verbleibt.225 Die Regeln über Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte sind daher auf automatisierte Willenserklärungen und Computererklärungen, mit Beachtung der Besonderheiten der ihrer Herstellung anwendbar. Die Gleichstellung der Computererklärung mit der Willenserklärung und deren Einordnung in das System des BGB ist unter folgenden Gesichtspunkten gerechtfertigt: (1) Darin, dass sich der Erklärende der Hilfe eines Computers bedient, um Erklärungen herzustellen und abzugeben, wobei die Verantwortung für die massgebenden Parameter der automatisierten Erklärungsabgabe beim Erklärenden verbleibt, liegt eine vom Willen des Erklärenden getragene Handlung. (2) Auch wenn die Herstellung der einzelnen Erklärungen der EDV-Anlage überlassen wird, und der Erklärende zunächst weder den Inhalt noch den Adressaten der Computererklärung kennt, sind die Ergebnisse der Datenverarbeitung dem Erklärenden aufgrund eines allgemeinen Rechtsfolgewillens („Generalwillenserklärung“) zuzurechnen. (3) Da sich der Anlagenbetreiber aus der Sicht des redlichen Erklärungsempfängers, die Computererklärung zu eigen macht, indem er sie willentlich in den Rechtsverkehr gelangen lässt, wird die von der EDV erstellte Erklärung dem Anlagenbetreiber normativ zugerechnet. Entsprechend ist eine mittels EDV automatisiert erstellte Willenserklärung aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht nur dann als Willenserklärung des Anlagenbetreibers anzuerkennen, wenn sie fehlerfrei dessen generellen Rechtsfolgewillen zum Ausdruck bringt, sondern auch bei Auftreten von Fehlern innerhalb ihrer Entstehung. (4) Zusammenfassend ergeben sich folgende tatbestandlichen Mindestanforderungen einer automatisierten Willenserklärung: Ein objektiver, als Geltungserklärung auszulegender Erklärungsakt, dem eine kausale Betriebshandlung des Erklärenden oder seiner Gehilfen zugrunde liegt, der Handlungswille des Erklärenden und die normative Zurechenbarkeit der objektiven Erklärungsbedeutung nach dem Risikoprinzip. 225 Paefgen, JuS 1988, S. 593. 65 Das funktionale Zusammenspiel von Mensch und EDV bei der Erstellung und Abgabe der Computererklärung wird nachfolgend in Abbildung 6 dargestellt: Abbildung 6: Das funktionale Zusammenspiel Computererklärung Erklärungsvorbereitung Software-/ Hardwareinstallation, Programmierung (Entscheidungsparameter) kausale menschliche Betriebshandlung Mensch und EDV Kontrolle der Funktionen Datenver- Erstellung/ Abgabe, arbeitung Festlegung von: Inhalt Zeitpunkt Adressat automatisierte Erklärungsabgabe Handlungswille „genereller“ Rechtsfolgewille EDV Erklärungsvollzug MENSCH Inbetriebnahme von normative Zurechung (Risikoprinzip) bei der 66 § 2. Wirksamwerden elektronischer und automatisierter Willenserklärungen I. Gesetzliche Ausgangslage Die Erklärung eines rechtsgeschäftlichen Willens ist ein Vorgang, der sich in der Zeit abspielt. Dabei ist zwischen der Abgabe einer Willenserklärung, deren Zugang beim Empfänger und dem Wirksamwerden einer Willenserklärung zu unterscheiden. Der Zeitpunkt, indem eine fertige Willenserklärung vorliegt, wird als Abgabe bezeichnet. Von diesem zu unterscheiden ist der Zeitpunkt, in dem eine Willenserklärung wirksam wird. Der Zeitpunkt des Wirksamwerdens kann mit dem ihrer Abgabe zusammenfallen oder ihm nachfolgen. Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt das Wirksamwerden von Willenserklärungen im Allgemeinen Teil in den §§ 130-132 BGB. Daneben existiert das speziellere UN Kaufrecht (UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf – CISG).1 Der Vertragsschluss ist dort in den Art. 14 bis 24 CISG geregelt und normiert abschliessend sowohl das Wirksamwerden von Willenserklärungen, d. h. deren Abgabe, Zugang und Widerruf, wie auch den eigentlichen Vertragschluss im engeren Sinne. Die Regelungen weisen in ihren Grundstrukturen deutliche Parallelen zum BGB auf, obgleich im Detail einige Unterschiede bestehen. In § 2, der das Wirksamwerden elektronischer und automatisierter Willenserklärungen zum Inhalt hat und in § 3, der den elektronischen Vertragsschluss behandelt, werden die Regelung des BGB und seine Adaption auf den Vertragsschluss unter Nutzung moderner Telekommunikationsmittel behandelt und in der gebotenen Kürze aufgezeigt, wo das BGB Berührungspunkte zum CISG aufweist bzw. von den dort getroffenen Regelungen abweicht. 1. Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts a) Das UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf ist am 1. Januar 1991 in Deutschland in Kraft getreten. Es ist nationales und unmittelbar geltendes Recht in der Bundesrepublik Deutschland. Als lex specialis verdrängt das CISG, sofern es anwendbar ist, das deutsche Recht. Das CISG regelt nach Art. 4 S. 1 ausschliesslich den „Abschluss des Kaufvertrages“. Es findet gemäss Art. 1 (1) CISG nur auf gewerbliche Kaufverträge über Waren zwischen Parteien, die ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben Anwendung, wenn diese Staaten Vertragsstaaten sind oder die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des CISG führen. Das CISG findet nach Art. 2 lit. a) keine Anwendung bei Verträgen 1 Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den Internationalen Warenkauf vom 11. April 1980, BGBl. 1989 II, S. 588. 67 über den Kauf von Waren zu persönlichen, familiären oder haushaltlichen Zwecken. Verbraucherverträge, auf die im Rahmen dieser Arbeit an späterer Stelle näher eingegangen, fallen ausdrücklich nicht in den Anwendungsbereich des CISG. Hier bleibt es bei den allgemeinen Regeln des BGB und den einschlägigen verbraucherschützenden Normen. Ebenso gilt es nicht für den immer wichtiger werden Bereich der Online-Versteigerungen, da Art. 2 lit. b) CISG Versteigerungen ausdrücklich ausnimmt. b) Die Anwendbarkeit des CISG definiert sich über den Kauf von Waren und gilt nach Art. 3 (2) nicht für Dienstleistungen. Mit Blick auf den elektronischen Vertragsschluss ist die Abgrenzung zwischen Warenkauf und Dienstleistung problematisch. Wird über das Internet ein gewerblicher Kaufvertrag geschlossen, der die Lieferung beweglicher Sachen ausserhalb des Netzes zum Gegenstand hat, ist das CISG anwendbar. Probleme ergeben sich, wenn die Leistung im Netz durch den Transfer von Daten erbracht wird. Unter Ware im Sinne des CISG wird hauptsächlich ein beweglicher Gegenstand verstanden. Nach deutscher Rechtsauffassung ist UN-Kaufrecht nicht für den „Information-Download“ und den Erwerb von „Know-how“ anwendbar.2 Ob dies auch für das Herunterladen von Standardsoftware gilt, ist fraglich, da auf diesen Kauf normalerweise Kaufrecht anwendbar ist, und von deutschen Gerichten Computersoftware unter den Begriff der Ware subsumiert wurde. Unabhängig davon, ob diese auf einem Datenträger verkörpert waren oder online übertragen wurden. Dies ist nicht unstrittig.3 Da es sich um internationales Einheitsrecht handelt, muss es an sich auch international einheitlich ausgelegt werden. Die Trennlinie dürfte m.E. zwischen der Übertragung von körperlichen Gegenständen, die in den Anwendungsbereich des CISG fallen, und digital übermittelten Gütern zu ziehen sein. Es bleibt daher festzuhalten, dass, bezogen auf den hier interessierenden elektronischen Vertragsabschluss über das Internet, die Regelungen des CISG nur dann zu Anwendung gelangen, wenn grenzüberschreitende gewerbliche Kaufverträge über körperliche Waren geschlossen werden. Sofern im Rahmen dieser Arbeit auf das UN-Kaufrecht Bezug genommen wird, gelten die Regelungen daher ausdrücklich nur für elektronisch abgeschlossene Verträge, die die Lieferung körperlicher Gegenstände zum Inhalt haben und nicht persönlichen, familiären oder haushaltlichen Zwecken dienen. 2 3 Caemmerer/Schlechtriem, CISG, Art. 1 Rn 20 und 21. Online übermittelte Standardsoftware unterstellen dem CISG: Caemmerer/Schlechtriem, a.a.O.; Staudinger/Magnus, Art. 1 CISG Rn 44; Mankowski, CR 1999, S. 586. 68 2. Die Regelung des BGB a) Kategorisierung der Willenserklärungen Den §§ 130-132 BGB liegt die Unterscheidung zwischen empfangsbedürftigen Willenserklärungen und solchen, die nicht an einen Adressaten zu richten sind (nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen) zugrunde. Die meisten Willenserklärungen sind empfangsbedürftig, da sie auf Rechtswirkungen gegenüber bestimmten Personen abzielen.4 Das BGB drückt die Empfangsbedürftigkeit regelmässig dadurch aus, dass es eine Erklärung „gegenüber“ einem anderen fordert: So muss beispielsweise die Anfechtung durch Erklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner erklärt werden (§ 143 Abs. 1 BGB) und der Antrag erlischt, wenn er dem Antragenden gegenüber abgelehnt wird. So oder so ähnlich sprechen § 164 Abs. 3 BGB für die Passivvertretung, § 182 BGB für die Zustimmung und viele weitere Vorschriften, von der Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist. In anderen Fällen ergibt sich die Empfangsbedürftigkeit aus einer sachlichen Notwendigkeit. So sagt § 145 BGB zwar nicht ausdrücklich, der Antrag zu einem Vertragsabschluss müsse „gegenüber“ einen anderen erklärt werden, da aber der gewollte Vertragspartner zu einer Reaktion (Annahme oder Ablehnung) veranlasst werden soll, ist der Empfang fast unumgänglich. b) Wirksamwerden empfangsbedürftiger Willenserklärungen Für das Wirksamwerden empfangsbedürftiger Willenserklärungen können dem Grunde nach mehrere Zeitpunkte in Betracht kommen. Die Äusserung durch den Erklärenden, die Absendung durch Brief oder Boten, der Empfang oder die Kenntnisnahme. Im 19. Jahrhundert bestand daher Streit zwischen der Äusserungs-, Entäusserungs-, Empfangs- und Vernehmungstheorie5, die hier zur Verdeutlichung des Problems kurz illustriert werden sollen. Bei wertender Beurteilung geht es um die Frage, wer das Risiko des Verlustes, der Verzögerung oder der Verstümmelung der Nachricht auf dem Weg zum Empfänger trägt. Nach der Äusserungstheorie sollte die Wirksamkeit schon dann eintreten, wenn der Willensentschluss äussere Gestalt gewinnt (z.B. ein Brief geschrieben worden ist). Gegen diese Theorie spricht, dass dem Erklärenden, der die Erklärung möglicherweise noch nicht in Geltung setzen will, die Herrschaft über seine Erklärung genommen wird. Sie ist mit den Grundsätzen der Privatautonomie unvereinbar. Nach der Entäusserungstheorie muss die fertige Erklärung zusätzlich abgegeben werden. Gegen diese Theorie ist 4 5 Ausnahmsweise nicht empfangsbedürftig sind nur ganz wenige Willenserklärungen wie beispielsweise die Auslobung (§ 657) und vor allem das Testament (§ 2229 ff.). Dass hier auf den Empfang verzichtet wird, folgt aus der Natur der Sache: Es fehlt regelmässig der geeignete Adressat der Erklärung, so dass es auf eine Kenntnisnahme Dritter nicht ankommen kann, Medicus AT, Rn 259. RG SeuffA 79 Nr. 1; vgl zum Theorienstreit MüKo/Einsele, § 130 Rn 6 ff. 69 einzuwenden, dass sie dem Adressaten das Risiko des Transports der Erklärung aufbürdet. Die Empfangstheorie hält die Ankunft der Erklärung beim Adressaten für massgeblich. Hier trägt also der Erklärende das Transportrisiko und der Adressat die Gefahr, von der Erklärung trotz deren Ankunft nicht zu erfahren. Die Vernehmungstheorie entlastet den Adressaten der Erklärung am meisten, indem sie für den Zugang die sinnliche Wahrnehmung fordert. Dem Adressaten bleibt nur das Risiko, die Erklärung in einem falschen Sinn zu verstehen.6 Das Bürgerliche Gesetzbuch hat sich nach der Gesetzgebungsgeschichte explizit gegen die Äusserungs-, Entäusserungs- und Vernehmungstheorie und für die Empfangstheorie entschieden.7 Es regelt das Wirksamwerden der Willenserklärung wie folgt: § 130 [Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber Abwesenden] (1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. Die Vorschrift des § 130 Abs. 1 S. 1 BGB hat einen dreifachen, auf das engste zusammenhängenden Regelungsgehalt:8 Durch die Entscheidung für die Empfangstheorie trifft § 130 Abs. 1 S. 1 BGB eine grundlegende Risikoverteilung hinsichtlich des Verlustes, der Verstümmelung und Verzögerung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen. Die Risikoverteilung und der Risikoübergang werden normiert, indem zum zweiten die Voraussetzungen des Wirksamwerdens einer empfangsbedürftigen Willenserklärung (Abgabe und Zugang) bestimmt werden. Drittens wird der Zeitpunkt des Wirksamwerdens festgelegt. Abgabe, Zugang und Wirksamwerden einer Willenserklärung sind danach streng zu unterscheiden. Was unter Abgabe und Zugang einer Willenserklärung zu verstehen ist, sagt das Gesetz jedoch nicht, sondern setzt dies lediglich voraus. Zudem regelt es nur das Wirksamwerden von empfangsbedürftigen Willenserklärungen unter Abwesenden. Ungeregelt ist insbesondere, wie eine Willenserklärung unter Anwesenden wirksam und wie eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung wirksam werden. 6 7 8 Darstellung des Theorienstreits nach Medicus AT, Rn 268 ff. Während der Gesetzgeber ursprünglich nur für den Zugang einer ausdrücklichen Willenserklärung gegenüber einem Abwesenden die Empfangstheorie bejahte, bei der konkludenten Willenserklärungen dagegen der Vernehmungstheorie folgte (vgl. Motive I, S. 156 ff.; Mugdan I, S. 438 ff.), hat er später diese Unterscheidung im Entwurf E 2 als „lehrhaft“ und „entbehrlich“ aufgegeben und den Zugang einer Willenserklärung gegenüber einem Abwesenden durch § 130 S. 1 BGB einheitlich im Sinne der Empfangstheorie definiert, Mugdan I, S. 658. Burghard, AcP 195 (1995), S. 79. 70 II. Stand der Dogmatik 1. Abgabe a) Rechtliche Grundlagen Abgegeben ist eine Erklärung dann, wenn der Erklärende alles bei ihm liegende getan hat, um seinen rechtsgeschäftlichen Willen in einer solchen Weise zu äussern, dass an der Endgültigkeit dieses Willens kein Zweifel mehr besteht.9 Der Zeitpunkt der Abgabe ist von mehrfacher Bedeutung: (1) Tod oder Verlust der Geschäftsfähigkeit des Erklärenden nach der Abgabe sind auf die Wirksamkeit der Erklärung ohne Einfluss (§ 130 Abs. 2 BGB). (2) In bestimmten Fällen fallen Abgabe und Wirksamwerden zusammen: § 130 Abs. 1 S. 1 BGB ist dispositives Recht. Durch entsprechende Parteivereinbarungen können Zugangserleichterungen vorgesehen werden.10 Die Parteien können vereinbaren, dass eine Erklärung auch ohne Zugang wirksam wird. Abweichende Vereinbarungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegen aber besonderen Schranken. So ist nach § 10 Nr. 6 AGBGB eine Bestimmung unwirksam, die für Erklärungen von besonderer Bedeutung eine Zugangsfiktion aufstellt. An § 11 Nr. 16 AGBGB scheitern Klauseln, die für Erklärungen, die Dritten gegenüber abzugeben sind, besondere Zugangserfordernisse aufstellen. Im Fall des § 151 S. 1 BGB (Annahme durch tatsächliches Entsprechen) kommt der Vertrag bereits mit der objektiv erkennbaren Betätigung des Annahmewillens zustande.11 Zugang oder Kenntnis bzw. Kenntnisnahmemöglichkeit des Vertragsgegners ist nicht erforderlich.12 Eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung wird ebenfalls bereits mit der Äusserung des rechtsgeschäftlichen Willens wirksam.13 9 10 11 12 13 Palandt/Heinrichs, § 130 Rn 4; Larenz AT, § 26 I Rn 3; Köhler AT, § 6 II Rn 12; vgl. auch Staudinger/Dilcher, § 130 Rn 2. BGHZ 130, 71 = BGH NJW 1995, S. 2217; Brox AT, § 7 III Rn 157. Im Ausnahmefall des § 151 S. 1 BGB wird die Erklärung ebenfalls bereits mit der Abgabe wirksam. Die Erklärung gemäss § 151 S. 1 BGB ist nach h.M. eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung (vgl. Palandt/Heinrichs, § 151 Fn 43; Staudinger/Dilcher, § 151 Rn 9). Nach a.A. handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung dar. Denn sie sei „einem anderen gegenüber“ zu erklären, wenngleich es zum dem Wirksamwerden der Erklärung weder der Abgabe noch des Zugangs, sondern nur der Äusserung bedürfe und die Wirksamkeit dadurch im Vergleich zu § 130 S. 1 BGB vorverlagert werde, Soergel/Hefermehl, § 151 Rn 40. RGZ 84, 323. Bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen muss daher nur der Erklärungsvorgang als solcher abgeschlossenen sein: Bei der mündlichen Erklärung genügt, dass der Erklärende ausgesprochen hat, bei schriftlichen Erklärungen bedarf es der vollständigen Errichtung der Urkunde einschliesslich der Unterschrift, Medicus AT, Rn 264. Fehlt es dagegen an einer solchen Äusserung des Willens, ist schon tatbestandlich keine Willenserklärung gegeben, Hübner AT, Rn 377. 71 Ist die Willenserklärung empfangsbedürftig, setzt die Abgabe über ihre Äusserung voraus, „dass der Erklärende die Erklärung in Richtung auf den Empfänger in Bewegung setzt, und er bei Zugrundelegung normaler Verhältnisse mit dem Zugang beim Empfänger rechnen darf“.14 Eine Abgabe liegt demgemäss nur vor, wenn sie mit dem Willen des Erklärenden in den Verkehr gebracht wird.15 Gleichzustellen ist der Fall, dass der Erklärende das „In-Verkehrbringen“ zu vertreten hat.16 Der Erklärende muss davon ausgehen, dass die Erklärung den richtigen Empfänger, wenn auch auf Umwegen erreichen wird, fehlt es daran, bleibt die Erklärung auch dann wirkungslos, wenn sie dem richtigen Empfänger zugeht.17 Mit der Abgabe ist die Willenserklärung rechtlich existent. Die Abgabe ist das „Ingeltungsetzen der Erklärung durch den Erklärenden, ungeachtet dessen, ob die Erklärung sogleich mit der Abgabe wirksam wird“.18 Sie erfordert daher eine Handlung des Erklärenden, die von einem auf das Inverkehrbringen gerichteten Willen getragen oder ihm sonst als Geltungserklärung zurechenbar ist. Hierbei ist zwischen der Abgabe einer elektronischen Willenserklärung und der automatisierten Abgabe einer Computererklärung durch ein EDV-System zu unterscheiden. b) Abgabe bei der elektronischen Willenserklärung Die Abgabe elektronischer Willenserklärungen als Äusserung eines auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichteten Willens mittels elektronischer Medien wirft kaum spezielle Probleme auf. Der Erklärende selbst nimmt die konkrete Willensbildung vor, formuliert den Inhalt der Erklärung und setzt das EDV – und Telekommunikationssystem zur Bearbeitung, Speicherung und Übermittlung ein. Kuhn spricht anschaulich von der „EDV-unterstützten Erklärung“.19 Entscheidend für die Abgabe einer elektronischen Willenserklärung ist, dass diese für einen objektiven Dritten als entsprechende Äusserung eines Geschäftswillens verstanden wird. Dieser allgemeine Beurteilungsmaßstab erfordert, dass der Erklärende erkennbar mittels einer bewussten Handlung eine entsprechende Erklärung abgegeben wollte.20 Bei der elektronischen Willenserklärung ist das Handeln des Erklärenden daher massgeblich für die Bestimmung der Abgabe der Erklärung. Die Abgabe fordert eine endgültige Entäusserung, d. h. der Erklärende muss alles getan haben, was seinerseits zum Wirksamwerden der Erklärung nötig ist.21 Die empfangsbedürftige Willenserklärung muss wissentlich und willentlich so in Richtung auf den Empfänger auf den Weg gebracht werden, dass unter normalen 14 15 16 17 18 19 20 21 MüKo/Einsele, § 130 Rn 13; Palandt/Heinrichs, § 130 Rn 2; Flume AT , § 14.2, S. 256. Palandt/Heinrichs, § 130 Rn 2; BGHZ 65, 13; Hamm NJW-RR 87, 200; ebenso Mot. I, S. 157; Mugdan I, S. 439. Palandt/Heinrichs, § 130 Rn 4. BGH NJW 1979, S. 2302. Flume AT II, § 14.2, S. 256. Kuhn, § 6 I, S. 55. Schuster, Vertragshandbuch Telemedia, S. 92 Rn 157. Medicus AT, Rn 263. 72 Umständen mit dem Zugang beim Empfänger zu rechnen ist. Bei der elektronischen Willenserklärung ist die Abgabe dann anzunehmen, wenn der Erklärende den letzten, von ihm vorzunehmenden Mitwirkungsakt vollzogen hat, um die Erklärung auf die elektronische Reise zu schicken.22 Zur Beantwortung der Frage, wann eine endgültige Äusserung des Willens in Richtung des Empfängers vorliegt, muss zwischen der Abgabe von Erklärungen im Internet und der Abgabe einer Willenserklärung mittels E-Mail differenziert werden: aa) Die Abgabe einer Willenserklärungen im Internet ist auf vielfältige Art und Weise möglich. Die Abgabe der Erklärung kann durch Eingabe der entsprechenden Zeichen auf einer bestimmten Seite oder per Mausklick oder durch Drücken der entsprechenden Betätigungs- bzw. RETURN-Taste erfolgen. Die Kundgabe des rechtlich relevanten Willens kann vom Vertragspartner problemlos als solche erkannt werden, da der Benutzer des Internet systemimmanent von der Wirksamkeit über dieses Medium kundgetaner Willenserklärung ausgeht. Bei empfangsbedürftigen, mittels Internet übermittelten Erklärungen, ist die Willenserklärung deshalb abgegeben, sobald der Erklärende die Übergabe seiner Nachricht an das Telekommunikationsnetz zur Weiterleitung an den Empfänger auslöst.23 bb) Die E-Mail wird mit der willentlichen Erteilung des endgültigen Sendebefehls abgegeben.24 Die Art der Übertragung ist unbeachtlich. Es spielt keine Rolle, ob die Erklärung offline erstellt und nach Verbindung mit dem Internet Service Provider (ISP) und Start des E-Mail Programms (E-Mail Client) vom Empfänger-PC zum Mail-Server des Erklärenden und von dort zum Mail Server des Empfängers gesendet wird oder ob, die E-Mail online im Internet unmittelbar über das Netz erstellt und übermittelt wird.25 Dagegen reicht bei empfangsbedürftigen Erklärungen 22 23 24 25 Larenz AT, § 26 I Rn 3. Kuhn, § 8 I, S. 86. MüKo/Einsele, § 130 Rn 13. Sofern die zu versendenden Mails zunächst in einer Warteschleife vor einer Schleuse eingereiht werden, wird die E-Mail erst mit der (willentlichen) Öffnung dieser Schleuse abgegeben. Im ersten Fall muss der Erklärende den E-Mail Client (z.B. Outlook(-Express), Netscape Messenger, Eudora, Opera) entsprechend individuell konfigurieren, um die Daten systemkonform an den Mail-Server zum Weitertransport über das Internet übergeben zu können. Dabei wird das sog. Post Office Protocol (POP) verwendet. Der Benutzer loggt sich mit seinem E-Mail Client in den POP-Account ein und der Client lädt alle E-Mails vom POP-Server herunter, die Weiterverarbeitung findet auf dem eigenen Rechner statt. Wahlweise löscht der Client anschliessend die Mails auf dem Server. Im letzteren Fall gibt es grundsätzlich zwei unterschiedliche Möglichkeiten, die einander ähneln: Möglich ist die Verwaltung der E-Mail zu einen mittels Instant Message Access Protocol (IMAP). Die gesamte Mail verbleibt dabei auf dem IMAP-Server; um die Mail zu bearbeiten muss die Verbindung zum Server daher offen sein. Der Vorteil der Online-Verwaltung liegt darin, dass das Ordnen und Vorsortieren direkt auf dem Server stattfindet und der Anwender von überall aus seinen Mailverkehr verwalten kann. Das Verfahren wird deshalb bevorzugt in Unternehmens- und Universitätsnetzwerken eingesetzt (Unter <http://igor.unibas.ch> können registrierte Nutzer, die über eine E-Mail-Adresse der Universität Basel verfügen, mittels IMAP auf ihr E-Mail-Konto zugreifen). Oder aber die Verwaltung der Mail erfolgt über ein Web-Frontend, d. h. über die Benutzeroberfläche des Dienstanbieters, ganz ohne den Einsatz eines E-Mail Clients. Der Nutzer bearbeitet seine E-Mails 73 die Zwischenspeicherung durch den Erklärenden vor der Absendung etwa im Postausgangsordner des E-Mail Programms regelmässig nicht aus, um die Abgabe zu bewirken, da der Erklärende damit noch nicht alles Erforderliche zur Weiterleitung an den Empfänger getan hat. Auch wenn die Weiterleitung der gespeicherten Erklärung vorprogrammiert erfolgt, etwa durch den automatischen Versand der im Postausgangsfach liegenden Nachrichten oder der automatischen Übermittlung der eingespeicherten Nachricht zu einer genau vorgegebenen Zeit, braucht der Willensentschluss wegen der verbleibenden Einflussmöglichkeiten (Löschung oder Modifikation der Nachricht) nicht notwendig endgültig zu sein. Es handelt sich um blosse Erklärungsentwürfe.26 Wird der Sendebefehl vom Erklärenden selbst oder durch einen Dritten versehentlich ausgelöst, lässt sich dies als Fall der „abhandengekommenen Willenserklärung“ verstehen.27 Umstritten ist, wie der Fall zu beurteilen ist, dass eine Erklärung bzw. ein Erklärungsentwurf den Bereich des Erklärenden ohne dessen Willen verlässt, so dass also bloss der Schein einer Abgabe entsteht. Die Frage wird zur besseren Darstellung und Einordnung des Problems im Rahmen der Untersuchung fehlerhafter Willenserklärung28 erörtert (siehe § 6 III). cc) Zur Vermeidung von Unsicherheiten ist es aus Sicht des Anbieters empfehlenswert, die Erklärungsformen so eindeutig wie möglich zu wählen und von den üblichen Eingaben abzugrenzen. So ist anzuraten, bei der Abgabe von Willenserklärungen im Internet, die durch das blosse Anklicken eines Hyperlinks oder Drücken der Eingabetaste abgegeben werden sollen, die Erklärung und deren Inhalt möglichst aufällig und eindeutig zu gestalten.29 c) Vollautomatisierte Abgabe bei der Computererklärung Bei der Computererklärung liegt mit Abschluss der Vorbereitungshandlungen des Anlagenbetreibers oder seines Gehilfen regelmässig noch keine Willenserklärung vor. Inhalt, Zeitpunkt und Adressat werden erst durch die EDV festgelegt. Diese konkretisiert die Erklärung, wie aufgezeigt wurde, und übermittelt diese automatisch (Erklärungsvollzug). Bei der Computererklärung besteht damit die Besonderheit, dass die Abgabe, in Abweichung vom Regelfall, nicht schon dann erfolgt, wenn der Erklärende seinerseits alles getan hat, was zum Wirksamwerden der Erklärung nötig ist. Damit stellt sich die Frage, wie die Abgabe bei der Computererklärung zu definieren ist. Die Beantwortung der Frage hat das „funktionale Zusammenspiel 26 27 28 29 unmittelbar über die Website des Anbieters im Internet, der den E-Mail Account in der Regel bereithält (z.B. GMX, <http://www.gmx.de> oder Hotmail, <http://www.hotmail.com>). Anders bei der nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung. Da die Abgabe einer nichtempfangsbedürftigen Willenserklärung zwar auch eine bewusste Äusserung des Erklärenden verlangt, die aber mangels geeignetem Adressaten nicht zielgerichtet zu sein braucht, kann die Abgabe auch schon durch endgültiges Speichern der Erklärung erfolgen, vgl. Kuhn, § 8 I, S. 87. Ultsch, DZWir 1997, S. 466, 469; Taupitz/Kritter, JuS 1999, S. 840. Vgl. unten § 6 II 3; S. 418. Schuster, Vertragshandbuch Telemedia, S. 92 Rn 158. 74 zwischen Mensch und Maschine“ bei der Abgabe einer Computererklärung zu berücksichtigen. Nach der hier vertretenen Ansicht ist eine Computererklärung abgegeben, wenn der generelle Rechtsfolgewille des Anlagenbetreibers durch die EDV endgültig konkretisiert und sich in einer nach aussen erkennbaren Weise manifestiert hat. An die Stelle des konkreten Abgabewillens, der auf Abgabe einer bestimmten Erklärung gerichtet ist, tritt bei der Computererklärung der generelle Abgabewille des Anlagenbetreibers, dessen Vollzug durch die EDV erfolgt.30 Mit anderen Worten liegt eine willentliche Äusserung des Anlagenbetreibers bei der Computererklärung immer dann vor, wenn die automatisiert erstellte Erklärung den systeminternen Bereich der EDV verlassen und auf dem Weg zum Empfänger gebracht worden ist, etwa wenn die Erklärung dem Telekommunikationsnetz31 zur Weiterleitung an den Adressaten übergeben wird oder auf dem Bildschirm zur Kenntnisnahme durch Dritte dargestellt wird. Dies gilt auch für den Fall, dass eine Computererklärung fälschlicherweise durch einen Fehler im EDV- oder Telekommunikationssystem ausgelöst wurde. Zwar wird regelmässig gefordert, dass die Erklärung mit Willen des Erklärenden in den Verkehr gebracht sein muss. Dies ist für die Computererklärung dahingehend einzuschränken, dass ein genereller Abgabewille des Anlagenbetreibers oder seines Gehilfen ausreicht. Entsprechend den Überlegungen zum fehlenden Erklärungsbewusstsein, wird dem Anlagenbetreiber daher der Abgabewille nach dem Risikoprinzip normativ zugerechnet, sofern das diesbezügliche Vertrauen des Erklärungsempfängers schützenwert ist. Die Situation des fehlenden Erklärungsbewusstseins ist mit dem Fall des fehlenden Abgabewillens durchaus vergleichbar. Während der Anlagenbetreiber sich beim Fehlen des Erklärungsbewusstseins der rechtsgeschäftlichen Bedeutung seines Handelns nicht bewusst ist, will er bei Fehlen des Abgabewillens die Rechtswirkungen seines Erklärungsentwurfs nicht oder noch nicht herbeiführen.32 2. Zugang Eine unter Abwesenden abgegebene Willenserklärung wird nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie dem Empfänger zugeht.33 Was unter Zugang einer Willenserklärung zu verstehen ist, sagt das BGB jedoch nicht, sondern setzt diesen lediglich voraus.34 Nach überkommener Auffassung ist Zugang im Sinne des § 130 Abs. 1 S. 1 BGB gegeben, sobald die Willenserklärung 30 31 32 33 34 Vgl. oben Abbildung 6 („Das funktionelle Zusammenspiel von Mensch und EDV bei der Computererklärung“), S. 65. So etwa bei Dialog-Systemen, wenn die Erklärung der EDV des Online Anbieters nach der Verarbeitung der durch den Kunden eingegebenen Daten ins Internet eingespeist wird. Medicus AT Rn 266; Flume AT, § 14 II 2, S. 266 dort Fn 10; Kuhn § 8 I, S. 90. Das entspricht der Regelung in Art. 15 (1) CISG, die jedoch enger formuliert nur vom Zugang eines Angebots spricht. Anders dagegen Art. 24 CISG, der den Zugang als solchen legaldefiniert. Danach geht ein Angebot, eine Annahmeerklärung oder sonstige Willenserklärung dem Empfänger zu, wenn sie ihm mündlich gemacht wird oder wenn sie auf anderem Wege ihm persönlich, an seiner 75 „derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, er könne von ihr Kenntnis erlangen“.35 Umstritten ist jedoch der Anwendungsbereich der in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB formulierten Empfangstheorie. Entsprechend dem Wortlaut wird herkömmlich zwischen Willenserklärung unter Abwesenden und unter Anwesenden unterschieden. Abwesenheit wird nach überwiegender Ansicht als räumliche Trennung von Sender und Empfänger verstanden, von der neueren Lehre jedoch zunehmend als das Fehlen eines direkten Übermittlungskontakts aufgefasst.36 Innerhalb der beiden Fallgruppen anwesend und abwesend wird noch einmal zwischen verkörperten und nicht verkörperten Willenserklärungen entschieden. Unter Verkörperung wird die dauerhafte (oft schriftliche) Niederlegung der Erklärungszeichen verstanden. Im Gegensatz hierzu stehen die flüchtigen, nichtverkörperten (insbesondere mündlichen) Willenserklärungen.37 a) Anwendbarkeit der Empfangstheorie (auch) auf verkörperte Erklärungen unter Anwesenden Einigkeit besteht darüber, dass die Empfangstheorie des § 130 S. 1 BGB für das Wirksamwerden von verkörperten Erklärungen sowohl unter Abwesenden als auch unter Anwesenden gilt.38 b) Zugang unverkörperter Willenserklärungen unter Anwesenden Für den Zugang unverkörperter Willenserklärungen unter Anwesenden enthält das Gesetz keine ausdrückliche Regelung. Im wesentlichen werden drei Ansichten vertreten. Nach der h.M. gilt die sogenannte Vernehmungstheorie. Wird unter Anwesenden eine nicht verkörperte Willenserklärung abgegeben, tritt an Stelle des Zugangs die Wahrnehmung durch den Erklärungsempfänger.39 Bei einer mündlichen Erklärung bedürfe der Erklärungsempfänger in besonderem Masse des Schutzes, weil er wegen der Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes die Erklärung nur sofort oder überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen kann. Eine nichtverkörperte 35 36 37 38 39 Niederlassung oder Postanschrift oder, wenn diese fehlen, an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort zugestellt wird.“ Ständige Rechtsprechung; vgl. BGHZ 67, 275; BGH NJW 1980, S. 990; NJW 1983, S. 929; BGH NJW-RR 1998, S. 977; für die Literatur vgl. Jauering; § 130 Rn 5; Palandt/Heinrichs, § 130 Rn 5; Soergel/Hefermehl, § 130 Rn 8. Köhler AT, § 6 II Rn 13; Medicus AT, Rn 288; Brinkmann, S. 23, 85; John AcP 184 (1984), S. 390. Staudinger/Dilcher, § 130 Fn 39; John AcP 184 (1984), S. 385 schlägt an Stelle des Begriffs „Verkörperung“ den Begriff „Speicherung“ vor. RGZ 83, S. 106. Palandt/Heinrichs, § 130 Rn 3, der jedoch von der eingeschränkten Vernehmungstheorie ausgeht. 76 Willenserklärung wird danach wirksam, wenn sie der Empfänger wahrnimmt, d. h. akustisch, nicht notwendig aber inhaltlich richtig verstanden hat.40 Ihren Sinn braucht er nicht zu erfassen. Ohne Bedeutung ist die von der älteren Literatur41 und heute nur noch ganz vereinzelt42 vertretene gegenteilige Ansicht, wonach auch auf das Wirksamwerden unverkörperter Willenserklärungen unter Anwesenden die Empfangstheorie anzuwenden sei. Eine dritte, vermittelnde Ansicht wendet auf das Wirksamwerden unverkörperter Erklärungen unter Anwesenden die Vernehmungstheorie an, schränkt diese jedoch im Interesse des Verkehrsschutzes ein. Nach der sogenannten abgeschwächten oder eingeschränkten Vernehmungstheorie steht der Anschein, der Erklärungsempfänger habe die Erklärung richtig vernommen der tatsächlichen Vernehmung gleich, wenn für den Erklärenden vernünftigerweise kein Anlass zu Zweifeln besteht. Die Erklärung wird danach wirksam, wenn der Erklärende nach für ihn erkennbaren Umständen zweifelsfrei davon ausgehen kann, dass die Erklärung akustisch richtig verstanden wurde.43 Bei Zweifeln muss der Erklärende dafür Sorge tragen, dass der Empfänger seine Erklärung richtig verstanden hat und sich diesbezüglich vergewissern, sonst trägt er das Risiko. c) Wirksamwerden unverkörperter Willenserklärungen unter Abwesenden Entsprechend uneinheitlich sind die in der Literatur vertretenen Lösungen für das Wirksamwerden unverkörperter Willenserklärungen unter Abwesenden. Hierzu werden insbesondere die Fälle der mündlichen Übermittlung per Bote und der hier interessierenden Erklärung durch optische oder akustische Signale gezählt.44 Es besteht Streit, ob für die rechtliche Beurteilung die Abwesenheit des Erklärungsempfängers oder die fehlende Verkörperung der Erklärung entscheidend ist. Stellt man auf die Abwesenheit ab, soll das Wirksamwerden der Erklärung nach der Empfangstheorie45 beurteilt werden. Die h.M. wendet auf nicht verkörperte Willenserklärungen unter Abwesenden daher die in § 130 S. 1 BGB normierte Empfangstheorie entsprechend an. Für das Wirksamwerden der nicht verkörperten Willenserklärung komme es nicht, wie bei einer Erklärung unter Anwesenden darauf 40 41 42 43 44 45 BGH WM 1989, 652; BAG ZIP 1982, 1467; BayObLG NJW-RR 1996, 524; MüKo/Einsele, § 130 Rn 28; Staudinger/Dilcher, § 130 Rn 14; Flume AT, S. 240. Von Tuhr II 1, S. 439. Wolf AT, S. 338; Duffner/Wittner, JuS 1978, S. 691. MüKo/Einsele, § 130 Rn 28; Palandt/Heinrichs, § 130 Rn 14, Soergel/Hefermehl, § 130 Rn 21; Larenz § 26 Rn 32. Burghard, AcP 195 (1995), S. 82. Wird die Willenserklärung gegenüber einem zur Entgegennahme von Willenserklärungen gemäss § 164 Abs. 3 BGB bevollmächtigten Person (Empfangsvertreter) abgegeben, so handelt es sich nicht um eine Erklärung unter Abwesenden, sondern um eine Erklärung unter Anwesenden (BGH NJW 1973, S. 798). Die Voraussetzungen des Zugangs müssen in der Person des Vertreters erfüllt sein. Auf die tatsächliche Weitergabe an den Vertretenen kommt es nicht an. 77 an, ob sie unmittelbar vom Empfänger vernommen wird. Denn die Erklärung sei, wie wenn sie verkörpert wäre, im Gedächtnis der Mittelsperson festgehalten.46 Bei der Abgabe oder beim Empfang von Erklärungen durch Mittelspersonen ist zu unterscheiden: Bei Benutzung eines Boten wird die Erklärung des Erklärenden vom Boten als eine Art Transportmittel überbracht (sog. Erklärungsbote47) oder vom Empfangsboten, vergleichbar einem Briefkasten, entgegengenommen. Der Empfangsbote wird daher dem Machtbereich des Empfängers zugerechnet. Empfangsbote ist wer vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen bestellt worden ist oder nach der Verkehrsanschauung als bestellt anzusehen ist.48 Entscheidend ist, ob die Mittelsperson, die kraft § 130 S. 1 BGB als Empfangsbote fungiert, bereit und nach der Verkehrsauffassung geeignet ist, dem Empfänger zuverlässige Kenntnis vom Inhalt der richtig vernommenen Erklärung zu verschaffen.49 Eine gegenüber einem Empfangsboten abgegebene Erklärung geht in dem Zeitpunkt zu, in dem nach dem regelmässigen Verlauf der Dinge die Weiterleitung an den Adressaten zu erwarten war.50 Übermittelt der Empfangsbote die Erklärung verspätet, falsch oder überhaupt nicht, so geht dies zu Lasten des Empfängers. Die Mittelsperson muss ausdrücklich oder nach der Rechtsanschauung zur Empfangnahme von Erklärungen legitimiert, geeignet und gewillt sein. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen ist dieser lediglich Erklärungsbote, die Erklärung geht nur zu, wenn sie dem Empfänger richtig und vollständig übermittelt wird.51 Der Erklärende trägt aber m.E. – entgegen der Rechtsprechung des BAG52 – nicht das Risiko der eigenmächtigen Annahmeverweigerung. Verweigert der Empfangsbote die Annahme, ohne dass der Empfänger etwa durch vorherige Absprache Einfluss genommen hat, so geht die Erklärung nicht zu. Stellt man dagegen auf die fehlende Verkörperung der Erklärung als das entscheidende Kriterium für die Beurteilung des Wirksamwerdens ab, so wird konsequenterweise die Vernehmungstheorie oder die eingeschränkte Vernehmungstheorie53 für anwendbar gehalten. Die Erklärung 46 47 48 49 50 51 52 53 Soergel/Hefermehl, § 130 Rn 16a. Handelt es sich bei der Mittelsperson um einen Erklärungsboten d. h. um eine nach der Verkehrsanschauung (oder mangels Eignung) nicht zur Entgegennahme von Erklärungen ermächtigte Person, wird die Erklärung nach allgemeiner Meinung nur dann wirksam, wenn sie dem Empfänger richtig übermittelt wird, RGZ 60, 337. Palandt/Heinrichs, § 130 Rn 9, vgl. auch die Parallelvorschrift des § 181 ZPO. Flume AT, § 14. 3 lit. d). RGZ 60, 336; 61, 125, 127; BGH NJW-RR 1989, S. 758; Palandt/Heinrichs, § 130 Rn 9, Soergel/Hefermehl, § 130 Rn 140. RGZ 60, 337. BAG, Urteil vom 11.11.1992 – 2 AZR 328/92 = NJW 1993, S. 1093, zur Frage der Annahmeverweigerung eines Kündigungsschreibens des Arbeitgebers, durch ein als Empfangsbote anzusehendes Familienmitglied des abwesenden Arbeitnehmers. Koppers, GruchB 46 (1902), S. 225, 228; Flad in: Planck’s Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Aufl. 1913, § 130 Rn 1 c); Oertman, § 130 Rn 4 c): Zitate nach Burhard, AcP 195 (1995), S, 82. Nach dieser Ansicht wird eine mündliche Erklärung mittels Empfangsboten daher erst wirksam, wenn er diese dem Empfänger ausrichtet. Dieser Auffassung folgen andere Autoren nicht, die ebenfalls der Ansicht sind. Die eigentlich massgebliche Unterscheidung sei nicht die zwischen Abwesenheit und Anwesenheit, sondern die zwischen Verkörperung und Nicht Verkörperung, Staudinger/Dilcher § 130 Rn 9; Medicus AT, Rn 284, Rn 291. 78 wird erst wirksam, wenn und soweit der Absender davon ausgehen darf, der Empfänger habe die Erklärung richtig verstanden. d) Zusammenfassung Die in der Literatur und von der Rechtsprechung vertretenen Konzepte zur Beurteilung des Zugangs von Willenserklärungen lassen sich vereinfacht wie folgt darstellen: Abbildung 7: Unterschiedliche Konzepte Willenserklärungen Verkörperte Willenserklärung zur Beurteilung Zugangs Unter Abwesenden Unter Anwesenden „Empfangstheorie“ § 130 S. 1 BGB „Empfangstheorie“ § 130 S. 1 BGB (analog) a) Abwesenheit des Empfängers: „Empfangstheorie“ Nichtverkörperte Willenserklärung des oder b) Nichtverkörperung der Erklärung: „Vernehmungstheorie“ bzw. „abgeschwächte oder eingeschränkte Vernehmungstheorie“ von a) „Empfangstheorie“ oder b) „Vernehmungstheorie“ oder c) „abgeschwächte oder eingeschränkte Vernehmungstheorie“ Die Anwendung der Empfangs- oder Vernehmungstheorie und damit die grundlegende Risikoverteilung hinsichtlich des Verlustes, der Verstümmelung und Verzögerung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen hängt nach der Systematik des BGB davon ab, ob die Erklärung unter Anwesenden oder Abwesenden, verkörpert oder unverkörpert abgegeben wird. Damit stellt sich die Frage wie das Wirksamwerden von Willenserklärung beim Einsatz moderner Kommunikationsmittel in dieses Schema eingeordnet werden kann. 79 III. Einordnung der modernen Kommunikationsmittel 1. Streitstand a) Anwendbarkeit der Empfangstheorie aa) Nach der Rechtsprechung54 und der ganz herrschenden Lehre55 ist auf das Wirksamwerden von Willenserklärungen bei der Nutzung moderner Kommunikationsmittel die Empfangstheorie anzuwenden. Ohne nähere Begründung werden Erklärungen mittels Telex und Telefax als verkörperte Erklärungen unter Abwesenden betrachtet, die zu ihrer Wirksamkeit des Ausdrucks bedürfen56. Zugang trete nicht schon mit dem vom Empfänger lesbaren Signaleingang, sondern erst mit dessen Ausdruck ein. Willenserklärungen mittels Telefax seien im Geschäftsverkehr erst dann zugegangen, wenn das Empfangsgerät die Sendesignale vollständig empfangen (gespeichert) und vollständig ausgedruckt hat, so dass sie vom Empfänger unter gewöhnlichen Umständen zur Kenntnis genommen werden können.57 Daher erfolge kein Zugang bei ausdruckshindernden Störungen wie z.B. Papierstau am Empfangsgerät58. Unleserlichkeit oder Fehlen des Ausdrucks hindere mangels Erklärungsverlautbarung59 bzw. Möglichkeit der Kenntnisnahme60 den Zugang. Sei die ausdruckshindernden Störung auf das Empfangsgerät zurückzuführen, stelle das ein Zugangshindernis dar.61 Das Risiko liege beim Erklärenden, da er die Übermittlungsart gewählt habe. Die Situation sei mit dem unzustellbaren Übergabe-Einschreiben vergleichbar: Der Benachrichtigungszettel entspreche dem unverständlichen Signaleingang, die Abholung des Briefs dem Ausdruck.62 Teilweise wird bei fehlerhaftem Ausdruck auch angenommen, den Empfänger treffe u.U. eine Nebenpflicht den Erklärenden zu benachrichtigen.63 BtxNachrichten seien wie Postfachsendungen zu behandeln, so dass Zugang erst eintrete, wenn der Empfänger die Erklärung abrufen könne.64 Auf die Übermittlung von Erklärungen im Rahmen des elektronischen Datenaustausch zwischen Unternehmen, die hierüber besondere Rahmenvereinbarungen geschlossen haben, 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 Vgl. für Telefax: LAG Hamm, ZIP 1993, S. 1109; für Btx: OLG Oldenburg, DB 1993, S. 532; für Telex: OLG Karlsruhe, NJW 1973, S. 1611; OLG Köln, Urteil vom 1. Dezember 1989, Az. 6 U 10/89 = NJW 1990, S. 1608. Köhler AT, § 6 II Rn 18. MüKo/Einsele, § 130 Rn 20; Jauernig, § 130 Rn 5; Erman/Palm, § 130 Rn 9. Soergel/Hefermehl, § 130 Rn 13b. Jauernig, § 130 Rn 5. Staudinger/Dilcher, §130 Rn 41. Soergel/Hefermehl, § 130 Rn 13. LAG Hamm, ZIP 1993, S. 1109. Jauernig, § 130 Rn 5. Staudinger/Dilcher, §130 Rn 41. OLG Köln, NJW 1990, S. 1609; Paefgen, Jus 1988, S. 594, vgl. zur Illustration Abbildung 24 („Beispiel einer Btx-Seite), S. 341 80 Electronic Data Interchange (EDI)65, wird die Empfangstheorie ebenfalls angewandt. Danach sei der Zugang schon gegeben, wenn die Daten „den zumeist posteigenen Übertragungsweg verlassen haben und über eine Schnittstelle hinweg in die EDV Anlage (...) gelangt sind“.66 Willenserklärung mittels E-Mail gehen dem E-Mail Adressaten nicht schon mit der Übermittlung an seinen Provider, sondern erst mit dem Eingang im elektronischen Briefkasten (Mailbox) zu.67 b) Anwendbarkeit der eingeschränkten Vernehmungstheorie Nach der Gegenansicht richtet sich das Wirksamwerden empfangsbedürftiger Willenserklärungen bei der Nutzung moderner Kommunikationsmittel grundsätzlich nach der eingeschränkten Vernehmungstheorie. Diese wird jedoch im Ergebnis völlig unterschiedlich angewandt wird. Teilweise wird innerhalb dieser Ansicht vertreten, die Erklärung werde bereits mit Signaleingang wirksam. Störung des Empfangsgeräts habe der Empfänger zu vertreten.68 Andere Stimmen verlangen, dass die Erklärung nach dem Signaleingang beim Adressaten korrekt abgespeichert werde. und sich der Absender diesbezüglich erkundige. Am Zugang fehle es daher, wenn die Speicherung aufgrund technischer Fehler versagt oder die Verkörperung in einem Druckerauszug misslingt.69 Eine dritte Ansicht wendet die eingeschränkte Vernehmungstheorie schliesslich im herkömmlichen Sinne an. Danach wird die Erklärung erst wirksam, wenn der Erklärende nach den für ihn erkennbaren Umständen davon ausgehen könne, der Empfänger habe die Erklärung richtig und vollständig verstanden.70 65 66 67 68 69 70 „Electronic Data Interchange (EDI) bezeichnet den standardisierten elektronischen Austausch von vertraglichen oder handelsbegleitenden Geschäftsdokumenten (z.B. Bestellungen, Auftragsbestätigungen, Rechnungen, Zollerklärungen, Frachtbriefe, usw.) zwischen unabhängigen Computern [...]. Weil der Einsatz von EDI gewisse technische MinimalInfrastrukturen voraussetzt, handelt es sich vornehmlich um eine Geschäftsabwicklungsform für Unternehmen...“, Weber, E-Commerce, S. 407. Fritzmeyer/Heun, CR 1992, S. 130. Nunmehr allgemein für den Zugang bei modernen Kommunikationsmitteln, Heun, CR 1994, S. 595 ff. Wenn der Datenfluss das Empfangsgerät erreicht habe, sei die Willenserklärung zugegangen, auch wenn die Daten nicht vollständig oder korrekt vom Empfänger erfasst würden. Soergel/Hefermehl, § 130 Rn 13d; Ultsch, NJW 1997, S. 3008. Tschentscher, CR 1991, S. 141, 148. Vgl. Kuhn, § 8 II, S. 99. Komme der Erklärende seiner Nachfrageobliegenheit nicht nach und gehe die Erklärung vor Speicherung bzw. Kenntnisnahme unter, so werde die Erklärung nicht wirksam. Köhler, Automatisierte Rechtsvorgänge, S. 140; anders ders., nunmehr allgemein für die Empfangstheorie beim Einsatz moderner Kommunikationssysteme, Köhler AT, § 6 II Rn 18. 81 c) Der Zugang prozessualer Erklärungen nach der Rechtsprechung Aus der Sicht des Erklärenden wesentlich grosszügiger beurteilt die Rechtsprechung den Eingang prozessualer Erklärungen.71 Diese folgen nicht § 130 BGB, sondern eigenen Regeln, die hier zur besseren Einordnung des Problems kurz dargestellt werden. Danach ist eine Erklärung bereits eingegangen, wenn die Signale vollständig in das Empfangsgerät gelangt sind, und zwar auch dann, wenn die Erklärung infolge einer technischen Störung des Empfangsgeräts unvollständig oder unleserlich ausgedruckt wird.72 Wird der Inhalt einer Berufungsbegründungsschrift mittels Telefax vollständig durch elektronische Signale des Prozessbevollmächtigten zum Empfangsgerät des Rechtsmittelgerichts übermittelt, dort aber infolge technischer Störungen – etwa eines Papierstaus – nicht vollständig und fehlerfrei durch dass Empfangsgerät ausgedruckt, so ist nach der Rechtsprechung des BGH dennoch von einem im Zeitpunkt der Telefaxübermittlung erfolgten Eingang des Schriftstücks auszugehen, wenn sein der Übertragung zugrunde liegender Inhalt anderweitig feststellbar ist.73 Risiken und Unsicherheiten, die allein in der Sphäre des Gerichts liegen, dürften bei der Entgegennahme fristgebundener Schriftsätze nicht auf den rechtssuchenden Bürger abgewälzt werden.74 Wenn dem Sender keine Anhaltspunkte für einen mangelhaften Ausdruck auf Empfängerseite vorliegen, treffe ihn keine Erkundigungspflicht. Der Rechtsanwalt darf sich ohne Verschulden auf einen störungsfreien Betrieb verlassen.75 Sind die Signale dagegen nicht oder nicht vollständig von der Schnittstelle in das Empfangsgerät gelangt, sei kein Eingang gegeben.76 Liegen die Gründe hierfür in der Sphäre des Gerichts, etwa weil infolge eines Fehler in der Funktion des Empfangsgeräts oder durch fehlerhafte Bedienung keine Verbindung zustande gekommen oder diese wieder abgebrochen worden ist, stellt dies einen Wiedereinsetzungsgrund dar.77 Fragwürdig ist jedoch, ob die für prozessuale Erklärungen geltende Risikoverteilung zwischen Absender und Empfänger bei technischen Störungen in der Sphäre des Gerichte auch im Privatrechtsverkehr gilt, wie es der BGH als nicht fernliegend angedeutet hat.78 71 72 73 74 75 76 77 78 Burghard, AcP 195 (1995), S. 85 BGHZ 105, 49; BGH, FamRZ 1991, S. 548; VersR 1991, S. 895; NJW 1994, S. 2097, a.A. LAG Hamm, Urteil vom 13.01.1993 – 14 Sa 1486/92 = NZA 1994, S. 335: „Wird ein Schriftsatz zur Wahrung einer Ausschlussfrist per Telefax an das Gericht gesandt und weist der Sendebericht aus, dass das Fax rechtzeitig abgegegangen und der Sendeimpuls beim Faxgeräts des Gerichts angekommen ist (sogenannter „o.k.-Sendung“-Vermerk), so ist die Frist dennoch nicht gewahrt, wenn die eingegangen Sendeimpulse vom Faxgerät nicht in stofflich fassbare Buchstaben umgewandelt worden sind.“ BGH NJW 1994, S. 1881 für die Berufungsbegründung. BVerfG NJW 1986, S. 2986, 2987. Ebnet, NJW 1992, S. 2988, m.w.N.; BGH, NJW 1993, S. 732; NJW 1993, S. 1665; NJW-CoR 1993, S. 28; Thomas/Putzo, § 234 Rn 52. BGH, NJW 1992, S. 244. BGH NJW 1992, S. 244; OLG München, NJW 1991, S. 303. BGH NJW 1995, S. 667. 82 2. Konvergenz der Telekommunikationsmittel Konnte man früher davon ausgehen, dass Nachrichten nur innerhalb des selben Mediums ausgetauscht werden, hat sich die Sachlage heute verändert. Hintergrund ist eine Entwicklung, die als Konvergenz79 bezeichnet wird. Konvergenz im hier interessierenden Zusammenhang beschreibt den Prozess des Zusammenwachsens der ursprünglich weitgehend unabhängig funktionierenden Telekommunikationsmedien wie Telex, Fax, E-Mail, Internet, Voice Call (Sprachnachrichten) oder SMS, d. h. der Austausch von Textnachrichten über Mobiltelefone80. Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Informations- und Kommunikationsmedien wird dadurch erheblich vereinfacht. Moderne Telekommunikationsmittel ermöglichen dem Nutzer heutzutage den Austausch von Nachrichten über die Systemgrenzen hinweg und sind nicht mehr an ein bestimmtes Medium gebunden (Interoperabilität). Gateways beispielsweise verbinden herkömmliche Telefondienste mit Internet-Telefondiensten und umgekehrt. Nachrichten wie der Versand und Empfang von Kurznachrichten, von derzeit bis zu 160 Zeichen über Mobiltelefone (Short-Message-Service, kurz: SMS), E-Mail oder Fax, können über das Internet geleitet und an unterschiedliche Empfängermedien weitergegeben werden. So ist es beispielsweise möglich mittels Faxgerät eine E-Mail zu versenden oder eine SMS zu erstellen, die dem Empfänger wahlweise am Telefon vorgesprochen (Text to speech) oder als Fax oder E-Mail übermittelt wird. Dienstleister übernehmen die Konvertierung der Daten und deren Transformation in das gewünschte Empfängermedium. Der Empfänger seinerseits muss nicht mehr zwingend über das entsprechende Empfangsmedium verfügen. Er kann die Nachrichten über eine zentrale, multifunktionale Einrichtung empfangen und diese einzeln oder gebündelt an ein Empfangsgerät seiner Wahl weiterleiten lassen oder diese bei Bedarf beim Dienstanbieter abrufen. Abbildung 8: Konvergenz der Telekommuniationsmittel und -medien Absender Telefax PC Internet E-Mail Telefon Handy 79 80 Empfänger Daten Text Bild Ton Telefax PC Internet E-Mail Telefon Handy Die grundlegende Bedeutung des Begriffes Konvergenz stammt aus den Bereichen der Mathematik und Medizin. Konvergenz bedeutet demnach Annäherung, Zusammenlaufen, Streben nach demselben Ziel, Übereinstimmung. Der Erfolg von SMS liegt in der einfachen Bedienung und der garantierten Zustellung mit Rückmeldung. 83 Sichtbares Zeichen der fortschreitenden Konvergenz der Telekommunikationsmedien ist das sog. „virtuelle Büro“, das dem Nutzer ein zentrales Informationsmanagement von jedem beliebigen Ort aus erlaubt. Dabei werden die unterschiedlichen Kommunikationssysteme miteinander gekoppelt, um dem Nutzer die Vorteile der jeweiligen Systeme bieten zu können. Sog. Unified Messaging (UM) Systeme fassen die gängigen Nachrichtensysteme wie Telefax, E-Mail, SMS oder Sprachnachrichten in Dateiform (Voice Mail) über eine einzige Schnittstelle zusammen (Multifunktionalität). Die Schnittstelle im privaten Bereich ist häufig eine Internet Seite, auf der alle eingehenden Mitteilungen gesammelt und verwaltet werden.81 Die Anbieter vergeben zu diesem Zweck kostenlose E-Mail Adressen, auf die man unabhängig vom Zugangsprovider von jedem Internet-Zugang aus zugreifen kann. Der Nutzer kann dabei via Internet sein elektronisches Postfach verwalten, ohne zuvor die Nachrichten und deren Text, Ton, Bild – oder Datenanhänge herunterzuladen zu müssen. Die Verwaltung erfolgt über eine speziell programmierte Bildschirmmaske (Web-Frontend), die die entsprechenden Funktionen beinhaltet. Der Nutzer autorisiert sich nach dem Abruf der Internetseite mit seiner Kennung und seinem Passwort und erhält so weltweit Zugriff auf die für ihn gespeicherten Daten. Über eine persönliche Telefonnummer, die es ebenfalls vom UM-Anbieter gibt, landen an den Empfänger adressierte Telefaxe als Grafikdateien ebenso im eigenen elektronischen Briefkasten wie Sprachmitteilungen oder Pager-Text Nachrichten. Beim Abruf findet man die Voice- und Telefaxnachrichten in Dateiform im elektronischen Postfach. wird. Der Empfänger kann diese falls gewünscht an eine entsprechende E-Mail angehängt herunterladen und mittels dem Empfangsgerät darstellen bzw. akustisch wahrnehmen. Die zunehmende Synchronisation der Telekommunikationsmittel einerseits und der Telekommunikationsmedien anderseits ist Ursache und Wirkung der Konvergenz zugleich. Angesichts der zunehmenden Interoperabilität der Telekommunikationsmittel und der beschriebenen Multifunktionalität ist eine Beurteilung des Zugangs allein anhand der eingesetzten Telekommunikationsmittel wenig sinnvoll. Notwendig ist eine netzwerkorientierte Betrachtung, die dem Phänomen moderner Telekommunikation insgesamt gerecht wird und nicht mehr zwischen dem Netz als solchen, (d. h. dem Telekommunikationsmittel) und der über das Netz erbrachten Leistung, (d. h. der Übertragung Daten, Text, Bild oder Ton), trennt. 81 Z.B. folgende Freemailer mit kostenlosen UM-Angeboten: DirectBOX <http://www.directbox. com>; ePost <http://www.epost.de>; Freemail-Web.de <http://www.freemail.de>; GMX <http://www.gmx.de>; Hotmail <http://www.hotmail.com>; smartvia <http://www.smartvia.de>; VLF.net <http://www.vlf.net>, wobei die Palette der angebotenen Dienste vom Versand von SMS-Nachrichten, über eine Voice-Mailbox bis hin zum E-Mail Vorleseservice variiert. 84 3. „Lebenszyklus“ einer Willenserklärung a) Zu welch unterschiedlicher Risikoverteilung die verschiedenen Ansichten führen, wird besonders deutlich, wenn man die einzelnen Phasen der Kommunikation zweier Vertragspartner betrachtet. Aus dem Bereich der Kybernetik82 ist das Modell von Megla83 bekannt, in dem eine Reihe von Phasen der Kommunikation unterschieden werden, die sich zu einem Nachrichtenkreis zusammenschliessen lassen. Der Nachrichtenkreis nach dem Megla-Modell unterscheidet dabei: (1) das Entstehen des Informationsbedürfnisses, (2) die Formung der Nachricht, (3) deren anschliessende Transformation in ein übertragungsfähiges Signal (Codierung), (4) die Beförderung des Signals durch den Kanal, (5) den Empfang und die Decodierung des Signals und an dessen Ende (6) das Verstehen der Nachricht. Von diesem Kommunikationsmodell ausgehend lässt sich die Informationsübertragung mittels moderner Telekommunikationsmittel, insbesondere Internet und E-Mail aufzeigen und für die Darstellung der unterschiedlichen Phasen der telekommunikativen Übertragung einer Willenserklärung nutzbar machen. Burghard84 hat hierfür den plastischen Begriff des „Lebenszyklus“ einer Willenserklärung geprägt. Die technische Besonderheit von über das Netz übertragenen E-Mail Erklärungen besteht darin, dass diese nicht direkt vom Absender zum Empfänger gelangen, sondern auf dem Mail Server des Anbieters (Provider) bis zum Abruf durch den Empfänger zwischengespeichert werden. In der nachfolgenden Abbildung 9 wird der Lebenszyklus einer E-Mail Erklärung dargestellt. Die Phasen (1) bis (13) kennzeichnen den Prozess von der gedanklichen Erstellung der Erklärung durch den Absender, der Übermittlung der Signale über das Netz, deren Abruf bis hin zur Kenntnisnahme der Nachricht durch den Empfänger. Die Kommunikation unter Einschaltung von technischen Einrichtungen, die die Erklärung für den Empfänger bereithalten, zerfällt entsprechend des Lebenszyklusses in verschiedene Schritte, die – auch wenn sie zeitlich zusammenfallen – potenziell Störungen unterliegen können85. 82 83 84 85 Die Kybernetik wird definiert als die Wissenschaft von den informationellen Strukturen im technischen und aussertechnischen Bereich. Allgemein lässt sich sagen, dass es sich bei der Kybernetik um eine Forschungsdenkweise handelt, die davon ausgeht, dass es einer automatischen Maschine möglich ist, sich zu kontrollieren und ein gewisses Ziel im Rahmen der modernen Technik bis hin zur kompletten Automation zu erreichen; Silbermann, Massenkommunikation und Medienforschung, S. 264. Zitat bei Flechtner, Grundbegriffe der Kybernetik, 1984, S. 64. Burghard, AcP 195 (1995), S. 86. Burghard, AcP 195 (1995), S. 88: Welche dies im Einzelfall sind, hängt von den Kommunikationsmitteln und dem konkreten Kommunikationsvorgang ab. Der hier dargestellte Lebenszyklus einer E-Mail Erklärung ist insofern nur beispielhaft. Demgegenüber können einzelne Schritte wegfallen (wie beispielsweise die individuelle Kenntnisnahme – Schritt (13) bei automatisierten Erklärungsvorgängen oder die Schritte (6) – (9) d. h. die Übertragung mittels Mail Servern und Speicherung in einer Mailbox bei der herkömmlichen Telefax Erklärung oder bei der Dialog-Kommunikation) oder zusammenfallen, wie etwa die Äusserung und Entäusserung bei mündlichen Erklärungen. 85 Innerhalb des Lebenszyklus einer E-Mail Erklärung kann unterschieden werden zwischen dem: Transport- oder Übermittlungsrisiko (das Risiko des Transports der Erklärung vom Absender über das Internet zum Zielrechner des Empfängers, dem sog. Mail Server, der die ankommende und ausgehende Post verwaltet), externen Speicherisiko (das Risiko der Zwischenspeicherung im E-Mail Server des Anbieters und der Ablage der Erklärung im elektronischen Postfach – Mailbox – des Empfängers), Abrufrisiko (das Risiko, auf die zwischengespeicherte Erklärung zugreifen zu können und diese über das öffentliche Telekommunikationsnetz zum Rechner des Empfängers zu transportieren), internen Speicherisiko (das Risiko, der Demodulation der empfangenen Signale und dauerhaften oder flüchtigen Speicherung der Erklärung beim Empfänger), Reproduktionsrisiko (das Risiko die gespeicherte Erklärung darzustellen und ggf. vervielfältigen zu können), Kenntnisnahmerisiko (das Risiko, die darstellbare Erklärung zur Kenntnis zu nehmen). 86 Abbildung 9: Lebenszyklus einer E-Mail (1) Gedankliche Erstellung der Erklärung (3) Vorbereitung der Abgabe d. h. Start des E-Mail Programms, sog. E-Mail Client und Verbindung mit dem Internet Service Provider (ISP) (4) Auslösen des Sendebefehls Transportrisiko (5) Modulation der Erklärung in digitale Signale (6) Übertragung der digitalen Signale zum Mail Server des Absenders mittels SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) Sphäre des Erklärenden (2) Eingabe der Erklärung auf dem Bildschirm (7) Übertragung der Signale mittels TCP/IP (Transfer Control Protocol/ Internet Protcol) über das Internet zum Zielrechner, dem Mail Server des Empfängers, der die ankommende und ausgehende Post verwaltet Abrufrisiko (8) (Zwischen-) Speicherung der Signale und Ablage der Erklärung in der Mailbox des Empfängers (9) Vorbereitung des Empfangs: Verbindung mit dem ISP und anschliessender Abruf der Mailbox: (a) Die E-Mail wird mittels POP (Post Office Protocol) vom Mail-Server zum Empfänger PC kopiert (download) oder (b) die E-Mail bleibt auf dem Mail-Server liegen und wird online gelesen und bearbeitet, dabei wird das IMAP (Internet Message Access Protocol) verwendet oder (c) die Nachrichten werden über eine spezielle Website des E-Mail Anbieters (WebFrontend) verwaltet und ggf. auf den Rechner des Empfängers heruntergeladen. (10) Die Signale erreichen die Schnittstelle zwischen öffentlichem Telefonnetz und der EDV des Empfängers. Internes Speicherrisiko (11) Die Signale werden vom Empfangsgerät/ E-Mail Client demoduliert und elektronisch gespeichert. Reproduktionsrisiko (12) Die Erklärung kann abgerufen, d. h. (am Bildschirm dargestellt und) der EDV entnommen werden. Erst wenn all dies gelingt, ist die Kenntnisnahme der Erklärung möglich. Kenntnisnahmerisiko (13) Der Empfänger Kenntnis. nimmt die Erklärung zur Sphäre des Empfängers Externes Speicherrisiko 87 b) Gerichtliche Entscheidungen speziell zum Wirksamwerden von Internet- und EMail Erklärungen liegen – soweit ersichtlich – nicht vor. Die eingangs dargestellten Ansichten in Rechtsprechung und Literatur betreffen den Zugang von Erklärungen mittels Telex, Telefax und dem früher verbreiteten Bildschirmtext (Btx)86 und können nicht unkritisch auf das Internet und die Mailbox Kommunikation übertragen werden. Die Rechtsprechung87 bejaht für den Eingang prozessualer Erklärungen mittels Faxgerät den Zugang bereits bei Überschreiten der Schnittstelle zwischen Telekommunikationsnetz und Empfangsgerät. Dieser Auffassung sind ebenfalls einige Autoren die auch im Privatrechtsverkehr, aufgrund der Empfangstheorie88 oder teilweise auch aufgrund der eingeschränkten Vernehmungstheorie89 das Wirksamwerden der Erklärung annehmen, wenn die Signale vollständig in das Empfangsgerät gelangt sind. Nach dieser Ansicht trägt der Erklärende lediglich das Transport- oder Übermittlungsrisiko der Erklärung. Nach der damit getroffenen Entscheidung für die Empfangstheorie, ist der Zugang mit der Übertragung der Signale über das Internet zum Zielrechner, dem Mail Server des Empfängers, erfolgt. Die Willenserklärung wäre danach mit Erreichen des siebten Schrittes wirksam geworden. Nach anderer Ansicht ist für das Wirksamwerden der Erklärung zusätzlich die Demodulation der Signale und Speicherung der Erklärung beim Empfänger notwendig.90 Überträgt man diese Ansicht auf die E-Mail-Übertragung, so wäre der Zugang erst mit der Zwischenspeicherung auf dem Mail Server und der Ablage in der Mailbox des Empfängers erfolgt (Schritt 8). Danach hätte der Erklärende neben dem Transportrisiko auch das externe Speicherrisiko zu tragen. Die h.M. geht noch einen Schritt weiter und bürdet dem Erklärenden neben dem externen Speicherrisiko auch noch das Abrufrisko, das interne Speicherisiko und das Reproduktionsrisiko auf.91 Die Erklärung ist danach erst in dem Zeitpunkt zugegangen, in dem der Empfänger die tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme habe. Dies sei der Fall, wenn die gespeicherte Erklärung vom Empfangsgerät vollständig und richtig abgerufen werden kann; in der Regel mit dem Ausdruck der Erklärung etwa durch das Faxgerät oder deren visueller Darstellung am Bildschirm. 86 87 88 89 90 91 Die Deutsche Telekom hat den Dienst Bildschirmtext (Btx) bzw. Datex-J bzw. heute T-OnlineClassic zum 31.12.2001 endgültig eingestellt, Pressemitteilung T-Online vom 14. November 2001, „T-Online stellt den klassischen Btx-Dienst ein“. Soweit nachfolgend in dieser Arbeit auf den Btx-Dienst verwiesen wird, bezieht sich dies auf die hierzu vorhandene umfangreiche Rechtsprechung und Literatur und die Nutzung bis zum 31.12.2001. S.o. Fn 72 und 73. Fritzmeyer/Heun, CR 1992, S. 130 für Zugang von EDI-Erklärungen; ebenso Friedmann, Bildschirmtext und Rechtsgeschäftslehre, S. 27 für den Zugang von Erklärung mittels Btx: „Wenn der Datenfluss das Empfangsgerät erreicht habe, sei die Willenserklärung zugegangen, auch wenn die Daten nicht vollständig oder korrekt vom Empfänger erfasst oder gespeichert würden“. Vgl. Heun, CR 1994, S. 598, der die Anwendung der Empfangstheorie nunmehr allg. für den Zugang von Willenserklärung bei Nutzung moderner Kommunikationsmittel befürwortet. Tschentscher, CR 1991, S. 148. John, AcP 184 (1984), S. 385 ff.; Kuhn § 8 II, S. 99. Vgl. auch Elzer/Jacoby, ZIP 1997, S. 1822, Pawlowski, AT, Rn 373: „Zugang erfordere nur, dass die Kenntnisnahme möglich und zu erwarten ist, dass der Speicherinhalt zunächst noch umgesetzt werden muss, ist unerheblich“. Vgl. Fn 54 - 57. 88 Übertragt man diese Ansicht auf die E-Mail Übertragung, so wäre der Zugang erst mit dem Abruf der Erklärung durch den Empfänger beim Mail-Provider und der anschliessenden Darstellung am Bildschirm mittels eines E-Mail Clients, d. h. mit Vollendung des 12. Schrittes, erfolgt. Der Erklärende hätte nach dieser Ansicht neben dem Transportrisiko das Risiko der externen Speicherung der Erklärung, das Risiko des Abrufs und das interne Speicherrisiko zu tragen. Nach vereinzelter Ansicht ist gar das Erreichen des 13. Schrittes notwendig, d. h. der Empfänger muss die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen haben.92 Das bedeutet, der Erklärende hat auch das Kenntnisnahmerisiko des Empfängers zu tragen. c) Für die Frage, welcher dieser Ansichten zu folgen sei, genauer gesagt, mit Vollendung welchen Schrittes eine Willenserklärung als zugegangen gilt, scheint es auch bei Erklärung mittels moderner Kommunikationstechniken darauf anzukommen, ob die Erklärung unter Anwesenden oder Abwesenden, verkörpert oder unverkörpert abgegeben wird und dementsprechend nach Empfangstheorie oder nach der eingeschränkten Vernehmungstheorie zu beurteilen ist. Indes ist gerade in Anbetracht der fortschreitenden Konvergenz93 fraglich, ob die herkömmliche Unterscheidung unter Berücksichtigung des eingesetzten Kommunikationsmittels überhaupt sachgerecht ist. 4. Interessengerechte Risikoverteilung a) Die Verteilung der Risiken nach der Empfangstheorie Zur Beantwortung der Frage ist es zunächst erforderlich, sich zu verdeutlichen, welche Sachprobleme mit der Empfangstheorie einerseits und der (eingeschränkten) Vernehmungstheorie andererseits gelöst werden sollen. Der historische Gesetzgeber wollte mit seiner Entscheidung für die Empfangstheorie die Verantwortlichkeiten und Risiken bei der Übermittlung von Willenserklärungen angemessen zwischen Absender und Empfänger verteilen. Der Absender soll das Risiko, der von ihm zu bewirkenden Übermittlung an den Empfänger bis zu dem Zeitpunkt tragen, ab dem normalerweise der Empfänger Kenntnis nehmen kann, dieser dagegen das Risiko, dass er aus Gründen, die in seiner Person oder Sphäre liegen, entweder überhaupt nicht oder erst später, als dies unter normalen Umständen zu erwarten ist, von der Erklärung Kenntnis nimmt. Nicht auf die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Empfänger kommt es an, sondern nur auf die vom Absender zu bewirkende abstrakte Möglichkeit der Kenntnisnahme, wie sie unter normalen Umständen gegeben ist. Dies ist nach der bekannten Formel der Fall: „,wenn die Erklärung derart in den 92 93 Vgl. Soergel/Hefermehl, § 130 Rn 13d; Köhler AT, § 6 II Rn 18, die der Ansicht sind bei privaten E-Mail, die ihre Mailbox nicht dem Empfang rechtsgeschäftlicher Erklärungen gewidmet haben, trete Zugang, nicht bereits mit dem Gelangen der Erklärung in den Machtbereichs des Empfängers, sondern ausnahmsweise erst mit der tatsächlichen Kenntnisnahme durch diesen. Vgl. oben § 2 III 2; S. 82. 89 Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass unter gewöhnlichen Umstände mit ihrer Kenntnisnahme zu rechnen ist“.94 Liegen auf Seiten des Empfängers besondere Umstände vor, die ihn an der Kenntnisnahme hindern, mit denen der Absender aber nicht rechnen musste, so fallen diese in die Risikosphäre des Empfängers. Dies muss a fortiori gelten, wenn der Empfänger trotz konkret vorliegender Möglichkeit der Kenntnisnahme die Erklärung fahrlässig oder absichtlich nicht wahrnimmt.95 Für die Verteilung des Risikos bedeutet dies: Der Erklärende trägt das Risiko, dass seine Erklärung den Empfänger nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erreicht. Wie es der Absender bewerkstelligt, dass die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt, ist seine Sache, sofern nicht ausnahmsweise besondere Vorschriften oder Vereinbarungen für die Form oder Übermittlung der Vereinbarung bestehen.96 Für den Zugang der Erklärung genügt noch nicht, dass sie objektiv in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist. Der Zugang ist erst vollendet, wenn unter gewöhnlichen Umständen mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist.97 Hier kommt es auf die Gepflogenheiten des Verkehrs an, zu welchem Zeitpunkt die entsprechende Erklärung gewöhnlich zur Kenntnis genommen wird. Ist die Erklärung aber zugegangen, so ist es nun das Risiko des Empfängers, dass er nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig von der Erklärung Kenntnis nimmt.98 b) Die Verteilung der Risiken nach der Vernehmungstheorie Ganz anders stellt sich die Situation bei nichtverkörperten Willenserklärungen dar. Die mündliche Erklärung unterscheidet sich dadurch wesentlich von einer schriftlichen, dass, sobald sie ausgesprochen wird auch schon wieder vergangen ist. Wer ein Schriftstück nicht genau gelesen oder seinen Inhalt vergessen hat, kann es erneut lesen und sich den Inhalt der Erklärung wieder ins Bewusstsein bringen. Anders die mündliche Erklärung, sie hat nur Bestand im Bewusstsein dessen, der es vernommen hat und in seinem Gedächtnis bewahrt.99 Selbstverständlich gilt dies auch für den Erklärenden. Darauf kommt es bei den hier interessierenden empfangsbedürftigen Willenserklärung jedoch nicht an. Bei einer mündlichen 94 95 96 97 98 99 BGH NJW 1998, S. 977; st. Rspr. Larenz AT (1989), § 21 II, S. 422. Von § 130 Abs. 1 S. BGB abweichende Parteivereinbarungen sind in den Grenzen des § 10 Nr. 6 AGBG zulässig. A.A. Larenz AT, § 26 II, Rn 8, S. 508. „Es reiche aus, wenn die Erklärung dem Empfänger in einer Art und Weise nahegebracht worden ist, dass er unter normalen Umständen von ihr Kenntnis nehmen kann. Nicht notwendig sei, dass die Erklärung auch in seinen räumlichern Herrschaftsbereich gelangt. Dies erleichtere zwar die Kenntnisnahme und könne als Indiz betrachtet werden, ist aber weder für sich allein zureichend noch unbedingt erforderlich. Es sei nicht zureichend, weil eine Kenntnisnahme häufig erst sehr viel später erwartet werden kann. Dass es nicht notwendig sei, zeige die allgemeine Behandlung von vom Empfänger bestellten postlagernden Sendungen. Diese seien bereits zugegangen, wenn sie im Postamt zur Abholung bereitgelegt sind, weil von diesem Augenblick an dem Empfänger die Kenntnisnahme möglich sei und unter normalen Verhältnissen auch erwartet werden könne“. Köhler AT, § 6 II Rn 13. Larenz AT, § 26 II Rn 30. 90 Erklärung bedürfe der Erklärungsempfänger in besonderem Masse des Schutzes, weil er wegen der Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes die Erklärung nur sofort oder überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen kann. Würde man auch bei nichtverkörperten Willenserklärung auf die blosse Möglichkeit der Kenntnisnahme abstellen, wäre der Erklärungsempfänger unangemessen benachteiligt. Dies spricht dafür, die mündliche Erklärung nur dann wirksam werden zu lassen, wenn der Empfänger sie richtig verstanden hat. Nach der h.L. gilt für mündliche Erklärungen nicht die Empfangstheorie, sondern die Vernehmungstheorie. Die Vernehmungstheorie soll eine angemessene Verteilung des Risikos zwischen Absender- und Empfängersphäre erreichen, indem für den Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer mündlichen Erklärung auf die akustische richtige Vernehmung beim Empfänger abstellt wird. Danach hat der Erklärende grundsätzlich dafür Sorge zu tragen, dass der Empfänger seine Worte richtig vernimmt. Es genügt also nicht wie bei der Empfangstheorie, dass die lediglich abstrakte Möglichkeit bestand, dass der Empfänger die Erklärung richtig und vollständig verstehen würde. Für die Verteilung der Risiken bedeutet dies der Erklärende hätte neben dem Transportrisiko auch das externe und interne Speicherisiko, und das Risiko des Empfängers, die Erklärung nicht oder nicht rechtzeitig oder fehlerhaft abrufen zu können zu tragen und wäre überdies auch für die Reproduktion der Erklärung und die Kenntnis des Erklärenden von deren Inhalt verantwortlich. c) Zwischenergebnis Die Favorisierung der (eingeschränkten) Vernehmungstheorie beruht letztlich auf der Vorstellung, dass es bei der telekommunikativen Übertragung an einer Streckung des Erklärungstatbestands fehle, weil Äusserung und Vernehmen zeitlich zusammenfallen100. Bei der Willenserklärung im Internet, insbesondere bei der EMail bildet das zeitliche Auseinanderfallen von Abgabe und Zugang („gestreckter Erklärungsvorgang“) aber den Normalfall, das Zusammenfallen von Äusserung und Vernehmung ist dagegen die Ausnahme. Es ist deshalb fraglich, ob die Vernehmungstheorie auch auf Willenserklärungen beim Einsatz moderner Kommunikationsmittel zu sachgerechten Ergebnissen führt. Dabei ist zu bedenken, dass die Vernehmungstheorie gegenüber der Empfangstheorie zu einer erheblichen Risikoausweitung zu Lasten des Erklärenden führt. Folgt man ihr, so findet der Risikoübergang nämlich erst beim Vernehmen, also erst im letzten Schritt des obigen Lebenszyklus einer E-Mail statt. Daran ändert auch die Einschränkung der Vernehmungstheorie nichts. Denn die Erklärung wird nur wirksam, wenn der Erklärende nach für ihn erkennbaren Umständen zweifelsfrei davon ausgehen kann, dass die Erklärung richtig verstanden wurde.101 Damit ist für den Erklärenden nichts 100 101 Mot. I, S. 160; Mugdan I, S. 668; Burghard, AcP 195 (1995), S. 88. Burghard, AcP 195 (1995), S. 87. 91 gewonnen. Denn vernünftige Zweifel am Vernehmen der Erklärung sind, wie es Jauernig102 treffend formuliert, „nur auszuräumen, wenn der Empfänger die Erklärung wörtlich wiederholt und der Erklärende die Wiederholung akustisch richtig versteht – ein Schrauben ohne Ende“. Zudem hat das Fehlen vernünftiger Zweifel nur die Bedeutung für den Beweis des Verstehens.103 Misst man dem Fehlen vernünftiger Zweifel dagegen auch materiell-rechtliche Bedeutung zu, so verwischt der Unterschied zur Empfangstheorie.104 In diesem Fall wäre nämlich, sofern der Erklärende davon ausgehen konnte, der Empfänger habe die Erklärung richtig verstanden, bei Nutzung moderner Kommunikationsmittel bereits mit Signaleingang,105 spätestens aber mit dessen Speicherung106 im Empfangsgerät wirksam zugegangen, unabhängig davon, ob der Empfänger diese tatsächlich vernommen hat – ein Ergebnis zudem auch die Empfangstheorie gelangt. Die Beantwortung der Frage, ob dem Fehlen vernünftiger Zweifel nur Bedeutung für den Beweis des Verstehens oder aber materiell-rechtliche Bedeutung zukommt, kann dahingestellt bleiben. Es fehlt wie nachfolgend zu zeigen sein wird, an einem rechtfertigenden Grund, um von der Grundsatzentscheidung der in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB kodifizierten Empfangstheorie abzuweichen. IV. Unanwendbarkeit der (eingeschränkten) Vernehmungstheorie Mögliche Gründe, die die Anwendbarkeit der eingeschränkten Vernehmungstheorie für die Beurteilung des Zugangs von Willenserklärungen im Internet und bei der Nutzung moderner Kommunikationsmittel im allgemeinen rechtfertigen können, sind entsprechend dem Wortlaut des § 130 Abs. 1 S. 1 BGB die „Anwesenheit“ der Parteien oder die „fehlende Verkörperung“ der Erklärung. Ein drittes Argument stützt die Anwendbarkeit der eingeschränkten Vernehmungstheorie schliesslich auf die allen elektronisch übermittelten Nachrichten immanente „Flüchtigkeit der Erklärung“. 102 103 104 105 106 Jauernig, § 130 Rn 12. Jauernig, § 130 Rn 12, vgl. auch BGH, WM 1989, S. 650 f. Burghard, AcP 195 (1995), S. 87 Tschentscher, CR 1991, S. 148. Kuhn, § 8 II, S. 99. 92 1. Willenserklärung unter Anwesenden a) Bedeutung der Frage Der Differenzierung danach, ob ein Vertragsschluss oder eine Willenserklärung im allgemeinen unter Anwesenden oder Abwesenden erfolgt, hat in mehrfacher Hinsicht Bedeutung:107 Nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB kann eine Willenserklärung unter Abwesenden bis zu ihrem Zugang beim Empfänger widerrufen werden. Liegt eine Erklärung unter Anwesenden vor, scheidet ein Widerruf hingegen von vornherein aus. Nach § 147 Abs. 1 BGB kann der einem Anwesenden gemachte Antrag nur sofort angenommen werden, es sei denn, der Antragende hat eine Antragsfrist gesetzt (§ 148 BGB). Erfolgt keine sofortige Annahme, erlischt der Antrag. Eine verspätete Annahme gilt nach § 150 Abs. 1 BGB als neuer Antrag, der seinerseits wieder angenommen werden muss. Demgegenüber kann der einem Abwesenden gemachten Antrag, falls keine Antragsfrist gesetzt wurde, nach § 147 Abs. 2 BGB regelmässig bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmässigen Umständen erwarten darf. Soweit man unter Anwesenheit eine bestimmte körperliche Nähe versteht, ermöglicht dieses Kriterium keine begriffliche und/oder dogmatische Erfassung des Problems108. Denn die räumliche Gegenwart des Kommunikationspartners vermag nicht zu erklären, warum nach allgemeiner Ansicht auch verkörperte Erklärungen unter Anwesenden nach der Empfangstheorie, telefonische Erklärungen hingegen trotz der räumlichen Distanz der Gesprächspartner nach ganz überwiegender Meinung nach der (eingeschränkten) Vernehmungstheorie behandelt werden. Aus den Erwägungen der Motive ergibt sich, dass unter Anwesenheit Fallgestaltungen verstanden werden, in denen die Parteien von „Person zu Person verhandeln“.109 Dementsprechend wird Anwesenheit als das Bestehen eines direkten Übermittlungskontakts aufgefasst.110 Der Gesetzgeber ging für diese Fälle davon aus, dass das Wirksamwerden der Erklärung nicht regelungsbedürftig sei, weil es sich in der Regel „aus der Natur der Sache“ ergebe.111 An dieser Überlegung ist zutreffend, dass sich die Frage des Zeitpunkts des Wirksamwerdens tatsächlich nicht stellt, wenn Äusserung und Vernehmung zusammenfallen.112 Damit bleiben die anderen, von § 130 Abs. 1 S. 1 BGB geregelten Fragen, nämlich wer das Risiko des Verlustes, der Verstümmelung und Verzögerung von empfangsbedürftigen 107 108 109 110 111 112 Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1 Rn 64 ff. Cannaris, JZ 1993, S.377, 379, vgl. auch S. 394. Mot. I, S. 16; Mugdan I, S. 440. Soergel/Hefermehl, § 130 Rn 3; Brinkmann, S. 23, 85; John, AcP 184 (1984), S. 390. Burghard, AcP 195 (1995), S. 88. Burghard, a.a.O. , Fn. 88. 93 Willenserklärung zu tragen hat, unbeantwortet. Sollen alle im Lebenszyklus einer Erklärung möglichen Störungen vollständig zu Lasten des Erklärenden gehen, bedarf es hierfür eines rechtfertigenden Grundes und kann nicht einfach „aus der Natur der Sache“ begründet werden. Die Anwendung der (eingeschränkten) Vernehmungstheorie wird von Befürwortern mit dem Bestehen eines direkten Übermittlungskontakts gerechtfertigt, der dem Erklärenden die Rückfrage ermögliche, ob er auch verstanden worden sei.113 Die Erklärung beim Einsatz moderner Kommunikationsmittel sei daher mit Erklärung unter Anwesenden vergleichbar und daher auch rechtlich so zu behandeln. b) Bestehen eines direkten Übermittlungskontakts Das Bestehen eines solchen rechtfertigenden direkten Übermittlungskontakts im Bereich der elektronischen und automatisierten Willenserklärungen ist für die Einweg-, die Dialog- und die Echtzeitkommunikation gesondert zu untersuchen: aa) Einweg-Kommunikation Die Einordnung der Erklärung im Internet in die herkömmliche Differenzierung als Willenserklärung unter Anwesenden oder Abwesenden ist umstritten. Hiervon scheint abzuhängen, ob § 147 Abs. 1 oder § 147 Abs. 2 BGB einschlägig ist. Für die Annahme einer Erklärung unter Anwesenden spricht, dass eine Datei, die in einem an das Internet angeschlossenen Server gespeichert ist, gleichzeitig allen Benutzern des Internet weltweit zur Verfügung steht. Der Zugang zu Informationen, Dienstleistungen und Gütern ist durch das Internet nicht mehr länger durch die räumlicher Nähe von Angebot und Nachfrage bestimmt, sondern weltweit auf dem Netz verfügbar. Dadurch ist eine im Internet gespeicherte Datei ebenso wie der Internetnutzer, der die Datei eingespeichert hat, in jedem Land der Erde, das an das Internet angeschlossen ist, virtuell präsent. Im Internet wird tatsächliche körperliche Anwesenheit durch „virtuelle Anwesenheit“ ersetzt. Auf den ersten Blick könnte man daher geneigt sein, von einer Erklärung unter Anwesenden auszugehen. Als weiteres Argument für die Heranziehung des § 147 Abs. 1 S. 2 BGB liesse sich auch die Funktionsabhängigkeit des Internet vom Fernsprechnetz anführen. Die Aufhebung der räumlichen Distanz der Kommunikationspartner durch den Einsatz moderner Kommunikationsmittel rechtfertigt indes keine Analogie zum Telefongespräch, denn die Situation beim Telefongespräch ist eine andere: Die durch die virtuelle Anwesenheit entstehende Parallelität zum Telefongespräch, dass der Gesetzgeber als Erklärung unter Anwesenden definiert, wird entscheidend dadurch unterbrochen, dass – wie sich aus 113 John, AcP 184 (1984), S. 385. 94 § 147 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt – für eine Kommunikation unter Anwesenden nicht die Überwindung der räumlichen Distanz, sondern die von „Person zu Person“ bestehende unmittelbare Dialogmöglichkeit ausschlaggebend ist.114 Bei der Nutzung des Internet fehlt es indes an der unmittelbaren Kommunikation der Vertragsparteien. Für das Internet ist charakteristisch, dass die von einem Dienstanbieter (ContentProvider) veröffentlichten Inhalte zumindest temporär auf einem Datenträger zum Abruf durch Dritte gespeichert werden. Diese Dienste lassen sich deswegen als „speicherbasiert“ bezeichnen. Ort und Dauer der Speicherung bestimmen sich nach dem eingesetzten Dienst. Die Speicherung von Internetseiten ist zeitlich nicht begrenzt, während bei E-Mails die Verweildauer sowohl vom Dienstanbieter, wie auch vom Nutzer abhängt.115 Die Verbindung mit speicherbasierten Internetdiensten erfolgt stets durch komplizierte „Routing-Verfahren“116 und ist in den meisten Fällen zeitverzögert und nicht unmittelbar: Veröffentlichung der Daten und deren Abruf fallen zeitlich auseinander. Wird der Wille einer Partei auf irgendeiner Seite des Internet kundgetan, so ist ebenso wie bei der Sprachspeicherung im Telefonverkehr beispielsweise mittels Anrufbeantworter von einer Erklärung unter Abwesenden auszugehen, die nach § 147 Abs. 2 BGB zu behandeln ist, da hier das entscheidende Kriterium der direkten Dialogmöglichkeit nicht gegeben ist. Die EinwegKommunikation durch E-Mail und entsprechende Erklärungen im Internet ist daher nach ganz herrschender Meinung ebenso wie Telekommunikationserklärungen durch Telefax, Telegramm oder Telex117 als Erklärung unter Abwesenden einzustufen.118 bb) Dialog-Kommunikation α) Die Erklärung unter Anwesenden ist gekennzeichnet durch die Kommunikation in beide Richtungen und die Möglichkeit der Kommunikationspartner, unmittelbar ohne zeitliche Verzögerung eine korrespondierende Erklärung abzugeben. Mit Bezug auf die Dialog-Kommunikation scheint daher die rechtliche Einordnung als Erklärung unter Anwesenden und die Anwendbarkeit der (eingeschränkten) Vernehmungstheorie davon abzuhängen, ob man in diesen Fällen das „Bestehen eines direkten Übermittlungskontakts“ bejaht. Für Bestellvorgänge im Btx Dienst und bei online kommunizierenden Computern im EDI Bereich ist eine analoge Anwendung von § 147 Abs. 1 S. 2 BGB in Erwägung gezogen worden, da im Rahmen der Kommunikation mit den externen Rechnern eine sofortige individuelle Reaktion möglich sei.119 Auch Herget/Reimer120 bejahen wegen der grossen Ähnlichkeit zur telefonischen Kommunikation eine analoge Anwendung von § 147 114 115 116 117 118 119 120 Heun, CR 1994, S. 597. Sieber, Multimediarecht, Kap. 1 Rn 106 Vgl. zur Funktionsweise des Routingsverfahrens unten S. 101 ff. Für Telegramm, Telefax und Telex siehe Palandt/Heinrichs, § 130 Rn 7. Fritsche/Mahler, DNotZ 1995, S. 10; Heun CR 1994, S. 597; Taupitz/Kritter, JuS 1999, S. 841. Brinkmann, BB 1981, S. 1183, 1185 zur Problematik bei Bestellungen über Btx; vgl. auch Fritsche/Malzer, DNotZ 1995, S. 9 ff.; Taupitz, Kritter, JuS 1999, S. 841. DStR 1996, S. 1288, 1291. 95 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Einordnung der Dialog-Kommunikation erfordert daher eine Unterscheidung danach, ob die Kommunikation direkt zwischen erklärender und empfangender Person erfolgt oder im Rahmen ihrer Programmierung direkt empfängt, verarbeitet und automatisiert antwortet (Kommunikation mit bzw. unter Computern). Gegen die Bewertung als Erklärung unter Anwesenden spricht, dass nur auf der Seite des Nutzers (Client) direkt auf Grund menschlich gesteuerter Handlung eine interaktive Kommunikation stattfindet.121 Der Server wird automatisch betrieben und reagiert auf jede Anfrage nur nach Massgabe der zugrunde liegenden Programmierung. Bei der Computerkommunikation fehlt im Gegensatz zur persönlichen Kommunikation von „Person zu Person“ die offene Dialogsituation, da sie sich, wie aufgezeigt, auch bei Einsatz probabilistischer Systeme lediglich und ausschliesslich im Rahmen vorbestimmter Programmschritte vollzieht, mögen diese wie bei intelligenten, selbständigen Systemen auch noch so unabhängig erscheinen. Insofern ist der zwischen dem Online-Anbieter und dem Teilnehmer ablaufende Prozess nur ein Scheindialog, weil das Informationssystem des Anbieters stets gleich, wie abstrakt-generell vorhergedacht, reagiert.122 Der Computer kann zwar Nachfrageroutine vorsehen, Erklärungen wiederholen oder im Rahmen von Hilfefunktionen vorgefertigte Erklärungen geben. Er kann aber nicht den individuellen Verständnishorizont des Empfängers begreifen und seine Erklärung daher nicht entsprechend erläutern.123 β) Entscheidend ist die Reziprozität des Kommunikationsprozesses, d. h. die Möglichkeit der Kommunikationspartners, sich unmittelbar miteinander auszutauschen. Dabei beeinflussen sich die Kommunikationspartner wechselseitig. Die Kommunikation ist eine soziologische Grundkategorie. Der Kommunikationsprozess lässt sich danach in folgende Grundelemente zerlegen: den Sender (Adressant), der eine kommunikative Handlung initiiert und mit dieser bestimmte Intentionen (Verhaltensbestimmung bezogen auf eine andere Person) verbindet, den Empfänger (Adressat) als Ziel des kommunikativen Aktes, die Botschaft (Adresse), die vermittelt werden soll sowie das Medium oder den Kanal als Vermittlungsweg.124 Jeder Erklärung geht eine soziale Vorbeeinflussung voraus, die durch die wechselseitigen Vorstellungen der Kommunikationspartner voneinander bestimmt wird. Diese Art der Vorbeeinflussung nennt man auch Präkommunikation. Gleichzeitig übt der Erklärende eine Kontrolle aus, ob seine Erklärung (Botschaft) vom Empfänger richtig verstanden wurde (sog. Postkommunikation). Dadurch erfolgt die Rückkopplung der Erklärung (Feedback).125 Werden Willenserklärungen nicht in einem direkten Dialogverfahren abgeben, so fehlt es an der für Erklärungen unter Anwesenden notwendigen Interaktion von Erklärendem und Empfänger. Ein wesentliches Kriterium, um dem Erklärenden das Verständnisrisiko aufzubürden, ist 121 122 123 124 125 Schuster, Vertragshandbuch Telemedia, S. 101 Rn 194. Brinkmann, BB 1981, S. 1185. Heun, CR 1994, S. 597. Reimann, Basale Soziologie, S. 213. Reimann, Basale Soziologie, S. 214. 96 nämlich die individuelle Nachfragmöglichkeit des Erklärungsempfängers und die sofortige Überprüfung des materiellen Erklärungsinhalts.126 Hieran fehlt es bei der Kommunikation mit einer EDV-Anlage. Überprüfbar sind zwar mögliche Fehler bei der Datenerfassung und Datenübermittlung, nicht aber der materielle Erklärungsinhalt. „Auch in absehbarer Zukunft werden wir froh sein über die Entwicklung von Robotern und Systemen, die ihr Gegenüber erkennen, einfache Befehle verstehen, vielleicht auch bereits eigene Erfahrungen machen und diese in angemessenes Verhalten umsetzen“.127 Für all diese Fähigkeiten genügt ein Bruchteil des Aufwands, den das Gehirn eines durchschnittlichen Menschen in Sekunden treibt. Die wahre Leistung menschlicher Interaktion im allgemeinen und des menschlichen Gehirns im besonderen liegt im Erfassen der aktuellen sozialen Situation: Was denkt und fühlt das Gegenüber? Was hat dieser mir gegenüber vor? Wie reagiere ich entsprechend, oder wie komme ich dessen Absicht zuvor? Der Computer ist und bleibt ein technisches Hilfsmittel und wird nicht zur Person i.S.v. § 147 Abs. 1 S. 2 BGB. „Computererklärungen unter Anwesenden“ sind begrifflich ausgeschlossen. Erklärungen im Verfahren der elektronischen DialogKommunikation unter Beteiligung einer oder mehrerer EDV-Anlagen gelten daher stets als solche unter Abwesenden.128 cc) Echtzeit-Kommunikation α) Etwas anderes muss aber gelten bei Internet-Diensten, die eine Kommunikation in Echtzeit zum Ziel haben. Die bei Echtzeitdiensten zwischen zwei oder mehreren Personen übertragenen Daten werden interaktiv ohne zeitliche Verzögerung und möglichst unmittelbar ausgetauscht. Auf eine Zwischenspeicherung der Inhalte wird verzichtet. Anders als bei der Publikation einer Internetseite gibt es bei der Echtzeitkommunikation keine klare Trennung zwischen dem Dienstanbieter und den Nutzern. Die Echtzeitkommunikation ist vielmehr durch ein wechselseitiges Senden und Empfangen129 gekennzeichnet. Bei Kommunikationsformen im Bereich der Echtzeitdienste lassen sich textbasierte, sprachbasierte und bildbasierte Systeme unterscheiden.130 Daneben gibt es entsprechende Kombinationen. Bei textbasierten System tauschen zwei oder mehrere Internet-Nutzer Texte schriftlich aus. Hier ist insbesondere der sog. „Chat“ zu nennen, bei dem die Kommunikation der Teilnehmer nicht in Form von Punkt-zu-Punkt Verbindungen erfolgt, sondern über eine Vermittlungsstelle, den sog. „Internet 126 127 128 129 130 Heun, CR 1994, S. 597. FTD vom 2. Januar 2001, Der schwierige Weg zur denkenden Maschine, S. 27. Bachmann, Vertragsschluss und Haftung im Internet, S. 169, 173; Ernst, NJW-CoR 1997, S. 166; Kilian, Computerrechtshandbuch, Kap. 20 Rn 8; Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1 Rn. 70; Schwerdfeger, Vertragsschluss im Internet, Kap. 6.-2.3, S. 15. Sieber, Multimediarecht, Kap. 1 Rn 108. Sieber, Multimediarecht, Kap. 1 Rn 108. 97 Chat Relais Server“ (IRC-Server), der als Relaisstation den simultanen Austausch aller Beiträge zwischen den Nutzern abwickelt.131 Hierzu muss sich der Nutzer mittels spezieller Software über das Internet in den IRC-Server einwählen, der ihm eine Liste der derzeit laufenden Diskussionsforen („Channels“) anzeigt. Nach Auswahl des entsprechenden Channels sieht er die zu diesem Zeitpunkt eingehenden Beiträge und kann seinerseits Texte eingeben, die nach dem Auslösen des Sendebefehls unmittelbar auf dem Bildschirm aller Diskussionsteilnehmer erscheinen. Der Teilnehmer hat daneben die Möglichkeit, einen direkten Kanal zu einem bestimmter Nutzer des Forums, unter Ausschluss der anderen Teilnehmer, zu öffnen (sog. „Flüstern“). Ebenfalls in die Kategorie der textbasierten Systeme gehört das sog. Instant Messaging (IM). Notwendig ist auch hier eine spezielle Software132, ein sog. Messenger Client. Nach dem Start des Programms muss sich der Nutzer anmelden und trägt die Personen, mit denen er Kontakt aufnehmen möchte, in eine sog. „Freundesliste“ (auch „Buddy-List“ genannt) ein. Sobald eine der genannten Personen online ist, teilt dies der Client dem Nutzer automatisch mit. Mit einem Mausklick auf den Namen des Freundes, der online ist und mit dem man kommunizieren möchte, nimmt er Kontakt auf. Ursprünglich für die Übertragung von Textnachrichten in Echtzeit konzipiert, verfügen alle Programme mittlerweile über zusätzliche Funktionen, die den Versand von Bildern, Dateien, den Anschluss einer Kamera oder Sprachtelefonie ermöglichen. Anders als beim internetbasierten Chat handelt es sich bei den Instant Messengern um proprietäre Systeme, die in der Regel nicht oder nur begrenzt untereinander kompatibel sind. Bei sprachbasierten Systeme (insbesondere Internet-Telefonie) wandelt der Computer Sprache in digitale Signale um und versendet diese über das Datennetz. Dabei kann es sich um Gespräche handeln, die von Telefon zu Telefon, von PC zu Telefon oder von PC zu PC übertragen werden. Der Begriff der Internet-Telefonie besagt nicht zwingend, dass ein PC zur Anwendung kommt, sondern nur, dass das für die Übertragung der Sprachdaten, auf das Internet-Protocol (IP) zurückgegriffen wird („Voice over IP“)133. Gateway131 132 133 Für eine Anwendung des § 147 Abs. 1 S. 2 BGB, bei der Kommunikation in und mit Hilfe von Chats, Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 68. Z.B. AOL Instant Messenger (AIM) <http://www.aol.de/aim/index.html> , ICQ („I seek you“) <http://www.icq.com> , MSN Messenger Service <http://messenger.msn.de/support/features.asp> oder Yahoo Messenger <http://de.messenger.yahoo.com>. Sieber, Multimediarecht, Kap. 1 Rn 114. Das IP-Protokoll ermöglicht eine paketvermittelte Übertragung, bei der eine Verbindung für die Übertragung von Daten auf dem Netz nicht dauerhaft reserviert, sondern paketweise zusammen mit Datenpaketen anderer Nachrichten versandt wird. Das ermöglicht die grösstmögliche Ausnutzung des Netzes, gleichzeitig leidet im Vergleich zur „stehenden“ Verbindung teilweise die Qualität der Sprachverbindung. Verzerrungen entstehen durch die Kompression der Sprachdaten und Laufzeitverzögerungen sind an jeder Stelle der Übertragungskette, d. h. bei Digitalisierung, bei Signalkonvertierung in Sprach-Gateways und Decodierung und Analogumwandlung, möglich. Idealerweise sollten die einzelnen übertragenen Sprachpakete in gleich bleibenden Zeitabständen beim Empfänger eintreffen. Vgl. zur Funktionsweise der paketvermittelte Übertragung unten S. 102. 98 Rechner fungieren dabei als Schnittstelle zwischen dem Internet und dem (öffentlichen) Telefonnetz. Durch die gleichzeitige Übertragung akustischer Signale ist die Verwandtschaft zur traditionelle Sprachtelefonie offenkundig. Daneben gibt es bildbasierte Systeme, bei denen die genutzten Computer zusätzlich mit Kameras (sog. „Webcams“) ausgestattet sind. Die technischen Voraussetzungen entscheiden darüber, ob bewegte Bilder oder lediglich Standbilder übertragen werden. Bei Konferenzsystemen werden text-, sprach- und bildbasierte Kommunikation miteinander kombiniert (Mischkommunikation).134 Konferenzsysteme vereinigen die Möglichkeiten des Chats mit denen der Datenübertragung und der Sprachtelefonie und der Schaltung von Videokonferenzen. Im Gegensatz zum Internet-Chat ist kein als Relaisstation fungierender Server notwendig. Es handelt sich immer um eine Punkt-zu-Punkt Verbindung, an der eine begrenzte Anzahl von Nutzern teilnimmt, die sich vorher konkret zur Kommunikation verabredet haben.135 Bei diesen Kommunikationsformen sind Interaktion, Unmittelbarkeit und direkte Rückfragemöglichkeit gegeben und ein Vergleich mit dem traditionellen Fernsprecher naheliegend. Die direkte elektronische Dialog-Kommunikation zwischen erklärender und empfangender Person unterscheidet sich vom traditionellen Telefongespräch allein dadurch, dass nicht ausschliesslich Sprache, sondern auch Zeichen, Bilder oder Daten benutzt werden. Unter Berücksichtigung des digitalen Telefondienstes erscheint es willkürlich, danach zu unterscheiden, ob die Umwandlung der digitalisierten Signale in Sprache oder Zeichen erfolgt. Die elektronische Kommunikation in „Chat-Rooms“ ist mit der Situation der schriftlichen Kommunikation unter Anwesenden vergleichbar, da sich die Parteien auf einer für beide gleichzeitig sichtbaren elektronischen Tafel erklären. In Analogie zum Telefongespräch ist es daher gerechtfertigt, einen Vertragsschluss unter Anwesenden anzunehmen. Gleiches gilt für besondere Formen des Telefondienstes, in denen die Erklärung im Rahmen von Telefon- oder Videokonferenzen fernmündlich und/oder gleichzeitig visuell übermittelt wird. Von einer Erklärung unter Anwesenden ist auszugehen, wenn mit dem Erklärungsempfänger ein unmittelbarer Sicht-, Sprech- oder Schreibkontakt besteht136. Das ist bei text-, sprach- oder bildbasierten Systemen, die eine Echtzeitkommunikation ermöglichen, der Fall. Die Übernahme der Wertung des § 147 Abs. 1 S. 2 BGB ist deshalb gerechtfertigt. 134 135 136 Für eine Anwendung des § 147 Abs. 1 S. 2 BGB bei Videokonferenzen und Internet-Telefonie Schuster, Vertragshandbuch, Telemedia, S. 103 Rn 197. Sieber, Mulitmediarecht, Kap. 1 Rn 117. Köhler AT, § 6 II Rn 13; Larenz/Wolf; § 26 Rn 12 99 β) Das am 1. August 2001 in Kraft getretene Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr137 erweitert deshalb die Bestimmung des § 147 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach ein Antrag mittels Telefon den Willenserklärungen unter Anwesenden unterfällt, ausdrücklich auf sonstige Einrichtungen, die dazu beitragen, dass Anträge „von Person zu Person“ gemacht werden können. In § 147 Abs. 1 S. 2 BGB werden nach den Wörtern „mittels eines Fernsprechers“ die Wörter „oder einer sonstigen technischen Einrichtung“ eingefügt: § 147 [Annahmefrist] (1) Der einem Anwesenden gemachte Antrag kann nur sofort angenommen werden. Das gilt auch von einem mittels Fernsprecher oder einer sonstigen technischen Einrichtung gemachten Antrags. Unter eine Kommunikation „mittels einer sonstigen technischen Einrichtung“ fallen alle Situationen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die potentiellen Vertragspartner unmittelbar und ohne nennenswerten Zeitverlust miteinander kommunizieren, sofort auf Äusserungen der anderen Person reagieren und gegebenenfalls nachfragen können.138 Hierzu zählen neben genannten text-, sprachund bildbasierten Systemen auch alle Arten der Mischkommunikation, bei der zeitgleich Sprache, Bilder, Texte und/oder Daten übertragen werden. Vertragsabschlüsse durch Mischkommunikationssysteme sind in der Praxis bisher noch selten, werden aber in naher Zukunft durch die stärkere Verbreitung kostengünstigerer mobiler Übertragungstechnik enorm an Bedeutung gewinnen. Entscheidend ist nicht der Schwerpunkt der Kommunikationsform, vielmehr ist jeder Vorgang getrennt zu beurteilen.139 Übermittelt der Erklärende beispielsweise während einer Online Video-Konferenz dem Empfänger ein Angebot auf dessen PC, über das die Parteien telefonisch verhandeln, und werden die Verhandlungen durch ein E-Mail abgeschlossen, so ist hinsichtlich aller ausgetauschten Erklärungen getrennt zu fragen, ob eine unmittelbare Dialogmöglichkeit bestand. Ist dies der Fall, so ist der Zugang der Erklärung nach der in § 147 Abs. 1 S. 2 BGB zum Ausdruck kommenden eingeschränkten Vernehmungstheorie zu beurteilen. Die Willenserklärung wird wirksam, wenn und soweit der Absender nach für ihn erkennbaren Umständen davon ausgehen kann, der Empfänger habe die Erklärung optisch und/oder akustisch richtig vernommen. Bei Zweifel muss er seine Erklärung 137 138 139 Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001, BGBl. I, 1542. Das Gesetz tritt am 1. August in Kraft (Art. 35). Die Formulierung entspricht damit weitestgehend der von der Bundesnotarkammer vorgeschlagenen Neufassung des § 147 BGB im Entwurf eines Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr vom 29. April 1997, S. 6. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs, a.a.O. (Fn 137), S. 41. Burghard, AcP 195 (1995), S. 124. 100 deshalb wiederholen. Die Risikoausweitung zu Lasten des Absenders ist interessengerecht. Da bei der Echtzeitkommunikation eine Speicherung der Erklärung nicht vorgesehen ist, kann es auf die Speicherung oder die abstrakte Möglichkeit der Speicherung der Erklärung beim Empfänger nicht ankommen. dd) Vergleich zum UN-Kaufrecht In diesem Bereich können Unterschiede zwischen CISG und BGB auftreten. Art. 24 CISG definiert, anders als das BGB, den Zugang als solchen und stellt unterschiedliche Anforderungen je nachdem, ob die Willenserklärung gegenüber dem Empfänger „mündlich“ abgegeben oder ihm auf „anderem Wege“ zugestellt wird. Diese Differenzierung entspricht im wesentlichen der in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB angelegten Differenzierung zwischen Willenserklärungen, die gegenüber Anwesenden und solchen, die gegenüber Abwesenden abgegeben werden. Während der Begriff des „Anwesenden“ im BGB – wie aufgezeigt – nur die Möglichkeit unmittelbarer zeitnaher Kommunikation voraussetzt, beschränkt der Begriff „mündlich“ in Art. 24 CISG diese unmittelbare Kommunikation auf das gesprochene Wort und schliesst damit durch „sonstige technische Einrichtungen“ übermittelte Erklärungen, die in § 147 Abs. 1 S. 2 BGB (neu) expressis verbis den Erklärung unter Anwesenden gleichgestellt werden, aus. c) Zwischenergebnis Die Einordnung moderner Kommunikationsmittel in die herkömmliche Differenzierung zwischen Erklärungen unter Abwesenden und Erklärung unter Anwesenden ist umstritten. Wie eingehend dargestellt, wird die schriftliche Erklärung unter Anwesenden gleich wie die Erklärung gegenüber Abwesenden behandelt. Auf verkörperte Willenserklärungen findet unabhängig davon, ob die Erklärenden räumlich getrennt sind oder nicht, die Empfangstheorie Anwendung. Die mündliche Erklärung am Telefon weist prinzipiell keine Unterschiede gegenüber der Erklärung unter Anwesenden auf. Angesichts dieser Mängel der gesetzlichen Fallgruppenbildung gibt das Abgrenzungskriterium nach dem rechtsgeschäftlichen Kontakt unter Anwesenden oder Abwesenden für die Behandlung von modernen Kommunikationsmitteln nichts her. Die Überbrückung der zwischen den beteiligten Kommunikationspartnern bestehenden räumlichen Distanz in zeitlicher Hinsicht macht die Unterscheidung zwischen Erklärungen unter Anwesenden und Anwesenden hinfällig.140 Die Überwindung räumlicher Distanz ist jedoch gar nicht das entscheidende Kriterium, ausschlaggebend ist die von „Person zu Person“ bestehende unmittelbare Dialogmöglichkeit. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass die weitaus meisten Konstellationen nach den Regeln über den Zugang 140 Heun, CR 1994, S. 597. 101 unter Abwesenden zu beurteilen sind. Mit Ausnahme der Online-EchtzeitKommunikation fehlt es bei der Erklärung unter Einsatz moderner Kommunikationsmittel an der Unmittelbarkeit der Kommunikationsbeziehungen zwischen Erklärenden und Empfänger, an der Erklärung von „Person zu Person“. Nach dem Vorstehenden ist allein die Einordnung der elektronisch übermittelten Willenserklärungen wie auch der Computererklärungen als Erklärungen unter Abwesenden systemgerecht und angemessen. Für die auf diese Weise übermittelten Anträge ist durchgängig § 147 Abs. 2 BGB heranzuziehen, weil die für § 147 Abs. 1 S. 2 BGB massgebliche Vernehmungstheorie mit dem Empfang von elektronischen Signalen dienenden Empfangseinrichtungen inkompatibel sind. Die „virtuelle“ Anwesenheit der Kommunikationspartner vermag somit nicht die Anwendung der (eingeschränkten) Vernehmungstheorie und damit die Risikoverlagerung zu Lasten des Erklärenden in Abweichung von der Grundregel § 130 Abs. 1 S. 2 BGB zu rechtfertigen. Für das Wirksamwerden empfangsbedürftiger Willenserklärungen unter Abwesenden kommt es nach dem in Abbildung 7 dargestellten Schema141 zunächst darauf, ob es sich um verkörperte oder nicht verkörperte Erklärungen handelt. Während sich der Gesetzgeber beim Zugang verkörperter Willenserklärungen unter Abwesenden ausdrücklich für die Empfangstheorie und gegen die (eingeschränkte) Vernehmungstheorie entschieden hat, ist die Beurteilung des Zugangs nichtverkörperter Willenserklärungen unter Abwesenden umstritten. Damit wird die bei der Darstellung des Streitstands aufgeworfene Frage relevant, ob es für die rechtliche Beurteilung entscheidend auf die Abwesenheit des Erklärungsempfängers ankommt oder ob auf die fehlende Verkörperung der im Netz übertragenen Erklärungen abzustellen ist, wobei im letzteren Fall die Anwendbarkeit der (abgeschwächten) Vernehmungstheorie befürwortet wird. 2. Die fehlende Verkörperung als Anwendungsgrund a) Körperlose Kommunikation gleich körperlose Erklärung? Es bleibt daher zu fragen, ob die Nichtverkörperung der Erklärung bei der Risikoverteilung zu berücksichtigen ist. Die Befürworter dieser Ansicht begründen dies damit, dass eine unverkörperte Erklärung „wirkungslos verhallt, wenn sie nicht unmittelbar wahrgenommen wird“.142 Wegen der erhöhten Schutzbedürftigkeit des Erklärungsempfängers sei es gerechtfertigt, dem Erklärenden, der ja die Wahl des körperlosen Kommunikationsmittels treffe, höhere Anforderungen an das Wirksamwerden seiner Erklärung in Gestalt der eingeschränkten 141 142 Vgl. oben § 2 II 2, S. 78. John, AcP 184 (1984), S. 388; Larenz AT, S. 426. 102 Vernehmungstheorie aufzuerlegen.143 Nun stellt sich zunächst die Frage, auf welches Stadium hinsichtlich der Verkörperung abzustellen ist. Allen modernen Kommunikationsmitteln ist gemeinsam, dass die Übertragung der Nachricht körperlos erfolgt und die Nachricht am Ende der Datenendeinrichtung des Empfängers sodann elektronisch gespeichert und/ oder ausgedruckt oder sonst auf andere Weise visualisiert wird oder werden kann.144 Die fehlende Verkörperung auf dem Übertragungswege könnte die elektronische oder automatisierte Erklärung als körperlose, die Möglichkeit, diese auszudrucken oder sonst zu speichern als verkörperte Erklärungen erscheinen lassen.145 Zur Beantwortung der Frage ist zunächst zu unterscheiden, ob die Erklärung lediglich elektronisch erstellt oder auch elektronisch übermittelt wird. Letzteres ist bei Computererklärungen per Definition der Fall und entsprechend bei der E-Mail. Wird die Erklärung lediglich elektronisch erstellt, abgespeichert und dann der Datenträger oder das Speichermedium versandt, so liegt offensichtlich eine verkörperte Willenserklärung vor. Aber auch bei der elektronischen Übermittlung ist im Regelfall von einer verkörperten Erklärung auszugehen, nämlich dann, wenn die Erklärung beim Empfänger „konserviert“ wird. Das ist bei einer E-Mail regelmässig der Fall, da diese üblicherweise in ein Postfach des Adressaten abgelegt und auf einem Computer als Datei gespeichert wird.146 Entscheidend ist nicht die Körperlosigkeit der Übertragung, sondern die Möglichkeit der dauerhaften Speicherung beim Empfänger. Eine über das Internet versandte Nachricht hinterlässt immer eine „elektronische Spur“: Die Übertragung von Nachrichten im Internet erfolgt prinzipiell nach dem sog. „Routing-Verfahren“. Grundlage ist das Transfer Control Protocol/Internet Protocol (TCP/IP). Hierbei werden die Daten der zu versendenden Nachricht „zerhackt“ und auf verschiedenen Routen durch das Netz geschickt. Durch diese Verfahren können Netzausfälle und Engpässe weitesgehend vermieden werden. Damit die Information ihr Ziel erreicht, muss sie verschiedene Knotenpunkte im Netz („Router“) passieren, die als Vermittlungsstationen zwischen dem Sende- und Empfängerrechner dienen. Der Weg der verschiedenen Datenpakete vom Sender über die verschiedenen Router zum Empfänger wird dabei nicht vom Sender, sondern vom Internet-Protocol bestimmt.147 Jedes einzelne Datenpaket trägt deshalb die vollständige Information über den Zielserver im Datenkopf, dem sog. „Header“, mit sich. Die Funktionsweise des Internet-Protocols kann daher mit der eines Briefumschlags verglichen werden, der eine Absender- und Empfängeradresse 143 144 145 146 147 Burghard, AcP 195 (1995), S. 90. Burghard, a.a.O., S. 82. Burghard a.a.O., S. 83. Ultsch, NJW 1997, S. 3007. Das Internet Protcol sieht die Möglichkeit vor, den Datenpaketen einen bestimmten Weg durch das Netz aufzuzwingen. Beim sog. „strict source routing“ oder „loose source routing” kann über den Header der E-Mail positiv die einzelnen Router vorbestimmt oder negativ bestimmte Router für den Weitertransport ausgeschlossen werden. Dieses Verfahren ist wünschenswert, wenn vermieden werden soll, dass Datenpakete über die Verbindungsrechner eines bestimmten Staates geleitet werden. 103 trägt und in dessen Inneren sich ein Bestandteil der Nachricht, dass TCP/IP Paket befindet.148 An der Empfängeradresse angekommen, werden die Datenstücke wieder zusammengesetzt. Die einzelnen Datenpakete werden zur Sicherheit auf jedem Knoten (Relaisstation) zwischengespeichert.149 Unvollständig ankommende Pakete werden an den jeweiligen Router zurückgesandt, der den Vorgang wiederholt. Eine komplette Speicherung erfolgt schliesslich auf der Festplatte oder im Arbeitspeichers des Empfängers, bei E-Mails bereits mit der Ablage in der Mailbox. Diese Speicherung erfolgt in Form magnetischer Veränderungen und bewirkt eine lokalisierbare Zustandsveränderung des Speichermediums. Damit sind die Anforderungen an die inhaltliche Niederlegung der Willenserklärung in ein körperliches Substrat erfüllt.150 Sowohl bei Willenserklärungen im Internet als auch bei E-Mails handelt es sich daher um verkörperte Willenserklärungen, da die Erklärungen üblicherweise zumindest vorübergehend in einer Datei verkörpert und auf einem Medium gespeichert sind.151 Demgegenüber liegt eine nicht verkörperte Willenserklärung vor, wenn sie beim Empfänger „verhallt“, d. h. er sie – ohne Speicherung – nur akustisch (sog. Voice mails) oder optisch erhält.152 b) Zwischenergebnis Die Unterscheidung zwischen verkörperten und unverkörperten Willenserklärungen vermag die Anwendung der (eingeschränkten) Vernehmungstheorie daher ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Mit Ausnahme von rein optischen oder rein akustischen Erklärungen, die beim Empfänger verhallen, beurteilt sich der Zugang von verkörperten Willenserklärungen im Internet grundsätzlich nach der in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB kodifizierten Empfangstheorie. 148 149 150 151 152 Sieber, Multimediarecht, Kap. 1 Rn 52. Der Weg eines Datenpakets und insbesondere der Standort des Senderservers lässt sich mit besonderen Hilfsmitteln, wie beispielsweise den Dienstprogrammen „Tracert“ oder „Neo Trace“zurückverfolgen. Das Programm „Tracert“ ist Bestandteil der Microsoft Betriebssysteme. Das grafische Programm „Neo Trace“ ist unter <http://www.neoworx.com> erhältlich (Stand: 10.9.2001). Es zeigt nicht nur die Namen und IP-Adressen der einzelnen Knoten an, sondern verzeichnet zugleich auf einer Karte den Standort der Knoten und Computersysteme sowie den Weg des Datenpakets. Meents, Verbraucherschutz, S. 13/14. Taupitz/Kritter, Jus 1999, S. 841. Ultsch, NJW 1997, S. 3007. In diesen Fällen wird die Erklärung nach der eingeschränkten Vernehmungstheorie wirksam, wenn der Erklärende nach für ihn erkennbaren Umständen zweifelsfrei davon ausgehen kann, dass die Erklärung richtig (durch Hören oder Sehen) vernommen wurde. 104 3. Die Flüchtigkeit der Erklärung als Anwendungsgrund a) Das Kriterium der zuverlässigen Speichermöglichkeit aa) Nach überkommener Auffassung ist Zugang i.S.v. § 130 Abs. 1 BGB gegeben, sobald die Willenserklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, er könne von ihr Kenntnis nehmen. Diese Auslegung ist durch die herkömmlichen Kommunikationssysteme geprägt, bei denen das Gelangen der Erklärung in den Machtbereich des Empfängers regelmässig die Möglichkeit der Kenntnisnahme vermittelt. Die Normsituation hat sich durch die modernen Kommunikationssysteme jedoch grundlegend gewandelt. Problematisch im eigentlichen Sinne ist heutzutage nicht die Überwindung der räumlichen Distanz der Kommunikationspartner, sondern die Funktionstüchtigkeit der Empfangseinrichtungen. Sende- und Empfangseinrichtungen moderner Kommunikationsmittel wie Internet, E-Mail aber auch Telefax unterliegen aufgrund ihrer Komplexität vergleichsweise häufiger Störungen. Da die Übertragung der Nachricht körperlos, durch für Menschen unverständliche elektrische Signale erfolge, reiche die blosse Überwindung der Transportstrecke und der Eingang der Signale am Ende der Datenendeinrichtung in das Empfangsgerät nicht mehr aus, um dem Empfänger die „Möglichkeit zur Kenntnisnahme“ zu vermitteln. Deswegen setzt die „Möglichkeit der Kenntnisnahme“ nicht nur den Signaleingang, sondern auch voraus, dass die Erklärung im Empfangsgerät elektronisch gespeichert und vom Empfänger reproduziert, d. h. ausgedruckt oder sonst auf andere Weise abgerufen werden kann. bb) Im Ergebnis ähnlich argumentieren auch jene Stimmen, die auch im Bereich des Zugangs elektronisch übermittelter Willenserklärungen ganz oder teilweise eine Anwendbarkeit der (eingeschränkten) Vernehmungstheorie153 fordern. Zum gleichen Resultat gelangen die Vertreter der Empfangstheorie, indem sie eine am Schutzzweck orientierte Auslegung des Begriffs der „Möglichkeit der Kenntnisnahme“ vornehmen: Bis zur Speicherung bedürfe der Erklärungsempfänger in besonderem Masse des Schutzes, weil er wegen der Flüchtigkeit die Erklärung nur sofort oder überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen kann, dies daher für den Empfänger besonders unsicher ist. Das eigentliche Problem liege also in der Flüchtigkeit der elektronisch übermittelten Erklärung. Erschwerend komme hinzu, dass die körperlos übertragene Erklärung regelmässig erst nach ihrer Speicherung und Demodulation durch ein Empfangsgerät von Menschen zur Kenntnis genommen werden könne. Die Möglichkeit der Kenntnisnahme im Sinne des Zugangs sei hier nicht sicher und könne deshalb auch kein gerechtes Kriterium für die Wirksamkeit von Willenserklärungen sein. John will deshalb die in den Definitionen der 153 Vgl. oben § 2 III 1 lit. b), S. 80. 105 Rechtsprechung vorkommende Begriffe „Machtbereich“ und „Verfügungsgewalt“ mit dem Merkmal der „Speicherung“ präzisieren.154 Mit dem Kriterium der Speicherung lasse sich das eigentliche Problem am besten ausdrücken: Der Empfänger soll durch den Zugang der Erklärung in die Lage versetzt werden, die Erklärung zur Kenntnis zu nehmen. Von da ab ist es das Risiko des Empfängers sicherzustellen, dass er von der empfangenen Erklärung auch tatsächlich Kenntnis erhält. Entscheidend für den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Willenserklärung sei die „fortgesetzte Verfügbarkeit der Information im Zugriffsbereich des Empfängers“. Damit lasse sich auch der Fall einwandfrei erfassen, dass eine telefonisch ermittelte Erklärung (die ja nach § 147 Abs. 1 S. 2 BGB als Erklärung unter Anwesenden zu behandeln ist) beim Adressaten auf Tonband aufgenommen wird. „Wesentlich an der Speicherung sei, dass der Empfänger den Text – auch wiederholt – zur Kenntnis nehmen könne“155. Dann sei es auch entbehrlich, dass er ihn sofort zur Kenntnis nimmt. Kuhn will der von John eingeführten Begrifflichkeit folgend daran anknüpfen, in welcher Form die Erklärung übermittelt wird.156 Er unterscheidet zwischen Erklärungen in „dauerhaft gespeicherter Form“ und der „Übermittlung einer Erklärung in flüchtiger Form“. Im ersten Fall richte sich der Zugang nach der Empfangstheorie, während im zweiten Fall die blosse Möglichkeit der Kenntnisnahme nicht ausreiche. Statt dessen solle mit der (eingeschränkten) Vernehmungstheorie das Risiko dann übergehen, wenn der Empfänger die Erklärung zutreffend oder in zugänglicher Weise vollständig und richtig abgespeichert hat.157 b) Rechtliche Würdigung aa) Da der Erklärende auch nach der Empfangstheorie das Risiko des Verlustes oder der Verstümmlung der Erklärung auf dem Übermittlungsweg unstreitig zu tragen hat, kann es auf den Übermittlungsweg aber schwerlich ankommen.158 Das Kriterium der Speicherung bietet keinen geeigneten Massstab für eine Differenzierung der Voraussetzungen des Wirksamwerdens. Ob nämlich eine Willenserklärung tatsächlich abrufbar gespeichert wird oder nicht, hängt nicht vom Erklärenden ab, der lediglich das Kommunikationsmittel wählen kann. Folgt man der oben genannten Ansicht, so hätte dies in letzter Konsequenz zur Folge, dass die Wirksamkeitsvoraussetzungen und somit das Mass des vom Erklärenden zu tragenden Risikos zur Disposition des Empfängers stünden. Der Erklärende könnte dies zudem nicht einmal erkennen.159 154 155 156 157 158 159 John, AcP 184 (1984), S. 403. Medicus AT, § 22 III 1, Rn 274, S. 109. Kuhn, § 8 II, S. 93. Kuhn, a.a.O. Burghard, AcP 195 (1995), S. 91. Burghard, a.a.O. 106 bb) Dennoch weist die Differenzierung den richtigen Weg. Die Nutzung moderner Kommunikationsmittel offenbart, wie Burghard160 richtig bemerkt, ein bisher nur selten auftretendes Problem: Das Erfordernis der „Möglichkeit der Kenntnisnahme“ verlagert, wie Abbildung 9161 am Beispiel der E-Mail illustriert, den Risikoübergang über den Abschluss des Transports hinaus, hinein in die Sphäre des Empfängers. Der Erklärende hätte nicht nur die Risiken seiner Sphäre und des Transports, sondern auch noch nach Gelangen der Erklärung in den Bereich des Empfängers Risiken aus dessen Sphäre (externe Speicherung und Abruf der Erklärung) zu tragen. Zwischen der „Möglichkeit der Kenntnisnahme“ und einer zuverlässigen, abrufbaren Speicherung beim Empfänger besteht unverkennbar ein Zusammenhang. Die Problemstellung wird deutlich, wenn man sich noch einmal den Lebenszyklus einer elektronisch übermittelten Erklärung vor Augen führt. Soll es wirklich auf die tatsächliche, abrufbare Speicherung beim Empfänger – auf die der Erklärende keinen Einfluss hat – ankommen, oder muss dem Empfänger lediglich die „Möglichkeit der Speicherung“ vermittelt werden, wobei es Risiko des Empfängers ist sicherzustellen, dass er diese abrufbar speichert. Das Kriterium der „Speicherung“ beschreibt vielmehr – wie es Burghard treffend ausdrückt – den kleinsten gemeinsamen Nenner: Unabhängig davon, welcher Ansicht man folgt, ob es sich um eine verkörperte oder unverkörperte Erklärung unter An- oder Abwesenden handelt, ist die Erklärung, durch welches Medium auch immer, zuverlässig beim Empfänger gespeichert, ist sie auch wirksam zugegangen. Was dem Brief der Briefkasten, den elektronisch übermittelten Daten der Empfangsspeicher, ist der mündlichen Erklärung das Gedächtnis des Empfängers. Eine Willenserklärung wird also in jedem Fall spätestens durch eine zuverlässige und abrufbare Speicherung beim Empfänger wirksam. „Die entscheidende Frage lautet also nicht, ob eine Erklärung mit zuverlässiger, abrufbarer Speicherung wirksam zugegangen ist, sondern vielmehr, ob eine Erklärung erst zu diesem Zeitpunkt und ausschliesslich unter diesen Voraussetzungen wirksam wird.“162 cc) § 130 Abs. 1 S. 2 BGB muss daher im Lichte der Besonderheiten der modernen Kommunikation so ausgelegt werden, dass die Risikoverteilung der dort statuierten Empfangstheorie entspricht. Danach hat der Erklärende ausschliesslich das Transportrisiko zu tragen, d. h. der Risikoübergang findet mit vollständigem Abschluss des Transports statt. Das ist erst, aber auch schon mit vollständigen Gelangen der Erklärungen in den Machtbereich des Empfängers der Fall. Wird eine Willenserklärung auf elektronischem Wege abgegeben und online übermittelt, ist die Erklärung bereits zugegangen, wenn sie vollständig in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, so dass die Speicherung und damit der Abruf der Erklärung 160 161 162 Burghard, a.a.O.; S. 97. Siehe oben Abbildung 9 („Lebenszyklus einer E-Mail Erklärung“), S. 86. Burghard, AcP 195 (1995), S. 92. 107 nur von diesem abhängen – der Empfänger also die „Möglichkeit der Speicherung“ hat.163 4. Ergebnis und Zusammenfassung Als Fazit ist zu konstatieren, dass weder die Anwesenheit der Parteien bzw. das Bestehen eines direkten Übermittlungskontakts, noch die Nichtverkörperung oder die Nichtspeicherung der Erklärung‚ Umstände darstellen, die ein Abweichen von der Empfangstheorie zu Lasten des Erklärenden durch die Anwendung der (eingeschränkten) Vernehmungstheorie begründen können. Somit richtet sich das Wirksamwerden von empfangsbedürftigen Willenserklärungen grundsätzlich nach der in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB statuierten Empfangstheorie.164 Diese ist mehr bzw. etwas anderes als nur „die vernünftige praktische Ausbildung der Vernehmungstheorie“.165 Sie beinhaltet eine vollkommen andere Wertentscheidung. Nicht die Vollendung der Erklärung in Gestalt ihrer Kenntnisnahme durch den Adressaten – die regelmässig erst am Ende eines jeden Lebenszyklus einer Willenserklärung steht – sondern eine interessengerechte Risikoverteilung ist das Ziel.166 Auf eine Kenntnisnahme der Erklärung durch den Empfänger kommt es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht an. Die herrschende Auslegung des § 130 Abs. 1 BGB führt bei den modernen Kommunikationsmitteln zu einer Risikoausweitung zu Lasten des Erklärenden.167 Nach der in § 130 Abs. 1 BGB kodifizierten Empfangstheorie hat jeder Teil die Gefahren seiner Sphäre selbst zu tragen: den Erklärenden treffen darüber hinaus, weil er den Übermittlungsweg wählt, die Risiken des Transports der Erklärung zwischen den Sphären. Die Funktionsuntüchtigkeit des Empfangsgeräts fällt somit eindeutig in den Risikobereich des Empfängers. Und das zu Recht, da der Erklärende auf sie keinerlei Einfluss hat. Eine Überbürdung des Risikos der Funktionsuntüchtigkeit der Empfangseinrichtung kann auch nicht mit den Besonderheiten der modernen Kommunikationsmittel wie Internet oder E-Mail begründet werden, denn es ist der Empfänger, der den Verkehr mit ihnen eröffnet hat. Entgegen der überwiegenden Meinung wird hier die Ansicht vertreten, dass der Empfänger nicht nur das Kenntnisnahmerisiko, sondern auch dass der (externen und internen) Speicherung und des Abrufs zu tragen hat. Die Erklärung ist wirksam, 163 164 165 166 167 Dies entspricht der Rechtsprechung des BGH zum Eingang prozessualer Erklärungen, die nicht § 130 BGB, sondern eigenen Regeln folgen. Der BGH unterscheidet danach, ob die Signale vollständig in das Empfangsgerät gelangt sind (Zugang) oder ob die Übertragung (z.B. wegen einer Störung des Empfangsgeräts) bereits zuvor unterbrochen wurde, vgl. oben III 1 lit.c), insbesondere Fn 69-72. Anders verhält es sich für rein optische oder rein akustische Erklärungen, die beim Empfänger verhallen. Dernburg, Pandekten, II. Band, 2. Aufl. 1889, S. 31. Burghard, AcP 195 (1995), S. 93. Burghard, a.a.O.; ders., BB 1995, S. 223. 108 wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser bei Annahme gewöhnlicher Umstände die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Entsprechend dieser Risikoverteilung ist die Erklärung bereits dann vollständig in den Machtbereich des Empfängers oder in dessen Verfügungsgewalt gelangt, wenn ihm eine Speicherung (Konservierung) möglich ist – der Empfänger also die „Möglichkeit der Speicherung“ hat.168 Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Erklärung eine Vorrichtung erreicht, die typischerweise für den Empfang von Willenserklärungen vorgesehen ist (sog. Empfangsvorrichtung).169 Lediglich in den Fällen, in denen die verwendete Kommunikationstechnologie eine Situation schafft, in der die Parteien unmittelbar „von Person zu Person“ kommunizieren, finden die Regelungen über die Willenserklärungen unter Anwesenden und damit die (eingeschränkte) Vernehmungstheorie Anwendung. V. Der Zugang nach 130 Abs. 1 S. 1 BGB im Lichte moderner Telekommunikation Wird eine Willenserklärung auf elektronischem Wege abgegeben oder übermittelt, handelt es sich regelmässig um eine verkörperte Erklärung unter Abwesenden, auf die § 130 Abs. 1 S. 1 BGB Anwendung findet. Nach der hier vertretenen Ansicht ist § 130 Abs. 1 S.2 BGB im Lichte moderner Kommunikationsmittel entsprechend auszulegen, so dass die Risikoverteilung die gesetzgeberische Grundentscheidung der dort statuierten Empfangstheorie verwirklicht. Willenserklärungen reisen stets auf Risiko des Absenders. Die Erklärung ist in den Machtbereich bzw. in den tatsächlichen Verfügungsbereich170 des Empfängers gelangt, wenn dieser die „Möglichkeit der Speicherung“ hat.171 Auf die tatsächliche Speicherung kommt es – ebenso wie auf die Kenntnisnahme – nach der gesetzlichen Grundentscheidung nicht an.172 Die Erklärung ist jedoch erst und nur dann zugegangen, wenn unter Annahme gewöhnlicher Umstände mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Der Zugang nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB setzt sich zusammen aus einem tatsächlichen Element und einem zeitlichen Faktor. Die Fragestellung ist also eine zweiteilige: Wie muss eine Erklärung zugehen, damit sie wirksam wird, und wann wird eine Erklärung wirksam? 168 169 170 171 172 John, AcP 184 (1984), S. 403. So ausdrücklich auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 14. Dezember 2000, BT-Drucksache 14/4987, Amtliche Begründung, S. 11. Siehe unten § 2 V 1 lit. b), S. 112. BAG NJW 1993, S. 1093. Burghard, AcP 195 (1995), S. 103; vgl. auch OLG Köln, NJW 1990, S. 1608: „Eine Willenserklärung geht in dem Augenblick zu, in dem sie theoretisch hätte abgerufen werden können.“ A.A. Kuhn, § 8 II, S. 95, 99, 104. 109 Für die Frage des Wirksamwerden bzw. des Zugangs ist auf die objektive Möglichkeit der Speicherung im Machtbereich des Empfängers abzustellen (tatsächliches Element). Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, wann der Zugang vollendet ist. Dabei ist nach der Rechtsprechung173 auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem unter Annahme gewöhnlicher Umstände mit der Kenntnisnahme der Erklärung zu rechnen ist (zeitlicher Faktor). 1. Machtbereich des Empfängers Bei der elektronischen (und ebenso bei der automatisierten) Willenserklärung stellt sich damit die Frage, was genau zum Machtbereich des Empfängers gehört. Eine Erklärung ist dann in den Machtbereich oder Verfügungsbereich des Empfängers gelangt, wenn sie eine typischerweise für den Empfang von Willenserklärungen geschaffene Empfangsvorrichtung erreicht.174 Nach der hier vertretenen Ansicht, setzt ein wirksamer Zugang lediglich die „Möglichkeit der Speicherung“ voraus. Diese ist gegeben, wenn es nur noch vom Empfänger abhängt, ob die Erklärung seiner fortgesetzten Verfügbarkeit zugeführt wird. Der Machtbereich muss daher objektiv bestimmt oder normalerweise geeignet sein, eine Erklärung aufzunehmen und dadurch zu speichern.175 Dabei ist auf die gewöhnlichen Verhältnisse abzustellen. Aussergewöhnliche Umstände aus dem Bereich des Empfängers, welche die Möglichkeit der Speicherung hindern, bleiben ausser Betracht. Insbesondere hat der Empfänger für die Funktionstüchtigkeit seiner Einrichtungen einzustehen. Die Abgrenzung zwischen dem Machtbereich des Empfängers und den allgemeinen Datennetzen hängt von der verwendeten Technik im Einzelfall ab. Bei Erklärungen, die über das Internet übermittelt werden, ist danach zu differenzieren, ob: die Erklärung direkt vom Absender an den Empfänger – oder besser an dessen Datenverarbeitungsanlage – übermittelt wird (Direkte Übermittlung)176 oder der Absender oder ein zwischengeschalteter Anbieter von Telekommunikationsdiensten die Erklärung für den Empfänger zum Abruf bereit halten (Abrufspeicherung)177 und das EDV- und Telekommunikationssystem nur der Übermittlung oder Zwischenspeicherung der eingegangenen Erklärungen bis zur Kenntnisnahme durch den Empfänger dient oder ob das System selbst auch eine inhaltliche Bearbeitung der Erklärung vollautomatisiert erledigt, es sich also um Computererklärungen handelt. 173 174 175 176 177 BGHZ 67, 275. Soergel/Hefermehl, § 130 Rn 8. Burghard, a.a.O. (Fn 171), präzisiert den Machtbereich daher mit dem Begriff des „Aufnahmebereichs“. Beispielsweise bei der Kommunikation über das Internet. Beispielsweise der Versand von E-Mail. 110 In den ersten beiden Fällen, der direkten Übermittlung und der Abrufspeicherung, unter Einsatz fremder Speicherbereiche, steht vor allem die Frage im Vordergrund, wann eine Erklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass mit ihrer Kenntnisnahme zu rechnen ist. Bei der automatisierten Weiterverarbeitung und Auswertung der Erklärung ohne Kenntnisnahme des Empfängers ist weniger die Bejahung des Zugangs, sondern seine Rechtwirkung problematisch. Fraglich ist, ob hier überhaupt auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme abzustellen ist und wenn ja, auf welchen konkreten Zeitpunkt. Dieser Frage wird unter Ziffer 3 dieses Abschnitts nachgegangen. a) Direkte Übermittlung Bei direkter Übermittlung an die Datenverarbeitungsanlage des Empfängers ist die Erklärung in den Machtbereich bzw. in den tatsächlichen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt, sobald die entsprechenden Daten den öffentlichen Übertragungsweg, das Telekommunikationsnetz, verlassen haben und über die Schnittstelle hinweg zu dessen interner Datenverarbeitungsanlage gelangt sind.178 Das bedeutet, das Transportrisiko des Erklärenden endet an der Abschlusseinrichtung der jeweiligen Übertragungswege. Unter Übertragungswegen versteht man alle technische Einrichtungen oder Systeme, die Nachrichten übertragen, senden, vermitteln und empfangen können als Punkt-zu-Punkt- oder Punkt-zu-MehrpunktVerbindungen einschliesslich ihrer Abschlusseinrichtungen (§ 3 Nr. 22 TKG179). Die massgebende Schnittstelle ist die physische und logische Verbindung der Endeineinrichtung des Empfängers im Sinne von § 3 Nr. 3 TKG mit dem Übertragungsweg. An dieser Schnittstelle beginnt der Herrschaftsbereich des Empfängers. Das ist regelmässig die Schnittstelle, an welche der Empfänger seine Endeinrichtungen (Telefax, Computer etc.) im Sinne von § 3 Nr. 3 TKG an das Telekommunikationsnetz, als der Gesamtheit der technischen Einrichtungen (Übertragungswege und Vermittlungseinrichtungen), die zur Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen dienen (§ 3 Nr. 21 TKG), anschliesst. Die Abschlusseinrichtung bzw. Schnittstelle ist abhängig vom Übertragungsweg. Vereinfacht kann zwischen drei unterschiedlichen Arten der Übertragung unterschieden werden: Dem (öffentlichen) Telekommunikationsnetz, wobei es keine Rolle spielt, ob die Signale ganz oder teilweise über Kabel- oder Funkverbindungen, analog oder digital, über einen Kanal oder gebündelt übertragen werden oder der Nutzer temporär oder dauerhaft verbunden ist. Handelt es sich um einen leitungsgebundenen Zugang zum Telekommunikationsnetz, so ist die 178 179 Köhler/Arndt, Recht des Internet, Rn 97; Mehrings, MMR 1998, S. 33. Telekommunikationsgesetz vom 25. Juli 1996, BGBl. I, 1120, geändert durch das Begleitgesetz zum Telekommunikationsgesetz vom 17. Dezember 1997, BGBl. I, 3108. 111 Schnittstelle regelmässig die Telefonanschlussbuchse, bei einer drahtlosen bzw. mobilen Internetverbindung das Empfangsgerät selbst. Handelt es sich um ein firmeneigenes Netzwerk, so endet der Übertragungsweg mit dem Passieren der LAN-Schnittstelle (Local Area Network). Daneben besteht die Möglichkeit einer Satellitenfunkverbindung im Sinne von § 3 Nr. 14 TKG. Der Übertragungsweg ist hierbei gespalten. Weil die zum Versenden von Daten an einen Satelliten notwendige technische Ausrüstung extrem kostspielig ist, wird ein zweigleisiges System verwendet: Der Empfang von Daten durch den Empfänger (Downstream) erfolgt durch eine digitale Empfangsantenne („Schüssel“), ähnlich dem Empfang von Fernsehprogrammen. Der für den Versand von Daten notwendige Rückkanal (Upstream) wird über eine herkömmliche Internetverbindung im oben genannten Sinne hergestellt. Massgeblich für die Beurteilung des Zugangs ist bei dieser Art der Übertragung der Empfang der Daten: Das ist der Fall, wenn und soweit die Daten den digitalen Empfänger (Receiver) erreichen, mit dem der Empfänger im Downstream-Verfahren an das Satellitenfunknetz angeschlossen ist. Schliesslich werden in naher Zukunft technische Möglichkeiten realisiert, bei denen Daten über das Stromnetz übertragen werden (sog. „Powerline Communication“ – kurz: PLC). Bei der Stromkabelkommunikation werden die Internetinhalte nicht den gesamten Weg durchs Stromkabel, sondern nur von der Trafostation des Stromanbieters bis zum Haus und von dort zu den Steckdosen des Nutzers transportiert. Dieses Verfahren gleicht der Übertragung von Daten über das leitungsgebundene Telekommunikationsnetz im erstgenannten Sinne, mit Ausnahme von Funkverbindungen, die begrifflich ausgeschlossen sind. Ähnlich funktioniert die Anbindung von Kunden an das Internet über das TVKabelnetz,180 allerdings setzt dies die Rückkanalfähigkeit des Kabelsystems voraus. Bei dieser Art der Übertragung endet das Transportrisiko des Absenders, sobald die ins Strom- bzw. TV-Kabelnetz eingespeisten Daten die Steckdose bzw. den TV-Kabelanschlusses des Empfängers erreichen. Mit dem Passieren der Schnittstelle ist der Zugang einer direkt übermittelten Erklärung, auch vor der Speicherung oder dem Ausdruck beim Empfänger bewirkt.181 Der Ausdruck ist bereits deshalb entbehrlich, weil die Nachricht – anders als beim Telefax – am Bildschirm lesbar ist oder unmittelbar elektronisch weiterverarbeitet werden kann.182 Realisiert sich das im Herrschaftsbereich des Empfängers bestehende Fehlerrisiko, indem die Speicherung oder der Ausdruck fehlschlägt, so hindert dies folglich den Zugang nicht.183 Der Empfänger ist für die Funktionstüchtigkeit der von ihm zum Empfang rechtsgeschäftlicher Erklärungen 180 181 182 183 Da die verwendete Datenübertragungstechnik andere Frequenzbereiche als die Fernsehübertragung nutzt, ist es möglich, gleichzeitig im Internet zu surfen und fernzusehen. Heun, CR 1994, S. 598; Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1, Rn 77. Mehrings, Multimediarecht, a.a.O. Heun, CR 1994, S. 598, Burghard, AcP 195 (1995), S. 104; a. A. Kuhn, § 8 II, S. 95, 99, 104. 112 vorgesehen Einrichtungen verantwortlich.184 Eine Erklärung ist daher regelmässig zugegangen, wenn die Erklärungssignale vollständig in die Empfangseinrichtung des Adressaten gelangt sind. „Werden beispielsweise Daten, die bereits die (entsprechende) Schnittstelle des Empfängers passiert haben, nicht gespeichert, sind sie also für den Empfänger zu keinem Zeitpunkt wahrnehmbar, trägt dieser das Risiko, da die Daten mit dem Passieren der Schnittstelle in seinen Herrschaftsbereich gelangt sind.“185 b) Abrufspeicherung – Mailboxkommunikation aa) Komplizierter sind die Fälle der Abrufspeicherung, in denen die Erklärung über Dritte abgegeben bzw. empfangen wird. Die Abrufspeicherung unterscheidet sich von der direkten Übermittlung dadurch, dass ein Dritter in die Übermittlung eingeschaltet ist, der die Erklärung stellvertretend für den Empfänger in einem Mailbox-System zum Abruf bereit hält. Mail-Server sind Rechner, auf deren Speichermedien dem Kunden ein bestimmter für ihn reservierter Bereich zur Zwischenspeicherung eingegangener E-Mails vorgehalten wird. Sie sind rund um die Uhr in Betrieb und ermöglichen die permanente Erreichbarkeit des Kunden für Dritte. In diesem Fall beginnt der massgebliche Herrschaftsbereich des Empfängers nicht, wie bei Direktverteilungssystemen, mit dem Passieren der LAN-Schnittstelle zum öffentlichen Übertragungsweg. Vielmehr ist die Erklärung bereits dann in den Machtbereich des Empfängers gelangt, wenn die Erklärung die Empfangsvorrichtung erreicht. Gemäss dem einleitend Gesagten ist die Möglichkeit der Speicherung ausreichend und für die Verteilung der Risiken ausschlaggebend. Das bedeutet: das Versagen der Empfangsvorrichtung ist „zugangsneutral“. Die Erklärung geht in jedem Fall in dem Moment zu, in dem der Empfänger mit Willen des Dritten unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den betreffenden Datenbestand erhält. Wird eine E-Mail wie im Normalfall von einem Anbieter zum Abruf bereit gehalten, so gelangt diese regelmässig mit der Möglichkeit des Zugriffs, d. h. des Abrufs der Mailbox in den Empfangsbereich des Empfängers und ist diesem zugegangen.186 Ob er die eingegangene E-Mails abruft und ihm die Kenntnisnahme gelingt, ist nicht entscheidend. Unerheblich ist auch, wie der Empfänger sich die Nachrichten aus seinem elektronischen Briefkasten holt, so typischerweise durch unmittelbarer Zugriff auf sein Postfach mittels POP (Post Office Protocol), wobei die E-Mail vom Mail-Server zum Empfänger-PC kopiert und dort auf einem Datenträger gespeichert wird, und „offline“ gelesen und bearbeitet werden kann. Hierzu wählt sich der Empfänger unter Einsatz eines Kommunikationsprogramms (E-Mail Client) üblicherweise per 184 185 186 Für den Bereich der Justiz, vgl. BGH NJW 1992, S. 244; im übrigen Ebnet, NJW 1992, S. 2985, 2990 f.; sowie Tschentscher, CR 1991, S. 141, 148. Schwerdfeger, Vertragsschluss im Internet, Kap. 6-2.3., S. 18. Soergel/Hefermehl, § 130 Rn 13d; Heun, CR 1994, S. 598. 113 Telefon-Wählleitung bei seinem Provider ein und veranlasst den download eingegangener E-Mails nebst Anlagen. Denkbar ist aber durch die Inanspruchnahme eines Mail-Client-Dienstes, der das neuere IMAP (Internet Message Access Protocol) oder ein spezielle Website (Web-Frontend)187 verwendet. Die Erklärung bleibt hier auf dem Mail-Server liegen und wird über das Netz „Online“ gelesen und bearbeitet.188 Zwar kann der Empfänger der Nachricht in beiden Fällen erst nach Verbindung mit dem Dienstanbieter und Eingabe eines entsprechenden Passwortes auf den ihm vom Mittelungsdienst zugewiesen Speicherbereich zugreifen. Der Erklärende hat jedoch seinerseits alles getan, um dem Empfänger den Abruf und damit die Möglichkeit der Speicherung der Erklärung zu eröffnen. „Der Empfänger kann sich (deshalb) nicht darauf berufen, dass er keinen Einfluss auf den (externen) Speicherbereich des Anbieters habe“.189 Darauf, dass der Empfänger diese Möglichkeit der Speicherung wahrnimmt, die Erklärung also beim Dritten tatsächlich abruft, diese die Schnittstelle der Datenverarbeitungsanlage des Empfängers passiert und dort zuverlässig abgespeichert wird, kommt es, wie aufgezeigt, gerade nicht an.190 Der Erklärende trägt nach der Wertung des § 130 Abs. 1 S. 1 BGB das Risiko des Verlustes oder der Verstümmlung der Erklärung auf dem Übermittlungsweg. Ist die Erklärung aber einmal in den Machtbereich gelangt, so ist es nun das Risiko des Empfängers, dass er nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig von der Erklärung Kenntnis nimmt. bb) Hier zeigt sich die Besonderheit der Abrufspeicherung gegenüber der direkten Übermittlung der Erklärung. Bei direkter Übermittlung trägt das Transportrisiko allein der Erklärende. Für den wirksamen Zugang i.S.d. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB ist es deshalb notwendig, aber auch ausreichend, dass die Erklärung von der Sphäre des Erklärenden in den tatsächlichen Verfügungsbereich des Empfängers transportiert wird. Anders liegt die Situation bei der Abrufspeicherung: Die Erklärung wird vom Erklärenden nicht unmittelbar in den Macht- und Verfügungsbereich des Empfängers übermittelt, sondern zunächst an den Mail-Server der Empfängeradresse und von dort an den Empfänger weitergeleitet. Der Transportweg ist im Vergleich zur direkten Übermittlung gestreckt. Eine strikte Anwendung der Formel: „Der Erklärende trägt das Transportrisiko, der Empfänger das Kenntnisnahmerisiko“ führt bei der Kommunikation in Dreieckskonstellationen – wie sie für Abrufspeicherung typisch sind – zu einer Risikoausweitung zu Lasten des Erklärenden. Eine solche Verlagerung des Risikos widerspräche aber der Verteilung 187 188 189 190 Dieses wird von z.B. sog. Internet Accounts wie GMX <http://www.gmx.de> oder Hotmail <http://www.hotmail.com> verwendet und ermöglicht den Abruf oder Versand einer E-Mail überall dort, wo es einen Internetzugang gibt. Vgl. Abbildung 9 („Lebenszyklus einer E-Mail Erklärung“), S. 86. Schwerdfeger, Vertragsschluss im Internet, Kap. 6-2.3., S. 18. Daher ist für die Frage, ob eine Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, rechtlich unbedeutend, dass der Empfänger regelmässig keine Kenntnis vom Eintreffen einer Erklärung in der Mailbox besitzen wird. Ausreichend ist die abstrakte Möglichkeit der Kenntnisnahme. Die Frage der zumutbaren Möglichkeit der Kenntnisnahme wird erst bei der Prüfung des Zugangszeitpunkts relevant. 114 der Risiken, wie sie in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB statuiert ist. Danach hat jeder Teil die Gefahren seiner Sphäre selbst zu tragen: den Erklärenden treffen darüber hinaus, weil er den Übermittlungsweg wählt, nur die Risiken des Transports der Erklärung zwischen den Sphären, nicht jedoch innerhalb der Sphäre des Empfängers. Transportrisiken innerhalb der Sphäre des Empfängers hat der Erklärende nicht zu tragen. Wie Abbildung 9191 zeigt, trägt der Absender das Transportrisiko, während das Abrufrisiko auf den Empfänger entfällt. Unabhängig von der Art und Weise der Übermittlung der Willenserklärung ist die entscheidende Zäsur für den Übergang des Transportrisikos der Übertritt der Erklärung von der Sphäre des Erklärenden in die Sphäre des Empfängers. Nicht notwendig ist, dass die Erklärung in den räumlichen oder organisatorischen Machtbereich des Empfängers gelangt. Es reicht aus, wenn der Empfangs- und Speicherbereich des Dritten normativ der Sphäre des Empfängers zuzurechnen ist. Dies ist der Fall, wenn der elektronische Briefkasten eine Empfangsvorrichtung darstellt, die typischerweise für den Empfang von Willenserklärungen vorgesehen ist (vgl. Abbildung 10). Abbildung 10: Normative Zurechnung bei der Mailboxkommunikation Transport Sphäre des Erklärenden Empfangs- und Speichervorrichtung (Mailbox) Zugang Sphäre des Empfängers Normative Zurechnung cc) Der Hausbriefkasten wird als Empfangsvorrichtung angesehen, weil sein Inhaber durch das Anbringen zum Ausdruck bringt, dass der Briefkasten für den Empfang von Erklärungen zur Verfügung steht, er ihn also dafür gewidmet hat.192 Dies lässt sich darauf zurückführen, dass das Postsystem weltweit verbreitet ist und die Mehrzahl aller Haushalte angeschlossen ist. Entsprechend bringt der Nutzer eines Postfachs seine Bereitschaft zum Empfang von Erklärungen zum Ausdruck. Für ein Mailboxsystem kann das – zumindest heute – noch nicht in jedem Fall gelten. Daher stellt eine Mailbox nur dann eine solche Empfangsvorrichtung dar, wenn der Inhaber im Rechts- und Geschäftsverkehr mit seiner E-Mail-Adresse auftritt, er seine 191 192 Vgl. oben § 2, III 2, Abbildung 9 („Lebenszyklus“ einer Willenserklärung), S. 86, wonach der Empfänger mit der (Zwischen-) Speicherung der Signale auf dem Mail-Server das Risiko fehlerhafter, unvollständiger oder verzögerter Übermittlung der Erklärung trägt. Ultsch, NJW 1997, S. 3007. 115 Mailbox also für den Empfang von Erklärungen, typischerweise von E-Mail, gewidmet hat (im nachfolgenden: geschäftlicher E-Mail-Nutzer).193 Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Inhaber einer Mailbox mit seiner E-Mail-Adresse im Geschäfts- und Rechtsverkehr auftritt oder die E-Mail-Adresse auf Visitenkarten und Briefbögen verwendet wird.194 Branchenspezifisch ist eine Widmung auch ohne eine solche Bekanntgabe denkbar, beispielsweise bei einem Internet- oder Kommunikationsunternehmen. Der fremde Speicherbereich gehört in diesen Fällen regelmässig zum Empfangsbereich des Empfängers.195 Auf den Abruf der Erklärung durch den Empfänger kommt es nicht an. Der „elektronische Briefkasten“ ist somit dem konventionellen Briefkasten gleichzustellen.196 Auch der private E-Mail-Nutzer kann seine Mailbox für den Empfang von rechtsgeschäftlichen Erklärungen widmen. Dies muss nicht generell geschehen. Er kann seine Mailbox auch gegenüber einzelnen widmen, indem er diesen gegenüber eine Willenserklärung unter Angabe seiner EMail-Adresse abgibt. Dadurch gibt er nach aussen zu erkennen, dass er damit rechnet, Willenserklärungen auf diesem Weg zu empfangen. Entsprechendes gilt, wenn der private E-Mail-Nutzer über mehrere E-Mail-Adressen verfügt, wie dies häufig der Fall ist. Eine rechtsgeschäftliche Widmung kann hier nicht generell bejaht werden, sondern muss für jede einzelne Mailbox gesondert geprüft werden. dd) Fraglich ist, ob etwas anderes gilt, wenn der Empfänger seinen elektronischen Briefkasten nur für den gesellschaftlich-sozialen, nicht aber für den Rechts- und Geschäftsverkehr einsetzt (im nachfolgenden: rein privater E-Mail-Nutzer). Fehlt es an einer ausdrücklichen Widmung, ist fraglich, ob schon heute eine Mailbox allein durch die Einrichtung und Nutzung nach der Verkehrsanschauung als eine Vorrichtung zum Empfang von Willenserklärung anzusehen ist. Dafür spricht zwar einerseits die rasant zunehmende Verbreitung des Kommunikationsmittels E-Mail. Andererseits sprechen die Manipulationsfähigkeit und die fehlende Vertraulichkeit bei der Nutzung von E-Mail zur Zeit dagegen, eine rein private Nutzung im rechtlich nicht relevanten Bereich als uneingeschränkte Bereitschaft zur jederzeitigen Entgegennahme von rechtserheblichen Erklärungen zu akzeptieren.197 Entscheidend ist m.E. jedoch ein anderes Argument: Der Empfänger unterliegt nach h.M. grundsätzlich keiner Verpflichtung, überhaupt Empfangsvorrichtungen vorzuhalten, also das Gelangen jedweder Erklärung in 193 194 195 196 197 Ultsch, NJW 1997, S. 3007. Ernst, NJW-CoR, 1997, S. 165, 166; Taupitz/Kritter, JuS 1999, S. 841 A.A. Kuhn § 8 II, S. 100. Der Mitteilungsbetreiber könne nur ausnahmsweise als zur Entgegennahme von Erklärungen ermächtigt angesehen werden, mit der Folge, dass schon die Speicherung bei diesem Empfangsboten den Zugang bewirke. Im Regelfall erfolge der Zugang erst mit Abruf der Nachrichten durch den Empfänger; ähnlich Paefgen zu Btx, S. 19; ders. in Jus 1988, S. 594, hiergegen: OLG Köln, NJW 1990, S. 1608 f. Friedmann, S. 28; Herrmann, K&R 1999, S. 8; Köhler, Rechtsgeschäfte, S. 54. Taupitz/Kritter, Jus 1999, S. 841; Ultsch, DZWir 1997, S. 468. 116 seinen Bereich zu ermöglich.198 Vielmehr trifft ihn eine solche Verpflichtung nur bei Hinzutreten besonderer Umstände, beispielsweise bei Bestehen von Geschäfts- oder Vertragsbeziehungen. Der rein private E-Mail-Nutzer hat seinen elektronischen Briefkasten dagegen gerade nicht als Empfangsvorrichtung für rechtlich relevante Erklärungen gewidmet. So wenig der Erklärende dem „Empfänger einseitig die Postlagerung oktroyieren kann“199, so wenig kann der Absender aus eigener Machtvollkommenheit die Mailbox des rein privaten E-Mail-Nutzers als Empfangsvorrichtung bestimmen.200 Mit dem Eintreffen der E-Mail in die Mailbox ist diese noch nicht in den Machtbereich des Empfängers gelangt. Beim rein privaten E-Mail-Nutzer geht die Erklärung daher nicht schon mit der Ablage in die Mailbox, sondern regelmässig erst dann zu, wenn der Empfänger die Erklärung abruft, genauer gesagt, mit der tatsächlichen Kenntnisnahme des Adressaten.201 Fehlt es bei Eingang von Erklärung in der Mailbox des privaten E-Mail Nutzers bereits am Zugang, so erübrigt sich die Frage, ob dieser auch rechtzeitig erfolgt ist. Auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme kommt es in diesem Fall nicht an. Der Erklärende muss auf anderem Wege dafür Sorge tragen, dass die Erklärung den Empfänger erreicht. Eine Verpflichtung des Empfängers, die Erklärungen abzurufen, besteht nicht. Dies gilt jedenfalls solange, wie das Kommunikationsmedium E-Mail im Rechts- und Geschäftsverkehr nicht so verbreitet ist, dass das blosse Innehaben einer E-MailAdresse nach der Verkehrsanschauung als (faktische) Widmung zu deuten ist, d. h. als die uneingeschränkte Bereitschaft zum Empfang von Willenserklärungen.202 Ruft der private E-Mail-Nutzer dagegen seine Mailbox ab, wird die Erklärung in diesem Zeitpunkt auch wirksam, denn der Zugang ist stets erfolgt, wenn der Empfänger Kenntnis erlangt. ee) Eine andere Frage ist, wie lange die Nutzung oder Angabe einer E-Mail-Adresse im Rechtsgeschäftsverkehr fortwirkt.203 Anders als bei der postalischen Anschrift, hat der Empfänger keine Möglichkeit einen Umzug, d.h. einen Wechsel seiner EMail Adresse öffentlich kundzutun. Der Absender kann sich daher nicht sicher sein, dass der Empfänger uneingeschränkt bereit ist unter einer zu einem früheren Zeitpunkt genutzten E-Mail Adresse auch weiterhin rechtsgeschäftliche Erklärungen entgegenzunehmen. Fraglich ist daher, wie lange sich der Nutzer an der Widmung festhalten lassen muss, oder anders ausgedrückt, wie lange er eine benutzte Mailbox vorhalten und diese regelmässig auf den Eingang von Nachrichten kontrollieren muss. Das Problem wird in der Literatur bisher kaum diskutiert. Dabei wird man unterscheiden müssen: Die Angabe einer E-Mail Adresse auf einer Website wirkt 198 199 200 201 202 203 BGHZ 67, 278. Flume AT, § 14.3b, S. 234. Ultsch, NJW 1997, S. 3008. Soergel/Herfermehl, § 130 Rn 13d; Köhler AT, § 6 II Rn 18. Leipold, AT, § 3 III, Rn 414; Ultsch, NJW 1997, S. 3008: Anders stellt sich der Fall dar, wenn der Empfänger diese Empfangsart bekannt gemacht oder akzeptiert hat. Dann ist der rein private E-Mail-Nutzer dem geschäftlichen Nutzer gleichzustellen, so dass die dort gemachten Ausführung entsprechend Anwendung finden. Vehslage, AnwBl. 2002, S. 87. 117 solange fort, wie diese im Internet abgerufen werden kann.204 Anders ist die Rechtslage dagegen bei der Angabe einer E-Mail Adresse auf geschäftlichen Unterlagen, etwa dem Briefpapier, der Rechnung oder auf Visitenkarten. Der Empfänger muss aus allgemeinen Erwägungen heraus grundsätzlich die Möglichkeit haben, seine Empfangsvorrichtungen und damit seine E-Mail-Adresse zu verändern. Der durch die frühere Nutzung einer E-Mail-Adresse erzeugte Rechtsschein wirkt deshalb nicht ewig fort, sondern unterliegt zeitlichen Beschränkungen, deren Dauer von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Es ist daher stets zu prüfen, ob der Absender bei verständiger Würdigung des Sachverhalts objektiv davon ausgehen konnte, der Empfänger werde die elektronische Post zur Kenntnis nehmen. Aus der Frage des Fortwirkens der Angabe einer E-Mail-Adresse ergeben sich bestimmte Obliegenheiten des Mailbox-Inhabers.205 Wer weiss oder wissen muss, dass der Rechtsverkehr mit der Entgegnnahme von Erklärungen unter einem bestimmten E-Mail-Account rechnet, diesen aber in praxi nicht verwendet und keine entsprechenden Vorkehrungen trifft (z.B. Abmeldung oder Umleitung auf eine andere Mailbox) muss solche Erklärungen gegen sich gelten lassen. Will der Empfänger sein Postfach künftig nicht mehr weiter nutzen, muss er dies deutlich und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, etwa indem er die Website aktualisiert oder Dritten seine neue E-Mail Adresse mitteilt. Er ist für einen gewissen Zeitraum verpflichtet, sowohl die alte wie die neue E-Mail Adresse regelmässig auf den Eingang elektronischer Post zu kontrollieren. Die Frage wie lange der Empfänger verpflichtet ist, mehrere Empfangseinrichtungen parallel Vorzuhalten, kann nicht generell beantwortet werden, sondern ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls. Sie wird bei kostenpflichtigen E-Mail-Diensten im Vergleich zu kostenlosen Angeboten, die ohne Mehrkosten auf den neuen Account umgeleitet werden können, kürzer zu bemessen sein. Wirkt die ehemalige Nutzung oder Angabe der alten E-Mail-Adresse durch Zeitablauf oder aktive Entwidmung nicht mehr fort, ist der Empfänger weder verpflichtet entsprechende Massnahmen zu treffen, noch das Postfach zu kontrollieren. 2. Vollständiges Gelangen in den Machtbereich Die Erklärung muss darüber hinaus „vollständig“ in den Machtbereich des Empfängers gelangt sein, denn nach der Empfangstheorie trägt der Erklärende das Transportrisiko. Hierfür kommt es zunächst darauf an, ob auf der Transportstrecke eingetretene Datenverluste oder -veränderungen Auswirkungen auf den Inhalt der Erklärung haben oder nicht. 204 205 Vehslage, a.a.O. Vehslage, AnwBl. 2002, S. 87. 118 a) Lassen die Datenverluste bzw. -veränderungen das Interesse des Empfängers an der Kenntnisnahme der Erklärung unberührt, weil ihre Lesbarkeit – das Gelingen der Speicherung und des Abrufs der Erklärung unterstellt – nur beeinträchtigt, nicht aber aufgehoben wird, so hindert dies den Zugang der Erklärung nicht.206 b) Führen die Datenverluste bzw. -veränderungen dagegen zu inhaltlichen Unrichtigkeiten oder zur Unvollständigkeit der Erklärung ist weiter zu differenzieren:207 - Lässt sich infolge der Verstümmelung auch durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ein Rechtsfolgewille nicht mehr ermitteln, so fehlt es tatbestandlich an einer Willenserklärung.208 - Wird der Inhalt dagegen nur verändert, etwa durch Fehler bei der Übermittlung oder durch Dritte bewusst manipuliert209, dann wird die Erklärung mit dem geänderten Inhalt wirksam. Das gilt nach § 122 BGB auch dann, wenn der Empfänger die Veränderung erkannte oder hätte erkennen müssen. Der Erklärende kann jedoch gemäss § 120 BGB anfechten. Er ist in diesem Fall zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet. - Wird die Erklärung nur teilweise bzw. bruchstückhaft übertragen, etwa weil die Verbindung vorzeitig unterbrochen wird, so fehlt es an einem vollständigen Gelangen der Erklärung in den Machtbereich; die Erklärung ist nicht zugegangen.210 3. Möglichkeit der Kenntnisnahme a) Der Meinungsstand aa) Ist die Erklärung objektiv und vollständig in den Machtbereich des Empfängers gelangt, ist damit aber die zweite Komponente des Zugangsbegriffs noch nicht erfüllt. Hinsichtlich des Zeitpunkts des Wirksamwerdens bestimmt § 130 Abs. 1 S. 1 BGB, dass eine Willenserklärung in dem Zeitpunkt wirksam wird, in welchem Sie zugeht. Dabei ist auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem „unter Annahme gewöhnlicher Umstände mit der Kenntnisnahme der Erklärung zu rechnen ist“. Die bekannte Formulierung der Rechtsprechung schiebt also den Zugang, der schon mit der Möglichkeit der Speicherung in den Empfangsbereich gelangten 206 207 208 209 210 Burghard, AcP 195 (1995), S. 105 f. Vgl. hierzu Burghard, AcP 195 (1995), S. 105 f. Erman/Palm, § 120 Rn 3; MüKo/Kramer, § 120 Rn 4; Staudinger/Dilcher, § 130 Rn 41. Ist der Dritte mit Wissen und Wollen des Absenders in die Übermittlung eingeschaltet worden, so handelt es sich um einen Fall der bewussten Falschübermittlung: der Bote gibt eine eigene Willenserklärung ab. Deshalb wird der Geschäftsherr nicht gebunden; eine Anfechtung ist nicht erforderlich, h.M. vgl. Erman/Palm, § 120 Rn 3 m.w.N. In diesen Fällen wird es bereits vielfach an einer wirksamen Abgabe fehlen. Beruht der Verbindungsabbruch dagegen auf einem Fehler des Empfangsgeräts, so liegt ein Zugangshindernis vor, dazu unten § 2 V 4; S. 130. 119 Willenserklärung mit Recht bis zu dem Zeitpunkt auf, zu dem mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Es besteht insofern eine gewisse Parallele zum bedingten Rechtsgeschäft. Die Willenserklärung ist tatbestandlich vollendet und voll gültig, nur ihre Rechtswirkungen bleiben bis zum Eintritt der Bedingung in der Schwebe. Für den Zugang und die Wirksamkeit einer Willenserklärung sind danach zwei Faktoren relevant: Zum einem der Eintritt der Erklärung in den Machtbereich des Empfängers211 und zum anderen der Zeitpunkt, zu dem der Absender unter gewöhnlichen Umständen mit der Kenntnisnahme durch den Empfänger rechnen darf. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht ein Schwebezustand. Mit Eintritt des Zeitpunkts der gewöhnlichen Kenntnisnahme wird der Schwebezustand beendet, die Erklärung wird ipso iure wirksam. Der Frage der Wirksamkeit der Willenserklärung darf dabei nicht mit der Verteilung des Verlust-, Verzögerungs- und Verfälschungsrisikos während des Schwebezustands verwechselt werden. Auf letztere wird nachfolgend bei der Untersuchung von Zugangshindernissen eingegangen werden. bb) Demgegenüber nimmt eine Mindermeinung an, die Erklärung sei bereits in dem Zeitpunkt zugegangen und damit wirksam geworden, wenn sie vollständig derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse die Möglichkeit habe, die Erklärung zu speichern.212 Nach anderer Ansicht sei der zu erwartende Zeitpunkt der Kenntnisnahme nicht für das Wirksamwerden, sondern nur für die Rechtzeitigkeit der Erklärung massgeblich. Danach wäre zu trennen. Der Zugang erfolge sofort, der spätere Zeitpunkt der Kenntnisnahme sei nur für die Wahrung von Fristen oder das Kennenmüssen von Bedeutung. Eine nach Geschäftsschluss zugegangene E-Mail sei danach sofort zugegangen (und könnte also nicht mehr wiederrufen werden). Trotzdem wäre eine Erklärung gleichwohl verspätet, wenn mit Ablauf des Zugangstags eine Frist endet. Dagegen wird angeführt, dass diese Mindermeinung nicht nur kompliziert (eine schon zugegangene Erklärung kann zu spät kommen), sondern auch vom Ergebnis her ungerecht sei.213 „Der Schutz des Empfängers wird ohne ausreichenden Grund übertrieben.“214 211 212 213 214 A.A. Larenz, § 26 II, Rn 8, S. 508. “Es reiche aus, wenn die Erklärung dem Empfänger in einer Art und Weise nahegebracht worden ist, dass er unter normalen Umständen von ihr Kenntnis nehmen kann. Nicht notwendig sei, dass die Erklärung auch in seinen räumlichern Herrschaftsbereich gelangt. Dies erleichtere zwar die Kenntnisnahme und könne als Indiz betrachtet werden, ist aber weder für sich allein zureichend noch unbedingt erforderlich. Es sei nicht zureichend, weil eine Kenntnisnahme häufig erst sehr viel später erwartet werden kann. Dass es nicht notwendig sei, zeige die allgemeine Behandlung von vom Empfänger bestellten postlagernden Sendungen. Diesen seien bereits zugegangen, wenn sie im Postamt zur Abholung bereitgelegt sind, weil von diesem Augenblick an dem Empfänger die Kenntnisnahme möglich sei und unter normalen Verhältnissen auch erwartet werden könne“. Ähnlich äussert sich Brox AT, § 7 Rn 152: „Es reiche jeder ‚sonstige Bereich’ aus, notwendig sei nur, dass der Empfänger in der Lage sei, vom Inhalt der Willenserklärung Kenntnis zu nehmen.“ Burghard, AcP 195 (1995), S. 108. Medicus AT, § 22 Rn 275. Staudinger/Dilcher, § 130 Rn 25. 120 cc) Vollendet ist der Zugang daher erst, wenn unter gewöhnlichen Umständen mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist. Nimmt der Adressat allerdings tatsächlich früher Kenntnis, als nach der Verkehrsaufassung zu erwarten war, ist Zugang bereits zu diesem Zeitpunkt anzunehmen.215 Die vom Absender begründete Grundlage für schutzwürdige Dispositionen soll nicht mehr beeinträchtigt werden können. Für die Frage, wann mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist, ist zwischen privater und geschäftlicher Nutzung zu unterscheiden. Dabei bietet sich ein Vergleich der elektronischen Willenserklärungen mit dem Fax bzw. dem Brief an. Auf die Situation bei der automatisierten bzw. Computerklärung wird nachfolgend gesondert eingegangen. b) Grundsätze der Faxübertragung aa) Geschäftliche Nutzung Bei geschäftlicher Nutzung ist bei der Faxübertragung regelmässig mit der Kenntnisnahme zu rechnen, wenn das Fax während der Geschäftszeiten empfangen und ausgedruckt oder zwischengespeichert216 wird. Wird das Fax nach Geschäftsschluss empfangen, tritt Zugang erst ein, wenn mit der Durchsicht der Faxpost zu rechnen ist. Das ist der Fall mit Wiederbeginn der Geschäftszeit, in der Regel der nächste Werktag.217 Bei gewöhnlichen Briefen ist dies der Zeitpunkt, zu dem die Briefkastenleerung üblicherweise zu erwarten ist.218 Das hängt davon ab, wann beim Empfänger unter normalen Umständen die Post eingeht und er deshalb üblicherweise die Post an sich nimmt. Später eingegangene Briefe gehen erst am nächsten Tag bzw. Werktag zu.219 Für postlagernde Sendungen hat schon das 215 216 217 218 219 MüKo/Einsele, § 130 Rn 16; Palandt/Heinrichs, § 130 Rn 5; Hübner AT, Rn 731; Medicus AT, Rn 276; John, AcP 184 (1984), S. 385, S. 409 f. Wird die Nachricht nicht sofort ausgedruckt, sondern zunächst zwischengespeichert, ist gleichwohl Zugang erfolgt: Zugang erfordert nur die Möglichkeit der Speicherung und dass die Kenntnisnahme zu erwarten ist, dass der Speicherinhalt zunächst noch demoduliert und ausgedruckt werden muss, ist unerheblich, Pawlowski AT, Rn 373; Taunbitz/Kritter, JuS 1999, S. 841. AG Frankfurt, NJW-RR 1993, S. 1332; Palandt/Heinrichs, § 130 Rn 7. Ein Faxgerät ist typischerweise rund um die Uhr angeschlossen und in Betrieb. Dies lässt entgegen der Ansicht von Taunbitz/Kritter, JuS 1999, S. 841, regelmässig darauf schliessen, dass der Zugang rund um die Uhr ermöglicht werden soll. Ebnet, JZ 1996; S. 507 will den Faxinhaber, der keine Erklärungen nach Geschäftsabschluss akzeptieren will, daher darauf verweisen, sein Faxgerät abzuschalten. Dies ist wenig praktikabel und auch nicht erforderlich. Entscheidend ist, dass auch bei Eingang ausserhalb der üblichen Geschäftszeiten die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt, die Erklärungen regelmässig aber erst am nächsten Werktag, zu dem mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist, Rechtswirkungen entfaltet. Köhler AT, § 6 II Rn 14; Larenz AT, § 23 b, S. 433. Staudinger/Dilcher, § 130 Rn 12. 121 Reichsgericht220 den Zugang frühestens auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Abholmöglichkeit für den Empfänger datiert. bb) Nutzung durch Privatpersonen Anders soll der Fall bei Privatpersonen liegen. Nach überwiegender Ansicht soll das Fax bereits mit Beendigung des Druckvorgangs zugegangen sein.221 Dahinter steht die Vermutung, Privatpersonen nehmen ein eingehendes Fax sofort zur Kenntnis. Richtig ist, dass Zugang stets dann erfolgt, wenn der Empfänger Kenntnis vom Fax erhält. Dies gilt auch bei einem geschäftlichen Faxanschluss. Stellt man bei Privatpersonen aber generell auf den Zeitpunkt des Ausdrucks ab, so wären diese zur Vermeidung von Nachteilen praktisch verpflichtet, das Faxgerät laufend auf den Eingang neuer Nachrichten zu überprüfen. Diese Ansicht ist bedenklich. Genauso wenig wie verlangt wird, dass man stündlich oder gar minütlich seinen Briefkasten auf eingehende Sendungen kontrolliert,222 darf verlangt werden, dass der Inhaber eines Faxgerätes dieses hinsichtlich eingehender Faxe zu „bewachen“ hat.223 Ihm ist nicht zuzumuten, zu jeder Tages- und Nachzeit nachzuforschen, ob eine Erklärung eingegangen ist, obwohl er grundsätzlich die Möglichkeit dazu hätte. Richtigerweise ist darauf abzustellen, wann beim privaten Empfänger (nach der Verkehrsanschauung, nach allgemeiner Übung) mit der Kenntnisnahme üblicherweise zu rechnen ist. Teile der Literatur wollen hierbei auf die Art des Empfängers abstellen. Bei Arbeitnehmern könne erwartet werden, dass sie das Faxgerät morgens und nach Ende der allgemein üblichen Arbeitszeiten überprüfen.224 Eine Unterscheidung nach der Art der Privatperson ist m.E. wenig praktikabel. Oder soll etwa die Zugangsfrage bei einer/m Hausfrau/-mann anders beurteilt werden als bei einem Schichtarbeiter? Danach gehen tagsüber eingehende Faxe regelmässig noch am gleichen Tage zu, während zur „Unzeit“, d. h. spätabends eingehende Faxe, sofern keine tatsächliche Kenntnisnahme erfolgt, grundsätzlich erst am nächsten Tag zugehen. 220 221 222 223 224 RGZ 142, 402, 408; JW 1934, 135. Grundlegend für die Bedeutung postlagernder Sendungen: RGZ 144, 289, 292 f. Ebnet, NJW 1992, S. 2985, 2990; Daumke, ZIP 1995, S. 724; vgl. OLG Köln, NJW 1990, S. 1609 Nach BAG, NJW 1984, S. 1651, 1652 kann von einem von einem zu Hause anwesenden Arbeitnehmer nicht erwartet werden, dass er seinen Briefkasten nach Ende der allgemeinen Postzustellzeiten noch einmal leert. Nach OLG Hamm, NJW-RR 1995, S. 1187, 1188 kann nach der Verkehrsanschauung nicht erwartet werden, dass nach 16.50 Uhr der Hausbriefkasten geleert wird. Hier ist nach der teilweise Aufgabe des Briefzustellungsmonopols der Deutschen Post AG eine Anpassung der Rechtsprechung. Private Zustelldienste übernehmen die Zustellung sowohl privater Briefsendungen, wie auch solche von öffentlichen Einrichtungen und Behörden. Der Zeitpunkt der Zustellung variiert abhängig vom Ort und der beauftragten Organisation; eine Regelmässigkeit lässt sich nicht ausmachen. Ultsch, NJW 1997, S. 3008. Taupitz/Kritter, JuS 1999, S. 842. 122 c) Abrufspeicherung – Mailbox Telekommunikation Die dargelegten Grundsätze lassen sich auf die E-Mail übertragen.225 Die Erklärung gilt danach als zugegangen, sobald mit dem Abruf der Nachricht durch den Empfänger gerechnet werden kann.226 Bei der Frage, in welchen Zeitabständen die damit geforderte Überprüfung der Mailbox zu geschehen hat, ist zwischen Privatpersonen und der geschäftlichen Nutzung durch Gewerbetreibende zu differenzieren: aa) Geschäftliche Nutzung Der geschäftliche E-Mail-Nutzer muss mit dem Eingang von Nachrichten während der gesamten Geschäftszeit rechnen. E-Mails gehen daher grundsätzlich während der Geschäftszeiten mit Ankunft in der Mailbox des Anschlussinhabers zu, unabhängig davon, ob der Empfänger die Nachricht auf seinen Computer heruntergeladen hat.227 Wer durch die Angabe seiner elektronischen Anschrift im Rechtsverkehr auftritt, suggeriert nämlich, seinen elektronischen Briefkasten regelmässig auf eingehende Nachrichten zu untersuchen. Daran muss er sich festhalten lassen. Der geschäftliche E-Mail-Nutzer ist daher verpflichtet, mehrmals am Tag, zumindest aber zu Beginn und Ende der Geschäftszeiten, seinen elektronischen Briefkasten zu leeren. Vehslage228 weist zutreffend daraufhin, dass diese Obliegenheit in der Praxis zumindest im geschäftlichen Bereich zunehmend an Bedeutung verlieren wird, da grössere Unternehmen flächendeckend über eine feste Verbindung ins Internet verfügen (Standleitung). Ein ausdrückliches Abrufen von E-Mail ist in diesem Fall nicht mehr erforderlich, sondern erfolgt automatisch. Im Gegensatz zur Zustellung von Briefen durch die Post, die regelmässig nur einmal am Tag erfolgt, können elektronische Nachrichten rund um die Uhr eintreffen. Geht die Nachricht ausserhalb der üblichen Geschäftszeiten („zur Unzeit“) in der Mailbox ein, so erfolgt der Zugang mit der Wiedereröffnung des Geschäfts.229 Massgebend sind stets die Geschäftszeiten des Empfängers. Dies kann insbesondere für Willenserklärungen aus anderen Zeitzonen relevant werden, da hier die Geschäftszeiten von Erklärenden und Empfänger verschoben sei können. 225 226 227 228 229 Palandt/Heinrichs, § 130 Rn 7; Ernst, NJW-CoR, 1997, S. 165. Taupitz/Kritter, JuS 1999, S. 841. Auch beim Hausbriefkasten ist es irrelevant, ob der Empfänger diesen geleert hat oder nicht, da es nicht auf die tatsächliche Kenntnisnahme ankommt, sondern bereits die abstrakte Möglichkeit hierzu ausreicht. Vehslage, AnwBl. 2002, S. 87. Dies entspricht der Regelung in § 8.4 des deutschen „EDI-Rahmenvertrags“. Bereits 1994 wurde von der europäischen Kommission ein Modellvertrag zur Standardisierung rechtlicher Fragestellungen beim Electronic Data Interchange (EDI) veröffentlicht, der seinerseits auf den Vorarbeiten des UN/EDIFACT (United Nations/Electronic Data Interchange for Adminstration, Commerce and Trade) beruht. Die EDI-Rahmenverträge, so auch der deutsche Modellvertrag, sollen die vertraglichen Beziehungen zwischen Geschäftspartnern regeln und dadurch eine Erhöhung der Rechtssicherheit beim E-Commerce schaffen 123 bb) Nutzung durch Privatpersonen Bei Privatperson besteht – da sie keine Geschäftszeiten haben – die theoretische Möglichkeit der täglichen Kenntnisnahme.230 Im privaten Rechtsverkehr können die genannten Grundsätze aber nur in abgemilderter Form angewandt werden. Handelt es sich um einen rein privaten E-Mail-Nutzer kann von ihm grundsätzlich nicht erwartet werden, dass er seine Mailbox mehrmals täglich leert. Eine solche gesteigerte Nachforschungsobliegenheit ist dem rein privaten E-Mail-Nutzer nicht zuzumuten, insbesondere wenn er mehrere solcher E-Mail-Konten unterhält, d. h. unter mehreren verschiedenen E-Mail-Adressen im Rechtsverkehr auftritt. Dafür spricht schon, dass durch jeden Mailbox-Abruf üblicherweise Kosten durch Herstellung einer TelefonWählleitung zum Provider entstehen, wenn der Nutzer die Mailbox auf eingegangene Nachrichten hin überprüft, so lange sich nicht sog. „Flatrates“ mit Pauschalpreisen durchgesetzt haben.231 Voraussetzung dafür, dass der rein private E-Mail-Nutzer überhaupt verpflichtet ist, seine Mailbox(en) auf eingehende Nachrichten zu untersuchen, ist dessen Widmung als Empfangsvorrichtung für „rechtlich relevante Erklärungen“. Fehlt es hieran, gelangen die Erklärungen mit dem Eintreffen in der Mailbox noch nicht in den Machtbereich des Empfängers. Beim rein privaten E-Mail-Nutzer geht die Erklärung m.E. nicht schon mit der Ablage in der Mailbox, sondern regelmässig erst dann zu, wenn der Empfänger die Erklärung abruft, genauer gesagt, mit der tatsächlichen Kenntnisnahme des Adressaten.232 Hält ein privater Nutzer umgekehrt solche Telekommunikationsmittel zum Empfang rechtserheblicher Erklärungen bereit, kann dem Grunde nach wie beim häuslichen Briefkasten eine tägliche Durchsicht des Speicherinhalts erwartet werden.233 Eine genauere Eingrenzung der „üblichen“ Abfragezeiten beim rein privaten E-MailNutzer ist im Gegensatz zur Briefpost kaum möglich. Weder gibt es eine allgemein übliche Zustellzeit, noch lässt sich eine Praxis feststellen, wann rein private E-MailNutzer ihren elektronischen Briefkasten abfragen. Eine E-Mail gilt daher im Zweifel frühestens am nächsten Tag als zugegangen. Baetge234 weist zurecht daraufhin, dass für Privaperson die Durchsicht des elektronischen Briefkastens mit einem zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden ist, der beim Entleeren des Hausbriefkastens in dieser Form nicht anfalle. Zudem nehme die Zahl der übermittelten E-Mail ständig zu. Vor diesem Hintergrund sei entgegen der h.M. eine Leerung und Durchsicht alle zwei Tage zu fordern. Das bedeutet, dass zur Unzeit abgeschickte E-Mails regelmässig erst am übernächsten Tag zugehen. Ob der mit Abfrage der E-Mail verbundene Aufwand es rechtfertig, den Zugang nach hinten zu verschieben, ist m.E. 230 231 232 233 234 Vehslage, AnwBl. 2002, S. 87 Hoffmann, Beil. zu NJW H. 14/2001, S. 7. Soergel/Herfermehl, § 130 Rn 13d; Köhler AT, § 6 II Rn 18, Kuhn § 8 II, S. 102; Ultsch, DZWir 1997, S. 468; ders., Digitale Willenserklärungen, S. 133; ebenso für Btx Paefgen, JuS 1988, S. 594. Einschränkend insoweit Hoffmann, a.a.O., S. 7, der darauf hinweist, dass Privatpersonen meist nur ein geringes E-Mail-Aufkommen haben und daher nur sporadisch überprüfen werden, ob Nachrichten in der Mailbox eingegangen sind. Baetge, Rechtshandbuch e-Business, 2. Kap., S. 108. 124 fraglich. Zudem erscheint die Verlängerung der Frist um einen weiteren Tag eher willkürlich. Richtigerweise sollten von der allgemeinen Regel, wonach E-Mails im Privatbereich grundsätzlich am nächsten Tag zugehen, im Einzelfall Ausnahmen zugelassen werden. Die Rechtsprechung in diesem Punkt bleibt abzuwarten. cc) Lese- und Empfangsbestätigungen α) Problematisch ist in diesem Zusammenhang der Versand automatischer Empfangsbestätigungen durch den Empfänger, die bei Eingang der Nachricht in der Mailbox von diesem an den Absender verschickt werden. Hierdurch suggeriert der Empfänger dem Absender, er habe die Nachricht zur Kenntnis genommen.235 Dies ist aber bei automatisch verschickten Empfangsbestätigungen oft gerade nicht der Fall. Anders als bei der automatisierten Auftragsbearbeitung (siehe sogleich unter lit. d) besitzt der Erklärungsempfänger nämlich keinen generellen Zugangswillen des Inhalts, dass mit der Ablage der E-Mail in der Mailbox von einer Kenntnisnahme auszugehen ist, da er die Kenntnisnahme und inhaltliche Bearbeitung der empfangenen Erklärung nicht der Datenverarbeitungsanlage überlassen hat. Nach der Rechtsprechung dürfen Empfangsbestätigungen durch den Anwalt daher erst ausgefüllt werden, wenn dieser Anwalt das Dokument persönlich gesehen hat.236 Softwareprogramme, die auf automatische Rückantwort (Auto Response) eingestellt sind, sollten daher entsprechend geändert werden.237 β) Hiervon zu unterscheiden sind Empfangs- und Lesebestätigungen, die auf Anforderung des Absenders erstellt werden, um den Verlauf der Erklärung zu kontrollieren. Der Begriff der Empfangsbestätigung ist mehrdeutig. Dabei kann differenziert werden zwischen der Bestätigung nach Zugang der E-Mail und der Bestätigung nach Anzeige der E-Mail am Bildschirm des Empfängers. Eine Empfangsbestätigung (Zugangsbestätigung oder Delivery Status Notification) im eigentlichen Sinne markiert die Ablage der E-Mail-Erklärung in der Mailbox des Empfängers. Dies bedeutet nicht, dass der Empfänger die Meldung gelesen und verarbeitet hat. Sie sagt lediglich aus, dass die Message dem Empfänger zugestellt wurde und von diesem verarbeitet werden kann. Die Lesebestätigung (Anzeigebestätigung oder Reading Confirmation) zeigt an, ob eine E-Mail vom Empfänger geöffnet wurde: Beim Öffnen sendet das E-Mail-Programm eine 235 236 237 Hier muss, abhängig vom Inhalt der automatischen Rückantwort, unterschieden werden zwischen Empfangsbestätigungen, die dem Empfänger den Eingang seiner Nachricht bestätigen und blossen Abwesenheitsmitteilungen, mit denen der Empfänger den Absender darauf hinweist, dass er die E-Mail zur Zeit nicht oder nur eingeschränkt zur Kenntnis nehmen kann. Sprengard, Anwalt 2/2000, S. 50. Eine Auto-Response kann darüber hinaus zu einem sog. „Ping-Pong Effekt“ führen, indem der Adressat weitere Empfangsbestätigungen als Antwort auf ankommende Empfangsbestätigungen verschickt, die der Empfänger wiederum bestätigt: „Die Bestätigung bestätigt den Eingang der Bestätigung“ usw. - eine Bestätigung ohne Ende, die am Ende zu einem Überlauf des elektronischen Briefkastens führen kann. 125 Rückbestätigung an den Absender. Dazu wird die E-Mail beim Versand durch den EMail Client des Absenders mit einem Befehl im E-Mail-Header238 versehen, der automatisch eine Bestätigungs-E-Mail mit Datum und Uhrzeit an den Absender erstellt, sobald die Nachricht vom Empfänger abgerufen wird und der Empfänger der vom Absender angeforderten Bestätigung zustimmt.239 Die meisten E-MailProgramme können so konfiguriert werden, dass automatisch eine Empfangs- oder Lesebestätigung angefordert wird. Es handelt sich dabei um proprieätere Systeme, die untereinander nicht kompatibel sind.240 Meist ist die Nachfrage des Absenders vom Empfänger unerwünscht – ein guter E-Mail Client sollte daher in der Lage sein, solche Bestätigungen allenfalls auf Nachfrage zu verschicken, wie das folgende Beispiel in Abbildung 11 zeigt. Die Bitte um eine Lesebestätigung muss der Empfänger durch Drücken des „Ja-Buttons“ ausdrücklich bestätigen. Die Funktion ist in den meisten E-Mail Programmen standardmässig vorgegeben. Abbildung 11: Freigabe der vom Absender angeforderten Lesebestätigung Teilweise wird vom E-Mail Client eine solche Bestätigung auch grundsätzlich verweigert. In Abbildung 12 findet sich ein Beispiel einer „Lesebestätigung“, die unter Einsatz des Programms Outlook erstellt wurde, versehen mit dem Datum und der Uhrzeit, zu der die Nachricht auf dem Bildschirm des Empfängers angezeigt 238 239 240 Vgl. zur Funktionsweise des E-Mail Headers oben § 2 IV 2 lit. a), S. 101. Daneben gibt es unfreiwillige Lesebestätigungen, von denen der Empfänger nichts ahnt. Dabei macht sich der Absender der Nachricht die Anfälligkeit von E-Mails im HTML-Format zu nutze, unerkannt aktive Inhalte zu transportieren (weswegen der Empfänger nach der hier vertretenen Ansicht berechtigt ist, den Empfang HTML-formatierter E-Mail zu verweigern, vgl. hierzu nachfolgend § 2 V 4. lit. c) bb), S. 137. Das HTML-Format kann Zeilen (sog. Tags) enthalten, die vom Empfänger unerkannt Links auf CGI-Scripts im Internet verbergen. Diese werden ohne Wissen des Anwenders auf dem Server aktiviert, sobald der Client den HTML-Code anzeigt. Dadurch kann überprüft werden, ob und wann der Empfänger die E-Mail geöffnet hat. Nach dem gleichen Prinzip funktionieren sog. Web-Bugs. Dies sind virtuelle Wanzen im Grafikformat, mit einer Grösse von normalerweise 1x1 Pixel, die in Werbe-E-Mails versteckt das Verhalten des Empfängers ausspionieren. In der Praxis funktionieren die Lese- und Empfangsquittungen meist nur innerhalb von gleichen Diensten, also bspw. nur bei Kommunikation zwischen Parteien, die beide AOL, MSN oder Compuserve verwenden oder bei gleichen Clients, etwa Outlook, Netscape Messenger oder Eudora. 126 wurde. Dies setzt voraus, dass Absender und Erklärungsempfänger über den gleichen E-Mail-Client verfügen oder zumindest über einen solchen, der dieselbe Zeile im Header als Aufforderung zum Versand einer Lese- bzw. Empfangsbestätigung verwendet. Abbildung 12: Lesebestätigung bei Unterstützung des Absender-Formats Von: XY [[email protected]] An: [email protected] Gesendet: Donnerstag, 1. März 2001 14:24 Betreff: Gelesen: Berner Bankenrechtstag vom 23. Februar Dies ist eine Empfangsbestätigung für die E-Mail-Nachricht an "XY" <[email protected]> um 26.02.2001 13:04. Diese Empfangsbestätigung zeigt, dass die Nachricht auf dem Computer des Empfängers angezeigt wurde, und zwar um 01.03.2001 14:23 Sofern der E-Mail-Client des Empfängers das Format nicht unterstützt, übermittelt der Mail-Server des Providers automatisch eine nicht näher spezifizierte Empfangsbestätigung, die die Ablage der Erklärung in der Mailbox markiert, wie Abbildung 13 zeigt. Abbildung 13: Empfangsbestätigung ohne Unterstützung des Absender-Formats This report relates to a message you sent with the following header fields: Message-id: <[email protected]> Date: Mon, 26 Feb 2001 10:44:22 +0100 From: Stefan Baum <[email protected]> To: xy <[email protected]> Subject: Your message has been successfully delivered to the following recipients: Recipient address: [email protected] Original address: [email protected] Reason: Read receipts not supported; message successfully Delivered.* Ob der zentrale Rechner dem Absender einer angeforderten Lesebestätigung wenigstens eine Empfangsbestätigung übermittelt, ist abhängig von dessen Konfiguration. Eine angeforderte Lese- oder Empfangsbestätigung für E-MailNachrichten hat keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme. Sie dienen in erster Linie dem Beweis des Zugangs der Erklärung und des Zeitpunkts seiner Kenntnisnahme. Erhält der Absender eine Lesebestätigung, weiss er, dass der Empfänger seine Mail geöffnet bzw. gelesen hat. Dies gilt jedoch nicht in umgekehrter Richtung. Wenn der Absender eine angeforderte Lese- oder Empfangsbestätigung nicht erhält, heisst das nicht zwingend, dass die E-Mail nicht 127 gelesen wurde. Nicht alle E-Mail-Programme unterstützen die automatische Erstellung einer Bestätigung beim Lesen empfangener Nachrichten. Ebenso kann es sein, dass der Empfänger der Nachricht diese Funktion vielleicht ganz deaktiviert hat oder sein E-Mail-Client Lesebestätigungen grundsätzlich ignoriert. Da der Absender im Normalfall nicht weiss, wie der Empfänger einer Nachricht bzw. sein verwendeter Mail-Server mit einer solchen Aufforderung zum Versand einer Lese- bzw. Empfangsbestätigung umgeht, bleibt er über den Hintergrund des Ausbleibens der angeforderten Bestätigung im unklaren. Man kann in diesem Fall lediglich davon ausgehen, dass die Nachricht vom Mail-Server des Empfängers ordnungsgemäß empfangen wurde, wenn innerhalb von etwa 5 Minuten nach der Versendung keine Fehlermeldung eingetroffen ist, weswegen die Empfangsbestätigung im engeren Sinne, die lediglich die Eingang der Nachricht in der Mailbox signalisiert, eigentlich entbehrlich ist. γ) Nicht in die Kategorie der Lese- und Empfangsbestätigungen gehört die sog. E-Mail-Abwesenheitsschaltung, die den Absender einer Erklärung über die Abwesenheit des Empfängers informiert. Der Absender erhält bei Ablage seiner EMail im Postfach des Empfängers automatisch eine Rückantwort, deren Inhalt vom Empfänger vorab festgelegt wurde („Out of Office Reply“). Damit steht zunächst fest, dass die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist. Fraglich ist, wann die Kenntnisnahme nach der Verkehrssitte vom Empfänger zu erwarten ist; spätestens am nächsten Werktag oder nach dessen Rückkehr. Während das Bundesarbeitsgericht (BAG)241 früher den Zugang erst nach Rückkehr des Arbeitsnehmers aus dem Urlaub bejahte, sofern der Arbeitgeber wusste, dass der Arbeitnehmer sich im Urlaub befindet, ist nach der neueren Rechtsprechung des BAG242 die Erklärung bereits mit Einwurf in den Hausbriefkasten zugegangen. Die Rechtsprechung lässt sich auf die E-Mail-Abwesenheitsschaltung übertragen. Ist der Empfänger durch Urlaub, Krankheit oder sonstiger zeitweiliger Ortsabwesenheit nicht in der Lage, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen, steht das dem Zugang grundsätzlich nicht entgegen.243 Das gilt selbst dann, wenn der Absender – wie im vorliegenden Fall – von der Abwesenheit des Empfängers weiss. Wer nämlich aufgrund bestehender oder angebahnter Vertragsbeziehungen mit rechtserheblichen Erklärungen anderer rechnen muss, der muss durch geeignete Vorkehrungen dafür Sorge tragen, dass ihn derartige Erklärungen auch erreichen.244 Dies kann bei E-Mail-POP-Accounts durch Weiterleitung an über das Internet zugängliche Konten, die von jedem Ort aus abgerufen werden können, oder durch Einsatz von Unified Messaging Systemen245 erfolgen (siehe sogleich δ). 241 242 243 244 245 BAG, NJW 1981, S. 1470. BAG, NJW 1989, S. 606: „Ein an die Heimatanschrift des Arbeitnehmers gerichtetes Kündigungsschreiben geht diesem grundsätzlich auch dann zu, wenn dem Arbeitgeber bekannt ist, dass der Arbeitnehmer während seines Urlaubs verreist ist“. Palandt/Heinrichs, § 130 Rn 5 m.w.N.; Köhler AT, § 6 II Rn 14. BGH NJW 1998, S. 977. Vgl. oben § 2 III 2, S. 82. 128 Ausnahmsweise kann nach § 242 BGB eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein, wenn der Empfänger nicht mit dem Eingang rechtsgeschäftlicher Erklärungen rechnen musste und in der Auto Response eine Kontaktadresse mitteilt, unter der er in der Interimszeit erreichbar ist. δ) Teilweise sind technische Möglichkeiten realisiert, die vom herkömmlichen Server-Client-Modell abweichen. Dabei wird, auch ohne den Aufbau einer TelefonWählleitung vom Kunden zum Provider, der Empfänger automatisch und ohne Verzögerung über den Eingang einer Nachricht in der Mailbox informiert („Notifying“). Manche Unified Messaging Systeme übermitteln darüber hinaus automatisch die Betreffzeile der E-Mail („Subject“) auf den PC oder leiten diese per SMS auf das Handy246 oder an den Pager247 weiter, vereinzelt wird gar die gesamte Nachricht vollständig übertragen. Fraglich ist, ob bei Einsatz von Systemen, die den Empfänger automatisch über den Eingang einer Nachricht informieren, die Erklärung im Vergleich zu einfacheren technischen Lösungen zu einem früheren Zeitpunkt zugeht.248 Da der Empfänger zeitgleich mit der Ablage der Nachricht in der Mailbox informiert wird, ist fraglich, ob ihm deshalb auch zu diesem Zeitpunkt die Kenntnisnahme möglich und zumutbar ist. Das Problem ist neu und wurde von Rechtsprechung und Literatur bisher noch nicht behandelt. M.E. bleibt es auch in diesem Fall bei der allgemeinen Regel. Der Zugang ist vollendet, wenn unter gewöhnlichen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Trifft die Nachricht, genauer die Benachrichtigung zur Unzeit ein, ist dies regelmässig erst der nächste Werktag. Hiervon ist allerdings eine Ausnahme zu machen. Wird die vollständige Nachricht weitergeleitet und nimmt der Empfänger diese früher zur Kenntnis, als nach der Verkehrsauffassung zu erwarten war, ist Zugang bereits zu diesem Zeitpunkt erfolgt.249 246 247 248 249 Der Eingang eine E-Mail wird sofort nach Eingang über den Short-Message-Service (SMS) an das Mobiltelefon signalisiert, sowie die entsprechende Betreffzeile und der Absender übermittelt. Ist eine E-Mail eingegangen, erfolgt eine Pager- Benachrichtigung an eine angegebene PagerNummer. Ein Pager ist ein kleiner Funkrufempfänger (auch "Piepser" genannt), der in jede Hosentasche passt. Empfangene Nachrichten werden auf einem Display als Zahlen (numerisch) oder Text (alphanumerisch) dargestellt. Der Vorteil eines Pagers gegenüber dem Mobiltelefon ist die ständige Erreichbarkeit meist ohne Monatsgebühr. Hoffmann, Beil. zu NJW H. 14/2001, S. 7. Vgl. oben § 2 V 3 lit. a); S. 118. 129 d) „Automatisierter Zugang“ – Erweiterung des Zugangsbegriffs aa) Der Zugang wurde in den vorhergehenden Abschnitten ausschliesslich unter dem Gesichtspunkt erörtert, dass die Telekommunikationseinrichtungen des Empfängers der Entgegennahme und Speicherung von Erklärungen dienten und als „Empfangsboten“ deren Kenntnisnahme durch den Empfänger vorbereiteten. Bei einer unabhängig von den Geschäftszeiten erfolgenden sofortigen, vollautomatischen Bearbeitung von Bestellungen über das Internet im 24-Stunden-Dienst bedarf es einer Ergänzung des Zugangsbegriffs. Dem Wesen der Computererklärung entspricht es ja gerade, dass die von der Datenverarbeitungsanlage empfangene Erklärung ohne konkrete Kenntnisnahme bzw. Möglichkeit der Kenntnisnahme des Erklärungsempfängers inhaltlich ausgewertet und weiterverarbeitet wird. In diesen Fällen besitzt der Empfänger in den meisten Fällen nicht einmal die abstrakte Möglichkeit der Kenntnisnahme oder wird davon jedenfalls regelmässig keinen Gebrauch machen.250 Wenn allerdings auf der Empfängerseite die „Kenntnisnahme“ automatisiert erfolgt, lässt sich die Begrenzung auf die üblichen Geschäftszeiten nicht mehr aufrechterhalten. Das Problem der automatisierten, inhaltlichen Bearbeitung empfangener Erklärungen entspricht spiegelbildlich dem der automatisierten Erklärungserstellung. Entsprechend den dort gemachten Ausführungen ist der „automatisierte Zugang“ nach der Verkehrsanschauung anzuerkennen und dem Anlagenbetreiber zuzurechnen, da dieser (oder seine Erfüllungsgehilfen) hierfür die tatsächlichen Voraussetzungen geschaffen hat und einen entsprechenden „generellen Zugangswillen“ besitzt. bb) Das bedeutet, eine elektronisch übermittelte Willenserklärung ist zugegangen, wenn nach den getroffenen Vorkehrungen für die Kommunikationsbeziehung die Möglichkeit ihrer automatischen Verarbeitung bestand. Ist die Kenntnisnahme vor der Verarbeitung der Erklärung technisch nicht vorgesehen, tritt an die Stelle der Möglichkeit der Kenntnisnahme die Möglichkeit der Verarbeitung251. Die Modifikation des Zugangsbegriffs ist gerechtfertigt, da der Empfänger mit der Automatisierung der „Kenntnisnahme“ auf die Einhaltung der üblichen Geschäftszeiten verzichtet hat.252 Überträgt man die oben entwickelten Grundsätze hierauf, so ist der Zugang im Bereich der Computererklärung bereits mit Passieren der Schnittstelle des Empfängers bewirkt, weil diesem dadurch die abstrakte Möglichkeit der Speicherung und inhaltlichen Erfassung durch die EDV vermittelt wird und daher wie eine Möglichkeit der Kenntnisnahme zugerechnet werden kann. Erfolgt also unabhängig von üblichen Geschäftszeiten eine sofortige automatisierte elektronische Bearbeitung einer eingegangenen Nachricht, zum Beispiel einer 250 251 252 Kuhn, § 8 II, S. 102. Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1, Rn 82. Heun, CR 1994, S. 598. 130 Bestellung, tritt der Zugang bereits mit der Möglichkeit der Weiterverarbeitung durch die EDV ein253. 4. Zugangsstörungen und Risikoverteilung a) Problemhintergrund aa) Wie einleitend aufgezeigt, ist allein die Einordnung der elektronisch übermittelten Willenserklärungen wie auch der Computererklärungen als Erklärungen unter Abwesenden systemgerecht und angemessen:254 Die Transportund Übermittlungsphase ist technisch komplex, liegt oft in der Hand eines oder mehrer Dritter (Dienstleister), kann zeitlich gestreckt sein und ist für den Erklärenden und den Erklärungsempfänger sinnlich nicht unmittelbar wahrnehmbar. Zugangsstörungen sind daher in vielfältiger Form möglich und selbst bei Einsatz elektronischer Sicherungsmittel nicht vollständig auszuschliessen. Zugangshindernisse werden im Bereich moderner Kommunikationsmittel vor allem in Form von Funktionsstörungen auftreten. Nun sind zahlreiche Fälle denkbar, in denen es dem Erklärenden aus Gründen, die in der Sphäre des Empfängers liegen, nicht oder nicht rechtzeitig gelingt, die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers zu verbringen. Die Fälle, in denen eine Willenserklärungen wegen eines Verhalten des Empfänger diesem nicht oder verspätet zugeht, sind gesetzlich nicht geregelt. Nach der herrschenden Ansicht wäre der (rechtzeitige) Zugang zu verneinen, da der Empfänger keine oder jedenfalls keine rechtzeitige Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte. Doch es erscheint zweifelhaft, ob das vom Adressaten geschaffene oder wenigstens in seinem Bereich liegende Hindernis dem Absender schaden soll. Allgemein können zwei Gruppen von Zugangstörungen unterschieden werden, nämlich solche, die dem Absender oder Erklärenden zugerechnet werden und solche, die der Adressat oder Empfänger zu tragen hat.255 In welche der beiden Gruppen eine Störung fällt, kann angesichts des Fehlens einer gesetzlichen Regelung nicht generell beantwortet werden. Richtigerweise kann eine Lösung nur durch Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen gefunden werden. Dabei ist die Sphärenhaftung als Anküpfungspunkt für die Verteilung der Risiken am geeignetsten.256 Zugangstörungen können ihre Ursache in einem Fehler der technischen Empfangseinrichtung haben oder unmittelbar oder mittelbar auf einem menschlichen Verhalten beruhen. Die Arbeit untersucht zunächst allgemein die Funktionsstörungen von Empfangseinrichtungen (b) und geht den sonstigen unterschiedlichen Arten von 253 254 255 256 Taupitz/Kritter, JuS, 1999, S. 842, die allerdings für den Zugangszeitpunkt auf die tatsächliche Weiterverarbeitung und nicht auf die Möglichkeit abstellen. Vgl. Entwurf eines Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr erarbeitet von der Bundesnotarkammer vom 29. April 1997, S. 3. Baetge, Rechtshandbuch E-Business, 2. Kap., S. 109 Vgl. zur normativen Zurechnung nach dem Risikoprinzip oben § 1 V 2 lit. c), S. 62. 131 Zugangshindernissen nach (c). Auf der Basis der gefundenen Lösungen wird die Verteilung des Verlust-, Verzögerungs- und Verfälschungsrisikos dargestellt (d). Schliesslich wird der Frage nachgegangen, welche Implikationen sich aus der Kenntnis des Erklärenden für die interessengerechte Verteilung der Risiken ergeben (e). Ein abschliessendes Fallbeispiel fasst die Ergebnisse zusammen (f). b) Funktionsstörungen aa) Der Zugang kann an der fehlenden Betriebsbereitschaft von Empfangseinrichtungen und ähnlichen Zugangshindernissen scheitern. Die von Internet-Providern zur Verfügung gestellten Mailboxen weisen meist nur eine begrenzte Kapazität auf. Ist der dem Empfänger zur Verfügung gestellte Speicherplatz verbraucht, weist der Mail-Server eine eingehende Nachricht zurück. Die Erklärung wird nicht gespeichert. Der Mail-Server weist eine ankommende Nachricht auch dann zurück, wenn zwar grundsätzlicher noch freier Speicherplatz auf dem Mail-Server zur Verfügung steht, die Nachricht aber die Speicherkapazität insgesamt übersteigt. Dies ist häufig der Fall, wenn zusammen mit der E-Mail ein speicherintensiver Dateianhang („attachment“) übermittelt werden soll. Der Absender erhält in diesem Fall, in gleicher Weise wie bei der Verwendung einer unrichtigen E-Mail-Adresse, die Nachricht, dass die elektronische Post nicht zugestellt werden konnte. Es handelt sich um formularmässige Fehlermeldungen, aus denen der Absender den Grund der Zurückweisung nicht entnehmen kann, wie nachfolgendes Originalbeispiel zeigt. Abbildung 14: Beispiel einer Fehlermeldung bei überfüllter Mailbox --- Returned Message --Delivery Notification : Delivery has failed* Sender: [email protected] Received: from yogi.urz.unibas.ch (yogi.urz.unibas.ch [131.152.1.4]) by sphmgaad.compuserve.com (8.9.3/8.9.3/SUN-1.9) with ESMTP id IAA01746; Thu, 27 Jul 2000 08:19:14 -0400 (EDT) Received: from pcsb1 ([131.152.216.102])by ubaclu.unibas.ch (PMDF V5.2-29 #33343)with SMTP id <[email protected]>; Thu, 27 Jul 2000 14:16:31 +0200 Date: Thu, 27 Jul 2000 14:32:27 +0200 From: Stefan Baum <[email protected]> To: [XY] * Hervorhebung durch den Verfasser Wird der zulässige Speicherumfang durch Übermittlung von Dateianhängen überschritten, die vom Mail-Provider infolge ihrer Grösse generell zurückgewiesen werden, erhält der Absender der Nachricht teilweise einen spezifizierenden Hinweis des Mail Providers wie etwa „disk quota exceeded“, der einen Aufschluss über die 132 Ursache der fehlgeschlagenen Übermittlung gibt. Der Grund der Zurückweisung ist jedoch nur dem geübten Benutzer erkennbar, wie nachfolgendes Originalbeispiel zeigt. Abbildung 15: Beispiel einer Fehlermeldung Speicherkapazität bei Überschreitung der maximalen Thema: Delivery Notification: Delivery has failed* Datum: 19.01.01 20:00:01 (MEZ) Mitteleuropäische Zeit From: [email protected] (PMDF e-Mail Interconnect) To: [email protected] Datei: Delivery.zip (3187062 Bytes) DL-Zeit (32000 bps): < 28 Minute This report relates to a message you sent with the following header fields: Message-id: <[email protected]> Date: Fri, 19 Jan 2001 13:48:55 -0500 (EST) From: [email protected], To: [email protected] Subject: Wtr: Delivery Notification: Delivery has failed Your message cannot be delivered to the following recipients: Recipient address: [email protected] %MAIL-E-OPENOUT, error opening !AS as output -RMS-E-CRE, ACP file create failed -SYSTEM-F-EXDISKQUOTA, disk quota exceeded* * Hervorhebung durch den Verfasser bb) Das Ergebnis ist für den Absender der Erklärung das gleiche, die rechtliche Beurteilung ist jedoch eine andere. Im ersten Fall beruht die Funktionsstörung auf einem objektiv pflichtwidrigen Verhalten des Empfängers, wenn die Überfüllung seiner Mailbox und damit die Zugangstörung darauf beruht, dass er diese nicht regelmässig kontrolliert, eingetroffene Nachrichten abruft und auf dem Server löscht.257 Der Empfänger muss sich daher so behandeln lassen, als sei die Erklärung zugegangen. Ihn trifft die Aufgabe durch geeignete Vorkehrungen dafür zu sorgen, dass ihn rechtsgeschäftliche Erklärungen auch erreichen. Denn der Empfänger hat durch sein Verhalten die Funktionstüchtigkeit der Empfangseinrichtung sicherzustellen und aufrechtzuerhalten. Zwischen beiden Gruppen besteht ein enger wechselseitiger Zusammenhang: Der Funktionsstörung geht nämlich in der Regel eine objektive Pflichtwiderigkeit des Empfängers voraus. Bei der Darstellung der objektiven Pflichtwidrigkeit wird daher auf die Ausführungen zur Funktionsstörung verwiesen. Im zweiten Fall ist die Zurückweisung eines den Speicherplatz der Mailbox übersteigend Dateianhangs (vgl. Abbildung 15) nicht zwingend dem Empfänger zuzurechnen. Die Funktionsstörung fällt dem Empfänger nur zur Last, wenn er mit dem Eingang solch umfangreicher Erklärungen rechnet oder rechnen musste und deshalb verpflichtet ist, entsprechend dimensionierte Empfangsvorrichtungen vorzuhalten. Das Problem dürfte in der Praxis eher selten 257 Ultsch, NJW 1997, S. 3008; Körner/Lehment, Multimediarecht, Kap. 11.1, Rn 32; Baetge, Rechtshandbuch E-Business, 2. Kap., S. 110. 133 auftauchen, da der elektronische Briefkasten heute über ein Vielfaches der Speicherkapzität verfügt.258 In den meisten Fällen, in denen neu eintreffende E-Mails nicht gespeichert werden können, wird es sich um eine „gewöhnliche“ Überfüllung der Mailbox handeln. Anders zu beurteilen ist der Fall, dass der elektronische Briefkasten des Empfängers durch sog. „E-Mail Bombs“ blockiert wird. Mittels entsprechender Programme ist es möglich eine Unzahl von E-Mails an einen bestimmten Adressaten zu schicken mit dem Ziel, die Speicherkapazität seines Rechners zu erschöpfen.259 Dass ein solcher Angriff auf die Kommunikationsinfrastruktur rechtswidrig ist und Schadensersatzansprüche des Betroffenen auslöst bedarf keiner weiteren Begründung. Hier fehlt es an objektiven Fehlverhalten des Empfängers. Die Zugangsstörung kann ihm daher auch nicht zugerechnet werden. cc) Wird die Empfangseinrichtung nicht von Dritten, sondern vom Erklärungsempfänger selbst betrieben, der über einen eigenen Mail-Server verfügt, so kommt es vor, dass dieser aufgrund technischer Defekte, dem Aufspielen von Software-Updates oder wegen Überlastung, zeitweise nicht am Netz bzw. in Betrieb ist. Es kann auch vorkommen, dass der fragliche Server Opfer eines sog. „Denial of Service“ – Angriffs, kurz DoS (Absturz des Rechners) geworden ist, mit dem Hacker Server gezielt zum Absturz bringen. Dabei werden mittels sog. Trojanischer Pferde die Rechner oftmals ahnungsloser Internet-Nutzer mit schädlicher Software (sog. „Malware“) infiziert und als Relaisstationen benutzt (Distributed Denial of Service – DDoS). Diese läuft vom User unbemerkt im Hintergrund. Zu einem vorbestimmten Zeitpunkt oder auf ein bestimmtes Signal des Angreifers hin werden die infizierten Rechner aktiviert und richten an den betreffenden Server binnen kürzester Zeit mehrere hunderttausend An- bzw. Abfragen. Die meisten Server sind derartigen Zugriffsraten nicht gewachsen und brechen unter der erheblichen Abfragelast in hoher Frequenz zusammen.260 Die Ablage von Nachrichten ist in dieser Zeit nicht möglich. Im Unterschied zum Stapelüberlauf bei einer überfüllten Mailbox, bei dem ankommende Nachrichten vom Mail-Server automatisch abgewiesen werden, erreichen bei einem Mail-Server „Timeout“ Erklärungen die Empfangseinrichtung erst gar nicht und verbleiben entweder im Mail-Server des Absenders oder, falls die elektronische Post über mehrere Stationen weitergeleitet wurde, in der letzten funktionierenden Relaisstation. Der Absender erhält von dort eine Fehlermeldung, dass die Übermittlung der Nachricht wegen eines (Mail)Server-timeout des Erklärungsempfängers nicht möglich ist und automatisch wiederholt werden wird, wie nachfolgendes Originalbeispiel in Abbildung 16 zeigt. Bis zum Ablauf der Frist, im vorliegenden Beispiel von 5 Tagen, liegt ein temporäres Zugangshindernis vor, 258 259 260 Vgl. hierzu unten § 2 V 4 lit. c) cc), S. 144 f. Baetge, a.a.O., S. 111. Z.Z. gibt es keinen wirksamen Schutz vor DoS-Angriffen. Die Firma Microsoft <http://www.microsoft.com> ist binnen kurzer Zeit zum zweiten Mal Opfer eines derartigen Angriffs geworden. Quelle: Keynote Systems, abzurufen unter <http://www.keynote.com> (Stand: 27.01.2001). 134 bei dem die nachfolgend unter Kapitel d) zu behandelnde Frage des Verzögerungsrisikos im Vordergrund steht. Steht das Scheitern des Zugangs nach Ablauf der Frist endgültig fest, folgt die rechtliche Beurteilung allgemeinen Regeln. Abbildung 16: Beispiel einer Fehlermeldung bei Server Timeout ********************************************** ** THIS IS A WARNING MESSAGE ONLY ** ** YOU DO NOT NEED TO RESEND YOUR MESSAGE ** ********************************************** The original message was received at Fri, 8 Dec 2000 18:51:35 +0100 (MET)from lorr-d9308f0e.pool.mediaWays.net [217.48.143.14] ----- The following addresses had transient non-fatal errors -[XY] Mail server timeout* Warning: message still undelivered after 4 hours Will keep trying until message is 5 days old * Hervorhebung durch den Verfasser dd) Ein ähnliches Problem stellt sich auch beim Zugang von Faxsendungen. Der Zugang scheitert, wenn eingehende Nachrichten mangels Papier vom Gerät nicht ausgedruckt werden können und deshalb im Zwischenspeicher verbleiben. Ist die je nach Gerätetyp unterschiedliche Speicherkapazität erreicht, läuft der Speicher bei Eintreffen weiterer Nachrichten über und verweigert deren Annahme. In diesen Fällen stellt sich grundsätzlich die Frage, wie eine solche Zugangsverhinderung zu behandeln ist. Grundsätzlich besteht keine allgemeine Obliegenheit des Empfängers zur Bereitstellung von Vorkehrungen zum Erklärungsempfang.261 Dem Empfänger steht es frei, seine Kommunikationsmittel frei zu wählen. Dazu gehört grundsätzlich auch die Freiheit, auf den Einsatz bestimmter Kommunikationsformen zu verzichten.262 Eine entsprechende Obliegenheit kann sich aber aus der beruflichen Stellung oder innerhalb bestehender oder sich anbahnender Rechtsbeziehungen ergeben. Entsprechendes gilt, wenn der Empfänger etwa selbst seine Rufnummer oder E-Mail-Adresse bekannt gegeben hat oder wenn er allgemein als Geschäftsmann mit einer an ihn gerichteten Erklärung rechnen muss.263 An Privatpersonen sind, wie aufgezeigt, diesbezüglich geringere Anforderungen zu 261 262 263 MüKo/Einsele, § 130 Rn 34 m.w.N. Dies folgt aus dem aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung des Einzelnen (BVerfG 65, 1; 80, 367). Wenn dem Bürger ein Abwehrrecht gegen die unbegrenzte Verarbeitung seiner persönlichen Daten zusteht, so setzt dies logisch voraus, dass der Betroffene die Kommunikationswege seiner Daten in gleicher Weise unter Kontrolle und unter Selbstbestimmung der Art und Weise der Kommunikation haben muss und hat. Dass das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung sich nicht im Rechtsverhältnis zwischen Bürgern und Staat erschöpfen kann, ist durch Art. 1 Abs. 3 GG institutionalisiert, ohne dass das Problem der Drittwirkung eines Grundrechts erörtert werden müsste; Clemens, NJW 1985, S. 2003 f. MüKo/Einsele, § 130 Rn 34. 135 stellen, insbesondere darf vom Besitz eines Faxanschlusses oder einer E-MailAdresse nicht einfach auf die Bereitschaft des Inhabers zur Empfangnahme von Erklärungen geschlossen werden. Hinzu kommen muss deren Widmung für den Rechtsverkehr. Wer danach mit dem Eingang rechtsgeschäftlicher Erklärungen rechnen muss, den trifft die Obliegenheit, durch geeignete Vorkehrungen sicherzustellen, dass ihn die Erklärungen auch (rechtzeitig) erreichen können.264 c) Unterschiedliche Arten von Zugangshindernissen Innerhalb der Zugangshindernisse wird von der Rechtsprechung und der Literatur zwischen der absichtlichen Zugangsvereitelung, der Verweigerung der Annahme und sonstigem objektiv pflichtwidrigem Verhalten des Erklärungsempfängers unterschieden: aa) Absichtliche Zugangsvereitelung α) Eine absichtliche Zugangsvereitelung ist anzunehmen, wenn der Empfänger nicht erst die Kenntnisnahme der Erklärung unterlässt, sondern bereits den Zugang verhindert oder durch Massnahmen, mit denen der Absender nicht zu rechnen brauchte, erheblich verzögert oder erschwert.265 Grundsätzlich gibt es für die Behandlung solcher Fälle zwei Möglichkeiten: (1) Entweder man fingiert den Zugang und bejaht den Zugang schon in dem Zeitpunkt, zu dem die Erklärung ohne das Hindernis zur Kenntnis des Empfängers gelangt wäre. Der Absender muss sich nach dem Rechtsgedanken der §§ 162, 815 Alt. 2 BGB so behandeln lassen, als wenn der Zugang rechtzeitig erfolgt wäre.266 Nach der Rechtsprechung ist bei Zugangsvereitelung im Rahmen eines Vertragsverhältnisses ein erneuter Zustellungsversuch unnötig.267 Entsprechend werde bei arglistiger Verhinderung des Zugangs durch den Adressaten der Zugang fingiert.268 Vereitelt der Empfänger absichtlich oder arglistig den Zugang, so ist es also nicht mehr nötig, dass der Absender trotzdem weiterhin für den Zugang sorgt, damit der Empfänger von der Erklärung Kenntnis nehmen kann.269 264 265 266 267 268 269 BGHZ 67, 271; Palandt/Heinrichs, § 130 Rn 17; Soergel/Hefermehl, § 130 Rn 25; Ebnet, NJW 1992, S. 2985; Fritsche/Malzer, DNotZ, 1995, S. 14: „Wer auf seinen Telefaxanschluss hinweist, muss sicherstellen, dass das Gerät empfangsbereit ist“. Larenz AT, § 26 Rn 38. BGHZ 67, 271, 278; BGH NJW 1983, S. 929, 930; vgl. RGZ 56, 406, 408; zustimmend Soergel/Hefermehl, § 130 Rn 28; Medicus AT, Rn 282. BGH NJW 1998, S. 977, wohl auch BAG NJW 1997, S. 147. BGH NJW 1998, S. 977. A. A. Larenz AT, § 26 Rn 41 136 (2) In der Literatur wird überwiegend eine differenzierende Ansicht vertreten. Zugegangen ist die Erklärung erst, wenn sie tatsächlich in den Machtbereich des Empfängers gelangt, jedoch kann sich der Empfänger nicht auf die von ihm selbst verursachte Verspätung berufen.270 Der Unterschied beider Ansichten zeigt sich deutlich, wenn der Erklärende seinen Willen ändert: Nach der ersten Ansicht ist ein Widerruf ausgeschlossen, da die ursprüngliche Erklärung als zugegangen gilt und daher den Absender bindet. Gegen die „Fiktionslösung“ wird vor allem vorgebracht, es sei kein Grund ersichtlich, weshalb der Absender an seine ursprüngliche Erklärung schon gebunden sein soll, bevor diese den Adressaten erreiche. Nach der zweiten Ansicht stehe es dem Erklärenden angesichts des treuwidrigen Verhaltens des Empfängers daher frei, ob er die Erklärung gelten lasse wolle oder nicht. Bemüht er sich nicht weiter um den Zugang, so bleibt diese unwirksam.271 Wünsche der Absender das Wirksamwerden seiner Erklärung, so muss er sich weiterhin aktiv um den Zugang bemühen und alles ihm Zumutbare und nach der Sachlage erforderliche tun, um die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangen zu lassen. Er kann sich zu diesem Zweck des § 132 Abs. 1 BGB bedienen und die Erklärung durch einen Gerichtsvollzieher zustellen lassen. Ist die Adresse oder der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt, verweist § 132 Abs. 2 BGB auf die Möglichkeit einer öffentlichen Zustellung nach den §§ 203-207 ZPO, so dass Zugang schliesslich doch eintritt. Das Verfahren ist jedoch äusserst umständlich, u.U. langwierig und mit Kosten verbunden. Die Literatur will daher gegen den Adressaten, der den Zugang absichtlich oder arglistig vereitelt, eine einfachere Hilfe gewähren. Sachgerecht sei in diesen Fällen nicht eine den Absender übergebühr belastende Wiederholung des Zugangs mit Rückwirkung, sondern eine analog § 162 Abs. 1 BBG anzunehmende Zugangsfiktion, ganz im Sinne der Argumentation der Rechtsprechung. β) Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Dazu bedarf es jedoch nicht des Rückgriffs der Fiktion des (rechtzeitigen) Zugangs. Im Falle der absichtlichen oder gar arglistigen Zugangsvereitelung ist m.E. von einem wirksam Zugang in dem Zeitpunkt auszugehen, in dem die Erklärung ohne das Hindernis zur Kenntnis des Empfängers gelangt wäre. Die Erklärung ist wirksam zugegangen, da der Zugang beim Empfänger nur voraussetzt, dass diese verkehrsüblich in dessen Machtbereich gelangt ist und er in zumutbarer Weise die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat, womit der Absender auch rechnen konnte.272 Bezogen auf Willenserklärungen durch E-Mail ist das der Fall, wenn der Empfänger grundsätzlich die Möglichkeit hatte, die Erklärung zu speichern. Ob die Nachricht gespeichert oder vom Mail-Server nicht mehr angenommen wird, da die Mailbox verstopft ist, ist für den Zugang der E-Mail 270 271 272 Flume AT, § 14.3e, S. 238 ff; Larenz AT, § 26,Rn 41; Medicus AT, Rn 279. Medicus AT, Rn 278. BGH, NJW 1983, S. 929; Brox AT, Rn 160; Ennercus/Nipperdey, AT I 2, § 158 Rn 18 und 19; Scherner AT, V e), S. 111, Taupitz/Kritter, Jus 1999, S. 842, 137 unbeachtlich. Hat der Empfänger die Mailbox selbst verstopft, was eher selten der Fall sein dürfte, um den Eingang unerwarteter Nachrichten zu verhindern, gelten diese Nachrichten mit erfolglosem Sendeversuch als zugegangen. Da in solchen Fällen ein echter Zugang vorliegt, ist es unnötig, hier eine Fiktion des Zugangs anzunehmen.273 Es kann dahingestellt bleiben, ob der Zugang fingiert wird oder wirksam erfolgt. Da beide Ansichten zum selben Ergebnis führen, bedürfen sie keiner weiteren Diskussion. bb) Annahmeverweigerung α) Die berechtigte Annahmeverweigerung geht zu Lasten des Erklärenden. Die Erklärung ist nicht zugegangen, weil dem Empfänger der Zugriff auf die Erklärung nicht zugemutet werden kann.274 Im Bereich der Telekommunikation ist eine berechtigte Annahmeverweigerung z.B. zu bejahen, wenn der Rechner eines OnlineAnbieters seine Leistung nur geschlossenen Benutzergruppen nach Eingabe einer Kundennummer anbietet und der Anbieterrechner daher den Dialog mit einem Kunden ohne Kundennummer abbricht. Entsprechend ist der Anbieter zur Verweigerung der Annahme berechtigt, wenn der Kunde formularmässige Masken des Anbieters nicht, fehlerhaft oder nur unvollständig ausfüllt275 oder sich in bestimmten Fällen nicht ausreichend durch Eingabe eines Codes autorisieren kann, etwa durch die Eingabe einer Kreditkartennummer zur Prüfung des Alters.276 β) Ein weitere Fallgruppe bildet der Empfang von „verseuchten“ Dateien. Nach einem Urteil des LG Köln ist der Empfänger allein für die Sicherheit seines Computers zuständig.277 Dem Urteil lag dabei folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Verlag übersandte einem Journalisten eine virenverseuchte Diskette, hatte hiervon aber keine Kenntnis. Das Gericht gab dessen Klage auf Schadensersatz nicht statt. Es bestehe keine Pflicht, auf die grundsätzliche Virengefahr bei Disketten hinzuweisen, da es sich hierbei um eine allgemein bekannte Tatsache handle. Es habe auch nicht bewiesen werden können, dass der fragliche Virus278 bei Verwendung einer Firewall279 entdeckt worden wäre. 273 274 275 276 277 278 Scherner AT, V e), S. 111, so aber Medicus AT, Rn 282. Brox AT, § 7 III Rn 160. Üblicherweise gerät der Nutzer in eine systembedingte Schleife, die ihn auffordert, die fehlerhaften Daten zu korrigieren, die geforderten Angaben zu machen oder sich durch Eingabe eines Kennworts entsprechend zu autorisieren. Nach einer vordefinierten Anzahl von Fehlversuchen bricht das System automatisch den Kontakt ab. Sog. Adult Check Systeme arbeiten häufig auf der Grundlage einer vom Benutzer einzugebenden Kreditkartennummer, die eine Überprüfung der Identität und des Alters des Nutzers, genauer des Kreditkarteninhabers, erlaubt. LG Köln, Berufungsurteil vom 21.07.1999, Az. 20 S 5/99 – 10/99, JurPc Web-Dok. 91/2000 <http://www.jurpc.de/rechtspr/20000091.htm> (Stand: 10.09.2001). Computerviren sind Programme, die sich in vielfältiger Weise auf fremden Computersystemen ausbreiten und – ggf. mit einer Zeitverzögerung – häufig Schäden verursachen. Die Anzahl und die Vielfalt der im Umlauf befindlichen Viren erhöhte sich in letzter Zeit ständig (Sieber, Multimediarecht, Kap. 19 Rn 68). Derzeit sind über 50.000 Viren bekannt. Sie lassen sich grob vereinfacht in drei Kategorien unterteilen: (1) Herkömmliche Viren, die durch das Laden einer 138 Die obigen Argumente lassen sich auch auf die Übersendung von virenverseuchten Dateien per E-Mail anwenden. Ein Schadenersatzanspruch gegenüber dem unmittelbaren Absender des Virus würde demnach nur dann bestehen, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Virus von einem gängigen Virenschutzprogramm erkannt worden wäre und dem Absender die Installation dieses Virenschutzprogramms auch zumutbar gewesen wäre. Mit anderen Worten, wenn der Absender verpflichtet gewesen wäre eine virenfreie Datei („viruschecked“) zu senden. Die Beantwortung der Frage ist abhängig vom Einzelfall. Viren sind heute so verbreitet, dass man von einer Fahrlässigkeit ausgehen muss, wenn kein Virenschutzprogramm verwendet wird. Dies trifft dem Grunde nach sowohl für den Sender, als auch für den Empfänger zu. Das LG Köln hat eine nebenvertragliche Schutzpflicht des Versenders im obigen Fall aber abgelehnt. Als Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden: Der Empfänger ist verpflichtet, entsprechende Schutzprogramme einzusetzen, um sich vor Schaden durch den Einsatz schädlicher Software wie etwa Viren, Würmer280 und Trojaner281 zu schützen. Offen ist die Frage, wie aktuell ein Virenprogramm sein muss. UpdateZyklen erfolgen bei Bedarf, und nicht mehr wie früher meist monatlich. Das Update erfolgt dabei regelmässig online, via Internet. Das könnte bedeuten, dass ein Virus, der von den gängigen Virenprogrammen im Zeitpunkt X erkannt wird u.U. eine Haftung des Absenders begründen könnte. Der Rechtsprechung in diesem Bereich bleibt abzuwarten. Wird die infizierte Datei vom Virenprogramm des Empfängers rechtzeitig erkannt, so ist dieser berechtigt und nach der Rechtsprechung des LG Köln auch verpflichtet, die Annnahme der E-Mail bzw. das Herunterladen des Dateianhangs zu verweigern. Das nachfolgende Beispiel in Abbildung 17 verdeutlicht dies. 279 280 281 auszuführenden Datei aktiviert werden, (2) Bootsektorviren, die sich allein durch das Einschieben einer Diskette oder das Auslesen der Verzeichnisstruktur des Speichermediums (Festplatte, CDROM) aktivieren und in der Folge selbständig vermehren können und (3) die seit 1996 im Umlauf befindlichen Makroviren, die sich nicht nur über Programme, sondern auch über (z.B Text-) Dateien verbreiten können. Letztere werden vor allem durch den Austausch von Dokumentendateien und durch Versenden von E-Mail Anhängen (Attachments) verbreitet, Sieber, Multimediarecht, Kap. 19 Rn 70. Bekannte Beispiele aus der jüngsten Zeit sind die Viren „Melissa“, „Sircam“ und „CodRed II“. Eine Firewall (=Brandschutzmauer) ist ein Rechner, der einem lokalen Netzwerk (LAN) vorgeschaltet ist. Er dient als Sicherheitssystem, das helfen soll, ein geschlossenes Netzwerk vor Hackern, d. h. vor Angriffen Dritter und anderen nicht autorisierten Nutzern zu schützen, aber auch vor Viren und anderen Sabotageprogrammen Schutz bieten soll. Während sich Viren nur über „Wirtsprogramme“ ausbreiten können, greifen „Wurmprogramme“ fremde Computersysteme selbständig an. Sie sind wie Makroviren ebenfalls in der Lage sich selbständig zu vermehren. Die meisten der bisherigen Würmer können sich nicht selbst mutieren oder verändern Die nächste Generation von Computerwürmern wird sich sich Warnungen zufolge selbst an seine Umgebung anpassen können und dadurch schwieriger zu entdecken und zu isolieren sein, IPD Computernews vom 17. Juli 2001, <http://www.ipd.ch/news/ipd3039.htm> (Stand: 10.09.2001). Trojanische Pferde sind in Programmen versteckte Unterprogramme, die – sobald sie auf dem jeweiligen System installiert sind – z.B. Daten löschen, verändern ausspähen oder unbemerkt versenden können, Sieber, Multimediarecht, Kap. 19 Rn 67. 139 Abbildung 17: 282 „Virenverseuchter“ Dateianhang einer E-Mail Entsprechend sind Internetnutzer m.E. berechtigt, die Annahme von Erklärungen abzulehnen, die den Einsatz potentiell schadensstiftender und missbrauchsanfälliger Programmroutinen wie Active X283 oder Java Script verlangen. Aus den gleichen Gründen ist derzeit die Blockierung von E-Mails im HTML-Format zulässig. Der Einsatz des HTML Modus, der die Formatierung des E-Mail-Texts erlaubt, ist generell kritisch zu betrachten: HTML-formatierte E-Mails sind gefährlich, da sie aktive Inhalte transportieren können.284 Es besteht die Gefahr, dass der E-Mail-Client 282 283 284 Hierbei handelt es sich um den MAPI-Wurm W32.Badtrans@MM, der Ende 2001 sein Unwesen trieb. Der Wurm enthielt das Subject "Re:" und ein Attachement „scr“ (Bildschirmschoner) bzw. „pif“" (Verknüpfung) sowie einer zweiten meist hamlos erscheinende Dateiendung wie .doc, zip, .txt oder .mp3. Auch dieser Wurm macht sich eine Sicherheitslücke im Browser zu nutze und versucht sich unmittelbar selbst auszuführen, ohne dass die E-Mail oder ihr schädlicher Anhang vom Nutzer heruntergeladen wurden. Heimtückisch ist dabei, dass gerade die Dateiendung .pif unter den gängigen Versionen des Mail-Client Outlook oft nicht angezeigt wird und man allenfalls am DOS-Logo erkennen kann, dass es sich nicht um die durch zweite Endung vorgetäuschte Art von Datei handelt. Der Wurm installiert ein Trojanisches Pferd, das Tastatureingaben protokollierte und Informationen über vom Nutzer verwendete Passwörter sammeln und an eine inzwischen gesperrte Mail-Adresse senden sollte. Am 12. Juli 2001 gab Microsoft bekannt, dass es über Outlook 98, 2000 und 2002 (XP) möglich ist, auf den PC des Anwenders zuzugreifen, wenn dieser nur eine bestimmte Website besucht oder eine HTML-E-Mail öffnet. Schuld ist erneut mehr ActiveX, jene Microsoft-Technologie, mit der Anwendungen untereinander Informationen austauschen können, Microsoft Security Bulletin MS01-038, Outlook View Control Exposes Unsafe Functionality, Originally posted: July 12, 2001. Der Microsoft Internet Explorer (kurz: IE) enthält eine schwerwiegende Sicherheitslücke Schon eine einfache E-Mail, mit Outlook empfangen und vom IE am Bildschirm wiedergegeben, kann ausreichen, um schwerwiegende Schäden auf dem Rechner anzurichten. Die Sicherheitslücke besteht darin, dass der IE in zu enger Verbindung mit dem Mailprogramm Outlook arbeitet. Man kann aber auch generell die Verbindung von HTML und Mail als Fehlerquelle ansehen. Werden HTML-Mails mit einem bestimmten MIME-Typ (Multi-Purpose Internet Mail Extension) als Anhang versendet, so werden diese Anhängsel unmittelbar vom IE wiedergegeben. Wenn diese Dateien einen ausführbaren Code beinhalten, so werden diese unter Standardeinstellungen ohne weitere Warnung ausgeführt. Das Schadenspotential ist dabei sehr groß. Wie Microsoft bestätigt, kann praktisch jeder Befehl zur Ausführung kommen. <http://www.intern.de/news/1666.html> (Stand: 2. April 2001). 140 je nach Einstellung unaufgefordert Inhalte ausführt, die unerwünschte Effekte auf dem eigenen Rechner haben können. Die Erkennbarkeit aktiver oder potentiell schadensstiftender E-Mail-Inhalte ist abhängig von den Sicherheitseinstellungen des Nutzers. Hier liegt das Kernproblem: Die HTML-Formatierung der E-Mail nicht in jedem Fall als solche feststellbar. Der Einsatz missbrauchsanfälliger Routinen wie Java Script, Actice X, etc. ist stets nur für geübte Nutzer erkennbar. Während sich der unerfahrene User durch den Einsatz aktueller Programme vor den bekannten Gefahren durch Viren, Trojanern und Würmern mehr oder minder effektiv verteidigen kann, ist er den Gefahren komplexerer und wenig bekannter schadensstiftender Inhalte praktisch schutzlos ausgesetzt. γ) Unerheblich ist, wie der Empfang der Nachrichten vom Empfänger geblockt wird. In der Regel greift der Empfänger unmittelbar auf sein Postfach mittels POP (Post Office Protocol) zu, wobei die E-Mail vom Mail-Server zum Empfänger-PC kopiert und dort auf einem Datenträger gespeichert wird. Viele Nutzer deaktivieren – falls möglich – daher die HMTL-Funktion ihres E-Mail Programms oder Nutzen ein Programm, dass HTML-E-Mail gar nicht erst anzeigen kann. Solchen Empfängern präsentiert sich nach dem Empfang ein konfuser, nicht zu entziffernder Zeichensalat. In diesem Fall ist die E-Mail mit dem Dateianhang durch die Ablage in der Mailbox zwar in den Machtbereich des Empfängers gelangt, eine Kenntnisnahme aber unmöglich. Schliesslich ist auch denkbar, dass der Empfänger derartige E-Mails nach dem Herunterladen auf den heimischen PC löscht, ohne die Datei zu öffnen. Hier besteht allerdings die Gefahr, dass sich gefährliche Inhalte oder Dateianhänge Sicherheitslücken gängiger Browser zu Nutzen machen und sich automatisch nach dem Herunterladen aktivieren, ohne dass diese explizit vom Nutzer geöffnet werden müssten. Dies ist oft der Fall, wenn der Inhalt der E-Mail im sog. Vorschaufenster des Clients angezeigt wird. Erkennt der Nutzer die Gefahr ist es in der Regel schon zu spät. Ein wirksamen Schutz bietet die Kontrolle und Vorsortierung der Inhalte diekt auf dem Mailserver, noch bevor diese vom Nutzer heruntergeladen werden. Verwendet der Empfänger bspw. das neuere IMAP (Internet Message Access Protocol) oder ein websitebasiertes Protokoll zur Verwaltung der elektronischen Post, so kann er die Nachricht direkt auf dem Server löschen oder deren Empfang bereits im Vorfeld blocken, ohne die potentiell schädliche Datei herunterladen zu müssen. Ähnlich wirksam ist der Einsatz von E-Mail-Clients, die über browserunabhängige interne HTML-Nachrichtenbetrachter zur Ansicht der Inhalte verfügen und über eine besondere Nachrichtenverwaltung verfügen, die es erlaubt die Nachrichten direkt auf dem POP3 Server zu bearbeiten (sog. „Message-Dispatcher“).285 So kann der Nutzer 285 Z.B. der E-Mail Client „The Bat!“, <http://www.thebat.de/tb_frame1.html> (Stand: 19.12.2001). The Bat! ist gut gegen Viren und Würmer geschützt, die sich über E-Mail verbreiten, da es weder das Windows Adressbuch noch einen Windows-abhängigen HTML-Betrachter verwendet. Denn genau diese sind das Ziel der meisten aktuellen Attacken. Ausserdem warnt das Programm, den Anwender vor dem Öffnen verdächtiger Dateianlagen oder verhindert deren Öffnen vollständig. 141 schädliche Inhalte individuell oder mittels vordefinierter Regeln aussortieren. Alternativ ist es möglich, die E-Mail auch nach dem Herunterladen gefahrlos auf schadenstiftende Inhalte oder Anhänge zu untersuchen, ohne dass sich diese von selbst auf dem Rechner aktivieren können. δ) Etwas anderes muss aber gelten bei unterschiedslosen Annahmeverweigerung von Dateiformaten, die nicht per se missbrauchsanfällig sind, aber in einzelnen Fällen die gleiche Wirkung zeigen können, wie beispielsweise Dateien im RTF- (RichtText)286, TXT- (Text) oder PDF-Format (Portable Document)287. Die generelle Annahmeverweigerung solcher Dateien ist unzulässig. Der Nutzer ist verpflichtet, den Zugang der Dateien zu ermöglichen, wobei er nach der Rechtsprechung für die Einhaltung entsprechender Schutzmassnahmen verantwortlich ist. Die nachfolgende Abbildung 18 zeigt die Warnung vor einer PDF-Datei, die vom Programm, abhängig von den individuellen Sicherheitseinstellungen des Empfängers als möglicherweise schädlich eingestuft wird. Der Empfang derartiger Dateiformate ist dem aber Empfänger grundsätzlich zumutbar; die Annahmeverweigerung daher unberechtigt. Abbildung 18: 286 287 Warnung vor möglicherweise gefährlichen Inhalten Von Dateien im Rich-Text-Format (RTF) wurde bisher angenommen, dass sie keine schädlichen Inhalte ausführen können. Als sicherer Schutz vor Makro-Viren galt bislang deshalb das Öffnen von Dateien im Rich Text Format. Microsoft hat in einem Bulletin vom 21. Mai 2001 nun darauf hingewiesen, dass auch RTF-Dateien Makros enthalten können. So wurden beispielsweise Varianten des zu zweifelhaftem Ruhm gelangten Makro-Computervirus „Melissa“ verbreitet. Das funktioniert entweder durch Manipulation der Dateinamen „.doc“ in „.rtf“oder aber durch Einbettung einer kompletten Word-Dokumentenvorlagen inklusive (schädlichen) Makros in die RTF-Datei. Wird diese mit Word geöffnet, wird der Empfänger nicht mehr vor Ausführung des aktiven Inhalts gewarnt. Besonders heimtückisch ist, dass RTF-Datei und die eigentlich schädliche Dokumentenvorlage nicht am gleichen Ort gespeichert sein müssen. Microsoft warnt sogar davor, dass das schädliche Makro per Hyperlink mit der an sich harmlosen Textdatei verknüpft sein kann. Durch das Öffnen würde das Makro auf dem lokalen Rechner gestartet, obwohl die mit dem Makro verbundene Datei sich an einem anderen Ort im Internet befindet, Microsoft Security Buletin MS01-028, RTF document linked to template can run macros without warning, posted: May 21, 2001. PDF-Dateien galten bislang als sicher. Mitte Juli 2001 ist erstmals ein Virus aufgetaucht, der sich mit Hilfe von PDF-Dateien fortpflanzt („Find the Peach“). Quelle: Avert-Lab, Network Associates, McAffee, VBS/PeachyPDF@MM, posted: August 8, 2001. 142 ε) Als Zwischenergebnis kann daher folgendes festgehalten werden: Der Empfänger ist berechtigt die Annahme schadensstiftender Inhalte gleich welcher Art zu verweigern. Mangels Zumutbarkeit der Kenntnisnahme fehlt es an einem wirksamen am Zugang derartiger Erklärungen. Auf die Verbreitung, den Bekanntheitsgrad oder die positive Kenntnis des Empfängers kommt es nicht an. Das Risiko, dass die übermittelte Erklärung auf dem heimischen Rechner Schaden anrichtet, weist die Rechtsprechung dem Empfänger zu. Er ist daher verpflichtet sich daher durch entsprechende Sicherheitsmassnahmen vor dem Zugang schädlicher Inhalte schützen. Wie er dies (technisch) bewerkstelligt ist seine Angelegenheit. (i) Der Empfänger hat bei der Wahl seines Schutzkonzeptes mit Blick auf den bereits dargestellten Lebenszyklus einer E-Mail-Erklärung288 unterschiedliche Möglichkeiten. Das Mass an Sicherheit, das der Nutzer erlangt ist u.a. abhängig vom Zeitpunkt der Prüfung und von der Art und Weise der eingesetzten Schutzmechanismen. Er kann sich selbst schützen und zu diesem Zweck entsprechende Antiviren-Software und/oder Firewalls auf seinem EDV-System einsetzen oder aber Externe mit der Kontrolle der E-Mail Inhalte oder des Internetverkehrs beauftragen. Im ersten Fall erfolgt eine Kontrolle unmittelbar auf und durch den Rechner bzw. die EDV-Anlage des Empfängers. E-Mails und Inhalte aus dem Internet werden von der Software beim Abruf der Mailbox (Schritt 9) oder aber unmittelbar vor dem Öffnen und der Darstellung der Dateien am Bildschirm (Schritt 12) auf potentiell schadensstiftende Inhalte untersucht. Im zweiten Fall versucht der Empfänger den Eintritt von Erklärungen in seine Sphäre durch ein technisches Schutzschild zu kontrollieren und wo nötig deren Eindringen bereits im Vorfeld durch entsprechend konfigurierte Filter abzuschirmen. Dies ist nach dem Lebenszyklusmodell mit bzw. bei Erreichen von Schritt 8 der Fall, d.h. mit der Zwischenspeicherung der Signale auf dem Mail Server des Internet Service Providers. Immer mehr Service Provider bieten ihren Kunden neuerdings gegen Gebühr einen automatischen „Virenscan“ an. Eingehende E-Mail werden noch vor der Ablage in der Mailbox nach Viren durchsucht. Der Schutz umfasst neben herkömmlichen Viren, Würmer und Trojanischen Pferden auch die besonders gefährlichen mobilen Codes wie Java, Active X und andere scriptbasierende Komponenten. Eine solche externe E-Mail Prüfung verspricht den Einsatz regelmässig aktualisierter Antiviren-Software und ist insbesondere für wenig erfahrene User eine interessante Alternative. Sollte eine E-Mail einen Virus enthalten wird die verseuchte E-Mail abhängig von der Sicherheitskonfiguration des Anwenders 288 Vgl. oben Abbildung 9: Lebenszyklus einer E-Mail, S. 86. 143 vor der Ablage in der Mailbox entsprechend gekennzeichnet (Markierung) oder vom Virenscanner isoliert und herausgefiltert (Filterlösung). In diesem Fall erhalten Empfänger und Absender automatisch eine entsprechende Information per E-Mail.289 Die Markierung der als infiziert erkannten E-Mail ist zugangsneutral. Die Filterlösung schützt den Empfänger am wirkungsvollsten, indem sie die Ablage infizierter E-Mail vollständig unterbindet. Da der Internetanbieter stellvertretend für den Empfänger mit Wissen und Wollen des Empfängers Antiviren-Software auf seinen Rechnern einsetzt, wird dessen Verhalten dem Empfänger normativ zugerechnet. Der Empfänger ist im Verhältnis zum Absender hierzu nur berechtigt, wenn ihm der Empfang der Nachricht aus den genannten Gründen unzumutbar ist. (ii) Dabei bewegt sich der Empfänger auf dünnem Eis. Er ist einerseits verpflichtet, sich durch den Einsatz angemessener technischer Mittel hinreichend vor schadensstiftenden Inhalten zu schützen, auf der anderen Seite trägt er das Risiko, dass aufgrund einer fehlerhaften Konfiguration seiner technischen Sicherungssysteme der Zugang ungefährlicher Inhalte blockiert wird. Die Filterung ungefährlicher E-Mails durch eine fehlerhaft konfigurierte Firewall, die den gesamten aus- und eingehenden E-Mail Verkehr überwacht, geht dabei eindeutig zu Lasten des Empfängers. Folgende Nachricht (Abbildung 19) erhielt der Autor beim Versuch eine gewöhnliche E-Mail nebst virengeprüftem Dateianhang im WordFormat an den Empfänger zu übermitteln: Abbildung 19: Unberechtigte Annahmeverweigerung ----- Original Message ----From: <Administrator@xyz> To: <[email protected]> Sent: Friday, March 01, 2002 2:03 PM Subject: Network Associates Webshield - e-mail Content Alert > Your message was not delivered to the following recipients:<xy> E-mail rejected: Attachment could contain* a virus. To resend the attachment, rename the file extension or put the file into an archive. > Die E-Mail wurde zurueckgewiesen und nicht an den Empfaenger ausgeliefert, da die Anlage ein Virus enthalten koennte*. Aendern Sie die Endung des Dateinamens oder verpacken Sie den Anhang in ein> Archiv, bevor Sie sie erneut versenden. > [xyz] Users: see also/siehe auch http://intranet/SI/Network/AttachmentBlocking.htm. * Hervorhebung durch den Verfasser 289 Der Absender kann nicht in jedem Fall informiert werden, da manche Viren die Absenderadresse verändern. 144 Hier liegt ein klassischer Fall der unberechtigten Annahmeverweigerung vor, für den die vorstehenden Ausführungen zur Zugangsvereitelung entsprechend gelten. Mit der Übermittlung des Angebots oder der Annahme ist Zugang eingetreten, da in diesem Augenblick in zumutbarer Weise die erforderliche Zugriffsmöglichkeit für den Empfänger (bzw. dessen EDV) besteht. Auch die unberechtigte Annahmeverweigerung durch den Computer bei der automatischen Bestellabwicklung ist dem Anlagenbetreiber zuzurechnen, weil er diese durch die Bereitstellung der fehlerhaften Programmierung der Anlage veranlasst hat290. Die Erklärung ist dem Empfänger wirksam zugegangen, einer Fiktion des Zugangs bedarf es nicht. Der Empfänger trägt aber nicht nur das Risiko einer Fehleinschätzung. Die Rechtsprechung wälzt auch die Beweis- und Darlegungslast auf den Empfänger über. Das bedeutet, gegenüber dem Absender, der sich auf den ordnungsgemässen Zugang der E-Mail beruft291, muss der Empfänger darlegen und beweisen, dass ein Fall der berechtigten Annahmeverweigerung vorgelegen habe. Gelingt ihm dies nicht, so gilt der Zugang gleichsam als erfolgt. Aus diesem Grund ist die Dokumentation und Protokollierung der Transaktionen etwa durch Log-Files der EDV von eminenter Bedeutung. cc) Objektiv pflichtwidriges Verhalten α) Die früher weit verbreitete Ansicht, wonach der Zugang bei einem objektiv pflichtwidrigen Verhalten zu fingieren sei,292 findet heute nur noch bei unberechtigter, absichtlicher oder arglistiger Zugangsvereitelung, dort aber, wie aufgezeigt, beachtliche Unterstützung.293 Im übrigen wird angenommen, dass die Erklärung zunächst nicht wirksam werde. Unternimmt der Erklärende aber alles für einen rechzeitigen Zugang Erforderliche und Zumutbare, dann muss der Empfänger die Erklärung als rechtzeitig gegen sich gelten lassen. Die Erklärung geht nach der h.M. zwar (entsprechend der allgemeinen Zugangsdefinition) erst zu, wenn sie tatsächlich in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist. Diesem ist es aber unter Umständen nach § 242 BGB verwehrt, sich auf die Verspätung zu berufen.294 Das bedeutet, bei dem Adressaten zuzurechnenden Zugangsstörungen wird diesem der Einwand des verspäteten Zugangs abgeschnitten. Ob der verspätete Zugang zulasten des Empfängers oder des Erklärenden geht, ist eine Zurechnungsfrage, die auf der 290 291 292 293 294 Kuhn, § 8 II, S. 107. Dies ist nach der hier vertretenen Ansicht bereits der Fall, wenn die Möglichkeit zur Speicherung besteht, d. h. spätestens, wenn der Empfänger die E-Mail abrufen kann. Grundlegend Thiele, AcP 89 (1899), S. 132, 134 ff, in der Rechtsprechung vor allem RGZ 95, 315, 317; Klingmüller, VersR 1967, S. 1109, 1112, tritt für eine Zugangsfiktion bereits bei fahrlässiger Zugangsvereitelung ein. Vgl. Fn 267 und 268. BGH, LM zu § 130 Nr. 1; MüKo/Einsele § 130 Rn 35 ff.; Hübner AT, Rn 424; Köhler AT, § 6 II, Rn 30. 145 Grundlage der in § 130 Abs. 1 BGB zugeordneten Risikosphären zu beantworten ist. Zugangsstörungen sind dem Adressanten dann zuzurechnen, wenn er sich objektiv pflichtwidrig verhält. Aus einer solchen Pflichtverletzung kann sich für den Empfänger die Verpflichtung ergeben, die Erklärung so gelten zu lassen, wie wenn sie ihm rechtzeitig zugegangen wäre. Ob zusätzlich auch ein Verschulden notwendig ist, ist umstritten, wird von der überwiegenden Meinung jedoch abgelehnt.295 Der Streit spielt im praktischen Ergebnis keine grössere Rolle, da ein Verschulden bei objektiver Pflichtwiderigkeit im Regelfall ebenfalls vorliegen dürfte.296 β) Die objektive Pflichtverletzung hat regelmässig eine dem Empfänger zur Last fallende Funktionsstörung der Empfangseinrichtung zur Folge. Die oben gemachten Ausführungen gelten daher entsprechend. Ausnahmen bestehen, wie aufgezeigt, in Fällen, in denen die Funktionsstörung nicht auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Empfängers beruht. Fraglich ist daher, welche Anforderungen an ein pflichtgemässes Verhalten des Adressaten zu stellen sind. Den auschliesslich privaten E-Mail-Nutzer trifft, weder eine Pflicht noch eine Obliegenheit, seinen E-Mail-Anschluss für den Empfang von rechtsgeschäftlichen Erklärungen bereitzuhalten, so dass es bei ihm schon am Tatbestand einer objektiven Pflichtwidrigkeit fehlt. Bei geschäftlichen Nutzern, die ihre Mailbox dem Rechtsverkehr zum Empfang von Erklärungen gewidmet haben, muss zur Findung einer sachgerechten Lösung weiter unterschieden werden: Der Adressat verhält sich objektiv pflichtwidrig, wenn die Überfüllung seiner Mailbox und damit die Zugangstörung darauf beruht, dass er diese nicht regelmässig kontrolliert, eingetroffene Nachrichten abruft und auf dem Server löscht.297 Verbleibt trotz Abruf der Nachrichten eine Kopie auf dem Server, so wird regelmässig kein Speicherplatz freigeben.298 Die Gefahr der Überfüllung ist 295 296 297 298 Bejahend Soergel/Hefermehl, § 130 Rn 28; Larenz § 26 Rn 42; verneinend Flume AT, § 14, 3 e), S. 239 f.; Medicus BGB, § 4 I, Rn 51, Scherner AT, V e), S. 111; vgl. auch BGH NJW 1996, S. 1967 = MDR 1996, S. 797: „Für die Anwendung des § 242 BGB im Rahmen des § 130 Abs. 1 S. 1 BGB ist mehr erforderlich als nur ein objektives Zugangshindernis im Bereich des Empfängers“. Baetge, Rechtshandbuch E-Business, S. 109. Legt man eine durchschnittliche Speicherkapazität des elektronischen Briefkastens von 10 Megabyte (MB) zugrunde, und einen durchschnittlichen E-Mail-Umfang von 10 -20 Kilobyte (KB) zugrunde, so ist in der Mailbox Platz für rund 500 bis 1000 E-Mail-Nachrichten. Zu einer Blockierung kommt es daher nur, wenn über einen langen Zeitraum keine Nachrichten abgerufen werden oder pro Tag eine grosse Anzahl von E-Mails empfangen wird, etwa durch Teilnahme an einer Mailings-List, bei der der Nutzer Kopien aller Beiträge eines Diskussionsforums per E-Mail erhält. Zu den Sorgfaltspflichten des Empfängers gehört es daher auch, die entsprechenden Einstellungen seiner Zugangssoftware bzw. seines E-Mail-Programms daraufhin zu kontrollieren, dass abgerufene Nachrichten entweder sofort mit ihrem Abruf oder nach Ablauf einer bestimmten Frist auf dem Mail-Server und damit aus der Mailbox gelöscht werden. Im letztem Fall trägt der Empfänger das Risiko, dass er die Löschungsfrist zu kurz bemisst und daher für neu eingehendende Nachrichten kein oder kein ausreichender Speicherplatz zur Verfügung steht. 146 heutzutage jedoch längst nicht mehr so gross wie vor drei bis vier Jahren.299 Gleiches gilt, wenn der Empfänger davon Kenntnis hat, umfangreiche E-Mails in seinem Briefkasten eingelegt wurden oder eine Störung bei seinem InternetProvider vorliegt. Die Zuganstörung ist ihm zuzurechnen, da ein solches Verhalten fahrlässig ist. Bei Störungen aus dem Bereich des Internet-Providers wird man differenzieren müssen. Eine Zurechnung ist nur gerechtfertigt, wenn dem Adressat diesbezüglich ein Vorwurf gemacht werden kann. Grundsätzlich hat der Empfänger für die Betriebsfähigkeit der von ihm eingesetzten Mittel zu sorgen. Da es in seiner Macht liegt, einen zuverlässigen und leistungsfähigen Anbieter zu wählen, ist ihm das Risiko der Leistungsbereitschaft des Dienstanbieters zuzurechnen.300 Die Anforderungen dürfen jedoch nicht überspannt werden. Der Empfänger hat keinen Einblick in die technischen Abläufe und die interne Organisation des Dienstanbieters. Im Unterschied zum Telefax oder der Datenverarbeitungsanlage unterliegen die Empfangseinrichtungen des Internet-Providers nicht dem direkten Zugriff des Empfängers. Der Adressat verhält sich daher nur fahrlässig, wenn er mit betriebsbedingten Störungen rechnen musste, so er dass er einen Anlass hatte, die Übermittlung und den Eingang elektronischer Nachrichten sicherzustellen. Ein fahrlässiges Verhalten wird man auch bejahen dürfen, wenn der Speicherplatz angesichts des erwarteten oder objektiv zu erwartenden E-MailVerkehrs von Anfang an zu gering bemessen ist oder sich nachträglich als zu gering erweist.301 Dem geschäftlichern Nutzern obliegt es daher nicht nur, überhaupt Empfangsvorkehrungen vorzuhalten, sondern auch diese mit den ausreichenden Aufnahmekapazitäten auszustatten, auch wenn dies mit höheren Kosten verbunden ist. Dabei wird man je nach Art und Umfang des Geschäftsbetriebs unterschiedliche Anforderungen stellen müssen. γ) Etwas anderes gilt, wenn der Empfänger nicht mit einer Zugangstörung rechnen musste.302 In diesen Fällen wird dem Empfänger die Zugangsstörung nicht 299 300 301 302 Ultsch, NJW 1997, S. 3007 ging seinerzeit noch von einer Speicherkapazität von 2 MB aus. Koch, Internet-Recht, S. 142. So erlaubt etwa der Freemailer Web.de <http://www.web.de> nur maximal 500 E-Mails in der Mailbox. Für Vielnutzer oder Teilnehmer einer Mailing-List ist das zu wenig. Der Nutzer muss die E-Mails daher per POP auf den heimischen PC übertragen, damit Mailbox nicht überläuft und nachfolgende E-Mails geblockt werden, vgl. zum Speicherüberlauf oben Abbildung 14, S. 131. Für Aufsehen sorgte eine Aktion des Freemail-Anbieter GMX <http://www.gmx.de>. Die Nutzungsbedingungen von GMX enthalten eine „Ausschluss der Anonymitäts Klausel“, wonach GMX nur Mitglieder akzeptiert, die bereit sind sich eindeutig zu identifizieren, sprich mit korrekten persönlichen Daten registrieren lassen. Mitte Mai 2001 mahnte GMX per E-Mail diejenigen Mitglieder an, die bei der Anmeldung eine fehlerhafte oder unvollständige Anschrift angegeben haben, mit der Bitte um Korrektur der Daten innerhalb einer bestimmten Frist, andernfalls werde der Account gelöscht. (GMX-Info 22/2001: „GMX ist böse“, vom 1. Juni 2001). Wie GMX konkret die Kundenadressen überprüft und so fehlerhafte Konten aufspürt, ist nicht bekannt. Postfachbesitzer, die gerade umgezogen oder versehentlich falsch gemeldet sind, laufen jedoch Gefahr, dass der E-Mail Account ungerechtfertigt gelöscht wird. 147 zugerechnet.303 Das ist der Fall, wenn die Mailbox kurzfristig überläuft, etwa bei unerwartetem, inadäquatem Eingang von umfangreichem Werbematerial, sog. Spamoder Bulk-Mail.304 Dagegen besteht keine Pflicht des Empfängers, den Empfang von Werbemails vollständig oder teilweise zu verhindern, etwa durch den Einsatz von Spam-Filtern, die unerwünschte Nachrichten abfangen und löschen oder durch den Eintrag in „Opt-out“ Listen, auch Robinson-Listen305 genannt, die die Zusendung unerwünschter Werbung an eingetragene Empfänger untersagen. In diese Fallgruppe gehören auch unvorhersehbare oder aussergewöhnliche Störungen des InternetProviders, mit denen der Empfänger keinesfalls rechnen musste.306 Gleiches gilt bei unerwartetem Eingang von Nachrichten mit umfangreichen speicherzehrenden Anhang.307 Rechnet der Empfänger dagegen mit dem Eingang besonders umfangreicher Daten, trifft ihn die Pflicht, den elektronischen Briefkasten diesbezüglich in gesteigertem Umfang zu kontrollieren. δ) Haben beiden Parteien das Scheitern des Zugangs zu vertreten, kann über die positive Vertragsverletzung oder culpa in contrahendo in Verbindung mit § 254 BGB eine Schadensteilung angemessen sein.308 d) Verteilung des Verlust-, Verzögerungs- und Verfälschungsrisikos aa) Das Verzögerungs- und Verlustrisiko geht auf den Adressaten über, sobald die Erklärung in seinen Machtbereich gelangt. Beim rein privaten E-Mail-Nutzer führt das Eingehen der E-Mail in seine Mailbox noch nicht zu ihrem Eintreten in seine Machtsphäre, da dieser seine Mailbox nicht für den Empfang geschäftlicher Nachrichten gewidmet hat. Mithin gibt es keinen sachlichen Grund, dem Empfänger das Verlust- und Verzögerungsrisiko ab Eingang der Nachricht in den elektronischen Briefkasten aufzubürden. Findet aber kein Übergang der Risiken statt, verbleiben diese weiterhin beim Erklärenden; er trägt die Verantwortung dafür, dass die Erklärung vollständig und fristgerecht zugeht. Anders liegt der Fall beim geschäftlichen E-Mail-Nutzer. Da die Erklärung mit dem Eingehen in der Empfänger-Mailbox in dessen Machtbereich eintritt, gehen damit auch Verlust- und Verzögerungsrisiko auf den Adressaten über. Dies entspricht dem Gedanken der Risikoverteilung nach Sphären, nach der es zum Risiko des Empfängers gehört, 303 304 305 306 307 308 Taupitz/Kritter, Jus 1999, S. 842, Ultsch, NJW 1999, S. 3008. Dazu ausführlich Leopold, WRP, 1998, S. 271 ff. Vgl. bspw. den Mailschutz-Eintrag gegen unverlangte E-Mail-Werbung beim Interessenverband Deutsches Internet e.V. (IDI), abzurufen unter: <http://www.robinsonlist.de/>. So sind im Juli 2000 beispielsweise bei GMX <http://www.gmx.de>, durch das Aufspielen eines Sicherheitsupdates der Software, versehentlich unwiderruflich alle gespeicherten Nachrichten gelöscht worden. Insgesamt waren über 80.000 Nachrichten betroffen. Hiermit mussten die Mailbox-Inhaber keinesfalls rechnen. Gehen in der Mailbox Ton-, Bild- oder Videodateien ein, die besonders viel Speicherkapazität beanspruchen, könnte bereits eine Datei den Umfang von 2 MB erreichen und dementsprechend 6 - 7 solcher Dateien den elektronischen Briefkasten des Empfängers blockieren. RGZ 97, 337; Palandt/Heinrichs, § 130 Rn 18. 148 wenn Störungen aus seinem Machtbereich eintreten. Diese Gefahren sind für den Empfänger beherrschbarer309 als für den Absender, der hierauf gar keinen Einfluss hat. Der Adressat muss sich das Verlust- und Verzögerungsrisiko zurechnen lassen, da er „näher“ dran ist. Will der Empfänger derartige Risiken aus seiner Sphäre nicht tragen, darf er den Rechtsverkehr mit derartigen risikobehafteten Empfangsvorrichtungen nicht eröffnen. Er hat nur die Wahl „alles oder nichts“. Der Endnutzer trägt daher das Risiko, „dass ihm Willenserklärungen nicht oder nicht rechtzeitig zur Kenntnis gelangen, die er aufgrund seines technischen Vermögens nicht abzurufen versteht.“310 Wer über ein E-Mail-Adresse verfügt und den Rechtsverkehr mit ihr eröffnet, kann sich nicht darauf berufen, ihm sei nicht gelungen, den „elektronischen Briefkasten“ zu leeren. Die Nachrichten sind dem Endnutzer vielmehr bereits in dem Augenblick zugegangen, in dem sie theoretisch hätten abgerufen werden können. Ausreichend ist die abstrakte Möglichkeit der Kenntnisnahme, konkrete Umstände aus der Sphäre bleiben unbeachtet.311 bb) Erreicht eine E-Mail zwar den E-Mail-Server des Empfängers, geht aber dort aus irgendwelchen Gründen verloren, bevor sie in die Mailbox des Empfängers gelangt, fehlt es am Zugang. Die Erklärung wird nicht wirksam. Zustellprobleme des Providers wird man dem Empfänger ebenso wenig zur Last legen können wie der Verlust oder die irrtümliche Rücksendung von Briefpost.312. Daher trägt der Empfänger das Risiko, falls beispielsweise der Verbindungsaufbau zu seinem Anbieter scheitert und ein Abrufen der Mailbox zeitweise nicht möglich sein sollte.313 Dies gilt auch dann, wenn die Erklärung im Machtbereich des Empfängers zu einem Zeitpunkt verloren geht, zu dem noch nicht mit einer Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Dies ist kein Widerspruch zu der h.M., wonach eine Erklärung erst dann zugeht, wenn unter Annahme gewöhnlicher Verhältnisse mit ihrer Kenntnisnahme zu rechnen ist. Denn die in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB normierte Empfangstheorie hat, wie aufgezeigt, einen dreifachen, auf das engste zusammenhängenden Regelungsgehalt314: Neben der Risikoverteilung hinsichtlich des Verlustes, der Verstümmelung und Verzögerung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen, regelt sie die Voraussetzungen des Wirksamwerdens und bestimmt zugleich den Zeitpunkt. Die Risikosphären sind unabhängig von Rechzeitigkeitsinteressen allein anhand der jeweiligen Machtbereiche abzugrenzen. Daher ist bei nachträglichen Störungen bereits empfangener Erklärungen der Signaleingang dem Adressaten zu dem Zeitpunkt als Zugang zuzurechnen, zu dem üblicherweise mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Bis zu dem Eintritt in 309 310 311 312 313 314 Es handelt sich nicht um die Zurechnung von Verschulden, sondern um eine Abgrenzung der Risikosphären. OLG Köln, NJW 1990, S. 1608 zum Btx-Telex Dienst. LAG Köln, NJW 1988, S. 1870. Taupitz/Kritter, JuS 1999, S. 842. Schwerdfeger, Vertragsschluss im Internet, Kap. 6-2.3, S. 19; Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 70 m.w.N. Burghard, AcP 195 (1995), S. 79. 149 den Machtbereich des Empfängers allerdings trägt der Absender das Verlust- und Verzögerungsrisiko.315 Gleiches gilt für das Verzögerungsrisiko. Manchmal, wenn auch selten, kommt es vor, dass eine Erklärung statt der üblichen wenigen Minuten, eine Transportzeit von Stunden oder gar Tagen benötigt, bevor sie die Mailbox des Empfängers erreicht. Ist eine Erklärung fristgebunden, dann ist die Versäumung der Frist weder verschuldet noch objektiv pflichtwidrig, wenn die E-Mail über einen zuverlässigen Provider übermittelt wird. Dessen Zuverlässigkeit wird vermutet, solange dem Absender nicht Umstände bekannt sind, die eine Störung, sprich eine Verzögerung der Übermittlung, als wahrscheinlich erscheinen lassen. Soweit das Gesetz jedoch nicht den verschuldeten bzw. pflichtwidrigen316 Rechtsverlust, sondern an den Fristablauf als solchen317 anknüpft, geht dies zu Lasten des Senders. Diese Lösung ist sachgerecht. Wollte man beim Einlegen einer Erklärung in eine vom Empfänger dazu gewidmeten Empfangsvorrichtung das Risiko bis zu dem Zeitpunkt der gewöhnlichen Kenntnisnahme aufschieben, so würde der Absender auch das Risiko des zufälligen Untergangs tragen. Dies widerspricht einer angemessen Risikoverteilung nach Sphären. Störungen in seinem Risikobereich, die im Zeitalter der modernen Kommunikation an Bedeutung gewinnen, hat der Empfänger, unabhängig von der Frage der Möglichkeit der Kenntnisnahme grundsätzlich zu vertreten.318 cc) Die gleichen Grundsätze gelten für die Verteilung des Verfälschungsrisikos, d. h. des Risikos der (nachträglichen) inhaltlichen Veränderung der Nachricht. Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass die Erklärung vollständig und inhaltlich richtig in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist. Für auf der Transportstrecke eingetretene Datenverluste oder – veränderungen, die Auswirkungen auf den Inhalt haben, trägt der Absender das Risiko. Es gelten insoweit die vorstehend unter Punkt 2 gemachten Ausführungen. Lässt sich infolge der Verstümmelung ein Rechtsfolgewille nicht mehr ermitteln, so fehlt es tatbestandlich an einer Willenserklärung. Wird der Inhalt dagegen nur verändert, dann ist die Erklärung wirksam geworden, der Erklärende kann anfechten. Wird die Erklärung nur teilweise bzw. bruchstückhaft übertragen, so fehlt es an einem vollständigen Gelangen der Erklärung in den Machtbereich; die Erklärung ist nicht zugegangen. Mit Eintritt in den Machtbereich gehen diese Risiken auf den Empfänger über. Daher ist bei nachträglichen Störungen der Signaleingang dem Adressaten zu dem Zeitpunkt als Zugang zuzurechnen, zu dem üblicherweise mit der Kenntnis gerechnet werden kann.319 Dies ist 315 316 317 318 319 BGH NJW 1995, S. 667. Z.B. §§ 121 Abs. 2, 124 Abs. 2 und 3, 195, 611 a BGB. Z.B. § 121 Abs. 1 BGB oder der Widerspruch auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben. Im Prozessrecht kommt eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach § 230 ZPO in Betracht. Für Prozesshandlungen hat die Rspr. bereits anerkannt, dass Störungen in der Sphäre des Gerichts nicht auf den Bürger abgewälzt werden dürfen. Der BGH tendiert dazu, diese Grundsätze auch auf den Privatrechtsverkehr zu übertragen, vgl. BGH NJW 1995, S. 665,667. Dagegen Jauernig/ders, § 130 Rn 5, wonach der Sender auch das Risiko von Störungen des Empfangsgeräts tragen soll, da er die Übertragungsart gewählt habe. Taupitz/Kritter, JuS 1999, S. 843 150 problematisch bei Störungen, die ihre Ursache im Bereich des Absenders haben, aber erst nach Übermittlung beim Empfänger Wirkung zeigen („übermittelte Fehler“)320. Befindet sich beispielsweise im Anhang der übermittelten Erklärung oder in der Erklärung selbst ein Virus, der die Erklärung inhaltlich verändert oder zerstört, sobald diese vom Empfänger geöffnet wird, trägt der Empfänger mit Eingang in seinen Machtbereich das Risiko, dass er diese nicht oder nicht mehr vollständig zur Kenntnis nehmen kann. Für die Sicherheit seines Computersystems ist der Empfänger allein verantwortlich.321 Er ist verpflichtet, sich durch entsprechende Schutzprogramme vor Schäden durch Computerviren zu schützen. Wird die infizierte Datei vom Virenprogramm rechtzeitig erkannt, so ist der Empfänger berechtigt, die Annnahme zu verweigern.322 Verzichtet der Empfänger auf den Einsatz notwendiger Sicherungsmassnahmen, so trägt er das Risiko, dass sich die beim Absender „angelegten“ Risiken in seinem Verantwortungsbereich realisieren. e) Kenntnis des Erklärenden aa) Wusste der Erklärende allerdings schon bei Abgabe der Erklärung, dass in der Person oder Sphäre des Empfängers aussergewöhnliche Umstände vorliegen, die diesen an der Speicherung der Erklärung auf dem vom Erklärenden gewählten Kommunikationsweg hindern, dann ist die Erklärung nach überwiegender Ansicht gar nicht abgegeben.323 Denn eine empfangsbedürftige Erklärung setzt nach allgemeiner Meinung voraus, dass der Erklärende sich in einer Weise äussert, dass an der Endgültigkeit seines Willens kein Zweifel mehr besteht, und er sie derart in Bewegung setzt, dass unter gewöhnlichen Umständen mit dem Zugang gerechnet werden darf.324 Es fehlt daher an der Abgabe, wenn der Erklärende erkennt, dass der Empfänger keine Möglichkeit hat, die Erklärung zu speichern oder dies nach den Umständen evident ist.325 Dies ist der Fall, wenn der Erklärende weiss oder wissen muss, dass das Datenendgerät des Empfängers nicht kompatibel oder z.Z. defekt ist, und dieser daher keine Möglichkeit der Speicherung besitzt. Das ist richtig. Der Erklärende muss damit seine auf den Vertragsabschluss gerichtete Erklärung wirksam wird, davon ausgehen dürfen, dass diese den Empfänger tatsächlich erreicht. Vorzugswürdiger ist es jedoch m.E. bei Kenntnis des Absenders von einem Zugangshindernis in der Sphäre des Empfängers nicht generell von der Unwirksamkeit der Erklärung auszugehen, sondern dem Empfänger vielmehr ein Wahlrecht einzuräumen, ob er den Absender an der Erklärung festhalten möchte, falls dieser den Empfang - wider erwarten – doch noch bewerkstelligt. 320 321 322 323 324 325 Vgl. Abbildung 26 („Anfechtbarkeit fehlerhafter Willenserklärungen“), S. 413. Vgl. oben Fn 277. Wer Datenträger weitergibt, muss nicht auf eventuell vorhandene Computerviren hinweisen. Vgl. hierzu oben Zweites Kapitel, V 4. Burhard, AcP 195 (1995), S. 106. Statt vieler Palandt/Heinrichs, § 130 Rn 4. Staudinger/Dilcher, § 130 Rn 5. 151 bb) Die gleichen Grundsätze gelten für das Verzögerungsrisiko. Konnte oder musste der Absender mit Verzögerungen rechnen und sie daher in die von ihm eingegangene Übermittlungsdauer einrechnen, wird die Erklärung erst mit Eintritt in den Machtbereich und der Möglichkeit der Kenntnisnahme wirksam. Die Verzögerung wird dem Empfänger nicht zugerechnet, so dass es in diesen Fällen darauf ankommt, ob die Erklärung trotz der Verzögerung noch rechtzeitig erfolgte. Dies ist gerechtfertigt, denn der Absender wählt den Kommunikationsweg. Musste der Absender infolge Kenntnis des Hinderungsgrunds damit rechnen, dass die Übermittlung der Erklärung länger als gewöhnlich dauern und der Empfänger von der Erklärung nicht rechtzeitig Kenntnis nehmen konnte, so ist es dem Erklärenden nach dem Grundsatz „dolo facit, qui petit quod redditurus est“ verwehrt, sich auf die Verzögerung zu berufen. Mit Verzögerungen zu rechnen braucht, der Absender aber nur dann, wenn es sich bei dem Empfänger um einen Privatmann und nicht um den Inhaber einer Firma oder einen geschäftlichen E-Mail-Nutzer handelt, dessen Geschäftsbetrieb auch in seiner Abwesenheit weitergeht.326 f) Zusammenfassendes Fallbeispiel aa) In diesem Zusammenhang seien die von Sprengard327 vorgestellten vermeintlichen „Schutzmassnahmen“ des Anwalts vor dem Eingang zu später Stunde abgesandter E-Mails von Mandanten genannt, an Hand derer sich die hier gefundenen Ergebnisse zusammenfassend darstellen lassen. Um die fristwahrende Wirkung von zu Unzeit eingehenden E-Mails – wie etwa dem Auftrag zur Einlegung eines Rechtsmittels – auszuschliessen, empfiehlt die Autorin zwei alternative „Schutzkonzepte“: Entweder bediene sich der Anwalt einer technischen Sperre, die bewirke, dass E-Mails nur bis zu einer bestimmten Uhrzeit empfangen werden können, oder aber er leite ab einer bestimmten Uhrzeit automatisch alle einkommenden E-Mails auf ein ungültiges Postkonto um. Während im letzten Falle die E-Mails sofort an den Absender zurückgeschickt werden, kann es bei der Nutzung einer technischen Sperre bis zu einem Tag dauern, bis der Mandant erfährt, dass seine Erklärung nicht angekommen ist. Beiden „Schutzmassnahmen“ gemein ist, dass der Empfänger den Zugang der Erklärung durch die Blockierung bzw. Manipulation des elektronischen Postfachs verhindert.328 bb) Die Autorin verkennt dabei die Differenzierung zwischen dem Zugang als solchen und dem Wirksamwerden einer zugegangen Erklärung. Im letzteren Fall ist nach der Rechtsprechung auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem unter Annahme gewöhnlicher Umstände mit der Kenntnisnahme der Erklärung zu rechnen. Der 326 327 328 Larenz AT, § 26 Rn 43, im Ergebnis ebenso Flume AT II, § 14, 3c. Sprengard, Anwalt 2/2000, S. 50. Das entspricht der hier abgelehnten Ansicht von Ebnet, JZ 1996, S. 507 der den Faxinhaber, der keine Erklärungen nach Geschäftsabschluss akzeptieren will, darauf verweisen will, sein Faxgerät abzuschalten. 152 Empfänger ist durch die „Unzeit“ geschützt, so dass die E-Mail erst am nächsten Werktag als zugegangen gilt, mithin erst zu diesem Zeitpunkt die fristwahrende Wirkung eintreten kann. Die Verhinderung des Zugangs von zur „Unzeit“ eintreffenden E-Mails, wie von der Autorin vorgeschlagen, ist deshalb nicht nur überflüssig, sondern auch schädlich. Eine solche Verhinderung des Zugangs ist abhängig von den Umständen des konkreten Einzelfalls, nach den hier vertretenen Lösungen entweder als objektiv pflichtwidriges Verhalten oder aber als unberechtigte Annahmeverweigerung zu qualifizieren, mit der Folge, dass die Erklärung gleichwohl wirksam zugegangen ist oder aber dem Anwalt der Einwand des verspäteten Zugangs abgeschnitten wird.329 Auch ein ausdrücklicher Hinweis auf der Kanzlei-Homepage, dass zur Unzeit eintreffende E-Mails an den Absender zurückgeschickt werden, hilft m.E. nicht weiter.330 Mit der Zurückweisung seiner Erklärung durch den Anwalt muss der Mandant nämlich keinesfalls rechnen. Tritt der Anwalt im Rechtsverkehr unter seiner E-Mail-Adresse auf oder bestehen bereits rechtsgeschäftliche Beziehungen, muss während der üblichen Geschäftszeiten mit dem Eingang von Erklärungen in der Mailbox gerechnet werden. Entsprechend ist der Empfänger für die Funktionstüchtigkeit seiner Empfangseinrichtungen verantwortlich.331 Entscheidend ist, dass auch bei Eingang ausserhalb der üblichen Geschäftszeiten die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt, die Erklärungen regelmässig aber erst am nächsten Werktag, an dem mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist, (fristwahrende) Rechtswirkungen entfaltet. Durch die (zeitweise) Sperrung des E-Mail-Accounts kann der wirksame Zugang von Erklärungen nicht verhindert werden. Fristwahrend sind Erklärungen per E-Mail nur, wenn sie rechtzeitig innerhalb der normalen Geschäftszeiten eingehen, zu denen mit der Kenntnisnahme gerechnet werden darf. Erklärung, die zu Unzeiten eintreffen, entfalten deshalb erst am nächsten Werktag Rechtswirkung. Unabhängig von der Frage der Wirkungslosigkeit entsprechender technischer Massnahmen kann die pflichtwidrige Weigerung des Anwalts Weisungen des Mandanten entgegenzunehmen, im Einzelfall eine pVV des 332 Geschäftsbesorgungsvertrags (§§ 675, 665 BGB) darstellen. Da der Zugang beim Empfänger nur voraussetzt, dass die E-Mail verkehrsüblich in dessen Machtbereich gelangt ist und er in zumutbarer Weise die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat, womit der Absender auch rechnen kann und trotz entgegenstehender Hinweise auf der Homepage auch rechnen darf, geht das Risiko des Untergangs, der Verzögerung oder Verfälschung mit der Übermittlung der E-Mail auf den Empfänger über. Übermittelt der Mandant seine Weisungen nicht zusätzlich per Post bzw. Fax oder 329 330 331 332 Vgl. zu den unterschiedlichen Arten von Zugangshindernissen oben § 2 V 4 lit.c), S. 135. So der ausdrückliche Vorschlag der Autorin, die sich der Problematik offenbar bewusst ist. Vgl. oben Fn 72 und 184. OLG Köln, NJW-RR 1994, S. 956. 153 wiederholt seine E-Mail-Erklärung zu den üblichen Geschäftszeiten, trägt der Anwalt das Risiko, dass er diese nicht (mehr) zur Kenntnis nehmen kann. cc) Die Eröffnung eines E-Mail-Kommunikationskanals ist deshalb besonders für Rechtsanwälte mit einem Haftungsrisiko verbunden. Mit der Veröffentlichung der geschäftlichen E-Mail-Adresse auf Briefbögen und Visitenkarten oder auf der Homepage wird die unbedingte Bereitschaft zur Entgegennahme von rechtsrelevanten E-Mail-Aufträgen während der normalen Geschäftszeiten signalisiert. „Fordert der Mandant daher seinen Anwalt via E-Mail auf, Berufung einzulegen, und liest der Anwalt die Mail nicht (oder nicht rechtzeitig), droht eine Schadensersatzklage des Mandanten gegen den Anwalt.“333 Hier liegt das eigentliche Kernproblem, der von Sprenhard thematisierten Schutzmassnahmen. Der Anwalt muß während der normalen Geschäftszeiten u.U. unverzüglich reagieren, will er sich nicht schadensersatzpflichtig machen. Die Fragestellung lautet also nicht, wie kann der Zugang rechtsgeschäftlicher Erklärungen zu Unzeit verhindert werden, sondern will der Anwalt über seinen EMail-Account auch rechtliche relevante Aufträge und Weisungen entgegenehmen oder eben nicht. Falls ja sollte er eine spezielle E-Mail-Adresse dafür vorsehen und den Account regelmäßig, d. h. in risikorelevanten Bereichen sogar mehrfach arbeitstäglich, abfragen.334 Will er das nicht, so darf er nicht einfach den Zugang blockieren, sondern muß den Mandanten im Vorfeld auf diesen Umstand deutlich und unmissverständlich hinweisen. Hoeren335 schlägt hierfür beispielsweise folgende Formulierung vor: „Diese E-Mail-Adresse dient nur zur Übermittlung von Informationswünschen, nicht für die Erteilung von E-Mail-Aufträgen“. Die „Entwidmung“ des E-Mail-Zugangs zu rein informatorischen Zwecken dürfte sich zugegeben in der Praxis als schwierig erweisen. Während ein solcher Hinweis problemlos auf der Homepage platziert werden kann, ist fraglich, in welcher Form dies im Einzelfall auf Briefbögen oder Visitenkarten geschehen soll, um den Anforderungen zu genügen und vom Mandanten verstanden zu werden. 333 334 335 Hoeren, Internetecht, S. 213. Horen, a.a.O. Horen, a.a.O. 154 5. Zusammenfassung (1) Wird eine Willenserklärung direkt vom Absender an den Empfänger übermittelt, gelangt die Erklärung bereits mit dem Passieren der Schnittstelle vom Übertragungsweg zur Empfangsvorrichtung in den Machtbereich des Empfängers. Die Schnittstelle selbst ist abhängig vom verwendeten Übertragungsweg. Notwendig, aber auch ausreichend ist, die „Möglichkeit der Speicherung“ durch den Empfänger. (2) Wird eine Willenserklärung per E-Mail an einen Adressaten gerichtet, der im Rechtsverkehr unter seiner E-Mail-Adresse auftritt, dann geht die Erklärung grundsätzlich am Tag des Eintretens in den elektronischen Briefkasten zu, bei Eintreten zu „Unzeiten“ erfolgt der Zugang am nächsten Tag. (3) Der Empfänger ist durch die „Unzeit“ hinreichend geschützt. Die Verhinderung des Zugangs von zur „Unzeit“ eintreffenden E-Mails, ist deshalb nicht nur überflüssig, sondern auch schädlich. Eine solche Verhinderung des Zugangs ist entweder als objektiv pflichtwidriges Verhalten oder aber als unberechtigte Annahmeverweigerung zu qualifizieren, mit der Folge, dass die Erklärung gleichwohl wirksam zugegangen ist oder aber dem Empfänger der Einwand des verspäteten Zugangs abgeschnitten wird. (4) Nutzt der Empfänger seine E-Mail-Adresse nur für den gesellschaftlich-sozialen Bereich, so wird die Erklärung erst mit der tatsächlichen Kenntnisnahme wirksam. (5) Wird der Eingang der E-Mail in den elektronischen Briefkasten dadurch verhindert, dass Störungen beim Internet-Provider des Empfängers auftreten oder wird der Zugang durch falsch konfigurierte Sicherungssysteme blockiert, so ist dies nur dem privaten E-Mail-Nutzer nicht zurechenbar. Beim geschäftlichen E-Mail-Nutzer gelten die allgemeinen Regeln der Zugangsvereitelung. Bei absichtlicher Vereitelung des Zugangs gilt die Erklärung als wirksam zugegangen; bei sonstigem objektiv pflichtwidrigem Verhalten des Empfängers ist es diesem nach § 242 BGB verwehrt, sich auf die Verspätung zu berufen. (6) Bei Kenntnis des Erklärenden von Zugangshindernissen in der Sphäre des Empfängers fehlt es an einer wirksamen Abgabe der Erklärung. Musste der Erklärende mit Verzögerungen rechnen, so darf dies dem privaten E-MailNutzer nicht zugerechnet werden. (7) Das Risiko, dass eine E-Mail verloren geht, verzögert oder inhaltlich verändert wird, trägt stets der Versender. Nur beim geschäftlichen E-Mail-Nutzer geht dieses Risiko grundsätzlich mit Eintreffen der Nachricht in der Mailbox des Empfängers auf diesen über. 155 VI. Widerruf 1. Widerruf nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB a) Rechtliche Einordnung aa) Will der Erklärende einen ungewollten Vertragsschluss nach Abgabe der entsprechenden Willenserklärung noch verhindern, bleibt ihm nur die Möglichkeit, diese zu widerrufen. Da die Willenserklärung bis zum Zugang noch in der Risikosphäre des Erklärenden verbleibt, steht ihm so lange die Möglichkeit des Widerrufs zu. Nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB wird eine Erklärung trotz rechtzeitigem Zugang nicht wirksam, wenn dem Empfänger gleichzeitig oder vorher ein Widerruf zugeht. Dieses Widerrufsrecht wird durch die Eigenarten der elektronischen Kommunikation praktisch ausgeschlossen. Nach der hier vertretenen Ansicht treten Zugang und Bindungswirkung einheitlich schon vor der Kenntnisnahme in dem Zeitpunkt ein, in dem der Empfänger die Möglichkeit besitzt, die Erklärung zu speichern, regelmässig also wenn diese die Schnittstelle vom Übertragungswege zum Empfänger passiert. Zwar kann der Empfänger vor Kenntniserlangung von der Erklärung diesbezüglich noch keine schutzwürdigen Dispositionen getroffen haben, dennoch ist die Unwiderruflichkeit der Erklärung angesichts des Risikoübergangs auf ihm gerechtfertigt.336 Wegen der hohen Übertragungsgeschwindigkeiten und der sofortigen Bearbeitung eingehender Bestellungen findet der Zugang nahezu zeitgleich mit der Abgabe statt. Obwohl eine Willenserklärung unter Abwesenden stattfindet, verbleiben dem Erklärenden deshalb praktisch keine Möglichkeiten des Widerrufs. Der frühe Eintritt der Bindung bei der Nutzung moderner Telekommunikationsmittel lässt das Widerrufsrecht de facto leer laufen.337 Es versteht sich von selbst, dass „im Dialogverkehr angesichts der Simultanität von Abgabe und Zugang die Widerrufsmöglichkeit a limine ganz entfällt“.338 bb) Anders ist die Lage aber bei der Ablage der Erklärung in einer Mailbox zu beurteilen. Da hier der Zugang erst zu dem Zeitpunkt, zu dem gewöhnlicher Weise mit einer Kenntnisnahme durch den Empfänger gerechnet werden kann, eintritt, ist ein Widerruf der Erklärung bis zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich noch möglich. Dies soll hier am Beispiel einer Bestellung per E-Mail in zwei unterschiedlichen Varianten verdeutlicht werden. Geht die Bestellung ausserhalb der üblichen Geschäftszeiten in die Mailbox des geschäftlichen E-Mail-Nutzers ein, so ist der Zugang erst am nächsten Morgen mit Beginn der üblichen Geschäftszeit erfolgt. Bereut der Kunde nun seine Entscheidung und widerruft unmittelbar im Anschluss seine Bestellung, erfolgt der Zugang des Widerrufs ebenfalls am nächsten Morgen. 336 337 338 Kuhn, § 8 II, S. 107. Kuhn, § 8 II, S. 107. Paefgen, JuS 1988, S. 594. 156 Der Widerruf gelangt zwar erst nach der Bestellung in die Mailbox, doch sind Bestellung und Widerruf gleichzeitig zugegangen, nämlich mit den üblichen Geschäftszeiten am nächsten Tag. Es kommt dabei nur auf das zeitliche Verhältnis des Zugangs beider Erklärungen, nicht aber auf deren Reihenfolge an.339 Da der gleichzeitige Widerruf ausreicht, fehlt es an einem Antrag auf Abschluss eines Vertrags, den der Anbieter annehmen kann. Unerheblich für die Frage der Wirksamkeit des Widerrufs ist, wann der Empfänger tatsächlich von dem Widerruf und der widerrufenen Erklärung Kenntnis erlangt. Für die Rechtzeitigkeit des Zugangs kommt es nach dem klaren Wortlaut des § 130 Abs. 1 S. 2 BGB nur auf den Zugang und nicht auf die Kenntnisnahme des Empfängers an, denn schon der Widerruf (und nicht erst die Kenntnis von ihm) ändert die Rechtsposition des Empfängers.340 Das bedeutet, wird vor oder gleichzeitig mit dem nach der Verkehrsauffassung zu bestimmenden Zeitpunkt der gewöhnlichen Kenntnisnahme ein Widerruf in der Mailbox abgelegt, wird die betreffende Erklärung nicht wirksam. (i) Wird die Bestellung im geschäftlichen E-Mail-Verkehr dagegen während der üblichen Geschäftszeiten per E-Mail versandt und anschliessend sofort eine Widerrufserklärung hinterhergeschickt, so geht der Widerrufs ins Leere, da die Bestellung bereits zugegangen ist, wenn der Widerruf in der Mailbox des Anbieters eintrifft. Der unmittelbar im Anschluss erklärte Widerruf trifft deshalb niemals gleichzeitig mit der Erklärung, sondern immer nach dieser in der Mailbox ein. Auch wenn der Anbieter in diesem Fall zuerst den Widerruf zur Kenntnis nehmen sollte, bliebe der Kunde an seine Bestellung gebunden. Der verspätet zugegangene Widerruf bleibt auch dann wirkungslos, wenn der Empfänger von ihm gleichzeitig mit oder sogar vor der Erklärung Kenntnis erhält.341 Nach dem Wortlaut des Gesetzes, das nur auf den Zeitpunkt abstellt, bestehen keine Zweifel. Hiergegen könnte vorgebracht werden, dass ein Vertrauen des Empfängers auf die Gültigkeit der ersten Erklärung nicht begründet war und er deshalb gegen „Treu und Glaube“ verstosse, wenn er den Widerruf unbeachtet lasse.342 Gegen eine solche Betrachtung spricht, dass das Gesetz das Risiko, dass sein Widerruf dem Empfänger später als die Erklärung erreicht, dem Absender zugewiesen hat. Der Empfänger kann allerdings den verspäteten Widerruf dennoch gelten lassen, da dies dem Absender nicht zum Nachteil gereicht, sondern vielmehr dessen Willen entsprechen wird.343 § 130 Abs. 1 339 340 341 342 343 Larenz AT, § 26 Rn 44; dies scheint Kuhn, a.a.O (Fn 337), zu verkennen: Ob ein Widerruf bei der vollautomatisierten Bearbeitung der Erklärung, die nach dem Prinzip der Stapelverarbeitung erfolgt, aufgrund der sequentiellen Bearbeitungsreihenfolge notgedrungen erst nach der Bearbeitung Beachtung finden kann, ist irrerelevant, denn das zeitliche Verhältnis von Widerruf und Erklärung bleibt durch die Reihenfolge der Bearbeitung unberührt. BGH NJW 1975, S. 384; h.M. vgl. Jauernig; § 130 Rn 16, Medicus AT, Rn 300. RGZ 91, 63; MüKo/Einsele, § 130 Rn 40; Palandt/Heinrichs, § 130 Rn 11; Soergel/Hefermehl, § 130 Rn 29; a.A. Hübner AT, Rn 737, der einen Widerruf bei gleichzeitiger Kenntnisnahme nach § 242 BGB für wirksam hält. So ähnlich Erman/Palm, § 130 Rn 15, da der Empfänger in seinem Vertrauen auf die Erklärung nicht schutzwürdig sei; Hübner AT, Rn 737. Larenz AT, § 26 Rn 45. 157 S. 2 BGB ist dispositives Recht. Zum Ausschluss genügt ein einseitiger Verzicht des Erklärenden344. Ein Ausschluss durch AGB ist unzulässig.345 (ii) Bei rein privaten E-Mail-Nutzern ist ein Widerruf der Erklärung noch länger möglich. Hier geht die Erklärung nicht schon mit der Ablage in die Mailbox, sondern regelmässig erst dann zu, wenn der Empfänger die Erklärung abruft, genauer gesagt, mit der tatsächlichen Kenntnisnahme des Adressaten. Bis zu diesem Zeitpunkt ist ein Widerruf der Erklärung möglich. cc) Eine Ausnahme bildet insoweit der Versand von E-Mails mittels elektronischer Kurierdienste.346 Die E-Mail wird hier nicht unmittelbar vom Absender zum Empfänger, sondern mittels sog. „E-Kurier“-Dienste übermittelt, die die Zustellung stellvertretend übernehmen. Das Prinzip der Zustellung ist dem der postalischen Kurierdienste vergleichbar: Der Absender gibt seine E-Mail bei einem dieser Dienste ab, der Empfänger erhält eine Abholmitteilung in seinem elektronischen Postfach. Zweck ist es, ein stärkeres Mass an Sicherheit über den Zugang der Nachricht zu erhalten. Holt der Empfänger die Nachricht ab, ist diese nachweisbar zugestellt. Der Absender kann bei dieser Zustellungsart nicht nur die Zustellung seiner E-Mail nachverfolgen, sondern auch, und darin unterscheidet sich die Zustellung per EKurier von der gewöhnlichen Übermittlung, jederzeit vor dem Abruf wieder zurückrufen. Damit ist anders als bei der herkömmlichen E-Mail Erklärungen, bis zum Zeitpunkt des Abrufs, der i. d. R. der Kenntnisnahme gleichzusetzen ist, ein Wideruf möglich. Der geschäftliche E-Mail Nutzer verfügt somit über die Möglichkeit seine Erklärung auch während der üblichen Geschäftszeiten widerufen zu können und zwar so lange bis der Empfänger die Erklärung abruft. Dies entspricht der Rechtslage bei rein privaten E-Mail-Nutzern (s.o.). 344 345 346 Kümpel, WM 1993, S. 825; a.A. Celle, WM 1993, S. 592. OLG Frankfurt, DB 1981, S. 884 Vgl. z.B. die elektronischen Kurierdienste von TNT <http://www.tnt.com/qlaunch/ index_securEdoc.html>; von UPS <http://exchange.ups.com/docs/ courier.html> oder UPAQ in der Schweiz <http://www.upaq.ch/de/our_solutions/solutions_legal_de.html> (alle Stand: 22.02.2002). 158 b) Rechtsvergleichende Betrachtung: Die Situation in der Schweiz Anders ist die rechtliche Situation in der Schweiz zu beurteilen. Das Widerrufsrecht ist dort in Art. 9 Obligationenrecht (OR)347 geregelt: Artikel 9 6. Widerruf des Antrags und der Annahme (1) (2) Trifft der Widerruf bei dem anderen Teile vor oder mit dem Antrage ein, oder wird er bei späterem Eintreffen dem anderen zur Kenntnis gebracht, bevor dieser vom Antrag Kenntnis genommen hat, so ist der Antrag als nicht geschehen zu betrachten. Dasselbe gilt für den Widerruf der Annahme. Danach findet auf den Widerruf des Antrags Art. 9 Abs. 1 OR Anwendung, für den Widerruf der Annahmeerklärung gilt nach Abs. 2 die gleiche Regelung. Art. 9 OR nennt zwei unterschiedliche Widerrufstatbestände. Nach Art. 9 Abs. 1 1. Hs. OR kann der Erklärende den Antrag widerrufen, wenn der Widerruf gleichzeitig oder vor dem Antrag beim Erklärungsempfänger eintrifft. Eintreffen meint dabei Zugang. Das entspricht der Regelung in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Ausführungen gelten daher entsprechend. Nach Art. 9 Abs. 1 2. Hs OR ist der Widerruf aber auch rechtzeitig, wenn und soweit der andere hiervon vorher oder gleichzeitig mit der Erklärung Kenntnis nimmt. Das überrascht: Denn auch, wenn der Widerruf nach Art. 9 Abs. 1 1. Hs OR dem Erklärungsgegner nicht rechzeitig zugeht, kommt es nach der Vernehmungstheorie darauf an, wann dieser den Widerruf zur Kenntnis nimmt. Nimmt der Erklärungsempfänger den Widerruf vor oder gleichzeitig mit dem Antrag bzw. Annahmeerklärung zur Kenntnis, so gilt der Widerruf. aa) Überträgt man die Regelung auf die unterschiedlichen Fallgruppen der hier behandelten Willenserklärungen, so gilt folgendes: Bei automatisierten Willenserklärungen bzw. Computererklärungen ergibt sich kein Unterschied zur deutschen Rechtslage. Aufgrund der hohen Übertragungsgeschwindigkeit ist ein Überholen des Antrags bzw. der Annahmeerklärung nicht möglich. Ein Widerruf nach Art. 9 Abs. 2. Hs OR scheidet bei der automatisierten Bearbeitung der Erklärung ebenfalls aus. Dem Wesen der Computererklärung entspricht es ja gerade, dass die von der Datenverarbeitungsanlage empfangene Erklärung ohne konkrete Kenntnisnahme bzw. Möglichkeit der Kenntnisnahme des Erklärungsempfängers, inhaltlich ausgewertet und weiterverarbeitet wird. In diesen Fällen besitzt der Empfänger in den meisten Fällen nicht einmal die abstrakte Möglichkeit der Kenntnisnahme oder wird davon jedenfalls regelmässig keinen Gebrauch machen.348 347 348 Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911, SR (Systematische Rechtssammlung) 220. Kuhn, § 8 II, S. 102. 159 Dies wirft die Frage auf, ob die Überlegungen für die Präzisierung des Zugangsbegriffs bei der automatisierten Erklärung349 entsprechend auf den Kenntnisnahme i.S.v. Art. 9 Abs. 1 2. Hs. OR zu übertragen sind. Ist die Kenntnisnahme vor der Verarbeitung der Erklärung technisch nicht vorgesehen, tritt m.E. an die Stelle der Kenntnisnahme die Möglichkeit der Verarbeitung durch die Datenverarbeitungsanlage350. Da die Erklärungen bei der automatisierten Auftragsbearbeitung in der Reihenfolge ihres Eingangs sequentiell verarbeitet werden, ist ein Widerruf de facto ausgeschlossen. bb) Nach Art. 9 Abs. 1 1. Hs OR kommt es auf den rechtzeitigen Zugang des Widerrufs an. Die Ausführungen über den Zugang im Rahmen der MailboxKommunikation bei privaten und geschäftlichen Nutzern gelten daher entsprechend. Anders als nach deutschem Recht ist allerdings nach der Vernehmungstheorie des Art. 9 Abs. 1 2. Hs. OR bei geschäftlichen E-Mail-Nutzern auch noch nach dem Zeitpunkt der gewöhnlichen Kenntnisnahme ein Widerruf möglich, sofern der Empfänger den Widerruf vor oder gleichzeitig mit dem Antrag zur Kenntnis nimmt. Der Unterschied zum deutschen Recht soll an zwei unterschiedlichen Fallgruppen verdeutlicht werden: (1) Die Bestellung geht während der üblichen Geschäftszeiten ein, der Widerruf erfolgt nach Geschäftsschluss. Der Empfänger ruft seine Mailbox erst am folgenden Werktag ab und nimmt deshalb den Widerruf und den Antrag oder die Annahmeerklärung gleichzeitig zur Kenntnis. Nach § 130 Abs. 1 S. BGB ist ein rechtzeitiger Widerruf nicht mehr möglich, während Art. 9 Abs. 1 2. Hs. OR auf die gleichzeitige Kenntnisnahme von Widerruf und Antrag abstellt. (2) Der geschäftliche E-Mail-Nutzer muss mit dem Eingang von Nachrichten während der gesamten Geschäftszeit rechnen351. E-Mails gehen daher grundsätzlich mit Ankunft in der Mailbox (Möglichkeit der Speicherung) des Anschlussinhabers zu. Auf die Kenntnisnahme kommt es, wie aufgezeigt, gerade nicht an. Eine überholender oder gleichzeitiger Widerruf ist bei einer Bestellung per E-Mail während der Geschäftszeit daher nicht möglich. Anders dagegen Art. 9 Abs. 1 2. Hs. OR, der alternativ auf die Kenntnisnahme des Widerrufs durch den Erklärungsempfänger abstellt. Widerruft der Erklärende umgehend seinen Antrag oder seine Annahmeerklärung, und findet der Empfänger bei Abruf der Nachrichten352 beide Willenserklärungen in seiner 349 350 351 352 Vgl. oben Zweites Kapitel, V 3 lit. d). Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1, Rn 82. Vgl. oben Zweites Kapitel, V 3 lit. c). Dabei stehen dem Empfänger zwei rechtlich gleichwertige Verfahren zur Verfügung: a) die EMail wird vom Mail-Server zum Empfänger-PC mittels POP (Post Office Protocol) kopiert oder b) die E-Mail bleibt auf dem Mail-Server liegen und wird über das Netz gelesen und bearbeitet, dabei wird das neuere IMAP (Internet Message Access Protocol) oder eine Benutzeroberfläche des Dienstanbieters (Web-Frontend) verwendet. In beiden Fällen nimmt der Empfänger den 160 Mailbox, so erfolgt der Widerruf nach Schweizerischem Recht rechtzeitig, wenn der Widerruf vor dem Antrag zur Kenntnis genommen wird. Nimmt der Empfänger den Widerruf gleichzeitig mit Antrag zur Kenntnis, so gilt gleichfalls der Widerruf. Das ist regelmässig der Fall, wenn die E-Mail eine entsprechende Betreffzeile („Subject“) enthält, die einen Rückschluss auf den Inhalt – den Widerruf der Bestellung – erlaubt. c) Das Widerrufsrecht nach UN-Kaufrecht Inhaltlich entspricht das Widerrufsrecht nach UN-Kaufrecht der Regelung des BGB. Art. 15 (2) CISG befasst sich mit der Rücknahme von Angeboten, Art. 22 CISG regelt als Parallelvorschrift die Rücknahme der Annahmeerklärung. Angebot und Annahme können unter den gleichen Voraussetzungen zurückgenommen werden. Damit entspricht Art. 22 CISG ebenso wie Art. 15 (2) CISG der Vorschrift des § 130 Abs. 1 S. 2 BGB, die anders als die beiden Normen des CISG insgesamt, auf alle Willenserklärungen anwendbar ist. Es besteht allerdings insoweit ein terminologischer Unterschied, als im CISG von der „Rücknahme“ und im BGB vom „Widerruf“ die Rede ist. Dieser liegt darin begründet, dass das CISG den Begriff „Widerruf“ für den Fall der nachträglichen Beseitigung eines bereits wirksam gewordenen Angebots verwendet (vgl. Art. 16 CISG). 2. Widerruf und Verbraucherprivatrecht a) Hintergrund aa) Dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen korrespondiert nach dem Vertrauensgrundsatz die Verantwortung für den Bedeutungsinhalt der Erklärung. Die mit dem Vertrag typischerweise verbundene Richtigkeitsgewähr ist gefährdet, wenn zwischen den Parteien eine strukturell ungleiche Verhandlungsstärke besteht. Apriorische Funktionsbedingung der Verantwortung für die eigene Vertragserklärung ist nämlich die Freiheit der Willensbildung. Diese besteht in bestimmten, von den Sondergesetzen geregelten Sachlagen indes nicht, sondern wird durch sonderprivatrechtliche Vertragsregelungen überhaupt erst hergestellt. Sie kompensieren die vom Gesetzgeber erkannte „Störung der Vertragsparität“353. Diese hat im wesentlichen vier unterschiedliche Ursachen, die einzeln oder kumulativ bei Verträgen zwischen Verbrauchern und kommerziellen Anbietern zum Tragen kommen: 353 Widerruf und den Antrag bzw. die Annahmeerklärung gleichzeitig i.S.v. Art. 9 Abs. 1 2.Hs. OR zur Kenntnis. Vgl. zum „Lebenszyklus einer Willenserklärung“ oben § 2 III 3, S. 84. Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 165; ders., JuS 1990, S. 953, 956; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, S. 399 ff. 161 Das „strukturelle Ungleichgewicht“ in Bezug auf die Stärke der Verhandlungspositionen von Verbraucher und Anbieter, unabhängig von der Frage, ob sich dies im Einzelfall auswirkt. Die „fehlende Waffengleichheit“ in Bezug auf die dem Verbraucher zur Verfügung stehenden Informationen, sog. asymmetrische Informationsverteilung. Dieses Problem verliert durch das Medium Internet nur scheinbar an Bedeutung. Zwar kann sich der versierte Verbraucher heute umfassend über ein bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung informieren und mit anderen Angeboten vergleichen. Mit steigendem Verbreitungsgrad des Internet gebrauchen jedoch immer mehr Nutzer elektronische Medien, mit deren Umgang sie wenig vertraut sind. Die steigende Zahl von Online-Auftritten und Informationsquellen im Internet führt darüber hinaus zu grösserer Unübersichtlichkeit (Stichwort: „Uninformation durch Überinformation“). Auf der anderen Seite benötigt der Verbraucher, der seinen potentiellen Vertragspartner meist nicht kennt, eine Vielzahl zusätzlicher, spezifischer Informationen wie beispielsweise die Identität des Anbieters, über das umworbene Produkt, die Art und Weise des Vertragsschlusses und dessen Abwicklung. Standardisierte Verträge sind aus der Sicht des Verbrauchers ein allgemeines, nicht internet-spezifisches Problem. Verträge werden nicht mehr individuell zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt, sondern der Vertragsinhalt wird einseitig von der stärkeren Partei (i.d.R. dem Anbieter) festgelegt.354 Den „Bonus der Rechtsunsicherheit“ hinsichtlich der auf den elektronischen Vertragsabschluss anzuwenden Regelungen kommt der wirtschaftlich stärkeren und in der Regel besser informierten Vertragspartei zu Gute. bb) Die Kommerzialisierung des Zivilrechts führt daher verstärkt zu Legitimationsproblemen, in denen die Wahl- und Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers nicht mehr gewährleistet ist. Angesichts der oben geschilderten Störung der Vertragsparität reicht es heute nicht mehr aus, nur die formale Vertragsfreiheit der Parteien durch Gesetzgebung und Rechtsprechung sicherzustellen, notwendig ist vielmehr der aktive Ausgleich des strukturell bedingten Defizits durch die Schaffung materieller Verbraucherstandards, die ein ausreichendes Mass an Vertragsgerechtigkeit sicherstellen. Zu diesem Zweck bedient sich der europäische Gesetzgeber traditionell eines Instrumentariums, das im Bereich des elektronischen Vertragsabschlusses eine besondere Rolle spielt. Der Herstellung der materiellen Vertragsgerechtigkeit dienen insbesondere allgemeine und besondere Informationspflichten des Anbieters, die Einführung besonderer Sanktionsmechanismen zur Absicherung der Informations- und Aufklärungspflichten, die Schaffung eines allgemeinen Verbraucherwiderrufsrechts unabhängig von der 354 Vgl. zur Einbeziehung von AGB im Internet und der Nutzung moderner Kommunikationsmittel unten § 5, S. 326 ff. 162 Schutzbedürftigkeit im Einzelfall, Beweislastregelungen und die Schaffung besonderer Verbrauchergerichtsstände.355 Wie noch zu zeigen sein wird, bestehen im Bereich des elektronischen Vertragsabschlusses zahlreiche gemeinschaftsrechtliche Vorschriften, die die bestehende Technik des Vertragsabschlusses zu Gunsten des Verbrauchers modifizieren.356 Eine solche Situation, in der eine Störung der Vertragsparität gesehen wird, ist der Vertragsabschluss im Fernabsatz, der in wesentlichen Punkten durch die Richtlinie über den Verbraucherschutz beim Fernabsatz (Fernabsatz-Richtlinie) geregelt wird (siehe sogleich die Ausführungen unter Ziff. 3). b) Das deutsche Sonderprivatrecht aa) Das deutsche Sonderprivatrecht für Verbraucher beruht auf der europäischen Konzeption des Verbraucherschutzes. Völlig losgelöst von der individuellen Schutzbedürftigkeit des Kontrahenten im Einzelfall, wird die Störung der Vertragsparität im Zusammentreffen des zu privaten Zwecken handelnden Kontrahenten mit dem professionellen Anbieter gesehen. Deshalb wird die Bindung an bestimmte Geschäfte gelockert, in denen eine Übervorteilung des Verbrauchers infolge eines strukturellen Ungleichgewichts und Informationsvorsprung des Anbieters von Gesetz wegen vermutet wird. Die allgemeine Regel, wonach Willenserklärungen mit ihrem Zugang unwiderruflich wirksam werden, gilt in Bezug auf bestimmte Vertragskontrahenten nicht uneingeschränkt. Nach dem Grundsatz „pacta sunt servanda“ korrespondiert das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen mit der Bindung an die eigene Willenserklärung und ist somit Ausdruck der Verantwortung für privatautonomes Handeln. Verträge müssen (dem Grunde nach) eingehalten werden. Ist der Vertragskontrahent aber eine natürliche Person, die zu privaten Zwecken handelt, ist die Bindung dieser natürlichen Person an ihre eigene Willenserklärung relativiert.357 Sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, hat der schutzwürdige Verbraucher nach dem Haustürwiderrufsgesetz (HWiG)358, dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG)359, dem Verbraucherkreditgesetz (VerbrKrG)360 oder Teilzeit-Wohnrechtgesetz (TzWrG)361 die Möglichkeit, 355 356 357 358 359 360 Vgl. die jüngste Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelsachen, VO Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000, ABl. 2001 Nr. L 12 vom 16.01.2001, S. 1. Die VO ersetzt im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten nach Art. 68 VO das bisherige Brüssler Übereinkommen (ABl. Nr. L 299 vom 31.12.1972, S. 32 in der konsolidierten Fassung in ABl. Nr. C 27 vom 26.01.1998, S. 1). Die Verordnung tritt bereits am 1. März 2002 in Kraft. Umstritten ist insbesondere Art. 15 VO über die Zuständigkeit bei Verbrauchersachen. Vgl. zu Art. 15 VO unten § 5 III 3 lit. a) bb), S. 369. Kritische Stimmen sprechen auch von „Verbraucherschutz als staatliche Anmassung“. Bülow/Artz, NJW 2000, S. 2049. Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften vom 16. Januar 1986, BGBl. I, 122. Gesetz über den Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht, BGBl. 1976 I, 2525. Verbraucherkreditgesetz vom 17. Dezember 1990, BGBl. I, 2840. 163 seine Willenserklärung auch nach deren Zugang beim Empfänger innerhalb einer bestimmten Frist zu widerrufen. Die Gesetze heben den Grundsatz der Verbindlichkeit der Verträge für die Dauer der – inzwischen vereinheitlichten – Widerrufsfrist auf. Bei rechtzeitigem Widerruf kommt kein Vertrag zustande. Läuft die Frist dagegen ohne Widerruf ab, so ist der Vertrag perfekt. Der Widerruf ist hier Mittel zur Beendigung fertig abgeschlossener Verträge und hat mit dem Widerruf nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB nichts gemein. Die Summe dieser und anderer Regelungen, wie insbesondere Informationspflichten, macht ein Sonderrechtsgebiet aus, dem das allgemeine Recht des BGB weicht. bb) Die Einfachheit des Bestellvorgangs über das Internet und die Möglichkeit der sofortigen Bestellung birgt die Gefahr unüberlegter Bestellungen mit erheblichen finanziellen Risiken für den Verbraucher. Der Verbraucher hat – anders als im Kaufhaus – nicht die Möglichkeit, die Ware zu besichtigen und gegebenenfalls zu erproben, er kann auch nicht gezielt Fragen zum Produkt stellen. Dies kann zu Enttäuschungen führen, wenn der Käufer feststellen muss, dass das Produkt nicht seinen Erwartungen entspricht. Der Verbraucher hat es vielfach mit einem Vertragspartner zu tun, den er nicht kennt und über den er nur spärliche Informationen besitzt. Die Gefahr unseriösen Anbieter aufzusitzen, ist im Fernabsatz in besonders hohem Masse gegeben.362 Folgerichtig hat sich Micklitz363 unter Berufung auf die „Gefahren der Verführung durch die Technik“ bereits 1982 dafür eingesetzt, Btx-Geschäfte in den Numerus clausus des § 1 HWiG einzugliedern, der ein befristetes Widerrufsrecht einräumt. Der bemerkenswerte Vorschlag eines „Btxspezifischen“ Vertragslösungsinstruments fand auch in einem Entwurf eines Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften364 seine positive Erwähnung, wurde jedoch in den Regelungsbereich des Gesetzentwurfs selbst nicht aufgenommen. Die Verfasser des Entwurfs verzichteten auf die an sich wünschenswerte Eingliederung von Btx-Geschäften wegen der „nicht überschaubaren technischen Entwicklung des Vertriebs über Bildschirmtext“365. Die Bundesregierung lehnte eine derartige Regelung aus systematischen Gründen (bei Btx-Geschäften gehe der Anstoss, anders als bei Haustürgeschäften, prinzipiell vom abschlussbereiten Btx-Geräteinhaber aus) und aus rechtspolitischen Gründen (man wollte sich nicht vorschnell als „altruistischer Sachwalter der Verbraucherinteressen andienen und ohne sorgfältige Interessenabwägung in die traditionellen Mechanismen zur Erzeugung von Vertragsgerechtigkeit eingreifen“) ab. Entsprechend skeptisch verfolgte man in Bonn die ersten Initiativen der europäischen Kommission mit dem Ziel, den Verbraucherschutz im Bereich des Fernabsatzes einheitlich zu regeln. 361 362 363 364 365 Gesetz über die Veräusserung von Teilzeitnutzungsrechten an Wohngebäuden (TeilzeitWohnrechtegesetz - TzWrG) vom 20. Dezember 1996, BGBl. I, 2154. Köhler, NJW 1998, S. 186. NJW 1982, S. 263, 268. BT-Drucksache 10/584. BT-Drucksache 10/584, S. 5, Begründung Ziff. 10. 164 3. Die Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz Moderne Telekommunikationsmittel erleichtern in geradezu idealer Weise den Transport von Daten und Erklärungen über weite Strecken. Angesichts des grenzüberschreitenden, besser gesagt „grenzenignorierenden“, Charakters von Online-Diensten und des im elektronischen Geschäftsverkehrs zu erwartenden Aufschwungs wird der elektronische Vertragsabschluss stark zunehmen. Fernabsatz ist in der Praxis gekennzeichnet durch die Abwicklung des Geschäfts in mindestens drei Etappen, die von der Anbahnung über den Vertragsabschluss bis zur Erfüllung des Vertrags ein Kontinuum bilden: (1) Der Verbraucher erhält ein – in der Regel zunächst unverbindliches (invitatio ad offerendum) – Angebot über eine Ware oder Dienstleistung. Die Präsentation erfolgt in schriftlicher Form und/oder in Bildform, (2) auf der Grundlage dieser Angaben erteilt der Verbraucher seine Bestellung, (3) woraufhin er zu einem späteren Zeitpunkt die Ware bzw. Dienstleistung erhält. Schritt 1 erfolgt zunehmend mit Hilfe der Fernkommunikationstechnik, der Verbraucher greift seinerseits oft ebenfalls auf Fernkommunikationsmittel zurück, um mit dem Anbieter in Kontakt zu treten und seine Bestellung zu erteilen (Schritt 2). Da beide Seiten moderne Kommunikationsmittel nutzen und virtuelle Güter und bestimmte Dienstleistungen darüber hinaus ausschliesslich über das Netz unter Einsatz eben genannter Fernkommunikationsmittel geliefert werden (Schritt 3), ist eine gleichzeitige physische Präsenz von Käufer und Verkäufer bzw. Dienstleistungsanbieter nicht mehr gegeben. Zum Schutze der Verbraucher gegen die mit solchen Konstellation verbundenen Risiken und der relativen Unsicherheiten, die dies in juristischer Hinsicht mit sich bringt, hat der europäische Gesetzgeber entsprechende Vorschriften erlassen, die eine einheitliche Rechtsentwicklung in der Europäischen Union gewährleisten sollen.366 Das Ergebnis dieser Bemühungen ist die Fernabsatzrichtlinie. Hierdurch wird die bisher bestehende Lücke im Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz geschlossen. a) Hintergrund Die Fernabsatzrichtlinie (im folgenden: FARL) geht auf lange Diskussionen und ein von ständigen Änderungen geprägtes Erlassverfahren zurück. Nach langjährigen Vorarbeiten legte die Europäische Kommission 1992 einen ersten Vorschlag für eine Richtlinie über den Verbraucherschutz im Fernabsatz vor.367 Mit Blick auf die 366 367 Vgl. Amtliche Begründung des Fernabsatzgesetzes, BT-Drucksache 14/2658, S. 15. Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates und des Europäischen Parlaments über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, KOM (92) 11 endg. vom 20. 05. 1992, ABl. C 156 vom 23. 06. 1992, S. 14. 165 Entwicklung neuer Technologien, die im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr Einsatz finden, sollte durch den Erlass der Richtlinie parallel zur Verwirklichung des freien Warenverkehrs und der Freiheit der Dienstleistungen im Binnenmarkt die Rechtsstellung des Verbrauchers in diesem Bereich nachhaltig gestärkt werden.368 Dieser Entwurf begegnete starken Bedenken, die Industrie warf ihm Praxisferne vor, und die deutsche Bundesregierung argumentierte, die Fernabsatzrichtlinie sei zur Erreichung der von der Kommission verfolgten Ziele nicht notwendig und verletze daher das Prinzip der Subsidiarität nach Art. 5 EGV (ex. Art. 3b). Daraufhin präsentierte die Kommission 1993 einen modifizierten Entwurf, der den zahlreichen Bedenken Rechnung tragen sollte.369 Nach der ersten Lesung im Parlament dauerte es bis zum Jahr 1995, ehe sich der Ministerrat auf einen gemeinsamen Standpunkt einigen konnte, der der Fernabsatzrichtlinie in ihrer endgültigen Fassung sehr nahe kam.370 Das Europäische Parlament371 forderte in der zweiten Lesung weitere 33 Änderungen, von denen die Kommission schliesslich 21 übernahm. Zu diesen Abänderungen nahm die Europäische Kommission gemäss ex. Art. 189b Abs. 2 EGV wiederum Stellung und äusserte letzte Änderungswünsche, bevor der vom Vermittlungsausschuss erarbeitete Kompromiss vom Rat und vom Parlament gebilligt wurde. Die Richtlinie ist am 4. Juni 1997 im Amtsblatt veröffentlich worden und am selben Tag in Kraft getreten.372 Sie verpflichtet alle Mitgliedsstaaten zur Umsetzung in nationales Recht bis zum 4.06.2000. b) Anwendungsbereich aa) Vertragsabschluss im Fernabsatz α) Die Richtlinie will den grenzüberschreitenden Fernabsatz „besonders“ fördern373. Dieses Ziel schlägt sich aber nicht in einer Begrenzung des Anwendungsbereichs nieder. Die Richtlinie ist unabhängig davon anwendbar, ob es sich um einen grenzüberschreitenden Vertragsabschluss handelt oder um einen Vertragsabschluss 368 369 370 371 372 373 KOM (92) 11 endg., a.a.O. (Fn 367), S. 10. Geänderter Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates und des Europäischen Parlaments über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, KOM (93) 396 endg., ABl. C 308 vom 15.11.1993, S. 18. Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 19/95 vom Rat festgelegt am 29. Juni 1995 im Hinblick auf den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie 95/.../EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom (...) über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. C 288 vom 30.10.1995, S. 1. Beschluss des Europäischen Parlaments betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europaeischen Parlaments und des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz Dok. C4-0369/95, ABl. C 17 vom 22. 01.1996, S. 51. Richtlinie 97/7/EG des Rates und des europäischen Parlaments vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz; ABl. L 144 vom 4. 6. 1997, S. 19. Richtlinie 97/7/EG, a.a.O., 3. Erwägungsgrund. 166 innerhalb des Territorialgebietes eines Mitgliedstaates.374 Unter einem Vertragsabschluss im Fernabsatz ist nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie jeder „zwischen einem Lieferer und einem Verbraucher geschlossene, eine Ware oder eine Dienstleistung betreffende Vertrag, der im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems des Lieferers geschlossen wird“, zu verstehen, „sofern dieser für den Vertrag bis zu dessen Abschluss einschliesslich des Vertragsabschlusses selbst ausschliesslich eine oder mehrere Fernkommunikationstechniken verwendet“. Damit steht fest, dass die Richtlinie die Vertragsschlussregelungen der Mitgliedstaaten unangetastet lässt. Das Zusammenspiel von Angebot und Annahme, die unterschiedliche Bewertung der invitatio ad offerendum und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, die hier noch zu besprechen sein werden375, bleiben durch die Richtlinie unberührt. Es handelt sich lediglich um die Regelung des Kommunikationsmediums, dessen sich die Parteien bedienen, um bei gleichzeitiger Abwesenheit den Abschluss eines Vertrages mit Hilfe der Fernkommunikationstechniken (siehe sogleich unter lit. γ) zu ermöglichen.376. β) Ursprünglich hatte die Kommission eine andere Konzeption verfolgt. Art. 2 des Vorschlags vom Mai 1992 wollte „jenseits von Angebot und Annahme eine genuin europäische Rechtskategorie einführen: die Aufforderung zum Vertragsschluss“.377 Darunter war nach Art. 2 6. Gedankenstrich „jede Mitteilung zu verstehen, die alle erforderlichen Elemente beinhaltet, damit der Empfänger eine vertragliche Bindung unmittelbar eingehen kann“. Aus deutscher Sicht betrachtet war Art. 2 des Richtlinienentwurfs daher so zu verstehen, dass das Angebot zum Vertragsschluss vom Gewerbetreiben auszugehen hat, der dieses Angebot so auszugestalten hat, dass der Verbraucher über die eingesetzten Fernkommunikationstechniken, die ihm unterbreitete „Aufforderung zum Vertragsschluss“ nur noch anzunehmen hat.378 Weder der Wirtschafts- und Sozialausschuss379 noch das Europäische Parlament380 haben diese Konstruktion in erster Lesung beanstandet. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss wies im Gegenteil in seiner Stellungnahme ausdrücklich daraufhin, dass es sich im Rahmen der Definition nach Art. 2 ausschliesslich um solche Verträge handle, die aus einer Aufforderung hervorgingen, und nicht um diejenigen, die durch eine Nachfrage seitens des privaten Nutzers entstünden, wie dies vor allem im Einzelhandel üblich sei.381 Konsequent hielt die Kommission deshalb am Modell 374 375 376 377 378 379 380 381 Reich, EuZW 1997, S. 581; Micklitz in: Grabitz/Hilf, Sekundärecht, Kap. A 3 Rn 1. Vgl. unten § 3; S. 215 ff. Micklitz in: Grabitz/Hilf, Sekundärecht, Kap. A 3 Rn 3. Micklitz in: Grabitz/Hilf, Sekundärecht, Kap. A 3 Rn 4. Micklitz in: Grabitz/Hilf, Sekundärecht, Kap. A 3 Rn 4. Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 24. November 1992 zum Vorschlag für eine Richtlinie über den Verbraucherschutz bei Vertragsababschlüssen im Fernabsatz, ABl. C 19 vom 25.01.1993, S. 111. Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 26. Mai 1993 betreffend den Vorschlag des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. Nr. C 176 vom 28. Juni 1993; S. 85. Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses, a.a.O. (Fn 379), S. 113 Punkt 4.1. 167 der „Aufforderung zum Vertragsschluss“ in ihrem geänderten Vorschlag vom 7. Oktober 1993 fest.382 Präzisiert wurde lediglich auf Anregung des Europäischen Parlaments, dass Werbematerial, welches nicht alle erforderlichen Elemente beinhaltet, durch die der Verbraucher eine vertragliche Verpflichtung unmittelbar eingehen kann, nicht als Aufforderung zum Vertragsschluss im Sinne der Richtlinie gilt. Diese Konzeption eines europäischen Vertragsschlussmechanismus für Fernabsatzverträge wäre mit dem Modell des Vertragsschlusses nach deutschem Recht nur schwer zu vereinbaren gewesen. Nach § 145 BGB ist der Antragende an sein Angebot gebunden, es sei denn, er hat explizit die Gebundenheit ausgeschlossen. Im letzteren Fall ist strittig, ob die Erklärung nicht als Angebot, sondern als unverbindliche Aufforderung zur Abgabe eines Angebots aufzufassen ist,383 was im Widerspruch zum Modell der Kommission stünde. Ohne den Ausschluss der Gebundenheit sähe sich der Anbieter dagegen einem nur schwer kontrollierbarem Haftungsrisiko ausgesetzt, falls er die vertraglich eingegangenen Verpflichtungen nicht erfüllen kann. Die Regelung konnte sich nicht durchsetzen. Der Rat strich in seinem gemeinsamen Standpunkt384 vom 29. Juni 1995 den Art. 2 und formulierte diesen vollständig neu. Er entspricht wortwörtlich der in Art. 2 Nr. 1 niedergelegten Legaldefinition der Richtlinie in ihrer jetzigen Fassung. Die Regelung des Vertragsschlusses selbst bleibt danach den Mitgliedstaaten überlassen. In Deutschland finden für den (elektronischen) Vertragsabschluss im Fernabsatz die allgemeinen Regeln nach §§ 145 ff. BGB Anwendung. Der Wortlaut der Richtlinie ist insoweit eindeutig.385 Sie begründet jenseits von Angebot und Annahme eine Rechtsbeziehung eigener Art, die ihren Ursprung im Einsatz des Mediums „Fernkommunikationstechnik“ hat. Notwendig, aber auch ausreichend, ist der Abschluss eines Fernabsatzvertrages unter ausschliesslichem Einsatz von Fernkommunikationsmitteln. Damit regelt Art. 2 Nr. 1 Fernabsatzrichtlinie das Kontinuum der Rechtsbeziehung zwischen Verbraucher und Lieferer, das mit der Anbahnung des Vertrages einsetzt und mit dem Abschluss desselben seinen Schlusspunkt findet.386 Das bedeutet, der Anwendungsbereich der Richtlinie ist nur eröffnet, sofern in jede Phase des Vertragsschlusses, einschliesslich des Vertragsabschlusses selbst, Fernkommunikationsmittel eingesetzt werden. Ein Wechsel von einem Fernkommunikationsmittel zu einem anderen ist rechtlich neutral, sofern die Kette dadurch nicht unterbrochen wird. Verbindet der Lieferer Fernkommunikationstechniken mit traditionellen Absatztechniken, findet die Richtlinie deshalb keine Anwendung.387 382 383 384 385 386 387 ABl. C 308 vom 15.11.1993, S. 18 Vgl. hierzu § 3 II 3, S. 228 ff. ABl. C 288 vom 30.10.1995, S. 1. Micklitz in: Grabitz/Hilf, Sekundärecht, Kap. A 3 Rn 5. Micklitz in: Grabitz/Hilf, Sekundärecht, Kap. A 3 Rn 5; Reich, EuZW 1997, S. 582. Micklitz in: Grabitz/Hilf, Sekundärecht, Kap. A 3 Rn 5. 168 γ) Die Fernkommunikationstechniken werden durch Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie legaldefiniert als jedes Kommunikationsmittel, das zum Abschluss eines Vertrages zwischen einem Verbraucher und einem Lieferer ohne gleichzeitige Anwesenheit der Parteien eingesetzt werden kann. Eine beispielhafte Aufzählung der Techniken im Sinne dieser Vorschrift findet sich in Anhang I der Richtlinie. Diese Techniken umfassen sowohl die klassischen Fernabsatzgeschäfte (wie z.B. Katalogbestellungen), als auch einen Grossteil des sogenannten elektronischen Geschäftsverkehrs und gilt für Teleshopping ebenso wie für Videotext mit Tastatur oder Kontaktbildschirm, das Internet und andere Online-Medien, wie die telefonische Kommunikation mit einer Person oder einem Automaten (Voice-Mail-System, Audiotext), die beim Abschluss entsprechender Verträge eingesetzt werden.388 Der Anwendungsbereich der Richtlinie umfasst – kurz gesagt – die durch den Einsatz von Fernkommunikationstechniken vermittelten Vertragsabschlüsse im (systematisch betriebenen) Fernabsatz zwischen einem Lieferer und einem Verbraucher über eine Ware oder eine Dienstleistung.389 Es handelt sich also um die typischen Verträge des E-Commerce zwischen Unternehmen und Verbrauchern. Nicht von der Richtlinie erfasst sind insbesondere Homebanking, Finanzdienstleistungen, Bau- und Immobilienverträge sowie traditionelle Warenautomaten. Weitere Ausnahmen, insbesondere vom Widerrufsrecht, bestehen für bestimmte Lebensmittellieferungen und Reservierungsdienstleistungen sowie für entsiegelte Software, Zeitschriften und Wett- und Lotteriedienstleistungen. bb) Abwesenheit der Vertragsparteien Die Abwesenheit beider Vertragsparteien ist nach Art. 2 Abs. 4 FARL notwendige Bedingung für das Eingreifen der Richtlinie. Ausgangspunkt der Überlegung war die sinnvolle Abgrenzung des Verkaufs im Fernabsatz zu den verschiedenen anderen Absatzformen. Das Konzept zur Begründung der Anwendbarkeit der Richtlinie blieb im Gesetzgebungsverfahren weitgehend unverändert. Bereits Art. 2 des ursprünglichen Vorschlags der Kommission aus dem Jahre 1992 definierte im 1. Gedankenstrich den Anwendungsbereich der Fernabsatzrichtlinie anhand zweier Kriterien: (1) dem Fehlen gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Lieferers oder Dienstleistungserbringers und des Verbrauchers und (2) die Verwendung von Fernkommunikationstechnik für die Übermittlung der Aufforderung zum Vertragsschluss und der Bestellung. Die Kommission hat zu diesem Zweck die 388 389 Die Kommunikationsmittel müssen zum Zwecke der Herbeiführung eines Vertrages eingesetzt sein, d. h. es muss ein Antrag oder eine invitatio ad offerendum übermittelt werden, Reich, a.a.O. (Fn 386), S. 583. Erforderlich ist nach Art. 2 Nr. 4 der RL die räumliche Trennung der Vertragsparteien, genauer der unmittelbar Handelnden (ggf. Vertreter oder Repräsentanten) zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. 169 verschiedenen denkbaren Absatzformen kategorisiert (vgl. Abbildung 20).390 Abbildung 20: tabellarisch zusammengestellt und Kategorisierung der unterschiedlichen Absatzformen Gleichzeitige Präsenz von Keine gleichzeitige Käufer/ Verkäufer Präsenz von Käufer/ Verkäufer Geschäftsraum Klassischer Verkauf Häusliche Umgebung des Haustürgeschäfte Verbrauchers Automatenverkauf Fernabsatz Quelle: Micklitz in: Grabitz/Hilf, Sekundärrecht, Kap. A 3 Rn 6 Auf den ersten Blick können sich scheinbar Probleme ergeben, wenn im Prozess der Vertragsanbahnung und des Vertragsabschlusses unterschiedliche Absatzformen miteinander kombiniert werden, wenn beispielsweise die Vertragsanbahnung dem Haustürgeschäft (Verteilen von Prospekten an der Haustür) und der Vertragsabschluss dem Fernabsatzgeschäft (Bestellung über das Internet) zuzuordnen ist oder umgekehrt391. Art. 2 Nr. 1 FARL begrenzt jedoch den Anwendungsbereich der Richtlinie auf den ausschliesslichen Einsatz von Fernkommunikationsmitteln. Mischformen werden nicht erfasst. Das bedeutet: nur Verträge, die ihren Ursprung in der besonderen Vertriebsform des Fernabsatz haben, werden von der Fernabsatzrichtlinie erfasst. Der Vertrieb im Fernabsatz darf sich mit „traditionellen“ Vertriebsformen weder überschneiden noch vermischen.392 c) Das Schutzkonzept der Richtlinie Die Fernabsatzrichtlinie sieht ein auf drei Säulen basierendes Schutzkonzept für den Verbraucher bei Fernabsatzverträgen vor: Unterrichtung des Verbrauchers vor Vertragsschluss, schriftliche Bestätigung der übermittelten Informationen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses und ein nachträgliches Widerrufsrecht des Verbrauchers. 390 391 392 Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates und Europäischen Parlaments über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, KOM (92) 11 endg. vom 20.05.1992, ABl. C 156 vom 23.06.1992, S. 14. Micklitz in: Grabitz/Hilf, Sekundärecht, Kap. A 3 Rn 6. Ende/Klein, Vertriebsrecht im Internet, S. 139. 170 Neben diesem traditionellen Instrumentarium des Verbraucherschutzes – Informationspflichten und Widerrufsrechten – enthält die Richtlinie auch vertragsrechtliche Regelungen zur Erfüllung, haftungsrechtliche Vorschriften sowie Vorgaben, die das Recht des unlauteren Wettbewerbs und zivilprozessuale Durchsetzungsmöglichkeiten betreffen. Die von der Richtlinie getroffenen Verbraucherschutzbestimmungen stellen einen für den Verbraucher 393 394 unverzichtbaren Mindeststandard dar. Als schlagkräftigstes Instrument zur Stärkung der Verbraucherinteressen bei Fernabsatzverträgen stipuliert die Fernabsatzrichtlinie in Art. 6 ein Widerrufsrecht des Verbrauchers vor, welches dieser binnen bestimmter Fristen ohne Angaben von Gründen ausüben kann. Die Informationspflichten stellen dabei keine Alternative zum Widerrufsrecht dar, sondern ergänzen es in sinnvoller Weise. An dieser Stelle kann nicht auf sämtliche verbraucherschützende Regelungen der Richtlinie eingegangen werden. Die Darstellung und Untersuchung beschränkt sich deshalb in der Hauptsache auf das in Art. 6 FARL verankerte Widerrufsrecht. Nur dieses Rechtsinstitut ermöglicht es dem Verbraucher, die Vorteile des Distanzvertriebs zu nutzen und sich dennoch in einer Rechtsposition zu sehen, wie jemand, der den Vertragsgegenstand vor dem Vertragsschluss intensiv untersuchen kann. Das Widerrufsrecht ist eng mit der Erfüllung der Informationspflichten verbunden. Wo dies notwendig ist, wird daher auf die spezifischen Informationspflichten nach der Fernabsatzrichtlinie und deren Umsetzung in das deutsche Recht eingegangen. d) Das Widerrufsrecht nach Art. 6 FARL Art. 6 FARL enthält das Kernstück der Richtlinie, nämlich das der Haustürgeschäftewiderrufsrichtlinie 85/877 EWG395 und dem französischen Recht nachgebildete Widerrufsrecht. Er lautet wie folgt: Artikel 6 Widerrufsrecht (1) Der Verbraucher kann jeden Vertragsabschluss im Fernabsatz innerhalb einer Frist von mindestens sieben Werktagen ohne Angabe von Gründen und ohne Strafzahlung widerrufen. Die einzigen Kosten, die dem Verbraucher auferlegt werden können, sind die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren. Die Frist für die Wahrnehmung des Rechts beginnt [...] Falls der Lieferer die Bedingungen i.S. von Art. 5 (Schriftliche Bestätigung der Informationen) nicht erfüllt, beträgt die Frist drei Monate. [...] 393 394 395 Nach Art 12 Abs. 1 der RL kann der Verbraucher auf die Rechte, die ihm aufgrund der Umsetzung dieser Richtlinie zustehen, nicht verzichten. Art. 14 der RL erlaubt es den Mitgliedstaaten, strengere Bestimmungen zu erlassen oder aufrechtzuerhalten, sofern sie ein höheres Schutzniveau für den Verbraucher darstellen und mit dem EG-Vertrag in Einklang stehen. ABl. L 372 vom 31. 12. 1985, S. 31. 171 (2) Übt der Verbraucher das Recht auf Widerruf gemäss diesem Artikel aus, so hat der Lieferer die vom Verbraucher geleisteten Zahlungen kostenlos zu erstatten. Die einzigen Kosten, die dem Verbraucher auferlegt werden können, sind die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren. Die Erstattung hat sobald wie möglich, in jedem Fall jedoch binnen 30 Tagen zu erfolgen. (3) Sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, kann der Verbraucher das Widerrufsrecht nach Abs. 1 nicht ausüben bei [...]. aa) Nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 FARL kann ein Verbraucher einen Vertragsschluss im Fernabsatz ohne Angaben von Gründen und ohne Strafzahlung396 widerrufen. Damit das Widerrufsrecht nicht faktisch ausgehöhlt wird, bestimmt Art. 6 Abs. 1 S. 2 FARL, dass dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts lediglich die unmittelbaren Kosten der Warenrücksendung auferlegt werden dürfen.397 Die Richtlinie sieht ein befristetes Widerrufsrecht vor. Hinsichtlich der Dauer ist zu unterscheiden zwischen der regelmässigen und der ausserordentlichen Frist. Die regelmässige Frist ist anwendbar, wenn die Informationspflichten nach Art. 5 FARL erfüllt sind. Sie ist von den Mitgliedsstaaten festzulegen und darf sieben Tage nicht unterschreiten. Der Lauf der regelmässigen Frist beginnt nach Art. 6 Abs. 1 S. 3 FARL bei Waren mit dem Tag des Eingangs beim Verbraucher, bei Dienstleistungen mit dem Tage des Vertragsschlusses. Hat der Verbraucher zu den oben genannten Zeitpunkten die Informationen nicht erhalten, so beginnt die Frist erst mit deren Erhalt. bb) Erfolgt keine (ausreichende) Information, so gilt die ausserordentliche Frist. Der Verbraucher hat nach Art. 6 Abs. 1 S. 4 FARL ein absolutes Widerrufsrecht von drei Monaten. Keinesfalls aber darf für die Ausübung des Widerrufsrecht eine Gesamtfrist von drei Monaten plus sieben Tagen, beginnend mit dem Wareneingang bzw. bei Dienstleistungen mit Vertragsabschluss, überschritten werden.398 Zur Wahrung der Frist genügt die Absendung.399 Bis zum Ablauf der Widerrufsfrist ist der Vertrag schwebend unwirksam. Das Widerrufsrecht ist nach Art. 6 Abs. 3 FARL u.a. ausgeschlossen bei kundenspezifisch angefertigten Waren oder solchen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind. Es bleibt festzuhalten, dass der Verbraucher, unabhängig vom Zeitpunkt des Zugangs seiner Erklärung beim Anbieter bzw. „Lieferer“, seine Erklärung unter den Voraussetzung des Art. 6 widerrufen kann. 396 397 398 399 Zum pauschalierten Schadensersatz: Reich, EuZW 1997, S. 585. Ultsch, Recht und Internet, Kap. 6-3.1, S.37. Martinek, NJW 1998, S. 208. Moritz, CR 2000, S. 67. 172 cc) Zweifelhaft ist, ob das Widerrufsrecht auch bei Verträgen zur Anwendung kommt, die online erfüllt werden. Der unterschiedliche Fristbeginn bei Waren einerseits (mit dem Tag ihres Eingangs beim Verbraucher) und bei Dienstleistungen andererseits (bereits mit dem Tag des Vertragsschlusses) könnte für grosse Probleme bei Rechtsgeschäften im Internet sorgen, die online erfüllt werden. Hier stellt sich regelmässig die Frage, welcher Gruppe von Rechtsgeschäften sie im konkreten Fall zuzuordnen sind bzw. wie kombinierte Verträge zu behandeln sind.400 Nach Art. 6 Abs. 3 FARL kann der Verbraucher das Widerrufsrecht mangels anderslautender Vereinbarung, bei Verträgen zur Lieferung von Audio- und Videoaufzeichnungen oder Software, die vom Verbraucher entsiegelt worden sind, nicht ausüben. Diese Voraussetzungen werden kaum auf die online – Erfüllung von Verträgen zureffen.401 Vielmehr fallen via Internet übermittelte Software und Multimedia-Anwendungen regelmässig unter den Begriff der Dienstleistung.402 Bei Verträgen zur Erbringung von Dienstleistungen, deren Ausführung mit Affirmation des Verbrauchers vor Ende der sieben Werktage begonnen hat, entfällt das Widerrufsrecht.403 Hierzu gehört die Inanspruchnahme von Dienstleistungen durch das Herunterladen von Software, Multimedia-Anwendungen, Bild- und Audiodateien oder die Abfrage von Informationen und Datenbanken („Pulldienste“), ebenso wie die OnlineLeistungserbringung durch sog. „Push-Dienste“, beispielsweise durch Newsticker oder Echtzeit-Informations- und Analyseanwendungen. Nicht notwendig ist, dass die Dienstleistung vor Ablauf von sieben Tagen vollständig erbracht wird, ausreichend ist, dass mit ihrer Ausführung begonnen wurde. Dies ist typischerweise bei der online – Erfüllung der Fall. Ausserdem kann die übermittelte Software aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht zur Rücksendung geeignet sein, weshalb ein Widerrufsrecht entfällt. Als Folge wird das Widerrufsrecht auf Verträge, deren Leistung „online“ erfüllt wird, regelmässig keine Anwendung finden.404 400 401 402 403 404 Meents, Verbraucherschutz, S.200; Reich, EuZW 1997, S. 585 nennt in diesem Zusammenhang den Software-Vertriebsvertrag. Moritz, CR 2000, S. 67; Köhler/Arndt, Recht des Internet, Rn 132. Richtig ist, dass das Widerrufsrecht auf die kommerzielle Nutzung des Internet eine lähmende Wirkung ausüben kann, eine analoge Anwendung von Art. 6 Abs. 3 der RL ist aber nicht geboten, da die RL in Art. 6 Abs. 3, 4. Gedankenstrich, Software, Audio- und Videoaufzeichnungen ausdrücklich gleichbehandelt. Köhler/Arndt, Recht des Internet, Rn 132 f.; Moritz, CR 2000, S. 61, 67; a.A. Waltl in: Loewenheim/Koch, Praxis des Online Rechts, 1998, S. 180, der bei der Beurteilung der Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts auf Softwarekäufe ausgeht und unter Berücksichtigung von BGH, NJW 1990, S. 320 zu dem Schluss kommt, dass es sich bei der dauerhaften Überlassung von Software ohne Übergabe eines Datenträgers um Ware handelt. Art. 6 Abs. 3 1. Gedankenstrich. Moritz, CR 2000, S. 61, 67. 173 4. Die Umsetzung der Richtlinie 97/7/EG durch das deutsche Fernabsatzgesetz a) Hintergrund aa) Verspätete Umsetzung Am 30.06.2000 und am 1.10.2000 sind die wesentlichen, hier interessierenden Teile des Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf den Euro in Kraft getreten.405 Das Gesetz setzt die Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz406 und die Richtlinie 98/27/EG über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen407 um. Im Mittelpunkt des hier geschaffenen Verbraucherschutzrechts steht dabei die Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie. Sie geschieht vor allem durch Art. 1 des Gesetzespakets, der das Fernabsatzgesetz (im folgenden: FernAbsG) betrifft. Das Inkrafttreten des Gesetzes verletzt die Fernabsatzrichtlinie, deren Umsetzungsfrist am 4.06.2000 endete. Verbraucher, die in der Zeit vom 4.06. – 29.06.2000 Fernabsatzverträge abgeschlossen haben, können daher Schadensersatzansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland zustehen, falls ihnen durch das verspätete Inkrafttreten des Fernabsatzgesetzes, vor allem durch das Fehlen eines Widerrufsrechts, ein Schaden entstanden ist. Nach der „FrancovichRechtsprechung“ des EuGH408 führt die Verletzung von Gemeinschaftsrecht durch den nationalen Gesetzgeber, die in einer verzögerten, mangelhaften oder nicht erfolgten Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinien in nationales Recht liegen kann, zu einem Schadensersatzanspruch des Betroffenen gegen den säumigen Staat, hier die Bundesrepublik Deutschland. Das gilt, sofern die Bestimmungen der Richtlinie dem Einzelnen unmittelbar (ohne Umsetzungsspielraum für den nationalen Gesetzgeber) subjektive Rechte verleihen, ihr Inhalt in der Richtlinie hinreichend genau und unbedingt bestimmt ist (sog. „self-executing“-Charakter der Richtlinie) und zwischen der Verzögerung und dem Schaden ein kausaler Zusammenhang besteht.409 Ein solcher Schadensersatzanspruch ist in der Praxis wegen der geringfügigen Verzögerung jedoch kaum relevant. 405 406 407 408 409 Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung auf den Euro vom 20. Juni 2000, BGBl. I, 897; berichtigt BGBl. I, 1139. Anmerkung: Das Fernabsatzgesetz wurde durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001, BGBl. I, 3138 zum 1.01.2002 aufgehoben. Die Regelungen des Fernabsatzgesetzes wurden in das BGB integriert: §§ 312b – 312d BGB n.F. Vgl. Fn 372. ABl. L 166 vom 11.06.1998, S. 51. EuGH, Verb. Rs. C 6/94 und C 9/90, Slg. 1991, I-5357. Die in der „Francovich“-Rechtsprechung entwickelten Grundsätze einer Haftung des Staates, die dem einzelnen durch eine fehlerhafte Umsetzung von Gemeinschaftsrecht entstehen, wurden durch die Urteile EuGH, Verb. Rs. C178/94, C-179/94, C-188 bis C 190/94, Dillenkofer, Slg. 1996, I-4845 und EuGH, Rs. C-392/93, British Telecommunications, Slg. 1996, I-1631, bestätigt. Palandt/Heinrichs, § 839 Rn 19b; Hailbronner, JZ 1992, S. 284; Ossenbühl, DVBl. 1992, S. 993. 174 Eine unmittelbare Anwendbarkeit der relevanten Bestimmungen des Fernabsatzgesetzes, insbesondere des Widerrufsrechts, kommt nicht in Betracht. Das Gesetz findet nach Art. 6 Abs. 1 ausdrücklich keine Anwendung auf Verträge, die vor dem 30.06.2000 abgeschlossen wurden. Eine unmittelbare Anwendbarkeit der relevanten Bestimmungen der Fernabsatzrichtlinie scheidet ebenfalls aus. Richtlinien entfalten unmittelbare Wirkung nur gegenüber dem Staat und seinen Institutionen. Eine horizontale Drittwirkung – also im Verhältnis Privater zueinander – ist ausgeschlossen.410 Eine solche entfalten Richtlinien nach der Rechtsprechung des EuGH ausnahmsweise nur insoweit, als das nationale Recht im Sinne der Richtlinie ausgelegt werden muss, wenn deren Umsetzungsfrist abgelaufen ist. Der EuGH hat es in ständiger Rechtsprechung abgelehnt, dem Inhalt von Richtlinien schon vor ihrer Umsetzung in das nationale Recht eine horizontale Drittwirkung im Verhältnis zwischen Privatpersonen beizulegen und zwar auch dann, wenn die Richtlinie in sich klare, anwendungsfähige Regelungen enthält.411 Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH kann eine Richtlinie nicht selbst für einen Einzelnen Verpflichtungen begründen.412 Die Richtlinienbestimmung des Art. 6 darf daher im vorliegenden Fall nicht gegenüber einem Einzelnen in Anspruch genommen werden. Eine Widerrufsmöglichkeit unter Berufung auf Art. 6 FARL von in der Zeit vom 4.06. – 29.06.2000 geschlossenen Fernabsatzverträge scheidet deshalb aus. Die fehlende Direktwirkung des Inhalts von Richtlinien im Verhältnis zwischen Marktteilnehmern steht dessen indirekter Berücksichtigung nach Ablauf der Umsetzungsfrist bei Anwendung des nationalen Rechts nicht grundsätzlich entgegen. Eine der Fernabsatzrichtlinie entsprechende Regelung des Widerrufsrecht sah das deutsche Recht aber bis dato nicht vor: Es fehlt somit auch an der Möglichkeit der gemeinschaftskonformen Auslegung nationaler Bestimmungen („interprétation conforme“). bb) Umsetzungsbedarf Fernabsatzverträge im Sinne der Richtlinie unterliegen dem allgemeinen Vertragsrecht, und je nach Vertragsgegenstand können darüber hinaus Spezialregelungen eingreifen. Ein Umsetzungsbedarf besteht daher nur bezüglich solcher Regelungen der Fernabsatzrichtlinie, denen die bestehende Rechtslage in Deutschland nicht genügt. Für die Umsetzung ist dabei ein spezieller 410 411 412 EuGH, Rs. 14/86, Pretore di Salò, Slg. 1987, 2545, Rn 19; Rs. C-91/92, Facini Dori, Slg. 1994, I-3325, Rn 22 ff.; Rs. C-192/94, El Corte Inglés, Slg. 1996, S. I-1281, Rn 17 ff., Schwarze/Biervert, Art. 249 EGV Rn 30; Ruffert in: Callies/Ruffert [Hrsg.], Art. 249 Rn 78; für eine eine horizontale Drittwirkung sprechen sich aus: GA Jacobs, Schlussantrag, EuGH, Rs. C316/93, Vaneetveld, Slg. 1994, I-763, Rn 18 ff.; GA Lenz, Schlussantrag, Facini Dori, a.a.O., Rn 43 ff.; Grabitz in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 189 Rn 61a. EuGH, Facini Dori, a.a.O.; Callies/Ruffert, Art. 249 Rn 110 Fn 352 m.w.N. EuGH Rs. 152/84, Marshall, Slg. 1986, S. 723; Rs. 14/86, Pretore di Salò, a.a.O., Rn 19; Rs. C106/89, Marleasing, Slg. 1990, I-4135, Rn 6, Rs. 97/96, Daihatsu Deutschland, Slg. 1997, I6843, Rn 24. 175 Umsetzungsrahmen nicht notwendig. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH413 verlangt die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht unter Berücksichtigung des Prinzips der praktischen Wirksamkeit („effet utile“) und der Art. 10 und 249 EGV nicht notwendigerweise, dass die Bestimmungen förmlich und wörtlich in einer besonderen Gesetzgebungsvorschrift wiedergegeben werden. Für die Umsetzung kann ein allgemeiner rechtlicher Rahmen genügen, wenn er die vollständige Anwendung der Richtlinie in so klarer und bestimmter Weise gewährleistet, dass, soweit die Richtlinie Ansprüche begründet, die Begünstigten in der Lage sind, ihre Rechte zu erkennen und vor den nationalen Gerichten geltend zu machen. Dies gilt in besonderem Masse für das hier interessierende Widerrufsrecht des Verbrauchers. Kern der Richtlinie ist das in Art. 6 FARL vorgesehene Widerrufsrecht, eng hiermit verbunden sind die Informationspflichten des Anbieters nach Art. 4 und 5 FARL. Informationspflichten und Widerrufsrechte gehören zum klassischen Instrumentarium des Verbraucherschutzes. Eine allgemeine Regelung für sämtliche Verbraucherverträge fehlte bislang ebenso wie eine umfassende Regelung der Fernabsatzverträge.414 Art. 1 – 6 erforderten demnach eine ausdrückliche Umsetzung in deutsches Recht, das den Vorgaben der Richtlinie bislang nicht entsprach. Die Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie kombiniert den Ansatz der Umsetzung durch ein spezielles Umsetzungsgesetz, verbunden mit der Anpassung allgemeiner Vorschriften. Das Fernabsatzgesetz wählt im Ausgangspunkt die naheliegende Lösung eines Sondergesetzes, konzipiert als Komplementärregelung zum Haustürwiderrufsgesetz. Art. 1 des Gesetzespakets enthält insoweit die Umsetzung der Vorgaben der Fernabsatzrichtlinie. Gleichzeitig werden die allgemeinen Vorschriften richtlinienkonform angepasst. Art. 2 FernAbsG stellt mit den §§ 361a und 361b BGB die zentralen Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht bei Verbraucherverträgen in das allgemeine Schuldrecht des BGB ein. b) Anwendungsbereich aa) Fernabsatzvertrag Der Anwendungsbereich des Fernabsatzgesetzes entspricht den Vorgaben der Fernabsatzrichtlinie. Er übernimmt wörtlich die Artikel 1 und 2 Nr. 1 FARL. Grundvoraussetzung ist das Vorliegen eines Vertrages. Für die Beurteilung, ob ein Vertrag geschlossen wurde, ist auf die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 145 ff. BGB zurückzugreifen. Das Fernabsatzgesetz enthält insoweit keine Regelung.415 Schlüsselbegriff und zentrale Anwendungsvoraussetzung ist der 413 414 415 EuGH; Rs. 29/84, Kommission/Deutschland, Slg. 1985, 1661, Rn 23; Rs. C-361/88, TA-Luft, Slg. 1991, S. I-2567, Rn 15; Ruffert in: Callies/Ruffert [Hrsg.], Art. 249 Rn 51 Fn 136 m.w.N. Amtliche Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 9. Februar 2000, BTDrucksache 14/2658, S. 17. Palandt/Heinrichs, Einf. FernAbsG Rn 4. 176 Abschluss eines Fernabsatzvertrages. Das Gesetz definiert in § 1 Abs. 1 FernAbsG Fernabsatzverträge als Verträge über die Lieferung von Waren oder das Erbringen von Dienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschliesslicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.416 Der gelegentliche Online-Handel eröffnet danach nicht den Anwendungsbereich des Fernabsatzgesetzes.417 Fernkommunikationsmittel sind Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags zwischen Unternehmer und Verbraucher ohne gleichzeitig körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können (§ 1 Abs. 2 FernAbsG). Es erfasst daher neben den klassischen Fernabsatzgeschäften (wie z.B. Katalogbestellungen) und standardisierten Drucksachen mit und ohne Anschrift vor allem den gesamten Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs, insbesondere das Teleshopping, ebenso wie Videotext mit Tastatur oder Kontaktbildschirm, das Internet und andere Online-Medien, wie die telefonische Kommunikation mit einer Person oder einem Automaten (Voice-Mail-System, Audiotext), die bei Abschluss oder Anbahnung Werden andere entsprechender Verträge eingesetzt werden.418 Kommunikationstechniken genutzt, so liegt kein Fernabsatz mehr vor. Der Vertrag muss unter ausschliesslicher Verwendung der oben genannten Fernkommunikationsmittel abgeschlossen worden sein. Das ist der Fall, wenn sowohl für den Antrag (§ 145 BGB) wie auch für die Annahmeerklärung (§ 146 ff. BGB) Mittel der Fernkommunikation eingesetzt worden sind. Ob die Parteien die gleichen oder unterschiedliche Kommunikationsmittel benutzen oder das Medium wechseln, ist unbeachtlich.419 Ausnahmsweise ist das FernAbsG nach seinem Schutzzweck ausgeschlossen, wenn sich der Verbraucher vor Vertragsabschluss über alle relevanten Umstände des Vertrags informiert hat oder informiert worden ist, und der Vertragsabschluss in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem persönlichen Kontakt erfolgt, was der Unternehmer zu beweisen hat.420 416 417 418 419 420 Hierunter fällt auch die Online-Beratung eines Rechtsanwalts als Teil einer Internet-Präsentation. Beim Anwaltvertrag handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag (BGH, MDR 1999, 640 = VersR 2000, 917 ff.), auf dessen Grundlage dem Mandanten eine Beratung und Vertretung als Dienstleistung i.S.v. § 675 BGB erbracht wird. Die Online-Beratung verfolgt den Zweck, ausschliesslich über die genannten Fernkommunikationsmittel schnell, bequem und ort- und terminunabhängig dem Ratsuchenden eine Beratung zu erteilen. Die Online-Beratung des Rechtsanwalts hat sich deshalb an den Verbraucherschutzvorgaben des Fernabsatzgesetzes zu orientieren, Horst, MDR 2000, S. 1295. Arnold, CR 1997, S. 528; Köhler/Arndt, Recht des Internet, Rn 130. Vgl. § 1 Abs. 2 FernAbsG und die beispielhafte Aufzählung der Fernkommunikationstechniken nach Art. 2 Nr. 4 FARL, Anhang I . Palandt/Heinrichs, § 1 FernAbsG Rn 4. In die Beurteilung, ob ein Fernabsatzvertrag vorliegt, ist auch die Phase der Vertragsanbahnung einzubeziehen (§ 1 Abs. 2 FernAbsG erwähnt die „Anbahnung“ des Vertrags und den „Katalog“ als eine typische invitatio ad offerendum). 177 bb) Ausnahmen α) Nicht alle Kauf-, Dienst- Werk- oder Geschäftsbesorgungsverträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern, die im Fernabsatz angebahnt und abgeschlossen werden, sollen vom Fernabsatzgesetz erfasst werden. Art. 1 Abs. 3 FernAbsG sieht einen langen Katalog von Ausnahmen vor. So findet das Gesetz keine Anwendung auf Verträge über den Fernunterricht421, über die Teilzeit-Nutzung von Wohngebäuden422, über Finanzgeschäfte423 und über die Veräusserung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten424. Weiter fallen Verträge über die Lieferung von Lebensmitteln, Getränken oder sonstige Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs425, über die Erbringung von Dienstleistungen426 in den Bereichen der Beförderung und Unterbringung sowie über Verträge, die unter Verwendung von Warenautomaten geschlossen werden, nicht in den Anwendungsbereich. Die Zweckmässigkeit der Herausnahme von Reiseverträgen im Sinne von § 651a BGB aus dem Anwendungsbereich ist fraglich. Art. 3 Abs. 3 FARL sieht im Hinblick auf touristische Dienstleistungen zumindest die Geltung der §§ 8 ff. FARL427 vor, während die Anwendung des Widerrufsrechts ausgeschlossen wird. Während der Verbraucher risikolos eine Online-Bestellung von Büchern oder CDs ohne Angaben von Gründen widerrufen kann, ist der Verbraucher an die online abgeschlossene Buchung einer Reise ohne Chance auf Widerruf gebunden. Zwar kann der Reisende nach § 651i Abs. 1 BGB jederzeit vor Reisebeginn vom Vertrag zurücktreten, der Rücktritt löst jedoch eine Entschädigungspflicht in „angemessener Höhe“ aus, die von den Veranstaltern regelmässig in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen pauschaliert wird. Die grosse Beliebtheit der Dienste einerseits und die verwirrende, 421 422 423 424 425 426 427 Hier sind im Fernunterrichtgesetz bereits Verbraucherschutzregelungen vorgesehen, die Informations- und Widerrufsbestimmungen enthalten. Mit der Timesharing Richtlinie 94/47/EG vom 26. Oktober 1994, ABl. L 280 vom 29.10.1994, S. 83 und deren Umsetzung durch das Teilzeit-Wohnrechtegesetz existiert bereits eine spezielle Schutzvorschrift. Durch die Ausnahme der Bankgeschäfte, Finanz- und Wertpapierdienstleistungen sowie deren Vermittlung wird der gesamte Bereich des Online Banking vom Wirkungskreis des FernAbsG nicht erfasst. Nach der nicht erschöpfenden Liste in Anhang II der FARL werden u.a. folgende Finanzdienstleistungen ausgenommen: Wertpapierdiensteistungen, Versicherungsgeschäfte, Bankdienstleistungen, Tätigkeiten im Zusammenhang mit Versorgungsfonds sowie Termin- und Optionsgeschäfte. Die Lücke im Verbraucherschutz in diesem Bereich soll (sofern nicht auf nationaler Ebene bereits das Verbraucherkreditgesetz greift) durch die geplante Richtlinie über den Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen im Internet greifen, vgl. den geänderten Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, KOM (1999), 385 endg., ABl. C 177E vom 27.06.2000, S. 21. Nach deutschem Recht ist für die Grundstücksübertragung und die Begründung von Rechten an Grundstücken die notarielle Beurkundung notwendig, so dass hier ausreichende, dem Schutz des Käufers dienende Formvorschriften bestehen. Ein Widerrufsrecht in diesem Bereich stünde im Widerspruch zum geringen Wert der Ware und der Tatsache, dass insbesondere bei Lebensmitteln, aufgrund ihrer Verderblichkeit keine Rückgabemöglichkeit besteht. Der Begriff „Gegenstände des täglichen Bedarfs“ wird durch die Rspr. zu präzisieren sein. Der Begriff der Dienstleistung ist europarechtlich und daher weit auszulegen, BGHZ 123, S. 385. Die u.a. eine Haftung bei Kreditkartenmissbrauch vorsehen (Art. 8) und die Zusendung unbesteller Waren und und die Erbringung unbestellter Dienstleistungen sanktionieren (Art. 9). 178 unklare Menüführung des Internetauftritts der Reiseveranstalter oder ihrer Vermittler sowie die Unerfahrenheit mancher Nutzer anderseits werden in einer Vielzahl von Fällen zum ungewollten Abschluss eines Reisevertrags führen.428 Dies ist besonders problematisch bei der Buchung von sog. „Last-Minute“-Angeboten, bei denen ein Rücktritt nach § 651i BGB wegen der hohen Entschädigungszahlungen faktisch vereitelt wird. Bedenkt man schliesslich, dass die Kosten einer Reise, die Kosten einer durchschnittlichen Online-Bestellung um ein Vielfaches übersteigen, so ist der Verbraucher beim Abschluss von Reiseverträgen u.ä. im Fernabsatz nur unzureichend geschützt.429 Die Lücke wird zumindest teilweise durch die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr behoben, die verbindliche Regeln über den Abschluss von Verträgen auf elektronischem Wege statuiert und verlangt, dass dem Kunden angemessene technische Hilfsmittel zur Korrektur von Eingabefehlern zur Verfügung gestellt werden.430 cc) Konkurrenzen Bei Konkurrenzen mit anderen verbraucherschützenden Normen gilt das Günstigkeitsprinzip, d. h. das FernAbsG ist nach § 1 Abs. 4 nicht anzuwenden, wenn und soweit andere verbraucherschützende Normen für den Anwender günstigere Regeln, insbesondere weitergehende Informationspflichten enthalten. Voraussetzung für die Anwendung des Günstigkeitsprinzips ist somit das Vorliegen einer spezialgesetzlichen Regelung, die nach dem Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“ anzuwenden wäre. Mit der öffnenden Verbraucherschutzklausel gibt es eine vorrangige und abschliessende Regelung nicht mehr.431 Diese steht im Falle eines Fernabsatzgeschäftes unter dem Vorbehalt von § 1 Abs. 4 FernAbsG. Eine Konkurrenz zwischen der Fernabsatzrichtlinie und der Richtlinie 85/577 EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von ausserhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen432, die durch das Haustürwiderrufsgesetz umgesetzt worden ist, ist tatbestandlich ausgeschlossen, da die in § 1 Abs. 1 HWiG genannnten Anbahnungswege allesamt nicht ausschliesslich über Fernkommunikationsmittel beschritten werden.433 Es besteht kein Anlass, den Anwendungsbereich das HWiG auf Fälle zu erweitern, in denen kein individueller 428 429 430 431 432 433 Die Willenserklärung ist in diesem Fall zwar nach § 119 Abs. 1 BGB anfechtbar, die Anfechtung löst jedoch die Vertrauenshaftung nach § 122 BGB aus. Der Verbraucher wird bei solchen Verträgen zumindest teilweise durch die Pauschalreiserichtlinie 90/314/EWG ABl. EWG L 158 vom 23.06.1990, S. 59 und deren Umsetzung in nationales Recht, insbesondere durch die §§ 651a ff. BGB und die Verordnung über die Informationspflichten von Reiseveranstaltern vom 14. November 1994 (BGBl. I, 3436) geschützt. Siehe unten § 3 IV, S. 267. Ende/Klein, Vertriebsrecht im Internet, S. 150. ABl. L 372 vom 31. 12. 1985, S. 31. Riehm, Jura 2000, S. 509. 179 persönlicher Kontakt besteht.434 Nach der Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie fehlt zudem eine planwidrige Regelungslücke, die im Wege einer Analogie geschlossen werden müsste.435 Das Fernabsatzgesetz findet daher niemals gleichzeitig neben dem Haustürwiderrufsgesetz Anwendung.436 Die Europäische Kommission arbeitet aber derzeit an einer Modernisierung der Haustürwiderrufsrichtlinie437, die faktisch auf eine Anpassung der Fernabsatzrichtlinie herausläuft. Konkurrenzen können indessen zwischen dem Fernabsatzgesetz und dem Verbraucherkreditgesetz auftreten, das die Richtlinie 87/102/EWG zur Angleichung der Vorschriften über den Verbraucherkredit umsetzt. Finanzdienstleistungen sind zwar ausdrücklich ausgenommen, in den Anwendungsbereich des Fernabsatzgesetzes fallen aber neben den üblichen Verbraucherdarlehen und Teilzahlungskrediten auch entgeltliche Kredite in Form eines Zahlungsaufschubs oder sonstiger Finanzierungshilfen, die von einem Unternehmer bei Vertragsschluss im Fernabsatz gewährt werden (vgl. die Sondervorschriften für teilfinanzierte Fernabsatzverträge nach § 8 VerbrKrG)438. Daher sind Überschneidungen denkbar. Im Kollisionsfall gilt, soweit einschlägig, ein Vorrang der Verbraucherkreditrichtlinie.439 Hinzu kommt, dass die geplante Richtlinie zum Fernabsatz von Finanzdienstleistungen440 anders als im ersten Entwurf auf eine Regelung hinausläuft, die sich eng an die Fernabsatzrichtlinie anlehnt. Mittelfristig scheint es daher geboten, Haustür- und Fernabsatzgeschäfte trotz ihrer unterschiedlichen Ausgangslage in einem einheitlichen 441 Verbrauchervertriebsgesetz zu verschmelzen. 434 435 436 437 438 439 440 441 Palandt/Heinrichs, § 1 FernAbsG Rn 16; Borges, ZIP 1999, S. 130; Köhler NJW 1998, S. 186; 132; vgl. auch BGH NJW 1996, S. 929; Palandt/Putzo, § 1 HWiG Rn 7, die eine Subsumtion des Telefonanrufs unter das HWiG ablehnen. Amtliche Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, a.a.O. (Fn 414), S. 35. Ende/Klein, Vertriebsrecht im Internet, S. 130. ABl. L 372 vom 31. 12. 1985, S. 31. Vgl. unten § 2 VI 4 lit. c) cc), S. 183. Art. 13 Abs. 2 FARL, § 1 Abs. 4 FernAbsG. Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, KOM (1999), 385 endg., ABl. C 177E vom 27.06.2000, S. 21. Vgl. Stellungnahme, Micklitz/Universität Bamberg zum Entwurf des Fernabsatzgesetzes vom 20.03.2000. 180 c) Wesentliche Bestimmungen des Fernabsatzgesetzes § 3 des neuen Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts lautet wie folgt: §3 Widerrufsrecht, Rückgaberecht (1) 1Dem Verbraucher steht ein Widerrufsrecht nach § 361a des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu. 2 Die Widerrufsfrist beginnt abweichend von § 361a Abs. 1 S. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht vor Erfüllung der Informationspflichten gemäss § 2 Abs. 3 und 4, bei Waren nicht vor dem Tag ihres Eingangs beim Empfänger, bei der wiederkehrenden Lieferung gleichartiger Waren nicht vor dem Tag der ersten Teillieferung und bei Dienstleistungen nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses; die Widerrufsbelehrung bedarf keiner Unterzeichnung durch den Verbraucher und kann diesem auch auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden. 3Das Widerrufsrecht erlischt 1. bei Waren spätestens vier Monate nach ihrem Eingang beim Empfänger und 2. bei Dienstleistungen a) spätestens vier Monate nach Vertragsschluss oder b) wenn der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung mit Zustimmung des Verbraucher vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat oder der Verbraucher diese selbst veranlasst hat. (2) Das Widerrufsrecht besteht mangels anderer Vereinbarung und unbeschadet anderer gesetzlicher Bestimmungen nicht bei Fernabsatzverträgen [...] (3) Anstelle des Widerrufsrechts nach den Absätzen 1 und 2 kann für Verträge über die Lieferung von Waren ein Rückgaberecht nach § 361b des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingeräumt werden. Absatz 1 Satz 2 und 3 Nr. 1 gilt entsprechend. Die neuen §§ 361a und 361b BGB lauten wie folgt: § 361a Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen (1) 1Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so ist er an seine auf den Abschluss eines Vertrages mit einem Unternehmer gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn er sie fristgerecht widerrufen hat. 2 Der Widerruf muss keine Begründung enthalten und schriftlich, auf einem anderen dauerhaften Datenträger oder durch Rücksendung der Sache innerhalb von zwei Wochen erfolgen; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung. 3Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, die auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt worden ist, die auch Namen und Anschrift des Widerrufsempfängers und einen Hinweis auf den Fristbeginn und die Regelung des Satzes 2 enthält. 4Sie ist vom Verbraucher [...] gesondert zu unterschreiben oder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen. 5[...]. 6Ist der Fristbeginn streitig, so trifft die Beweislast den Unternehmer. 181 (2) 1Auf das Widerrufsrecht finden die Vorschriften dieses Titels, soweit nichts anderes bestimmt ist, entsprechende Anwendung. 2Die in § 284 Abs. 3 Satz 1 bestimmte Frist beginnt mit der Erklärung des Verbrauchers nach § 349. 3Der Verbraucher ist vorbehaltlich abweichender Vorschriften zur Rücksendung auf Kosten und Gefahr des Unternehmers verpflichtet; dem Verbraucher dürfen bei einer Bestellung bis zu einem Betrag von 40 Euro die regelmässigen Kosten der Rücksendung vertraglich auferlegt werden, es sei denn, dass die gelieferte Ware nicht der bestellten entspricht. 4, 5[...] 6Für die Überlassung des Gebrauchs oder die Benutzung einer Sache sowie für sonstige Leistungen bis zu dem Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufs ist deren Wert zu vergüten; die durch die bestimmungsgemässe Ingebrauchnahme einer Sache oder Inanspruchnahme einer sonstigen Leistung eingetretene Wertminderung bleibt ausser Betracht. 7Weitergehende Ansprüche bestehen nicht. (3) 1Informationen oder Erklärungen sind dem Verbraucher auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt, wenn sie ihm in einer Urkunde oder einer lesbaren Form zugegangen sind, die dem Verbraucher für eine den Erfordernissen des Rechtsgeschäfts entsprechenden Zeit die inhaltliche Wiedergabe der Informationen erlaubt. 2Die Beweislast für den Informations- und Erklärungsgehalt trifft den Unternehmer. 3Dies gilt für Erklärungen des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer sinngemäss. § 361b Rückgaberecht bei Verbraucherverträgen (1) 1Das Widerrufsrecht nach § 361a kann, soweit dies ausdrücklich durch Gesetz zugelassen ist, beim Vertragsschluss auf Grund eines Verkaufsprospekts im Vertrag durch ein uneingeschränktes Rückgaberecht ersetzt werden. 2Voraussetzung ist, dass 1. im Verkaufsprospekt eine deutlich gestaltete Belehrung über das Rückgaberecht enthalten ist, 2. der Verbraucher den Verkaufsprospekt in Abwesenheit des Unternehmers eingehend zur Kenntnis nehmen konnte und 3. dem Verbraucher auf einem dauerhaften Datenträger das Rückgaberecht eingeräumt wird. (2) [...] aa) Vorbemerkung § 3 FernAbsG geht auf Artikel 6 Absatz 2 und Absatz 4 FARL zurück. Die Festlegung der Einzelheiten der Folgen der Ausübung des Widerrufsrechts wurde den Mitgliedsstaaten überlassen. Das FernAbsG schreibt in § 3 vor, dass das Widerrufsrecht sich nach § 361a BGB bestimmt. In § 3 Fernabsatzgesetz (FernAbsG) sowie dem neuen § 361a BGB ist das zentrale Widerrufsrecht fixiert, das dem Verbraucher die Möglichkeit gibt, jeden Vertragsabschluss im Fernabsatz innerhalb einer Frist von 2 Wochen zu widerrufen. Nach Art. 6 Abs. 1 FARL und den ersten Gesetzentwürfen war eine Frist von mindestens 7 Werktagen vorgesehen. Er sah in § 3 Abs. 1 FernAbsG ursprünglich folgende Regelung vor: „Die auf den Abschluss eines Fernabsatzvertrages gerichtete Willenserklärung des Verbrauchers wird erst wirksam, wenn er sie nicht binnen einer Frist von 7 Werktagen widerruft. Werktag ist ein Kalendertag, der kein Sonntag, Sonnabend oder gesetzlicher Feiertag am Wohnsitz des Verbrauchers ist. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige 182 Absendung des Widerrufs“. Durch die nunmehr in § 3 Abs. 1 FernAbsG vorgesehene Zwei-Wochen-Frist entfällt die Notwendigkeit, Ermittlungen über die gesetzlichen Feiertage am Wohnsitz des jeweiligen Verbrauchers durchzuführen. bb) Einheitliches Widerrufs- und Rücktrittsrecht α) Das Fernabsatzgesetz vom 27.06.2000 bringt mit den §§ 361a und 361b BGB wichtige Änderungen für das BGB. Die neuen Vorschriften, die es in das BGB einfügt und abweichend von seiner 100-jährigen Praxis erstmals mit amtlichen Überschriften versieht442, öffnen das BGB für Grundbegriffe des Verbraucherrechts und machen deutlich, dass nach der Konzeption des BGB Verbraucherrecht kein Sonderprivatrecht ist, sondern Teil des Allgemeinen Privatrechts. Verbraucherprivatrecht an verstreuten Orten birgt die Gefahr von dogmatischen Brüchen und Wertungswidersprüchen. Das Gesetz über Fernabsatzverträge und anderer Fragen des Verbraucherrechts hat sich neben der Umsetzung der Richtlinien 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschluss im Fernabsatz und 98/27/EG über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen vor allem die Aufgabe gesetzt, das Widerrufsrecht des Verbrauchers methodisch zu erfassen, in globo zu vereinheitlichen und zu systematisieren. Den bestehenden Sondergesetzen hätte ein neues in sich geschlossenes Gesetz hinzugefügt werden können. Die Vorarbeiten zum Gesetz in Gestalt eines Referentenentwurfs liessen dann aber die Erkenntnis reifen, dass übergreifende Gemeinsamkeiten kodifiziert werden sollten. Den wesentlichen Kern bilden § 3 des Fernabsatzgesetzes und die hiermit eng verbundenen §§ 361a, 361b BGG. Der neu geschaffene § 361a BGB soll die Widerrufsfristen, die Berechnungsregeln und die Rechtsfolgen der Verbraucherschutzgesetze weitgehend vereinheitlichen, um die Praxis zu entlasten.443 Wie bisher soll auch das Widerrufsrecht bei Warenkäufen durch ein Rückgaberecht nach § 361b BGB ersetzt werden können, wenn dies durch ein Gesetz ausdrücklich zugelassen wird. Die ursprünglich im Gesetzentwurf und von Art. 3 FARL vorgesehene Frist von 7 Werktagen wurde in Anlehnung an § 4 Fernunterrichtschutzgesetz444 sowie Art. 4 des Richtlinienentwurfs über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen445 auf 14 Wochentage heraufgesetzt. Aufgrund von Art. 10 FARL wurden daher das Verbraucherkreditgesetz 442 443 444 445 Nach dem Entwurf eines Schuldrechtsmodernisierungesetzes (siehe hierzu § 4 II, S. 303 ff.) sollen alle Paragraphen des BGB amtliche Überschriften erhalten. Damit soll das Erscheinungsbild des BGB, in welches durch das Fernabsatzgesetz einzelne Überschriften mit amtlichen Vorschriften eingefügt worden sind (§§ 13, 14, 241a, 361a, 361b, 661a, 676h BGB), wieder vereinheitlicht werden. Vgl. hierzu Rüfner, ZRP 2001, Heft 1, S. 12, der den geplanten amtlichen Überschriften kritisch gegenüber steht. Vgl. Amtliche Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung a.a.O (Fn 414), Nummer 2 – Einfügung von §§ 361a, 361b BGB, S. 46. BGBl. 1976 I, 2525. Vorgesehen ist eine Widerrufsfrist von mindestens 14 und höchstens 30 Tagen, vgl. Art. 4, KOM (1999) 385 endg. 183 (VerbrKrG)446, Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften (HWiG)447 und das Teilzeit-Wohnrechtegesetz (TzWrG)448 am 29. Juni 2000 neugefasst und das Widerrufsrecht einheitlich geregelt. Gemäss § 1 Abs. 1 HWiG, § 5 TzWrG und § 7 Abs. 1 VerbrKrG steht dem Verbraucher nunmehr einheitlich ein Widerrufsrecht nach § 361a BGB zu. Die Änderungen des VerbrKrG, HWiG und TzWrG ergeben sich als Folgeänderungen aus der Einfügung des § 361a und des § 361b in das BGB. An dieser Stelle kann nicht weiter auf die revidierten Regelungen der obengenannten Verbrauchergesetze eingegangen werden. Die praktisch relevanten Unterschiede werden aber gering sein, da die Differenzen durch den neuen § 361a BGB weitgehend abgebaut werden. cc) Sondervorschriften für teilfinanzierte Fernabsatzverträge α) Eine bedeutsame Änderung enthält eher versteckt Art. 6 FernAbsG, der an dieser Stelle kurz angesprochen werden soll. Bislang enthielt § 8 VerbrKrG eine Sondervorschrift für den Versandhandel, soweit dieser unter das Verbraucherkreditgesetz fiel, in dem eine Erleichterung vom Schriftformerfordernis nach § 4 gewährt wurde. Dabei stellte die Regelung auf den Verkaufsprospekt ab, was zu der umstrittenen Frage geführt hat, ob dies in jedem Fall einen realen Katalog mit verkörperten Produktinformationen voraussetze oder ob beispielsweise auch „elektronische Warenpräsentationen im Internet“ erfasst werden.449 Der neugefasste § 8 soll nun für all diejenigen Verträge gelten, die sowohl in den Anwendungsbereich des VerbrkrG wie des FernAbsG fallen.450 Das Versandhandelprivileg nach § 8 Abs. 1 VerbrKrG wird auf Fernabsatzverträge i.S.d. § 1 FernAbsG und damit auch auf Verträge, die über das Internet abgeschlossen werden, ausgedehnt. Danach findet § 4 VerbrKrG, der das Schriftformerfordernis und erforderliche Angaben betreffend den Kreditvertrag vorschreibt, keine Anwendung auf finanzierte Fernabsatzverträge, wenn sichergestellt ist, dass dem Verbraucher die in § 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 2 Buchstabe a bis e bezeichneten Mindestinformationen, mit Ausnahme des Betrags der einzelnen Teilzahlungen, rechtzeitig vor Abschluss des Vertrages auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung stehen. Das bedeutet: Hat der Verbraucher Barzahlungspreis, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Raten, effektiven Jahreszins und die evtl. Kosten einer Versicherung über einen dauerhaften Datenträger451 in Erfahrung gebracht, so ist der Abschluss eines solchen Vertrages auch im elektronischen Geschäftsverkehr möglich.452 446 447 448 449 450 451 452 BGBl. 2000 I, 940 vom 27. Juni 2000. BGBl. 2000 I, 955 vom 30. Juni 2000. BGBl. 2000 I, 957 vom 30. Juni 2000. Borges, ZIP 1999, S. 134 m.w.N. Vgl. Amtliche Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung a.a.O (Fn 414), S. 59. Zum Begriff des dauerhaften Datenträger siehe unten § 2 VI 4 lit. d) cc), S. 191. Nach der bisherigen Rechtslage war ein wirksamer Abschluss von Abonnentenverträgen über das Internet nicht möglich. So hat beispielsweise das Landgericht München in seinem Urteil vom 13. 184 Das OLG München453 hatte sich im Rahmen einer Verbandsklage mit der Frage des Vertriebs von Zeitschriftenabonnements im Internet zu befassen und Gelegenheit, sich zur Wirksamkeit so geschlossener Verträge zu äussern. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der beklagte Verlag warb im November 1999 auf seiner Website für ein Zeitschriftenabonnement („Bunte“). Die wesentlichen Abonnementbedingungen waren auf der Website wiedergegeben. Über eine Bildschirmmaske konnte mittels einer formalisierten E-Mail ein Abonnement bestellt werden. Im Falle einer solchen – rechtlich als Vertragsangebot zu wertenden – Bestellung erhielt der Absender vom Verlag eine rechtlich als Annahme zu wertende „Auftragsbestätigung“, in der der Beklagte dem Kunden den Beginn der Lieferung ankündigte und ihn über die Abonnementlaufzeit informierte. Der Kläger ist ein Verband. Er macht geltend, ein solcher Abonnementvertrag sei mangels Einhaltung der gem. §§ 2 Nr. 2 , 3 , 4 Abs. 1 VerbrKrG erforderlichen Schriftform nach § 125 BGB nichtig. Da der Beklagte über den Abschluss täusche, nutze er die Rechtsunkenntnis des Endverbrauchers aus und verstosse gegen § 1 UWG. Das Gericht wies die auf Unterlassung gerichtete Klage, wie schon die Vorinstanz, ab. Der Rechtsstreit war, ohne Rücksicht auf früher geltende Rechtsvorschriften, ausschliesslich nach der im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung geltenden Rechtslage, insbesondere der Neufassung des VerbrKrG zu entscheiden. Danach bedarf der ein Zeitschriftenabonnement (ob dieses unter § 2 Nr. 2 oder Nr. 3 VerbrKrG einzuordnen ist, wird offengelassen) betreffende Vertrag nach § 4 Abs. 1 S. 1 VerbrKrG der Schriftform. Da § 2 VerbrKrG ausdrücklich auch § 8 Abs. 1 VerbrKrG n.F. verweist, können auch Zeitschriftenabonnementverträge von der Formerleichterung profitieren. Dabei ist unbeachtlich, dass § 8 Abs. 1 VerbrKrG seinem Inhalt nach nur Kreditverträge gemäss § 1 Abs. 2 VerbrKrG oder finanzierte Fernabsatzverträge gemäss § 4 Abs. 1 VerbrKrG betrifft, denn § 2 VerbrKrG ordnet nach dem klaren Wortlaut die entsprechende Anwendung von § 8 VerbrKrG auch auf diese Verträge an.454 Wären diese Verträge bereits in § 8 Abs. 1 VerbrKrG genannt, wäre der Verweis überflüssig.455 Das bedeutet: der Unternehmer 453 454 455 August 1998 (Urteil LG München - 7 O 22251/97) noch ausdrücklich festgestellt, dass die im VerbrKrG vorgeschriebene Schriftform für Abonnentenverträge bei Online-Verträgen nicht eingehalten sei, da es insbesondere an einer drucktechnisch deutlich gestalteten und gesondert unterschriebenen Belehrung im Sinne von § 7 Abs. 2 VerbrKG (alte Fassung) fehle. Urteil des OLG München vom 25.01.2001 – 29 U 4113/00 (nicht rechtskräftig) = NJW 2001, S. 2263 = ZIP 2001, S. 520 = ZUM 2001, S. 436 = CR 2001, S. 401. Die Revision wird beim BGH unter dem Az. I ZR 90/01 geführt. Das Urteil der Vorinstanz LG München vom 25.5.2000 – 17 HKO 21011/99 ist abgedruckt in CR 2001, S. 50. Vgl. Palandt/Heinrichs, § 2 VerbrKrG Rn 2, da es sich um keine Kreditgeschäfte nach § 1 Abs. 2 VerbrKrG handelt, finden die angegebenen Vorschriften des VerbrKrG nur entsprechende Anwendung, die anderen überhaupt nicht. A.A. Lorenz, NJW 2001, S. 2230. Das Urteil des OLG München, a.a.O., überschreite den Sinn der Verweisung auf § 8 VerbrKrG und mangels Gesetzeslücke die allgemeinen Grenzen der Analogie. § 2 VerbrKrG verweise hinsichtlich der dort erfassten Verträge nur auf § 4 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 VerbrKrG, nicht aber auf den Pflichtenkatalog des § 4 Abs. 1 S. 4 VerbrKrG. Da die genannten Informationspflichten, deren Erfüllung nach § 8 Abs. 1 VerbKrG durch die Übersendung eines dauerhaften Datenträgers substituiert wird, bei Verträgen nach § 2 VerbrKrG nicht bestehen, könnten diese ohne jede vorvertragliche Information geschlossen werden. Es sei unzulässig, zur Substitution der Formerfordernisse nach § 4 Abs. 1 in Analogie zu § 4 Abs. 1 Nr. 185 hat bei Teillieferungs- und Sukzessivlieferverträgen die Wahl. Will er, wie im vorliegenden Fall, auf die Einhaltung der Schriftform verzichten, muss er die in § 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 2 lit. a bis e bezeichneten Angaben dem Verbraucher so rechtzeitig auf einem „dauerhaften Datenträger“ zur Verfügung stehen, dass dieser die Angaben vor dem Abschluss des Vertrages eingehend zur Kenntnis nehmen kann. Das Gericht hatte sich deshalb eingehend mit der Frage zu befassen, welche Anforderungen nach § 8 Abs. 1 VerbrkrG an einen „dauerhaften Datenträger“ zu stellen sind, die nachfolgend untersucht wird.456 β) Das Widerrufs- und Rückgaberecht bestimmt sich bei finanzierten Fernabsatzverträgen grundsätzlich nach dem FernAbsG. Steht dem Verbraucher danach kein solches Recht zu, weil das FernAbsG nach § 1 Abs. 3 nicht angewendet werden kann oder das Widerrufsrecht nach § 3 Abs. 2 FernAbsG ausgeschlossen ist, wird er nicht schutzlos gestellt. In diesem Fall bestimmt § 8 Abs. 2 S. 2 VerbrKrG, ein subsidiäres Widerrufsrecht nach § 7 VerbrKrG. Zur Erleichterung des Fernabsatzes und des elektronischen Geschäftsverkehrs bedarf es keiner vom Verbraucher gesondert zu unterschreibenden Widerrufsbelehrung. Es ist vielmehr ausreichend, dass die nach § 361a Abs. 1 S. 3 BGB erforderliche Widerrufsbelehrung dem Verbraucher auf einem „dauerhaften Datenträger“ zur Verfügung steht. dd) Legaldefinition des Verbrauchers und Unternehmers Im Zuge der Neukonzeption der Verbraucherverträge als das Rechtsverhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher, wurden durch Art. 2 Abs. 1 FernAbsG Legaldefinitionen des Begriffs des Verbrauchers und des Unternehmers neu in den Allgemeinen Teil des BGB eingestellt. Inhaltlich entsprechen die Definitionen im wesentlichen denen der bisherigen Sondergesetze.457 Mit dem Inkrafttreten des FernAbsG zum 30.06.2000 gilt für den Begriff des Verbrauchers die Legaldefinition des § 13 BGB mit folgendem Wortlaut: „Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Geschäft zu einem Zweck abschliesst, das weder ihrer gewerblichen noch selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann“. Hinsichtlich des Merkmals der „gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit“ bleibt die Rechtslage gegenüber den früheren Definitionen unverändert: die gewerbliche Tätigkeit entspricht dem Gewerbebegriff in § 1 HGB, während die selbständige berufliche Tätigkeit jede andere Tätigkeit meint, die selbständig i.S.v. § 84 Abs. 1 S. 2 HGB 456 457 2 lit. a bis e VerbrKrG besondere formalisierte Informationspflichten zu „erfinden“, die für Teillieferungs- bzw. Sukzessivlieferverträge nach § 2 VerbrKrG gar nicht bestünden. Siehe unten § 2 VI 4 lit. d) cc), S. 191 ff. Vgl. für den Verbraucherbegriff z.B. §§ 1 Abs. 1 VerbrKrG, 24a AGBG, 1031 Abs. 5 ZPO, Art. 29 Abs. 1 EGBGB sowie sinngemäss §§ 6 Nr. 1 HWiG, 1 Abs. 1 TzWrG, jeweils in der alten Fassung, entscheidend ist, dass es sich um eine natürliche Person handelt und der Vertrag seinem Inhalt nach privater Natur ist; für den Unternehmerbegriff § 24 Nr. 1 AGBGB, sowie sinngemäss §§ 6 Nr. 1 HWiG, 6 Nr. 1 HWiG, 6 Nr. 1 HWiG jeweils in der alten Fassung. 186 ausgeübt wird, insbesondere die freiberufliche Tätigkeit.458 Der Begriff des Verbrauchers ist damit weiter als im europäischen Recht, wo jeder Bezug zu einer beruflichen Tätigkeit die Verbrauchereigenschaft aufhebt459. Die Abweichung ist durch die in allen Verbraucherschutz-Richtlinien enthaltene Option zur Ausdehnung des Verbraucherschutzes durch weitergehende nationale Massnahmen gestattet.460 Bei der Beschränkung des Verbraucherbegriffs auf den Abschluss von Rechtsgeschäften durch den Verbraucher, wie aus dem Wortlaut von § 13 BGB hervorgeht, handelt es sich um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers.461 Auf den Abschluss eines Vertrages kommt es nämlich nicht an. Der Verbraucher wird auch dann geschützt, wenn er nicht rechtsgeschäftlich handelt, sondern ihm eine unbestellte Sache zugesandt (§ 241a BGB) oder eine Gewinnzusage nach § 661a BGB gemacht wird, sowie wenn er auf Informationen des Unternehmers angewiesen ist (§ 2 FernAbsG, § 2 VerbrKrG). Den Unternehmer definiert § 14 BGB als eine „natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt“. Der weite, auch Freiberufler und Landwirte erfassende, Unternehmerbegriff ersetzt im Verbraucherrecht den Begriff des Kaufmanns und zugleich den Begriff des Gewerbetreibenden.462 Die Beschränkung auf den Abschluss von Rechtsgeschäften ist ebenso wie in § 13 BGB verfehlt.463 d) Informationspflichten aa) Vorvertragliche Informationspflichten α) Voraussetzung für den Lauf der regelmässigen Widerrufsfrist ist die Einhaltung bestimmter Informationspflichten. Nach § 2 Abs. 2 und 3 FernAbsG (künftig: § 312c Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 – 11 BGB-InfoV464) hat der Unternehmer umfassende Impressums- und Informationspflichten zu erfüllen. Er muss seinen Fernabsatzvertrag mit dem Verbraucher so gestalten, dass für letzteren der geschäftliche Zweck und die Identität des Unternehmers erkennbar sind. Der Verbraucher muss nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 – 8. FernAbsG rechtzeitig vor Abschluss 458 459 460 461 462 463 464 Riehm, Jura 2000, S. 505. Palandt/Heinrichs, § 13 Rn 3. Palandt/Heinrichs, § 13 Rn 3. Riehm, Jura 2000, S. 505, Palandt/Heinrichs, § 13 Rn 4 hält die Beschränkung für offensichtlich verfehlt. Entscheidend ist das Handeln des Verwenders in Ausübung einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit. Auch Einrichtungen der öffentlichen Hand sind neben den natürlichen und juristischen Personen sowie den rechtsfähigen Gesellschaften als Unternehmer zu qualifizieren, sofern sie privatrechtliche Verträge schliessen, Ulmer/Brandner/Hensen, § 24a Rn 18; Palandt/Heinrichs, § 14 Rn 2; ders., Einf. 40 vor § 305. Palandt/Heinrichs, § 14 Rn 4. Verordnung über Informationspflichten nach bürgerlichem Recht – BGB-InformationspflichtenVerordnung – BGB-InfoV vom 2.01.2002, BGBl. I, 342. 187 eines Fernabsatzvertrages entsprechend den Möglichkeiten der eingesetzten Fernkommunikationsmittel klar und verständlich informiert werden u.a. über: Identität und Anschrift des Unternehmers, wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung, über deren Preis einschliesslich aller Steuern und sonstiger Preisbestandteile, gegebenenfalls über zusätzlich anfallende Liefer- und Versandkosten, sowie über die Einzelheiten hinsichtlich der Zahlung, Lieferung und Erfüllung und insbesondere über das Bestehen eines Widerrufs- und Rückgaberechts nach § 3 FernAbsG sowie über die Gültigkeitsdauer des Angebots, insbesondere des Preises. β) Wie die ordnungsgemässe vorvertragliche Information zu erfolgen hat wird vom Gesetz nicht näher definiert. § 2 Abs. 2 FernAbsG stellt insoweit lediglich klar, dass die Informationen in einer „dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Art und Weise“ erfolgen müssen.465 Hier wird teilweise die Ansicht vertreten, dass die Konzeption der Hinweise als Hyperlink466 nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 2 Abs. 2 FernAbsG genüge, denn dieser besagt, dass der Unternehmer den Verbraucher „informieren“ muss. Ein blosser Link sei deshalb keine Information. Hyperlinks seien vielmehr die Vorstufe der Information, d. h. sie bieten lediglich die Möglichkeit, die relevanten Informationen zur Kenntnis zu nehmen. Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2 FernAbsG sei aber eine explizite Aufklärungsverpflichtung und nicht die blosse Bereitstellung der Informationen als vom Verbraucher wahrzunehmende Obliegenheit, diese zu lesen. Unterstellt, eine derartige Verpflichtung bestünde, wäre der Anbieter in der Konsequenz verpflichtet, zwingend eine sog. „Tunnelseite“ mit den nach § 2 Abs. 2 FernAbsG erforderlichen Hinweisen vor die Bestellung zu schalten, durch die der Verbraucher qua workflow467, d. h. durch die Ablauforganisation der Vorgänge und Geschäftsprozesse durch das Programm geleitet wird.468 Die zwingenden Vorschaltung einer vom Nutzer aufzurufen Website vor Abgabe seiner auf den Vertragschluss gerichteten 465 466 467 468 Vgl. Art. 4 Abs. 2 FARL. Textverweis in einem Internetdokument, der zu einer anderen Website bzw. einem anderen Text auf der gleichen Website führt. Workflow-Systeme unterstützen die Bearbeitung von Geschäftsvorgängen durchgehend nach definierten Regeln. Das bedeutet, dass Transaktionsabläufe in Schrittfolgen aufgegliedert werden, wobei jeder Transaktionsschritt im technischen System eine Zustandsveränderung bewirkt. In transaktionsorientierten Workflow-Systemen ist die Prozessfolge mit allen Varianten weitgehend abgebildet und es sind keine Eingriffe des Benutzers in den Transaktionsablauf vorgesehen. Die informationstechnische Abbildung der Prozesse stellt die korrekte Bearbeitungsreihenfolge sicher. Ende/Klein, Vertriebsrecht im Internet, S. 157 mit Verweis auf Gaertner/Gierschmann, DB 2000, S. 1602, die vorschlagen eine obligatorisch zu lesende und zu bestätigende Informationsseite einzurichten. 188 Erklärung wird in der Literatur auch unter dem Stichwort „Mehr-Fenster-Modell“ diskutiert.469 In diese Richtung hat auch das OLG Frankfurt470 entschieden. Dem Beschluss kommt dabei besondere Bedeutung zu, da es sich um eine der ersten obergerichtlichen Entscheidungen zum Fernabsatzgesetz handelt. Das OLG Franfurt plädiert der Sache nach für eine Zwangsführung des Nutzers: Der Unternehmer komme bei Fernabsatzverträgen seinen vorvertraglichen Informationspflichten nur nach, wenn der Nutzer die erforderlichen Informationen zwingend aufrufen muss, bevor er den Vertrag schliesst. Die nach § 2 Abs. 2 FernAbsG erforderlichen Angaben könnten ihre verbraucherschützende Wirkung nur erfüllen, wenn der Verbraucher in der Praxis gezwungen sei, diese aufzurufen, bevor er den Vertrag schliest. Die blosse Möglichkeit die Informationen über einen entsprechenden Hyperlink abzurufen reiche für eine klare und verständliche, dem Internet entsprechende Information nicht aus. γ) Die Ansicht des OLG Franfurt ist m.E. abzulehnen. Denn darauf, ob der Verbraucher die dargebotenen Information tatsächlich liest, hat der Anbieter auch bei der zwingenden Vorschaltung einer Informationsseite keinen Einfluss. Der Unternehmer hat jedoch nach dem Fernabsatzgesetz gerade nicht dafür einzustehen, dass der Kunde die in § 2 Abs. 2 FernAbsG genannten Informationen zur Kenntnis nimmt. Ein solches Verfahren widerspricht zudem der Intention des Gesetzgebers, den elektronischen Geschäftsverkehr zu fördern. Wer geringwertige Güter über das Internet erwerben möchte, will nicht zuvor einen mehrseitigen Text lesen müssen. Nach der Intention des Fernabsatzgesetzes soll der Verbraucher vielmehr in die Lage versetzt werden, die genannten Informationen unkompliziert zu erhalten, sofern er dies ausdrücklich wünscht. Dem Erfordernis ist daher genüge getan, wenn der Kunde deutlich auf die bereitgehaltenen Informationen hingewiesen wird. Nach der amtlichen Begründung des Gesetzgebers471 können die in § 2 FernAbsG vorgesehenen Informationen auch als Allgemeine Geschäftsbedingungen bzw. im Rahmen solcher übermittelt werden, die neben dem ausdrücklichen Hinweis auf deren Einbeziehung nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGBG nur eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme voraussetzen, um Vertragsbestandteil zu werden. Diese Ansicht wird weiter gestützt durch Art. 4 der Fernabsatzrichtlinie, deren Umsetzung § 2 FernAbsG dient. Danach muss der Unternehmer dem Verbraucher die Informationen lediglich „zur Verfügung stellen“. Die Bezugnahme auf das eingesetzte Kommunikationsmittel in der Regelung des § 2 Abs. 2 FernAbsG eröffnet deshalb nach der hier vertretenen Ansicht den Raum, dass sich der Anbieter zur Erfüllung der Informationspflichten auch der gängigen und internet-typischen Methode der 469 470 471 Mankowski, CR 2001, S. 771 mit Verweis auf Kröger in: D. Ehlers/Wolfgang Pünder [Hrsg.], Rechtsfragen des Electronic Commerce, Köln 2001, S. 111. Beschluss vom 17. April 2001 – 6 W 37/01,CR 2001, S. 781 m. Anm. Vehslage = JurPC Web.Dok. 135/2001 <http://www.jurpc.de/rechtspr/20010135.htm> (Stand: 7.12.2001). Amtliche Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung a.a.O. (Fn 414), S. 38. 189 Verlinkung bedienen kann. Sichergestellt werden soll, dass der Verbraucher die Informationen zur Kenntnis nehmen und eine informierte Entscheidung treffen kann. Das Argument eine Zwangsführung diene dem Interesse der Verbraucher und Unternehmer geht fehl.472 Die Frage ist nämlich nicht, welche Anforderungen an eine optimale Gestaltung der Benutzerführung zu stellen sind, sondern welche Intention der Gesetzgeber verfolgt. Hierbei ist die entsprechende nationale Bestimmung im Lichte der europäischen Fernabsatzrichtlinie auszulegen. Mag es auch – aus Gründen der Beweisssicherung - zweckmässig sein, den Verbraucher die Information vor Augen zu führen und per Mausklick die Kenntnisnahme der Information bestätigen zu lassen. Materiell-rechtlich ist dies jedoch nicht erforderlich.473 Die Richtschnurr bildet insoweit § 2 AGBG. Somit sind die gleichen Voraussetzungen erforderlich wie bei der Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen.474 Es ist nicht einleuchtend warum durch blossen Hinweis auf der Website und einen entsprechenden Hyperlink AGB wirksam in den Vertrag einbezogen werden können475, während dem Nutzer die Informationen nach § 2 Abs. 2 FernAbsG fast sklavisch vor Augen geführt werden sollen. Die Zwangsführung des Nutzers leistet, wie aufgezeigt mehr als erforderlich. Sie geht über die Minimalanforderung hinaus, nach der ein hinreichend gekennzeichneter und inhaltlich beschriebenerLink genügt. Das Optimum ist jedoch gerade nicht zwingend verlangt, sonder nur eine Minimalbelehrung.476 Damit kann als Ergebnis folgendes festgehalten werden: Die Pflichtinformationen nach § 2 Abs. 2 FernAbsG müssen weder auf der Website selbst stehen, noch muss der Nutzer diese zwangsweise abrufen, bevor er seine auf den Vertragsschluss gerichtete Erklärung abgibt. Ein entsprechender gekennzeichneter und optisch hervorgehobener Hyperlink ist ausreichend. Er hat den gleichen Anforderungen zu genügen, wie sie § 2 AGBG funktionell für die Einbeziehung von AGB aufstellt.477 δ) Die vorvertragliche Information des Nutzers selbst darf nach der Ratio des § 2 Abs. 2 FernAbsG zwar nicht mit dem Vertragsschluss zusammenfallen, sie kann jedoch, je nach Umständen des Einzelfalls, auch erst unmittelbar vor Vertragsschluss erfolgen, wenn dies im Hinblick auf den Umfang und die Bedeutung der Informationen für den Verbraucher angemessen ist. Nach der Begründung des Gesetzentwurfes478 ist es daher in der Regel als rechtzeitige und ausreichende Information anzusehen, wenn die Informationen etwa auf der Website im Internet 472 473 474 475 476 477 478 Mankowski, CR 2001, S. 771, der jedoch der Ansicht ist, die Zwangsführung gehe über die gesetzlichen Minimalanforderungen hinaus. Ring, § 2 FernAbsG Rn 128. Vehslage, CR 2001, S. 783; Ring, § 2 FernAbsG Rn 128. Vgl. zur Frage der Einbeziehung von AGB im Internet § 5, S. 326 ff. Mankowski, CR 2001, S. 772; Müko/Wendehorst, § 2 FernAbsG Rn 34. Mankowski, CR 2001, S. 775. Amtliche Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung a.a.O. (Fn 414), S. 38. 190 enthalten sind, aufgrund derer sich der Verbraucher zur Bestellung entschliesst und er auf diese Informationen vor dem Vertragsabschluss hingewiesen wurde. ε) Den Anforderungen an die Transparenz, d. h. der Klarheit und Verständlichkeit, müssen die Informationen in einer dem Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise genügen (§ 2 Abs. 2 S. 1 FernAbsG). Grundsätzlich ist m.E. davon auszugehen, dass die Anforderungen des Transparenzgebots denjenigen betreffend die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGBG entsprechen.479 Denn auch dieser Massstab bestimmt sich in Abhängigkeit von der jeweiligen Abschlusssituation.480 bb) Nachvertragliche Informationspflichten – Das Modell der gestuften Präzisierung Die genannten Informationen hat der Unternehmer gemäss Abs. 3 S. 1 dem Verbraucher alsbald nach dem Vertragsschluss, spätestens jedoch bis zur vollständigen Erfüllung des Vertrages, bei Waren spätestens bei Lieferung an den Verbraucher auf einem „dauerhaften Datenträger“ zur Verfügung zu stellen. Dabei muss der Verbraucher nach Abs. 3 S. 2 in „hervorgehobener und deutlich gestalteter Form“ über die Bedingungen und die Einzelheiten der Ausübung und Rechtsfolgen des Widerrufs- und Rückgaberechts (Nr.1) aufmerksam gemacht werden. Abs. 3 erwähnt weiterhin die Bekanntgabe einer ladungsfähigen Anschrift und die Anschrift eines Ansprechpartners, bei welchem der Kunde Beanstandungen hervorbringen kann (Nr. 2), sowie weitergehende Informationen über Kundendienst und Gewährleistungen und Garantiebedingungen (Nr. 3). Das Fernabsatzgesetz geht damit von einem Modell der gestuften Präzisierung der vom Anbieter zu leistenden Informationen aus. Zur Erfüllung der vorvertraglichen Informationspflichten reichen danach weniger präzise Angaben als nach Vertragsabschluss. Das ist plausibel z.B. für die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten. Möglicherweise wird damit auch Schwierigkeiten begegnet, die sich aus der Überfrachtung des Verbrauchers mit Informationen ergeben, die erst nach Vertragsabschluss für ihn interessant sind. Die Verlagerung (und Begrenzung der Informationen) auf den Zeitpunkt nach Vertragsschluss ist aber in mehrfacher Hinsicht problematisch: Die Verpflichtung, die Informationen alsbald zu erteilen, ist eine lex imperfecta. Dem Unternehmer entstehen keine Nachteile, wenn er die Informationen bis zur Auslieferung der Ware zurückstellt481. Die Rechtslage für den Zeitraum vor dem Vertragsabschluss wird dadurch nicht übersichtlicher. De lege lata enthalten bereits § 6 Teledienste-Gesetz (TDG)482 479 480 481 Ulmer/Brandner/Hensen, Anh. § 2 Rn 49b. Vgl. zum Parallelproblem bei § 2 AGBG, unten § 5 III, S. 337 ff. Palandt/Heinrichs, § 2 FernAbsG Rn 15. 191 und § 6 Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV)483 Vorschriften zur Anbieterkennzeichnung, die sich vom sachlichen Anwendungsbereich mit § 2 Abs. 2 Ziff. 1 und § 3 Abs. 2 Ziff. 2 FernAbsG überschneiden. Weitergehende Angaben sieht Art. 5 Abs. 1 der E-Commerce-Richtlinie484 vor, der einen Mindestkatalog an Transparenzverpflichtungen vorsieht, der über die bisher bestehenden Anforderungen des § 6 TDG hinaus geht. Dass diese Pflichten auch für den Fernabsatz gelten, ergibt sich aus § 2 Abs. 4 FernAbsG, wonach weitergehende Informationspflichten in anderen Gesetzen unberührt bleiben. Dies spricht m.E. dafür, die Informationspflichten vor Vertragsabschluss in denjenigen Medien, in denen dies keine Probleme mit sich bringt, wie z.B. dem Internet, mit den Pflichten nach § 6 TDG und MDStV zu harmonisieren, wobei die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift klarstellend ausdrücklich aufgenommen werden sollte. Die kollektive Durchsetzung von Verbraucherrechten wegen wettbewerbswidrigem Verhalten und Verstössen gegen das AGB und die Wahrnehmung hoheitlicher Aufsichtsrechte (z.B. der Datenschutzbehörden) wird erschwert, wenn eine ordentliche Anbieterkennzeichnung vor Vertragsabschluss nicht besteht. Die vertragliche Informationspflicht entfällt nach § 2 Abs. 3 S. 3 FernAbsG, wenn die geschuldete Dienstleistung unmittelbar unter Einsatz von Fernkommunikationstechniken erbracht wird, nur einmal erfolgen soll und vom Dienstanbieter abgerechnet wird. Bei einem solchen Vertrag, z.B. über den telefonischen Ansagedienste, muss sich der Verbraucher aber über die Anschrift der Niederlassung des Unternehmens informieren können, bei der er Beanstandungen vorbringen kann. Die Informationspflichten nach § 2 Abs. 2 FernAbsG bleiben hiervon unberührt. cc) Der Begriff des „dauerhaften Datenträgers“ Bei allen anderen Verträgen über die Lieferung von Waren und Erbringung von Dienstleistungen im Anwendungsbereich des Fernabsatzgesetzes (§ 1 FernAbsG) müssen die genannten Informationen zusätzlich zur Erfüllung der vorvertraglichen 482 483 484 Gesetz über die Nutzung von Telediensten – Teledienstgesetz vom 22. Juli 1997, BGBl. 1997 Teil I, 1870. Staatsvertrag über Mediendienste – Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV) vom 20. Januar/ 12. Februar 1997, (Baden-WürttGBl. 1997, 181; BayGVBl. 1997, 226; BerlGVBl. 1997, 360; BgbGVBl. 1997, 75; MVGBl. 1997, 242; NdsGVBl. 1997, 280; NWGVBl. 1997, 158; RhPFGVBl. 1997, 235; SaarlABl. 1997, 318; SachsGVBl. 1997, 500; SachsAnhGVBl. 1997, 572; SchlHGVBl. 1997, 318; ThürGVBl. 1997, 258). Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. EG 2000 Nr. L 178, S. 1 ff. vom 17. Juli 2000; vgl. nachfolgend § 3 IV, S. 267 ff. 192 Informationspflichten nach dem Vertragsschluss auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt werden. Beim Begriff des dauerhaften Datenträgers handelt es sich um einen Schlüsselbegriff des elektronischen Distanzvertriebs. Während die Fernabsatzrichtlinie diesen Begriff nicht näher definiert, enthält § 361a Abs. 3 BGB eine Legaldefinition. Erforderlich ist de lega lata der Zugang einer Urkunde oder einer anderen lesbaren Form, die die inhaltlich unveränderte Wiedergabe485 für eine den Erfordernissen des Rechtsgeschäfts entsprechenden Zeitraum erlaubt. α) Der Begriff des dauerhaften Datenträgers wird in Art. 5 Abs. 1 der Fernabsatzrichtlinie sowie in § 361a Abs. 2 BGB in Ergänzung des Begriffes „schriftlich“ bzw. als Ersatz des in anderen Richtlinien vorkommenden Begriffes des „Schriftstückes“486 im Zusammenhang mit Informationsübermittlungspflichten verwendet, um einerseits der technischen Entwicklung, die zunehmend auf papiergebundene Informationsübermittlung verzichtet, gerecht zu werden, jedoch andererseits trotzdem einen angemessenen Verbraucherschutz zu gewährleisten. Damit wird zunächst klargestellt, dass die Information des Verbrauchers nicht zwingend schriftlich erfolgen muss, sondern auch auf andere, funktionsäquivalente Weise erfolgen kann.487 Konsequenterweise verzichtet das FernAbsG deshalb vollständig auf die Begriffe „schriftlich“ oder „Schriftstück“ und verwendet stattdessen den Begriff des dauerhaften Datenträgers als Oberbegriff. Die Umschreibung orientiert sich insofern am Zweck des dauerhaften Datenträgers. Mit dem Zugang der Informationen auf einem dauerhaften Datenträger beginnt vor allem die Widerrufsfrist des § 3. Dieser Anknüpfungspunkt ist in der Richtlinie gewählt worden, weil der Verbraucher in der Lage sein soll, sich über den Inhalt „seines“ konkreten Vertrages zu informieren, um sich dann zu entscheiden, ob er an ihm festhalten will oder nicht. „Ferner soll durch den dauerhaften Datenträger gewährleistet werden, dass der Verbraucher auch nach Vertragserfüllung noch über [richtig wohl: auf] die wesentlichen Vertragsinformationen, insbesondere die in Absatz 3 genannten Informationen, zurückgreifen kann, beispielsweise um Gewährleistungsrechte geltend machen zu können“488. Die Informationsübermittlung auf einem dauerhaften Datenträger im Sinne der Fernabsatzrichtlinie und des Fernabsatzgesetzes muss dem Verbraucher demnach diese Möglichkeiten bieten. Dazu muss der Inhalt nicht etwa in Schriftform im Sinne des § 126 BGB festgehalten werden, denn dies würde nicht nur eine schriftliche Fixierung auf Papier, sondern 485 486 487 488 Statt „Wiedergabe“ muss es wohl besser „Kenntnisnahme und Prüfung“ heissen, Palandt/Heinrichs, § 361a BGB Rn 25. Siehe z. B. Artikel 3 der Timesharing-Richtlinie 94/47/EG, a.a.O (Fn 422). Art. 5 FARL trägt nicht ganz konsistent die Überschrift „Schriftliche Bestätigung der Information“. Amtliche Begründung des Gesetzentwurfs, a.a.O. (Fn 414), S. 40. 193 zugleich auch noch eine eigenhändige Unterzeichnung voraussetzen. Diese hat jedoch für den Informationswert keine Bedeutung. Der Fernabsatz, insbesondere der elektronische Geschäftsverkehr, soll nicht in größerem Maße durch formale Informationsanforderungen belastet werden, als dies zum Schutz des Verbrauchers unbedingt notwendig ist.489 Ausreichend aber nicht notwendig ist ein Schriftstück, das die Informationen enthält. Durch die Verwendung des Begriffs der Urkunde in Anlehnung an § 126 BGB, wird deutlich gemacht, dass nicht die Unterschrift, sondern lediglich eine schriftliche Fixierung der Informationen gefordert wird. β) Die Informationen müssen für den Verbraucher überdies unter Berücksichtigung seiner konkreten Möglichkeiten lesbar sein und in einem gängigen Dateiformat übermittelt werden. Das Medium als solches wird nicht näher bestimmt. Den Anforderungen des FernAbsG ist genüge getan, wenn sichergestellt ist, dass die Informationen dem Verbraucher in einer für ihn lesbaren Form zugehen, die ihm eine inhaltlich unveränderte Wiedergabe der Informationen erlaubt. Als Medium kommen auch elektronische Medien, wie z. B. Disketten oder CD-ROM in Betracht: Dabei sind die subjektiven Verhältnisse des Nutzers unter Berücksichtigung des für die Bestellung benutzten Mediums zu berücksichtigen. Es reicht beispielsweise nicht, wenn der Unternehmer dem Verbraucher die Informationen elektronisch in Dateiformaten zu übermitteln, die er nicht „lesen“ bzw. problemlos konvertieren kann, oder ihm eine CD-ROM zu schicken, wenn er keinen Computer mit CD-ROMLaufwerk besitzt. Dies wird in der Praxis nur selten der Fall sein, da die Ausstattung von PC mit einem CD-ROM Laufwerk heute zum Standard gehört. In der Regel verfügt der Nutzer deshalb über die Möglichkeit einen solche Datenträger zu lesen. Diese können dem Verbraucher nach dem FernAbsG zwar grundsätzlich bei Lieferung körperlich übergeben werden, was beim Fernabsatz über das Internet aber kaum sinnvoll ist. Überdies wäre die Diskette oder CD-ROM in diesem Fall ein schlichtes Substitut zur schriftlichen Bestätigung der Informationen. Ziel ist es, dem Verbraucher einerseits die Möglichkeit zu geben, sich über den Inhalt des geschlossenen Vertrages hinreichend zu informieren, anderseits will sich die Regelung aber nicht dem technischen Fortschritt versperren. Der Unternehmer soll beim Vertrieb im Rahmen des Fernabsatzes dem Verbraucher zweckmäßigerweise die notwendigen Informationen auch per E-Mail oder in einer ähnlichen Weise per Datenfernübertragung zuleiten können, wenn sichergestellt ist, dass sie dem Verbraucher in einer ausreichend „dauerhaften“ Form zugehen. Bei E-Mails ist dies beispielsweise dann gewährleistet, wenn sie auf einem Server beim Online-Provider des Verbrauchers abrufbar sind und der Verbraucher die E-Mail-Adresse dem Empfang rechtsgeschäftlicher Erklärungen gewidmet hat. Darauf, dass die Information vom Verbraucher tatsächlich abgerufen und zur Kenntnis genommen werden, kommt es, wie im Rahmen dieser Arbeit aufgezeigt wurde, nicht an. 489 Amtliche Begründung des Gesetzentwurfs, a.a.O. (Fn 414), S. 40. 194 γ) Die Übermittlung der Information als solche wird in Art. 2 Abs. 3 FernAbsG nicht geregelt. § 361a Abs. 3 S. 1 BGB spricht ausdrücklich davon, dass die Informationen und Erklärungen dem Verbraucher zur Verfügung gestellt sind, wenn sie ihm in einer Urkunde oder einer anderen lesbaren Form „zugegangen“ sind. Zugang ist hier im gleichen Sinne gemeint wie in § 130 BGB. Es kommt also entscheidend darauf an, dass die Informationen den Verbraucher mittels der gewählten Übermittlungsform auch tatsächlich erreichen können; der Zeitpunkt des Zugangs richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen490. Dies gilt auch für das Informationsangebot im Internet. Allein das Bereithalten der Informationen auf dem Server des Unternehmers reicht nicht, um von einem „zur Verfügung stehen auf einem dauerhaften Datenträger“ zu sprechen.491 Der Weg, die Informationen ins Internet zu stellen und den Verbraucher aufzufordern, den Text herunterzuladen oder auszudrucken, ist für Unternehmen kein praktikabler Weg. Allein durch das Bereithalten, etwa auf der Website des Unternehmens, ist weder ausreichend sichergestellt, dass sich der Verbraucher die Informationen „herunterlädt“, d. h. das die genannten Informationen dem Verbraucher auch tatsächlich zur Verfügung stehen, noch dass die Informationen nach Vertragsschluss weiterhin und inhaltlich unverändert zur Verfügung stehen (§ 361a Abs. 3 S. 2 BGB)492. Von einem entsprechenden Zugang kann erst geredet werden, wenn sich der Verbraucher die Informationen im Einzelfall tatsächlich auf seine Festplatte heruntergeladen oder ausgedruckt hat. Beim „reinen“ OnlineGeschäft kann den gesetzlichen Vorgaben genüge getan werden, wenn dem Verbraucher vor dem Herunterladen der virtuellen Güter (bspw. Software, Musik) einen – ohne weitere Zusatzprogramme lesbaren –Text mit den erforderlichen Informationen herunterladen und bestätigen muss, um an das bestellte Produkt zu gelangen. Auch die Variante, die auf dem Bildschirm erschienen Informationen auszudrucken und den Verbraucher den Ausdruck bestätigen zu lassen, ist ein gangbarer Weg.493 Denkbar ist auch, dass der Unternehmer die Informationen zum Abruf bereithält und durch den workflow des Programms unter Einsatz besondere Programmteile (sog. Applets) sichergestellt wird, dass eine reproduzierbare Speicherung auf dem Rechner des Nutzers oder der Ausdruck tatsächlich erfolgt sind.494 Die automatisch generierte Speicherung auf Veranlassung des Anbieters genügt den Anforderungen des Abs. 3. Für den Unternehmer ist es wichtig, dass er den Vorgang des Zugangs, der nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zu beurteilen ist, dokumentiert. Er trägt im Streitfall die Beweislast dafür, dass dem Verbraucher die Informationen auf einem dauerhaften Datenträger zugegangen sind.495 Die Wahl der hierfür geeigneten Mittel hat der Gesetzgeber dem Unternehmer überlassen. 490 491 492 493 494 495 Vgl. hierzu die Ausführungen in § 2 V, S. 108 ff. Palandt/Heinrichs, § 361a BGB Rn 26, Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucksache 14/3195, S. 31. So auch Wiebe, Internet-Auktionen, S. 93 Rn 102. Ende/Klein, Vertriebsrecht im Internet, S. 176. Riehm, Jura 2000, S. 509. Palandt/Heinrich, § 2 FernAbsG Rn 14. 195 Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass die blosse Möglichkeit des Verbrauchers, die Informationen im Internet herunterzuladen und auszudrucken, den Anforderungen des Gesetzes genügen soll.496 Andernfalls habe es der Verbraucher in der Hand, durch Unterlassen dafür zu sorgen, dass der Unternehmer seine Informationspflichten nicht nachkommt, mit der Folge, dass dieser das Widerrufsrecht nach Belieben verlängern könnte.497 Diese Ansicht verkennt den Schutzzweck von Art. 2 Abs. 2 und 3 FARL. Der Verbraucher soll nach dem Vertragsschluss im Fernabsatz dauerhaft in die Lage versetzt werden, den Inhalt der vertraglichen Regelung zu prüfen, um ggf. von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen zu können. Das bedeutet, die Informationen müssen in den Machtbereichs des Verbrauchers gelangen.498 Dies ist, wie im Rahmen dieser Arbeit untersucht wurde, der Fall, wenn die bestätigende E-Mail vom Verbraucher nach ihrem Eingang in der Mailbox beim Provider abgerufen werden kann, nicht aber, wenn die erforderlichen Informationen auf der Website des Unternehmens zum Abruf bereitgehalten werden. Folgerichtig unterscheidet Art. 2 FernAbsG zwischen Informationspflichten vor Abschluss des Vertrages (Abs. 2) und solchen nach Abschluss des Vertrages (Abs. 3). Liesse man die blosse Möglichkeit des Herunterladens (Download) zu, ohne dass gleichzeitig der Zugang der Information beim Verbraucher sichergestellt ist, würde die Unterscheidung von Abs. 2 und Abs. 3 sinnlos. δ) Ferner muss sichergestellt sein, dass die Informationen vom Unternehmer a posteriori nicht mehr verändert werden können. Erforderlich ist nach dem Schutzzweck des § 2 Abs. 3 FernAbsG, ein Mindestmass an „inhaltlicher Resistenz“ gegen Manipulation der Informationen durch den Unternehmer oder von Seiten Dritter. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Informationen auf dem Datenträger überhaupt nicht geändert werden können. Entscheidend ist vielmehr, dass zumindest der Unternehmer die Informationen nicht mehr verändern kann, weil er inzwischen keinen Zugriff mehr auf den dauerhaften Datenträger hat, auf dem die Informationen abgespeichert sind. Insofern kommen also nicht nur „read-only“ Medien, wie z. B. CD-ROM, sondern auch überschreibbare Medien wie Disketten 496 497 498 Der Bundesverband deutscher Banken hat in seiner Stellungnahme vom 20.03.200 zum Entwurf des FernAbsG gefordert, dass es dem Anbieter, der die Information zum download bereithalte, aus Beweissicherungsgründen möglich sein müsse, vom Verbraucher eine signierte Empfangsbestätigung über den Zugang der Informationen einzuholen. Gleichzeitig sollte § 11 Nr. 15 AGB-Gesetz geändert werden, um auch elektronisch signierte Empfangsbekenntnis rechtlich anzuerkennen, abzurufen unter <http://www.fernabsatzgesetz.de/> (Stand: 10.09.2001). Stellungnahme des Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) vom 3.09.1999 zum Referentenentwurf des Fernabsatzgesetzes, abzurufen unter: <http://www.vdz.de/ doku/index.asp?section=5&id=116> (Stand: 10.09.2001). Der Abruf und das Herunterladen der Informationen aus dem Internet kann ausnahmsweise ausreichen, wenn der Verbraucher die Informationen bei sich auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. der Festplatte) abspeichert oder ausdruckt. Der Unternehmer trägt in diesem Fall das Risiko dafür, dass dem Verbraucher die Informationen tatsächlich übermittelt werden, d. h. von diesem abgerufen werden, weswegen das Verfahren kaum praxistauglich ist. 196 und Festplatten in Betracht, soweit sie dem Zugriff, sei es physisch oder online, durch den Unternehmer entzogen sind.499 Auch aus diesem Grund reicht das Zugänglichmachen der Information auf der Website des Unternehmens nicht aus. „Diese liegen zwar auf einem dauerhaften Datenträger vor, auf welchen der Verbraucher (via Internet) zugreifen kann, jedoch behält der Unternehmer die Information in seinem Machtbereich (Schreibzugriff) und kann sie nachträglich manipulieren“500, indem etwa unrichtige oder unvollständige Informationen auf der Website korrigiert werden. ε) Die Informationen oder Erklärungen des Verbrauchers müssen dem Verbraucher ferner für eine den „Erfordernissen des Rechtsgeschäfts entsprechende Zeit“ zur Verfügung stehen. „Dauerhaft“ im Sinne der Richtlinie und des Fernabsatzgesetzes bedeutet eben nicht etwa „ewig“, sondern lediglich für einen angemessenen Zeitraum.501 Welcher Zeitraum angemessen ist bzw. den Erfordernissen des Rechtsgeschäfts, entspricht ist im Einzelfall zu bestimmen. Dabei dürfte als Faustregel gelten: Je grösser die Bedeutung des Rechtsgeschäfts, desto länger muss eine Wiedergabe der elektronisch übermittelten und gespeicherten Informationen möglich sein, mindestens jedoch für die Dauer des Widerrufsrechts. Auch Disketten, Festplatten oder andere digitale Datenträger, deren Lebensdauer zeitlich zweifellos begrenzt ist, reichen aus. Flüchtige Speichermedien, wie z. B. der Arbeitsspeicher eines Computers, der beim Abschalten gelöscht wird, kommen jedoch nicht in Frage. Die automatische und nicht ohne weiteres reproduzierbare, temporäre Speicherung durch den Internet-Browser im sog. „cache“ reicht keinesfalls aus.502 Caching ist ein spezielles Speicher-Subsystem, in dem häufig angeforderte Daten zum Zwecke einer hohen Zugriffsgeschwindigkeit zwischengespeichert (gepuffert) werden. Diese Art der Speicherung dient der Erhöhung der Leistungsfähigkeit und Geschwindigkeit von digitalen Netzwerken; es handelt sich dabei nicht um eine weitere Form der Nutzung der gespeicherten Informationen. Will der Unternehmer nicht das Risiko einer 4monatigen Widerrufsfrist (§ 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 FernAbsG) eingehen, muss er Vorkehrungen treffen, um auch in diesem Fall den aus Verbraucherschutzgründen notwendigen Zugang der Informationen auf einem dauerhaften Datenträger beim Verbraucher ausreichend beweisen zu können. Dies gilt auch für das Erfordernis, dass die Wiedergabe der Informationen dem Verbraucher inhaltlich unverändert möglich sein muss. In jedem Fall trifft den Unternehmer nach dem klaren Wortlaut von § 361a Abs. 3 S. 2 BGB die Beweislast für den Informations- und Erklärungsinhalt. 499 500 501 502 Vgl. Amtliche Begründung des Gesetzentwurfs, a.a.O. (Fn 414), S. 40. Lorenz, NJW 2001, S. 2231. Vgl. Amtliche Begründung des Gesetzentwurfs, a.a.O. (Fn 414), S. 40. Lorenz, NJW 2001, S. 2231, Fn 10. 197 ζ) In Widerspruch hierzu steht das eingangs erwähnte Urteil des OLG München503, wonach eine im Internet aufgerufene, auf dem Bildschirm sichtbar gemachte Homepage den Anforderungen genügen soll, die nach § 8 Abs. 1 VerbrKrG an einen dauerhaften Datenträger zu stellen sind. Der Begriff der inhaltlich unveränderten Wiedergabe der Information für eine den Erfordernissen des Rechtsgeschäfts entsprechende Zeit, sei nach Ansicht des Gerichts im Sinn der jeweiligen Bestimmung, in der die Vorschrift Anwendung findet, auszulegen. Auch bei einer elektronischen Bestellung, die auf den gem. § 8 Abs. 1 VerbrKrG mitgeteilten Informationen beruht, ist der Unternehmer zur Erteilung der nachvertraglichen Informationen nach § 2 Abs. 3 FernAbsG auf einem dauerhaften Datenträger verpflichtet. Hierfür gelten die oben genannten Kriterien. Anders liege die Situation jedoch bei der Erfüllung der vorvertraglichen Informationspflichten nach § 8 Abs. 1 VerbrKrG. Der Unternehmer müsse diese in lesbarer Form lediglich so zur Verfügung stellen, dass der Verbraucher diese vor Abschluss des Vertrages eingehend zur Kenntnis nehmen könne; ihre Verfügbarkeit über den Zeitpunkt der Abgabe des Angebots sei nicht erforderlich. Es stehe dem Verbraucher frei, die im Internet verfügbaren Informationen lokal auf der Festplatte zu speichern, um sie für eine seinen Bedürfnissen entsprechende und ausschliesslich von seinen Wünschen abhängige Zeit verfügbar zu machen. Die Ansicht des OLG München ist abzulehnen. Sie widerspricht sowohl dem eindeutigen Wortlaut als auch der Intention des § 8 Abs.1 VerbrKrG, der durch das Fernabsatzgesetz geändert wurde. Der Begriff des dauerhaften Datenträgers ist in § 361a Abs. 3 BGB legaldefiniert. Er hat seinen Ursprung in Art. 5 der Fernabsatzrichtlinie und wird ausser in § 8 Abs. 1 und 2 VerbrKrG und §§ 2 Abs. 3 S. 1, 3 Abs. 1 S. 2 FernAbsG einheitlich in § 361a Abs. 1 S. 2 BGB (Widerruf) und S. 3 (Widerrufsbelehrung) sowie von § 361b Abs. 1 Nr. 3 BGB (Einräumung eines Rückgaberechts) und Abs. 2 S. 3 (Ausübung des Rücknahmeverlangens) verwandt. Der dauerhafte Datenträger muss, wie aufgezeigt, für einen angemessenen Zeitraum die unveränderte Wiedergabe bzw. Kenntnisnahme und Prüfung der Informationen ermöglichen. Notwendig ist deshalb stets der Zugang eines Textes in lesbarer Form.504 Dem Verbraucher steht nach der ratio legis ein dauerhafter Datenträger nur dann zur Verfügung, wenn die wesentlichen (Vertrags-) Informationen für den gesamten, den Erfordernissen des Rechtsgeschäfts entsprechenden Zeitraum dem Manipulationszugriff durch den Informationsgeber entzogen sind, dieser also keinen Schreibzugriff besitzt und ihm diese zugegangen, d. h. in seinen Machtbereich gelangt sind. Entgegen der Ansicht des OLG München, macht § 8 Abs. 1 VerbrKrG hiervon keine Ausnahme, wie ein Vergleich mit Abs. 2 zeigt.505 8 Abs. 1 substituiert 503 504 505 OLG, München a.a.O. (Fn 453). Palandt/Heinrichs, § 361a BGB Rn 25. § 8 Abs. 2 S. 2 VerbrKrG gewährt ein subsidiäres Widerrufsrecht nach § 7 VerbrKrG für Verträge, für die nach dem Fernabsatzgesetz kein Widerrufsrecht besteht. In diesem Fall bedarf es, zur Erleichterung des Fernabsatzes und des elektronischen Handels keiner vom Verbraucher gesondert unterschriebenen Belehrung. Es ist vielmehr ausreichend, dass die nach 198 das Schriftformerfordernis nach § 4 VerbrKrG. Deshalb müssen dem Verbraucher vor Abschluss von Kreditgeschäften (§ 1 Abs. 2 VerbrKrG) und finanzierten Fernabsatzverträgen (§ 4 Abs. 1 FernAbsG) die dort genannten Informationen in lesbarer Form zugehen. Das gilt entgegen der Ansicht von Lorenz506 auch bei Zeitschriftenabonnements, für die diese Informationspflichten eigentlich nicht bestehen. Nur der Zugang eines Funktionsäquivalents rechtfertigt die Formerleichterung. Die blosse Bereitstellung von Informationen auf der Website des Unternehmers genügt deshalb nicht. Die Revision beim BGH507 darf mit Spannung erwartet werden. η) Die Schuldrechtsreform508 schafft den Begriff des dauerhaften Datenträgers ab und ersetzt ihn durch die Textform des § 126b BGB509. § 126b BGB [Textform] Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss die Erklärung, einem anderen gegenüber so abgegeben werden, dass sie in Schriftzeichen lesbar, die Person des Erklärenden angegeben und der Abschluss der Erklärung in geeigneter Weise erkennbar gemacht ist. Die dargelegten Überlegungen hinsichtlich der Anforderungen an einen dauerhaften Datenträger gelten gleichermassen auch für die Textform. Die Textform ist lediglich Substitut und ebenso wie der Begriff des dauerhaften Datenträgers richtlinienkonform auszulegen. dd) Zwischenergebnis Nach § 2 FernAbsG muss unterschieden werden zwischen vorvertraglichen Informations- und Impressumspflichten und solchen, die unmittelbar nach Vertragsschluss, bei Waren spätestens mit der Lieferung zu erfüllen sind. Diese treten kumulativ neben die anderen gesetzlich bestehenden Informationspflichten. Die nach § 2 Abs. 2 FernAbsG notwendigen Angaben kann der Unternehmer durch eine Verlinkung und einen entsprechenden Hinweis auf der Website, aufgrund derer sich der Verbraucher zur Bestellung entschliesst, dem Verbraucher zur Verfügung stellen. Eine explizite Aufklärung oder Kenntnisnahme ist nicht erforderlich. Nach Abschluss des Fernabsatzvertrages muss der Unternehmer dem Verbraucher die 506 507 508 509 § 361a Abs. 1 S. 3, 4 BGB (s.o.) erforderliche Belehrung über das Widerrufs- bzw. Rückgaberecht dem Verbraucher auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung steht und nicht gesondert unterschrieben werden muss. Lorenz, NJW 2001, S. 2030, vgl. oben Fn 455. Die Revision wird beim BGH unter dem Az. I ZR 90/01 geführt. Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001, BGBl. I, 3138. Eingefügt in das BGB durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den moderenen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001, BGBl. I, 1542. 199 Informationen auf einem dauerhaften Datenträger übermitteln. Darunter ist nach der Legaldefinition des § 361 Abs. 3 BGB der Zugang einer Urkunde oder einer anderen lesbaren Form erforderlich, die dem Verbraucher für einen angemessenen Zeitraum die inhaltlich unveränderte Wiedergabe erlaubt. Schriftlichkeit ist nicht erforderlich. Den Erfordernissen des § 2 Abs. 3 FernAbsG, wie auch des § 8 Abs. 1 VerbrKrG genügt daher die Übersendung eines elektronischen Speichermediums wie einer Diskette oder CD-ROM, aber auch die Übermittlung per E-Mail, Briefpost oder Telefax. Anders als bei den vorvertraglichen Informationspflichten genügt das blosse Bereitstellen der Informationen im Internet zum herunterladen nicht. Aus der Sicht des Unternehmers ist der Lieferschein nach wie vor das sicherste Mittel für die ordnungsgemässe Information. Dem Unternehmer entstehen keine Nachteile, wenn er die Informationen bis zur Auslieferung der Ware zurückstellt. Aber das Ergebnis der Verwendung des Begriffs „dauerhafter Datenträger“ kann nicht sein, dass bei Online-Distanzverträgen letztlich die Information stets „offline“ übermittelt wird. Für Dienstleistungen kommt diese Variante der Kundeninformation ohnehin nicht in Betracht. Hier muss ausserhalb der Papierform nach anderen geeigneten Möglichkeiten der Information gesucht werden. Dabei gilt es zu beachten, dass nach § 2 Abs. 3 S. 1 FernAbsG der Verbraucher auf bestimmte Informationen, wie das Widerrufsrecht, die ladungsfähige Anschrift und Gewährleistungsrechte sowie Garantiebedingungen hervorgehoben und in deutlich gestalteter Form aufmerksam gemacht werden muss. Ob die E-Mail übersichtlich gestaltet ist, hängt vom konkreten Einzelfall ab. Für graphische Hervorhebung in einer Text-E-Mail gibt es nur beschränkte Möglichkeiten. Nach der hier vertretenen Ansicht ist der Empfänger aufgrund der potentiellen Gefährlichkeit nicht verpflichtet, den Empfang von graphischen HTML-E-Mails sicherzustellen.510 Nach § 361a Abs. 3 S. 2 BGB trifft in jedem Fall die Beweislast für den Informations- und Erklärungsgehalt den Unternehmer. Die Begriffsbestimmung in § 361a Abs. 3 ist für die weitere technische Entwicklung im Bereich der Speicherung von Informationen hinreichend offen.511 510 511 Vgl. zum Parallelproblem der berechtigten Annahmeverweigerung, die den wirksamen Zugang verhindert, weil dem Empfänger der Zugriff auf die Erklärung nicht zugemutet werden kann; oben § 2 V 4 lit. c) bb), S. 137. Anders als bei der berechtigten Annahmeverweigerung geht die HTML-E-Mail mit der Ablage in der Mailbox dem Empfänger zwar zu, es fehlt jedoch an der zumutbaren Möglichkeit der Kenntnisnahme. M.E. verstossen HTML-formatierte E-Mails deshalb gegen das Transparenzgebot nach § 2 Abs. 2 S. 1 FernAbsG, das auch für die vertraglichen Informationspflichten nach Abs. 3 gilt. Ende/Klein, Vertriebsrecht im Internet, S. 175. 200 e) Das Widerrufsrecht nach § 361a BGB i. V. m. § 3 FernAbsG aa) Die dogmatische Konstruktion α) Die Konstruktion des Widerrufsrechts ist in den verschiedenen verbraucherprivatrechtlichen Sondergesetzen bisher nicht einheitlich gewesen. Die Begrifflichkeiten der europäischen Richtlinie, die von „Rücktritt“ (Art. 5 Abs. 1 Haustürgeschäfterichtlinie, Art. 5 Abs. 1 Time-Sharing Richtlinie) und „Widerruf“ (Art. 6 FARL) sprechen, lassen den Mitgliedsstaaten freie Wahl bei der Konstruktion des Modells, das die Loslösung vom Vertrag erlaubt, sofern das Richtlinienziel erreicht wird. Die (alten) § 1 HWiG, § 5 TzWrG und § 7 VerbrKrG folgten dem Modell der schwebenden Unwirksamkeit. Die Ausübung des Widerrufsrechts hinderte das wirksame Zustandekommen des Vertrags512 und führte nicht zum nachträglichen Erlöschen eines bereits mit Annahme des Antrags wirksam zustandegekommenen Vertrags. Die Vollwirkungen des Vertrages treten deshalb trotz übereinstimmender Willenserklärung erst mit Fristablauf ein. Es gibt also zunächst noch keinen wirksamen Vertrag und mithin weder Erfüllungs-, noch Gewährleistungs- oder Ansprüche auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung.513 Sie können erst nach Ablauf der Widerrufsfrist und Nichtausübung des Widerrufsrechts entstehen.514 Bis zur Ausübung des Widerrufs besteht ein Schwebezustand für beide Parteien. Jedoch begründet der Schwebezustand im Interesse des Verbraucher nur eine relative Unwirksamkeit in dem Sinne, dass zwar der Verbraucher keiner Vertragsbindung unterliegt, wohl aber der andere Teil.515 Der Widerruf selbst beseitigt den Schwebezustand und ist deshalb eine einseitige Gestaltungserklärung. β) Dem § 4 Fernunterrichtsgesetz (FernUSG)516 hingegen liegt das Modell der schwebenden Wirksamkeit zugrunde. Danach ist der Verbraucher nicht mehr an seine Willenserklärung gebunden, wenn er sie wirksam widerruft. Bis dahin ist der Vertrag wirksam und begründet Erfüllungsansprüche. Die Konstruktion der schwebenden Wirksamkeit ist derjenigen einer auflösenden Bedingung nach § 158 Abs. 2 BGB nachgebildet. 512 513 514 515 516 Vgl. beispielhaft § 1 Abs. 1 HWiG: „Eine auf den Abschluss eines Vertrages (...) gerichtete Willenserklärung (...) wird erst wirksam, wenn sie der Kunde nicht binnen einer Frist von einer Woche schriftlich widerruft“. BGHZ 119, 283, 298 = BGH NJW 1993, S. 64; BGH, NJW 1996, S. 2367. Der Zustand der schwebenden Unwirksamkeit nach dieser Regelung unterscheidet sich wesentlich von der schwebenden Unwirksamkeit, wie sie im Minderjährigenrecht nach § 108 Abs. 2 BGB geläufig ist: Dort tritt mit der Genehmigung rückwirkende Wirksamkeit des Vertrages ein (§ 184 Abs. 1 BGB), während nach § 1 HWiG, § 5 TzWrG und § 7 VerbrKrG die Willenserklärung erst ab dem Zeitpunkt des Fristablaufs wirksam werden; vgl. Bülow/Artz, NJW 2000, S. 2051. Soergel/Wolf, § 145 Rn 30. Gesetz über den Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (Fernunterrichtsschutzgesetz) vom 24. August 1976, BGBl. I, 2525, in der Neufassung vom 04.12.2000, BGBl. I, 1670. 201 γ) Die Regelung in § 3 Abs. 1 FernAbsG verweist hinsichtlich des Widerrufsrechts auf § 361a BGB. Hierbei handelt es sich um eine Blankettnorm, die Wesen, Voraussetzungen und Folgen des Widerrufs bestimmt, aber nicht selbst anordnet517. Diese Funktion übernehmen die verbraucherprivatrechtlichen Sondergesetze, die auf § 361a BGB verweisen. § 361a Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt, was das Widerrufsrecht rechtlich bedeutet. Unter Übernahme der Konstruktion von § 4 Fernunterrichtsgesetz ordnet er an, dass ein „Verbraucher, dem durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt ist, nicht mehr an seine auf den Abschluss eines Vertrages mit einem Unternehmer gerichtete Willenserklärung gebunden ist, wenn er sie fristgerecht widerrufen hat“. Nach der amtlichen Begründung wird durch § 361a Abs. 1 S. 1 BGB die schwebende Wirksamkeit für alle Verbraucherverträge518 eingeführt.519 Der Referentenentwurf zum Fernabsatzgesetz520 von Mai 1999 sah in § 4 Abs. 1 ursprünglich folgende Regelung vor: „Auf den Widerruf finden, soweit im folgenden nichts abweichendes bestimmt wird, § 3 und § 4 des Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften entsprechende Anwendung. An die Stelle der Belehrung nach § 2 jenes Gesetzes tritt die Information nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1. Der Unternehmer kommt spätestens in Verzug, wenn er seine Erstattungspflicht nicht binnen eines Monats nach Zugang der Widerrufserklärung des Verbrauchers nach § 3 Abs. 1 erfüllt“. Die geplante Konstruktion der schwebenden Unwirksamkeit hätte das Richtlinienziel verfehlt521, weil der Verbraucher nach Art. 7 FARL gerade einen Erfüllungsanspruch hat. Nicht zuletzt, um sich über die Ausübung des Widerrufsrecht überhaupt erst schlüssig zu werden; hierzu braucht er die im Fernabsatz bestellte Ware, mithin einen auf Lieferung gerichteten Anspruch522. bb) Schwebende Wirksamkeit nach § 361a BGB α) Die Qualifizierung des Widerrufs(rechts) sowie des Vertrages vor dem wirksamen Widerruf oder Fristablauf ist unklar. Fraglich ist, was das Modell der schwebenden Wirksamkeit von einer Rücktrittslage unterscheidet. Die Verfasser des Gesetzes sind von der Vorstellung ausgegangen, dass ein Rücktritt den Vertrag nicht beseitigt, sondern ihn mit neuem Inhalt, nämlich auf Rückabwicklung gerichtet, fortbestehen lässt, während durch den Widerruf nach § 361a BGB die Bindung an den Vertrag 517 518 519 520 521 522 Bülow/Artz, NJW 2000, S. 2052. Vgl. zu den zwangsvollstreckungsrechtlichen Konsequenzen in Bezug auf die Präklusion von Vollstreckungsabwehrklagen Lorenz, JuS 2000, S. 835 f.; Schmidt, JuS 2000, S. 1096. Amtliche Begründung des Gesetzentwurfs, a.a.O. (Fn 414), Nummer 2 – Einfügung von §§ 361a, 361b BGB, S. 47. Referentenentwurf des Gesetzes über Fernabsatzverträge, Referat I B2, 3420/12-4 vom 31.05.1999. Art. 3 Abs. 1 normierte, dass eine Willenserklärung erst ‚wirksam wird’, wenn sie vom Verbraucher nicht fristgemäss widerrufen wird. Bülow, ZIP 1999, S. 1293. Bülow/Artz, NJW 2000, S. 2051. 202 endet. Nimmt man die Formulierung wörtlich, so handelt es sich nicht um ein Widerrufsrecht der Willenserklärung des Verbrauchers, sondern um eine Art Rücktritts- bzw. Kündigungsrecht von dem bereits geschlossenen und in der Regel bereits erfüllten Vertrag. Bis zum Widerruf der Erklärung ist der Verbraucher nach dem klaren Wortlaut an seine Erklärung gebunden. Der Widerruf führt zu einer Umgestaltung des Vertragsverhältnisses zwischen Verbraucher und Unternehmer in ein besonders ausgestaltetes Abwicklungs- und Rückgewährschuldverhältnis, das als lex specialis den §§ 812 ff. BGB vorgeht. Bezogen auf die vertraglich vereinbarten Leistungspflichten begründet jeder unter Rücktrittsvorbehalt stehende Vertrag nur schwebende Wirksamkeit, in dem die Leistungspflichten durch Erklärung des Rücktritts erlöschen523. Im Ergebnis ist das Widerrufsrecht einem Rücktrittsrecht angenähert; in den Rechtsfolgen seiner Ausübung besteht diese Nähe kraft Gesetz. Entsprechend erklärt § 361a Abs. 2 S. 1 FernAbsG ausdrücklich die Vorschriften über den Rücktritt nach §§ 346 ff. BGB ergänzend für anwendbar. Als Folge des Widerrufs ist der Verbraucher zur Rücksendung, der Unternehmer zur Rückerstattung der geleisteten Zahlungen verpflichtet. Damit ist indirekt impliziert, dass der Lieferer vom Verbraucher Vorauszahlungen verlangen kann. Das Fernabsatzgesetz setzt also ersichtlich einen wirksamen Vertrag voraus. Das Widerrufsrecht nach § 361a BGB und Art. 3 FARL ist entgegen dem Wortlaut als ein Rücktrittsrecht oder zumindest als rücktrittsähnlicher Behelf zu qualifizieren, oder anders ausgedrückt: Das Widerrufsrecht ist nichts anderes als ein in Folgen und Voraussetzungen besonders gestaltetes gesetzliches Rücktrittsrecht.524 Der Widerruf begründet eine rechtsvernichtende Einwendung, die den Vertrag zu Fall bringt. Europarechtliche Bedenken bestehen hiergegen nicht, da die Richtlinie hinsichtlich der Technik des Vertragslösungsrechts keine Vorgaben macht. β) Dies hat weitreichende Konsequenzen: Vor der Einführung des § 361a BGB war die Rechtsnatur des Widerrufsrechts strittig. Eine vorherrschende Ansicht in der Literatur und und Teile der Rechtsprechung fassten das Widerrufsrecht nach den § 1 HWiG, § 5 TzWrG und § 7 VerbrKrG a.F. als ein Gestaltungsrecht auf, das, um rechtliche Wirkung zu erzeugen, der Ausübung bedarf.525 Nach der anderen Auffassung handelt es sich beim Widerrufsrecht dagegen um ein rechtshindernde Einwendung, d. h. alleine das Bestehen eines Widerrufsrechts hindert die Entstehung des Anspruchs.526 Der Widerruf führt nach dieser Meinung keine Änderung der Rechtslage herbei, sondern verhindert seinerseits die Änderung der Rechtslage, nämlich das Wirksamwerden der auf den Vertragsabschluss gerichteten Willenserklärung. Bedeutsam ist dieser Unterschied im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage, konkret bei § 767 Abs. 2 ZPO. Danach sind Einwendungen, die den titulierten Anspruch selbst betreffen, nur insoweit zulässig, 523 524 525 526 Bülow/Artz, NJW 2000, S. 2052. Bülow/Artz, a.a.O. OLG Stuttgart, NJW 1994, S. 1125; OLG Karlsruhe, NJW 1990, S. 2474; Palandt/Putzo, 59. Aufl. 2000, § 1 HWiG Rn 12; Palandt/Heinrichs, 59. Aufl. 2000, Einf. vor § 346 Rn 9. BGHZ 131, 82; OLG Hamm, NJW 1993, S. 140. 203 als sie auf Gründen beruhen, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sind. Der BGH stellt für die Beurteilung nicht auf den Zeitpunkt ihrer Ausübung, sondern auf den Zeitpunkt ab, zu dem sie zum ersten Mal hätten ausgeübt werden können.527 Während die erste Ansicht den Widerruf nach Rechtskraft des Urteils als beachtliche Einwendung i.S.v. § 767 Abs. 2 ZPO betrachtete, war die Einwendung des Widerrufs nach der Gegenansicht präkludiert. Die konstruktiven Differenzen sind durch § 361a BGB nunmehr zugunsten der h.L. entschieden wurden. Das für alle Verbraucherverträge einheitliche Widerrufsrecht ist ein Gestaltungsrecht, der Vertrag bis zu seiner Ausübung schwebend unwirksam.528 Der Widerruf begründet eine neue Tatsache i.S.v. § 767 Abs. 2 ZPO und kann vom Schuldner auch noch Rechtskraft des Urteils geltend gemacht werden. Ein andere Auslegung würde den durch die Fernabsatzrichtlinie bezweckten Schutz des Verbrauchers aushöhlen.529 Der Unternehmer, der den Verbraucher nicht oder nur unzureichend über sein Widerrufsrecht belehrt, könnte die ausserordentliche Widerrufsfrist faktisch abkürzen, indem er seinen Anspruch gegen den Verbraucher tituliert, bspw. durch ein Vorgehen im zügigeren automatisisierten Mahnverfahren. Die besseren Argumente sprechen daher dafür, den Widerruf als beachtliche Einwendung im Sinne von § 767 Abs. 2 ZPO zu werten. cc) Die Widerrufsfristen nach § 3 Fernabsatzgesetz α) Das Fernabsatzgesetz unterscheidet entsprechend Art. 6 Abs. 1 FARL zwischen der regelmässigen und der ausserordentlichen Widerrufsfrist. Die regelmässige Frist beträgt nach § 361a Abs. 1 S. 2 BGB zwei Wochen. Ihre Berechnung erfolgt entsprechend §§ 187, 188 BGB als eine in Wochen bestimmte Frist. Die Widerrufsfrist beginnt nach § 3 Abs. 1 FernAbsG in Abweichung von § 361a Abs. 1 S. 3 BGB bei der Lieferung von Waren nicht vor dem Tag ihres Eingangs beim Empfänger, bei der wiederkehrenden Lieferung gleichartiger Waren nicht vor dem Eingang der ersten Teillieferung und bei Dienstleistungen nicht vor dem Tag des Vertragsabschlusses. Bei Warenbestellungen muss der Unternehmer also mit einem Widerruf innerhalb von 2 Wochen nach Eingang der Ware rechnen, bei Dienstleistungen innerhalb von 2 Wochen beginnend mit dem Tag des Vertragsschlusses. Voraussetzung für den Lauf der regelmässigen Widerrufsfrist ist die Einhaltung weitreichender Informationspflichten nach 3 FernAbsG. Die Informationen müssen dem Verbraucher nach § 2 Abs. 2 FernAbsG rechtzeitig vor Abschluss des Fernabsatzvertrages und gemäss Abs. 3 nach dem Vertragsabschluss ausserdem auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden. 527 528 529 Vgl. z.B. BGHZ 34, 274; 94, 29, 32; 103, 362, 366; a.A. OLG Stuttgart, NJW 1994, S. 1125 für den Widerruf nach HWiG, wonach die Gründe, auf denen die Einwendungen beruhen, erst entstanden sind, wenn diese ausgeübt sind, weil erst dadurch der Anspruch vernichtet werde. Amtliche Begründung des Gesetzentwurfs, a.a.O. (Fn 414), Nummer 2 – Einfügung von §§ 361a, 361b BGB, S. 47. Vgl. Riehm, Jura 2000, S. 507. 204 Letzteres muss, wie aufgezeigt, nicht zwingend schriftlich erfolgen, ist jedoch auch nicht auf der Website möglich. Es genügt, wenn der Verbraucher für eine angemessene Zeit die Informationen inhaltlich unverändert wiedergeben kann; eine E-Mail reicht insoweit aus. Neu ist auch die Vereinheitlichung der Beweislastverteilung für den Fristbeginn. Da der Widerruf eine rechtsvernichtende Einwendung begründet, würde der Verbraucher hierfür die Beweislast tragen. Nach § 361a Abs. 1 S. 6 BGB trifft sie den Unternehmer, womit eine Option aus Art. 11 Abs. 3 lit. a FARL erfüllt wird.530 β) Die durch § 2 Abs. 3 FernAbsG statuierten Informationspflichten treten kumulativ neben diejenigen Informationspflichten, die nach anderen Gesetzen bestehen. Kommt der Unternehmer den umfassenden und weitreichenden Pflichten nach § 2 Abs. 3 oder weitergehenden Informationspflichten in anderen Gesetzen, die hiervon unberührt bleiben (vgl. § 2 Abs. 4), nicht oder nicht vollständig nach, so gilt abweichend von § 361a Abs. 1 S. 3 BGB eine bis zu viermonatige ausserordentliche Widerrufsfrist. Der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums vom 31. Mai 1999531 und der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 9. Februar 2000532 sahen diesbezüglich noch eine Frist von 3 Monaten vor. Das Widerrufsrecht erlischt gemäss § 3 Abs. 1 S. 2 FernAbsG bei Warenlieferungen spätestens vier Monate nach Eingang beim Empfänger (Nr. 1), bei Dienstleistungen spätestens vier Monate nach Vertragsschluss (Nr. 2 lit. a) oder wenn die Ausführung der Dienstleistung mit Zustimmung des Verbrauchers vor Ende der Frist von zwei Wochen begonnen oder der Verbraucher dies selbst veranlasst hat (Nr. 2 lit.b). Erbringt der Unternehmer Dienstleistungen, so muss er einen Widerruf binnen 4 Monaten nur befürchten, wenn die Ausführung der Dienstleistung nicht bereits vor Ende der Frist von 2 Wochen begonnen hat und der Verbraucher diesem zugestimmt hat. Dass bei Teillieferungen schon mit der 1. Teillieferung die Widerrufsfrist zu laufen beginnt, ist darin begründet, dass ansonsten der Beginn der Widerrufsfrist bis zum Abschluss der letzten Lieferung hinausgezögert würde. Dies wäre sicherlich bei langen Ratenlieferungen für den Unternehmer unzumutbar. Bei wiederkehrenden Leistungen hat der Verbraucher also nur ein Widerrufsrecht bezüglich des gesamten Vertrages, nicht für jede einzelne Lieferung. In der Begründung zum Referentenentwurf wird die Auffassung vertreten, dass der Beginn der Widerrufsfrist nach Eingang der 1. Teillieferung dann nicht angemessen sei, wenn es sich um verschiedenartige Teillieferungen handele. (z.B. die regelmäßige Lieferung unterschiedlicher Bücher durch eine Buch-Club).533 Inwiefern dies durch die Rechtsprechung ähnlich gesehen werden wird, bleibt offen. Eine Bindung in dieser Hinsicht durch die Fernabsatzrichtlinie besteht nicht, da die Frage der sukzessiven 530 531 532 533 Bülow/Artz, NJW 2000, S. 2052. Vgl. Fn 520. BT - Drucksache 14/2658; 14/2920. Referentenentwurf des Gesetzes über Fernabsatzverträge, a.a.O. (Fn 520), S. 101. 205 Lieferungen offengelassen und in Erwägungsgrund 10 der FARL die Normierung den nationalen Staaten überlassen wurde.534 γ) Für die Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs, wobei eine bestimmte Widerrufsform nicht vorgesehen ist.535 Der Widerruf kann schriftlich, auf einem anderen „dauerhaften Datenträger“ oder durch Rücksendung der Ware erfolgen. Eine E-Mail ist daher ausreichend, wobei die Beweisbarkeit der Absendung beachtet werden muss. dd) Ausnahmen vom Widerrufsrecht α) In § 3 Abs. 2 FernAbsG werden Bereichsausnahmen vom Widerrufsrecht stipuliert. Sie sind ein Produkt intensiver Lobbytätigkeit und zum Teil wenig präzise formuliert. Nach dem Einleitungssatz entfällt der Ausschluss des Widerrufsrechts, wenn die Parteien eine abweichende Vereinbarung treffen oder falls nach einem anderen Gesetz ein Widerrufsrecht besteht. Während der erste Fall in der Praxis kaum je vorkommen dürfte, hat die zweite Einschränkung praktische Bedeutung. Bei Verträgen die unter die Nr. 1, 3 oder 5 fallen, kann sich ein Widerrufsrecht aus dem Verbraucherkreditgesetz ergeben536, wie am Beispiel von Zeitschriftenabonnements aufgezeigt wurde.537 § 3 Abs. 2 Nr. 1 FernAbsG nimmt speziell auf Kundenbedürfnisse zugeschnittene oder schnell verderbliche Ware vom Widerrufsrecht aus, was grundsätzlich gerechtfertigt ist. Nach Kundenspezifikationen gefertigte Ware oder eindeutig auf persönliche Bedürfnisse zugeschnittene Ware besitzt praktisch keinen Wiederverkaufswert. Die kurze Konsumfrist verderblicher Ware erklärt deren Wertverlust, zudem ist verderbliche Ware oftmals aus hygienischen Gründen per se nicht wiederverkäuflich und für die Rücksendung ungeeignet. Ein Widerrufsrecht des Verbrauchers würde einseitig den Verkäufer benachteiligen. Zu klären bleibt, wann eine Ware auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten ist, so dass es angemessen ist, sie vom Widerrufsrecht auszunehmen. Problematisch könnte dies bei Waren werden, die in verschiedenen Punkten (Farbe, Ausstattung, etc.) auf Kundenwunsch geliefert wurden, bei denen aber dennoch eine Rücksendung den Unternehmer etwa im Massenversandhandel nicht über Gebühr belasten würde. In Nr. 2 wird ausdrücklich vom Verbraucher entsiegelte Software vom Widerrufsrecht ausgenommen. Werden Software und andere Multimedia-Anwendungen hingegen online zur Verfügung gestellt, besteht keine vergleichbare Möglichkeit, dem Verbraucher eine Rückgabemöglichkeit bis zur Entsiegelung gesetzlich 534 535 536 537 Vgl. Erwägungsgrund 10: „Es erscheint deshalb angebracht, dass den Bestimmungen der Richtlinie zumindest zu dem Zeitpunkt nachgekommen werden muss, zu dem der erste einer Reihe von sukzessiven Vorgängen oder der erste einer Reihe von getrennten Vorgängen erfolgt, die sich über einen bestimmten Zeitraum erstrecken und als Gesamtvorgang betrachtet werden können (...)“. Vgl. § 361a Abs. 1 S. 2 BGB. Palandt/Heinrichs, § 3 FernAbsG Rn 7. Vgl. oben § 2 VI 4 lit. c) cc), S. 183 ff. 206 einzuräumen, ohne das berechtigte Interesse des Unternehmers zu verletzen, eine unberechtigte Nutzung der Software oder vergleichbarer Werke zu verhindern. Deshalb besteht bei diesen Werken ein Widerrufsrecht grundsätzlich nicht, da es sich entweder um eine Dienstleistung handelt, bei der das Widerrufsrecht mit Übermittlung nach § 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 lit. b) FernAbsG entfallen kann, weil die Online-Übermittlung auf Veranlassung des Verbrauchers erfolgt ist, oder um eine Ware, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet ist und das Widerrufsrecht nach Übermittlung gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 FernAbsG entfällt.538 Nach Nr. 3 sollen Lieferungen von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten nicht unter das Widerrufsrecht fallen. Hier ist allerdings darauf hinzuweisen, dass ein Widerrufsrecht nach dem Verbraucherkreditgesetz bei Ratenzahlungen bestehen kann.539 In Nr. 4 werden die Erbringung von Wett- und Lotteriedienstleistungen vom Widerrufsrecht ausgenommen. Dies ist gerechtfertigt, da ansonsten der Unternehmer das Spekulationsrisiko des Verbrauchers tragen würde. β) Nach § 3 Abs. 2 Nr. 5 FernAbsG besteht das Widerrufsrecht mangels anderer Vereinbarungen und unbeschadet anderer gesetzlicher Bestimmungen nicht bei Fernabsatzverträgen, die in der Form von Versteigerungen (§ 156 BGB) geschlossen werden.540 Der Ausschlusstatbestand erfasst nur Versteigerungen im Rechtssinne, d. h. Verträge, die durch Gebot eines Teilnehmers und den Zuschlag des Versteigerers zustande kommen.541 Hierbei ist jedoch zu beachten, dass strittig ist, ob bei Online-Auktionen § 156 BGB anwendbar ist oder ob nicht ein Verkauf gegen Höchstgebot vorliegt. Sofern sich der Verkäufer trotz des Zuschlags bzw. dem Ende der Versteigerung vorbehält das (möglicherweise nicht kostendeckende) Angebot abzulehnen, sei § 156 BGB deshalb nicht anwendbar.542 Das Bestehen eines Widerrufsrechts nach § 3 FernAbsG hängt demnach davon ab, ob der Einlieferer bzw. Verkäufer durch den Zuschlag des Teilnehmers gebunden wird, mithin ein verbindlicher Vertrag zustande kommt. Die Frage, ob und unter welchen Bedingungen bei Internet-Auktionen ein Vertragsschluss zustande kommt, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich bewertet. Von zentraler Bedeutung ist dabei die rechtliche Qualifizierung der Präsentation der Waren und angepriesenen Leistungen: Handelt es sich lediglich um eine unverbindliche „invitatio ad offerendum“ oder 538 539 540 541 542 Amtliche Begründung, BT-Drucksache 14/2658 , S. 44. Vgl. oben § 2 VI 4 lit. c) cc), S. 183 ff. Die Regelung, Fernabsatzgeschäfte, die bei Versteigerungen geschlossen werden, aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie auszuklammern, geht auf den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 29. Juni 1995 zurück und wird mit dem lapidaren Hinweis auf die praktischen Einzelheiten einer Versteigerung begründet. Nähere Ausführungen über die Hintergründe finden sich hierzu nicht (ABl. EG 1985 Nr. C 288 v. 30.10.1995, S. 10). Palandt/Heinrichs, § 3 FernAbsG Rn 12. Bei Versteigerungen i.S.v. § 156 BGB ist das Gebot der Vertragsantrag des Bieters, der Zuschlag die Annahmeerklärung des Versteigerers (BGHZ 138, 339). Der Bieter hat daher, soweit § 156 BGB anwendbar ist, keinen Anspruch auf den Zuschlag, Palandt/Heinrichs, § 156 Rn 1. Das Gebot erlischt mit dem Überangebot oder dem Ende der Versteigerung. Auf die Wirksamkeit des Überangebots kommt es nicht an, MüKo/MayerMaly/Busche, § 156 Rn 4. Palandt/Heinrichs, § 156 Rn 2; Rüfner, JZ 2000, S. 715; Wilkens, DB 2000, S. 666. 207 bereits um ein verbindliches Angebot? Das Urteil des LG Münster543 („Ricardo.de“) hat in jüngster Zeit eine lebhafte Diskussion zu dieser Frage entfacht, die zur besseren Darstellung des Problems in § 3 dieser Arbeit über den Vertragsabschluss unter Einsatz moderner Telekommunikationsmittel544 erörtert wird. Was den Anwendungsbereich des Fernabsatzgesetzes betrifft, so gibt es bei InternetAuktionen verschiedene Konstellationen: Stellt das Auktionshaus lediglich die technischen Möglichkeiten für Versteigerungen (sog. Plattform-Lösung) von privat an privat zur Verfügung, fällt die Auktion nicht in den Anwendungsbereich des FernAbsG, wenn der Veräusserer kein Unternehmer im Sinne von § 14 BGB ist, mit der Folge, dass dem Meistbietende kein Widerrufsrecht zusteht. Schwer wiegt in diesem Zusammenhang die Gefahr, dass der Verbraucher nicht oder nur mangelhaft über seinen Vertragspartner und den Vertragsgegenstand informiert wird, da diesem die Informationsrechte des FernAbsG nicht zustehen. Bejaht man bei Internet-Auktionen das Vorliegen einer Versteigerung nach § 156 BGB (hier kann es auch auf die AGB des jeweiligen Auktionshauses ankommen), werden nach § 3 Abs. 2 Nr. 5 FernAbsG jedoch nur die Verträge zwischen Einlieferer und Ersteigerer vom Widerrufsrecht ausgenommen. Für die Verträge zwischen Ersteigerer und Auktionator (sofern dieser nicht zugleich Einlieferer ist) und zwischen Einlieferer und Auktionator gilt das Widerrufsrecht im Prinzip, wenn es sich beim Einlieferer und beim Ersteigerer um Verbraucher handelt und der Auktionator wie regelmässig Unternehmer ist. Allerdings ist das Widerrufsrecht de facto doch ausgeschlossen, da nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) FernAbsG das Widerrufsrecht bei Dienstleistungen erlischt, wenn der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung mit Zustimmung des Verbrauchers vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat oder der Verbraucher diese selbst veranlasst hat. Dies ist bei Internet-Auktionen regelmäßig der Fall. Der Erwerber hat ein Widerrufsrecht nach § 3 FernAbsG, wenn der Veräusserer Unternehmer i.S.v. § 14 BGB ist, es sich aber nicht um echte Auktionen i.S.v. § 156 BGB handelt, sondern um Verkäufe gegen Höchstgebote. 543 544 Urteil des LG Münster vom 21. Januar 2000 – 4 O 424/99 = MMR 2000, S. 376 m. Anm. Wiebe = NJW-CoR 2000, S. 167 = CR 2000, S. 313 = DB 2000, S. 663 = K&R 2000, S. 197 m. Anm. Klewitz/Mayer; Mankowski, EWiR 2000, S. 415; Ulrici, JuS 2000, S. 947. Vgl. unten § 3 II 4 lit. c), S. 241 ff. 208 f) Rechtsfolgen des Widerrufs des Fernabsatz-Vertrages aa) Rückabwicklungsverhältnis α) Durch den Widerruf wandelt sich der zunächst wirksame Vertrag mit Wirkung ex nunc in ein gesetzliches Rückgewährschuldverhältnis um. Die beiderseitigen Leistungen sind nach §§ 346 ff. BGB Zug um Zug zurückzugewähren. Der Verbraucher ist zur Rücksendung und Rückübereignung der bezogenen Waren, der Unternehmer zur Rückzahlung des Kaufpreises verpflichtet. Nach § 361 Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. §§ 348 S. 2, 320 BGB steht jeder Partei die Einrede des nichterfüllten Vertrags zu, solange die andere Partei die sie betreffenden Rückgewähransprüche nicht erfüllt. Der Unternehmer hat seine Rückgewährpflichten binnen 30 Tagen zu erfüllen, andernfalls gerät er – auch ohne Mahnung – in Verzug (§ 361a Abs. 2 S. 2 BGB i.V.m. § 284 Abs. 3 S. 1 BGB). Die Frist beginnt mit dem Zugang der Widerrufserklärung bzw. mit der Rücknahme der Ware durch den Unternehmer. Umstritten ist, ob der Verbraucher den Unternehmer durch eine ausdrückliche Mahnung vor Ablauf der 30 Tage in Verzug setzen kann. Die Regelung nach § 284 Abs. 3 S. 1 BGB erhebt, wie sich aus dem Wortlaut ergibt, einen Ausschliesslichkeitsanspruch, der einen Verzugseintritt vor Ablauf von 30 Tagen verhindert.545 Unabhängig hiervon sind abweichende vertragliche Vereinbarung zu Gunsten des Verbrauchers zulässig.546 β) § 4 FernAbsG erweitert die Regelungen der § 2 und § 3 FernAbsG auf verbundene Geschäfte, bei denen der Kaufpreis vom Unternehmen oder einem Dritten ganz oder teilweise finanziert wird und sich der Fernabsatzvertrag (also etwa der Kaufvertrag über eine Ware) und der Kreditvertrag als Einheit darstellen. Absatz 1 regelt die Kreditvergabe zur Finanzierung des Preises der Ware oder Dienstleistung durch den Unternehmers selbst. Absatz 2 betrifft den den Fall, dass der Unternehmer dem Verbraucher einen Kreditgeber empfiehlt, der den Kreditbetrag dann an den Unternehmer auszahlt, welcher wiederum dem Gegenstand an den Verbraucher liefert. Auch für diesen Fall wird sichergestellt, dass im Ergebnis der Verbraucher bei Widerruf des Fernabsatzvertrages auch von den Verpflichtungen aus dem Kreditvertrages befreit wird. Sind Kreditvertrag und Fernabsatzvertrag eine wirtschaftliche Einheit erstreckt sich das Widerrufsrecht kraft Gesetz auch auf den Kreditvertrag. Die Parteien sind verpflichtet, empfangene Leistungen einander zurückzugewähren. Ansprüche des Kreditgebers auf Zahlung von Zinsen oder 545 546 Der durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl. I, 330) eingefügte § 283 Abs. 3 BGB ist nach h.M. gemeinschaftrechtswidrig, Palandt/Heinrichs, § 284 Rn 26. Das Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie 2000/35/EG vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, ABl. L 200 vom 8.08.2000, S. 35. Art. 3 Abs. 1 lit. a) der Richtlinie hält fest, dass der Schuldner, der Zahlung zu einem bestimmten Zeitpunkt versprochen hat, bei Nichtleistung bereits am nächsten Tag und nicht erst nach Ablauf von 30 Tagen in Verzug kommt. Palandt/Heinrichs, § 284 Rn 24; Ende/Klein, Vertriebsrecht im Internet, S. 199. 209 Kosten sind ausgeschlossen, zumal die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher keine Vertragsverletzung darstellt.547 Der Kreditvertrag ist „entschädigungsfrei“ 548 aufzulösen. bb) Kosten und Gefahr der Rücksendung § 3 FernAbsG geht auf Artikel 6 Absatz 2 und Absatz 4 FARL zurück. In Erwägungsgrund 14 der FARL wird festgehalten, dass das Widerrufsrecht nur dann mehr als ein lediglich formales Recht darstellt, wenn im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts auf den Verbraucher ausschliesslich die Rücksendekosten für die Waren zukommen. Die Festlegung der Einzelheiten der Folgen der Ausübung des Widerrufsrechts wurde den Mitgliedsstaaten überlassen. Das FernAbsG schreibt in § 3 vor, dass das Widerrufsrecht sich nach dem neu geschaffenen § 361a BGB bestimmt. Dementsprechend ist der Verbraucher beim Widerruf berechtigt, die Ware auf Kosten und Gefahr des Unternehmers zurückzusenden. Die vorbehaltlose Rückerstattungspflicht des Unternehmers stiess auf starken Widerstand des Buchhandels, der einen Missbrauch der Widerrufsmöglichkeit beim Bücherversand befürchtete.549 Der Bücherversand ist vom Widerrufsrecht, anders etwa als entsiegelte Software550, nicht ausgenommen. Buchhändler befürchteten, dass ein Grossteil der Kunden willens und in der Lage sein könnte, das jeweils bestellte Buch innerhalb der Widerrufsfrist zu lesen und im Anschluss zurückzusenden. Infolge entsprechender Eingaben des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels sowie des Buchverbandes der Versandbuchhändler551 hat der Bundesrat in seiner Sitzung vom 19.05.2000 den Vermittlungsausschuss zum Fernabsatzgesetz angerufen. Im Vermittlungsausschuss ging es vor allem um die Frage, ob im Fall des Widerrufs von Kundenbestellungen mit der Inanspruchnahme des uneingeschränkten Rückgaberechts bei den Buchhändlern die Kosten der Rücksendung nicht von Gesetzes wegen, sondern nur bei vertraglicher Vereinbarung von den Buchhändlern getragen werden müssen. Der Bundesrat hatte eine entsprechende Änderung bei der Tragung der Rücksendekosten empfohlen. Er wollte auf Anregung des Landes Hessen eine weitere Ausnahme vom gesetzlichen Widerrufsrecht mit der Kostentragungspflicht für den Lieferer aufnehmen, wie es der Gesetzentwurf beispielsweise für die Lieferung von Zeitungen und Zeitschriften schon vorsah. Dementsprechend sollte § 361a Abs. 2 S. 3 BGB um den folgenden Passus ergänzt 547 548 549 550 551 Amtliche Begründung, BT-Drucksache 14/2658, S. 45. Vgl. Art. 6 Abs. 4 FARL. Der Bundesrat hat in seiner 751. Sitzung am 19.05.2000 über das Fernabsatzgesetz beraten und gemäss Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes den Vermittlungsausschuss angerufen, BR-Drucksache 237/00. In der Begründung des Bundesratsbeschlusses vom 19.05.2000 heisst es hierzu: „Schon heute beträgt die Rücksendequote beim Buchhandel zwischen 5 und 10%. Bei einer weiteren Belastung mit den Rücksendekosten wäre dies für den Buchhandel nicht mehr verkraftbar.“ Vgl. Art. 6 Abs. 3, 4. Gedankenstrich FARL, § 3 Abs. 2 Nr. 2 FernAbsG. Börsenblatt Nr. 47 vom 14.06.2000, S. 4. 210 werden, „bei Büchern sind dem Unternehmer die Kosten der Rücksendung nur bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung aufzuerlegen“552. Der Vermittlungsausschuss hat sich bei seiner Tagung am 7. Juni 2000 in Berlin den Bedenken nur teilweise angeschlossen. Es wurde vielmehr eine Gleichbehandlung aller Branchen angestrebt. Der Bundesrat veröffentlichte in seiner Pressemitteilung vom gleichen Tag die Nachricht, wonach der Vermittlungssauschuss den Vorschlag gemacht habe, dass dem Käufer, der von seinem Widerrufsrecht Gebrauch mache, bis zu einem Warenwert von DM 80,- die Rücksendekosten auferlegt werden können.553 Die Wertobergrenze, bis zu der die Unternehmen die Kosten der Rücksendung auf den Kunden abzuwälzen können, wurde im Vermittlungsausschuss in der Folge nicht wie angekündigt auf DM 80,-, sondern auf 40,- Euro festgelegt. § 361a Abs. 2 S. 3 BGB wurde um einen 2. Halbsatz ergänzt, wonach „dem Verbraucher bei einer Bestellung bis zu einem Betrag von 40,- Euro die regelmässigen Kosten der Rücksendung vertraglich auferlegt werden dürfen, es sei denn, dass die gelieferte Ware nicht der bestellten entspricht“. α) Diese Regelung wird aus praktischen und rechtlichen Gründen kritisiert: Durch die Kostentragungspflicht bei Waren und Dienstleistungen bis zu einem Betrag von 40,- Euro, werde das im Fernabsatzgesetz normierte Widerrufsrecht konterkariert. Diese Ansicht verkennt den Regelungsgehalt der Fernabsatzrichtlinie, deren Umsetzung das Fernabsatzgesetz bekanntlich dient. Die in § 361a BGB bestimmte Kostengrenze geht über den Schutzzweck von Art. 6 Abs. 2 FARL hinaus, wonach der Verbraucher grundsätzlich die unmittelbaren Kosten der Rücksendung auferlegt werden können, sofern dies vertraglich vereinbart wurde. Ein Widerrufsrecht ohne jede Kostentragungspflicht wäre aus Sicht der Verbraucher sicherlich zu begrüssen gewesen. Aus der Sicht deutscher Unternehmen hätte dies jedoch eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung zur Folge, da ein unbeschränktes, zeitlich limitiertes Widerrufsrecht im Ergebnis nichts anderes bedeuten würde als ein Kauf auf Probe i.S.v. § 495 BGB, bei dem das Gelingen des Geschäfts im freien Belieben des Käufers steht, während der Verkäufer das gesamte unternehmerische Risiko, insbesondere die Rücksendungskosten zu tragen hat.554 Richtig ist, dass die Lieferer dem Verbraucher in ihren Lieferbedingungen formularmässig die Rücksendekosten auferlegen werden, womit die Ausnahme zur Regel wird. Ob Verbraucher diese vorformulierten Vertragsbedingungen im Rahmen einer späteren Individualabrede wieder aushebeln können, bleibt abzuwarten. 552 553 554 Das Bundesratsprotokoll vom 19.05.2000 spricht insoweit vom „Verbraucher“, dem die Kosten der Rücksendung nur bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung auferlegt werden sollen. Hierbei handelt es sich wohl um einen (gravierenden) Redaktionsfehler! Bundesratsmitteilung vom 7.06.2000. Beim Kauf auf Probe nach § 495 BGB entscheidet über die Kosten der Rücksendung die Vertragsauslegung, evtl. der Handelsbrauch. In jedem Fall aber besteht kein Anspruch auf Nutzungsvergütung, wenn der Käufer nicht billigt (OLG Celle, BB 1960, S. 306), vgl. Palandt/Heinrichs, § 495 Rn 9. 211 Problematisch bleibt die praktische Umsetzung der Kostentragungsgrenze von 40,Euro, mit der sich die Gerichte auseinandersetzen werden müssen. Fraglich ist beispielsweise, ob der Verbraucher die Kostentragungsgrenze umgehen kann, indem er Waren im Wert von mindestens 41,- Euro bestellt und den nicht benötigten Teil nach Prüfung der Ware kostenfrei zurückgehen lässt. Da das Gesetz von der „Bestellung“ und nicht von der betreffenden bzw. zurückzuschickenden Ware spricht, erscheint naheliegend, diese Wertgrenze auf die gesamte ursprüngliche Bestellung zu beziehen. Nach dem Schutzzweck der Regelung ist m.E. der Rücksendewert der Ware zum Kaufzeitpunkt massgeblich, nicht der Wert der gesamten Bestellung. Andernfalls könnte die Kostentragungspflicht des Verbrauchers regelmässig durch eine Bestellung umgangen werden, die den Gegenwert von 40,- Euro überschreitet. Eine solche Auslegung stünde im klaren Widerspruch zu dem durch die Einfügung des § 361a Abs. 2 S. 3 2.Hs. BGB beabsichtigten Schutz des Unternehmers bei Kleinstbestellungen und ist deshalb abzulehnen. β) Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 361a Abs. 2 S. 3 2. Halbsatz BGB wird die maximale Grenze der zulässigen Abwälzung der Rücksendekosten auf den Käufer in Höhe von 40,- Euro, nicht jedoch in Höhe des entsprechenden DM-Betrags festgeschrieben. Das entspricht im übrigen auch der in Art. 7 des Gesetzes über Fernabsatzverträge enthaltenen Umstellung von Vorschriften auf Euro. Angeregt durch die Pressemitteilung des Bundesrats haben einige Unternehmen (offenbar voreilig) ihre AGB noch vor der Gesetzesveröffentlichung am 29. Juni 2000 umgestellt und in den revidierten AGB eine Wertobergrenze, bis zu der die Kunden die Kosten der Rücksendung zu tragen haben, von 80,- DM/ 40,- Euro bzw. lediglich eine Wertobergrenze von 80,- DM aufgenommen555, ohne auf den entsprechenden Euro-Betrag hinzuweisen. Diese Bestimmungen sind nach § 9 AGBG unwirksam, denn 40,- Euro sind nach dem amtlich festgelegten Umrechnungskurs nicht 80,- DM, sondern lediglich DM 78,23. Die Möglichkeit die Rücksendekosten bis zu einem Warenwert von 40,- Euro auf den Kunden abwälzen zu können, ist die Ausnahme von der grundsätzlichen, unbegrenzten Kostentragungspflicht des Unternehmers. Auch eine betragsmässig geringfügige Abweichung zu Lasten des Verbrauchers stellt daher eine unangemessene Benachteiligung des von § 361a BGB geschützten Verbrauchers i.S.d. des § 9 AGBG dar. Die Überschreitung in Höhe von DM 1,67 scheint dabei auf den ersten Blick ein Zahlenspiel von geringer praktischer Relevanz zu sein. Bestimmungen, die einer Kontrolle durch die Regelungen der §§ 9-11 AGB nicht standhalten, sind jedoch nicht nur teilweise, sondern vollständig unwirksam. 555 So z.B. der Verlag C.H. Beck <http://www.beck.de>. Auf der Bestellseite im Internet findet sich erst nach Auswahl des entsprechenden Gegenstands und dessen Ablage im elektronischen Warenkorb der Hinweis auf die überdies produktabhängigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, in denen der Verlag den Endkunden über das Bestehen eines Widerrufsrecht wie folgt informiert: „[...] Bei einem Warenwert unter DM 80,- liegen die Kosten der Rücksendung beim Rücksender.“ Die gleiche Formulierung wird auch bei der Bewerbung entsprechender Produkte in Fachzeitschriften gebraucht. 212 Eine Rückführung der AGB auf ihren zulässigen Inhalt ist insbesondere im nichtkaufmännischen Verkehr nach der ständigen Rechtsprechung und der ganz h.M. im Schrifttum ausgeschlossen (sog. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion oder Teilunwirksamkeit)556. Dies hat zur Folge, dass auch eine nur geringfügige Überschreitung der Bestellwerthöchstgrenze von 40,- Euro zur Nichtigkeit der gesamten Klausel führt und der Unternehmer unabhängig vom Bestellwert zur Übernahme der gesamten Rücksendekosten verpflichtet ist. Vor diesem Hintergrund ist aus Sicht der Unternehmen eine strikte Orientierung am Wortlaut des § 361a BGB zu empfehlen. Das Problem verliert jedoch durch die am 1. Januar 2002 erfolgende Euro-Umstellung an Bedeutung. cc) Haftung des Verbrauchers Nach § 361a Abs. 4 S. 4 BGB hat der Verbraucher dem Unternehmer nur dann Schadensersatz zu leisten, wenn eine Verschlechterung, der Untergang oder die Unmöglichkeit der Herausgabe des Gegenstandes eingetreten ist und dies vom ihm zu vertreten ist; die §§ 351 bis 353 BGB sind nicht anzuwenden.557 Der Verbraucher hat nach § 276 BGB diese Umstände nur dann zu vertreten, wenn er im Umgang mit empfangenen Gegenständen deren Verschlechterung vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt hat. Nach § 276 Abs. 1 S. 2 BGB handelt derjenige fahrlässig, der die "im Verkehr erforderliche Sorgfalt ausser Acht lässt". Fehlt die Belehrung über das Widerrufsrecht, muss der Verbraucher nur solche Verschlechterungen ersetzen, die er dadurch herbeigeführt hat, dass er vorsätzlich oder grob fahrlässig (§ 277 BGB)558 gehandelt hat. Dies bedeutet, dass beim Fehlen der Belehrung im Ergebnis eine deutlich geringere Verantwortung des Verbrauchers für den zurückzusendenden Gegenstand eintritt. Der nicht ausreichend belehrte Verbraucher muss daher Schäden nicht ersetzen, die durch einfache Fahrlässigkeit entstanden sind. Nach § 361a Abs. 2 BGB muss allerdings für die Überlassung bzw. Benutzung der Sache eine Vergütung entrichtet werden. Die Vergütungspflicht verstösst nicht gegen die Vorgabe des Art. 6 Abs. 2 S. 2 FARL: „Die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, sind die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren“, da diese Ansprüche nicht „infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts“, sondern infolge der Nutzung der empfangenen Ware entstehen, ebenso wie die Schadensersatzansprüche nicht infolge des 556 557 558 Statt vieler: Ulmer/Brandner/Hensen, § 6 Rn 14, Fn 71 m.w.N. Bei der Verkündung des Gesetzes ist dem Bundesjustizministerium ein redaktionelle Fehler unterlaufen. Im Bundesgesetzblatt, BGBl. 2000 I, S. 897 ff. vom 27. Juni 2000 ging dieser Satz verloren. Ohne diesen für das Problems des Zustands der Ware nach der Rücksendung entscheidenden S. 4 bleibt der danach folgende S. 5 des § 361a Abs. 2 BGB sinnlos. Am 21. Juli 2000 wurde das Gesetz daher entsprechend berichtigt (BGBl. I, 1039). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Masse verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste, BGHZ 10, 16; 89, 161; NJW 1992, S. 3296. 213 Widerrufs, sondern infolge der Beschädigung der Sache entstehen. Nach § 3 Abs. 3 FernAbsG kann bei Warenlieferungen auf Grund eines Verkaufsprospekts ein Rückgaberecht nach § 361b BGB vom Unternehmer eingeräumt werden. Der Verkaufsprospekt kann auch elektronisch übermittelt werden. Die Voraussetzungen und Folgen des Rückgaberechts entsprechen jedoch weitgehend den Regelungen über das Widerrufsrecht, es findet jedoch gemäss § 361b Abs. 2 S. 1 BGB keine Kostenüberwälzung auf den Verbraucher statt. Inhaltlich ist das Rückgaberecht nichts anderes als das Widerrufsrecht, dass seinerseits wiederum als gesetzliches Rücktrittsrecht aufzufassen ist. VII. Zusammenfassung Das Widerrufsrecht nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB wird durch die Eigenarten der elektronischen Kommunikation praktisch ausgeschlossen. Wegen der hohen Übertragungsgeschwindigkeiten und der automatisierten Bearbeitung eingehender Bestellungen ist ein Widerruf der Erklärung im elektronischen Geschäftsverkehr de facto unmöglich. Bei der Echtzeitkommunikation entfällt das Widerrufsrecht aufgrund der Simultanität a limine ganz. Bei der Mailboxkommunikation muss differenziert werden: Da hier der Zugang erst zu dem Zeitpunkt, zu dem gewöhnlicher Weise mit einer Kenntnisnahme durch den Empfänger gerechnet werden kann, eintritt, ist ein Widerruf der Erklärung bis zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich noch möglich. Geht die Bestellung ausserhalb der üblichen Geschäftszeiten in die Mailbox des geschäftlichen E-Mail-Nutzers ein, so ist der Zugang erst am nächsten Morgen mit Beginn der üblichen Geschäftszeit erfolgt. Widerruft der Kunde unmittelbar im Anschluss seine Bestellung, erfolgt der Zugang des Widerrufs ebenfalls am nächsten Morgen und damit rechtzeitig. Wird die Bestellung im geschäftlichen E-Mail-Verkehr dagegen während der üblichen Geschäftszeiten per E-Mail versandt und anschliessend sofort eine Widerrufserklärung hinterhergeschickt, so geht der Widerrufs ins Leere, da die Bestellung bereits zugegangen ist, wenn der Widerruf in der Mailbox des Anbieters eintrifft. Ob und wann der Empfänger Widerruf und Erklärung zur Kenntnis nimmt, ist unbeachtlich. Es kommt nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB nur auf das zeitliche Verhältnis des Zugangs beider Erklärungen, nicht aber auf deren Reihenfolge an. Anders liegt die Situation beim rein privaten Nutzer, der seinen elektronischen Briefkasten nicht dem Empfang rechtsgeschäftlicher Erklärungen gewidmet hat. Nach der hier vertretenen Ansicht geht die E-Mail erst mit der tatsächlichen Kenntnisnahme, d. h. mit dem Abruf der Nachrichten durch den Empfänger zu. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Widerruf möglich. Interessant ist in diesem Zusammenhang das Schweizer Modell. Art. 9 OR enthält zwei unterschiedliche Widerrufstatbestände, wobei der erste der deutschen Regelung nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB entspricht. Nach Art. 9 Abs. 1 2. Hs OR ist der Widerruf 214 aber auch rechtzeitig, wenn und soweit der andere hiervon vorher oder gleichzeitig mit der Erklärung Kenntnis nimmt. Die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers bei Bestellvorgängen im Fernabsatz, insbesondere über das Internet, ergibt sich aus der „Unsichtbarkeit des Vertragspartners und der Virtualität des Produkts“. Sie wird weiter dadurch verstärkt, dass die übermittelten Informationen flüchtig sind, d. h. beim Verbraucher nicht zuverlässig gespeichert werden können. Mit der Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz existiert ein einheitlicher europäischer Rahmen für Verträge, die unter Einsatz von Fernkommunikationstechniken geschlossen werden. Unabhängig vom konkreten Einzelfall wird beim Distanzvertrag unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln, bei denen die Vertragspartner nicht gleichzeitig körperlich anwesend sind, eine Störung der Vertragsparität vermutet. Die Richtlinie verfolgt daher ein dreistufiges Schutzkonzept, dass auf den klassischen und bewährten Instrumentarien des Verbraucherschutzrechts beruht: Unterrichtung des Verbrauchers vor und Übermittlung der Information nach Vertragschluss, sowie das Recht zum entschädigungsfreien Widerruf, ohne Angabe von Gründen. Die Umsetzung ins deutsche Recht erfolgte durch das Fernabsatzgesetz, dass am 30. Juni 2000 in Kraft trat. Kernstück der Regelung ist das in § 3 Fernabsatzgesetz verankerte Widerrufsrecht, wonach sich der Verbraucher ohne Angabe von Gründen vom schwebend wirksamen Vertrag lösen kann. Das Fernabsatzgesetz hat die Umsetzung zum Anlass genommen, mit den neuen § 361 a und § 361b BGB vereinheitlichte Normen für alle verbraucherschützende Widerrufs- und Rückgaberrechte zu schaffen. § 361a legt die dogmatische Struktur als besonders ausgestaltetes Widerrufsrecht fest, vereinheitlicht die Widerrufsfrist auf zwei Wochen, regelt die Widerrufsbelehrung, sowie Ausübung und Rechtsfolgen des Widerrufsrechts. Der Anbieter hat den Verbraucher künftig vor Abschluss des Fernabsatzvertrags umfassend zu unterrichten und die Informationen alsbald nach Vertragsabschluss auf einen „dauerhaften Datenträger“ zur Verfügung zu stellen. Hierbei handelt es sich um einen Schlüsselbegriff, der den besonderen Anforderungen des elektronischen Distanzvertriebs Rechnung trägt und neben dem herkömmlichen Lieferschein auch E-Mail oder andere elektronische Medien wie Disketten oder CD-ROM genügen lässt, sofern eine unveränderte Wiedergabe der Informationen über einen angemessenen Zeitraum sichergestellt ist. Erfolgt keine (ausreichende) Information, so gilt eine ausserordentliche Widerrufsfrist von bis zu vier Monaten. Der Kunde kann den Vertrag jederzeit und ohne finanzielle Aufwendungen widerrufen. Hiervon ausgenommen sind die Kosten der Rücksendung, die nach § 361a BGB bei einem Warenwert von bis zu vierzig Euro dem Verbraucher auferlegt werden können. 215 § 3. Vertragsabschluss unter Einsatz moderner Telekommunikationsmittel I. Funktion und Begriff des Vertrages Der Vertrag ist ein mehrseitiges Rechtsgeschäft, durch das die Vertragsschliessenden sich wechselseitig an die Vertragsnorm binden, welche sie sich mit der beiderseitigen Erklärung eines übereinstimmenden Rechtsfolgewillens gesetzt haben1. Sie setzten damit für ihr beiderseitiges Verhältnis eine Norm, die „lex contractus“2. Der Vertrag kann daher als ein Akt „zweiseitiger rechtlicher Geltungserzeugung“3, Ausdruck und Verwirklichung der Privatautonomie oder Selbstbestimmungsrecht jedes Vertragspartners verstanden werden. Die Zurechnung dieser privatrechtlichen Geltungserzeugung wird auf einen „normativen Konsens“ gestützt. Demnach erfordert ein Vertrag grundsätzlich zwei Willenserklärungen der Vertragspartner, die hinsichtlich des Inhalts übereinstimmen und besagen, dass diese Regelung gelten solle.4 Nur beide Erklärungen in ihrer wechselseitigen Bezogenheit aufeinander vermögen die vertragliche Regelung in Geltung zu setzten. Ist nur eine der beiden Erklärungen aus irgendeinem Grunde nichtig, so ist damit notwendig der Vertrag als zweiseitiges Rechtsgeschäft nichtig. Das Zustandekommen eines Vertrags setzt die Einigung der Beteiligten voraus. Dieser Vertragschlusstatbestand, d. h. wie die Einigung der Vertragspartner zustande-kommt, ist in den §§ 145 ff. BGB einheitlich für alle Verträge geregelt.5 Ein Vertrag kommt durch Antrag (gleichbedeutend spricht man von Angebot oder Vertragsofferte) und Annahme zustande.6 1 2 3 4 5 6 Kuhn, § 10, S. 111. Larenz AT, § 29 I Rn 1. Larenz, a.a.O., Rn 6. Larenz, a.a.O., Rn 6. Larenz, a.a.O., Rn 8. Das Gesetz geht davon aus, dass der Vertrag durch zwei zeitlich aufeinanderfolgende Erklärungen erfolgt. Das entspricht dem regelmässigen Verlauf. Jedoch gibt es in der Rechtswirklichkeit auch den Vertragsschluss durch „Abgabe gleichzeitiger Erklärungen“. Der Vertragsschluss nach längeren mündlichen Verhandlungen oder wenn beide Parteien den Vorschlag gemeinsam, gleichsam arbeitsteilig erarbeiten und anschliessend ihr Einverständnis durch Unterschrift unter den Vertragstext bekunden, lässt sich nicht in das Schema von Angebot und Annahme einordnen. In diesem Fall befindet sich jeder der Vertragspartner in der Rolle des Antragenden und des Annehmenden. Das Gesetz erwähnt diese Art des Vertragsschlusses nicht besonders, schliesst sie aber auch nicht aus und setzt sie im Grunde in §§ 154, 155 BGB voraus, Larenz, a.a.O., Rn 14; Leenen, AcP 188 (1988), S. 417; Flume AT, § 34 II, S. 619 spricht hier von einem “Vertragsschluss durch beiderseitige Zustimmung zu einem Vertragstext”. 216 Das Angebot ist für sich allein genommen nichts anderes als ein Vorschlag (so ausdrücklich Art. 14 CISG)7, den der andere Teil dadurch, dass er ihn annimmt, zur von beiden übereinstimmend gesetzten Regelung erhebt. Die zeitliche frühere Erklärung stellt dabei den Antrag dar. Von welcher Seite die erste Erklärung kommt, ist gleichgültig. Das BGB sagt dies nicht ausdrücklich, sondern geht in den §§ 145 ff. wie selbstverständlich davon aus. Besonders deutlich wird dies in § 151 Abs. 1 S. 1 BGB. Anders dagegen Art. 23 CISG, der zur Klarstellung das Modell des Vertragsschlusses durch Angebot und Annahme und den Zeitpunkt ausdrücklich normiert: „Ein Vertrag ist in dem Zeitpunkt geschlossen, in dem die Annahme eines Angebots (...) wirksam wird.“ II. Angebot oder invitatio ad offerendum 1. Bedeutung der Frage Rechtsgeschäfte im Internet folgen den allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts, so dass es für den wirksamen Abschluss eines elektronischen Vertrages der Abgabe zweier, sich deckender Willenserklärungen – Angebot und Annahme – bedarf.8 Die Frage, ob ein im Internet enthaltenes Angebot zum Verkauf einer Ware, zum Abruf einer Information, zur Nutzung eines Computerprogramms oder einer Datenbank (lediglich) eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (invitatio ad offerendum) oder bereits ein verbindliches Angebot (für welches das BGB den Begriffs des „Antrags“ verwendet) darstellt, hat Bedeutung für das Wie und Wann des Vertragsabschlusses.9 Sofern in der Präsentation auf einer Internet-Seite ein Antrag zum Abschluss eines Vertrages läge, wäre der Erklärenden nach § 145 BGB mit dessen Zugang an seine Erklärung gebunden10, es sein denn, dass er ausdrücklich die Gebundenheit ausgeschlossen hat. Der Vertrag käme also durch die rechtzeitige Annahme des anderen Teils (des Internet-Nutzers) zustande, ohne dass der Antragende Einfluss auf den Abschluss als solchen oder den Inhalt der „lex contractus“ hätte. Dies würde nicht für Angebote an bestimmte Dritte gelten, sondern in gleicher Weise für Angebote an die Öffentlichkeit („ad incertas personas“)11, mit der Folge, dass mit allen Teilnehmern, die den Antrag (besser: die Anträge) im 7 8 9 10 11 In der Literatur herrscht heute Einigkeit, dass auch nach dem Modell des Art. 14 CISG alleine der Konsens für den Vertragschluss entscheidend ist, ohne dass es auf die strenge Einhaltung des „Angebot-Annahme-Schemas“ ankommt. Entsprechende Versuche, den Vertragsschluss durch beiderseitige Zustimmung im UN-Kaufrecht zu kodifizieren, wurden jedoch aufgrund „extreme difficulties of formulating an acceptable text“ wieder verworfen, Caemmerer/Schlechtriem, CISG, vor. Art. 14 -24, Rn 2. OLG Hamm, NJW 2001, S. 1142; Palandt/Heinrichs, § 145 Rn 6 ff. Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1 Rn 52. Vor dem Zugang gilt für einen abgegebenen Antrag § 130 Abs. 1 S.2 BGB. Vgl. zur Bindungswirkung des Antrags; MüKo/Kramer, § 145 Rn 6 ff.; Palandt/Heinrichs, § 145 Rn 2. Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1 Rn 53. Vgl. zur Rechtsfigur der Offerte ad incertas personas bereits die Ausführungen von Neunmond, AcP 89 (1899), S. 160 f. 217 Internet abrufen und annehmen, ein Vertrag geschlossen würde. Diese Konstellation birgt aus der Sicht des Anbieters von Waren und Dienstleistungen im Internet zumindest drei Risiken12: (1) Der Anbieter könnte nicht verhindern, dass Verträge auch mit „unerwünschten“ Personen zustande kommen, die zahlungsunfähig, -unwillig oder aus anderen Gründen als Vertragspartner unzumutbar sind. Ein solcher Kontrahierungszwang würde die Entscheidungsfreiheit des Anbieters in unzulässiger Weise einschränken. (2) Durch den Vertragsschluss wird der Anbieter zur Lieferung der versprochenen Waren oder Leistung der Dienste verpflichtet. Hier können Probleme entstehen, wenn der Anbieter nicht ausreichend Waren auf Lager hat oder diese aufgrund eigener Versorgungsschwierigkeiten nicht kurzfristig beschafft werden können. Das gleiche gilt, wenn die geschuldete Dienstleistung aufgrund begrenzter Kapazitäten nicht oder nicht rechtzeitig erbracht werden kann. In beiden Fällen drohen dem Anbieter Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung (§§ 280, 325, 276, 278, 279 BGB). (3) Weist das Angebot einen Fehler auf, der für den annehmenden Internet-Nutzer nicht ohne weiteres erkennbar ist, wie beispielsweise ein fehlerhafter Preis, kommt der Vertrag zu den fehlerhaften Konditionen zustande. Der Anbieter kann sich zwar u.U. vom Vertrag lösen und seine Willenserklärung gemäss §§ 119 ff. BGB anfechten, er muss in diesem Fall aber den Vertrauensschaden nach § 122 BGB ersetzen.13 2. Rechtliche Beurteilung a) Meinungsstand aa) Es stellt sich deshalb die Frage, ob es sich bei der Präsentation von Waren, Dienstleistungen und Inhalten auf Internet Seiten des Anbieters um Angebote im Sinne von § 145 BGB handelt oder diese nur als „invitatio ad offerendum“ zu qualifizieren sind. Bisher gibt es offenbar nur wenige Klagen von Kunden auf Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung von per Internet abgeschlossenen Verträgen, so dass Gerichtsentscheidungen hierzu nicht vorliegen.14 Anders liegt der Fall bei Vertragsabschlüssen im Rahmen von Internet-Auktionen, die in diesem Kapitel gesondert untersucht werden (vgl. Ziff. 4). Nach ganz überwiegender Meinung ist eine Präsentation im Internet nicht als verbindlicher Antrag, sondern nur als invitatio ad offerendum zu bewerten.15 Die Annahme eines 12 13 14 15 Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1 Rn 54 f. Vgl. zum Problemkomplex fehlerhafter Willenserklärungen unten § 6, S. 394 ff. Hoffmann, Beil. zu NJW H. 14/2001, S. 7. Mehrings, a.a.O., Rn. 57. 218 verbindlichen Angebots sei abzulehnen, da sie in Wertungswiderspruch zu der allgemein anerkannten Beurteilung von anhand von Katalogen, Preislisten, Prospekten etc. aufgegebenen fernmündlichen oder schriftlichen Bestellungen im Versandhandel gerate.16 Diese nehmen regelmässig noch kein verbindliches Angebot vorweg.17 Wenn Anzeigen, Plakate, Kataloge und Preislisten im Versandhandel und selbst die Auslage der mit einer verbindlichen Preisangabe versehenen Ware18 im Schaufenster grundsätzlich nicht als Vertragsangebot angesehen werden, so könne für die Präsentation von Waren im Internet nichts anderes gelten.19 Ebenso wie im „Teleshopping“, „Teleselling“, „Telemarketing“ oder „Televertrieb“20 wolle auch der Internet-Anbieter nicht zu einem Zeitpunkt (nämlich der Bestellung durch den Teilnehmer) zur Erfüllung des Vertrages verpflichtet werden, in dem er weder seinen Warenbestand noch die Zahlungsfähigkeit und -willigkeit (Bonität) des potentiellen Kunden überprüfen könne.21 Der Anbieter hätte andernfalls keine Möglichkeit, über das Zustandekommen des Vertrages zu entscheiden. Er wäre schadensersatzpflichtig, wenn mehr Kunden Waren kaufen oder Dienstleistungen bestellen würden, als er auf Lager hat oder zu leisten imstande ist. Eine Website sei daher ein „virtuelles Schaufenster“ und rechtlich wie ein tatsächliches Schaufenster zu behandeln. Dies ändere sich auch nicht, wenn ein Computer auf Anfrage des Kunden automatisiert, eine auf diesen zugeschnittene Preisbestimmung vornimmt.22 Das Rechtsinstitut der „invitatio ad offerendum“ solle den Präsentierenden davor schützen, dass eine unbestimmte Anzahl von Personen wirksame Verträge mit ihm abschliessen kann, die er aufgrund der Vielzahl eventuell nicht erfüllen könne.23 Dahinter stehen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen: Einerseits gilt es Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung abzuwenden, die bei einer Verwicklung in mehr Verträge, als der Schuldner zu erfüllen imstande ist, entstehen können.24 Andererseits sollen schon im Bereich der Vertragsanbahnung transaktionskostensteigernde Fehlkäufe vermieden werden, die beispielsweise bei Verträgen im Fernabsatz durch Ausübung eines Widerrufsrechtsrechts nach § 361a BGB oder eines vertraglich vereinbarten Rückgaberechts nach § 361b BGB oder ganz allgemein durch Annahme und Zahlungsverweigerung seitens des Kunden entstehen könnten. 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Paefgen, JuS 1988, S. S. 595. St. Rspr. seit RGZ 133, 391. BGH NJW 1980, 1388. Daran ändert auch die in der PreisangabenVO vorgeschriebene Preisauszeichnung nichts; a.A. Soregel/Wolf, § 145 RN 7, der in der Schaufensterauslage ein Antrag an jedermann zum Abschluss eines Barverkaufsvertrags über gleichartige Waren sieht. Entsprechend zum Bildschirmtext: Jauernig, § 145 Rn 3; Palandt/Heinrichs, § 145 Rn 2; Bartl, DB 1982, S. 1100; Brinkmann, BB 1981, S. 1185; Redecker, NJW 1984, S. 2391; zum TeleShopping; Köhler, NJW 1998, S. 185; zur Bestellung von Waren im Fernabsatz: Soegel/Wolf, § 145 Rn 7a. Paefgen, JuS 1988, S. 595. Brinkmann, BB 1981, S. 1185. Ernst, NJW-CoR 1997, S. 165. Brox AT, Rn 170. Paefgen, JuS 1988, S. 595. 219 bb) Nach der Gegenmeinung liegt bereits mit der Warenpräsentation oder mit der Übermittlung des auszufüllenden Bestellformulars ein wirksames Angebot ad incertas personas vor. Der Inhalt des intendierten Vertrages sei mit der Abbildung des Vertragsgegenstands und des Preises hinreichend bestimmt, so dass der Vertrag mit dem Absenden der Bestellung, genauer mit dem Zugang derselben beim Anbieter zustandekommt25. Soll die Präsentation keine verbindliche Wirkung entfalten, sei deshalb ein einschränkender Zusatz bei der Warenpräsentation notwendig.26 b) Eigene Stellungnahme Generelle, ergebnisorientierte Erwägungen erlauben keine sachgerechte Beurteilung. Die Frage ist nicht pauschal zu beantworten. Vielmehr sind die Internetangebote unter Anwendung der rechtsgeschäflichen Auslegungsmethoden auf ihren objektiven Erklärungswert zu untersuchen. Dabei kommt es auf die konkrete inhaltliche Ausgestaltung der Warenpräsentation bzw. des Internetauftritts an. Eine Bindungswirkung zu Lasten des Anbieters im Internet tritt nicht in jedem Fall ein. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich tatsächlich um eine verbindliche Offerte im Sinne des § 145 BGB handelt. Das BGB hat die materiellrechtlichen Anforderungen an ein Angebot nicht ausdrücklich normiert, sondern nimmt in den Vorschriften über den Vertragsschluss (§ 145 bis 151 BGB) auf das nicht geregelte Angebot Bezug. Ein solches liegt vor, wenn es sich um einen inhaltlich bestimmten oder ohne weiteres bestimmbaren Antrag handelt, der alle wesentlichen Punkte (die sog. essentialia negotii) enthält, die im Vertrag geregelt werden sollen. Als Faustregel gilt: Die Erklärung muss so bestimmt sein, dass sie durch ein einfaches „Ja“ des Empfängers des Angebots angenommen werden kann.27 Doch nicht jede Erklärung, die eine Ware oder Dienstleistung bestimmt genug anbietet, stellt bereits ein verbindliches Vertragsangebot dar. Vielmehr haben solche Erklärungen oft den Sinn, den anderen Teil zur Abgabe eines Angebots aufzufordern.28 Der Unterschied zwischen einer solchen Auforderung zum Vertragsangebot und einem Vertragsangebot selbst liegt darin, dass mit der blossen Aufforderung zum Vertragsangebot noch kein Bindungswille verbunden ist.29 Demgegenüber hat das CISG in Art. 14 den Antrag in einer eigenen Vorschrift geregelt. Dabei verlangt Art. 14 (1) CISG in Übereinstimmung mit dem BGB, dass ein wirksames Angebot die essentialia negotii regelt und mit Rechtsbindungswillen abgegeben wurde. 25 26 27 28 29 Entsprechend zum Bildschirmtext: Lachmann, NJW 1984, S. 407 f.; Micklitz, NJW 1982, S. 266; vgl. auch Mehrings, MMR 1998, S. 32. Mehrings, BB 1998, S. 2375 m.w.N. der als Vorbehaltsformulierung vorschlägt: „Der Vertrag kommt zustande sobald wir ihre Lieferung bestätigen“ sowie „Liefermöglichkeit vorbehalten“; vgl. zur verwandten Problematik des freibleibenden Angebots nachfolgend Drittes Kapitel, II 3 lit. b). Leipold AT, § 5 Rn 459. Leipold AT, § 5 Rn 462. Palandt/Heinrichs, § 145 Rn 2. 220 Ob ein Bindungswille geäussert wird, ist im Wege der Auslegung festzustellen, wobei die Verkehrsauffassung ein erhebliche Rolle spielt.30 Die Frage, ob ein verbindliches Angebot i.S.v. § 145 BGB oder nur dessen Vorstufe in Form einer invitatio ad offerendum vorliegt, richtet sich also nicht nach dem inneren Willen des Erklärenden oder reinen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen, sondern nach dem objektiven Erklärungswert seines Verhaltens.31 Massgeblich für die Auslegung seiner Erklärung ist nämlich, wie der Erklärungsempfänger den Inhalt der Internetseite nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen muss.32 Bringt der Anbieter auf der Website ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck, dass er sich vertraglich binden will, so liegt nicht nur eine Aufforderung zur Angebotsabgabe, sondern ein bindendes Angebot zum Abschluss eines Rechtsgeschäfts vor.33 Die rechtliche Beurteilung einer Präsentation im Internet hat daher zweistufig zu erfolgen: Bestimmheitheit der Erklärung: Zunächst ist für jede Darstellung getrennt zu fragen, ob die schriftliche und/oder graphische Darstellung überhaupt annahmefähig, das heisst inhaltlich so umfassend und bestimmt ist, dass ein Vertrag durch einfache Zustimmungserklärung des Empfängers zustandekommen kann. Bindungswille des Erklärenden: Sodann ist durch Auslegung gemäss §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, ob der Erklärungsempfänger die Erklärung unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung als bindend wertend durfte. Dabei muss zwischen verschiedenen Kategorien von Websites unterscheiden werden: aa) Informations- und Werbemittel Sofern es sich bei der Internetseite (Website) um eine reine Präsentation von Warenangeboten handelt, ohne das eine Bestellfunktion eingebaut ist, ist zur Erlangung des Angebotes ein weiterer Schritt ausserhalb des Netzes notwendig. Hier handelt es sich regelmässig um Werbung oder werbeähnliche Äusserungen des Anbieters im virtuellen Raum. Die Website dient ausschliesslich Informationszwecken des potentiellen Kunden, ohne dass eine interaktive Kommunikation mit dem Nutzer möglich ist. Die Einrichtung einer sog. passiven Website, bei der die Präsentation lediglich die Grundlage des Kaufgeschäfts bildet, ist nicht als Angebot zu werten, da das übermittelte Datenmaterial für eine Bestellung nicht ausreicht oder eine entsprechende Bestellfunktion nicht integriert ist. Ähnlich dem klassischen Versandhandel will sich der Anbieter durch die 30 31 32 33 Leipold AT, § 5 Rn 462. Palandt/Heinrichs, § 145 Rn 2; Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1 Rn. 59. Std. Rspr. BGHZ 103, 275, 280 = NJW 1988, S. 1378, 1379; BGH NJW 1990, S. 3206; BGH NJW 1992; S 1446, 1447. Meents, Verbraucherschutz, S. 19; Mehrings, MMR 1998, S. 30 221 Warenpräsentation nicht binden, sondern sich nach Eingang der Bestellung die Überprüfung seiner Lieferfähigkeit und/oder der Bonität des Bestellers vorbehalten. Bei rein werbenden Verlautbarungen an die Allgemeinheit fehlt es daher an einem erkennbaren Geschäftswillen, so dass es sich hierbei nicht um ein Angebot im Rechtssinne, sondern lediglich um eine invitatio ad offerendum handelt. bb) Integrierte Bestellfunktion („ Elektronischer Warenkorb“) Anders ist die Situation dagegen bei Websites, bei denen eine Kommunikation mit dem Nutzer vom Anbieter ausdrücklich vorgesehen ist. Bei den sog. interaktiven Websites, ist neben dem rein passiven Abruf des Inhalts eine Eingabe des Nutzers, sei es durch Mausklick oder durch die Übermittlung von Daten, möglich. Dies ist der Fall bei Websites mit eingebauter Bestellfunktion. Nach Auswahl der gewünschten Artikel und Ablage im „elektronischen Warenkorb“ kann der Kunde diese direkt per Mausklick über die Website des Anbieters bestellen. Weitere Handlungen ausserhalb des Netzes sind nicht mehr notwendig. Ein Beispiel von vielen hierfür ist die eingangs dargestellte Bestellung beim Online Buchhändler Amazon. Amazon stellt in § 2.1 seiner AGB34 klar, dass es sich bei der Präsentation der Waren auf seiner Website um verbindliche Angebote handelt: „Amazon verpflichtet sich, die Bestellung des Bestellers zu den Bedingungen der Website anzunehmen. (...)“ Aber auch bei anderen Präsentationen im Internet, die diese Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht enthalten, scheint es fraglich, ob das Dogma, dass es sich bei der Darstellung von Waren und Dienstleistungen regelmässig um eine Aufforderung zur Offertestellung an den Kunden handle35, weiter aufrechterhalten werden kann. Ist das Angebot als solches umfassend und inhaltlich bestimmt genug, so kommt es darauf an, ob der Erklärungsempfänger dieses unter Berücksichtigung der Verkehrs-auffassung und nach Treu und Glauben als bindend wertend durfte.36 Eine Präsentation von Waren oder Dienstleistungen kann so ausgestaltet sein, dass der Kunde von einer sofortigen Leistungsbereitschaft ausgehen darf, z.B. wenn Formulierungen wie „bei Bestellung vor 15 Uhr Auslieferung noch am gleichen Tag“ verwendet werden.37 34 35 36 37 Abzurufen unter <http://www.amazon.de> OLG Oldenburg, CR 1993, S. 558; Eckert, DB 1994, S. 718. BGH NJW 1992, S. 1446. Hoffmann, Beil. zu NJW H. 14/2001, S. 7; vgl. z.B die Formulierung : „Wir liefern (fast) alle Artikel aus dem Katalog schon am nächsten Tag, wenn uns Ihre Bestellung montags bis freitags bis spätestens 17 Uhr vorliegt...“ <http://www.otto-office.com>, die für sich genommen nicht ausreicht, um den Eindruck der Verbindlichkeit der Präsentation zu erwecken. 222 Hier wird zum Teil vertreten, dass solche Websites dann ein Angebot darstellen, wenn der Internetteilnehmer mangels konkreter Hinweise nicht erkennen kann, dass ihm der Anbieter zwar ein Angebot macht, in dem es beispielsweise auf der Internet Seite heisst: „Sonderangebot – Bestellen sie sofort“, juristisch aber gar kein Angebot machen will, weil noch eine Bonitätsprüfung des Kunden und/oder eine Überprüfung der Liefermöglichkeiten erfolgen soll.38 „Hiervon ausgehend wird man in der Regel bei reisserisch ausgestalteten oder ausdrücklich zeitlich befristeten Angeboten von einem rechtlich verbindlichen Angebot sprechen müssen“39. Dies erscheint auch gegenüber den Internet-Anbietern nicht unangemessen benachteiligend, denn es steht diesen frei ihre Angebote mit entsprechenden Vorbehalten zu versehen.40 Dem ist zuzustimmen, es kommt jedoch auf den konkreten Einzelfall an. Die Gegenansicht, die zur Begründung darauf verweisen, dass auch bei „herkömmlicher“ Werbung, wie zum Beispiel bei Versandhauskatalogen, TV-Werbeverkaufssendungen, bei denen man über das Telefon bestellen kann, der Laie ebenfalls oft nicht erkennen könne, welche juristische Qualität die Präsentation besitzt, vermag nicht zu überzeugen. Beide Fallgruppen sind nicht miteinander vergleichbar. Die Besonderheit bei Websites mit Bestellfunktion liegt darin, dass sich der Vertragsschluss über das Internet von den gewohnten Fallkonstellationen insofern unterscheidet, als sich die Möglichkeit bietet, Werbung und Bestellvorgang zu einem einheitlichen Vorgang zu verschmelzen. Sofern die Werbung ohne Zuhilfenahme externer Daten wie Kataloge zum Abschluss führen soll, rückt die Parallele zum Selbstbedienungsladen stärker ins Blickfeld, da dem Kunden eine direkte Zugriffsmöglichkeit auf das Warenlager des anbietenden Unternehmens suggeriert wird. Hinzu kommt, dass der Anbieter, insbesondere bei automatisierten Erklärungen auf Datenbanken zurückgreifen kann, die eine zusätzliche Überprüfung des Lagerbestands erübrigen.41 Es ist mit vertretbarem Aufwand technisch machbar und dem Anbieter zuzumuten, vorübergehend nicht mehr lieferbare Waren aus dem virtuellen Kaufhausregal oder dem Katalog zu entfernen. Verzichtet der Anbieter auf eine Bonitätsprüfung42 des Kunden etwa bei Versand per Nachnahme, so sind entgegen der herrschenden Meinung durchaus Fälle denkbar, in denen auf Internetseiten enthaltenen Angebote zum Kauf von Waren als verbindliche Angebote i.S. von § 145 BGB zu qualifizieren sind.43 In diesen Fallkonstellationen erfolgt die Annahme durch den Verbraucher mit 38 39 40 41 42 43 Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1 Rn. 60 f.; ders., MMR 1998, S. 32. Ende/Klein, Vertriebsrecht im Internet, S. 18. Vgl. zur Wirksamkeit sogenannter Freiklauseln unten § 3 II 3 lit. b), S. 228 ff. So nehmen bspw. die Online Versandhäuser Quelle <http://www.quelle.de/>, Otto <http://www.otto.de/> und Bader <http://www.bader.de/> vor der Bestätigung der Bestellung, die der Kunde durch Mausklick auslöst, zwingend eine Prüfung der Bestellung – sprich des Warenvorrats – vor. Softwaregestützte Methoden erlauben in Zusammenarbeit mit Wirtschaftsauskunftsdateien die Prüfung der Kundenangaben, sowie eine Beurteilung der Bonität des Kunden (sog. „Risk Management“). Mehrings, a.a.O. (Fn 38), Rn. 61. Vgl. auch Ernst, NJW-CoR 1997, S. 165 der ein bindendes Angebot ad incertas personas annimmt, wenn der Verbraucher gleich zur Eingabe der Kreditkartennummer aufgefordert wird und die Geschäftsabwicklung ohne menschliche Einwirkung erfolgt. 223 dem Absenden des ihm übermittelten Bestellformulars oder, sofern eine direkte Dialogverbindung besteht, indem er die Frage Absenden „ja/nein“ durch einfachen Mausklick bestätigt.44 Zu weit geht m.E. geht Boehme-Neßler45, der der Ansicht ist der objektive Erklärungswert solcher Websites sei in der Regel eindeutig: „Ein verständiger, durchschnittlicher Internetnutzer verstehe die Website als verbindliches Angebot. Anders als bei einem realen Kaufhaus rechne kein Kunde beim virtuellen Shopping damit, dass eine Ware ausverkauft sein könnte“. cc) Elektronisches Vertriebsmittel („Live Order Pages“) α) Ein besondere Form interaktiver Websites bilden der entgeltliche Informationsabruf aus Datenbanken, der Abruf kostenpflichtiger Inhalte und Informationen und die Nutzung des Internet als elektronisches Vertriebsmittel bei EDV-unterstützten Dienstleistungen und virtuellen Waren. Hier ist, ähnlich wie Websites mit integrierter Bestellfunktion, eine Interaktion zwischen Nutzer und Anbieter zur Erlangung der Inhalte erforderlich. Die Interessenlage ist insofern vergleichbar. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass hier die Leistung gleichsam über das Netz erfolgt. Der Dienstanbieter stellt die angebotenen Leistungen auf seiner Website zum Abruf bereit, von wo aus sie ohne weiteren Zwischenschritte direkt vom Nutzer in Anspruch genommen oder heruntergeladen werden können (sog. „Live Order Pages“). Hierbei kann zwischen zwei unterschiedlichen Kategorien digitaler Leistungen unterschieden werden: Einerseits zwischen dem individuellen Abruf von Bildern (z.B. Fotos, Videos), Grafiken, Ton (z.B. Musikdateien), Daten (Informationen aller Art), Programmen oder Texten (z.B. wissenschaftliche Arbeiten, Journale, Vertragsmuster, elektronische Bücher – sog. „E-Books“, etc...) im Internet, (auch als digitale Lieferung bezeichnet) und andererseits den unterschiedlichen Formen des individualisierten Zugriffs auf Dienste an die Allgemeinheit, bei denen eine Individualnutzung möglich ist. Im letzteren Fall spricht man auch von „OnDemand-Diensten“. Dabei stellt der Anbieter seine Dienste im Internet gewissermassen jedermann zur Verfügung und gewährt dem Kunden in der Regel gegen Entgelt Zugriff auf die übertragenen Inhalte. Nach der Übertragung durch den Anbieter und Speicherung im Zwischen- und Arbeitsspeicher des Nutzers können die Daten von diesem individuell abgerufen werden.46 Bekannt sind Video-on-demandund Music-on-demand-Dienste, um zwei Beispiele zu nennen. β) Das Rechtsinstitut der invitatio ad offerendum, das den Anbieter vor einer Vielzahl von Verträgen schützen soll, die er nicht erfüllen kann, macht nur Sinn, sofern es sich um körperliche Waren handelt. Virtuelle Waren wie digital gespeicherte Texte, Bilder, Musik, Video oder Software sind ebenso wie 44 45 46 Mehrings, a.a.O. (Fn 38), Rn. 61. Internetrecht.com, S. 91. Lütje, Multimediarecht, Kap. 7.2 Rn 104, 224 Informationen beliebig oft reproduzierbar und stehen vorbehaltlich von Schutzrechten in praktisch unbegrenzter Anzahl zur Verfügung. Digitale Güter sind im Gegensatz zu körperlichen Waren nicht knapp. Es werden elektronische Kopien der beim Anbieter gespeicherten Daten gefertigt. Bei diesen unendlich oft reproduzierbaren Produktgruppen erübrigt sich eine Prüfung der Warenbestände – es besteht keine Gefahr der Leistungsunfähigkeit. Muss der virtuelle Kunde seine Vergütung erst nach dem Download leisten, besteht für den Anbieter die Gefahr des Zahlungsausfalls, was seinen Interessen entgegenstehen dürfte. Sind hingegen von Seiten des Kunden nach Anwahl der Produktdarstellung im Internet keine Angaben zur Person notwendig, verliert die invitatio ad offerendum ihrem Sinn. Konnte der Anbieter zuvor die finanzielle Leistungsfähigkeit des Kunden prüfen, so ist davon auszugehen, dass es sich um ein rechtverbindliches Angebot handelt. Dies wird dann der Fall sein, wenn sich der Kunde zuvor anhand von Kundenummer, Passwort oder vergleichbarem ausreichend identifiziert hat.47 Erst im Anschluss daran wird der Abruf von Produktdarstellungen ermöglich. γ) Alternativ ist denkbar, dass der Anbieter von Anfang auf eine Identifizierung des Kunden grundsätzlich verzichtet. Auch in diesem Fall hält sich der Anbieter nach dem Empfängerhorizont den Vertragsschluss nicht offen. Beim Herunterladen von Programmen, Informationen und Daten oder der Bestellung von Musik und Filmen fallen wie beim Kauf mittels Warenautomaten das schuldrechtliche Kausalgeschäft und der dinglich wirkende Leistungsaustausch zeitlich zusammen. Angesicht der sofortigen Vertragserfüllung seitens des Informationsanbieters ist bereits die Offerierung von Informationen und Daten als rechtsgeschäftlicher Antrag an jedermann zu bewerten, der gemäss § 151 BGB angenommen werden kann. Beim Download virtueller Güter hat der Anbieter mit der Präsentation im Internet und Prüfung des virtuellen Kunden seinerseits alles getan, um den Vertrag zu erfüllen. Der Nutzer erklärt mit dem Beginn des Herunterladens konkludent die Annahme des Angebots; der Vertrag kommt zustande (sog. „click wrap agreement“)48. Dies wird vom Erklärenden auch so verstanden. Eine abweichende Beurteilung wäre wirklichkeitsfremd.49 Da der unmittelbare Zugriff auf die angebotenen Informationen wie bei einem Warenautomaten gewährleistet ist, entfaltet bereits die Präsentation bindende Wirkung. Allein das Interesse des Informationsanbieters, bei Fehlschlagen der Informationsübermittlung nicht einem Erfüllungs- oder Schadensersatzanspruch ausgesetzt zu sein, steht dieser Auslegung nicht entgegen.50 47 48 49 50 Hierbei ist zu beachten, dass nicht jede Passwortvergabe oder Vergabe von Kundennummern notwendig eine ausreichende Identifikation des Kunden ermöglicht. Es ist daher bei der Auslegung zu berücksichtigen, über welche Informationen der Anbieter bei der Eingabe der Kundenkennung verfügt, Schmitz, Informationsanbieter im Internet, S. 8, Fn 16. Vgl. zu Click-wrap agreements, unten § 5 IV 1, S. 357 ff. Ende/Klein, Vertriebsrecht im Internet, S. 18; Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1 Rn. 60. Kuhn, § 10 I; S. 113/114. 225 c) Rechtsvergleichende Betrachtung: Die Situation in der Schweiz Für den elektronischen Vertragsschluss gelten in der Schweiz grundsätzlich wie auch in Deutschland die allgemeinen Vorschriften des Privatrechts zum Vertragsabschluss. Allerdings ist geplant, die bestehenden Bestimmungen um spezielle Regelungen für den elektronischen Geschäftsverkehr zu ergänzen bzw. an die Erfordernisse des elektronischen Handels anzupassen. Der Bundesrat hat am 17. Januar 2001 zwei Vorentwürfe in die Vernehmlassung geschickt, die für die Zukunft des elektronischen Geschäftsverkehrs und des Konsumentenschutzes in der Schweiz von erheblicher Bedeutung sind. Es handelt sich dabei um ein Bundesgesetz über die digitale Signatur51 und um das Bundesgesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr52, auf das nachfolgend kurz eingegangen wird. Bei letzterem handelt es sich nicht um ein eigenständiges Gesetz, sondern um einen Mantelerlass. Er enthält eine Teilrevision des Obligationsrechts und des Bundesgesetzes über den unlauteren Wettbewerb, die im Wesentlichen auf eine Besserstellung des Konsumenten zielen.53 Die Vernehmlassungsfrist lief bis zum 31. Mai 2001. Es ist hier nicht der Ort auf alle Neuerungen des Gesetzes einzugehen, nachfolgend soll kurz die Neuregelung des Antrags dargestellt werden. Der geplante Artikel 7 Obligationenrecht (E-OR)54 lautet wie folgt: Artikel 7 E-OR Antrag ohne Verbindlichkeit, Auskündigung, Auslage (1) (2) (3) Der Antragsteller wird nicht gebunden, wenn er dem Antrag eine die Behaftung ablehnende Erklärung beifügt, oder wenn ein solcher Vorbehalt sich aus der Natur des Geschäftes oder den Umständen ergibt. Die Versendung oder Veröffentlichung von Tarifen, Preislisten u. dgl., namentlich auf elektronischem Weg, bedeutet an sich keinen Antrag. Dagegen gilt die Präsentation, namentlich auf elektronischem Weg, von individualisierten Waren oder Dienstleistung mit Angaben des Preises in der Regel als Antrag. Nach Artikel 7 Absatz 2 OR bedeutet die Versendung von Tarifen, Preislisten und Ähnlichem als solche keinen Antrag. Das stimmt mit der deutschen Rechtslage überein, wonach es sich bei rein werbenden Verlautbarungen an die Allgemeinheit 51 52 53 54 Bundesgesetz über die digitale Signatur (BGES), Vernehmlassungsvorlage vom 17. Januar 2001 Bundesgesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr (Teilrevisionen des Obligationenrechts und des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb), Vernehmlassungsvorlage vom 17. Januar 2001. Der Bundesrat greift damit verschiedene Empfehlungen der Eidgenössischen Kommission für Konsumentenfragen auf und erfüllt gleichzeitig – zumindest teilweise – die als Postulate überwiesenen Motionen Vollmer (99.3168): Ausdehnung der Garantiefristen bei Kaufverträgen auf zwei Jahre (AB 1999 N 2162 f.) und Anhebung des schweizerischen Konsumentenschutzes auf das EWR/EU-Niveau (AB 1998 N 1517 f.; 2000 N 150). Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911, SR (Systematische Rechtssammlung) 220. 226 nicht um ein Angebot im Rechtssinne, sondern lediglich um eine invitatio ad offerendum handelt. Anders verhält es sich nach Absatz 3 mit der Auslage von Waren unter Angabe des Preises: Sie gilt in der Regel als Antrag. Dieser Fall wird nach deutschem Recht als invitatio ad offerendum behandelt. Im Gegensatz hierzu geht Art. 7 Abs. 3 OR davon aus, dass Anpreisungen und Warenauslagen grundsätzlich ein ein rechtlich bindendes Angebot bedeuten. Die Nichtbindung kann nur durch eine ausdrückliche Erklärung nach Art. 7 Abs. 1 OR erreicht werden. Im deutschen Recht ist das Regel-Ausnahme Verhältnis eher umgekehrt.55 Die Anpreisung von Waren und Dienstleistungen im Schaufenster ist unverbindlich, es sei denn, aus den besonderen Umständen der Präsentation ergibt sich ausnahmsweise deren verbindlicher Charakter. In der praktischen Anwendung ergeben sich jedoch kaum Unterschiede:56 In der Schweiz wird darauf abgestellt, dass es sich bei der Auslage nach Art. 7 Abs. 3 um reale Ware handeln muss, wovon Abbildungen, Attrappen oder Darstellungen in Katalogen nicht erfasst sind. Die gleichen Grundsätze sollten danach im elektronischen Geschäftsverkehr gelten.57 Konsequenterweise wird deshalb hinsichtlich „älterer“ elektronischer Geschäftsmöglichkeiten wie Videotext und Teleshopping mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass die öffentliche Anpreisung von Waren und Dienstleistungen rechtlich nicht als Auslage im Sinne von Art. 7 Abs. 3 OR zu qualifizieren sei, sondern vielmehr der Versendung von Katalogen (Art. 7 Abs. 2 OR) entspreche.58 Der Anbieter bekunde durch ein solches Dienstleistungsangebot lediglich seine grundsätzliche Bereitschaft – nicht aber seinen (endgültigen) Willen – zum Vertragsabschluss. In Anlehnung an diese Betrachtungsweise wurde auch bei der Präsentation von Waren- und Dienstleistungen über das Internet im Grundsatz davon ausgegangen, dass darin noch kein rechtserhebliches Angebot zum Abschluss eines konkreten Vertrages liege, sondern nur die Einladung an den potentiellen Kunden, seinerseits ein Angebot zu unterbreiten. Die beiden Bestimmungen werden durch das Bundesgesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr ergänzt, um die ähnlichen Tatbestände, wenn sie über ein Datennetze wie das Internet erfolgen, gleich zu regeln.59 Der Entwurf stellt deshalb den Versand von Tarifen, Preislisten und dgl. deren Veröffentlichung auf elektronischem Weg gleich: Sie bedeuten an sich keinen Antrag. Begründet wird diese Ansicht, ähnlich wie in Deutschland, damit dass dem betriebswirtschaftlich handelnden Anbieter angesichts der Grösse des potentiellen Kundenkreises eine vernünftige Dispositionsmöglichkeit fehle.60 Damit wird nicht verkannt, dass besondere Umstände in gewissen Fällen auf ein konkretes, d.h. rechtsverbindliches 55 56 57 58 59 60 Nordhausen, Die E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG und ihre Auswirkungen, in: Jb. J. ZivRWiss., 2001, S. 291. Nordhausen, a.a.O., S. 291. Nordhausen, a.a.O., S. 292. Vertragsschluss im Internet – Besonderheiten beim elektronischen Vertragsabschluss, abzurufen unter: <http://www.softnet-recht.ch/deutsch/di0704_0105.htm> (Stand: 19.12.2001). Begleitbericht zum Bundesgesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr, S. 10. Vertragsschluss im Internet – Besonderheiten beim elektronischen Vertragsabschluss, a.a.O. 227 Angebot schliessen lassen. Die in Deutschland vorherrschende Ansicht, wonach es sich bei der öffentlichen Präsentation von Waren und Dienstleistungen im Internet stets um eine unverbindliche invitatio ad offerendum handelt, wird durch Art. 7 Abs. 3 OR durchbrochen. Die Präsentation von Waren mit Angabe des Preises auf elektronischem Weg behandelt der Entwurf in Art. 7 Abs. 3 OR wie deren Auslage, mit der Folge, dass sie in der Regel als verbindlicher Antrag gilt. Das mag auf den ersten Blick überraschen: Das virtuelle Schaufenster verpflichtet den Anbieter ebenso wie eine körperliche Warenauslage. Dies gilt jedoch nur unter der Einschränkung, dass es sich um eine „Warenauslage“ handelt. Nach der bisher geltenden Regelung war deshalb erforderlich, dass die Ware selbst präsentiert wird. Dies ist im Internet so nicht praktikabel, denn auf der Website des Anbieters kann immer nur die Abbildung oder eine sonstige Darstellung der Ware präsentiert werden. Nach der Begründung des Gesetzgebers soll Art. 7 Abs. 3 OR auch dann gelten, wenn die Darstellung durch die elektronische Veröffentlichung bedingt ist, sich aber aus den gesamten Umständen ergibt, dass es sich um eine „Warenauslage“ handelt. Dies ist nach dem Begleitbericht zum Entwurf der Vernehmlassungsvorlage beispielsweise der Fall, wenn erkennbar ist, dass die Ware im Vorrat des Anbieters vorhanden ist und die Zahl der verfügbaren Produkte angegeben ist und bei jeder Bestellung sinkt.61 Entsprechend diese Angaben nicht den Tatsachen, so wird sich der Unternehmer an seinen Angaben festhalten lassen müssen, mit der Folge, dass er durch die Art seines Angebots durch die Bestellung des Kunden bereits vertraglich gebunden und zur Lieferung verpflichtet ist.62 Gemäss dem vorher Gesagten muss dies aber auch für virtuelle Waren gelten, die beliebig oft reproduzierbar und deshalb in beliebiger Menge im Vorrat des Anbieters vorhanden sind. Bei der Präsentation virtueller Güter handelt sich um reine Darstellungen bzw. Abbildungen. Dennoch sind sie einer Warenauslage gleichzusetzen. Darauf, dass ihre Verfügbarkeit im Vorrat des Anbieters ausdrücklich angegeben wird kommt es nicht. Der Rechtsverkehr vermutet eine ständige Verfügbarkeit und Lieferbereitschaft. Hierdurch wird m.E. die nach der Begründung des Gesetzgebers notwendige Parallele zur Warenauslage geschaffen. Das bedeutet, befindet sich die Ware oder Dienstleistung selbst auf dem Rechner des Anbieters, d.h. kann die nachgefragte Leistung direkt vom Anbieter bezogen werden, so handelt es sich nach Art. 7 Abs. 3 OR in der Regel um einen verbindlichen Antrag an jedermann, mit der Folge, dass ein Vertrag zustande kommt, wenn ein Nutzer das Bildsymbol „OK“ anklickt.63 61 62 63 Begleitbericht, a.a.O (Fn 59), S. 10. Nordhausen, Die E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG und ihre Auswirkungen, in: Jb.J.ZivRWiss., 2001, S. 292. Vertragsschluss im Internet – Besonderheiten beim elektronischen Vertragsabschluss, a.a.O (Fn 58) 228 3. Bindung an den Antrag a) Widerruflichkeit des Antrags Der Antrag ist bis zum Zugang an den Antragsgegner widerruflich (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB). Ab Zugang ist der Antragende nach § 145 BGB an seinen Antrag gebunden, das bedeutet, dass er den Antrag nicht mehr einseitig widerrufen oder inhaltlich ändern kann. Er kann seine Gebundenheit jedoch ausdrücklich ausschliessen. Art. 16 CISG löst das Problem der Bindung des Antragenden an sein Angebot genau anders herum. Der Antragende kann das Angebot nach Art. 16 CISG so lange widerrufen, bis der Adressat seine Annahmeerklärung abgesandt hat, falls nicht explizit etwas anderes bestimmt wurde oder sich die Unwiderruflichkeit des Antrags aus Vertrauensschutzgründen ergibt64. Anders im deutschen Recht nach § 145 BGB: der Anbieter ist hier an sein Angebot gebunden, es sei denn, er hat die Bindung vorher explizit ausgeschlossen. Der Ausschluss der Gebundenheit an den Antrag bedeutet, nach dem Gesagten, dass der Antragende ihn wiederrufen kann. Der Widerruf muss, um wirksam zu werden, gegenüber dem Empfänger erklärt werden. Er kann nicht mehr widerrufen werden, wenn dem Antragenden vorher bereits die Annahmeerklärung zugegangen ist, da damit der Vertrag geschlossen ist. b) Die Wirksamkeit von „Freiklauseln“ Die Bezeichnung von Angeboten als z.B. „freibleibend“65 [„entsprechend unserer Verfügbarkeit“]66 auch „sine obligo“67 oder „Widerruf vorbehalten“ oder ähnlichen Wendungen bezwecken meist, dem Antragenden die letzte Entscheidung über das Zustandekommen vorzubehalten. Der Anbietende will sich auch noch für den Fall der Annahme die Möglichkeit der unverzüglichen Ablehnung vorbehalten. Als Vertragsbestandteil können derartige Klauseln den Vorbehalt des Rechts zum freien Rücktritt vom Vertrag bis zu dessen Erfüllung ausdrücken. Der Ausschluss der Bindungswirkung des Angebots durch Beifügung eines „Unverbindlichkeitszusatzes ist rechtlich anerkannt. Umstritten ist allerdings, ob bei Hinzufügung derartiger 64 65 66 67 Mit der freien Widerruflichkeit des Antrags haben sich die romanischen und angelsächsischen Vertragsstaaten, deren Rechtsordnungen eine dem deutschen Recht vergleichbare Bindung an das Angebot fremd ist, weitgehend durchgesetzt. Die Widerrufssperre nicht erst ab Vertragsschluss, sondern schon bei Absendung der Annahmeerklärung stammt aus dem Common Law, vgl. von Caemmerer/Schlechtriem, CISG, Art. 16 Rn 4. Die Ausnahmen von der generellen Widerruflichkeit nach Art. 16 (2) CISG stellen ein Zugeständnis an das deutsche Recht dar, Reinhard, UN-Kaufrecht, Art. 16 Rn 3. Vgl. dazu RGZ 102, 227, 229; 103, 312, 313, BGH NJW 1957, S. 1628 f. Vgl. BGH NJW 1984, S. 1885 f. Die rechtliche Bedeutung der Klausel ist eine mehrfache: Sie kann über den Ausschluss der Bindung an das Angebot im ganzen hinaus auch als Haftungsfreizeichnung gewertet werden, wobei aber die Klauselangemessenheit an § 11 Nr. 7 AGBGB zu überprüfen ist. 229 Klauseln von einer invitatio ad offerendum oder von einem wirksamen Angebot unter Widerrufsvorbehalt auszugehen ist.68 aa) Meinungsstand Nach der Rechtsprechung und grosser Teile der Literatur hat die Bezeichnung eines Angebots als „freibleibend“ die Bedeutung, dass entweder kein Vertragsangebot gemacht, sondern der Adressat eines solchen zur Abgabe aufgefordert wird69, oder dass der Antrag bis zu seiner Annahme durch die andere Vertragspartei widerruflich ist70. Letzteres folgt bereits aus der Regelung des § 145 BGB und entspricht kaum den wirtschaftlichen Interessen des Online-Dienstanbieters, der auch für den Fall der Annahme die Möglichkeit der Ablehnung behalten will. bb) Widerrufsrecht nach Zugang der Annahmeerklärung? Denkbar ist aber auch, dass mit dem freibleibenden Angebot ein Recht zum Widerruf auch noch nach der Annahme zum Ausdruck gebracht werden soll.71 In diesem Fall wäre der Vertrag durch die Annahme des freibleibenden Angebots zunächst wirksam zustandegekommen. Die Bindung könnte vom Anbieter aufgrund der eingefügten Schutzklausel aber einseitig widerrufen werden. Der durch die Bezeichnung „freibleibend“ bezweckte Ausschluss der Bindung des Anbieters steht m.E. dem Vorliegen eines Angebots nämlich nicht zwingend entgegen. Das Recht zu jederzeitigem Widerruf und Abänderung beseitigt den Antrag als Grundlage für einen Vertragsschluss durch Annahme gerade nicht. Der Ausschluss der Antragsbindung muss vom Fehlen eines Rechtbindungswillens unterschieden werden, mithin liegt auch in den Fällen eines „freibleibenden Angebots“ ein echter Antrag vor, der jedoch in Abweichung zu § 145 BGB auch noch nach seinem Zugang widerrufen werden kann. Das Recht, den Antrag auch nach Zugang wirksam einseitig widerrufen zu können, entspricht im Ergebnis der Konstruktion der schwebenden Wirksamkeit, wie sie nunmehr einheitlich in § 361a BGB für alle Verbraucherverträge eingeführt ist. Anders als bei verbraucherschützenden Widerrufsrechten, muss der einseitige Widerruf des Anbieters bei freibleibenden Klauseln aber „unverzüglich“ nach der Annahme des Angebots erfolgen, andernfalls ist sein Schweigen nach Treu und Glauben als endgültige Zustimmungen zu verstehen. Die im Sonderprivatrecht des 68 69 70 71 Honsell/Holz/Dahrenstaedt, JuS 1986, S. 996 f. BGH, NJW 1956, S. 1628; BGH NJW 1984, S. 1985; BGH, NJW 1996, S. 919 f.; RGZ, 102, 227; 105, 12; Ennercus/Nipperdey, § 161 III 1b; Jauernig, § 145 Rn 5; Palandt/Heinrichs, § 145 Rn 4; Ulmer/Brandner/Hensen, § 10 Nr. 3 Rn 5. Soergel/Hefermehl, § 145 Rn 10; Palandt/Heinrichs, § 145 Rn 4; Staudinger/Dilcher, § 145 Rn 18. Flume AT, § 35 I 3c; Larenz AT, § 29 Rn 41, Medicus AT, Rn 366. 230 Verbrauchers übliche Widerrufsfrist verkürzt sich daher auf die Frist des § 121 Abs. 1 BGB. Das bedeutet, der Widerruf hat nach Zugang der Annahme „ohne schuldhaftes Zögern“ zu erfolgen.72 Das Schweigen ist sonst als Annahme zu verstehen.73 Dadurch unterscheidet sich das freibleibende Angebot von der Aufforderung zu Abgabe von Angeboten.74 Im Einzelfall ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, welche Bedeutung mit dem freibleibenden Angebot für den Erklärungsempfänger erkennbar gewollt war, eine allgemeine Regel oder feste Verkehrsitte besteht nicht. cc) Eigene Stellungnahme So verstanden ist der Ausschluss der Bindung des Anbieters im Internet durch die Insertion von sogenannten „Freiklauseln“ das Gegenstück zu den oben aufgezeigten Widerrufsrechten des Verbrauchers, die im und durch das (Sonder)Privatrecht der Verbraucher statuiert sind. Der Widerrufsvorbehalt auch nach Zugang der Annahmeerklärung kollidiert dabei mit dem Rechtsgrundsatz „pacta sunt servanda“. Ein Widerrufsrecht auch nach Zugang der Annahme geht über Art. 16 CISG hinaus, der einen Widerruf nur bis zu dem Zeitpunkt zulässt, in dem die Annahmeerklärung abgesandt wurde. Es lässt sich auch nicht ohne weiteres in die im System des BGB vorgesehenen gesetzlichen Widerrufs- und Kündigungsrechte einfügen. Ein solcher konstitutiver Befreiungsvorbehalt ist deswegen aber nicht per se unwirksam.75 Die Wirksamkeit eines gesetzes-inkongruenten Widerrufsvorbehalts bedarf vielmehr einer sachlichen Rechfertigung76: Wortlaut und Ratio des § 145 BGB sprechen sich m.E. nicht gegen solch konstitutivwirkende Vorbehalte aus. Aus der Sicht des Unternehmers kann ein Widerrufsvorbehalt sinnvoll sein. Er ist darüber hinaus sachlich gerechtfertigt, wenn sich das wirtschaftliche Risiko des Anbieters weder durch eine invitatio ad offerendum, noch durch die Widerruflichkeit des Antrags bis zur Annahme minimieren lässt. Ist die sofortige Vertragserfüllung seitens des Informationsanbieters über die Website möglich („Live Order Page“), so ist nach der hier vertretenen Ansicht bereits die Offerierung von Informationen und Daten im „On-Demand-Verfahren“ als rechtsgeschäftlicher Antrag an jedermann zu bewerten, der gemäss § 151 BGB angenommen werden kann. Will der Anbieter nach dem elektronischen Vertragsschluss durch die Annahme seitens des Kunden die letzte Kontrolle über die Durchführung des Vertrages behalten, verbleibt als probates rechtliches Mittel die Vereinbarung eines einseitigen Widerrufsvorbehalts. Der 72 73 74 75 76 Vgl. die Legaldefinition des Begriffs „unverzüglich“ in § 121 Abs. 1 BGB. Staudinger/Dilcher, § 145 Rn 20. Soergel/Hefermehl, § 145 Rn 11. A.A. Palandt/Heinrichs, § 9 AGBG Rn 86, wonach Freibleibeklauseln gegen §§ 9, 10 Nr. 1 und 3, 11 Nr. 1 AGBG verstossen, soweit sie den geschlossenen Vertrag betreffen. Ulmer/Brandner/Hensen, § 10 Nr. 3 Rn 3. 231 Verbraucher ist gegen eine unangemessene Verlagerung der Risiken hinreichend geschützt: (1) Wegen des weitgehenden Eingriffs in einen geschlossenen Vertrag und die Vertragsbindung muss die Befugnis zu einem Widerruf auch nach Erklärung der Annahme deutlich und unmissverständlich bei Abgabe des Angebots zum Ausdruck gebracht werden.77 (2) Die Ungewissheit darüber, ob der Vertrag vom Anbieter erfüllt werden wird, vermag der Vertragsgegner zudem durch unverzügliche78 Erklärung der Annahme zu beseitigen. Schweigt der Antragende, oder verzögert er schuldhaft die Erklärung des Widerrufs, kommt der Vertrag endgültig zustande. Nach dem unverzüglich Widerruf sind beide Seiten zum Austausch der bereits empfangenen Leistungen verpflichtet. dd) Schranken des AGBG α) Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob Klauseln, die im Ergebnis einen ipsofacto Wegfall der Leistungspflichten vorsehen, wirksam in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt werden können. Hier setzt § 10 Nr. 3 AGBGB enge Grenzen. Danach ist die Vereinbarung „eines Rechts des Verwenders, sich ohne sachlich gerechtfertigten und im Vertrag angegebenen Grund von seiner Leistungspflicht zu lösen“ unwirksam. Unter den Rücktrittsvorbehalt im Sinne von § 10 Nr. 3 AGBGB fallen Rücktritts-, Widerrufs- und Kündigungsrechte.79 Folgt man dem hier vertretenen Modell der schwebenden Wirksamkeit, ist das freibleibende Angebot, verbunden mit dem Recht zum Widerruf, auch noch nach Erklärung der Annahme im Grunde nichts anderes als ein in Folgen und Voraussetzungen besonders gestaltetes Rücktrittsrecht. Jeder über die gesetzlichen Rechte auch nur geringfügig hinausgehende Lösungsvorbehalt wirkt konstitutiv und ist deshalb nach dem Massstab des § 10 Nr. 3 AGBG zu beurteilen: Danach ist eine solche Vertragslösungsklausel von vornherein unwirksam, wenn und sofern nicht ein sachlicher Grund besteht, der überdies in den AGB ausdrücklich angeführt sein muss, und zwar so konkret, dass der Durchschnittskunde beurteilen kann, wann sich der Verwender vom Vertrag lösen darf. Das Rücktritts- bzw. Widerrufsrecht muss nach Rechtsprechung und Literatur durch ein überwiegendes, zumindest aber ein anerkennenswertes Interesse des Verwenders sachlich gerechtfertigt sein und darf sich nicht auf Umstände erstrecken, die schon bei Vertragsschluss erkennbar waren. Die sachliche Rechtfertigung ist zu bejahen für die in der Sphäre des Kunden liegenden Gründe, die dem Verwender das Festhalten am 77 78 79 Soergel/Hefermehl, § 145 Rn 11. Vgl. § 10 Nr. 8 AGBG. Palandt/Heinrichs, § 10 AGBG Rn 13. 232 Vertrag unzumutbar machen. Ein gerechtfertigter Rücktrittsgrund kann beispielsweise in einen nicht unerheblichen, vertragswidrigen Verhalten des Kunden liegen, etwa in der Verletzung von Mitwirkungspflichten.80 Hier sind vor allem Fälle der Online-Erbringung von Dienstleistungen durch den Anbieter relevant, die ohne Mitwirkung des Kunden nicht möglich sind, wie beispielsweise das Herunterladen von Programmen, Dateien, Musik, Videos u.ä. durch den Kunden. Ein gerechtfertigter Rücktrittsgrund ist in diesem Konnex auch das Fehlen oder der nachträgliche Wegfall der Kreditwürdigkeit oder Zahlungsfähigkeit des Vertragspartners oder falsche (unrichtige oder unvollständige) Angaben über die Person des Vertragspartners oder dessen Vermögensverhältnisse. Leistungshindernisse in der Sphäre des Verwenders können in bestimmten Fällen ebenfalls einen zulässigen Rücktrittsgrund darstellen. Das Lösungsrecht hängt hier davon ab, wieweit der Wegfall der Leistungsverpflichtung eine vom Gesetz abweichende Risikoverlagerung zugunsten des Verwenders bewirkt.81 β) Enthält die Klausel einen nach § 10 Nr. 3 AGBG zulässigen Vorbehalt des Verwenders sich bei Nichtverfügbarkeit der Leistung lösen zu können, so ist zusätzlich § 10 Nr. 8 AGBG zu beachten. Die Vorschrift ist durch Art. 3 lit. b) FernAbsG in das AGBG eingefügt worden und dient der Umsetzung von Art. 7 Abs. 2 FARL82. Sie gilt nicht nur für Fernabsatzverträge, sondern für alle Vertragstypen. Die materielle Zulässigkeit von Loslösungsrechten i.S.v. § 10 Nr. 3 AGBG wird durch § 10 Nr. 8 AGBG weder erweitert noch eingeschränkt. Die Regelung des § 10 Nr. 8 AGBG ergänzt § 10 Nr. 3 AGBG vielmehr um ein zusätzliches formales Wirksamkeitserfordernis. Das betrifft vor allem Vorratsklauseln und sonstige Selbstbelieferungsklauseln, aber auch alle Fälle, in denen die Klausel dem Verwender die Möglichkeit geben soll, sich vom Vertrag zu lösen, wenn er den Vertrag mangels Verfügbarkeit der Leistung nicht erfüllen kann. Der Grund der Nichtverfügbarkeit ist unerheblich.83 Derartige Klauseln müssen, um wirksam zu sein, zunächst gemäss § 10 Nr. 3 AGBG einen sachlich gerechtfertigten Grund angeben. Darüber hinaus muss die Klausel nach § 10 Nr. 8 lit. a) AGBG die Verpflichtung des Verwenders, den Vertragspartner unverzüglich über die 80 81 82 83 BGHZ 99, 193. Ulmer/Brandner/Hensen, § 10 Nr. 3 Rn 12; Löwe/von Westphalen; § 10 Nr. 3 Rn 34 ff. Unwirksam sind aber Klauseln in den AGB, die die Bindung des Verwenders ganz oder weitgehend einschränken, wie beispielsweise „Selbstbelieferung vorbehalten“ oder „Lieferungsmöglichkeiten vorbehalten“, da sie nicht klar zum Ausdruck bringen, dass nur eine vom Verwender nicht zu vertretende Nichtbelieferung durch den Vorlieferanten jenen zum Rücktritt berechtigt (vgl. Fn 65 - 67), Palandt/Heinrichs, AGBGB 10, Rn 18. Zulässig ist dagegen der Vorbehalt „der richtigen und rechtzeitigen Selbstbelieferung“, der im nichtkaufmännischen Rechtsverkehr ausdrücklich auf den Fall beschränkt werden muss, dass (1) ein entsprechendes Deckungsverhältnis bestand und (2) der Anbieter von der Partei dieses Vertrags im Stich gelassen wurde (BGHZ 92, 397; NJW 1983, S. 1321; NJW 1985, S. 857; DB 1995, S. 1558). Art. 7 Abs. 2 FARL lautet wie folgt: “Wird ein Vertrag vom Lieferer nicht erfüllt, weil die bestellte Ware oder Dienstleistung nicht verfügbar ist, so ist der Verbraucher davon zu unterrichten, und er muss die Möglichkeit haben, sich geleistete Zahlungen möglichst bald, in jedem Fall jedoch binnen 30 Tagen erstatten zu lassen“. Ulmer/Brandner/Hensen, § 10 Nr. 8 Rn 4. 233 Nichtverfügbarkeit der Leistung zu informieren und die Verpflichtung zur unverzüglichen Erstattung der Gegenleistung gemäss lit. b) enthalten. Dem tragen Klauseln Rechnung, die den Wortlaut der Vorschrift übernehmen oder inhaltlich entsprechen. Dies ist insbesondere hinsichtlich des Merkmals „unverzüglich“ von Bedeutung. Klauseln, die auf diese Frist verzichten oder sie durch abschwächende Formulierungen verlängern, sind insgesamt unwirksam.84 ee) Ergebnis Als Ergebnis kann konstatiert werden, dass ein Vertragslösungsrecht auch nach Zugang der Annahmeerklärung zulässig ist, sofern der Verbraucher deutlich und unmissverständlich informiert wird und der Rücktritt des Verwenders unverzüglich erfolgt. Die hier vertretene Ansicht steht dabei im Einklang mit den Regelungen nach § 10 Nr. 3 AGBG und dem durch Art. 3 lit. b) FernAbsG neueingefügten § 10 Nr. 8 AGBG. 4. Exkurs: Online-Auktionen Neben dem „normalen“ elektronischen Handel, erfreuen sich neue Veräusserungsformen zunehmender Beliebtheit. Die Onlineauktion ist mittlerweile eine weit verbreitete und bei vielen Nutzer beliebte Kaufs- und Verkaufsform. Die Geschichte der Online-Auktionen beginnt, wie nicht anders zu erwarten, in den USA. Der gebürtige Franzose Pierre Omidayr hat – soweit bekannt – 1995 erstmals eine Website zum Tausch von Sammler-Gegenständen ins Netz gestellt.85 1997 war er der Mitgründer der Firma ebay86, die den grössten Auktionsdienst im Internet unterhält und anders als seine Wettbewerber im Jahre 2001 erstmals schwarze Zahlen schrieb. Seither drängen immer mehr Anbieter auch auf den deutschen Markt, und die Zahl der Auktionsteilnehmer steigt zunehmend.87 Die steigende Beliebtheit von OnlineAuktionen ist u.a. darauf zurückzuführen, dass nunmehr auch Privatkunden bzw. Verbraucher im Bieterwettstreit um den günstigsten Preis für ein Produkt feilschen können; Angebot und Nachfrage bestimmen dessen Preis. Die Transaktionskosten sind gering während gleichzeitig praktisch keine Zutrittsschranken bestehen. Über 84 85 86 87 Ulmer/Brandner/Hensen, § 10 Nr. 8 Rn 5. Weber, E-Commerce, S. 379. <http://www.ebay.com> Nach der Prognose einer Studie von Forrester Reserach <http://www.forrester.com> „Europe's Online Auction Prize: SMEs“ boomt der Markt der Online-Auktionen für Endverbraucher. Der durchschnittliche Auktionswert aller Auktionsformen wird im Jahr 2005 danach bei rund 8,8 Milliarden Euro liegen. Bis zum Jahr 2005 wird sich der Auktionsmarkt in Europa verachtfachen. Transaktionen zwischen Unternehmen (Business-to-Business, B2B) werden dabei den C2CAuktionen den Rang ablaufen und für 52 Prozent der Gesamtumsätze stehen. Forrester rechnet aber auch im C2C-Bereich (Consumer to Consumer) bis zum Jahr 2005 mit einer Wachstumsrate von 43 Prozent: Das Marktvolumen wird von derzeit 706 Millionen Euro auf dann 4,2 Milliarden Euro ansteigen. 234 Online Auktionen lässt sich praktisch jedes Produkt einem potentiell unlimitierten Publikum anbieten. Bei der Online- bzw. Internet-Auktion handelt es sich nicht um einen besonderen Vertragstypus, sondern um ein besonderes Verfahren des Vertragsabschlusses und zur Aushandlung wesentlicher Vertragsbedingungen (Preis und Käufer). Bei Online Auktionen kommen deshalb gewöhnliche Kauf- bzw. Dienstleistungsverträge zustande, deren Besonderheit zum einem darin liegt, dass sie auf elektronischem Wege abgeschlossen werden und die sich zum anderen durch die besondere Vertragsabschlussmechanik auszeichnen. a) Erscheinungsformen und Mechanismen aa) Eine Reihe von Unternehmen (z.B. Ricardo88, Sold2489, Atrada90, ebay91, PrimusAuktion92) bieten speziell auf den deutschen Markt ausgerichtete „OnlineAuktionen“ an. Die Online-Auktion als solche gibt es nicht. Es handelt sich vielmehr um einen Oberbegriff unter dem eine Vielzahl unterschiedlicher Internet-Plattformen zusammengefasst werden. Vereinfacht kann zwischen folgenden zwei Erscheinungsformen unterschieden werden, die als Basis der Untersuchung dienen: Das Auktionshaus tritt in eigenen Namen auf bzw. versteigert eigene Ware. Das Auktionshaus stellt lediglich die technische Plattform für Verkaufsveranstaltungen privater und gewerblicher Anbieter zur Verfügung. Nicht zu den Online-Auktionen gehört das sog. „Community Shopping (kurz: „CoShopping“) auch „Power-Shopping“ genannt, das hier der Abgrenzung halber erwähnt wird. Bei diesem Geschäftsmodell werden fabrikneue Güter dem Publikum auf einer Website93 zum Kauf angeboten. Das Konzept sieht vor, dass durch Bildung virtueller Einkaufsgemeinschaften die Nachfrage zur Erreichung besserer Einkaufspreise gebündelt wird. Je mehr Interessenten für ein bestimmtes Produkt innerhalb eines festgelegten Zeitraums gefunden werden, um so preiswerter wird die Ware an alle geliefert.94 Der Kauf kommt nur zustande, wenn bis zum festgesetzten Zeitpunkt eine Mindestzahl von Bestellungen eingegangen ist, oder es bestehen nach Bestellungszahl abgestufte Preise.95 88 89 90 91 92 93 94 95 <http://www.ricardo.de> <http://sold24.de/> <http://www.atrada.de> <http://www.ebay.de> <http://www.primus-auktion.de> oder auch >http://www.auktionen.de> Z.B. <http://www.letsbuyit.de> oder <http://www2.powershopping.de/> Hoffmann, Beil. zu NJW H. 14/2001, S. 15 Im letzten Fall ist der Preis um so niedriger, je mehr Nutzer sich beteiligen. Die Nutzer können dabei im Voraus angeben, zu welchem Preis sie überhaupt bereit sind, das Produkt zu erwerben. 235 Das OLG Hamburg96 sah in dem Verfahren der Preisfindung einen Verstoss gegen das Rabattgesetz (RabattG)97, was zur Unzulässigkeit dieser Verkaufsform führe. Nach dem Wegfall des Rabattgesetzes ist diese Argumentation hinfällig.98 Die Zulässigkeit von Co-Shopping Modellen wird zukünftig an § 1 UWG gemessen werden. Das OLG Köln99 bezeichnet die Verkaufsform des Powershoppings in seinem Urteil vom 1. Juni 2000 als „sittenwidriges Ausnutzen der Spiellust“ und „übertriebenes Anlocken“ der Kunden, wenn nicht nur die (Kauf-)Kraft der Interessenten gebündelt, sondern darüber hinaus durch die zeitliche Befristung einerseits und die zahlenmäßige Begrenzung der Teilnehmer in den einzelnen Preisstufen andererseits ein besonderes System geschaffen wird, das ein eigenes Gepräge mit eigenen wettbewerbsrechtlichen Aspekten aufweist. Das Co-Shopping hat mit der Auktion gemeinsam, dass der Preis von der Anzahl der Interessenten abhängt. Es handelt sich jedoch nicht um eine Versteigerung im eigentlichen Sinne, da die Interessenten zum gemeinsamen Vorteil zusammenwirken, um den Preis zu senken, während sich eine (Internet-) Auktion dadurch auszeichnet, dass die Teilnehmer durch stetige Erhöhung des Gebots um den Vertragsabschluss streiten, bis zum Ende der Auktion schliesslich ein Teilnehmer Vertragspartner wird. Das Co-Shopping entspricht dagegen einer organisierten Sammelbestellung, bei der mit allen Teilnehmern ein Vertrag zum Rabattpreis zustande kommt. bb) Online-Auktionen können in unterschiedlichen Formen auftreten. Allen Erscheinungsformen gemeinsam ist, dass es um eine Veräußerung von Waren und Dienstleistungen über das Internet geht, die den Erwerbern Preisvorteile in einer irgendwie gearteten Form verschafft.100 Die hier interessierende Internet-Auktion findet regelmässig in Form der „Aufwärtsversteigerung“ statt, wobei mit dem niedrigsten Erstgebot begonnen wird und die Möglichkeit besteht, durch Abgabe 96 97 98 99 100 OLG Hamburg, NJW 2000, S. 2033 = MMR 2000, S. 78 = BB 2000, S. 115 = CR 2000, S. 182 m. Anm. Ernst, S. 239 = K&R 2000, S. 135 m. Anm. Kotthoff = WRP 2000, S. 412 m. Anm. Menke = VuR 2000, S. 144 m. Anm. Ernst = CR 2000; S. 182 m. Anm. Ernst, CR 2000, S. 239 = EWiR 2000, S. 247; m. Anm. Mankowski. Gesetz über Preisnachlässe (Rabattgesetz) vom 25. November 1933, RGBL. I, 1011; BGBl. III 43-5-1.). Die Aufhebung trat am 25. Juli 2001 in Kraft. Aktuellen Anlass hierzu gab die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr (ABl. L 178 vom 17.07.2000, S. 1) mit der das – auch und gerade wettbewerbsrechtlich relevante - Herkunftslandprinzip eingeführt wird. Da es dem deutschen Rabatt-Gesetz vergleichbare Regelungen im EU-Ausland nicht gibt, hätte dies zur Folge, dass inländische Anbieter gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten diskriminiert wären („Inländerdiskriminierung“), die nach dem Herkunftslandsprinzip allein der Aufsicht und dem Sachenrecht des Staates der Niederlassung unterliegen. Vgl. zum Herkunftslandprinzip unten § 4 I 2 lit. b), S. 293 ff. Urteil des OLG Köln vom 1. Juni 2001– Az 6 U 204/00: „Diese Version des Powershopping in der angegriffenen Version weist einerseits stark aleatorische Elemente und andererseits Elemente einer besonderen Form der Wertreklame auf, die zumindest zusammen als im Sinne des § 1 UWG unlauter und damit sittenwidrig anzusehen sind. Auch die Wesentlichkeitsgrenze des § 13 Abs.2 Ziff.2 UWG ist überschritten.“, abzurufen unter: <http://www.olg-koeln.nrw.de/ home/presse/urteile/6U204-00.htm> (Stand: 10.09.2001). Huppertz/ Rünz, Rechtliche Probleme von Online Auktionen, abzurufen unter: <http://www.egateway.de/recht/oa1.cfm#1.0> (Stand: 15.12.2001). 236 eines höheren Gebots bis zum Schlusszeitpunkt die Wettbewerber auszubieten101. Hierbei lassen sich drei Beteiligte unterscheiden: Der Verkäufer, der in der Regel Gegenstände oder Dienstleistungen versteigern will, wird als Einlieferer bezeichnet. Der Bieter ist der potentielle Käufer. Er gibt Gebote für bestimmte Gegenstände oder Dienstleistungen ab, die er erwerben möchte. Erhält er den Zuschlag, wird er als Ersteigerer bezeichnet. Das sogenannte Online-Auktionshaus bietet die Plattform bzw. das Forum für die Versteigerung, die für jeden einzelnen Versteigerungsgegenstand ein gesondertes Auktionsende vorsieht. Bei der Internet-Auktion treten auf Einlieferer- und Bieterseite sowohl Privatpersonen als auch Händler in Erscheinung. Neben Gebrauchtwaren werden auch Neuwaren versteigert, so dass die Internet-Auktion durchaus als neue Handelsform Bedeutung gewinnt. Um über ein Online-Auktionshaus an einer Internet-Versteigerung teilnehmen zu können, müssen sich Einlieferer und Bieter als Auktionsmitglieder registrieren lassen. Bei der Registrierung102 erfolgt in der Regel ein Hinweis auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des jeweiligen Online-Auktionshauses; dieser Hinweis erfolgt teilweise auch bei der Einlieferung des Gegenstandes bzw. bei der Gebotsabgabe durch den Bieter. Nach der Registrierung kann der Einlieferer Waren etc. online zur Versteigerung anbieten. Dies geschieht durch Eingabe von Daten zum Auktionsgegenstand. Hierbei wird eine kurze Beschreibung des Gegenstandes, das Mindestgebot, die Konditionen des Verkaufsgeschäfts und ggf. auch Fundstellen für weitere (Bild-)Dokumentation etc. über eine Bildschirmmaske eingegeben. Mit der Eingabe beginnt die Internet101 102 Daneben ist auch die sog. „Abwärtsauktion“ bekannt, bei welcher zunächst ein (relativ hoch liegendes) Anfangsgebot genannt wird, dass in bestimmten Zeitabständen um einen bestimmten Betrag fällt, bis sich ein Anbieter zur Abgabe eines Gebots entschliesst. Wer zuerst bietet, erhält den Zuschlag. Von diesem Zeitpunkt an wird wie bei der Aufwärtsversteigerung verfahren, die weiteren Ausführungen gelten entsprechend. Sinn der Abwärtsversteigerung ist es, die Abgabe von Geboten durch immer günstiger erscheinende Anfangsgebote zu erleichtern. Sie kommt insbesondere bei im gewerblichen Bereich bei Grosshandelsversteigerungen und Geschäftsaufgabenversteigerungen zur Anwendung, Wilmer, NJW-CoR 2000, S. 95. Damit die Vertragsparteien nach Vertragsschluss eindeutig bestimmt werden können, müssen sich alle Teilnehmer einer Internet-Auktion vorher registrieren lassen. Für die Anmeldung ist neben der Angabe persönlicher Informationen wie Anschrift und Telefon die Benennung einer E-MailKontaktadresse zwingend. Die Verifikation des Teilnehmers durch das Auktionshaus ist dabei unterschiedlich: Das Auktionshaus Primus <http://www.primus-auktion.de> bietet neben der kostenlosen Teilnahme auch einen kostenpflichtigen „Trust Account“ an, bei der das Unternehmen für die Richtigkeit der gemachten Angaben garantiert. In der Regel erhält der Teilnehmer nach der Anmeldung umgehend per E-Mail einen Bestätigungscode mit dem die Anmeldung abgeschlossen wird. Die Überprüfung des Teilnehmers findet bei diesem Verfahren anhand der E-Mail-Adresse statt. Das Auktionshaus eBay <http://www.ebay.de> erkennt aus diesem Grund anonyme E-Mail-Adressen bestimmter Freemail Anbieter, wie z.B. GMX, Hotmail oder web.de, unabhängig von einer Prüfung der Angaben im Einzelfall grundsätzlich nicht mehr an, da diese unter falschen Namen oder unter Angabe von Pseudonymen eingerichtet werden können. Die Nutzer solcher E-Mail-Adressen werden automatisch vom Verfahren ausgeschlossen. Damit sinkt deren Attraktivität. Freemail-Anbieter gehen deshalb vermehrt dazu über, die Kundenadressen zu überprüfen. So werden beispielsweise Nutzer, die (vermeintlich) falsche Angaben nach Aufforderung nicht rechtzeitig berichtigen, von GMX gelöscht. Vgl. zum Vorliegen eines vom Empfänger nicht zu vertretenden Zugangshindernisses bei ungerechtfertigter Löschung des E-Mail-Accounts, oben § 2 V 4 lit. c) cc), S. 144. 237 Auktion automatisch; weitere Überprüfungen durch das Online-Auktionshaus finden in der Regel nicht statt. Der registrierte Bieter kann dann unter Verwendung seines Mitgliedskürzels und eines Passwortes über eine Bildschirmmaske Gebote für die Gegenstände abgeben, die das Online-Auktionshaus auf seiner Homepage mit einer Kurzbeschreibung, dem Kürzel des Einlieferers und Angaben zum Ende der Versteigerung, zum bisherigen Auktionsverlauf mit Mitgliedskennzeichen der bisherigen Bieter sowie zum derzeitigen Gebot vorstellt. Durchgesetzt hat sich teilweise schon der Einsatz intelligenter Agenten auch „virtuelle Agenten“ oder „Softwareagenten“ genannt.103 Dabei kann der Nutzer einen Höchstpreis festlegen, bis zu dem der Agent automatisch mitbietet. Auch die jeweiligen Bietschritte können festegelegt werden. Nach der hier verwendeten Definition104 handelt es sich um „automatisierte Erklärungen“, die dem Teilnehmer normativ als eigene zugerechnet werden. Der Bieter wird erst überboten, wenn ein anderer Bieter ein höheres Maximalgebot abgibt. Wenn ein Bieter überboten wird, erhält er über E-Mail oder per SMS eine entsprechende Benachrichtigung. So wird sichergestellt, dass der Bieter nicht immer wieder die entsprechende Website aufrufen muss, um erfolgreich an der Auktion teilnehmen zukönnen. Die Gebotserhöhungen geschehen entweder automatisch in seinem Namen, oder der Teilnehmer wird vom Überbieten in Kenntnis gesetzt, auch wenn er gerade offline ist.105 Den Zuschlag erhält derjenige Bieter, der zum Zeitpunkt des Endes der auf den jeweiligen Versteigerungsgegenstand bezogenen Internet-Auktion das höchste Gebot abgegeben hat. Weitere Zwischenschritte durch das Online-Auktionshaus (besondere Mitteilungen, Aufforderungen oder Hinweise) finden nicht statt. Nach Abschluss der Versteigerung werden die Beteiligten über den Ausgang der Auktion benachrichtigt. Zur weiteren Abwicklung des Geschäfts werden ihnen die erforderlichen Daten der jeweils anderen Partei zur Verfügung gestellt; in der Regel findet keine Überprüfung der Abwicklung durch das Internet-Auktionshaus statt. Was die Bezahlung des Ersteigerten anbelangt, hat der Ersteigerer grundsätzlich Vorkasse zu leisten. Die Dienste des Online-Auktionshauses honoriert der Einlieferer durch eine Provision auf jeden versteigerten Artikel. Diese Provision ist i.d.R. abhängig von der Höhe des jeweils erfolgreichen Gebots. 103 104 105 Wiebe, Internet Auktionen, S. 69 Rn 39. Vgl. oben § 1 II 4, S. 33. Weber, E-Commerce, S. 383; vgl. allgemein zur Problematik des Einsatzes von „Softwareagenten“ bei der Durchführung von Rechtsgeschäften, Zankel, E-Commerce und Internetrecht, S. 98 ff. 238 b) Problemstellung aa) Soweit das Auktionshaus nicht in eigenem Namen handelt, kommt ein Vertrag zwischen Anbieter (Einlieferer) und Bieter zustande, wobei es sich in der Regel um einen Kaufvertrag handelt. Hier steht die kontrovers diskutierte Frage im Vordergrund, ob der Anbieter an den Kaufpreis gebunden ist, wenn ein Bieter den zu veräussernden Gegenstand zu einem erheblich niedrigeren Preis ersteigert, als der Verkäufer sich das gedacht hat. Erste Rechtsprechung zur Wirksamkeit der online abgeschlossenen Verträge und zur gewerberechtlichen Einordnung von InternetAuktionen liegt vor. Unabhängig von der heftig umstrittenen Frage, ob eine Versteigerung im Sinne von § 34b GewO vorliegt,106 beinhaltet § 156 BGB die (dispositive) zivilrechtliche Bewertung dieser Transaktionsform. Die gewerberechtliche Behandlung von Internet-Auktionen hat allerdings keine Auswirkungen auf die zivilrechtliche Wirksamkeit der resultierenden Verträge, insbesondere sind die geschlossenen Kaufverträge nicht nach § 134 BGB nichtig, da sich die gewerberechtlichen Vorschriften nicht gegen die Parteien des bürgerlichrechtlichen Geschäfts richten.107 Der Streit soll an dieser Stelle deshalb nicht weiter vertieft werden.108 Als Rechtsfolgeregel bestimmt § 156 BGB, dass der Vertrag durch Zuschlag zustandekommt und ein Gebot erlischt, wenn ein Überangebot abgegeben oder die Versteigerung ohne Erteilung des Zuschlags geschlossen wird. Der Zuschlag ist eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung, die auch dann gilt, wenn sich der Bieter 106 107 108 Die Veranstaltung gewerbsmässiger Versteigerungen fremder beweglicher Sachen ist nach § 34b GewO (Gewerbeordnung, Neubekanntmachung der GewO v. 1.1.1979, BGBl. I, 97 in der seit 1.1.1987 geltenden Fassung, BGBl. I, 425) erlaubnispflichtig. Daneben unterliegt der Veranstalter verschiedenen weiteren Einschränkungen und hat die auf § 34b Abs. 8 GewO beruhende Verordnung über gewerbsmäsige Versteigerungen (Versteigerverordnung – VerstV, BGBl. 1976 I, 1345) zu berücksichtigen. BGH, Urteil vom 26.11.1980 – VIII ZR 50/ 80 = NJW 1981, S 1204 f. und vom 23.04.1968 – VI ZR 217/65 = NJW 1968, S. 2286 f.; vgl. auch BGH NJW 1985, S. 580 f. Die Anwendbarkeit von § 34b GewO bejahend: Das LG Hamburg– „ricardo.de, Urteil vom 14.04.1999 – 315 O 144/ 99, JurPC Web-Dok. 213/1999 <http://www.jurpc.de/rechtspr/ 19990213.htm> (Stand: 10.09.2001) vertritt die etwas konstruiert und ergebnisorientiert wirkende Ansicht, dass eine Auktion über das Internet im „virtuellen Raum“ stattfinde und daher wie die klassische Versteigerung örtlich begrenzt sei, LG Hamburg, MMR 1999, 678 m. Anm. Vehslage = NJW-CoR 2000, S. 169 m. Anm. Wilmer = CR 1999, S. 526 = K&R 1999, S. 424 = DB 1999, S. 1951; bejahend auch LG Wiesbaden – „ExtraLot.com“, Urteil vom 13.01.2000 – 13 O 132/99, JurPC Web-Dok. 57/2000 <http://www.jurpc.de/rechtspr/20000057.htm> (Stand: 10.09.2001); MMR 2000, S. 376 = NJW-CoR 2000, S. 171 m. Anm. Wilmer = K&R 2000, S. 152 = CR 2000, S. 317 (Urteil ist nicht rechtskräftig – Berufung: OLG Frankfurt 10 U 24/00); Ernst, CR 2000, S. 306; Heckmann, NJW 2000, S. 1374 f.; Hubertz, MMR 2000, S. 66; Stögmüller, K&R 1999, S. 392 f., Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen, S. 13 und 17. Verneinend dagegen: LG Münster– „ricardo.de“, Urteil vom 21.01.2000 – 4 O 424/99 = NJW 2000, S. 730 = JurPC Web-Dok. 60/2000 <http://www.jurpc.de/rechtspr/20000060.htm> (Stand: 21.07.2001); MMR 2000, S. 281 m. Anm. Wiebe, NJW-CoR 2000, S. 167 = CR 2000, S. 313 = DB 2000, S. 663 = K&R 2000, S. 197 m. Anm. Klewitz/Mayer; KG Berlin, Urteil vom 11.05.2001 – 5 U 9586/00 = CR 2002, S. 47; Bund-Länder Ausschuss, GewArch 1997, S. 63 und GewArch 2000, S. 49; Bullinger, WRP 2000, S. 254; Mankowski, EWiR 2000, S. 415; Ulrici, JuS 2000, S. 947; Wilmer, NJW-CoR 2000, S. 101 ff. 239 inzwischen räumlich entfernt hat. Er begründet das Erwerbsgeschäft (mit der Folge der Lieferung der Ware und deren Bezahlung) und beendigt die Versteigerung. Es besteht Einigkeit darüber, dass bei der Versteigerung der Bieter ein Vertragsangebot abgibt, dass der Versteigerer durch Zuschlag annimmt.109 bb) Behält sich der Einlieferer vor, trotz Erteilung des Zuschlags das (möglicherweise nicht kostendeckende) Angebot abzulehnen, ist § 156 BGB daher nicht anwendbar.110 Die Beantwortung dieser Frage entscheidet zudem darüber, ob dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zusteht. Handelt es sich nämlich um eine Versteigerung im Sinne von § 156 BGB, bei der der Vertrag durch den Zuschlag zustandekommt, ist das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 3 Abs. 2 Nr. 5 FernAbsG ausgeschlossen.111 Handelt es sich dagegen nicht um einen gewerblichen Anbieter, sondern um eine Auktion von privat an privat, fällt der Vertrag nicht in den Anwendungsbereich des Fernabsatzgesetzes (§ 1 Abs. 1 FernAbsG), weshalb ein Widerrufsrecht des Bieters per se ausscheidet. Mit anderen Worten: Soll der Verkäufer durch den Zuschlag gebunden werden, so ist der Verbraucher seinerseits nicht berechtigt, den Fernabsatzvertrag zu widerrufen; unabhängig davon, ob es sich um einen gewerblichen oder privaten Einlieferer handelt. Steht es dem Verkäufer dagegen nach dem Zuschlag frei, ob er das höchste bzw. letzte Angebot des Bieters annimmt, so kann der Verbraucher den Vertrag mit dem gewerblichen Einlieferer (§ 14 BGB) ohne Angabe von Gründen nach § 3 Abs. 1 FernAbsG widerrufen. Im letzten Fall bestünde eine doppelte Unsicherheit –nämlich darüber, ob der Vertrag überhaupt zustandekommt und ob er nicht vom Ersteigerer widerrufen wird – die den Interessen beider Parteien zuwiderläuft. Die Motivation der Ersteigerer zum Überbieten würde erheblich sinken und damit auch dem Interesse des Verkäufers an einem möglichst hohen Preis entgegenwirken, der sich zudem nicht mehr sicher sein könnte, das höchste Gebot auch tatsächlich zu erzielen. Zudem wäre in diesem Fall die Bestimmung einer Frist für die Dauer der Internet-Auktion, die den Zuschlag des Auktionators ersetzt, überflüssig. cc) Auf den ersten Blick scheinen Internet-Auktionen dem Modell des § 156 BGB zu entsprechen, dennoch ist aufgrund der technisch-organisatorischen Rahmenbedingungen die „Versteigerungs“-Situation im Vergleich zur traditionellen Versteigerung eine andere.112 Dem § 156 BGB zugrunde liegt das klassische Modell der Versteigerung mit körperlicher Anwesenheit der Parteien und Leitung durch einen Auktionator. Bei der Internet-Auktion handelt es sich um eine, gemessen am Alter des BGB, neue Form des Handels, die juristisch erfasst und analysiert werden muss. Augenfälligster Unterschied ist das Fehlen eines Auktionators. Dessen Rolle 109 110 111 112 Palandt/Heinrichs, § 156 Rn 1. Palandt/Heinrichs, § 156 Rn 1; Rüfner, JZ 2000, S. 715; Wilkens, DB 2000, S. 666. Vgl. oben § 2, VI 4 lit. e) dd), S. 205. Vgl. die Übersicht bei Hoyningen-Huene, NJW 1973, S. 1473 f. zur vertraglichen Stellung des Versteigerers bei der klassischen Auktion. 240 reduziert sich auf die Bereitstellung der technischen Plattform.113 Mit dem Wegfall des Moderators ist auch eine veränderte Vertragsschlussmechanik verbunden.114 Der Zuschlag durch den Auktionator und die Aufforderung, ein Gebot abzugeben, wird bei der Internet-Auktion ersetzt durch die Festlegung eines Angebotszeitraum mit festgelegten Konfliktregeln. Käufer wird nicht derjenige, der den Zuschlag erhält, sondern derjenige, der bei Zeitablauf das höchste Gebot abgegeben hat. Bei den hier interessierenden Internet-Auktionen geniesst das höchste Angebot Vorrang, bei mehreren gleichhohen das zeitlich erste Angebot, wobei der Einlieferer weitgehend Einfluss auf die Dauer des Zeitraums nimmt. Nach Ansicht des LG Münster115 handelt es sich um einen Verkauf gegen Höchstgebot. Bei diesem wird dem Kaufinteressenten lediglich eine Frist zur Abgabe von Geboten eingeräumt, nach deren Ablauf keine Überangebote möglich sind, weswegen es zur Abgabe eines Höchstgebots, wie es zum Wesen der Versteigerung gehört, nicht kommen kann. Auch besteht in derartigen Fällen wegen des Fehlens eines Auktionators nicht die Möglichkeit, die Auktion situationsbedingt zu verlängern, um auf diese Weise für den Verkäufer einen günstigen Vertragsabschluss zu erreichen. Die dispositive Regelung des § 156 BGB116 wird zudem ausdrücklich oder konkludent in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen aller Auktionshäuser ausgeschlossen und durch abweichende Vertragsbedingungen ersetzt. Eine umfassende Darstellung der unterschiedlichen Regelungen würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Im wesentlichen werden in den AGB folgende Regelungen verwandt: In Abweichung von § 156 BGB soll erst der Bieter rechtlich ein Angebot abgegeben.117 Üblich ist in diesem Fall eine Klausel, wonach der Anbieter verpflichtet wird, bereits mit der Freischaltung seiner Angebotsseite antizipiert die Annahme des höchsten Angebots zu erklären.118 Eine Variante hierzu ist die Verpflichtung des Verkäufers zur Annahme, verbunden mit der unwiderruflichen Vollmacht an das Internet-Auktionshaus nach Abgabe des Höchstgebots dem Bieter gegenüber die Annahme zu erklären.119 Hier liegt der Kern der gegenwärtigen Debatte: Es besteht Streit darüber, ob es sich bei der häufig anzutreffenden Umkehrung von Angebot und antizipierter Annahme in den AGB der Internet-Auktionshäuser, unabhängig von der Bezeichnung als 113 114 115 116 117 118 119 Das Auktionsunternehmen behält eine Restkontrolle, indem es sich die Zurückweisung von Angeboten und den Ausschluss von Teilnehmern vorbehält, vgl. bspw. § 5 III bzw. § 2 IV ABG – ricardo.de (Stand: 21.05.01); Ziff. 10 und 14 AGB – eBay (Stand: 21.05.01). Wiebe, Internet-Auktionen, S. 65. A.a.O. (Fn 108). BGHZ 138, 343; NJW 1998, S. 2350; Palandt/Heinrichs, § 156 Rn 1. Vgl. etwa § 7 II AGB – ricardo.de. Vgl. etwa § 6 VI – AGB – ricardo.de; C 1.1. – AGB – Primus-Auktion-Privat (“auktionen.de”), Stand: Juli 2000, § 2 II und V AGB- sold24.de (Stand: 16.01.2001). Vgl. bspw. II.2.c, d AGB – attrada.de (Stand: 21.05.01). Vgl. zur Wirksamkeit der den Ausschluss des Widerrufs umfassenden Klausel Palandt/Heinrichs, § 168 Rn 6. 241 „Annahme“ in Wahrheit eben doch um ein bindendes Angebot des Verkäufers handelt, an den Meistbietenden zu verkaufen. Das würde der Sache nach aber nichts anderes bedeuten, als dass der Käufer verpflichtet wäre, nach Abgabe des ersten, dem Startpreis entsprechenden Gebots an den Höchstbietenden zu verkaufen.120 Fraglich ist also, ob der Käufer an seine auf den Vertragsschluss mit dem potentiellen Käufer gerichtete Erklärung gebunden ist und ob es sich bei der gebräuchlichen antizipierten Annahmeklausel um einen „Etikettenschwindel“ handelt, d. h. ob der Vertragsschluss bei Internet-Auktionen auf der Basis verbindlicher Angebote der Verkäufer funktioniert. c) Wirksamer Vertragsabschluss – der Fall „Ricardo.de“ Die Meinungen in Rechtsprechung und Literatur über die Bindung des Verkäufers an das höchste Gebot bei Online-Auktionen gehen weit auseinander. Es besteht Uneinigkeit darüber, ob das Anbieten einer Sache im Rahmen einer Online-Auktion ein verbindliches Angebot bedeutet oder, vergleichbar dem Anpreisen von Waren im Schaufenster, lediglich als eine unverbindliche Aufforderung zur Abgabe eines Angebots zu werten ist. Eine solche Bindung wird teilweise verneint, weil der Anbieter mit dem Herausstellen einer Sache zur Online-Versteigerung nur eine unverbindliche "invitatio ad offerendum" abgebe und sich Art und Inhalt des endgültigen Vertragsschlusses noch vorbehalten wolle.121 Teilweise wird aber auch eine Bindung des Verkäufers angenommen,122 ohne diese Ansicht jedoch näher zu begründen.123 120 121 122 123 Dies entspricht Ziff. 8 der Auktionsbedingungen von eBay: „Mit der Einstellung eines Artikels auf die eBay Website gibt der Verkäufer ein verbindliches Angebot zum Verkauf des Artikels an denjenigen Bieter ab, der bei Ablauf der Angebotszeit das höchste Gebot abgegeben hat. Der Verkäufer ist ferner dazu berechtigt, die Auktion vorzeitig zu beenden und ist in diesem Fall dazu verpflichtet, seinen Artikel an den zum Zeitpunkt der Beendigung Höchstbietenden zu veräussern. Der Verkäufer erklärt sich im übrigen ausdrücklich damit einverstanden, seinen Artikel bei Ausbleiben höherer Gebote an den Bieter zu veräussern, der ein dem Startpreis entsprechendes Gebot abgegeben hat.“ Urteil des LG Münster, a.a.O. (Fn 108). Dieser Ansicht folgte soweit ersichtlich erstmals das AG Neumarkt i. d. OPf.– „auXion.de“, Urteil vom 26.09.2000 – 3 C 0385/00 = CR 2000, S. 852. Urteil des Amtsgerichts Sinsheim vom 14.01.2000, 4 C 257/99 = MMR 2000, S. 181; NJW-CoR 2000, S. 105 = K&R 2000, S. 201 = JurPC Web 50/2000 <http://www.jurpc.de/rechtspr/ 20000050.htm> (Stand: 10.09.2001). Es handelte sich hierbei um ein Verfahren mit geringem Streitwert, in dem die beklagte Partei innerhalb der gesetzten Frist keine Klageerwiderung eingereicht hatte, weshalb nach §§ 495, 313a ZPO kein Tatbestand und keine ausführlicheren schriftlichen Urteilsgründe verfasst worden sind, Hoffmann, Beil. zu NJW H. 14/2001, S. 15. 242 aa) Hintergrund Wie schon das Urteil der Vorinstanz (LG Münster)124 hat das hier zu besprechende Berufungsurteil des OLG Hamm125 für erhebliche Aufmerksamkeit gesorgt. Es war die erste oberinstanzliche Entscheidung zu der Frage, ob und wann bei InternetAuktionen ein wirksamer Kaufvertrag zustandekommt. Das Urteil des LG Münster, welches als der sog. „Ricardo-Fall“ in die Analen der Rechtsgeschichte eingehen sollte, ist eine der meist zitierten Entscheidungen des vergangenen Jahres. Es dient hier als Ausgangspunkt für eine genauere Betrachtung des Vertragsschlussmechanismus bei Internet-Auktionen. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Ricardo AG verkauft über das Internet eigene Gegenstände gegen Höchstgebot, vermittelt auf diesem Wege Vertragsabschlüsse mit anderen Anbietern und gibt unter der Bezeichnung „private Auktionen“ auch Dritten die Möglichkeit, eigene Verkaufsveranstaltungen durchzuführen. Vor der Teilnahme müssen sich die Teilnehmer bei „ricardo.de“ anmelden und dabei die Anerkennung der AGB durch Doppelklick erklären. Der Beklagte ist Autohändler und führte unter der Kategorie „private Auktionen“ eine eigene Verkaufsveranstaltung durch. Er bot einen VW Passat mit einem Listenpreis von 57.000,- DM zu einem Startpreis von 10,- DM an, einen Mindestpreis legte er nicht fest. Die Laufzeit betrug 5 Tage. Vor Ablauf der Aktionsfrist gab der Kläger als letzter Bieter online ein Gebot von 26.350,- DM ab. Vom Internet-Auktionator Ricardo erhielt er daraufhin die Mitteilung, dass er das Höchstgebot abgegeben habe und den PKW zum angebotenen Preis erhalte. Der Beklagte lehnte die Lieferung wegen des vergleichsweise niedrigen Preises ab und erklärte später die Anfechtung einer „etwaig auf Abschluss eines Kaufvertrags abgegebenen Willenserklärung“. bb) Freischaltung der Internet-Auktion als bindender Antrag Ausgehend von der unbestrittenen Ansicht, dass für Rechtsgeschäfte im Internet die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen gelten, prüft das Gericht, ob die für einen Vertragsschluss notwendigen Erklärungen, nämlich Antrag und Annahme, vorliegen. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen von Ricardo.de enthielten in ihrer damaligen Fassung unter § 5 IV folgende Formulierung: „Bei Privaten Auktionen erklärt der anbietende Teilnehmer bereits mit der Freischaltung seiner Angebotsseite (...) die Annahme (...) des höchsten (...) wirksam abgegebenen Kaufangebots. Der anbietende Teilnehmer wird von Ricardo.de vom Zustandekommen des Vertrags alsbald (...) per E-Mail unterrichtet.“ α) Die Vorinstanz verneint einen wirksamen Vertragsschluss. Gemäss § 133 BGB sei für das Zustandekommen des Vertrages entscheidend, ob der Beklagte mit der vorweggenommenen Annahmeerklärung, die ihn rechtlich bindende Erklärung abgegeben habe, das höchste innerhalb des Angebotszeitraums abgegebene Vertragsangebot, ohne Rücksicht auf dessen Höhe zu akzeptieren. Dabei hat das LG 124 125 A.a.O. (Fn 108). Urteil vom 14.12.2000 – 2 U 58/00 = NJW 2001, S. 1142 = MMR 2001, 105 = JZ 2001, S. 764 = JurPC Web-Dok. 255/2000 <http://www.jurpc.de/rechtspr/20000255.htm> (Stand: 21.07.2001). 243 Münster die Frage offen gelassen, ob der Annahme einer Bindungswirkung des Angebots durch den Kläger zwingende Anforderungen an die Wirksamkeit von Willenserklärungen entgegenstehen, in concreto, ob der Antrag auf Vertragsschluss des Klägers bestimmt oder bestimmbar war. Eine antizipierte Annahmeerklärung sei jedenfalls dann nicht mehr als verbindliche Willenserklärung auszulegen, wenn das Höchstgebot am Ende des Angebotszeitraums deutlich unter dem Einstandspreis liegt. Mithin fehle es im zu entscheidenden Fall an einer wirksamen Annahmeerklärung. Das Urteil ist in der Literatur auf heftige Kritik gestossen.126 Erstens weil die Erklärungen der Parteien entgegen dem klaren Wortlaut von § 5 IV der AGB ausgelegt worden sind. Zweitens weil die Entscheidung zur Folge hat, dass aus einer unverbindlichen Erklärung, die der Bieter (noch) nicht als Angebotsannahme verstehen dürfe, während des Angebotszeitraums eine verbindliche Erklärung werden kann, wenn das jeweilige Gebot in die Nähe des Schwellenpreises komme, ab dem unter Berücksichtigung der Verkehrsitte die beteiligten Parteien objektiv von einer Bindungen ausgehen müssen. β) Das OLG Hamm127 hat das Urteil in der Berufung aufgehoben und die Wirksamkeit des Vertragsschlusses bejaht. Bei der rechtlichen Bewertung seien (auch) die AGB von „ricardo.de“ zu berücksichtigen, die durch die Anmeldung der Teilnehmer wirksam im Sinne von § 2 AGBGB einbezogen worden seien128. Auf eine wirksame Einbeziehung der AGB im Verhältnis der Parteien zueinander komme es bei der Frage der Auslegung des Erklärungsverhaltens der Parteien nicht an. Entscheidend sei, dass jede Partei von einer wirksamen Anerkennung der Bedingungen und damit auch des § 5 IV der AGB ausgehen durfte und musste. Dass die Versteigerungsbedingungen, das Freischalten der Auktion als Aufforderung zur Angebotsabgabe, verbunden mit einer antizipierten Annahme bezeichnen, sei rechtlich ein Fall der unbeachtlichen Falschbezeichnung („falsa demonstratio non nocet“), denn die Freischaltung der Angebotsseite erfülle inhaltlich alle Anforderungen an einen Antrag im Sinne von § 145 BGB, auch wenn Käufer und Kaufpreis noch nicht bestimmt sind. Es genüge, dass diese bestimmbar sind. Durch die AGB seien sowohl der Vertragspartner, der letzte Bieter innerhalb des Auktionszeitraums,129 als auch der Kaufpreis, durch das gegenseitige Überbieten 126 127 128 129 Vgl. Hoffmann, Beil. zu NJW H. 14/2001, S. 15; Ernst, CR 2000, S. 309. A.a.O. (Fn 125). Zu den Voraussetzung der wirksamen Einbeziehung von AGB im Internet, vgl. unten § 5, S. 326 ff. Konstruktiv werden die Fälle, bei denen eine Vertragspartei zu Beginn der Verkaufsveranstaltung noch nicht feststeht, so gelöst, dass man entweder das Auktionshaus als Bestimmungsberechtigten gem. §§ 315 ff. BGB hinsichtlich der Person des Vertragspartners ansieht, wobei durch Bezug auf den Höchstbietenden in den AGB klare Regeln bestehen. Naheliegender und dogmatisch überzeugender erscheint es m.E. in diesem Fall von einem Angebot ad incertas personas, gerichtet an eine unbestimmte Zahl von Personen, auszugehen. Denkbar ist auch die Annahme einer Bedingung und zwar der Bedingung des Verkaufs an denjenigen, der das höchste Gebot abgeben wird. Die Annahme einer Bedingung wird flankiert von der Erlöschenswirkung bei Abgabe eines Überangebots nach § 156 S. 2 BGB. Zusätzlich sei das Angebot aufschiebend bedingt, an den Ablauf des (vom Anbieter beeinflussbaren) Bietzeitraums. Im Ergebnis ist das 244 durch die Bieter bis zum Ablauf des festgelegten Aktionszeitraums130, hinreichend bestimmbar. Die vorweggenommene bindende Annahmeerklärung sei in Wahrheit deshalb eine auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Erklärung (Angebot). Das auf dieses Angebot erfolgte höchste Gebot des Klägers stellt danach dessen Annahme dar. Der Beklagte habe seine Erklärung dem Grunde nach anfechten können, das Gericht verneinte vorliegend jedoch einen Irrtum, hilfsweise dessen Beachtlichkeit.131 cc) Eigene Stellungnahme α) Das Urteil des LG Münster überschreitet die Grenzen zulässiger Auslegung und berücksichtigt einseitig die wirtschaftlichen Interessen des Beklagten. Die besseren Argumente sprechen für ein Angebot i.S.v. § 145 BGB. Kennzeichnend für das Angebot ist nämlich, dass dieses der Annahme zeitlich vorausgeht.132 Das Urteil des OLG Hamm steht im Widerspruch zu der bisher herrschenden Meinung, wonach es sich bei Angeboten im Internet grundsätzlich um eine unverbindliche Aufforderung zur Offertstellung (invitatio ad offferendum) handeln soll. Nach der hier vertretenen Ansicht lässt sich das Axiom der unverbindlichen Präsentation von Waren in „virtuellen Warenhäusern“ aber nicht mehr länger aufrechterhalten, wie am Beispiel von Websites mit integrierter Bestellfunktion und dem elektronischen Vertrieb durch sog. „Live-Order Pages“ aufgezeigt wurde.133 Die allgemeine Erwägung, die für die Annahme einer invatio ad offerendum spricht, dass nämlich der in seinen Kapazitäten eingeschränkte Anbieter keine rechtsverbindliche Erklärung abgeben wolle, um nicht gegenüber allen potentiellen Auktionsteilnehmern verpflichtet zu sein, greift auch im Fall von Internet-Auktionen einmal mehr nicht ein: Das Angebot ist beschränkt, da nur das am Ende der Bietzeit abgegebene höchste Gebot 130 131 132 133 Angebot also doppelt bedingt. Mit dem Festsetzen eines Mindestpreises kann eine weitere Bedingung hinzukommen, Wiebe, Internetauktionen, S. 67/68. Dem Anspruch auf Kaufpreiszahlung steht § 762 BGB nicht entgegen, da die Auktion einen ernsthaften und wirtschaftlichen Zweck verfolgt und der Verkaufspreis nicht durch Zufall, sondern durch Angebot und Nachfrage, nämlich durch Bieterwettstreit, bestimmt wird. Dass eine Internetauktion spekulativen Charakter hat, macht sie noch nicht zum Spiel im Sinne von § 762 BGB, OLG Hamm, a.a.O. (Fn 125); Ulrici, JuS 2000, S. 950; ders., NJW 2001, S. 1113; Wilkens, DB 2000, S. 668; a.A. LG Münster, a.a.O (Fn 108). Interessant sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen des OLG Hamm zur Anfechtungsfrist. Diese beginne nicht erst mit der (späteren) Kenntnis vom Vertragspartner, sondern gemäss § 121 Abs. 1 S. 1 BGB bereits mit der Kenntnis vom Irrtum. Ansonsten bliebe es dem Einlieferer unbenommen, auf Kosten der Bieter zu spekulieren, um ggf. bei einem zu tiefen Verkaufspreis den Kaufvertrag rückwirkend durch Anfechtung wieder zu vernichten. Da zu diesem Zeitpunkt der bestimmbare Ersteigerer noch nicht feststeht, ist es möglich, die Erklärung ohne Kenntnis vom konkreten Vertragspartner (ad incertas personas) anzufechten. Das hängt davon ab, ob die dem Auktionshaus in der Regel erteilte Empfangsvollmacht auch zur Entgegennahme von Anfechtungserklärungen berechtigt. Andernfalls wird man davon ausgehen müssen, dass bis zur Kenntnis des Anfechtungsgegners kein schuldhaftes Zögern vorliegt, Ulrici, NJW 2001, S. 1113. Palandt/Heinrichs, Einf. vor § 145 Rn 4. Vgl. oben § II 2 lit. b), S. 219. 245 angenommen werden kann. Zudem sind alle wesentlichen Vertragsbestandteile bestimmt oder bestimmbar.134 β) Zuzustimmen ist den Ansichten in der Literatur, die darauf hinweisen, dass es im Ergebnis ohne Belang sei, ob man die Freischaltung als antizipierte Annahme oder Angebot qualifiziert.135 Entscheidend ist in der Tat die Frage, ob der Einlieferer eine auf den Abschluss des Kaufvertrags gerichtete bindende Erklärung abgegeben hat. Die Bindungswirkung des Angebots folgt unmittelbar aus § 145 BGB. Für die Bindungswirkung einer vorweggenommenen Annahmeerklärung ist – neben dem konkreten Wortlaut –ausschlaggebend, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen darf. Nach dem Vertrauensgrundsatz kann es notwendig sein, dem Erklärenden den Bedeutungsinhalt seiner Erklärung unter bestimmten Umständen auch gegen seinen inneren Willen zuzurechnen.136 Für die Bieter macht eine Versteigerung nur Sinn, wenn das Auktionsende zu einem wirksamen Vertrag führt.137 Das System von Online-Auktionen der vorliegenden Art basiert auf Rechtssicherheit, nämlich darauf, dass der letzte Bieter dahingehend abgesichert ist, dass er den angebotenen Kaufgegenstand als zeitlich letzter Bieter zu dem von ihm gebotenen Preis auch zu Eigentum erhält. Der Auftritt im Netz ist weltweit. Rechtssicherheit ist deshalb nicht nur für deutsche Teilnehmer einer Internet-Auktion, sondern auch für ausländische Käufer, die darauf vertrauen, dass ein verbindlicher Vertrag zustande kommt, von entscheidender Bedeutung. Das Rechtsinstitut der unverbindlichen Einladung zur Offertstellung (invitatatio ad offerendum) ist in den meisten Staaten der Welt unbekannt.138 Deshalb sind sämtliche AGB von Auktions-Plattformen der vorliegenden Art wie z.B. „ricardo“ ebenso „eBay“ vergleichbar den AGB von ricardo gestaltet.139 Es existiert eine durch Online-Auktionen millionenfach statuierte Verkehrssitte dahingehend, dass – wie Verkäufer und Käufer weltweit wissen – der Kauf zu dem Gebot des zeitlich letzten Bieters verbindlich zustandekommt und somit vom Anbieter in jedem Fall angenommen wird. Will der Verkäufer dies nicht, muss 134 135 136 137 138 139 Vgl. Rüfner JZ 2000, S. 718 der anhand der Materialien zu § 156 BGB zum Schluss kommt, dass jedes Gebot bei einer Auktion zum Abschluss eines Kaufvertrags unter der aufschiebenden Bedingung führt, dass bis zum Ende der Versteigerung kein besseres Gebot abgegeben werde. Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt auch bei der Internet-Auktion. Voraussetzung ist, das das Angebot inhaltlich so beschaffen sein muss, das der Vertrag durch eine entsprechende Annahme geschlossen werden kann. Ulrici, NJW 2001, S. 1113. Dies deutet auch das OLG Hamm in seiner Entscheidung an, vgl. JurPC Web-Dok. 255/2000, a.a.O. (Fn 125), Abs. 123. Vgl. oben § I 4, S. 21. Ernst, CR 2000, S. 309; Mankowski, EWiR 2000, S. 416; Ulrici, NJW 2001, S. 1113. Boehme-Neßler, Internetrecht.com, S. 91. Hager, JZ 2001, S. 790 ist der Ansicht, die unwiderrufliche Bindung des Einlieferers in den AGB verstosse gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBGB, da sie dem Grundgedanken des § 627 Abs. 1 BGB und § 156 BGB eine Aktion bis zu deren Ende stoppen zu können, widersprächen. Als Konsequenz des Verstosses fehle die Pflicht des Anbieters das Angebot des Bieters anzunehmen. Selbst wenn man ein Angebot des Anbieters bejahen würde, so wäre dieses erloschen ebenso wie eine rechtswidrig als unwiderruflich bezeichnete Abschlussvollmacht des Auktionshauses. Eine solche Ansicht ist m.E. wirklichkeitsfremd und aus den genannten Gründen abzulehnen, vgl. auch Hoeren, EWiR 2001, S. 214. 246 er sich ausdrücklich erklären – ein entgegenstehender innerer Wille ist nach § 116 BGB unbeachtlich. Der Verkäufer muss sich daher auch dann an seiner Erklärung festhalten lassen, wenn sich das einer Auktion immanente Risiko eines Verlustgeschäfts realisiert. Das Risiko eines Verlusts kann er durch Vorgabe eines Mindestgebots bzw. Startpreises und durch die Angabe von „Schrittweiten“, d. h. durch vorab bestimmte Bietungsschritte minimieren. Verzichtet er darauf, wird durch die Abgabe des höchsten Gebots verpflichtet, auch wenn dieses unter dem Verkehrswert liegt.140 Das Interesse des Verkäufers, das Fahrzeug möglichst mit Gewinn, nicht aber mit hohem Verlust zu verkaufen, ist zwar auch dem Käufer klar erkennbar gewesen. Das einer Internet-Auktion immanante Risiko, wurde jedoch vom Verkäufer wegen der gleichermassen bestehenden Chancen akzeptiert. Dem Verkäufer war im betreffenden Verfahren sowohl der Verfahrensablauf transparent als auch generell bekannt, dass es sich bei Internet-Auktionen um eine risikbehaftete Transaktionsplattform handelt.141 Wer sich für die Chancen und Risiken entscheidet, hat auch die Folgen ihrer Realisierung zu tragen. Eine Auslegung danach, ob der Anbieter Gewinn oder Verlust macht, ist nicht statthaft. Insbesondere kann es keine wertmässige Grenze geben, bis zu eine antizipierte Annahme unwirksam bleiben soll.142 Das gebietet der Schutz des Vertrauens der potentiellen Bieter: Der Verzicht des Versteigerers auf ein Mindestgebot oder ein niedriger Startpreis lassen deshalb entgegen der Ansicht des LG Münster nicht auf eine mangelnde Ernsthaftigkeit der Erklärung, sondern m.E. auf die „unbedingte Bereitschaft zum Verkauf gegen Höchstgebot ohne Limit“ schliessen.143 Der privatautonom erklärte Wille darf nicht zum Schutz des Verkäufers durch den „vernüftigen Willen“ ersetzt werden.144 An der grundsätzlichen Bereitschaft des Verkäufers durch seine Erklärung gebunden zu sein, konnte bei verständiger Würdigung des Erklärungsinhalts daher kein Zweifel bestehen.145 γ) Die Behandlung der Online-Auktion in der Rechtsprechung stellt sich noch als uneinheitlich dar. Während nach einer Auffassung durchaus eine den herkömmlichen Auktionen im Wesen vergleichbare wirksame Versteigerung erfolgt, wird auch vertreten, dass die Online-Auktion wegen der Abweichungen zur Erscheinung einer herkömmlichen Auktion in zivilrechtlicher Hinsicht nicht als wirksame Versteigerung gewertet werden könne und somit kein wirksamer Kaufvertrag 140 141 142 143 144 145 Die Anlockwirkung, die von einem günstigen Angebot auf die potentiellen Bieter ausgehen kann, für sich alleine niemals wettbewerbswidrig, sondern gewollte und zulässige Folge des Leistungswettbewerbs, vgl. BGH GRUR 1999, S. 264 (Handy für DM 0,00); BGH GRUR 1997, S. 672 (Sonderpostenhändler). Wiebe, MMR 2001, S. 327; Grapentin, GRUR 2001, S. 716. Ernst, CR 2000, S. 309. Vgl. auch das Urteil des OLG Hamm, = JurPC Web-Dok. 255/2000, Abs. 119: „Der Verzicht auf ein Mindestgebot lege bei verständiger Würdigung die Vermutung nahe, dass der Autoverkäufer aus Marketing- oder sonstigen Gründen bei der Versteigerung auch hohe Verluste in Kauf zu nehmen bereit ist“. Nach Ansicht des AG Sinsheim, a.a.O. (Fn 122) hat der Meistbietende bei einer Internet-Auktion daher stets einen Erfüllungsanspruch. Grapentin, a.a.O. Grapentin, a.a.O.; Ulrici, Jus 2000, S. 949. 247 zustandekomme. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bei InternetAuktionen ein wirksamer Vertragschluss zustandekommt ist somit von grundsätzlicher Bedeutung. Eine höchstrichterliche Entscheidung hätte zudem präjudizielle Wirkung für weitere hier interessierende Fragen, wie etwa der Einbeziehung von AGB im Internet und die Behandlung fehlerhafter Willenserklärungen, die derzeit unterschiedlich beantwortet werden. Der Entscheidung des OLG Hamm ist uneingeschränkt zu folgen. Wegen der grunsätzlichen Bedeutung der angesprochenen Fragen, hat das OLG zu Recht die Revision zum BGH nach § 546 I Nr. 1 ZPO zugelassen.146 δ) Der BGH147 hat mit Urteil vom 7.11.2001 entschieden, dass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag wirksam zustande gekommen sei. Ausser Frage stehe, dass das online abgegebene Höchstgebot des Klägers eine wirksame, auf den Abschluss eines Kaufvertrages mit dem Beklagten gerichtete Willenserklärung darstellt. Dabei kann weil für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung - dahingestellt bleiben, ob die Willenserklärung des Beklagten rechtlich, wie das OLG Hamm gemeint hat, als Verkaufsangebot und das spätere Höchstgebot des Klägers als dessen Annahme zu qualifizieren sind oder ob, wie es der Wortlaut der vom Beklagten abgegebenen Erklärung nahe legt und vom OLG hilfsweise angenommen wird, die Willenserklärung des Beklagten eine - rechtlich zulässige - vorweg erklärte Annahme des vom Kläger abgegebenen Höchstgebots darstellt. Die wechselseitigen Erklärungen der Parteien sind ricardo.de als Empfangsvertreter der Parteien (§ 164 Abs. 3 BGB) jeweils zugegangen und damit wirksam geworden (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dadurch ist zwischen den Parteien ein verbindlicher Kaufvertrag nach §§ 145 ff BGB zustande gekommen. 146 147 Die Ansicht von Ulrici, NJW 2001, S. 1113, dass die Entscheidung des OLG Hamm nur für Internet-Auktionen mit vergleichbaren AGB gelte, weswegen es an einer klärungsbedürftigen Frage von grundsätzlicher Bedeutung fehle, ist als unzutreffend abzulehnen. Unabhängig von der Frage der Konstruktion des Vertragsschlusses zwischen Verkäufer und Bieter, insbesondere der rechtlichen Qualifikation der Freischaltung der Angebotsseite durch den Versteigerer in den AGB der Auktionshäuser, weisen alle in dieser Arbeit untersuchten AGB eine Gemeinsamkeit auf: die Bindung des Verkäufers an seine Erklärung. BGH Urteil v. 7.11.2001 – VIII ZR 13/01 = ZIP 2001, S. 39 NJW 2002, S. 363 = JurPc Web.Dok. 255/2001, abzurufen unter: <http://www.jurpc.de/rechtspr/20010255.htm> (Stand: 25.11.2001). 248 Durch die Entscheidung des BGH steht nunmehr höchstrichterlich fest, dass und unter welchen Voraussetzung bei Internet-Auktionen ein wirksamer Vertrag zwischen den Teilnehmern geschlossen wird.148 Die immer noch vorherrschende Ansicht, wonach es sich bei Präsentationen im Netz stets um eine an jedermann gerichtete unverbindliche Aufforderung ein Angebot abzugeben (invitatio ad offerendum ad incertas personas) handele, ist damit für Internet-Aktionen höchstrichterlich widerlegt. Die Frage der Einbeziehung der Nutzungsbedingungen in das Vertragsverhältnis zwischen den Nutzern wurde vom Gericht nicht beantwortet.149 III. Rechtzeitigkeit der Annahme 1. Rechtliche Einordnung Antrag und Annahme führen nur dann zu einem (elektronischen) Vertragsabschluss, wenn die Annahme rechtzeitig erfolgt (§§ 146-149 BGB). Die Annahmeerklärung ist im Allgemeinen dann rechtzeitig, wenn sie im Fall der Anwesenheit sofort abgegeben wird (§ 147 Abs. 1 S. 1 BGB), und im Fall der Abwesenheit dem Antragenden zugeht, solange das Angebot noch nicht erloschen ist. Der Antrag erlischt, wenn er abgelehnt (§ 146 BGB), widerrufen, wenn er nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist (§ 147 Abs. 2 BGB) oder der vom Antragenden bestimmten Frist (§ 148 BGB) angenommen wird.150 Eine vergleichbare Regelung trifft Art. 18 (2) CISG. Im Fall des Antrags an einen Abwesenden bestimmt sich die gesetzliche Annahmefrist nach dem Zeitpunkt, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmässigen Umständen erwarten darf. Beim Vertragsabschluss unter Einsatz moderner Telekommunikation ist umstritten, ob dieser nicht trotz der räumlichen Trennung der Vertragspartner einem Vertragsabschluss unter Anwesenden gleichzusetzen ist, wie es § 147 Abs. 1 S. 2 BGB für den Fernsprechverkehr von Person zu Person vorsieht. Im Rahmen dieser 148 149 150 Das AG Ibbenbüren, Urteil vom 13.11.2001 – 12 C 197/01, hatte erstmals nach dem Urteil des BGH in einem ähnlichen Fall zu entscheiden. Ein Antiquitätenverkäufer hatte auf der InternetAuktions-Plattform Rarrisima <http://www.rarrisima.de> drei antike Kunstgegenstände zum Verkauf angeboten. Dabei vergass er offensichtlich einen Mindestpreis anzugeben. Der Kläger erhielt den Zuschlag für insgesamt drei Mark, und damit weit unter dem geschätzten Verkehrswert von rund 3000,- DM. Das AG Ibbenbüren folgte der höchstrichterlich bestätigten Rechtsprechung des OLG Hamm. Das Versäumnis des Eintrags und der Überprüfung eines Mindestverkaufspreises ist gänzlich dem Verkäufer zuzurechnen. „Wenn der Beklagte einen höheren Kaufpreis gewollt hätte, so hätte er dies in seinem Verkaufsangebot festlegen müssen“, entschied das Gericht. Der Verkäufer wurde daher dazu verurteilt, die Gegenstände zum vertraglich vereinbarten Preis von DM 3,- an den Käufer zu übereignen, CR 2002, S. 79. Das Urteil ist abzurufen unter: <http://www.bonnanwalt.de/entscheidungen/AG-Ibbenbueren12C19701.html> (Stand: 22.01.2002). Vgl. zum Stand der Diskussion in der Literatur, Grapentin, GRUR 2001, S. 714. Larenz AT, § 29 Rn 3. 249 Untersuchung wurde aufgezeigt, dass eine Analogie zur vorgenannten Vorschrift unzulässig ist.151 Die durch die „virtuelle“ Anwesenheit entstehende Parallelität zum Telefongespräch wird entscheidend dadurch unterbrochen, dass – wie sich gerade aus § 147 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt – für eine Kommunikation unter Anwesenden nicht die Überwindung der räumlichen Distanz, sondern die von „Person zu Person“ bestehende unmittelbare Dialogmöglichkeit ausschlaggebend ist. Daran ändert auch die geplante Neufassung des § 147 Abs. 1 S. 2 BGB nichts.152 Unter den Begriff einer Kommunikation „mittels einer sonstigen technischen Einrichtung“ fallen nämlich nur Situationen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die potentiellen Vertragspartner unmittelbar und ohne nennenswerten Zeitverlust miteinander kommunizieren, sofort auf Äusserungen der anderen Person reagieren und gegebenenfalls Nachfragen stellen können.153 Der mittels eines Fernsprechers oder einer sonstigen technischen Einrichtung i.S.v. § 147 Abs. 1 S. 2 BGB gemachte Antrag kann daher nur sofort angenommen werden. Sofort bedeutet so schnell wie objektiv möglich.154 Im Gegensatz zu „unverzüglich“, schadet auch „schuldloses Zögern“. Eine analoge Anwendung auf Erklärungen mittels moderner Telekommunikationsmittel, bei denen eine unmittelbarer Übermittlungskontakt fehlt, scheitert am Fehlen einer entsprechenden Regelungslücke und der mangelnden Vergleichbarkeit der Sach- und Interessenlagen. Für die auf diese Weise übermittelten Erklärungen wird durchgängig § 147 Abs. 2 BGB herangezogen, weil die für § 147 Abs. 1 S. 2 massgebliche Vernehmungstheorie mit dem Empfang von elektronischen Signalen dienenden Einrichtungen inkompatibel ist.155 Die Parteinahme für ein Angebot unter Abwesenden ist bereits auch dadurch präjudiziert, dass hinsichtlich des Wirksamkeitszeitpunktes im Rahmen dieser Untersuchung für eine Anwendung der in § 130 Abs. 1 BGB normierten Empfangstheorie plädiert wurde. 2. Bestimmung der Annahmefrist a) Meinungsstand aa) Die Rechtzeitigkeit der Annahme und die Frage des Zeitpunktes des Vertragsschlusses bestimmt sich nach § 147 Abs. 2 BGB. Die wesentliche Bedeutung dieser Vorschrift liegt darin, dass der Antragende für den Zeitraum, der zwischen dem Zugang seiner Erklärung und dem Ablauf der Annahmefrist liegt, an sein Angebot gebunden ist, während der Erklärungsempfänger frei darüber 151 152 153 154 155 Vgl. oben § 2 IV 1 lit. b), S. 93 ff. Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001; BGBl. I, 1542, vgl. zur Echtzeitkommunikation oben § 2 IV 1 lit. b) cc), S. 96. Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs, S. 41. Palandt/Heinrichs, § 148 Rn 6. Paefgen, JuS 1988, S. 596. 250 entscheiden kann, ob er den Vertrag durch seine Annahmeerklärung binnen der Frist zustandebringt.156 Für die Bestimmung der Annahmefrist sind folgende Erwägung erheblich: Der Gesetzgeber wollte den Antragsempfänger durch die Bindung des Antragenden an seinen Antrag (§ 145 BGB) vor einer übereilten, unter zeitlichem Druck abgegebenen Annahme bewahren.157 Durch das Zugehen des Antrags erhält der Antragsempfänger die Möglichkeit, das Angebot anzunehmen, abzulehnen oder es durch Nichterklärung enden zu lassen. Diese Rechtsposition ist für ihn in jedem Fall rechtlich vorteilhaft (§ 107 BGB).158 Sie ist es auch dann, wenn sich der Antragende den Widerruf vorbehalten hat, weil auch hier der Anbieter wirksam annehmen kann. Andererseits ist das Interesse des Antragenden an einer schnellen Entscheidung zu berücksichtigen. Auch soll der Antragsempfänger die ihm rechtlich vorteilhafte Situation nicht spekulativ ausnützen können, weshalb die Annahmefrist durch die §§ 147-149 BGB auf ein angemessenes Mass begrenzt wird. bb) Nach § 147 Abs. 2 BGB kann der Antrag nur solange angenommen werden, wie dies nach den regelmässigen Umständen erwartet werden darf. Der Zeitpunkt, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmässigen Umständen erwarten darf, entspricht trotz des deutlich anderen Wortlauts der „angemessenen Frist“ nach Art. 18 (2) S. 2 1. HS CISG.159 Die so formulierte gesetzliche Annahmefrist ist eine dreigliederige. Sie setzt sich zusammen aus (1) Dem Weg zum Empfänger, d. h. der Zeitraum zwischen Absendung und Zugang der Offerte beim Erklärungsempfänger, (2) einer angemessenen Überlegungs- und Bearbeitungsfrist („Deliberationsfrist“) und schliesslich (3) dem Weg zurück zum Absender, d.h. der Zeitraum, für die Übermittlung der Annahmeerklärung.160 156 157 158 159 160 Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1 Rn. 86. Kuhn, § 10 II, S. 115. Die Rechtsnatur dieser Stellung des Antragsempfängers ist schwierig zu umschreiben: Teilweise wird sie als Anwartschaft (so Staudinger/Bork, § 145 Rn 33) bezeichnet. Es handelt sich jedoch nur um eine begriffliche Zuordnung, aus der keine Rechtsfolgen abgeleitet werden dürfen (Soergel/Wolf, § 145, Rn 16). Bis zur Annahme besteht noch kein Anspruch auf Erfüllung, auch kein durch die Annahme aufschiebenden bedingter (RGZ 131, 27; 132, 7). Es gibt auch keinen Anspruch auf Abschluss eines Vertrags, weil der Antragsempfänger durch eigenes Handeln den Vertrag zustandebringen kann und muss. M.E. ist die Rechtsposition daher am ehesten mit einem Optionsrecht des Antragen vergleichbar, dass dieser fristgemäss ausüben muss, will er den vertraglichen Anspruch entstehen lassen. Bei Unwiderruflichkeit des Antrags liegt dagegen ein Anwartschaftsrecht vor (Larenz/Wolf AT, § 29 Rn 42). Vgl. Caemmerer/Schlechtriem, CISG, Art. 18 Rn 15: „Im ganzen wird die „angemessene Frist“ nicht nennenswert von dem abweichen, was dem deutschen Juristen in Anwendung des § 147 Abs. 2 BGB vertraut ist“. BGH NJW 1996, S. 921; OLG Frankfurt, NJW-RR 1986, S. 329; MüKo/Kramer, § 147 Rn 6; Palandt/Heinrichs, § 148 Rn 7. 251 Der letzte Zeitabschnitt entfällt, bei der Annahme durch tatsächliches Entsprechen, die gemäss § 151 BGB nicht zugangsbedürftig ist. Verzögernde Umstände, die der Antragende kannte oder kennen musste, gehören zu den regelmässigen Umständen und führen daher zu einer angemessenen Fristverlängerung. Für den Antragenden nicht vorhersehbare Erschwernisse verlängern die Frist dagegen nicht.161 Wie beim Zugang zeigt sich auch hier, dass die elektronische Kommunikation aufgrund der hohen Übertragungsgeschwindigkeiten gegenüber den Vorstellungen, die den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegen, erhebliche Abweichungen aufweist. Die Wegezeiten sind daher aus technischen Gründen zu vernachlässigen. Wegen der hohen Übertragungsgeschwindigkeiten findet die Abgabe des Antrags nahezu zeitgleich mit dem Zugang statt, entsprechend geht die Annahmeerklärung mit ihrer Abgabe sogleich dem Antragenden zu. Damit reduziert sich die Annahmefrist des § 147 Abs. 2 BGB in der Regel auf die Überlegungs- und Bearbeitungsfrist des Empfängers des Angebots.162 Hierbei ist zwischen unterschiedlichen Annahmefristen zu unterscheiden: b) Unterschiedliche Annahmefristen aa) Hintergrund Die Abrufspeicherung unterscheidet sich von der direkten Übermittlung dadurch, dass ein Dritter in die Übermittlung eingeschaltet ist, der die Erklärung stellvertretend für den Empfänger in einem Mailbox-System zum Abruf bereit hält. Bei der Mailbox-Kommunikation ist daher zusätzlich der Zeitraum zu beachten, zu dem unter Annahme gewöhnlicher Umstände mit der Kenntnisnahme der Erklärung zu rechnen ist. Bei der direkten Übermittlung kann der Absender des Antrags aufgrund der unmittelbaren Datenübertragung davon ausgehen, dass seine Erklärung in Sekundenbruchteilen den Empfänger erreicht. Der Einsatz eines schnellen Mediums zur Übertragung des Antrags lässt sich deshalb u.U. als Hinweis darauf deuten, dass der Antragende eine baldige Rückantwort erwartet. Fraglich ist, ob der Empfänger auch zu einer raschen Antwort verpflichtet ist. Nach dem System des BGB gilt der Grundsatz der Gleichwertigkeit, der als zuverlässig angesehenen Kommunikationsmittel. Sofern nicht ausnahmsweise wesentliche Formvorschriften entgegenstehen, werden Willenserklärungen, die über elektronische Medien (Internet, E-Mail, Fax) übermittelt werden, und die traditionellen Kommunikationswege (Telefon, mündliches Gespräch und Brief) von der Rechtsordnung gleichbehandelt. Die rechtliche Qualität einer Willenserklärung hängt nicht von der Wahl des für ihre Erzeugung, Übermittlung oder Annahme 161 162 RGZ 142, 404; BGH LM § 147 Nr. 1 B 12; Palandt/Heinrichs, § 148 Rn 7. Mehrings, a.a.O. (Fn 156), Rn 87. 252 verwendeten Kommunikationsmittels ab. Die automatisierte Erklärung besitzt alle rechtlichen Merkmale und Qualitäten einer herkömmlichen Willenserklärung. Die Wahl des Transportmediums hat hingegen wesentlichen Einfluss auf den Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung beim Empfänger, auf die Bemessung der Annahmefrist und damit auf den Vertragsschluss selbst. Es stellt sich deshalb die Frage, ob das Recht besteht und wenn ja, wem das Recht zusteht, die Art des Transportmittels zu bestimmen und gegebenenfalls dem Erklärungsgegner die Art und Weise der Kommunikation vorzuschreiben. bb) Korrespondenz der Beförderungsmittel In der Rechtslehre ist hierzu das plastische Bild einer „Korrespondenz der Beförderungsmittel“163 entwickelt worden. Nach dem Grundsatz der Korrespondenz der Beförderungsmittel muss das Beförderungsmittel für die Annahmeerklärung an Schnelligkeit grundsätzlich dem für den Antrag verwandten Beförderungsmittel gleichstehen. Der Grundsatz ist immer wieder missverstanden worden. Hierbei handelt es sich nicht um ein unverrückbares Dogma, dessen Inhalt durch den Wortlaut des § 147 Abs. 2 BGB fest umrissen wäre, sondern um einen Auslegungsgrundsatz. Bei der vom Gesetz verwendeten Terminologie „unter regelmässigen Umständen“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der durch Auslegung näher zu konkretisieren ist, um eine interessengerechte und sachangemessene Begrenzung der einseitigen Bindung des Antragenden zu erreichen. Aus der folglich allein massgeblichen Sicht des Antragenden macht es aber keinen Unterschied, welches Erklärungsmediums sich der Antragsempfänger bedient, um den Zustand der einseitigen Bindung, die den Antragenden in seiner Abschlussfreiheit einengt, aufzulösen. Nach dem Grundsatz der Korrespondenz der Beförderungsmittel kann der Antragende nach den „regelmässigen Umständen“ daher erwarten, dass die Annahme mit Hilfe eines Erklärungsmittels erfolgt, dass dem Antrag in puncto Schnelligkeit in nichts nachsteht164. In diesem Sinne besteht ein Vorrang der Form der Ersterklärung (Antrag) gegenüber der Wahl der Zweiterklärung (Annahme), denn der Antragende vermag unter dem Gesichtspunkt der Geschwindigkeit durch das von ihm benutzte Erklärungsmittel auf die Wahl des Transportmediums für die Annahmeerklärung Einfluss zu nehmen, nicht mehr und nicht weniger. Daraus folgt jedoch nicht zwangsläufig die Identität der Beförderungsmittel.165 163 164 165 Zitat nach Soergel/Wolf, § 147 Rn 8, die diesen Begriff nur als Faustregel („schablonenhaft“) verstehen; MüKo/Kramer, § 147 Rn 7; Palandt/Heinrichs, § 148 Rn 7. Paefgen, JuS 1988, S. 597. Kuhn, § 10 II, S. 115. 253 Dem Annehmenden steht es daher dem Grunde nach frei, zur Erklärung der Annahme auf ein anderes Beförderungsmittel zurückzugreifen. Vor dem Hintergrund der Konvergenz der Telekommunikationsmittel166 kann der Annehmende seinem Willen auch durch Wahl des Kommunikationsmediums Ausdruck verleihen. Das Überwechseln in andere Kommunikationsarten ist rechtlich neutral, sofern diese mit Blick auf die Beförderungsgeschwindigkeit dem für den Antrag verwandten Beförderungsmittel gleichstehen. Die gesetzliche Annahmefrist des § 147 Abs. 2 BGB ist daher dann gewahrt, wenn beispielsweise ein elektronisch übermittelter Antrag fernmündlich angenommen oder eine E-Mail-Offerte per Fax bestätigt wird. Wo dies in der Praxis oder aus technischen Gründen im Einzelfall nicht möglich ist, dürfte im Ergebnis eine Identität der Beförderungsmittel bestehen. Der Grundsatz der Korrespondenz der Beförderungsmittel gilt nicht uneingeschränkt. Wo die Fernübermittlung lediglich aus Gründen der Bequemlichkeit zur Abwicklung gewöhnlicher Geschäfte dient, kann allein aus dem Einsatz der Telekommunikation noch keine Eilbedürftigkeit abgeleitet werden167, hinzu kommen müssen weitere Umstände, aus denen sich im Einzelfall das Beschleunigungsinteresse des Antragenden ergibt. cc) Einzelheiten α) Bei rechtlich verbindlichen Angeboten im Internet kommt der Vertrag durch die Annahme des Kunden, d. h. regelmässig durch das Anklicken des Annahme-Buttons, zustande. „Nach der Verkehrsaufassung ist davon auszugehen, dass der Anbieter sein Angebot nur solange aufrecht erhalten will, wie das Angebot auch im Internet abrufbar ist.“168 Hier liegt kein Problem, das der Behandlung bedarf, da mit dem Entfernen des Angebots aus dem Netz, regelmässig eine Annahme nicht mehr möglich ist. β) Handelt es sich bei der Präsentation von Waren und Dienstleistung im Internet um eine unverbindliche Aufforderung zur Offerststellung so gilt folgendes: Erfolgt eine manuelle Bearbeitung des Antrags, so ist je nach Geschäftsgegenstand und den Umständen des Falles eine Frist zu gewähren, deren Länge in Anlehnung an die beim normalen Versandhandel geltenden Fristen unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und des Handelsbrauchs bestimmt werden kann. Dabei muss die Reaktionszeit unterschiedlich bemessen werden, je nachdem, ob es sich um ein Angebot aufgrund einer invitatio ad offerendum handelt oder um einen erstmaligen und für den potentiellen Vertragspartner nicht zu erwartenden Kontakt, besser: Antrag. Gegenüber einer Privatperson, die nicht mit dem Eingang eines Vertragsangebots etwa per E-Mail rechnen muss, verlängert sich die Annahmefrist 166 167 168 Vgl. oben § 3 III 2, S. 82. Kuhn, § 10 II, S. 115. Ende/Klein, Vertriebsrecht im Internet, S. 21. 254 zusätzlich, nämlich um den Zeitraum, in welchem unter gewöhnlichen Umständen mit der Leerung der Mailbox gerechnet werden kann. γ) Anders in vollautomatisierten Verfahren, hier kann sich die Überlegungszeit, besser: die Bearbeitungszeit, auf Null verkürzen. Wenn die EDV-Anlage die empfangenen Anträge nicht nur vollautomatisiert inhaltlich auswertet (automatisierter Zugang), sondern diese auch be- und weiterverarbeitet und über deren Annahme befindet und gegebenenfalls vollautomatisch die entsprechende Annahmeerklärung erstellt und übermittelt, wäre es unbillig, den Antragenden auf das Ergebnis der Prüfung und Bearbeitung seines Antrags, nämlich die Annahme oder deren Ablehnung warten zu lassen. Dies kann im Einzelfall bis zur vollständigen Reduzierung auf die sofortige Annahme führen, wenn eine sofortige Bearbeitung und Reaktion mittels Computererklärung technisch möglich ist und der Anbieter durch die entsprechende werbeträchtige Präsentationen seines Angebots im Internet den Eindruck der sofortigen Bearbeitung des Antrags weckt oder eine „sofortige Bestätigung am Bildschirm“ nach der Verkehrssitte der Normalfall ist.169 Diese Ausnahmen bestätigen die Regel des § 147 Abs. 2 BGB. Mit dem Einsatz vollautomatisierter Buchungs- und Bestellsysteme verzichtetet der Empfänger auf die ihm nach § 147 Abs. 2 BGB gewährte Überlegungs- und Bearbeitungsfrist.170 Die gesetzliche Annahmefrist reduziert sich damit auf die Zeit, die zur Prüfung der Bonität des Kunden und des Lagerbestands erforderlich ist. Die Prüfungen werden vom System in einer Zeit bewältigt, die für den Kunden kaum wahrnehmbar ist.171 Im Ergebnis unterscheidet sich die Annahmefrist im automatisierten Verfahren daher nur geringfügig von der Frist, die nach § 147 Abs. 1 BGB unter Anwesenden gilt. Der elastische Zeitrahmen des § 147 Abs.2 BGB gibt genügend Spielraum, „unter (den) regelmässigen Umständen“ die Einschaltung einer EDV Anlage als ein die Bearbeitungs- und Überlegungsfrist verkürzendes Moment zu berücksichtigen.172 Es zeigt sich, dass für die Frage des Zugangs einer automatisierten Willenserklärung, die strenge Differenzierung danach, ob es sich um einen Antrag unter Anwesenden handelt (§ 147 Abs. 1 BGB), der nur sofort angenommen werden kann, oder um einen Antrag unter Abwesenden (§ 147 Abs. 2 BGB), bei dem die Annahmefrist von den gewöhnlichen Umständen abhängt, wenig sinnvoll ist. Unter dem Gesichtspunkt der Kenntnisnahmemöglichkeit handelt es sich bei der automatischen Willenserklärung um einen Vertrag unter Anwesenden, unter dem Gesichtspunkt persönlicher Kommunikation, um einen Vertrag unter Abwesenden.173 169 170 171 172 173 Vgl. zum Erfordernis der unverzüglichen Bestätigung der Bestellung im elektronischen Geschäftsverkehr, § 3 IV 3 lit. b), S. 274. Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1 Rn 89. Mehrings, Multimediarecht, Kap. 13.1 Rn 90. Paefgen, JuS 1988, S. 596; Redecker, NJW 1984, S. 2391. Kilian, Computerrecht, Kap. 20 Rn 21. 255 Will der Anbieter sich auch im automatisierten Bearbeitungsverfahren eine angemessene Bearbeitungs- und Überlegungsfrist bewahren, so muss er dies auf den Informationsseiten deutlich zum Ausdruck bringen. Hierfür stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Der Anbieter kann durch eine klare und deutliche Darstellung, den in der automatisierten Bearbeitung liegenden Verzicht auf eine Bearbeitungs- und Überlegungsfrist explizit ausschliessen, indem er dem Antragenden unmissverständlich mitteilt, dass er trotz einer automatisierten Bearbeitung im direkten Dialog-Verfahren eben nicht mit einer sofortigen Annahme des Antrags rechnen kann.174 Die Länge der gesetzlichen Annahmefrist nach § 147 Abs. 2 BGB bestimmt sich in diesem Fall in Anlehnung an die beim normalen Versandhandel geltenden Fristen. Als Alternative hierzu bietet sich die ausdrückliche Bestimmung einer Annahmefrist gemäss § 148 BGB an (siehe sogleich unter lit. c). Die für die Bemessung der Annahmefrist nach § 147 Abs. 2 BGB relevanten Faktoren lassen sich vereinfacht wie folgt darstellen: Abbildung 21: Faktoren zur Bestimmung der Annahmefrist nach § 147 Abs. 2 BGB (1) Weg zum Empfänger = Zeitraum zwischen Absendung und Zugang der Offerte beim Erklärungsempfänger a) Vernachlässigbar infolge hoher Übertragungsgeschwindigkeiten b) Relevant bei der MailboxKommunikation 174 Kuhn, § 10 II, S. 116. (2) Angemessene Überlegungs- und Bearbeitungsfrist (3) Weg zurück zum Absender = Zeitraum für die Übermittlung der Annahmeerklärung faktische Annahmefrist nach § 147 Abs. 2 BGB „Korrespondenz der Beförderungsmittel“ Sofortige Annahme bei der automatisierten Auftragsbearbeitung Entfällt bei Annahme ohne Erklärung an den Antragenden nach § 151 BGB 256 c) Bestimmung einer Annahmefrist nach § 148 BGB aa) Vorbemerkung Nach der Vorstellung des Gesetzgebers liegt es in erster Linie in der Hand des Antragenden, zur Vermeidungen der Risiken, die ein verbindliches Angebot im Internet beinhaltet, seine in § 145 BGB bestimmte Bindung an den Antrag auszuschliessen oder zumindest zu beschränken wie etwa durch die Verwendung von Freiklauseln.175 In der Praxis hat man einen anderen Weg eingeschlagen. Wie aufgezeigt, handelt es sich bei rein werbenden Präsentationen im Internet und nach der h.M. – entgegen der hier vertretenen Ansicht – auch bei Angeboten mit integrierter Bestellfunktion, sog. elektronischen Warenkörben, regelmässig um eine blosse Aufforderung zur Offertstellung. Das Angebot geht hier also vom Kunden aus. Grundsätzlich kann der Antragende nach § 148 BGB selbst bestimmen, wie lange sein Angebot gelten soll, indem er eine Frist setzt, bis zu der die Annahme zu erfolgen hat. Dies ist bei Angeboten durch den Internet-Nutzer regelmässig nicht der Fall. Die formularmässige Ausgestaltung der Bestellmaske erlaubt es dem Erklärenden weniger zu erklären, als er möchte (positive Beschränkung der Erklärungsfreiheit) und lediglich die vom Anbieter – genauer vom Computerprogramm des Anbieters – geforderten Angaben zu machen.176 Weitere Zusätze des Erklärenden sind üblicherweise nicht vorgesehen. Aufgrund der technischen Beschränkungen positiver Art fehlt es bei der Bestellung mittels Bestellformulars des Anbieters an der Möglichkeit, den Antrag auf Abschluss eines Kauf- oder Dienstleistungsvertrags nach § 148 BGB zeitlich zu befristen. Der Kunde ist bei Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung dennoch nicht ewig an sein Angebot gebunden, vielmehr greift die gesetzliche Annahmefrist des § 147 Abs. 2 BGB. Diesen Umstand machen sich die Anbieter von Waren und Dienstleistungen im Internet zu Nutze, indem sie ihrerseits durch individual – oder formularvertragliche Vereinbarungen von sogenannten „Annahmefristklauseln“ den Zeitraum festlegen, innerhalb dessen sie die Annahme eines Angebot oder Ablehnung eines Angebots zu erklären haben. § 148 BGB ist dispositiv. Abweichend von der gesetzlichen Regelung ist es daher zulässig, dass der Antragsempfänger die Frist zur Annahme des Angebots selbst bestimmt.177 175 176 177 Vgl. oben § 3 II 3 lit. b), S. 228 Vgl. oben § 1 II 3 lit. b), S. 30. Palandt/Heinrichs, § 10 AGBG, Rn 3. 257 bb) Vertragsabschlussklauseln α) Einer solchen Bestimmung, durch die sich der Anbieter eine Frist für die Annahme oder Ablehnung des Angebots vorbehält, unterwirft sich der Kunde regelmässig schon vor dem Vertragsabschluss durch die Absendung des Bestellformulars per Mausklick. Dogmatisch gesehen handelt es sich bei Klauseln über die Dauer der Annahmefrist um keine Vertragsbedingungen, da der Vertrag als solcher vor der Annahme noch nicht rechtlich existiert. Man spricht deshalb von „Vertragsabschlussklauseln“. Es handelt sich um Klauseln im „Vorfeld“ des Vertragsabschlusses, die weder eine vorformulierte Vertragsbedingung im Sinne des § 1 Abs. 1 AGBG darstellen und mangels eines rechtlich wirksamen Vertrags (noch) nicht wirksam in den Vertrag einbezogen wurden. Klauseln, die sich auf die Ausgestaltung des Angebots beziehen und dadurch Einfluss auf den Vertragsabschluss nehmen, kommen auch im vorvertraglichen Stadium Bedeutung zu. Vertragsabschlussklauseln, die bereits vor Vertragsschluss Wirkung entfalten sollen, können insoweit wirksam in den Vertrag einbezogen werden, als sie die Angebotserklärung betreffen.178 Da es an einem Vertrag noch fehlt, erscheint die Annahmefrist als eine vom Vertragspartner selbst gesetzte Frist und ihn bindende Frist. Gleichwohl handelt es sich um einen vom Verwender vorgeschriebenen Vorbehalt, auf dessen Inhalt der Nutzer aufgrund der eingangs aufgezeigten technischen Beschränkungen positiver wie negativer Art keinen Einfluss zu nehmen vermag.179 Die Bestimmung einer Annahmefrist durch den Anbieter ist danach zulässig, wenn man die Präsentation nach allgemeinen Grundsätzen als invitatio ad offerendum und die Bestellung des Kunde als Angebot im Rechtssinne ansieht. Der Anbieter nimmt durch die (mangels Vertragsschluss noch nicht wirksamen) AGB Einfluss auf den Inhalt der Angebotserklärung des Kunden. Wo die Präsentation der Waren und Dienstleistungen bereits bindende Wirkung entfaltet versagt die Vorstellung, dass es sich um ein Angebot des Kunden handelt, mit der Folge, dass bei der Nutzung des Internet als Vertriebskanal (Live Order Pages) und bestimmten Websites mit eingebauter Bestellfunktion nach der hier vertretenen Ansicht die Bestimmung einer Annahmefrist in den AGB nicht wirksam ist. Die längerfristige oder zeitlich unbestimmte Bindung ist dabei für den Kunden um so belastender, je mehr er auf die Leistung angewiesen ist. Er kann während der (einseitig vorgeschriebenen) Bindungsdauer nicht anderweitig disponieren, ohne aber die Annahme seines Angebots sicher erwarten zu können. In der übermässigen und unbestimmten Dauer des Schwebezustands während der Bindung des Vertragspartners an sein Angebot liegt der Grund für inhaltliche Kontrolle derartiger Klauseln. Deshalb erstreckt § 10 Nr. 1 AGBG die Inhaltskontrolle auch auf die von 178 179 Wiebe, Internet-Auktionen, S. 71, Rn 44; Staudinger/Schlosser, AGBG § 2 Rn 41, der die Zulässigkeit auf die dispositiv vorgesehenen Spielräume beschränkt, wie etwa den Ausschluss der Bindungswirkung. Das Kriterium des „Stellens“ nach § 1 AGBG ist unproblematisch erfüllt, a.A. Wiebe, InternetAuktionen, S. 71, Rn 44. 258 § 1 Abs. 1 nicht erfasste und gemäss § 2 AGBG noch nicht einbezogene Vertragsabschlussklauseln.180 Sofern die Annahmefrist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt ist, darf diese daher nicht unangemessen lang und muss hinreichend bestimmt sein. Andernfalls ist sie nach § 10 Nr. 1 AGBG bzw. bei Kaufleuten nach § 24 S.1 Nr. 1 und S. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam. β) Exkurs: Durch Art. 3 lit. a) des Fernabsatzgesetzes ist § 10 Nr. 1 AGBG durch Einfügung eines zweiten Halbsatzes geändert worden, um dem Verwender die Möglichkeit zu geben, vor der Leistungserbringung den Ablauf der Widerrufsfrist abzuwarten.181 Nach der mit Wirkung ab dem 30.06.2000 geltenden Neuregelung, ist ein Vorbehalt, die Leistung erst nach Ablauf der Widerrufs- und Rückgabefrist nach §§ 361a Abs. 1, 361b Abs. 1 BGB zu erbringen, vom Klauselverbot des § 10 Nr. 1 AGBGB ausgenommen. Angesichts der Zielsetzung des FernAbsG, einen derartigen Vorbehalt in den AGB ausdrücklich zuzulassen, scheidet auch eine Unwirksamkeit nach der Generalklausel des § 9 AGBG aus.182 Auf die hier interessierende formularvertragliche Bestimmung der Annahmefrist bleibt § 10 Nr. 1 AGBGB indes uneingeschränkt anwendbar. cc) Schranken nach § 10 Nr. 1 AGBG Verboten ist nach § 10 Nr. 1 AGBGB eine „unangemessen lange“ Bindung des Antragenden. Welche Frist angemessen ist, ist nach Inhalt und wirtschaftlicher Bedeutung des Vertrags unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen und der Verkehrsanschauung zu entscheiden. Im Grundsatz gilt, dass die Bindung des Antragenden nur solange dauern soll, wie die massgeblichen, typischen Umstände (Übermittlung von Angebot und Annahme, Überlegungs- und Entscheidungsfrist) es erfordern.183 Richtschnur ist hier insoweit § 147 Abs. 2 BGB.184 Die zur Bestimmung der gesetzlichen Annahmefrist gemachten Ausführungen gelten entsprechend. Diese ist daher im Regelfall mit der zulässigen Annahmefrist nach § 10 Nr. 1 AGBG identisch. Eine längere Frist kann aber – trotz deutlicher Überschreitung der Frist des § 147 Abs. 2 BGB – gerechtfertigt sein, um den überwiegend schutzwürdigen Interessen des Verwenders Rechnung zu tragen. Dem Verwender ist, abhängig von der Art des Geschäfts, eine geräumigere in die Frist einzuberechnende Überlegungs180 181 182 183 184 BGHZ 104, 99; LG München NJW-RR 1992, S. 244; Palandt/Heinrichs, § 10 AGBG Rn 2, § 1 AGBG Rn 3. Ein auf den Ablauf der Rückgabefrist abstellender Leistungsvorbehalt macht keinen Sinn, da die Rückgabefrist nach § 361b BGB ohnehin erst mit dem Erhalt der Sache beginnt. Während der Regierungsentwurf (BT-Drucksache 14/2658, S. 8) die Ausnahmeregelung noch auf den Ablauf der Widerrufsfrist nach § 361a BGB beschränkte, erfolgte ohne nähere Begründung auf Vorschlag des Bundesrates (BT-Drucksache 14/2920, S. 7) die redaktionelle Erweiterung der Vorschrift um die Rückgabefrist nach § 361b BGB. Ulmer/Brandner/Hensen, § 10 Nr. 1 Rn 21a. Ulmer/Brandner/Hensen, § 10 Nr. 1 Rn 5. Ulmer/Brandner/Hensen, § 10 Nr. 1 Rn 5; so auch BGHZ 109, 359 = NJW-RR 1990, S. 1784; BGH NJW 1986, 1807. 259 und Entscheidungszeit zu gewähren, um beispielsweise Rückfragen nach Verfügbarkeit und Lieferbarkeit von Waren und sonstigen Leistung vorzunehmen oder Auskünfte bei Dritten, etwa über die Bonität des Antragenden einzuholen. Liegen derartige rechtfertigende Umstände aber nicht vor, so dürfte eine Annahmefrist unangemessen lang sein, die nicht unerheblich über die aus § 147 Abs. 2 BGB hinaus geht.185 dd) Das bedeutet konkret auf den Abschluss von Verträgen auf elektronischem Wege bezogen folgendes: Der Verwender kann sich in den AGB eine Annahmefrist vorbehalten, die der angemessenen Überlegungs- und Bearbeitungsfrist i.S.d. § 147 Abs. 2 BGB entspricht. Sind aufwendigere Kontrollen oder Prüfungen notwendig, kann sich die nach § 10 Nr. 1 AGBG zulässige Frist entsprechend verlängern, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Verwender, der sich vorformulierte Vertragsangebote unterbreiten lässt, die normalen Leistungsvoraussetzungen auf seiner Seite im allgemeinen bereits geklärt haben muss.186 Die Einschaltung einer EDV-Anlage in die Abwicklung der Bestellung ist dabei regelmässig als ein die Bearbeitungs- und Überlegungsfrist verkürzendes Moment zu berücksichtigen. Bei der Bearbeitung des Antrags durch vollautomatisierte Buchungs- und Bestellsysteme reduziert sich die Überlegungs- und Bearbeitungsfrist auf die Frist, die zur Prüfung der Bonität des Kunden, des Lagerbestands und der Liefermöglichkeiten notwendig ist. Die Frist verkürzt sich noch weiter im Falle des elektronischen Direktvertriebs mittels sog. Live Order Pages. Virtuelle Güter und Leistungen sind beliebig oft reproduzierbar und können ohne weitere Zwischenschritte direkt von der Website des Verwenders vom Nutzer in Anspruch genommen oder heruntergeladen werden. Damit entfällt der Zeitraum für die Prüfung des Lagerbestands und der Liefermöglichkeiten. Die in den AGB der OnlineDienstanbieter beständig verwendete Klausel: „Der Vertragspartner ist an Bestellungen grundsätzlich zwei Wochen gebunden“ dürfte daher – zumindest beim Vertrieb digitaler Güter und der vollautomatisierten Auftragsbearbeitung – unzulässig sein. Der Kunde darf und wird eine sofortige Antwort auf seinen Antrag erwarten.187 ee) Dem Erfordernis einer unverzüglichen Erklärung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots bei der automatisierten Bestellabwicklung entsprechen die Grundsätze über die Abgabe einer Bestellung wie sie in Art. 11 Abs. 1 der ECommerce-Richtlinie geregelt sind.188 Danach hat der Dienstanbieter den Eingang der Bestellung des Nutzers unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen. Will er den Vertragsabschluss herbeiführen muss er den Nutzer über den Zugang seiner Bestellung informieren. Welchen Inhalt die Empfangsbestätigung hat und zu 185 186 187 188 Larenz AT, § 29a, S. 564. Ulmer/Brandner/Hensen, § 10 Nr. 1 Rn 5. Palandt/Heinrichs, § 10 Rn 4. Vgl. unten § 3 IV 3 lit. b), S. 274 260 welchem Zeitpunkt der Vertrag geschlossen wird, ist damit noch nicht gesagt. Die Rechtswirkungen eines solchen Vorgangs sind abhängig von der rechtlichen Qualifizierung der Bestätigung. Erklärt der Anbieter zugleich mit der Bestätigung der Bestellung deren Annahme, bleibt für die Bestimmung einer Annahmefrist kein Raum. Bestätigt der Anbieter lediglich unverbindlich den Zugang der Bestellung, ist der Vertragsschluss zunächst in der Schwebe. Der Anbieter kann den Vertrag innerhalb der Frist des § 148 durch ausdrückliche Akzeptanz des Angebots schliessen. Die oben gemachten Ausführungen gelten entsprechend. Geht das Angebot ausnahmsweise vom Anbieter aus, macht die Bestimmung einer Annahmefrist kein Sinn. Der Anbieter ist regelmässig so lange gebunden, wie das Angebot im Internet abrufbar ist. 3. Verspätete Annahmeerklärung a) Ist die Annahmeerklärung verspätet, so kann sie den Vertrag nicht mehr zustande bringen, da sie nicht mehr auf ein annahmefähiges Angebot trifft (§ 146 BGB). Vom Erfordernis des rechtzeitigen Zugangs macht § 149 BGB jedoch zum Schutz des Annehmenden eine Ausnahme. Geht die rechtzeitig abgesandte Annahmeerklärung erkennbar nur wegen Unregelmässigkeiten der Beförderung verspätet zu (etwa weil die rechtzeitig abgesandte E-Mail nicht binnen Minuten, sondern erst nach Stunden oder gar Tagen beim Empfänger eintrifft), gilt die Annahmeerklärung als rechzeitig, sofern der Antragende nicht unverzüglich, eine Verspätungsanzeige absendet. Voraussetzung hierfür ist die Erklärung unter Verwendung eines verkehrsüblichen Übersendungswegs („regelmässigen Beförderung“), wobei die Korrespondenz der Beförderungsmittel zu beachten ist.189 Muss dies der Antragende bei Anwendung der verkehrsüblichen Sorgfalt erkennen, dann trifft ihn die Obliegenheit, die Verspätung dem Annehmenden unverzüglich d. h. ohne schuldhaftes Zögern mitzuteilen. In diesem Fall entsteht ein Schwebezustand: Der Antragende hat die Möglichkeit dem Annehmenden die Verspätung unverzüglich anzuzeigen, mit der Folge, dass der Antrag erloschen ist. Äussert er sich dagegen nicht oder verspätet er die Absendung der Anzeige, so gilt die Annahme als nicht verspätet (§ 149 S. 2 BGB). Der Vertrag ist zustandegekommen.190 189 190 Voraussetzung ist, dass der Annehmende mit einer normalen Beförderungsdauer rechnen durfte. Musste er mit einer längeren Dauer rechnen, so hätte er, um die Rechtzeitigkeit zu sichern, eine schnellere Beförderungsart wählen müssen (Larenz/Wolf AT, § 29 Rn 55), vgl. zur Kenntnis des Erklärenden oben § 2 V 4 lit. e), S. 150. § 149 S. BGB fingiert aus Gründen des Vertrauensschutzes die Rechtzeitigkeit der Annahme. Dadurch, dass der Antragende die Verspätung nicht unverzüglich mitteilt, wird der Annehmende in seinem Vertrauen darauf gestützt, der Vertrag sei nun zustandegekommen, Palandt/Heinrichs, § 148 Rn 1; Brox AT Rn 182, Larenz/Wolf AT, § 29 Rn 54; Medicus AT, Rn 380; a.A. Hilger, AcP 185 (1985), S. 559, 561 f., der meint, mit dem Verstreichenlassen der Annahmefrist sei auch in diesem Fall das Zustandekommen des Vertrages endgültig gescheitert. Unterlasse es der Offerent aber, die Verspätung unverzüglich anzuzeigen, so hafte er dem Annehmenden nunmehr aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (cupla in contrahendo) und zwar ausnahmsweise auf 261 Die praktische Relevanz der Vorschrift im Bereich des elektronischen Vertragsschlusses ist eher gering. Problematisch im eigentlichen Sinne ist heutzutage nicht mehr der Transport der Erklärung und deren „rechtzeitiges“ Gelangen in den Machtbereich, sondern die Funktionstüchtigkeit der Empfangseinrichtung, die aufgrund ihrer Komplexität vergleichsweise häufiger Störungen unterliegen. Relativ häufiger als die Verspätung ist der Verlust oder die Verstümmelung der telekommunikativ übermittelten Erklärungen. Die Fiktion des § 149 BGB ist daher vor allem im Bereich der Mailbox-Kommunikation und im Falle eines – durch die Funktionstüchtigkeit der Empfangseinrichtung – technisch bedingten Überwechselns in eine andere Kommunikationsart noch von Bedeutung. b) Eine mit § 149 BGB vergleichbare Regelung enthält Art. 21 (2) CISG: Ergibt sich aus dem eine verspätende Annahme enthaltenen Brief oder anderen Schriftstück, dass die Mitteilung unter normalen Umständen dem Anbietenden rechteszeitig zugegangen wäre, so ist die verspätete Annahme wirksam, wenn der Anbietende den Annehmenden nicht unverzüglich davon unterrichtet, dass er sein Angebot als erloschen betrachtet. Art. 21 (1) CISG behandelt die verspätete Annahme darüber hinaus auch dann als Annahme, wenn der Anbietende unverzüglich ihre Anerkennung als Annahme dem Annehmenden mitteilt. Diese Vorschrift findet im deutschen Recht keine Entsprechung. Hier regeln die §§ 146 2. Alt., 148 BGB, dass der Antrag nach Ablauf in jedem Fall erlischt und daher auch nicht mehr angenommen werden kann, selbst wenn der Antragende damit einverstanden wäre. Eine verspätete Annahme ist jedoch nicht ohne rechtliche Wirkung, sie gilt vielmehr gemäss § 150 Abs. 1 BGB als neuer Antrag. Ist der Antragende mit der verspäteten Annahme einverstanden, so kommt der Vertrag zustande, allerdings mit dem konstruktiven Unterschied gegenüber der Regelung in Art. 21 (1) CISG, dass der „verspätet Annehmende“ nunmehr der Antragende ist. 4. Annahmeerklärung durch Schweigen Fraglich erscheint, ob auch eine Annahmeerklärung durch Schweigen auf ein im Internet zugegangenes Angebot erteilt werden kann. Das blosse Schweigen des Empfängers stellt regelmässig keine Annahme dar, auch nicht im kaufmännischen Verkehr.191 Aufgrund besonderer Umstände und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben kann das Schweigen auf ein Angebot jedoch als stillschweigende Annahme anzusehen sein. 191 das Erfüllungsinteresse. Diese Auffassung lässt sich m.E. nicht mit dem Wortlaut von § 149 BGB vereinbaren. BGH NJW 1995, S. 1291. 262 Hierbei werden zwei Fallgruppen unterschieden: a) Das Schweigen kann kraft Auslegung oder Parteivereinbarung als Annahme aufzufassen sein. Da dem Schweigen ausdrücklich oder im Wege der Auslegung eine objektive Erklärungsbedeutung zukommt, spricht man auch von „beredtem Schweigen“. Das Schweigen auf ein Vertragsangebot in einer bestimmten Frist gilt als Annahme sofern dies durch Individualvereinbarung oder formularvertragliche Klauseln192 von den Parteien vereinbart wurde. Folgt man entgegen der h.M. der hier vertretenen Auffassung, dass mit dem freibleibenden Angebot ein Recht zum Widerruf auch nach der Annahme zum Ausdruck gebracht werden soll, ist der Anbieter verpflichtet unverzüglich nach der Annahme des Angebots zu widerrufen. Gleiches gilt im Einzelfall auch bei Untätigkeit der EDV. Unterlässt die EDV die Abgabe eine automatisierten Erklärung, obwohl der Erklärungsempfänger diese kraft Auslegung oder Parteivereinbarung vom Anlagenbetreiber erwarten durfte, so gilt das automatisierte Schweigen 193 als Annahme des Antrags. b) Das Schweigen wird gesetzlich oder gewohnheitsrechtlich als Annahme fingiert. Das ist der Fall, wenn der Schweigende verpflichtet gewesen wäre, seinen gegenteiligen Willen zum Ausdruck zu bringen.194 Das Schweigen gilt sonst als Annahme.195 Eine solche Verpflichtung des Schweigenden, sich gegenteilig zu äussern, ergibt sich aufgrund gesetzlicher Vorschriften, die eine Erklärungswirkung des Schweigens ausdrücklich fingieren.196 Diese spielen im Bereich des elektronischen Vertragsschlusses jedoch praktisch keine Rolle. Der wichtigste Anwendungsfall im elektronischen Rechtsverkehr, in dem Schweigen eine zustimmende Wirkung besitzt, ist das kaufmännisches Bestätigungsschreiben. Hier gilt das Schweigen kraft Gewohnheitsrecht als Zustimmung.197 Ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben ist heute ohne weiteres auch per E-Mail möglich. Dies hängt ab von der Art der Geschäftsbeziehung. Werden Bestellungen elektronisch getätigt ist auch das Bestätigungsschreiben auf diesem Weg möglich. Entsprechend muss der Kaufmann oder solche Personen, die sich im Geschäftsverkehr wie Kaufleute 192 193 194 195 196 197 Entsprechende formularmässige Klauseln sind nur in den Grenzen von § 10 Nr. 5 AGBG wirksam. Vgl. oben § 1 V 1 lit. a), S. 55. RGZ 145, 94; BGHZ 1, 355. Staudinger/Dilcher, § 145 Rn 20. Gemäss §§ 416 I 2, 496 S.2, 516 II 2, 1943 BGB und §§ 362 I 2, 377 II HGB hat Schweigen die Bedeutung einer Genehmigung (Annahme). In den Fällen der §§ 108 II 2, 177 II 2, 415 II 2, 458 I 2 BGB gilt Schweigen auf die Aufforderung zur Genehmigung dagegen als Ablehnung. Weit weniger weit geht § 663 BGB. St. Rspr. RGZ 54, 79, BGHZ 7, 189; 11, 3. Vgl. zu den Vor. des kaufmännischen Bestätigungsschreibens: Palandt/Heinrichs, § 148 Rn 8 ff; Brox AT, § 8, 3b Rn 202. Das Bestätigungsschreiben bleibt ohne Wirkung, wenn es inhaltlich so weit vom vorbesprochenen abweicht, dass der Absender vernünftigerweise nicht mehr mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen konnte (BGHZ 7, 190; 40, 44; 93, 343). Das Bestätigungsschreiben darf nicht mit der „Auftragsbestätigung“ verwechselt werden. Diese ist regelmässig nichts anderes als die Annahme des im Auftrag liegenden Antrags und führt nur zum Vertragsschluss, wenn sich Angebot und Annahme decken. 263 gerieren und im Rechtsverkehr unter ihrer E-Mail Adresse auftreten, unmittelbar nach dem Abschluss von Vertragsverhandlungen damit rechnen, dass das Ergebnis der gepflogenen Verhandlungen von einem der Beteiligten unmissverständlich festgehalten und im elektronischen Briefkasten des Vertragspartners hinterlegt wird. Ruft er die Mitteilung nicht rechtzeitig ab oder unterbleibt der unverzügliche Widerspruch, so gilt, vorbehaltlich der Arglisteinrede, das kaufmännische Bestätigungsschreiben als zugegangen und der Inhalt als vertraglich vereinbart198. Entsprechend den unter aa) gemachten Ausführungen, ist abhängig vom konkreten Einzelfall auch ein automatisiertes Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben möglich. c) Wie eingehend dargestellt, kommt der Vertrag nach § 149 BGB durch Schweigen des Antragenden auf die erkennbar verspätete Annahmeerklärung zustande. Über den Sonderfall des § 149 BGB hinaus ist von der Rechtsprechung eine Annahme durch blosses Schweigen anerkannt worden, wenn der anderer Teil nach Treu und Glauben verpflichtet war, seine Ablehnung alsbald zu erklären. Dies gilt vor allem dann, wenn die Verspätung so geringfügig war, dass der Annehmende erwarten konnte, der Antragende werde ihr keine Bedeutung zumessen.199 Eine allgemeine Rechtsregel lässt sich daraus aber nicht ableiten. Entscheidend ist, ob der verspätet Annehmende aufgrund des Schweigens auf das Zustandekommens des Vertrages vertrauen darf. Das trifft bei knapper Fristüberschreitung eher zu, als bei einer erheblichen.200 Entsprechend kann das Schweigen auf einen neuen Antrag unter Umständen als Annahme gedeutet werden, wenn die gewünschte Änderung von so geringer Bedeutung ist, dass das Einverständnis des anderen Teil als sicher angenommen werden darf.201 Von diesen Ausnahmefällen abgesehen bleibt es bei der allgemeinen Regel des § 150 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, wonach eine verspätete Annahme als neuer Antrag und eine abgeänderte Annahme als Ablehnung, verbunden mit einem neuen Antrag, gilt. Eine solche Auslegung entspricht der Regelung des UN-Kaufrechts. Art. 19 (2) CISG geht bei unwesentlichen Änderungen ebenfalls von einer Annahme des geänderten Angebots aus, wenn nicht unverzüglich widersprochen wird. Art. 19 (3) CISG nennt klarstellend Änderungen, die als wesentlich gelten und bei denen das Schweigen nicht nach Art. 19 (2) CISG als Annahme des Angebots gilt. d) Die Annahme durch blosses Schweigen darf nicht verwechselt werden mit der Annahme ohne Erklärung an den Antragenden nach § 151 BGB. Die Annahme ist in der Regel eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die erst mit ihrem Zugang wirksam wird. Hierfür gilt die Annahmefrist des § 148 BGB bzw. bei deren Fehlen 198 199 200 201 Vgl. für das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben via Btx, Paefgen, JuS 1988, S. 597. Vgl. den Fall RGZ 103, 11, 13, die Verspätung war in diesem Fall so gering, dass der Zugang bei einer grosszügigeren Bemessung der nach § 147 Abs. 2 BGB zu bestimmenden Frist noch als fristgerecht hätte angesehen werden können. Vgl. auch BGH NJW 1951, S. 313; BGH NJW 1995, S. 1281. Palandt/Heinrichs, § 150 Rn 1; Larenz/Wolf AT, § 29 Rn 59. Larenz/Wolf AT, § 29 Rn 62; vgl. BGH DB 1956, S. 474; OLG Köln, GRUR 1985, S. 149. 264 die gesetzliche Annahmefrist nach § 147 Abs. 2 BGB. Hiervon macht § 151 BGB eine Ausnahme. Die Annahme bedarf keiner Erklärung gegenüber dem Antragenden sofern dieser auf den Zugang verzichtet hat, oder ein solcher nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist. Blosses Schweigen reicht nicht aus, erforderlich ist auch hier die Erklärung der Annahme. Sie ist eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung, die bereits mit ihrer Abgabe wirksam wird. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine nach aussen vortretende unzweideutige Betätigung des Annahmewillens202 erforderlich. Man spricht deshalb auch von der Annahme durch tatsächliches Entsprechen. In der Regel erfolgt die Annahme durch schlüssige Handlungen, insbesondere durch Erfüllungs-, Zueignungs- und Gebrauchshandlungen. Beim Vertrag über Warenlieferungen ist deren Absendung erforderlich.203 Entsprechend kommt der Dienstleistungsvertrag im Internet unmittelbar durch die OnlineErbringung der versprochenen Dienste zustande, da nach der Verkehrssitte eine ausdrückliche Annahmeerklärung entbehrlich ist. Angesichts der sofortigen Vertragserfüllung seitens des Informations- und Dienstleistungsanbieters ist – wie einführend dargestellt – bereits die Offerierung von Informationen und Daten als rechtsgeschäftlicher Antrag an jedermann zu bewerten, der gemäss § 151 BGB angenommen werden kann. Mit der objektiv erkennbaren Betätigung des Annahmewillens durch die Inanspruchnahme der Leistung kommt der Vertrag zustande. Zum gleichen Ergebnis gelangt man, falls es sich der Präsentation im Internet ausnahmsweise nur um eine invitatio ad offerendum handeln sollte. Die objektiv erkennbare Betätigung des Annahmewillens des Anbieters wird man in diesem Fall in der Zustimmung zum Download des Nutzers oder in der aktiven Online Leistungserbringung erblicken können. Der Dienstleistungsanbieter kann und wird in diesem Fall analog § 148 BGB durch individual – oder formularvertragliche „Annahmefristklauseln“ den Zeitraum festlegen, innerhalb dessen er die Annahme eines Angebots oder Ablehnung eines Angebots zu erklären hat. Ist das nicht geschehen, gilt nicht § 147 Abs. 2 BGB, sondern es ist gemäss § 151 S. 2 BGB der mutmassliche Wille des Antragenden zu ermitteln. In der Regel wird sich bei Online Angeboten aufgrund der Interessenlagen eine kurze Frist ergeben. Der Antragende darf eine sofortige Leistungserbringung erwarten, andernfalls gilt der Antrag als abgelehnt. Es gilt das oben unter lit. b) Gesagte entsprechend e) Die Übersendung nicht bestellter Waren und das Aufdrängen von Dienstleistungen gehört immer noch zu den gängigen – wenngleich wettbewerbswidrigen – Marketing- und Vertriebsinstrumenten. Dahinter steht die Absicht, den Kunden unter Ausnutzung des Überraschungseffekts zu einem Vertragsabschluss zu drängen. Dem 202 203 RGZ 117, 314; BGHZ 74, 356; BGH, NJW 1999, S. 2179; für eine Annahmeerklärung bestehe nach BGH NJW 1990, S.1657, 2233, kein „Erklärungsbedürfnis“. Diese Begrifflichkeit schafft Verwirrung. Richtigerweise handelt es sich auch bei der Willensbetätigung um eine echte Willenserklärung. In der Betätigung des Annahmewillens im Sinne von § 151 BGB liegt regelmässig eine nichtempfangsbedürftige Willenserklärung durch schlüssiges Verhalten, die den Willen des Erklärenden nach aussen erkennen lässt, so auch Jauernig/ders., § 151 Rn 1. RGZ 102, 370, 372. 265 schiebt die Fernabsatzrichtlinie204 nun einen Riegel vor. Art. 9 FARL untersagt derartige Praktiken und bestimmt, dass für den Verbraucher eine Zahlungspflicht nicht besteht und sein Schweigen auf die (aufgedrängte) Vertragsanbahnung nicht als Zustimmung gilt: Artikel 9 Unbestellte Waren oder Dienstleistungen Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Massnahmen, um - zu untersagen, dass einem Verbraucher ohne vorherige Bestellung Waren geliefert oder Dienstleistungen erbracht werden, wenn mit der Warenlieferung oder Dienstleistungserbringung eine Zahlungsaufforderung verbunden ist; - den Verbraucher von jedweder Gegenleistung für den Fall zu befreien, dass unbestellte Waren geliefert oder unbestellte Dienstleistungen erbracht wurden, wobei das Ausbleiben einer Reaktion nicht als Zustimmung gilt. Das entspricht der bisherigen deutschen Rechtslage. Die Zusendung unbestellter Waren stellt regelmässig ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags dar, bei der Erbringung unverlangter sonstiger Leistungen kann es sich um ein Angebot zum Abschluss eines Dienst-, Werk- oder ähnlichem Vertrag handeln (sog. Realofferte).205 Diese Angebot erfolgt unter dem Verzicht auf den Zugang der Annahme nach § 151 BGB. Solange der Empfänger keinen Annahmewillen betätigt kommt daher mangels Annahme kein Vertrag zustande. Die blosse Entgegennahme unbestellter Ware oder das Schweigen nach erfolgter Zusendung stellen keine Aneignungs- und Gebrauchshandlungen dar und sind daher nicht als Annahmeerklärung zu werten.206 Der Empfänger unbestellter Waren oder sonstiger Werk- oder Dienstleistungen, die zum Zwecke der Anbahnung des Vertrags erbracht worden sind, ist weder zu einer Gegenleistung im Sinne Art. 9 FARL verpflichtet, noch bedeutet das Schweigen auf den Antrag eine Annahme207, und zwar auch dann nicht, wenn der Antragende erklärt, der Vertrag gelte bei Nichtablehnung oder Nichtrücksendung als geschlossen.208 Der Empfänger ist nach allgemeiner Meinung auch nicht zur Rücksendung verpflichtet, eine solche Pflicht kann auch nicht durch Beilegung des Rückportos begründet werden.209 Auch eine sonst geartete Vertragsbeziehung, etwa ein Verwahrungsvertrag kommt nicht zustande. 204 205 206 207 208 209 Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. L 144 vom 4.06.1997, S. 19. Jauernig/ders, § 145 Rn 6; MüKo/Kramer, § 145 Rn 11. Jauernig, § 145 Rn 6; Palandt/Heinrichs, § 145 Rn 10; Brinkmann, BB 1981, S. 1189. Vgl. für das Schweizerische Recht Art. 6a Abs. 1 OR. Begründung, Fernabsatzgesetz, a.a.O. (S. 173, Fn 405), S. 46. MüKo/Kramer, a.a.O.; Palandt/Heinrichs, § 145 Rn 11. So ausdrücklich Art. 6a Abs. 2 OR. 266 Die Behandlung ausservertraglicher Ansprüche im Zusammenhang mit unbestellten Waren- und Dienstleistungen ist in der Literatur210 nicht unumstritten. Einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung liegt – soweit ersichtlich – aber nicht vor. Durch das Fernabsatzgesetz wurde in das Recht der Schuldverhältnisse § 241a BGB neu eingefügt. Ziel der Vorschrift ist es, die Zusendung unbestellter Waren zum Zwecke des Vertragsschlusses generell zu unterbinden. Es handelt sich also um eine wettbewerbsrechtliche Sanktion im Gewand einer zivilrechtlichen Norm.211 Nach § 241a BGB bestehen weder vertragliche, noch ausservertragliche Ansprüche auf Herausgabe von Nutzungen, noch Schadensersatzansprüche212 des Versenders, es sei denn der Verbraucher musste erkennen, dass die Lieferung irrtümlich erfolgte.213 Erfasst wird von § 241a BGB nicht nur die Lieferung zum Zwecke der Anbahnung eines Vertrags sondern auch die irrtümliche Lieferung, gleichgültig, ob das Versehen dem Unternehmer oder dem Auslieferer unterlaufen ist. Das ist verfassungsrechtlich bedenklich214, da durch § 241a BGB alle gesetzlichen Ansprüche, also auch die Vindikationsansprüche aus §§ 985 ff. und die Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung nach §§ 812 ff. BGB ausgeschlossen werden. Darüber hinaus kann es zu Überschneidungen mit der Regelung des § 150 Abs. 2 BGB kommen. Weichen die zugesandten Waren nämlich stark von den bestellten ab, so gilt dies nach der Regel des § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag des Versenders, den man mit guten Argumenten als die Zusendung „unbestellter Waren“ im Sinne des § 241a BGB bezeichnen kann, sofern der Empfänger den Irrtum des Versenders nicht erkennen musste.215 Lediglich für Kaufleute enthält § 362 HGB eine Ausnahme, die jedoch nicht in den Anwendungsbereich der FARL fällt, da die Richtlinie nur Vertragsabschlüsse zwischen Verbrauchern und Lieferanten erfasst. 210 211 212 213 214 215 Eine Übersicht über den Meinungsstand in der Literatur und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Umsetzung von Art. 9 FARL findet sich in der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucksache 14/2658, S. 22 –24. Riehm, Jura 2000, S. 511. Die Behandlung solcher Ansprüche war bislang – soweit ersichtlich, mangels Rechtsprechung hierzu – im Schrifttum umstritten. Die überwiegende Ansicht geht zumindest im Ergebnis von einer Haftungsmilderung des Empfängers auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit aus. Dies wird mit einer Analogie zur Regelung des Annahmeverzugs in § 300 BGB oder einer entsprechenden Anwendung der §§ 690, 270 BGB begründet (MüKo/Kramer, § 145 Rn 11; Lange, JuS 1997, S. 434). Der Schadensersatzpflicht steht aber i.d.R. ein Mitverschulden des Antragenden nach § 254 BGB entgegen, da die unbestellte Warenzusendung einen groben, rechtswidrigen Eingriff in die Privatsphäre des Empfängers bedeutet (BGH, NJW 1989, S. 2820; BGH LM UWG 1 Nr. 77; Palandt/Heinrichs, § 145 Rn 10), gegen die sich der Empfänger (oft auch nur) durch Wegwerfen der Ware schützen kann (Jauering, § 145 Rn 6). Ein derartiges Verhalten muss sich der Versender als schadensmindernd oder gar schadensauschliessend anrechnen lassen (Palandt/Heinrichs, § 145 Rn 11). Eine solche ausdrückliche Regelung findet sich beispielsweise auch in anderen europäischen Rechtsordnungen (z.B. in § 864 Abs. 2 S. 3 des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs - ABGB: „Musste dem Empfänger nach den Umständen auffallen, dass die Sache irrtümlich an ihn gelangt ist, so hat er in angemessener Frist dies dem Absender mitzuteilen oder die Sache an den Absender zurückzuleiten.“). So auch BR-Drucksache 25/00, S. 7. Dieser Konflikt wird auch durch § 241a Abs. 3 BGB nicht beseitigt, der eine unbestellte Leistung explizit nur dann ausschliesst, „wenn dem Verbraucher statt der bestellten eine nach Qualität und Leistung gleichwertige Ware angeboten, und er darauf hingewiesen wird, dass er zur Annahme nicht verpflichtet ist und die Kosten der Rücksendung nicht zu tragen hat“. 267 IV. Die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr (E-Commerce-Richtlinie) 1. Einleitung Substantielle Eingriffe in die eben dargestellten, für alle Verträge gleichermassen geltenden Regeln des Vertragsschlusses sind durch die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“)216 – im folgenden ECRL – zu erwarten, die bis zum 17. Januar 2002 in nationales Recht umzusetzen ist. Die Europäische Kommission erkannte früh, dass der „grenzenignorierende Charakter“ des Internet erfordert, den explosionsartig wachsenden Handel, zumindest in der Europäischen Gemeinschaft einheitlich zu regeln. Die Weiterentwicklung der Dienste der 217 wird durch Unterschiede der innerstaatlichen Informationsgesellschaft Rechtsvorschriften und Unsicherheiten hinsichtlich der auf die gemeinschaftsweiten Online-Dienste anzuwendenden nationalen Regelungen behindert. Ziel der Richtlinie ist es, ein hohes Niveau an rechtlicher Integration in der Gemeinschaft sicherzustellen.218 Zu diesem Zweck enthält die Richtlinie Vorschriften über den Binnenmarkt (Art. 3) und die Niederlassung der Dienstanbieter (Art. 4), allgemeine Informationspflichten der Anbieter (Art. 5) und kommerzielle Kommunikationen (Art. 6 und 7), elektronische Verträge (Art. 9 bis 11), die Verantwortlichkeit von Vermittlern (Art 12 bis 15), Verhaltenskodizes (Art. 16), Systeme zur aussergerichtlichen Streitbeilegung (Art. 17), sowie über Klagemöglichkeiten (Art. 18) und die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten (Art. 19). Damit soll der freie Verkehr von „Diensten der Informationsgesellschaften“ zwischen den Mitgliedstaaten sichergestellt werden, um auf europäischer Ebene rechtlich zu erreichen, was die Technik vorgezeichnet hat: einen elektronischen Geschäftsverkehr ohne Grenzen. Aus diesem Grund identifiziert die Richtlinie die wichtigsten Hindernisse für einen ungehinderten „online“ – Dienstanbieterverkehr in der Gemeinschaft und schlägt auf die verschiedenen Handlungsebenen zugeschnittene „horizontale Lösungen“ vor, die gleichzeitig und kohärent alle Phasen der Wirtschaftstätigkeit der entsprechenden Dienste erfassen. 216 217 218 ABl. L 178 vom 17. 06.2000, S. 1. Die Richtlinie verweist in Art. 2 lit. a) bezüglich der Definition von Diensten der Informationsgesellschaft auf Art. 1 Nr. 2 der RL 98/34 EG vom 21. 07. 1998, ABl. L 204 vom 21.07.1998, S. 37 in der Fassung der RL 98/48 EG vom 5. 08. 1998, ABl. L 217 vom 5.08.1998, S. 18 (Informationsrichtlinie). Danach sind „Dienste der Informationsgesellschaft“ jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung (einschliesslich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten auf individuellen Abruf des Empfängers erbrachte Dienstleistungen. Vgl. Erwägungsgrund Nr. 3. 268 Kernpunkt der Richtlinie ist das sog. Herkunftslandsprinzip (Art. 3 ECRL), d. h. die gegenseitige Anerkennung der für Dienste der Informationsgesellschaft geltenden einzelstaatlichen Regelungen. Dienstanbieter müssen in Zukunft, von Ausnahmen219 abgesehen, grundsätzlich allein die innerstaatlichen Vorschriften des Mitgliedstaates beachten, in dem sie ihre Niederlassung haben. Eine Aufsicht erfolgt also am Herkunftsort. Die Bestimmung des Ortes der Niederlassung des Anbieters ist nach den von Rechtsprechung des EuGH220 entwickelten Kriterien dort zu lokalisieren, wo die tatsächliche Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung auf unbestimmte Zeit erfolgt.221 Erbringt ein Unternehmen Dienste der Informationsgesellschaft über eine Website des Internet, so ist es weder dort niedergelassen, wo die Online-Angebote abgerufen werden können, noch dort wo sich die technischen Mittel befinden, die diese Website beherbergen (Server), sondern an dem Ort, an dem es seine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Bei mehreren Niederlassungen ist für die Frage, welcher Mitgliedstaat die Rechtshoheit auszuüben hat, der „Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit“ entscheidend.222 Die Anwendung des Herkunftslands- bzw. Ursprungslandsprinzip setzt deshalb das Bestehen eines einigermassen gleichmässigen Rechtsniveaus in der Europäischen Gemeinschaft voraus, um einen Wettbewerb um die niedrigste Eingriffsschwelle, ein sog. „race to the bottom“, zu verhindern. Die Richtlinie ergänzt aus diesem Grunde das auf die Dienste der Informationsgesellschaft anwendbare Gemeinschaftsrecht und lässt das bestehende Schutzniveau insbesondere für den Verbraucherschutz unberührt (Art. 1 Abs. 3 ECRL). Sie basiert auf einer Reihe anderer, ebenfalls der Beseitigung rechtlicher Hindernisse dienender Initiativen und soll diese vervollständigen223. So besteht ein enger wechselseitiger Zusammenhang mit der der hier nicht behandelten „Richtlinie über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen“224 und der bereits dargestellten „Richtlinie 97/7/EG über den „Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz“. Nachfolgend werden die im Rahmen dieser Arbeit interessierenden Vorschriften der E-CommerceRichtlinie über Verträge (Art. 9-11) dargestellt und ihre Auswirkungen auf das deutsche Vertragsrecht besprochen. 219 220 221 222 223 224 Die Richtlinie nimmt einzelne Bereiche vom Anwendungsbereich ganz aus, wie etwa die umstrittene Frage der Besteuerung, und schliesst für andere Bereiche die Anwendung des Herkunftslandprinzips aus, wie etwa für das Urheberrecht, die verwandten Schutzrechte, den Datenbankschutz (nach Art. 3 Abs. 3 i.V.m. mit dem Anhang findet auf diese das alterhergebrachte Territoritialitäsprinzip Anwendung) oder das Recht der vertraglichen Schuldverhältnisse in Bezug auf Verbraucherverträge. EuGH, Rs. C-221/89, Factortame, Slg. 1991, I-3905. Vgl. Erwägungsgrund Nr. 19, E-Commerce-Richtlinie, a.a.O. (Fn 216). EuGH, Rs. C-222/94, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1996, I-4025. Zuletzt u.a. der Vorschlag für eine Richtlinie zum Urheberrecht (KOM (97) 628 endg.), die Richtlinie über den Schutz der Datenbanken (Richtlinie 96/6/EG, ABl. L 77 vom 27. 03. 1996, S. 20), die Richtlinie über den rechtlichen Schutz der Dienste, die einer Zugangskontrolle unterliegen - „conditional access systems“ (Richtlinie 98/84/EG, ABl. L 320 vom 28. 11. 1998, S. 54) und die sog. Transparenzrichtlinie (Richtlinie 98/34/EG, a.a.O. Fn 217). Richtlinie 1999/93/EG vom 13. Dezember 1999; ABl. L 13 vom 19. Januar 2000, S. 12. 269 2. Hintergrund Auffällig ist, dass es zur Vorgeschichte dieser Richtlinie wenig zu berichten gibt. Während andere Richtlinien üblicherweise über ein sog. Grünbuch („Green Paper“) und durch das anschliessende Weissbuch (“White Paper”) vorbereitet werden, verzichtete man wegen der Komplexität der zu behandelnden Themen auf eine breit angelegte Vorabdiskussion. Die Kommission präsentierte stattdessen am 18. November 1998 den bereits fertig ausgearbeiteten Vorschlag für eine „Richtlinie über bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt“225, der federführend von der Generaldirektion (GD) XV (“Binnenmarkt”) erarbeitet worden war. Der Vorschlag war gekennzeichnet durch die Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Generaldirektionen XV und XIV (Verbraucherschutz). Um keine unnötigen Zuständigkeiten der GD Verbraucherschutz zu begründen, finden sich in der Begründung des Gesetzentwurfs deshalb nur sporadisch Hinweise auf den Verbraucherschutz, obwohl dieser einen der Schwerpunkte des Projekts darstellen sollte.226 Grundlage des Richtlinienvorschlages sind die Leitgedanken, die die Kommission in ihrer Mitteilung „Eine europäische Initiative für den elektronischen Geschäftsverkehr“ vom 16. April 1997227 entwickelt hat. Die dort identifizierten regelungsbedürftigen Punkte wurden vom europäischen Parlament228 gebilligt. Der Richtlinienentwurf wurde am 23. Dezember 1998 Parlament und Rat übermittelt. Am 29. April 1999 nahm der Wirtschafts- und Sozialausschuss zu dieser Vorlage Stellung.229 Am 6. Mai 1999 billigte das Europäische Parlament in erster Lesung den Vorschlag der Kommission vorbehaltlich von 60 Änderungsanträgen.230 Die Kommission hat 37 Änderungsvorschläge gebilligt und sie wörtlich oder sinngemäss in ihren geänderten 225 226 227 228 229 230 KOM (98) 586 endg. vom 18. 11. 1998 – 98/0325 (COD); Erwägungsgründe und Richtlinientext sind veröffentlicht im ABl. C 30 vom 5. 02.1999, S. 4. In diesem Zusammenhang ist die in Erwägungsgrund 65 (23 des Richtlinienentwurfs) zitierte Entschliessung des Rates über die „Verbraucherdimension der Informationsgesellschaft“ vom 19. Januar 1999 (ABl. C 23 vom 28. 01. 1999, S. 1) zu verstehen, in der die Kommission aufgefordert wird, „alle notwendigen Schritte zu unternehmen“, um zu gewährleisten, „dass bei vorliegenden und zukünftigen politischen Vorschlägen der Kommission für die Informationsgesellschaft den Verbraucherinteressen in vollem Umfang Rechnung getragen wird“, Hoeren, MMR 1999, S. 193, Fn 3. Eine Europäische Initiative für den elektronischen Geschäftsverkehr, KOM (97) 157 endg. vom 14. 04. 1997. Die Mitteilung nennt vier Hauptziele: (1) Schaffung eines allgemeinen, erschwinglichen Zugangs zu Infrastruktur, Waren und Dienstleistungen, die zur Teilnahme am Electronic Commerce notwendig sind, (2) Schaffung eines geeigneten Rechtsrahmens, der die Freiheit der Waren-, Dienstleistungs-, Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit gewährleistet, (3) die Schaffung eines günstigen Wirtschaftsumfelds für den Electronic Commerce und (4) die Koordination und Verschränkung europäischer und globaler Regelungen, in Fragen des Datenschutzes, der Datensicherheit, Steuern und technischer Standards, sowie von Vereinbarungen, wie sie von internationalen Organisationen (u.a. WTO, OECD und UNCITRAL) getroffen wurden. Entschliessung des Europäischen Parlaments über die Mitteilung der Kommission „Europäische Initiative für den europäischen Geschäftsverkehr“ vom 14 .05. 1998, Dok. A4-0173/98. ABl. C 169 vom 16. 06. 1999, S. 36. Entschliessung des Europäischen Parlaments über den Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt vom 6. 05. 1999; Dok. A4-0248/99, ABl. C 279 vom 1. 10. 1999. S. 389. 270 Vorschlag vom 17. August 1999231 übernommen. Am 28. Februar 2000 einigte sich der Rat auf einen gemeinsamen Standpunkt,232 der die von der Kommission gebilligten Änderungen sinngemäss vollständig oder teilweise übernahm. Dem geänderten Vorschlag der Kommission wurden zudem weitere Modifikationen hinzugefügt, die nicht auf Änderungsvorschlägen des Europäischen Parlaments basieren; insbesondere wurde die Regelung des Zeitpunktes des elektronischen Vertragschlusses gestrichen und vollständig neu formuliert (siehe sogleich unter Ziff. 3. lit. b). Zu den Abänderungen des Rates nahm die Europäische Kommission gemäss Artikel 251 Absatz 2 EGV wiederum Stellung,233 bevor der Richtlinienvorschlag vom Rat und vom Parlament gebilligt wurde. Die Richtlinie ist am 17. Juni 2000 im Amtsblatt veröffentlicht worden und am selben Tag in Kraft getreten. Sie ist von allen Mitgliedsstaaten bis zum 17. Januar 2002 in das nationale Recht umzusetzen. 3. Inhalt Die Richtlinie erfasst nach Art. 2 lit. a) die Dienste der Informationsgesellschaft als jede, in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung (einschliesslich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten auf individuellen Abruf des Empfängers erbrachte Dienstleistungen und harmonisiert in ausgewählten Bereichen die innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die dem freien Verkehr derartiger Dienste entgegenstehen. Hierzu zählen nach Ansicht der Kommission auch die divergierenden innerstaatlichen Vorschriften, die auf den elektronischen Vertragsabschluss anwendbar sind. Aus diesem Grunde schafft die Richtlinie im 3. Abschnitt in den Artikeln 9 – 11 verbindliche Regeln für den „Abschluss von Verträgen auf elektronischem Weg“. Die Kommission fordert in Art. 9 Abs. 1 ECRL die Mitgliedsstaaten auf, den wirksamen Abschluss elektronischer Verträge zu ermöglichen, insbesondere soll die Tatsache, dass ein Vertrag auf elektronischem Wege zustandegekommen ist, nicht zu dessen Ungültigkeit oder Wirkungslosigkeit führen. Dies gilt insbesondere für Formvorschriften („Schriftform“, „eigenhändige Unterschrift“ etc.), die in Deutschland den Abschluss bestimmter Verträge (bisher noch) unmöglich machen. Die Bestimmung ergänzt die 231 232 233 Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt, KOM (99) 427 endg. Gemeinsamer Standpunkt (EG) vom Rat festgelegt am 28.02.2000 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), Dok. 14263/1799 REV 1. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament gemäss Artikel 251, Absatz 2, zweiter Unterabsatz des EG-Vertrages zum gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) vom 20.03.2000, Dok. 500PC0386S. 271 Signaturrichtlinie234, in der allein die Frage der rechtlichen Wirksamkeit elektronischer Signaturen angesprochen wird, ohne andere Aspekte der rechtlichen Wertigkeit von elektronischen Verträgen anzusprechen. Die hieraus resultierenden Probleme und die geplante Umsetzung von Artikel 9 der Richtlinie durch das am 1. August 2001 in Kraft tretende Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr235 werden in dieser Arbeit nicht behandelt. Neben der Gültigkeit elektronisch geschlossener Verträge, bilden die in Art. 5 und 10 ECRL statuierten Informationspflichten der Dienstanbieter einen weiteren Schwerpunkt der Regelung des elektronischen Vertragsschlusses. a) Der Abschluss von Verträgen auf elektronischem Weg Ob es sich bei der Darstellung von Waren und Dienstleistungen um ein Angebot oder nur um eine invitatio ad offerendum handelt, hat unterschiedliche rechtliche Konsequenzen. Während diese Fragen innerhalb der nationalen Rechtsordnung durch einheitliche Auslegung geklärt werden (könnten), besteht bei grenzüberschreitenden Rechtsgeschäften grosse Rechtsunsicherheit seitens der Verbraucher. Die Rechtsunsicherheit sollte nach dem Willen der Kommission dadurch behoben werden, dass für bestimmte Fälle klargestellt wird, zu welchem Zeitpunkt der Vertrag geschlossen ist. Im folgenden wird der Werdegang der Gesetzgebung zur Verdeutlichung des Problems skizziert. aa) Art. 11 der Richtlinie in der ursprünglichen Fassung des Richtlinienvorschlags vom 18. November 1998 enthielt deshalb eine ausführliche Regelung über das Zustandekommen von elektronischen Verträgen, mit der die einleitend dargestellten Regeln über den Vertragsschluss ausser Kraft gesetzt worden wären. Nach dem Willen der Kommission sollte der Vertrag – sofern der Nutzer eines Dienstes aufgefordert wird, das Angebot eines Dienstanbieters durch Benutzung technischer Mittel (etwa durch Anklicken eines Symbols) anzunehmen – nicht wie üblich mit dem Zugang der Annahmeerklärung des Nutzers beim Dienstanbieter zustandekommen. Vielmehr sollte der Vertrag nach Art. 11 Abs. 1 lit. a) des Richtlinienentwurfs erst dann als geschlossen gelten, wenn der Nutzer - - 234 235 vom Dienstanbieter auf elektronischem Wege die Bestätigung des Empfangs seiner Annahme erhalten hat und er den Eingang der Empfangsbestätigung bestätigt hat. Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen, ABl. L 13 vom 19.01.2000, S. 12. Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001, BGBl. I, 1542. 272 Während die Kommission mit ihrem Modell der „Aufforderung zum Vertragsschluss“ im Entwurf der Fernabsatzrichtlinie noch scheiterte236, wagt sie sich mit dem Ende November 1998 vorgelegten Entwurf der E-Commerce-Richtlinie erneut an die Regelung des Vertragsschlusses. Man war diesmal fest entschlossen, den Mechanismus des Vertragsschlusses im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs zu harmonisieren. Wie nicht anders zu erwarten war, ist die umständliche Regelung in der Literatur heftig kritisiert worden237. Die Kritik war berechtigt: Für Online-Verträge sollte nach dem Willen der Kommission gewissermassen eine Art „zweite Vertragsschluss-Routine“238 eingebaut werden. „Das Erfordernis einer Bestätigung der Bestätigung ist geradezu absurd“.239 Daraus würde sofort das Problem der zeitlichen Lücke resultieren, die von einem Vertragsteil zum Vertragsrücktritt (ausserhalb der Fernabsatzrichtlinie) genutzt werden könnte. Darüber hinaus wird der Zugang der Empfangsbestätigung und der Bestätigung der Bestätigung gesetzlich vermutet, sobald die jeweils andere Partei diese abrufen kann (Art. 11 Abs. 1 lit. b). Das ist regelmässig der Fall, wenn diese beim Provider abrufbar ist. Nicht geregelt ist aber auch hier der Fall, dass die Bestätigung zwar beim Provider ankommt, aber auf dem Weg zum Adressaten verloren geht. Unklar ist auch, ob die Vermutung des Artikels 11 widerleglich sein sollte oder nicht. Die Annahme einer widerleglichen Vermutung würde bei OnlineVerträgen zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen.240 Geht das Angebot dagegen vom Kunden aus, käme Art. 11 ECRL gar nicht zur Anwendung, d. h. es würden weiterhin die nationalen Vorschriften des Privatrechts Anwendung finden.241 Wenn der Kunde also auf eine unverbindlichen Webanzeige hin etwas bestellt, käme der Vertrag durch die blosse Annahme des Verkäufers zustande, was dieser unter Umständen noch nicht einmal mitteilen muss (§ 151 Satz 1 BGB). Der Kunde stünde also im „gefährlichen“, nach der h.M. weitaus häufigeren, Fall des eigenen Angebots wesentlich schlechter da, als er im seltenen und weniger problematischen Fall der Abgabe einer Annahmeerklärung stehen würde.242 Der beabsichtigte Schutz des Verbrauchers ginge ins Leere. Insgesamt klang die Regelung nicht nur verwirrend, 236 237 238 239 240 241 242 Vgl. zur ursprünglichen Konzeption des Fernabsatzvertrags nach dem Vorschlag der Kommission aus dem Jahre 1992 oben § 2 VI 3 lit. b) aa), S. 168. Hoeren, MMR 1998, S. 198; Spindler, ZUM 1999, S. 788; Tettenborn, K&R 1999, S. 2258; Lehmann, ZUM 1999, S. 182 bezeichnet die von der Kommission vorgeschlagenen Regeln insgesamt als „wenig netztauglich“. Waldenberger, EuZW 1999, S. 300. Hoeren, MMR 1999, S. 199. Waldenberger, EuZW 1999, S. 300. Die Ansicht von Brisch, CR 1999, S. 241, wonach die Rechtskonstruktion der „invitatio ad offerendum“ damit obsolet sei, ist abzulehnen. Vgl. die Kommentierung zum Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt vom 18.12.1998, a.a.O. (S. 175, Fn 123), Art. 11, S. 31, wonach sich Art. 11 a.F. ausdrücklich nur auf die besondere Situationen bezieht, „in denen der Dienstanbieter ein konkretes Angebot unterbreitet und Situationen, in denen Dienstanbieter nur zur Angebotsabgabe auffordere, ausdrücklich nicht erfasst sind“. Art. 11 a.F. des Richtlinienvorschlags will den Meinungsstreit zwischen beiden Konzepten nicht entscheiden, sondern betrachtet die verschiedenen Stufen des Vertragsschlusses vom Ergebnis her und bezieht sich deshalb nur auf den Fall eines eindeutigen rechtlich bindenden Angebots, so Maennel, MMR 1999, S. 191. Hoeren, MMR 1999, S. 199. 273 sie war es auch. Es leuchtete nicht ein, aus welchen Gründen die Kommission den bewährten und weltweit geltenden Grundsatz, dass Verträge durch Angebot und Annahme zustandekommen, aufgeben wollte. Weder in der Begründung der Richtlinie, noch in deren Kommentierung fanden sich Erläuterungen über den Zweck der geplanten Bestimmung. Zur Beseitigung der Rechtsunsicherheit hätte eine einfache Bestätigungslösung in dem Sinne, dass der Anbieter dem Nutzer den Eingang des Antrags bestätigt, genügt. Warum es der Nutzer nach Erhalt einer solchen Bestätigung es noch in der Hand haben sollte, den Vertragschluss durch Untätigbleiben zu vereiteln, war schlechterdings nicht einsichtig243. Dies umso mehr, als bei Fernabsatzgeschäften ohnehin das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach Art. 6 der Fernabsatzrichtlinie gilt. Die komplizierte Regelung wurde daher als insgesamt untauglich verworfen. bb) Auch das europäische Parlament hat Art. 11 a.F. als zu kompliziert kritisiert und in erster Lesung die Präzisierung und Vereinfachung der Regelungen gefordert.244 Der geänderte Richtlinienvorschlag der Kommission vom 17. August 1999 übernahm die vom Europäischen Parlament vorgeschlagene Änderung und formulierte Art. 11 Abs. 1 neu. Beibehalten wurde die bisherige Konstruktion des Art. 11, wonach sich dieser nur auf die besondere (Ausnahme-)Situation bezieht, in welcher der Nutzer eines Dienstes aufgefordert wird, das Angebot des Dienstanbieters durch Benutzung technischer Mittel (etwa durch Anklicken eines Symbols) anzunehmen. Aufgegeben wurde das stark umstrittene Erfordernis der „doppelten Rückbestätigung“,245 stattdessen sollte der Vertrag gemäss Art. 11 Abs. 1 lit. a) nunmehr als geschlossen gelten, - wenn der Nutzer vom Dienstanbieter auf elektronischem Wege die Bestätigung des Empfangs seiner Annahme erhalten hat. Der Dienstanbieter hat diese gemäss Art. 11 Abs. 1 lit. c) unverzüglich abzusenden, wobei die Annahme des Angebots und die Empfangsbestätigung nach lit. b) als dem Nutzer zugegangen gelten, wenn die jeweils andere Partei, für die sie bestimmt sind, sie abrufen kann. Positiv hervorzuheben ist der Verzicht auf die doppelte Bestätigung. Der geänderte Vorschlag ging von der „einfachen“ Bestätigungslösung aus. Der Vertrag sollte also nicht bereits durch die Annahme des Angebots zustandekommen, sondern erst, wenn die Bestätigung der Annahmeererklärung beim Nutzer eingegangen ist. Der im Prinzip richtige Ansatz krankte jedoch, ebenso wie der erste Richtlinienentwurf, an der fehlerhaften Konstruktion des Art. 11 insgesamt, der sich wiederum ausschliesslich auf den Fall eines eindeutig rechtlich bindenden Angebots durch Dienstanbieter bezog, während der umgekehrte Fall, in dem das Angebot vom Kunden ausgeht, auch weiterhin national unterschiedlich geregelt gewesen wäre. Ein 243 244 245 Schwerdfeger, Verbraucherschutz, Kap. 6-3.1, S. 93. ABl. C 279 vom 1. 10. 1999, S. 389, Änderungsvorschlag Nr. 42. Moritz, CR 2000, S. 69. 274 solche Regelung hätte das Ziel der Kommission konterkariert, den Zeitpunkt des elektronischen Vertragsschlusses einheitlich zu regeln, um dadurch die bestehende Rechtsunsicherheit zu beheben. b) Die Abgabe einer Bestellung Der Rat strich deshalb die auf den Änderungsvorschlägen des Europäischen Parlaments basierende Regelung des Zeitpunktes des elektronischen Vertragschlusses in Art. 11 Abs. 1 und formulierte die Bestimmung vollständig neu. Artikel 11 der Richtlinie lautet nunmehr wie folgt: Artikel 11 Abgabe einer Bestellung (1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass – ausser im Fall abweichender Vereinbarungen zwischen Parteien, die nicht Verbraucher sind – im Fall einer Bestellung durch einen Nutzer auf elektronischem Wege folgende Grundsätze gelten: - Der Dienstanbieter hat den Eingang der Bestellung des Nutzers unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen; - Bestellung und Empfangsbestätigung gelten als eingegangen, wenn die Parteien, für die sie bestimmt sind, sie abrufen können. (2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass – ausser im Fall abweichender Vereinbarungen zwischen Parteien, die nicht Verbraucher sind – der Dienstanbieter dem Nutzer angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Verfügung stellt, mit denen er Eingabefehler vor Abgabe der Bestellung erkennen und korrigieren kann. (3) Absatz 1 erster Gedankenstrich und Absatz 2 gelten nicht für Verträge, die ausschliesslich durch den Austausch von elektronischer Post oder vergleichbare individuelle Kommunikation geschlossen werden. aa) Rechtsnatur der Bestätigung Auch die Einordnung der neuen Grundsätze über die „Abgabe einer Bestellung“ in die traditionelle Rechtsgeschäftslehre ist nicht einfach. Art. 11 der Richtlinie geht nunmehr von einer Bestellung durch einen Nutzer auf elektronischem Wege aus und erfasst damit sowohl den Fall, dass das Angebot vom Dienstanbieter ausgeht, als auch den typischen Fall, dass der Dienstanbieter nur eine invitatio ad offerendum erklärt.246 Voraussetzung ist lediglich eine Bestellung auf elektronischem Wege. Der Eingang der Bestellung ist nach der Richtlinie vom Dienstanbieter zu bestätigen. Unklar ist, ob damit die konstitutiven Merkmale des elektronischen Vertragsschlusses gemeint sind oder ob der Bestätigung lediglich eine deklaratorische Bedeutung zukommt. Fraglich ist insbesondere, ob es der 246 Hoeren , Internetrecht, S. 209 275 Bestätigung auch bedarf, wenn das bindende Angebot ausnahmsweise vom Dienstanbieter ausgeht.247 Darüber hinaus ist ungewiss, ob der Dienstanbieter, der das Angebot eines Nutzers erhält, möglicherweise zu dessen Annahme verpflichtet ist. Falls nicht, ist unsicher, ob er die Ablehnung des Angebots dem Nutzer mitteilen muss. Wenn ja, dann ist fraglich, welche Folgen sein Schweigen hat.248 α) Die Wahl der „einfachen“ Bestätigungslösung, die schon vom Europäischen Parlament favorisiert wurde, spricht dafür, dass der Bestätigung des Eingangs der Bestellung durch den Dienstanbieter eine konstitutive Wirkung zukommt.249 Jede Bestätigung ist daher eine Willensäusserung, die auf das Zustandekommen des Vertrages gerichtet ist. Die Bestätigungen sind somit als empfangsbedürftige Willenserklärungen anzusehen. Dabei ist es unbeachtlich, welche Vertragspartei der anderen ein Angebot zum Vertragsabschluss unterbreitet. Nach dem klaren Wortlaut der Richtlinie bedarf es der Bestätigung daher auch, wenn das bindende Angebot im Einzelfall vom Anbieter ausgeht und der Nutzer die Annahme erklärt. Die rechtliche Qualifizierung der Bestellung des Nutzers spielt keine Rolle. Dieser wird nämlich oft nicht wissen, ob er durch den Mausklick dem Anbieter ein Angebot unterbreitet oder bereits ein Angebot des Anbieters angenommen hat, der Vertrag also perfekt ist. Hier schaltet die E-Commerce-Richtlinie zu seinem Schutz nun einen zwingenden Bestätigungsmechanismus vor. Ähnlicher Ansicht ist offenbar auch Lehmann250, wonach nur noch zwei Willenserklärungen i.S.d. §§ 145, 147 BGB zu einem Vertragsabschluss führen sollen, nämlich eine Bestellung des Verbrauchers und eine Bestätigung des Anbieters. Die Feststellung eines zweigliedrigen Vertragsschlusses stimmt jedoch nur teilweise. Richtig ist, dass durch Art. 11 offengelassen wird, ob die Anpreisung einer Ware oder Dienstleistung im Netz als invitatio ad offerendum oder schon als Antrag i.S.d. § 145 BGB zu bewerten ist. Im letzteren Fall kann der Antrag zwar durch Anklicken des entsprechenden Hyperlinks nach § 147 BGB angenommen werden. Für den Vertragsschluss braucht es aber in jedem Fall mit der konstitutiven Bestätigung der Bestellung eine dritte Willenserklärung. Darüber hinaus ist damit noch nicht die Frage beantwortet, ob der Vertrag in jedem Fall bereits mit der Bestätigung der Bestellung zustande kommt oder ob im Einzelfall noch eine vierte Willenserklärung, d.h. eine Annahmeerklärung des Anbieters, notwendig ist (siehe sogleich lit. bb). 247 248 249 250 Hoeren , Internetrecht, S. 209 Hoeren, a.a.O. A.A. Wiebe, Internet-Auktionen, S. 89 Rn 93, der der Auffassung ist, die Übersendung der Empfangsbestätigung sei keine Wirksamkeitsvoraussetzung, sondern nach der Neufassung des Art. 11 ECRL blosse Verpflichtung des Anbieters, die auch durch Online-Erbringung der bezahlten Dienstleistung erfüllt werden könne (vgl. Erwägungsgründe Nr. 34, ECRL a.a.O., Fn 216). Diese Ansicht vermag m.E. nicht zu überzeugen. Der Autor selbst gesteht unter Hinweis auf Spindler, MMR-Beilage 7/2000, S. 4, 11 ein, dass die rechtliche Qualifizierung der Empfangsbestätigung noch offen ist. Lehmann, EuZW 2000, S. 519. 276 β) Damit kann als Zwischenergebnis folgendes festgehalten werden: Das zwingende Erfordernis der Bestätigung der Bestellung auf elektronischem Wege bedeutet das Ende der Annahme durch tatsächliches Entsprechen gemäss § 151 S. 1 BGB für Verbraucherverträge im elektronischen Handel. Mit anderen Worten der Vertragsschluss durch Bewirkung der Leistung oder Inanspruchnahme der Leistung bzw. Entgegennahme der Waren ist zukünftig ausgeschlossen. Unabhängig von der sogleich noch zu klärenden Frage, ob man in der Bestätigung der Bestellung zugleich die Erklärung der Annahme erblickt, ist die Empfangsbestätigung des Anbieters conditio sine qua non für den Abschluss eines Vertrages im elektronischen Geschäftsverkehr. (i) Von diesem klaren Grundsatz macht die Richtlinie zwei Ausnahmen: Parteien, die nicht Verbraucher sind, können nach Art. 11 Abs. 1 ECRL abweichende Vereinbarungen treffen. Für Unternehmen besteht damit weiterhin die Möglichkeit anderslautender Rahmenvereinbarungen zu treffen. Die Wirksamkeit etwa von EDI-Rahmenverträgen, die den Austausch elektronisch übermittelter Erklärungen regeln, wird durch die E-Commerce-Richtlinie nicht berührt. Eine zweite Ausnahme findet sich eher versteckt in Erwägungsgrund 34 der Richtlinie: Bei Dienstleistungen kann die Empfangsbestätigung darin bestehen, dass der Anbieter die Leistung online erbringt, wenn diese bereits bezahlt ist. Da die Leistung unmittelbar nach Eingang der Bestellung über die Website des Anbieters erfolgt, wäre eine zusätzliche Empfangsbestätigung unnötiger Formalismus. Bei Live-Order Pages ist eine Empfangsbestätigung daher ausnahmsweise obsolet.251 (ii) Eine weitere Durchbrechung dieses Grundsatzes ergibt sich aufgrund folgender Überlegung: Die Vorgabe nach Art. 11 Abs. 1 1. Gedankenstrich der Richtlinie soll nach dem Willen der Kommission durch Harmonisierung der nationalen Bestimmungen klarstellen, zu welchem Zeitpunkt der Vertrag geschlossen wird. Der Dienstanbieter wird deshalb verpflichtet Bestellungen von Nutzern unabhängig von der Frage, wer das Angebot erklärt, unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen. Nach dem Schutzweck des Art. 11 ist ein Vertragsschluss des Anbieters durch Vornahme der Erfüllungshandlung gem. § 151 S. 1 BGB zwingend ausgeschlossen. Damit ist fraglich ist, welche Rechtsfolgen gelten sollen, wenn der Anbieter seiner Pflicht den Eingang der Bestellung unverzüglich zu bestätigen überhaupt nicht nachkommt. Geht man davon aus, dass ein wirksamer Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr nach Art. 11 immer nur dann zustande kommt, wenn der Anbieter zuvor den Eingang der Bestellung unverzüglich bestätigt, so fehlt es an einem wirksamen Vertrag. Versäumt es der Anbieter den Nutzer rechtzeitig über 251 Vgl. zu Live-Order Pages oben § 3 II 2 lit. b) cc), S. 223. 277 den Eingang seiner Bestellung zu informieren, so stünde einem Vertragsschluss die konstitutive Wirkung der Bestätigung entgegen. Das Ergebnis ist für den Verbraucher, der am Vertragschluss festhalten möchte, höchst unbefriedigend. Eine solch restriktive Auslegung, widerspricht dem erklärten Ziel der Richtlinie und dem Schutzzweck des Art. 11 Hemmnisse beim Abschluss von OnlineVerträgen über Grenzen hinweg zu beseitigen. Würde die Nichtbeachtung der Bestätigungspflicht stets die Unwirksamkeit des Vertrages zur Folge haben, hätte der Nutzer keinen (durchsetzbaren) Anspruch auf Erfüllung. Eine solche Rechtsfolge wäre nur anzunehmen, wenn dies dem Willen des Europäischen Gesetzgebers und dem Zweck der Vorschrift entsprechen würde. An beidem fehlt es hier. Die Vorschrift soll den Besteller schützen. Interessengerechter erscheint es m.E. dem Besteller in diesem Fall ein Wahlrecht einzuräumen.252 Die Vornahme der Erfüllungshandlung, ohne vorherige Empfangsbestätigung, stellt ein neues Angebot des Anbieters dar, dass der Besteller nach Belieben annehmen oder ablehnen kann. Rechtliche Nachteile erwachsen ihm hierdurch nicht.253 So verstanden entfaltet Art. 11 ECRL nur eine beschränkte Sperrwirkung. Die Empfangsbestätigung ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn der Nutzer auf ihre Einhaltung ausdrücklich verzichtet. Ein wirksamer Verzicht ist nur nach der Bestellung möglich. Ein im Voraus erklärter Verzicht, etwa durch die vorformulierte Erklärung des Bestellformulars auf der Website ist unwirksam. Das bedeutet: Die unverzügliche Bestätigung der Bestellung ist im eigenen Interesse des Anbieters geboten. Verletzt er das Gebot den Nutzer über den Eingang seiner Bestellung zu informieren, so kann er den Vertragsschluss (später) nicht mehr einseitig durch tatsächliches Entsprechen, d.h. Vornahme der Erfüllungshandlung im Sinne von § 151 BGB herbeiführen. Er bleibt jedoch an seine Erklärung gebunden. Der Vertrag ist zunächst schwebend unwirksam. Der Besteller hat die Wahl: Gibt er unmissverständlich zu erkennen, dass er trotz des Fehlverhaltens des Anbieters weiter am Vertrag festhalten möchte, so erklärt er die Annahme des neuen Angebots und genehmigt zugleich mit rückwirkender Kraft analog § 184 BGB das Rechtsgeschäft. Schlüssiges Verhalten oder blosses Schweigen reichen nicht aus. Der Nutzer ist durch die Option den Vertrag herbeizuführen ausreichend geschützt. Der Dienstanbieter trägt das Risiko, dass der Besteller sein pflichtwidriges Verhalten nicht genehmigt und am Vertrag nicht mehr interessiert ist, etwa weil er sich anderweitig eingedeckt hat. Genehmigt der Besteller den Vertrag nicht, d.h. lehnt er das Realangebot ab, so ist der Vertragsschluss endgültig gescheitert. Bei der Empfangsbestätigung nach Art. 11 Abs. 1 1. Gedankenstrich handelt es sich aber nicht um eine blosse Obliegenheit des Anbieters.254. Es besteht ein klagbarer 252 253 254 Vgl. zum verwandten Problem der verzögerten Bestätigung der Bestellung sogleich unten lit. bb), S. 279 ff. Er ist weder zur Rücksendung der Waren oder Erstattung der Dienstleistungen verpflichtet, noch gilt sein Schweigen als Annahme des neuen Angebots. Charakteristisch für die Obliegenheit ist nämlich, dass sie von jedem Erfüllungszwang und auch von einer Schadensersatzpflicht absieht und sich stattdessen mit einer schwächeren Sanktion 278 Erfüllungsanspruch, der in der Praxis allerdings von geringer Bedeutung sein dürfte. Daneben haftet der Anbieter dem anderen Teil auf Schadensersatz, der Nachteile die diesem durch die Unkenntnis vom Abschluss des Vertrages entstanden sind.255 Die gleichen Grundsätze gelten falls es sich bei der Präsentation der Waren und Dienstleistung auf der Website des Anbieters um verbindliche Angebote handelt, die der Besteller durch den Mausklick annimmt. Nach dem Schutzzweck der Richtlinie ist jede Bestellung unabhängig davon wer das Angebot erklärt zu bestätigen. Kommt der Anbieter seiner Pflicht den Besteller zu informieren nicht nach, bleibt es beim gefundenen Ergebnis. (iii) In allen anderen Fällen gilt: Will der Anbieter im elektronischen Geschäftsverkehr einen Vertrag abschliessen, muss er unabhängig von der rechtlichen Qualifizierung der Bestellung den Eingang unverzüglich auf elektronischem Wege bestätigen. Das bedeutet Realverträge müssen zukünftig in Konsensualverträge umgewandelt werden. Dies erscheint systematisch unproblematisch, da die Konstruktion der Realverträge als „altertümlich“ angesehen wird und weder dogmatisch noch wirtschaftlich besonders einleuchtenden sind.256 Entgegenstehende Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), nach „denen die schriftliche oder fernschriftliche Auftragsbestätigung durch die Lieferung und/oder Rechnungsstellung ersetzt werden“, sind deshalb aus zwei Gründen unzulässig: Erstens sind Bestellungen im elektronischen Handel stets auch elektronisch zu bestätigen. Zweitens darf das Erfordernis der Bestätigung nicht durch die Vornahme der Erfüllungshandlung ersetzt werden. Inwieweit die Vorgaben von Art. 11 der E-Commerce-Richtlinie bei der Umsetzung in das deutsche Recht einfliessen, wird weiter unten untersucht.257 γ) Die oben genannten Grundsätze gelten nach Art. 11 Abs. 3 ECRL nicht, wenn die Verträge durch den Austausch von elektronischer Post oder vergleichbarer individueller Kommunikation geschlossen werden. Ausgangspunkt der Überlegung ist, dass hier keine, auf individuellen Abruf erbrachte Leistung von Diensten gegeben ist, die für den Anwendungsbereich der Richtlinie essentiell sind.258 Damit sollen Vertragsabschlüsse, bei denen der Unternehmer direkt mit dem jeweiligen Kunden Kontakt aufnimmt, indem er diesem zum Beispiel an dessen E-MailAdresse ein Verkaufsangebot elektronisch übersendet, von den Pflichten des Art. 11 entlastet werden. Denn derartige Vertragsschlüsse ähneln solchen per Brief oder am Telefon und weisen nicht die spezifischen Besonderheiten des Online-Einkaufs auf. Für diesen ist nämlich gerade typisch, dass sich der Unternehmer unter Verwendung 255 256 257 258 begnügt. Diese besteht in der Regel in dem Verlust einer günstigen Rechtsposition oder einem sonstigen Rechtsnachteil, Larenz (1989) AT, § 12, S. 205. Vgl. zu den Rechtsfolgen pflichwidrigen Verhaltens unten § 4 II 4 lit. b) bb), S. 312 ff. Zankel, E-Commerce und Internetrecht, S. 71/72. § 4 „Zukünftiger Rechtsrahmen für den elektronischen Geschäftsverkehr in Deutschland“, dort Kapitel II, „Entwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetz“, S. 303 ff. Vgl. Erwägungsgrund 18, danach ist die Verwendung elektronischer Post oder gleichwertiger individueller Kommunikation kein Dienst der Informationsgesellschaft i.S.v. Art. 2 lit. a). 279 eines elektronischen Kommunikationsdienstes an eine unbegrenzte Zahl nicht individualisierter potenzieller Kunden wendet, indem er etwa seinen Verkaufskatalog ins Internet stellt. Kommunizieren die Vertragsparteien aufgrund persönlicher Kontaktaufnahme miteinander, fehlt es an einem triftigen Grund die (bewährten) Regelungen über den Vertragsschluss zu modifizieren. Die Ausnahmeregelung nach Abs. 3 darf jedoch nicht dazu führen, dass Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft die Vorschriften über die Abgabe von Bestellungen umgehen können.259 Abweichende Vereinbarungen zwischen Parteien, die nicht Verbraucher sind, bleiben dagegen uneingeschränkt möglich. bb) Annahmeerklärung durch den Anbieter α) Der Dienstanbieter, der das Angebot eines Verbrauchers erhält, ist nach dem Grundsatz der Privatautonomie nicht zu dessen Annahme verpflichtet. Etwaige Schadensersatzansprüche des Nutzers wegen Nichterfüllung kann der Dienstanbieter, wie aufgezeigt, nur dadurch umgehen, dass er dafür Sorge trägt, dass die Annahme des Nutzers nur dann erfolgt, wenn er auch tatsächlich liefern kann oder zu den auf der Website ausgewiesenen Konditionen zu liefern bereit ist. Er hat nach Eingang der Bestellung vielmehr die Wahl: Will er den Vertragsschluss herbeiführen, muss er in jedem Fall nach Art. 11 der Richtlinie unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, den Eingang der Bestellung auf elektronischem Weg bestätigen. Dies wird in der Praxis nur über Auto-ResponseSysteme zu organisieren sein, die Bestellung automatisiert abwickeln, was erklärungstheoretisch keinen Unterschied bedeutet. Die Empfangsbestätigung ist entgegen anders lautender Ansichten260 eine für den Vertragsschluss relevante Erklärung. Denn der Anbieter muss sich zwingend gegenüber dem Nutzer erklären, will er den Vertragsschluss herbeiführen. Welchen Inhalt die Empfangsbestätigung hat und zu welchem Zeitpunkt der Vertrag geschlossen ist damit noch nicht gesagt. Die Rechtswirkungen eines solchen Vorgangs sind in der Richtlinie nicht geregelt und richten sich daher nach nationalem Recht.261 β) Die Richtlinie selbst trennt nicht zwischen der Information über den Erhalt der Bestellung und der vertragsrelevanten Erklärung des Anbieters. Die Bestätigung kann daher bereits die Erklärung der Annahme bedeuten, wenn dies mit hinreichender Klarheit zum Ausdruck kommt. Damit ist es möglich, dass der Anbieter durch Empfangsbestätigung auf elektronischen Wege gleichzeitig eine Annahmeerklärung versenden kann, was die meisten Online-Anbieter heute bereits tun.262 Die Bestätigung der Bestellung erscheint damit auf den ersten Blick als eine 259 260 261 262 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 39. Glatt, ZUM 2001, S. 393. Zankel, E-Commerce und Interntrecht, S. 73. Glatt, a.a. O. 280 Auftragsbestätigung, mit der Besonderheit, dass sie auf elektronischem Wege erklärt wird. In Abgrenzung zum (kaufmännischen) Bestätigungsschreiben, das den Inhalt eines nach Ansicht des Absenders bereits geschlossenen Vertrages wiedergibt, bedeutet die Bestätigung der Bestellung die Erklärung der Annahme auf elektronischem Weg. Sie unterscheidet sich von der Auftragsbestätigung im herkömmlichen Sinne dadurch, dass sie nicht nur die Konstellationen erfasst, in denen der Dienstanbieter zur Abgabe eines entsprechenden Angebots auffordert, sondern nach ihrem offenen Wortlaut auch Sachverhalte erfasst, in denen das Angebot vom Dienstanbieter selbst ausgeht, der Kunde also die Annahme erklärt. γ) Wenn der Anbieter hingegen bloss den Erhalt der Bestellung bestätigt, so liegt darin noch keine Annahme. Ebenso wenig reicht es für die Qualifikation als Annahmeerklärung, wenn dem Besteller mitgeteilt wird, dass seine Bestellung bearbeitet wird.263 Der Anbieter gibt durch die unverbindliche Bestätigung zu erkennen, dass er noch nicht vertraglich gebunden sein will, sondern vor einer endgültigen Entscheidung beispielsweise die eigenen Liefermöglichkeiten oder die Bonität des Bestellers überprüfen möchte. Der Vertragsschluss nach dem Modell der E-Commerce-Richtlinie vollzieht sich in diesem Fall in zwei Schritten: Der erste Schritt ist die unverzügliche Bestätigung des Eingangs der Bestellung. Der zweite Schritt ist die vertragsrelevante Erklärung im eigentlichen Sinne, d.h. die Erklärung der Annahme. Hierbei gilt es die Annahmefristen nach §§ 147, 148 BGB zu beachten. Der Vertrag kommt daher nur zustande, wenn die Annahme rechtzeitig erfolgt. Die oben gemachten Ausführungen gelten entsprechend.264 δ) Schliesslich ist es denkbar, dass der Anbieter den Eingang der Bestellung nicht unverzüglich bestätigt, etwa aufgrund von technischen Problemen seines EDVSystems. Ob der Anbieter die Verzögerung zu verschulden ist unbeachtlich. Die Richtlinie selbst enthält für diesen Fall keine Regelung. Damit ist das Problem der verspäteten Bestätigung nach allgemeinen Regeln zu lösen. Da das BGB in den Regelungen über den Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die es nach dem Zweck und dem Plan des Gesetzgebers enthalten sollte, kann die Lücke im Wege der Analogie geschlossen werden. Eine analoge Anwendung des § 150 Abs. 1 BGB ist geboten, da die verspätete Erklärung der Annahme und die verspätete Bestätigung der Bestellung wesensmässig und der Interessenlage nach vergleichbar sind: Die Bestätigung der Bestellung bedeutet die „Erklärung der Annahme auf elektronischem Weg“. Die verspätete Bestätigung gilt daher analog § 150 Abs. 1 BGB als neuer Antrag. Ist der Verbraucher mit der verspäteten Bestätigung einverstanden, so kommt der Vertrag zustande.265 Das Problem der verspäteten und der unterlassenen Bestätigung werden, wenn auch mit unterschiedlicher dogmatischer Begründung, im 263 264 265 Zankel, E-Commerce und Internetrecht, S. 73. Vgl. oben § 3 III, S. 248 ff. Allerdings mit dem konstruktiven Unterschied gegenüber der Regelung in Art. 21 (1) CISG, dass der verspätet Annehmende (Dienstanbieter) nunmehr der Antragende ist. 281 Ergebnis gleich gelöst. In beiden Fällen erhält der Nutzer die Wahl, ob er den Vertragsschluss herbeiführen möchte. ε) Das blosse Schweigen des Dienstanbieters auf den Eingang der Bestellung stellt dagegen regelmässig keine Annahme dar. Das gilt auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr. Im Einzelfall kann – gemäss dem oben gesagten – das Schweigen auf den Eingang einer Bestellung kraft ausdrücklicher Parteivereinbarung zwischen Parteien, die nicht Verbraucher sind, als Annahme aufzufassen sein: Unterlässt das EDV-System die Abgabe eine automatisierte Bestätigungserklärung, d.h. fehlt es einer Auto-Response, so gilt in diesen Fällen ausnahmsweise das „automatisierte Schweigen“ als Annahme des Antrags. ζ) Abbildung 22 fasst die Mechanik des elektronischen Vertragsabschlusses nach Art. 11 E-Commerce-Richtlinie zusammen: 282 Abbildung 22: Der elektronische Vertragsabschluss nach Art. 11 E-Commerce-Richtlinie Dienstanbieter Nutzer BESTELLUNG durch Abgabe eines Angebots Website des Anbieters ist Invitatio ad offerendum unverzügliche BESTÄTIGUNG der Bestellung + Annahme Vertrag Zugangsvermutung bereits bei Abrufmöglichkeit oder Verspätete BESTÄTIGUNG neuer Antrag Wahlrecht des Nutzers: § 150 S. 1 BGB analog oder Annahme: Vertrag oder Ablehnung des neuen Antrags: Kein Vertrag (1) Schritt: unverbindliche BESTÄTIGUNG der Bestellung Empfangsquittung Kein Vertrag Annahmefrist gem. §§ 147, 148 BGB (2) Schritt: Annahme Vertrag oder blosse Erfüllungshandlung, ohne gesonderte elektronische Empfangsbestätigung Wahlrecht des Nutzers: - wie oben - Website des Anbieters ist Angebot BESTELLUNG durch Annahme des Angebots unverzügliche BESTÄTIGUNG der Bestellung Vertrag oder Verspätete BESTÄTIGUNG neuer Antrag Zugangsvermutung bereits bei Abrufmöglichkeit Wahlrecht des Nutzers: § 150 S. 1 BGB analog Annahme: Vertrag oder oder blosse Erfüllungshandlung, ohne gesonderte elektronische Empfangsbestätigung Ablehnung des neuen Antrags: kein Vertrag Wahlrecht des Nutzers: - wie oben - 283 cc) Art und Weise der Bestätigung Auf welche Art und Weise die Bestätigung zu erfolgen hat, bleibt offen. Den Dienstanbietern ist im Normalfall an einem zügigen Vertragsabschluss gelegen. Darüber hinaus verpflichtet Art. 11 Abs. 1. 1. Gedankenstrich den Anbieter zu einer unverzüglichen Bestätigung der Bestellung, will er die Rechtsfolge des § 150 Abs. 1 BGB umgehen. Die Bestätigung kann dabei automatisiert unter Rückgriff auf probabilistische Systeme oder aber manuell durch den Erklärenden selbst bzw. seines Erfüllungsgehilfen erfolgen. In jedem Fall aber muss die Bestätigung ohne schuldhaftes Zögern erfolgen, was de facto bedeutet, dass die Organisation und Bearbeitung von Bestellungen in der Praxis nur durch den (voll)automatisierten Einsatz von EDV-Systemen bewältigt werden kann. Dem Erfordernis der unverzüglichen Bestätigung wird bei der automatisierten Auftragsbearbeitung genügt, wenn die Datenverarbeitungsanlage unmittelbar nach dem Absenden des Bestellformulars ein Dialogfenster auf dem Bildschirm des Nutzers erscheint, das den Eingang der Bestellung bestätigt. Erfolgt die Kommunikation nicht im direkten Dialogverfahren, hat der Dienstanbieter dem Verbraucher den Eingang der Bestellung auf anderem Wege zu bestätigen. Er wird dies im Regelfall durch Übermittlung einer E-Mail tun. Art. 11 verlangt lediglich eine Bestätigung auf „elektronischem Wege“. Abbildung 23 zeigt das Beispiel einer automatisch generierten Empfangsbestätigung des Online-Buchhändlers Amazon, der eingangs zur Illustration der positiven und negativen Beschränkungen der Erklärungsfreiheit herangezogen wurde. Der Nutzer erhält nach Abgabe seiner Online-Bestellung über die Website umgehend eine Bestätigung per E-Mail, mit der zugleich die Bestellung des Nutzers angenommen wird; der elektronisch abgeschlossene Vertrag ist damit perfekt. 284 Abbildung 23: Beispiel der Bestätigung einer Bestellung nach Art. 11 E-Commerce-Richtlinie Vielen Dank fuer Ihre Bestellung bei Amazon.de. Die Einzelheiten Ihrer Bestellung sind unten aufgefuehrt. Bei Fragen senden Sie bitte eine E-Mail an [email protected]. Zugriff zu Ihrer Bestellung erhalten Sie jederzeit ueber den Link "Mein Konto" (oder http://www.amazon.de/mein-konto )am oberen rechten Rand unserer Website. (Dies ist eine automatische E-Mail*, die keine Antwort erfordert.) ------------------------------------------------------Ihre Bestellung:* E-Mail-Adresse: [email protected] Rechnungsanschrift:* ........ Zwischensumme: DM (ca. DM 198,00) Versandkosten: DM 0,00 (ca. DM --------------DM 185,05 (ca. DM DM 12,95 (ca. DM 0,00) Summe ohne Mwst.: Mwst.: 198,00 185,05) 12,95) --------------Gesamtbetrag: DM 198,00 (ca. DM 198,00) ========================================================= Bestellung #1: (#302-7824367-934246099) 1 "Beck'sche Kurzkommentare, Bd.7, Bürgerliches Gesetzbuch" Otto Palandt; Gebundene Ausgabe je DM 198,00 (ca. DM 198,00) Versandfertig in 24 Stunden ----------------------------------------------Lesen Sie hier mehr ueber unsere Rueckgabegarantie und Ihr Widerrufsrecht innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der Bestellung*. http://www.amazon.de/rueckgabegarantie Vielen Dank fuer Ihre Bestellung bei Amazon.de. ------------------------------------ * Hervorhebung durch den Verfasser dd) Zeitpunkt des Vertragsschlusses α) Der Vertrag wird im Normalfall, indem der Anbieter mit Bestätigung zugleich die Annahme erklärt, erst und in dem Zeitpunkt geschlossen, indem der Nutzer vom Dienstanbieter auf elektronischem Wege die Bestätigung des Zugangs seiner Bestellung erhalten hat oder diese Bestätigung beim Anbieter abrufen kann. Erleichtert wird dieses Verfahren durch eine juristische Fiktion: Die erwähnte Empfangsbestätigung gilt nach Art. 11 Abs. 1. 2. Gedankenstrich ECRL als eingegangen, „wenn die Partei, für die sie bestimmt ist, sie abrufen kann“. Die Ansicht Lehmanns266, wonach die Fiktion dem § 151 S. 1 BGB nahe komme, ist m.E. unzutreffend. Die Fiktion des Zugangs darf nicht verwechselt werden mit der Ausnahmeregelung nach § 151 S. 1 BGB, wonach der Zugang der Annahmeerklärung entbehrlich ist, wenn der Erklärende auf sie (konkludent) verzichtet hat oder nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist. 266 Lehmann, EuZW 2000, S. 519. 285 Anders liegt der Fall bei der Regelung des Vertragsschlusses nach der E-CommerceRichtlinie. Die konstitutiv wirkende Bestätigung der Bestellung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Die Bestätigung muss nach dem klaren Wortlaut von Art. 11 ECRL ausdrücklich auf elektronischem Wege erfolgen. Eine Bestätigung durch konkludente Handlung, etwa durch Vornahme der Erfüllungshandlung ist unzulässig. Eine Ausnahme besteht lediglich bei bereits bezahlten Dienstleistungen267 und bei abweichenden Vereinbarungen, zwischen Parteien, die nicht Verbraucher sind. Das Wahlrecht des Nutzers ist eine eigenständige Ausnahme, die nicht in den Anwenddungsbereich des § 151 BGB fällt. Die Abschaffung von § 151 S. 1 BGB in allen anderen Fällen belastet einseitig den Anbieter. Verträge im elektronischen Handel kommen nicht mehr durch objektiv erkennbare Betätigung des Annahmewillens zustande, vielmehr muss die Bestätigung, d.h. die Erklärung der Annahme dem Kunden zugehen, wofür der Anbieter die Beweislast trägt. Er läuft Gefahr, dass Kunden den Vertragsabschluss trotz Übersendung der Waren oder Empfangnahme der Dienstleistungen später bestreiten. Hinzu kommt, dass bei Fernabsatzverträgen nach Art. 9 FARL, im Falle der Lieferung von (vermeintlich) unbestellter Waren oder dem Aufdrängen von Dienstleistungen weder vertragliche, noch ausservertragliche Ansprüche des Versenders bestehen, es sei denn, der Verbraucher konnte den (vermeintlichen) Irrtum erkennen, was in der Regel der Fall sein dürfte. β) Hier wirkt Art. 11 Abs. 1. 2. Gedankenstrich ECRL als Korrektiv, indem das Wirksamwerden der bestätigenden Erklärung des Anbieters entscheidend dadurch erleichtert wird, dass es abweichend von § 130 BGB nicht auf den tatsächlichen Zugang der Erklärung beim Besteller ankommt, sondern der Zugang bereits bei Abrufmöglichkeit fingiert wird. Die Zugangsfiktion ist eine besondere Art der Tatsachenfiktion, in dem der tatsächliche Zugang durch die Möglichkeit, die Erklärung abzurufen, ersetzt wird. Systematisch entspricht Art. 11 Abs. 1. 2. Gedankenstrich ECRL daher der Zugangsfiktion nach § 10 Nr. 6 AGBG, der formularmässige Fiktionsklauseln für unwirksam erklärt, wenn sie sich auf Erklärung des Verwenders von „besonderer Bedeutung“ erstrecken. Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der nach der Rspr. und der h.M. alle Erklärungen erfasst, die für den Vertragspartner mit nachteiligen Rechtsfolgen verbunden sind.268 Der Vertragsschluss als solcher unterfällt deshalb nicht dem Klauselverbot nach § 10 Nr. 6 AGBG. Die Fiktion des Art. 11 ECRL steht im Einklang mit der hier vertretenen Ansicht, wonach eine Willenserklärung bereits mit der Möglichkeit der Speicherung beim Empfänger wirksam zugegangen ist. 267 268 Vgl. Erwägungsgrund 24 ECRL. OLG Oldenburg, WM 1992, S. 1181, 1183; Löwe/von Westphalen, § 10 Nr. 6 AGBG Rn 8, Soergel/Stein, § 10 Nr. 6 AGBG Rn 64; Erklärungen von besonderer Bedeutung sind daher beispielsweise Kündigungen, Mahnungen, Fristsetzungen oder Rücktrittserklärungen, bei denen die Möglichkeit des Zugangs diesen nicht ersetzen kann, vgl. Ulmer/Brandner/Hensen, § 10 Nr. 6 AGBG Rn 7 m.w.N. 286 γ) Die Fiktion des Zugangs der Bestellung bzw. der Bestätigung der Bestellung findet auch auf Verträge Anwendung, die mittels elektronischer Post oder vergleichbarer individueller Kommunikation geschlossen werden. Die Regelung in Art. 11 entspricht damit der hier vertretenen Ansicht, wonach eine Erklärung bereits dann in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, wenn der Empfänger mit Willen des Dritten unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den betreffenden Datenbestand erhält. Das ist regelmässig der Fall, sobald die Erklärung abrufbereit in einem Speicher (z.B. einer Mailbox) bereitgestellt wird, der Empfänger also die “Möglichkeit der Speicherung“ erhält. Nicht geregelt ist in Art. 11 n.F. der Fall, dass die Bestätigung zwar beim Provider ankommt, aber auf dem Weg zum Adressaten verloren geht. Dies ist auch nicht nötig: Für den wirksamen Zugang wird nur der Eintritt in den Machtbereich des Empfängers verlangt. Das Risiko des Untergangs, der Verfälschung oder Verzögerung der Erklärung trägt, wie aufgezeigt, ab diesem Zeitpunkt der Adressat. c) Informationspflichten bei Abschluss von Verträgen auf elektronischem Weg aa) Art. 5 ECRL regelt speziell die Informationen über den Dienstanbieter. Die Informationsverpflichtung tritt zu der hinzu, die in innerstaatlichen Vorschriften und aufgrund der Fernansatzrichtlinie 97/7 speziell in Bezug auf Vertragsbeziehungen besteht. Anders als die Informationspflichten nach der Fernabsatzrichtlinie sind die allgemeinen Informationspflichten nicht ausdrücklich verbraucherschutzbezogen ausgekleidet; sie gelten vielmehr unabhängig vom Verbraucherstatus des Nutzers. Nach Art. 5 Abs. 1 ECRL muss der Dienstanbieter dem Nutzer, d. h. jeder natürlichen oder juristischen Person, die den Dienst zu beruflichen oder sonstigen Zwecken in Anspruch nimmt (Art. 2 lit. d ECRL)269, folgende Angaben zugänglich machen: den Namen und die Anschrift des Dienstanbieters, Kontaktadresse einschliesslich E-Mail, Handelsregisternummer, ferner u.a. Angaben der Aufsichtbehörde bzw. bei reglementierten Berufen über den entsprechenden Berufsverband oder die entsprechende Kammer und ggf. die MehrwertsteuerIdentifiktionsnummer. Die genannten Informationen müssen im Zuge der Erbringung der Dienstleistung „leicht, unmittelbar und ständig verfügbar“ sein. Ausnahmen für den gewerblichen Bereich sind nicht vorgesehen. So muss der Dienstanbieter, selbst wenn kein Vertrag geschlossen wird, die in diesem Absatz genannten Informationen zugänglich machen. Ein auf sämtlichen Seiten mit einer Internet-Adresse sichtbares Bildsymbol oder Logo mit einer HyperlinkVerknüpfung reicht dabei aus.270 Daneben müssen, sofern auf Preise Bezug genommen wird, diese klar und unzweideutig ausgewiesen werden und Steuern und Versandkosten hiervon getrennt ersichtlich sein (Art. 5 Abs. 2 ECRL). 269 270 Erfasst werden Verbraucher (§ 13 BGB) und Unternehmer (§ 14 BGB). Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt vom 18.12.1998, KOM (98) 586 endg., S. 27. 287 bb) Neben den allgemeinen in Art. 5 der RL statuierten Informationspflichten, die eine umfassende Anbieterkennzeichnung normieren und den zusätzlichen Informationspflichten bei kommerzieller Kommunikation nach Art. 6, die zusammen ein hohes Mass an Transparenz verlangen, sind weitergehende – im Rahmen dieser Arbeit besonders interessierende – Informationspflichten beim Abschluss elektronischer Verträge vorgesehen. Zur effektiven Gewährleistung lauterer Geschäftspraktiken und des Verbraucherschutzes ist in Art. 10 ECRL geregelt, dass das Verfahren für das Zustandekommen elektronischer Verträge transparent sein muss. Insbesondere ist von vorneherein zu erläutern, welche Eingabeschritte zu unternehmen sind, bevor der Vertrag formell zustandekommt. Dieser besondere Aspekt des Zustandekommens elektronischer Verträge wird in der Fernabsatzrichtlinie 97/7 EG nicht behandelt. Art. 10 ECRL ergänzt insoweit das bestehende gemeinschaftliche Schutzniveau. Artikel 10 Informationspflichten (1) Zusätzlich zu den sonstigen Informationspflichten aufgrund des Gemeinschaftsrechts stellen die Mitgliedsstaaten sicher, dass – ausser im Fall abweichender Vereinbarungen zwischen Parteien, die nicht Verbraucher sind – vom Dienstanbieter zumindest folgende Informationen klar, verständlich und unzweideutig erteilt werden, bevor der Nutzer des Dienstes die Bestellung abgibt: - die einzelnen technischen Schritte, die zu einem Vertragsabschluss führen; - Angaben dazu, ob der Vertragstext nach Vertragsabschluss vom Dienstanbieter gespeichert wird und ob er zugänglich sein wird; - die technischen Mittel zur Erkennung und Korrektur von Eingabefehlern vor Abgabe der Bestellung; - die für den Vertragsabschluss zur Verfügung stehenden Sprachen. (2) [...] (3) Die Vertragsbedingungen und die allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen dem Nutzer so zur Verfügung gestellt werden, dass er sie speichern und reproduzieren kann. (4) Absätze 1 und 2 gelten nicht für Verträge, die ausschliesslich durch den Austausch von elektronischer Post oder durch damit vergleichbare individuelle Kommunikation geschlossen werden. d) Zusammenfassung Nach der E-Commerce-Richtlinie bestehen gestaffelte Informationspflichten des Dienstanbieters: Die allgemeinen Informationspflichten nach Art. 5 ECRL, zusätzlich bestehende Informationspflichten im Rahmen kommerzieller Kommunikation nach Art. 6 ECRL und besondere Informationspflichten bei der elektronischen Bestellung nach Art. 10 ECRL. Das Informationsmodell der ECommerce-Richtlinie sieht dabei eine Informationspyramide vor: Die 288 Informationspflichten der Richtlinie sind nach dem klaren Wortlaut „zusätzlich neben den sonstigen im Gemeinschaftsrecht bestehenden Informationsanforderungen“271 zu erfüllen. Daneben hat der Dienstanbieter bestehende nationale Informationspflichten des Herkunftslands zu beachten. Die Sonderregelung der vorvertraglichen Informationspflichten und des Vertragsabschlusses bei OnlineVerträgen ist – über die Bestimmungen der Fernabsatzrichtlinie und ihrer Umsetzung durch das Fernabsatzgesetz hinaus – gerechtfertigt. Das Zustandekommen elektronischer Verträge wird nämlich in der Fernabsatzrichtlinie nicht behandelt, sondern lediglich vorausgesetzt. Hier bestanden grosse Unsicherheiten auf Seiten der Verbraucher, aber auch der Anbieter, die durch die Fernabsatzrichtlinie nicht beseitigt wurden. Ferner findet das FernAbsG in einer Reihe von Fällen keine Anwendung. Besonders augenfällig ist die Schutzlücke bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen der Unterbringung und Beförderung (§ 1 Abs. 3 Nr. 6 FernAbsG): Reiseverträge im Sinne des § 651a Abs. 1 BGB und touristische Dienstleistungen sind danach vom Anwendungsbereich der Fernabsatzregelungen nicht erfasst.272 Ein rechtzeitiger Widerruf nach § 130 Abs. 1 S.1 BGB ist beim Abschluss von Reiseverträgen regelmässig aufgrund der automatisierten Bearbeitung des Antrages durch den Dienstanbieter ausgeschlossen. Die noch verbleibende Möglichkeit der Anfechtung einer irrtümlich abgegebenen Erklärung ist für den Verbraucher ungünstig, der Veranstalter wird regelmässig im Vertrauen auf die Gültigkeit der Erklärungen weitere Dispositionen getroffen haben. Die Versäumnisse der Fernabsatzrichtlinie in verbraucherschutzrechtlicher Hinsicht werden nun durch Art. 10 und 11 der E-Commerce-Richtlinie zumindest teilweise durch die Regelungen, die einen sicheren rechtlichen Rahmen für den Abschluss von Verträgen auf elektronischen Weg schaffen, beseitigt. Art. 5 ECRL ergänzt ferner die bisher in § 6 TDG273 bestehenden Transparenzpflichten des Anbieters. Sie dürften dem elektronischen Handel aber nicht wirklich abträglich sein, wie kritische Stimmen formulieren.274 Richtig ist, dass ein „klassisches“ Versandhaus den Kunden nicht darüber aufklären muss, wo und wie lange der Vertragstext nach Vertragsabschluss gespeichert wird. Warum der Verbraucher bei Vertragsabschluss auf elektronischem Wege darüber informiert werden sollte, ob der Vertragstext (auch) vom Dienstanbieter gespeichert wird, ist nicht ersichtlich. Der Kauf im „virtuellen Warenhaus“ unterscheidet sich in diesem Punkt nicht substantiell von einer normalen Geschäftsabwicklung. Notwendig aber auch ausreichend ist es, dem Verbraucher die relevanten Informationen dauerhaft zur Verfügung zu stellen. Aus der Sicht des Verbrauchers sinnvoll erscheint hingegen der Hinweis und die Information über die einzelnen technischen Schritte, die zum Vertragsabschluss führen. Empfehlenswert ist eine intuitive Gestaltung der Website des Unternehmens, 271 272 273 274 Vgl. Art. 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 und 10 Abs. 1 ECRL; vgl. auch Erwägungsgrund 11 ECRL. Vgl. oben § 2 VI 4 lit. b) bb), S. 177. Gesetz über die Nutzung von Telediensten – Teledienstgesetz vom 22. Juli 1997, BGBl. I, 1870. Waldenberger, EuZW 1999, S. 300. 289 die den Kunden durch die einzelnen technischen Schritte der Bestellung führt und ihnen jederzeit die Möglichkeit gibt, diese zu kontrollieren und gegebenenfalls zu korrigieren. Bei abschliessender Betrachtung erscheinen die Regelungen über des Vertragsabschlusses im Netz nunmehr als „netztauglich“275. Der Anbieter muss nicht mehr Gefahr laufen, dass ihm entgegengehalten wird, seine Bestätigung sei dem Verbraucher nicht zugegangen. Der Verbraucher seinerseits kann sich darauf verlassen, dass der Vertrag zustandegekommen ist, wenn und sobald er die Bestätigung erhalten hat oder diese abrufen kann, es sei denn, der Anbieter hat sich die Entscheidung über die Annahme ausdrücklich vorbehalten. 275 Lehmann, ZUM 1999, S. 182, vgl. zur Kritik am Richtlinienentwurf vom 18. November 1998, Fn 237. 290 § 4. Zukünftiger Rechtsrahmen für den elektronischen Geschäftsverkehr in Deutschland I. Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den Elektronischen Geschäftsverkehr (EGG) Das Bundeskabinett hat am 14. Februar 2001 den Gesetzentwurf über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr beschlossen1. Mit dem Gesetzentwurf soll die Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt, die bis zum 16. Januar 2002 umzusetzen ist, in nationales Recht transponiert werden. Nachdem der Deutsche Bundestag das „Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr – Elektronische Geschäftsverkehr-Gesetz – EGG) am 9.11. 2001 verabschiedet hat und der Bundesrat keine Einwände gegen das Gesetz erhoben hat2, ist es am 20.12.2001 im Bundesanzeiger veröffentlich worden3 und tritt damit vor Ablauf der Umsetzungsfrist in Kraft.4 Die Richtlinie wird im Wesentlichen durch eine Anpassung und Ergänzung des Teledienstegesetzes und des Medienstaatsvertrags der Bundesländer in nationales Recht umgesetzt werden. Denn bereits nach geltendem Recht fallen die von ihr erfassten „Dienste der Informationsgesellschaft“ in den Anwendungsbereich der beiden Regelwerke. 1. Hintergrund a) Mit dem Gesetz über die Nutzung von Telediensten – Teledienstgesetz (TDG)5 und dem Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV)6, die am 1. August 1997 in Kraft getreten sind, besteht in der Bundesrepublik ein einheitlicher Rechtsrahmen für die neuen Informations- und Kommunikationsdienste in Form eines Bundesgesetze für Teledienste und eines Länderstaatsvertrages für Mediendienste. Teledienste und Mediendienste, erfolgen in Abgrenzung zum Rundfunk auf individuellen Abruf und stellen dem Nutzer einzelne Informationen zu individueller, nicht gesteuerter Auswahl zur Verfügung, wobei Teledienste, durch Individualität und Interaktivität der jeweiligen Angebote bzw. ihrer Nutzung, Mediendienste durch primär 1 2 3 4 5 6 Entwurf eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr, Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz – EGG, Erstes Arbeitspapier: Stand 1.12.2000, BMWi (VI B 2), BMJ (III B 1); BR-Drucksache 136/01vom 16.02.2001. BR-Drucksache 912/01 vom 9.11.2001 BGBl. I, 3721. Art. 5 EGG, a.a.O. Gesetz über die Nutzung von Telediensten – Teledienstgesetz vom 22. Juli 1997, BGBl. I, 1870. Staatsvertrag über Mediendienste – Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV) vom 12. Februar 1997, a.a.O. (S. 191, Fn 483). 291 publizistische Relevanz gekennzeichnet sind7. Die an die Allgemeinheit gerichteten Mediendienste regelten die Länder im MDStV, die Dienste für die Individualkommunikation regelt der Bund im Informationsund 8 Kommunikationsdienstegesetz (IuKDG) . Beide Regelwerke sind im Wesentlichen wort- bzw. inhaltsgleich ausgestaltet. Für Teledienste gilt dementsprechend das TDG, für Mediendienste der Mediendienste-Staatsvertrag, wobei die Anwendung des MDStV und des TDG sich gegenseitig ausschliessen. Die Bundesregierung hat in ihrem Bericht über die Erfahrungen und Entwicklungen bei den neuen Informations- und Kommunikationsdiensten dargelegt9, dass sie nach Inkrafttreten der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr eine entsprechende Änderungen und Ergänzung des Teledienstgesetzes vorschlagen wird. Die geltenden Vorschriften des TDG und MDStV betreffen vor allem die Sicherstellung der Zugangsfreiheit für Diensteanbieter, die Bestimmung der Verantwortlichkeit der Diensteanbieter sowie die Verpflichtung zur Anbieterkennzeichnung. Es handelt sich – wie bei den Regelungen der ECRL – um horizontale Regelungen. Die Umsetzung der ECRL in nationales Recht kann deshalb zu grossen Teilen durch eine entsprechende Anpassung und Ergänzung der beiden Regelwerke erfolgen. Die Länder bereiten ebenfalls eine entsprechende Änderung des MDStV vor, die mit den Änderungs- und Ergänzungsvorschlägen des TDG wortbzw. inhaltsgleich ist. Damit ist eine einheitliche Umsetzung der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr auf der Basis des bestehenden Rechts sichergestellt.10 Anders als TDG, das zum 21.12.2001 in Kraft tritt, kann mit dem Verfahren zum In-Kraft-treten des Staatsvertrages erst begonnen werden, wenn die Rgelungen des EGG feststehen. Der neue MDStV wird nach Abschluss des Umlaufverfahrens voraussichtlich erst gegen Ende 2002 in Kraft treten können.11 b) Es ist hier nicht der Ort, um die Umsetzung aller Regelung der Richtlinie in das nationale Recht zu erörtern. Im Rahmen dieser Arbeit sind die Reglungen des Art. 3 ECRL, der das Herkunftslandprinzip festschreibt, die Informationspflichten nach Art. 5 ECRL sowie die Art. 9, 10 und 11 ECRL, die sich mit Online abgeschlossenen Verträgen befassen, von besonderem Interesse. 7 8 9 10 11 Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen und Entwicklungen bei den neuen Informations- und Kommunikationsdiensten im Zusammenhang mit der Umsetzung des Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetzes (IuKDG) vom 18.06.1999, BT-Drucksache 14/1191, S. 7. Das Artikelgesetz enthält neben Vorschriften betreffend die digitale Signatur als zentrale Elemente das TDG über das Recht der Mulitmediadienste und das Telekommunikationsgesetz (TKG), sowie zusätzlich Regelungen des StGB, OWiG, GJS, UrhG und des Preisauszeichnungsrechts. Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen und Entwicklungen bei den neuen Informations- und Kommunikationsdiensten, a.a.O. (Fn 7). Erläuternde Hinweise zum Arbeitspapier „Entwurf eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr, S. 3. Tettenborn/Bender/Lübben/Karenfort, BB 2001, Beil. zu H. 50/2001, S. 3 292 Seit Anfang März 2001 liegt eine konsolidierte Fassung des Teledienstegesetzes (TDG)12 vor, die im wesentlichen die Basis dieser Untersuchung bildet. Auf die Änderungen, die sich durch das EGG in seiner endgültigen Fassung gegenüber dem Regierungsentwurf ergeben, wird gesondert bei der Umsetzung des Herkunftslandprinzips eingegangen. Das Teledienstegesetz wird danach neu strukturiert und inhaltlich angepasst. Abschnitt 1 (§§ 1-4) enthält die Allgemeinen Bestimmungen, Abschnitt 2 statuiert den Grundsatz der Zugangsfreiheit und normiert spezifische Informationspflichten der Anbieter von Telediensten (§§ 5-7). Des weiteren enthält das TDG in der konsolidierten Fassung Regelungen über die Verantwortlichkeit der Diensteanbieter (Abschnitt 3, §§ 8-11) und in Abschnitt 4 Bussgeldvorschriften (§ 12), die im Rahmen dieser Untersuchung nur am Rande von Interesse sind und deswegen nicht näher dargestellt werden. Im einzelnen besteht folgender Umsetzungsbedarf: 2. Umsetzungsbedarf im einzelnen a) Anwendungsbereich Umsetzungsbedarf in Bezug auf Art. 1 der E-Commerce-Richtlinie, der Ziel und Anwendungsbereich der Richtlinie bestimmt besteht nicht. Die Zweckbestimmung ist bereits im geltenden Recht aufgenommen (§ 1 TDG für Teledienste und § 1 MDStV für Mediendienste). Darüber hinaus werden die „Dienste der Informationsgesellschaft“ im Sinne der Richtlinie vollständig vom Anwendungsbereich des TDG und des MDStV erfasst. Art. 2 lit. a) ECRL verweist auf Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 EG in der Fassung der Richtlinie 98/48 EG. Danach ist Dienst der Informationsgesellschaft „jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung“. Der Begriff des Fernabsatzes ist hier enger als der in § 1 Abs. 2 FernAbsG. Während dort jede Form des Vertragsschlusses unter physisch abwesenden Personen erfasst wird, wird vom Dienst der Informationsgesellschaft der Abschluss körperlich nicht anwesender Personen unter Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel erfasst. Der Regierungsentwurf hat der Versuchung widerstanden, die Definition der E-Commerce-Richtlinie zu übernehmen und belässt es bei den alten Regelungen des § 2 TDG13. Während die Richtlinie zwingend auf kommerzielle Abrufdienste (Art. 2 lit. a) beschränkt ist14, fallen unter den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 TDG und § 2 Abs. 1 MDStV zunächst alle 12 13 14 Fassung des Teledienstegesetzes (TDG) unter Berücksichtigung der in Art. 1 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (EGG) vorgeschlagenen Änderungen. Spindler, ZRP 2001, S. 204 Dies schliesst - anders als das beim Fernabsatzgesetz der Fall ist – elektronische Medien aus, die Angebote an eine unbestimmte Anzahl von Empfängern sendet, wie das etwa beim Fernsehen, Hörfunk oder Teletext der Fall ist. 293 elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, die für eine individuelle Nutzung von kombinierbaren Daten wie Zeichen, Bilder oder Töne bestimmt sind und denen eine Übermittlung mittels Telekommunikation zugrunde liegt. Dies gilt jedoch nicht ohne Ausnahme: Bereits nach dem alten TDG waren der Rundfunk nach § 2 Rundfunkstaatsvertrag und Telekommunikationsdienstleistungen nach § 3 TKG15 ausgenommen (§ 2 Abs. 4 Nr. 1 und 2 TDG). Da die Richtlinie nur die Kommunikation auf individuellen Abruf des Nutzers erfasst, sieht sich der nun vorliegende Entwurf des Teledienstgesetzes in der konsolidierten Fassung veranlasst, den Begriff der Verteilerdienste in Abgrenzung zu den Abrufdiensten aufzunehmen, und in § 2 Abs. 4 Nr. 3 TDG beide vom Anwendungsbereich des TDG auszunehmen, „soweit die redaktionelle Gestaltung zur Meinungsbildung für die Allgemeinheit im Vordergrund steht“. Es darf bezweifelt werden, ob dies der Rechtssicherheit zuträglich ist: Denn die Unterscheidung zwischen Verteil- und Abrufdienste, kann und wird sich im Einzelfall als schwierig erweisen, z.B. bei personalisierten Push-Diensten.16 Handelt es sich hierbei um Daten, die gleichzeitig an eine unbegrenzte Zahl von Nutzern erbracht werden (Verteildienste nach § 3 Nr. 3 TDG), oder um Teledienste auf individuellen Abruf des Nutzers (Abrufdienste nach § 3 Nr. 4 TDG)? Es wurde gezeigt, dass mit der einleitend thematisierten Konvergenz der Medien eine Konvergenz der Telekommunikationsmittel einhergeht.17 „Die gegenwärtige Aufteilung in Tele- und Mediendienste auf der einen Seite und die durch das TKG geregelte Telekommunikation auf der anderen Seite wird auf Dauer keinen Bestand haben können, sondern es wird zu einer Konvergenz der Rechtsgrundlagen kommen müssen.“18 b) Herkunftslandprinzip aa) Das Herkunftslandprinzip, auch Ursprungslandprinzip genannt, hat sich in der Rechtsprechung des EuGH und in der Praxis der Kommission zu einem Kernelement des Europäischen Binnenmarktes entwickelt. Dies gilt bisher jedoch nur für den Warenbereich; der Dienstleistungssektor blieb von dem Prinzip weitgehend, wenn auch nicht vollständig unberührt.19 Ausserhalb des koordinierten Bereichs ist der Dienstanbieter mit 15 verschiedenen Rechtsordnungen konfrontiert. „Die rechtlichen Unterschiede wirken sich im elektronischen Geschäftsverkehr mit seiner ‚automatisch’ grenzüberschreitenden Eigenschaft um so stärker aus.“ 20 Nach dem Herkunftslandprinzip dürfen die Mitgliedstaaten den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen einschränken, die in den koordinierten Bereich21 der E-Commerce15 16 17 18 19 20 21 Telekommunikationsgesetz vom 25. Juli 1996, BGBl. I, 1120. Spindler, ZRP 2001, S. 204 Vgl. oben § 2 III 2, S. 82 f. Hoffmann, Beil. zu NJW H. 14/2001, S. 6/7. Tettenborn/Bender/Lübben/Karenfort, Beil. zu BB H. 50/2001, S. 10. Fallenböck, Internet und IPR, S. 202. Vgl. Art. 2 lit. h) ECRL. 294 Richtlinie fallen. Jeder Mitgliedstaat hat dafür Sorge zu tragen, dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Dienstanbieter erbracht werden, den innerstaatlichen Vorschriften entsprechen. Mit anderen Worten: Die Anbieter müssen grundsätzlich allein die innerstaatlichen Vorschriften des Mitgliedstaates beachten, in dem sie ihre Niederlassung haben. Es gilt das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung (mutual recognition) der Vorschriften, die für Internetdienste im Staat ihrer Niederlassung gelten. α) Nachdem die Mitgliedstaaten lange Zeit versuchten eine Verankerung des Herkunftslandprinzips in der E-Commerce-Richtlinie zu verhindern, sich aber letztlich nicht gegen die Kommission durchsetzen konnten, konzentrierte sich die Diskussion in der Folge auf das Verhältnis des Herkunftslandprinzips zum Internationalen Privatrecht. Aufgrund der zum Teil widersprüchlichen ersten Fassung der Richtlinie blieb lange unklar, ob das Herkunftslandprinzip als eigenständiges kollisionsrechtliches Prinzip oder als sachrechtliches Korrektiv gegenüber derjenigen Rechtsordnung zu begreifen ist, die vom jeweiligen Internationalen Privatrecht (IPR) berufen wird, in dem sich das Recht des Herkunftsstaates durchsetzt.22 Je nach Verständnis des Herkunftslandprinzips verdrängt oder korrigiert dieses das durch die allgemeinen IPR-Regelungen ermittelte anwendbarer Recht.23 Das Herkunftslandprinzip kann kollisionsrechtlich als eine Art „Metakollisionsnorm“24 verstanden werden, die sämtliche Verweisungen des IPR verdrängt. Die Anwendung des IPR des Niederlassungsstaates des Dienstanbieters wäre somit von vorneherein ausgeschlossen. Im Gegensatz zur oben dargestellten Meinung kann man das Herkunftslandprinzip auch als allgemeine Verweisungsnorm verstehen, die auf das gesamte nationale Rechts des Niederlassungsstaats des Anbieters und damit auch auf dessen Kollisionsrecht verweist.25 Oder anders ausgedrückt: Fraglich ist, ob das Herkunftslandprinzip ein rein materiell (europa-)rechtlicher Grundsatz ist, der immer gegenüber dem vom nationalen Kollisionsrecht bestimmten Recht zur Anwendung gelangt; dessen Ergebnisse gleichsam korrigiert In diesem Fall können sich Anwendungsprobleme ergeben, wie folgendes Beispiel26 verdeutlicht: 22 23 24 25 26 Für die Einordnung als kollisionsrechtliches Prinzip plädieren u.a. Dethlolff, JZ 2000, S.181, Fallenböck, Internet und Recht, S. 199 ff. Der Ansicht es handele sich bei Art. 3 ECRL nur um ein sachenrechtliches Korrektiv sind u.a. Ahrens, CR 2000, S. 838; Fezer/Koos, IPRax, 2000; S. 352, Waldenberger, EuZW 1999, S. 298. Tettenborn/Bender/Lübben/Karenfort, a.a.O. Tettenborn/Bender/Lübben/Karenfort, a.a.O. Spindler, MMR-Beil. 7/2000, S. 9. In Anlehung an Tettenborn/Bender/Lübben/Karenfort, Beil. zu BB H. 50/2001, S. 10. 295 Zwei Unternehmen27, die in unterschiedlichen Mitgliedstaaten niedergelassen sind, schliessen einen grenzüberschreitenden Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr. Die Parteien treffen keine (wirksame) Rechtswahlvereinbarung. Verweist nun das IPR am Sitz des Anbieters auf das Recht des Staates am Sitz des Kunden als das anwendbare Recht und nimmt dieses Recht die Verweisung an, d.h. es findet keine Rückverweisung statt, so ist der Konfliktfall vorprogrammiert. Der Anbieter vertraut darauf, dass nach dem Herkunftslandprinzip das Recht seines Staates zur Anwendung kommt; während der Kunde seinerseits das Recht seines Staates beansprucht, das im vorliegenden Fall nach den allgemeinen Regeln des IPR Anwendung findet. Ein weiteres Problem taucht auf, wenn das nach den Regeln des Internationalen Privatrechts massgebliche Sachrecht im konkreten Fall restriktiver ist, als die Bestimmungen des Herkunftsstaates. In diesem Fall wären die Bestimmungen des nach den allgemeinen Regeln des IPR berufen Rechts am Sitz des Kunden nicht anwendbar, soweit dadurch der Dienstleistungsanbieter über die Anforderungen des Herkunftsstaates hinausgehend eingeschränkt werden würde. Diesen Grundkonflikt konnte auch die Richtlinie in ihrer endgültigen Fassung nicht lösen. Während an prominenter Stelle der Richtlinie in Art. 1 Abs. 4 ausdrücklich festgehalten wird, dass sich die Richtlinie weder mit der Zuständigkeit der Gerichte befasst, noch im Bereich des Internationalen Privatrechts neue Regeln über das anwendbare Recht geschaffen werden28, bestimmt Art 3 Abs. 1 ECRL welches Recht bei grenzüberschreitenden Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr anzuwenden ist und ist insofern eine IPR-Regelung.29 Die Bezugnahme auf die freie Rechtswahl im Annex zu Art. 3 ECRL, dort 5.Gedankenstrich kann ebenfalls nur kollisions-rechtlich verstanden werden.30 Spindler hat diese zwei schwer miteinander in Einklang zu bringenden Regelungen daher treffend als „neue hybride Mischung aus Europa- und klassischem Kollisionsrecht“ bezeichnet. β) Vor diesem Hintergrund ist die Umsetzung ins deutsche Recht zu betrachten. Das Herkunftslandprinzip wird durch Art. 4 TDG in das deutsche Recht umgesetzt. Hierbei muss unterschieden werden zwischen dem inländischen Anbieter, der im Ausland tätig ist (§ 4 Abs. 1 TDG) und dem ausländischen Dienstanbieter mit Tätigkeit im Inland (§ 4 Abs. 2 TDG). Der deutsche Gesetzgeber hat unter Berufung auf Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie das Herkunftslandsprinzip lange Zeit als eine allgemeine Verweisungsnorm verstanden. Das dem Herkunftsland zugrundeliegende Beschränkungsverbot sollte auf der sachrechtlichen Ebene realisiert werden. Danach sollte zunächst das anwendbare Recht nach dem bestehenden deutschen Kollisionsrecht (i.d.R. das EGBGB) bestimmt werden. Ein in der Sache berufenes deutsches Gericht wäre jedoch gezwungen, die berufene Sachnorm nicht anzuwenden, wenn diese restriktiver ist als die deutsche und der Dienstanbieter dadurch über die Anforderungen des deutschen Rechts hinaus eingeschränkt würde.31 Der Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 und 2 TDG ist der folgende: 27 28 29 30 31 Verbraucherverträge sind vom Herkunftslandprinzip ausgenommen Vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 23 der Richtlinie. Spindler, ZUM 1999, S. 785; Tettenborn/Bender/Lübben/Karenfort,a.a.O.. Spindler, ZRP 2001, S. 204, Fallenböck, Internet und IPR, S. 201. Tettenborn, K&R 2000, S. 60 spricht davon, dass das anwendbare Recht ‚zurücktritt’. 296 §4 Herkunftslandprinzip (1) In der Bundesrepublik Deutschland niedergelassene Diensteanbieter und ihre Teledienste unterliegen den [innerstaatlichen Normen]RegE Anforderungen des deutschen Rechts auch dann, wenn die Teledienste in einem anderen Staat innerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (ABl. L 178 S. 1) geschäftsmäßig angeboten oder erbracht werden [,soweit sich nicht aus den Regeln des internationalen Privatrechts etwas anderes ergibt. Auf solche Teledienste ist das nach den Regeln des internationalen Privatrechts massgebliche Recht eines anderen Staates jedoch nicht anwendbar, soweit dadurch der freie Dienstleistungsverkehr über die Anforderungen des deutschen Rechts hinausgehend eingeschränkt werden würde] RegE. (2) Der freie Dienstleistungsverkehr von Telediensten, die in der Bundesrepublik Deutschland von Diensteanbietern geschäftsmäßig angeboten oder erbracht werden, die in einem anderen Staat innerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2000/31/EG niedergelassen sind, wird nicht eingeschränkt. [Auf solche Teledienste sind die nach den Regeln des internationalen Privatrechts massgeblichen Normen nicht anwendbar, soweit dadurch der freie Dienstleistungsverkehr über die Anforderungen des Rechts des Niederlassungsstaates hinausgehend eingeschränkt werden würde]RegE . bb) Für in Deutschland niedergelassene Dienstanbieter ist nach § 4 Abs. 1 TDG ist zukünftig grundsätzlich allein das deutsche Recht massgeblich, und zwar auch dann, wenn sie ihre elektronischen Dienste anderswo in der Europäischen Gemeinschaft erbringen oder anbieten. Dies galt nach dem Regierungsentwurf auch dann, wenn die Regeln des Internationalen Privatrechts bestimmen, dass das Sachrecht eines anderen Staates anwendbar ist.32 Hier führte § 4 Abs. 1 TDG in der ursprünglich geplanten Fassung das sog. Günstigkeitsprinzip ein, nach dem deutsches Recht nur dann gelten soll, wenn das durch das Kollisionsrecht berufene Recht nicht mildere Anforderungen als das deutsche Recht aufstellt. Der kollisionsrechtliche Verweis wird immer dann abgebrochen, wenn das ausländische Recht sich als strenger als das deutsche erweist (4 Abs. 1 S. 2 TDG). Deutsches Recht und das nach IPR berufene Recht stehen miteinander im Günstigkeitsvergleich, für welchen das deutsche Recht die Untergrenze bildet. Das bedeutet, ist nach den Regeln des Internationalen Privatrechts das Sachrecht eines anderen Staates anwendbar, dass über die RegE 32 Die in Klammern gesetzten kursiven Passagen entsprechen der ursprünglich geplanten Formulierung des § 4 TDG in der Fassung des Regierungsentwurfs. Sie wurden nach einer Expertenanhörung am 8.10.2001 sowie auf Druck der EU-Kommission und Kritik in der Literatur praktisch in letzter Minute gestrichen. Dadurch wird deutlich, dass der Gesetzgeber das Herkunftslandprinzip als eine kollisionsrechtliche Regelung versteht, die die sonstigen Verweisungsnormen des IPR in seinem Anwendungsbereich verdrängt. Dieser Grundsatz wurde jedoch insoweit eingeschränkt, als sich aus den Regeln des internationalen Privatrechts etwas anderes ergab. Mit dieser Einschränkung sollte Artikel 1 Abs. 4 ECRL Rechnung getragen werden, wonach durch Artikel 3 Abs. 1 und 2 ECRL keine zusätzlichen Regeln im Bereich des internationalen Privatrechts geschaffen würden. Dementsprechend wurde beispielsweise das anwendbare Sachrecht bei grenzüberschreitenden Verträgen, die im Rahmen von Telediensten geschlossen worden sind, nach den Regeln des internationalen Privatrechts bestimmt (§ 4 Abs. 1 Halbsatz 2 kursiv = nunmehr gestrichen). 297 Anforderungen des deutschen Recht hinausgeht, ist seine Anwendung durch das TDG ausgeschlossen. Sind dessen Anforderungen niedriger unterliegt der deutsche Unternehmer den für ihn günstigeren Vorschriften.33 Auf diese Weise sollte nach der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs das gleiche Ergebnis erzielt werden wie vor einem Gericht eines anderen Staates im Geltungsbereich der Richtlinie 2000/31/EG, das bei der Anwendung des aus seiner Sicht berufenen Sachrechts auf in Deutschland niedergelassene Anbieter Artikel 3 Abs. 2 ECRL und dessen Umsetzung in das dortige Recht zu beachten hat. Das Problem des sog. „forum-shopping“, d. h. die Wahl des für den Anbieter günstigsten Gerichtsstands, sei so gelöst.34 Dabei beruft man sich auf Art. 3 der Richtlinie, der von der „Einhaltung der innerstaatlicher Vorschriften“ spricht. Dazu zählt nach der lex fori auch das Kollisionsrecht, in dem der Staat selbst bestimmt, wann und inwieweit er sein Recht angewandt wissen will. Das bedeutet, dass nach deutschem Verständnis der Staat der Niederlassung des Dienstanbieters (der Herkunftsstaat) nicht dazu verpflichtet werden kann, entgegen seiner Rechtsordnung das ausländische Sachenrecht anzuwenden.35 Es sei daher nicht ersichtlich, warum Art. 3 der Richtlinie sich auf die Anerkennung des Sachrechts beschränken solle. Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Umsetzung deshalb an den tradierten Regeln des Kollisionsrechts festgehalten, diese aber gleichzeitig mit einem Günstigkeitsvergleich für heimische Dienstanbieter verbunden. Die Einführung eines solchen kollisionsrechtlichen Vorbehalts ist problematisch: Der Günstigkeitsvergleich, wie ihn in § 4 Abs. 1 S. 2 TDG vorsieht, widerspricht dem erklärten Ziel der Richtlinie und des Herkunftslandprinzips, nämlich der Minimierung der Rechtsrisiken für den Dienstanbieter. Der Dienstanbieter soll sich nicht mehreren Rechtsordnungen ausgesetzt sehen, deren Konsequenzen er nur schwer abschätzen könnte. Er soll daher allein dem Rechtssystem unterworfen sein, in dem er niedergelassen ist. Das ist nach dem Günstigkeitsprinzip nicht der Fall. Die Unsicherheit wird durch den vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich der berufenen Rechtsordnung mit dem deutschem Recht weiter erhöht. Das bedeutet, deutsche Anbieter unterliegen nach Art. 4 Abs. 1 S. 2 TDG nicht in jedem Fall der deutschen Rechtsordnung. Die Frage, ob eine andere, wenn auch für das Unternehmen günstigere Rechtsordnung, zur Anwendung kommt, muss durch einen konkreten Vergleich, der durch den grenzüberschreitenden Sachverhalt betroffenen Rechtsordnung ermittelt werden. Das Rechtsanwendungsrisiko und das Risiko der Fehleinschätzung sind angesichts der Globalität des elektronischen Geschäftsverkehrs und der damit verbundenen Konfrontation mit anderen Rechtsordnungen besonders hoch. Nach dem Herkunftslandprinzip haben die 33 34 35 Vergleichsmassstab ist das konkrete Begehren des Anbieters, kein Vergleich der insgesamt involvierten Normenkomplexe. Vgl. Amtliche Begründung zum Gesetzentwurf, a.a.O., S. 36. Der Entwurf der Richtlinie enthielt in Art. 3 Abs. 3 noch folgende Formulierung: „Die Verpflichtung in Abs. 1 gilt für Abschnitt 3 [Abschluss von Verträgen auf elektronischem Weg – Art. 9-11] nur insoweit, als das Recht eines Mitgliedstaates entsprechend seinen Regelungen des Internationalen Privatrechts anwendbar ist.“ 298 Mitgliedstaaten eine wirksame Aufsicht am Herkunftsort sicherzustellen.36 Zweifel werden in der Literatur angemeldet, ob es sich bei der Anwendung von ausländischem Recht, überhaupt noch um eine „Aufsicht“ durch den Herkunftsstaat handelt, da das ausländische Sachenrecht der Kontrolle des Herkunftsstaates entzogen ist.37 Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass der auf inländische Dienstanbieter mit Tätigkeit im Ausland anwendbare § 4 Abs. 1 TDG in seiner alten Fassung in Widerspruch zu Art. 3 Abs. 1 ECRL stand, wonach der Dienstanbieter ausschliesslich der Aufsicht und dem Sachenrecht seines Niederlassungs- bzw. Herkunftsstaates untersteht.38 Demgegenüber hält sich § 4 Abs. 2 TDG für den Fall der ausländischen Dienstanbieter mit Tätigkeit in Deutschland an die Vorgaben der Richtlinie, indem die kollisionsrechtliche Verweisung, auf an sich anwendbare Normen dann unterbrochen wird, wenn diese strenger sind als diejenigen des Herkunftslands. cc) Gegen Ende des Gesetzgebungsverfahrens setzte sich überraschend auf Druck der EU-Kommission nach einer Expertenanhörung am 8.10.2001 doch noch eine rein sachrechtlich zu verstehende Umsetzung des Herkunftslandprinzip durch.39 Damit wird der Erkenntnis Rechnung getragen, dass die Wirksamkeit des Herkunftslandprinzips im privatrechtlichen Bereich nur gesichert werden kann, wenn dieses Prinzip eine kollisionsrechtliche Regel enthält. Im Gegensatz zur bisherigen Fassung des § 4 TDG zeigt die Formulierung der nunmehr in Kraft getretenen Regelung, dass der deutsche Gesetzgeber das Herkunftslandprinzip als Metakollisionsnorm auffasst, die alle sonstigen Verweisungsnormen des IPR in ihrem Anwendungsbereich verdrängt. Gemäss § 4 Abs. 1 bzw. Abs. 2 TDG gilt nunmehr für jeden Anbieter – gleich, ob er als deutscher Anbieter Dienste im Ausland oder als ausländischer Anbieter Dienste in Deutschland erbringt – das Recht seines Herkunftsstaates.40 Der im Binnenmarkt niedergelassene Dienstanbieter soll sich grundsätzlich nach den Vorschriften seines Herkunftsstaates richten können. Diese lässt sich im Privatrecht, wie oben dargestellt, nur durch eine kollisionsrechtliche Absicherung des Herkunftslandprinzip erreichen. Dadurch wird im Ergebnis eine Unterscheidung zwischen Binnenmarkt- und Drittstaatsachverhalten bewirkt mit der Folge eines zweigeteilten IPR, eines für jene die Anbieter, die im Binnenmarkt niedergelassen sind und die allgemeinen Regeln des IPR für Anbieter aus Drittstaaten. Es erscheint gerechtfertigt, dass innerhalb des Binnenmarkts, der ein hohes Mass an Harmonisierung - im wirtschaftlichen Bereich und zunehmend auch im Privatrecht – aufweist andere kollisionsrechtliche Wertungen vorzunehmen als gegenüber einem 36 37 38 39 40 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 22. Spindler, ZRP 2001, S. 205. In diesem Fall droht Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EGV wegen fehlerhafter Umsetzung der Richtlinienbestimmung. Tettenborn/Bender/Lübben/Karenfort, Beil. zu BB H. 50/2001, S. 10. Tettenborn/Bender/Lübben/Karenfort, a.a.O. 299 Drittstaat.41 Dies entspricht der generellen Tendenz verbraucherschutzbezogener Richtlinien, indem diese die Rechtswahl zugunsten eines Drittstaates unter bestimmten Umständen, die Wahl des Rechts des Mitgliedstaates hingegen unberührt lassen. In der Umsetzung der Sonderkollisionsnormen, wie etwa Art. 12 FARL durch Art. 29a EGBGB zeigen sich bereits erste Tendenzen eines Binnenmarkt-IPR.42 c) Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip Unbeschadet der Regel, dass Dienste der Informationsgesellschaft an der Quelle zu beaufsichtigen sind, dürfen die Mitgliedstaaten unter den in der Richtlinie festgelegten Bedingungen Massnahmen ergreifen, um den freien Verkehr für Dienste der Informationsgesellschaft einzuschränken.43 Vom Herkunftslandprinzip sind deshalb eine Reihe von Ausnahmen vorgesehen, die es den Mitgliedstaaten erlauben sollen, den elektronischen Geschäftsverkehr in ihrem Land zu steuern. Die Ausnahmen werden in § 4 Abs. 3 bis 5 TDG geregelt.44 Zusätzlich werden in § 4 Abs. 4 Nr. 1 – 10 TDG bestimmte Bereiche vom Geltungsbereich des Herkunftslandprinzips ausgenommen45: Zu den wichtigsten Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 TDG, in denen das Herkunftslandprinzip keine Anwendung findet, zählt insbesondere der Verbraucherschutz. Im einzelnen gelten folgende Regelungen: § 4 Abs. 3 Nr. 1 TDG setzt Art. 3 Abs. 3 ECRL i.V.m. mit dem 5. Gedankenstrich des Anhangs um. Danach fallen die Bereiche des dispositiven Rechts, in denen die Vertragsparteien die Freiheit der Rechtswahl geniessen nicht unter das Herkunftslandprinzip. Liegen keine unabdingbaren Bedingungen zum anwendbaren Recht vor, haben die Vertragsparteien selbst die Möglichkeit zu wählen, welchem Recht sie unterliegen wollen. Es ist also im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob für die in Frage stehende Art des Vertragsverhältnisses die Freiheit der Rechtswahl besteht. Soweit es sich nicht um Verbraucherverträge handelt, ist eine Rechtwahl i.d.R. möglich. Bei Verbraucherverträgen ist eine Rechtswahl zulässig, sofern das gewählte ausländische Recht den Verbraucher nicht schlechter stellt als das eigene inländische Recht.46 Ebenfalls unberührt bleiben die Vorschriften für Verbraucherverträge, die im Rahmen von Telediensten geschlossen werden (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 TDG). 41 42 43 44 45 46 Fallenböck, Internet und IPR, S. 204. Fallenböck, a.a.O. Vgl. Erwägungsgrund Nr. 24 der Richtlinie. Vgl. Art. 3 Abs. 3 ECRL i.V.m. dem Anhang. Hierzu gehören das Datenschutzrecht, Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, die dem Kartellrecht unterliegen, die Tätigkeiten von Notaren oder Angehörigen gleichwertiger Berufe, soweit diese eine unmittelbare und besondere Verbindung zur Ausübung öffentlicher Befugnisse aufweisen, der Bereich der Vertretung eines Mandanten und Wahrnehmung seiner Interessen vor Gericht sowie Gewinnspiele mit einem einen Geldwert darstellenden Einsatz bei Glücksspielen, einschliesslich Lotterien und Wetten. Erläuternde Hinweise zum Arbeitspapier „Entwurf eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr, S. 14. 300 Hierdurch wird Art. 3 Abs. 3 ECRL i.V.m. mit dem 6. Gedankenstrich des Anhangs umgesetzt. Dem Verbraucher soll nicht der Schutz entzogen werden, der durch zwingende Vorschriften für vertragliche Verpflichtungen nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem er seinen gewöhnlichen Wohnsitz hat, gewährt wird. „Der Teufel steckt dabei Detail“, da von dieser Formulierung nur die spezifischen Verbraucherschutzbestimmungen, nicht aber der weitergehende Begriff des Verbraucherschutzes nach Art. 29 EGBGB erfasst würde.47 Das bedeutet, dass für Fragen der Geschäftsfähigkeit, Vertretungsmacht und der Form aber auch für die einen unterlegenen Vertragspartner schützende Culpa in contrahendo (cic), keine Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip gemacht werden können, sofern sie nicht spezifisch den vertraglichen Pflichten eines Verbrauchervertrags zugeordnet werden können.48 Das bestehende gemeinschaftsrechtliche Schutzniveau, insbesondere für den Verbraucherschutz, bleibt hiervon unberührt49. Neben diesen per se geltenden Ausnahmen sieht die Richtlinie ein Schutzklauselverfahren vor. Ein nationaler Alleingang zur Erzielung eines „höheren Schutzniveaus“ in bestimmten Bereichen ist nur unter den Voraussetzungen von Art. 3 Abs. 4 – 6 ECRL zulässig.50 Die Bestimmungen werden durch die Regelung in § 4 Abs. 5 TDG umgesetzt. Das Angebot und die Erbringung eines Teledienstes, der im Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/31 EG niedergelassen ist, unterliegt abweichend von § 4 Abs. 2 TDG den Einschränkungen des innerstaatlichen Rechts. Danach besteht die Möglichkeit, den freien Dienstleistungsverkehr, insbesondere zum Zwecke des Verbraucherschutzes, einzuschränken, wenn die von einem nicht in Deutschland niedergelassenen Anbieter angebotenen oder erbrachten Teledienste eine Beeinträchtigung oder ernsthafte oder schwerwiegende Gefahr der in § 4 Abs. 5 Nr. 1 – 4 TDG aufgezählten Schutzgüter51 darstellen und die auf der Grundlage 47 48 49 50 51 Umstritten ist die Frage, ob die Richtlinie dazu zwingt, einen so restriktiven Begriff zu verwenden. In Erwägungsgrund Nr. 56 der Richtlinie wird festgehalten, dass die in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen für vertragliche Schuldverhältnisse in bezug auf Verbraucherverträge, auch Informationen zu den wesentlichen Elementen des Vertrages erfassen; dazu gehören auch Verbraucherrechte, die einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidung zum Vertragsschluss haben. Spindler, ZRP 2001, S. 206. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss hat in seiner Stellungnahme zum Richtlinienentwurf (ABl. C 169 vom 16.6.1999, S. 36) daher bemängelt, dass die gesetzlichen Aufklärungspflichten, etwa aus culpa in contrahendo, je nach Rechtsordnung davon ausgenommen wären; ähnlich votiert auch Waldenberger, EuZW 1999, S. 300 f. Richtlinie 2000/31/EG (ABl. L 178 vom 17.07.2000, S. 1) Erwägungsgrund 11 mit Hinweis auf die entsprechenden Harmonisierungsrichtlinien, die auf Dienste der Informationsgesellschaft Anwendung finden. Hierzu gehören u.a. die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, (ABl. L 95 vom 21.04.1993, S. 29) und die Richtlinie über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. L 144 vom 4.06.1997, S. 19). Art. 3 Abs. 4 – 6 ECRL sind hinsichtlich des durch die Richtlinie koordinierten Bereichs insoweit lex specialis zu Art. 95 Abs. 4 – 9 EGV. Hierzu zählen der Schutz (1.) der öffentlichen Ordnung, insbesondere der öffentlichen Ordnung, insbesondere im Hinblick auf die Verhütung, Ermittlung, Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, einschließlich des Jugendschutzes und der Bekämpfung der Hetze aus Gründen der Rasse, des Geschlechts, des Glaubens oder der Nationalität sowie von Verletzungen der 301 des innerstaatlichen, deutschen Rechts in Betracht kommenden Massnahmen in angemessenem Verhältnis zu diesen Schutzzielen stehen. Vor der Einleitung restriktiver nationaler Schutzmassnahmen sind besondere Konsultations- und Informationspflichten nach Art. 3 Abs. 4 – 5 ECRL zu beachten. Spindler52 prognostiziert diesem Verfahren daher eine ähnliche Zukunft, wie dem Freistellungsverfahren im europäischen Kartellrecht, da die Kommission in praxi kaum in der Lage sein dürfte jede einzelne nationale Massnahme einer Prüfung nach Art. 3 Abs. 6 ECRL zu unterwerfen. Das ist einleuchtend. d) Informationspflichten De lege lata enthalten bereits § 6 TDG und § 6 MDStV Vorschriften zur Anbieterkennzeichnung, die sich vom sachlichen Anwendungsbereich mit § 2 FernAbsG überschneiden. Weitergehende Angaben sieht die E-CommerceRichtlinie vor, die durch das Gesetz über den Elektronischen Geschäftsverkehr (EGG) in das deutsche Recht eingestellt werden sollen. Art. 5 Abs. 1 ECRL enthält einen Mindestkatalog an Transparenzverpflichtungen, die über die bisher bestehenden Anforderungen des § 6 TDG hinaus gehen. Für den Bereich der Teledienste fordert § 6 TDG bisher, dass Dienstanbieter jedenfalls über Name, ladungsfähige Anschrift und Vertretungsberechtigte informieren. Die zusätzlichen, umfangreichen Informationspflichten sind in das TDG aufzunehmen. § 6 TDG ist den Vorgaben der Richtlinie entsprechend anzupassen und zu erweitern. e) Abschluss von elektronischen Verträgen Keine Umsetzung im EGG finden dagegen die vertragsrechtsbezogenen Vorschriften der Richtlinie, insbesondere Art. 9 – 11. Der rechtlichen Wirksamkeit von Verträgen nach Art. 9 ECRL wird durch die Einführung der „elektronischen Form“ in das BGB Rechung getragen. Das am 1. August 2001 in Kraft getretene Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Formvorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr53 will in Verbindung mit der Neufassung des Signaturgesetzes54 rechtliche Hindernisse für den Abschluss elektronischer Verträge beseitigen, die hier nicht thematisiert werden. Nach den erläuternden Hinweisen im Arbeitspapier vom 1. Dezember 2000 zum „Entwurf eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen 52 53 54 Menschenwürde einzelner Personen, (2.) der öffentlichen Sicherheit, insbesondere der Wahrung nationaler Sicherheits und Verteidigungsinteressen, (3.) der öffentlichen Gesundheit, (4.) der Interessen der Verbraucher, einschließlich des Schutzes von Anlegern. Spindler, MMR-Beil. 7/2000, S. 9. BGBl. I, 1542. Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen und zur Änderung weiterer Vorschriften (SigG) vom 16. Mai 2001, BGBl. I, 876. 302 Geschäftsverkehr – Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz (EGG)“55 ist geplant die Art. 10 und 11 der E-Commerce-Richtlinie, die vertragliche Nebenpflichten sowie ergänzende technische Transparenzpflichten enthalten, die zusätzlich vom Dienstanbieter abzugeben sind, durch entsprechende parallele Gesetzgebungsvorhaben umzusetzen. Hintergrund ist die geplante Schuldrechtsreform, die u.a. eine Neustrukturierung des Verjährungsrechts und einen grundlegenden Systemwechsel des Leistungsstörungsrechts und einschneidende Änderungen des Kaufvertragsrechts mit sich bringt (siehe sogleich unter 2). Im Gefolge dieser tiefgreifenden Reformen sollen auch die Grundsätze über den Abschluss elektronischer Verträge in das BGB integriert werden. Die Umsetzung der für den elektronischen Vertragsabschluss zentralen Bestimmungen der E-Commerce-Richtlinie durch das geplante Schuldrechtsmodernisisierungsgesetz wird nachfolgend näher untersucht. Dabei geht es im wesentlichen um die Frage, wie die Anforderungen der Richtlinie an die Informationspflichten beim Abschluss elektronischer Verträge und die besondere Vertragsabschlussmechanik des Art. 11 ECRL konsistent in das BGB integriert werden können, auch im Hinblick auf bestehende Sondervorschriften über Fernabsatzverträge, mit denen partiell inhaltliche Überschneidungen bestehen. 55 Erläuternde Hinweise zum Arbeitspapier „Entwurf eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr, S. 14. 303 II. Entwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes56 1. Hintergrund Das Bundesministerium der Justiz hat im August 2000 einen Diskussionsentwurf (im folgenden: DiskE) für ein Schuldrechtsmodernisierungsgesetz57 vorgestellt. Der Anstoss zu dem nun vorgelegten Gesetzentwurf kommt dabei aus Brüssel. Mehrere Richtlinien zwingen den deutschen Gesetzgeber dazu, das deutsche Recht umzugestalten. Die Bundesrepublik muss bis zum 1. Januar 2002 die EU-Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf58 umsetzen. Dadurch ist eine Reform des Kaufrechts erforderlich. Handlungsbedarf besteht auch im Hinblick auf die 59 Zahlungsverzugsrichtlinie , die bis zum 7. August 2002 umzusetzen ist. Zwar beabsichtigte der deutsche Gesetzgeber mit dem „Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen“60 die Vorgaben der Richtlinie bereits vor ihr Verabschiedung umzusetzen. Dies ist ihm jedoch misslungen61. Umgesetzt werden muss bis zum 16. Januar 2002 schliesslich auch die eingangs behandelte E-Commerce-Richtlinie. Der Diskussionsentwurf beschränkt sich dabei nicht auf die Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben („kleine Lösung“), sondern nimmt diese zum Anlass für eine sog. „grosse Lösung“, um über die Richtlinienumsetzung hinaus das allgemeine und das besondere Schuldrecht, sowie das Verjährungsrecht umfassend zu reformieren. Damit greift der Diskussionsentwurf vom August 2000 die seit über 20 Jahren andauernden Bemühungen um eine grundlegende Schuldrechtsreform auf. Er folgt im wesentlichen den Vorschlägen, der Anfang der 80er Jahre eingesetzten Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts und übernimmt insoweit auch wörtlich (z.T. leicht gekürzt) die Begründungen aus dem 1991 veröffentlichten Abschlussbericht62. Es handelt sich hierbei um die umfassendste Reform in der Geschichte des Bürgerlichen Gesetzbuches, die insbesondere das Verjährungsrecht und das Leistungsstörungsrecht verbraucherfreundlicher und praxistauglicher 56 57 58 59 60 61 62 Das Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. L 171 vom 7.07.1999, S. 12), der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. L 200 vom 8.08.2000, S. 35) und von Artikel 10, 11 und 18 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“, ABl. L 178 vom 17.07.2000, S. 1). Entwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, Diskussionspapier: Stand 4. August 2000. Richtlinie 1999/44/EG, a.a.O. Richtlinie 2000/35/EG zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr, a.a.O.; vgl. hierzu Gsell, ZIP, 2000, S. 1861; Huber, JZ 2000, S. 957. BGBl. 2000 I, 330. Dauner-Lieb, JZ 2001, S. 9; Ernst, ZEuP 2000, S. 767; Gsell, ZIP 2000, S. 1862 ff.; Huber, JZ 2000, S. 958 ff.; Krebs, DB 2000, S. 1700. Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Abschlussbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1992. 304 gestalten sollen63. Für das In-Krafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes hat das Bundesministerium der Justiz den 1. Januar 2002 vorgesehen, weil bis dann die genannte Richtlinie zum Verbrauchsgüterkauf sowie die Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr umzusetzen ist und man diese Umsetzung in das Gesetzgebungsvorhaben integriert hat (vgl. Art. 9 DisKE). In der Begründung zum Gesetzentwurf heisst es hierzu: „beide Richtlinien zwingen praktisch dazu, das deutsche Schuld- und Verjährungsrecht umfassend zu modernisieren, da die durch die Richtlinie geforderten Umsetzungsmassnahmen eng mit weiteren nicht unmittelbar von ihr erfassten Bereichen des Schuld- und Verjährungsrechts „verwoben“ seien“64. Damit wird klar, dass man sich in Deutschland nicht auf die gemeinschaftsrechtlich gebotene Umsetzung der genannten Richtlinien beschränkt, sondern diese zum Anlass nimmt, das BGB in grossen Teilen neu zu gestalten. Die so formulierte gesetzgeberische Eile zur Überarbeitung weiter Teile des Schuldrechts wird in der Literatur kritisiert65. Da das Gesetz zum 1. Januar 2002 in Kraft treten soll, wurde bereits im März 2001 eine konsolidierte Fassung66 des Diskussionspapiers und nur zwei Monate später, am 9. Mai, der Regierungsentwurf67 vorgelegt. Die Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben ihn am 14. Mai parallel als Fraktionsentwurf68 in den Deutschen Bundestag eingebracht. Das neue Recht gilt – ohne Übergangsregelung – für alle ab dem 1. Januar 2002 neu entstehenden Schuldverhältnisse.69 63 64 65 66 67 68 69 Vgl. Ernst, Schuldrechtsreform, ZRP 2001, S. 1 ff, mit einer ersten Bewertung des Diskussionsentwurfs; vgl. auch Rüfner, ZRP 2001, S. 12 f., der sich mit der Problematik von Amtlichen Überschriften für das BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz befasst. Begründung zum Diskussionsentwurf, a.a.O. (Fn 57), S. 167. Gegen den Ansatz des Bundesjustizministeriums zu einer Schuldrechtsreform hat sich eine Initiative von 18 Hochschullehrern zusammengefunden, der sich bis zum 11. Juni 2001 bereits 256 Zivilrechtswissenschaftler/ -innen angeschlossen haben. Die der Initiative Angehörenden versuchen, eine möglichst breite Meinungsbildung der Zivilrechtswissenschaft herbeizuführen. Die Passauer Professoren Holger Altmeppen und Jan Wilhelm haben die Organisation der Initiative übernommen. Die Bundesministerin der Justiz nimmt zu diesen Vorwürfen dezidiert Stellung in Däubler-Gmelin, NJW 2001, S. 2288 f. Es sei richtig, dass ein erheblicher Umstellungsbedarf abzusehen sei und Rechtsanwender und Praxis gefordert werden. Die Kritiker der „grossen Lösung“ übersähen aber, dass der allergrösste Teil des Umstellungsbedarfs durch die Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie entstehe. Die Anwendungsund Umstellungsprobleme wären bei der immer wieder geforderten 1:1-Umstellung („kleine Lösung“) erheblich grösser. Sie würde die Rechtszersplitterung im Verbraucherschutzrecht vergrössern und die Unübersichtlichkeit durch parallel nebeneinander bestehende Kaufrechtssysteme verstärken. Vgl. unten § 4 II 4, S. 309. Vgl. unten § 4 II 5, S. 320. BT-Drucksache 14/6040. Umfangreiche Materialen zur Schuldrechtsmodernisierung finden sich auf den Internet Seiten von Lorenz unter <http://www.lrz-muenchen.de/~Lorenz/schumod/index.htm> und von Dauner-Lieb unter <http://www.uni-koeln.de/jur-fak/lbrah/> alle Stand: 21.04.2001. 305 2. Umsetzung von Art. 10 und 11 der E-Commerce-Richtlinie Die hier im Hinblick auf den elektronischen Vertragsabschluss behandelten Vorschriften des Allgemeinen Teils des Bürgerlichen Gesetzbuchs über Abgabe und Zugang von Willenserklärungen nach §§ 130 ff. BGB oder über das Zustandekommen des Vertrags nach §§ 145 ff. BGB bleiben durch das Schulrechtsmodernisierungsgesetz unverändert und bedürfen keiner weiteren Diskussion. Umgesetzt werden müssen die vertragsrechtsbezogenen Vorschriften der Richtlinie. Zwar sind einige der in Art. 10 der Richtlinie aufgeführten Informationspflichten bereits dem deutschen Recht bekannt, weil sie im Fernabsatzgesetz enthalten sind. Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr hat jedoch einen anderen Anwendungsbereich. Zudem ist sie nicht auf Rechtsbeziehungen zwischen Unternehmen und Verbraucher beschränkt, sondern findet auch auf Unternehmerbeziehungen Anwendung. Es ist daher eine horizontale Regelung notwendig. Art. 11 der Richtlinie bestimmt besondere Pflichten des Unternehmers, der die Bestellung entgegennimmt, die in das deutsche Recht umgesetzt werden müssen. Die Umsetzung gestaltet sich schwierig. Seit der Vorstellung des Diskussionsentwurfs wird um die endgültige Formulierung und vor allem um deren systematisch korrekte Integration in das Gefüge des BGB gerungen. An dieser Stelle kann nur ein knapper, notwendigerweise unvollständiger Überblick der im Rahmen dieser Arbeit interessierenden Regelungsbereiche gegeben werden. Er dient dazu, die künftige Struktur und die Verankerung der genannten Bestimmungen im System des BGB aufzuzeigen. Zur Verdeutlichung des Problems wird die Entwicklung der Regelung über den elektronischen Vertragsabschluss anhand der unterschiedlichen Gesetzesvorlagen dargestellt und kritisch gewürdigt. Um auch mit Blick auf die Konsolidierung des Entwurfs vom 6. März 2001 (siehe sogleich lit.d) und den Regierungsentwurf vom 9. Mai 2001 (siehe sogleich lit.e) Redundanzen zu vermeiden, wird die konkrete Umsetzung der Art. 10 und 11 in getrennten Komplexen erörtert: In diesem Kapitel stehen vor allem die Bestimmungen im Vordergrund, die den Vertragschluss im engeren Sinne betreffen, sowie die vor- und nachvertraglichen Informationspflichten. Dabei ist auch zu klären, ob die hier vertretene Auffassung, wonach die Empfangsbestätigung nach Art. 11 Abs. 1 1. Gedankenstrich ECRL ein konstitutives Erfordernis ist, mit der geplanten Änderung des BGB durch das Schuldrechtsreformgesetz zu vereinbaren ist.70 Die Verpflichtung des Unternehmers, angemessene technische Mittel zur Korrektur von Eingabefehlern zur Verfügung zu stellen (Art. 10 Abs. 1 ECRL), wird bei der Untersuchung fehlerhafter Willenserklärung erörtert werden (siehe § 6 III). Dort wird auch der Frage nachgegangen, welche Rechtsfolgen ein 70 Vgl. unten § 4 II 4 lit. b) S. 311. 306 Verstoss gegen die Verpflichtungen der Richtlinie, konkret gegen deren Umsetzung, durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nach sich zieht.71 Nach Art. 10 Abs. 3 ECRL müssen die Vertragsbestimmungen und die allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Nutzer so zur Verfügung gestellt werden, dass er sie speichern und reproduzieren kann. Die Implikationen auf den elektronischen Vertragsabschluss unter Einbeziehung Allgemeiner 72 Geschäftsbedingungen, werden in § 5 III dargestellt. 3. Diskussionsentwurf vom 6. August 2000 a) Integration von Verbraucherschutzgesetzen Mit dem Entwurf wird der zweite Schritt zur Integration der Verbraucherschutzgesetze in das BGB vollzogen. Den ersten Schritt enthält das schon erwähnte Fernabsatzgesetz, mit dem die zentralen Begriffe des Verbraucherrechts – Verbraucher und Unternehmer – definiert wurden. Zudem wurde das Widerrufs- und Rückgaberecht einer einheitlichen Regelung zugeführt. Die §§ 361a, 361b BGB werden nach dem Diskussionsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (im folgenden DiskE) aufgehoben. Sie gehen in die neugefassten §§ 355 bis 358 BGB-DiskE ein, die unter der Überschrift „Widerrufs- und Rückgaberecht bei Verbraucherverträgen“ die Rückabwicklung von bestimmten Verbraucherverträgen nach Widerruf oder Rückgabe durch den Verbraucher regeln73. Inhaltlich entsprechen die Normen im wesentlichen den jetzigen §§ 361a und 361b BGB. Der Diskussionsentwurf geht noch einen Schritt weiter, indem er nun auch die verbraucherschützenden Widerrufsrechte selbst in das BGB holt. Im Zuge der Überarbeitung des Schuldrechts sollen die bestehenden vertragsrechtlichen Sondergesetze, wie beispielsweise das HWiG, VerbrKrG, FernAbsG, aufgehoben und in das BGB bzw. EGBGB integriert werden (Art. 6 DiskE). Erfasst werden soll auch das AGBG, dessen verfahrensrechtlicher Teil nicht in das BGB integriert werden kann und deshalb als Unterlassungsklagegesetz erhalten bleiben soll. Im Rahmen dieser Arbeit wird auf eine Darstellung der Integration verbraucherschützender Vorschriften im einzelnen verzichtet. Von besonderem Interesse für den elektronischen Vertragsabschluss sind das AGBG und insbesondere das FernAbsG. Die Integration der Vorschriften über Fernabsatzverträge war nach dem Diskussionsentwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes wie folgt angelegt: Unter dem Titel 2 wurde der durch das Fernabsatzgesetz neu geschaffenen Typus der „Fernabsatzverträge“ geregelt. Die zentralen §§ 1 bis 4 des Fernabsatzgesetzes wurden als §§ 479 bis 482 BGB-DiskE 71 72 73 Vgl. unten § 6 III 2; S. 422. Vgl. unten § 5 III 2 lit. c), S. 346. Die Vorschriften über den Rücktritt sind in Untertitel 1 – Rücktritt, §§ 346 – 354 BGB-DiskE geregelt. 307 nahezu wörtlich und inhaltlich geringfügig angepasst in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen. Das Abweichungs- und Umgehungsverbot nach § 5 des Fernabsatzgesetzes geht in § 305c BGB-DiskE auf. § 6, wonach das Gesetz keine Anwendung auf Verträge findet, die vor dem 30. Juli 2000 abgeschlossen wurden, wird in Artikel 229 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) berücksichtigt.74 b) Elektronische Bestellungen (§ 305b BGB-DiskE) Die Bestimmungen der Art. 10 und 11 der E-Commerce-Richtlinie sollen nach dem Willen der Schuldrechtsreformkommission unmittelbar in das System des BGB eingefügt werden. Da die Dienste der Informationsgesellschaft ein weit gefächertes Spektrum von Vertragstypen ansprechen und die Grundsätze über den Abschluss von Verträgen auch im Verhältnis zu Unternehmern gelten, erschien es sinnvoll, diese im Zusammenhang mit den allgemeinen Vorschriften über den Inhalt von Verträgen umzusetzen. Der Diskussionsentwurf (DiskE) sah eine entsprechende Ergänzung des BGB (§ 305b BGB-DiskE) vor. Die Regelung sollte nach dem Willen der Verfasser in Abschnitt 2 (Schuldverhältnisse aus Verträgen), Titel 1 (Inhaltliche Gestaltung von Verträgen) unter dem neuen Untertitel 1: „Inhalt und Geschäftsgrundlage von Verträgen“75 in das BGB eingestellt werden. Der geplante § 305b BGB-DiskE lautete wie folgt: § 305b Elektronische Bestellungen (1) Ein Unternehmer, der sich zum Absatz seiner Waren oder Dienstleistungen eines Dienstes der Informationsgesellschaft bedient, hat seinem Kunden angemessene, wirksame und zugängliche Mittel zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe dieser Eingabefehler vor der Abgabe der Bestellung erkennen und berichtigen kann. (2) 1 Der Unternehme hat den Kunden vor Abschluss der Bestellung zu informieren, zumindest über 1. 2. 3. 4. 5. 74 75 die einzelnen technischen Schritte, die zu einem Vertragsabschluss führen; darüber, ob der Vertragstext nach Vertragsabschluss vom Dienstanbieter gespeichert wird und ob er dem Nutzer zugänglich sein wird; die technischen Mittel zur Erkennung und Korrektur von Eingabefehlern vor Abgabe der Bestellung; die für den Vertragsabschluss zur Verfügung stehenden Sprachen und über die Verhaltensregeln, denen sich der Unternehmer unterwirft, sowie die Möglichkeiten eines elektronischen Zugangs zu diesen Regelwerken. Amtliche Begründung, a.a.O. (Fn 57), S. 541/542. Im Rahmen der Schuldrechtsreform sollen gleichzeitig die Regelungen des AGB-Gesetzes unter dem Untertitel 2, „Einbeziehung und Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen“ in das Bürgerliche Gesetzbuch integriert werden. 308 2 Den Eingang der Bestellung hat der Unternehmer dem Nutzer unverzüglich auf elektronischen Wege zu bestätigen. 3Bestellung und Empfangsbestätigung gelten als eingegangen, wenn die Parteien, für die sie bestimmt sind, sie abrufen können76. (3) Über § 310 hinaus sind dem Nutzer die Vertragsbedingungen unter Einschluss der in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen so zur Verfügung zu stellen, dass er sie speichern und wiedergeben kann. (4) Absätze 1 und 2 gelten nicht, wenn [...] (5) Die Wirksamkeit des Vertrags über die Ware oder die Dienstleistung wird nicht dadurch berührt, dass eine der vorstehenden Verpflichtung nicht erfüllt wird. c) Rechtliche Würdigung Den Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft, der mit dem die Bestellung Aufgebenden in ein Vertragsverhältnis eintreten will, treffen die Pflichten nach Art. 10 und 11 der E-Commerce-Richtlinie. Mit Art. 305b BGB-DiskE werden diese in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen. Von zentraler Bedeutung für die Umsetzung der Richtlinie ist die Definition der „Dienste der Informationsgesellschaft“ in Art. 2a ECRL. Der Schlüsselbegriff „Dienste der Informationsgesellschaft“ wird von §305b BGB-DiskE nach der Begründung des Diskussionsentwurfs bewusst nicht näher definiert, da die wesentlichen Bestimmungen der Richtlinie durch ein öffentlich-rechtliches Sondergesetz (Elektronisches Geschäftsverkehrgesetz) verabschiedet werden sollten. In diesem Gesetz sollte der Begriff legaldefiniert werden, auf den § 305b BGB-DiskE zurückgreift. Das EGG in der vom Kabinett verabschiedeten Version verzichtet entgegen der ursprünglichen Intention auf eine Definition und greift stattdessen auf die dort definierten Begriffe der „Tele – und Mediendienste“ zurück. Hierdurch entstehen sprachliche Inkonsistenzen, indem das EGG und das TDG von Tele- und Mediendiensten sprechen, während § 305b BGB-DiskE auf die „Dienste der Informationsgesellschaft“ abstellt. Eine Anwendungslücke entsteht dadurch aber nicht, da die Teledienste nach § 2 TDG, wie aufgezeigt, auch die Dienste der Informationsgesellschaft erfassen77. Dabei ist zu beachten, dass die Richtlinie unter dem Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft sowohl den Provider als auch den Unternehmer versteht, der seinen – grundsätzlich auf eine andere Art gerichteten – Geschäftsgegenstand elektronisch vertreibt. Nur diesen Dienstanbieter, der selbst mit dem die Bestellung Aufgebenden in ein Vertragsverhältnis eintreten will, treffen die in § 305b Abs. 2 und 3 BGB-DiskE geregelten vor- und nachvertraglichen Informationspflichten der Art. 10 und 11 der Richtlinie. Die Informationspflichten des Art. 10 Abs. 1 und 2, werden durch § 305b Abs. 2 Nummern 1 bis 5 in das BGB gestellt. § 305b Abs. 2 S. 2 BGB-DiskE setzt wortwörtlich die Bestimmungen des Art. 11 Abs. 1 ECRL über die Abgabe einer 76 77 § 305b Abs. 2 S. 3 BGB ist im Diskussionsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes nicht enthalten. Hierbei handelt es sich wohl um einen redaktionellen Fehler, der durch das EGG korrigiert wurde. Vgl. oben § 4 I 2 lit. a), S. 292. 309 Bestellung um. § 305b Abs. 1 BGB-DisKE übernimmt die Verpflichtung, dem Nutzer angemessene, wirksame und zugängliche (technische) Mittel zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe dieser Eingabefehler vor der Abgabe der Bestellung erkennen und berichtigen kann. Insgesamt lehnt sich die Regelung in Aufbau und Wortlaut stark an die Art. 10 und 11 der Richtlinie an und übersetzt diese, abgesehen von gewissen sprachlichen Inkonsistenzen betreffend den Anwendungsbereich, in das deutsche Recht. Problematisch blieb die systematische Stellung der Regelung im Gesamtgefüge des revidierten BGB, insbesondere mit Blick auf den Fernabsatzvertrag. 4. Konsolidierte Fassung vom 6. März 2001 a) Hintergrund Nachdem der Diskussionsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, der seinerseits in weiten Partien mit den Ergebnissen der Schuldrechtsreformkommission übereinstimmte, heftige Kritik erfahren hatte78, wurden verschiedene, hochrangig besetzte Arbeitsgruppen gebildet. Diese sollten die kritischen Ansätze auf ihre Stichhaltigkeit überprüfen und ggf. in Verbesserungsvorschläge umsetzen. Die Ergebnisse ihrer Diskussionen, die sich das BMJ überwiegend zu eigen gemacht hat, liegen nun in Form einer „konsolidierten Fassung des Diskussionsentwurfs eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes“ vor (im folgenden: KF). Der Einstieg in eine Diskussion der einzelnen Verbesserungsvorschläge bzw. der nun vorliegenden konsolidierten Fassung wird dadurch erschwert, dass bei Vorstellung der konsolidierten Fassung noch keine Entwurfsbegründung vorliegt. Im übrigen fehlen auch die Protokolle über die Arbeitssitzungen der einzelnen Kommissionen. Die KF hält an den Leitideen des DiskE fest: Die umfassende Neustrukturierung des Verjährungsrechts, der grundlegende und konsequenzenreiche Systemwechsel im Allgemeinen Leistungsstörungsrecht, die dogmatisch wie praktisch einschneidenden Änderungen im Kauf- und Werkvertragsrecht und die Integration des AGBG sowie der wichtigsten Verbraucherschutzgesetze ins BGB. b) Zusätzliche Pflichten beim Vertragsschluss im elektronischen Geschäftsverkehr ( § 311f BGB-KF) Ein grundsätzliches Problem im Bereich der §§ 305 ff. BGB-KF ist die völlige Umgestaltung des Diskussionsentwurfs. Abschnitte und Untertitel sind jetzt – ohne Begründung – anders verteilt worden, was ein Nachvollziehen der Änderungen nicht einfach macht. Die Bestimmungen über Fernabsatzverträge wurden aus den §§ 477 78 Siehe die Beiträge des Symposiums „Schuldrechtsmodernisierung 2001“ vom 17./18.11.2000 in Regensburg, abgedruckt in: Ernst/Zimmermann, Schuldrechtsreform. 310 ff. DiskE – systematisch völlig zu Recht79 – nach vorne in den Abschnitt über Schuldverhältnisse gezogen. Die materiell-rechtlichen Bestimmungen über Fernabsatzverträge, über das Widerrufs- und Rückgaberecht des Verbraucher wurden neu geordnet und im Abschnitt 3 über „Schuldverhältnisse aus Verträgen“ unter dem Untertitel 2 („Pflichten beim Direktvertrieb von Waren- und Dienstleistungen“) in den §§ 311d – 312b BGB-KF einheitlich zusammengefasst. Nach §311d BGB-KF sind darunter alle Verträge zu verstehen, die im wesentlichen ausserhalb von Geschäftsräumen angebahnt und abgeschlossen werden, und durch die sich ein Unternehmer zur Lieferung von Waren oder zur Lieferung einer Dienstleistung verpflichtet. Die Verankerung des einheitlichen Widerrufs- und Rückgaberechts in den §§ 355 – 358 BGB bleibt auch in der konsolidierten Fassung bestehen. Insbesondere die eingangs dargestellte Regelung des § 305b BGB-DiskE über die elektronische Bestellung, die der Umsetzung von Art. 10, 11 der E-CommerceRichtlinie diente, ist in der konsolidierten Fassung nur schwer wiederzufinden. Der Entwurf schafft durch die Verschmelzung von Haustürwiderrufsgesetz, Fernabsatzgesetz und E-Commerce-Richtlinie ein schwer durchschaubares Regelungsgemisch. Systematisch wird durch das Abstellen auf den „Direktvertrieb“ das bisher klar handhabbare strenge Alternativverhältnis80 zwischen FernAbsG und HWiG (letzteres setzte die persönliche Anwesenheit voraus, die dem ersteren gerade abging) aufgehoben. Der Begriff „Direktvertrieb“ entstammt weder der E-Commerce-Richtlinie noch der Fernabsatzrichtlinie. Der bisherige § 305b BGBDiskE wird inhaltlich verändert nun von § 311f BGB-KF über die zusätzlichen Pflichten beim Vertragsschluss im elektronischen Geschäftsverkehr übernommen: § 311f Zusätzliche Pflichten beim Vertragsschluss im elektronischen Geschäftsverkehr 79 80 (1) Bedient sich der Unternehmer bei der Anbahnung oder dem Abschluss von Verträgen im Direktvertrieb eines Tele- oder Mediendienstes, hat er dem Verbraucher auch angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe der Verbraucher Eingabefehler vor Abgabe seiner auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung (Bestellung) erkennen und berichtigen kann. (2) Ferner hat der Unternehmer dem Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von dessen Bestellung klar und verständlich die in der Rechtsverordnung nach Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmten, den Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr betreffenden Informationen zu erteilen. (3) Der Unternehmer hat dem Verbraucher den Zugang der Bestellung unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen. Bestellung und Empfangsbestätigung gelten als zugegangen, wenn die Parteien, für die sie bestimmt sind, sie abrufen können. Pfeiffer in: Ernst/Zimmermann, Schuldrechtsreform, S. 520 f. Palandt-Heinrich