National, vom: Sonntag, 8. Februar 2015
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National, vom: Sonntag, 8. Februar 2015
Schweiz am Sonntag, Nr. 6, 8. Februar 2015 WIRTSCHAFT 23 | Shopping-Spreu trennt sich vom Weizen Neue Zahlen zeigen, dass B-Lagen stärker unter Druck geraten, während die Mieten an Haupteinkaufsstrassen hoch bleiben VON BENJAMIN WEINMANN ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● D ie Top-Einkaufsmeile in Zürich heisst Bahnhofstrasse, in Basel Freie Strasse. Hier tummeln sich Marken wie Tiffany, Louis Vuitton oder Apple. Doch ennet der Limmat beziehungsweise des Rheins gibt es zwei weitere Einkaufsquartiere, das Niederdorf und die Kleinbasler Altstadt. Hier sind die Schaufenster nicht mit Rolex-Uhren und Krokodilleder-Highheels dekoriert, sondern mit trendigen Sneakers, Shirts und Jeans. Jeder Meile ihr Publikum und ihre Mietpreise. Doch zuletzt bewegten sich diese auseinander, wie eine Auswertung des Immobilienberaters Wüest & Partner zeigt. «Das Delta zwischen solchen Aund B-Lagen ist in den letzten Jahren grösser geworden», sagt Robert Weinert von Wüest & Partner. «Die Spitzenmieten an Toplagen sind heute rund 35-mal höher als die mittleren schweizweiten Mieten für Verkaufsflächen.» Vor zehn Jahren betrug der Faktor erst 25. DAS NIEDERDORF und die Altstadt um die Clarastrasse sind Paradebeispiele für die Entwicklung. Vor allem im Zürcher Dörfli herrschte in den letzten Monaten ein Kommen und Gehen. Bamburi, Jamarico, Da Soul, Box, Soho, Misako oder Zwinglihalle sind nur ein paar der Shops, die die Altstadt verlassen haben. «Meistens trifft es die Kleinen, die still und leise verschwinden», sagt Detailhandelsexperte Thomas Hochreutener vom Marktforschungsunternehmen GfK. INSERAT Ein Grund für den Altstadt-Exodus: In Zürich sind viele neue Verkaufsflächen entstanden, wie das Sihlcity und die Europaallee, und Bahnhöfe haben ihre Shoppingflächen erweitert. Dies gelte für die ganze Schweiz, sagt Hochreutener, und dies obwohl der Markt gesättigt sei und die Leerstandsquoten zunehmen würden. Laut Wüest & Partner ist der mittlere Mietpreis der ausgeschriebenen Verkaufsflächen im Dörfli seit 2011 denn auch um 30 Prozent gesunken, vor allem weil derzeit mehr Flächen an schlechter frequentierten Lagen angeboten werden. Und an der Basler Clarastrasse, wo früher Warenhäuser wie Jelmoli grosse Flächen betrieben, dominieren heute Tiefpreisanbieter. Nebst den kleineren Boutiquen sagten auch Filialen bekannter Ketten dem Dörfli adieu – Modehändler wie Jeans & Co, Dosenbach, Sisley, Tom Tailor, Beach Mountain und Adidas. Das Traditionsschuhhaus Walder kehrte dem Quartier vor drei Jahren den Rücken. Laut Geschäftsführer Daniel Walder hat sich die Klientel verjüngt. «Das spürten wir, denn unsere Kundschaft ist eher über 30 Jahre alt.» Das Lokal wurde von der Marke Camper übernommen, die auf ein jüngeres Publikum zielt. onlineaffine Jungkundschaft flaniert wie die Generation vor ihr zwar gern durch die Innenstadt, verlässt die Geschäfte aber nicht immer mit vollen Einkaufstaschen. Viele nutzen die Boutiquen nur zur Inspiration und bestellen die Ware danach günstig auf Zalando. IMMOBILIENEXPERTE Marc-Christian Rie- be bestätigt die Verjüngung: «Frühere Kunden von Pop- und Rockboutiquen wie Jamarico oder Beach Mountain kaufen heute nicht mehr im Niederdörfli ihre Jeans, sondern auf der anderen Seite der Limmat bei Grieder oder Hugo Boss.» Das Problem: Die nachkommende, Reges Kommen und Gehen von Läden: Zürcher Niederdorf. KEYSTONE HINZU KOMMT die Währungssituation, die den Einkaufstourismus befeuert. Viele Händler seien deutlich zurückhaltender geworden, sagt Marc-Christian Riebe. «Für manche Lagen dauert die Suche länger als ein Jahr.» Manche Boutiquen würden wie in den letzten Krisenjahren aufgeben müssen, während internationale Ketten wie Victoria’s Secret oder Uniqlo weiter expandieren, sagt Riebe. Toplagen wie die Bahnhofstrasse oder die Freie Strasse seien weniger unter Druck. Verzeichnete Wüest & Partner rund um die Freie Strasse in Basel 2011 Spitzenmieten von rund 3000 Franken, betragen sie nun 3400 Franken. In Zürich sind es gar 8200 Franken. Milan Prenosil von der City Vereinigung Zürich und Chef der Confiserie Sprüngli spricht von «noch immer horrenden» Mietpreisen, die an Toplagen verlangt würden, während abgelegenere und vom Verkehr schlechter erschlossene Einkaufsstrassen unter Druck gerieten. Geht das Auseinanderdriften der Mieten an A- und B-Lagen also ungebremst weiter? Robert Weinert ist skeptisch, denn an vereinzelten Toplagen sei inzwischen ein gewisser Druck auf die Mietpreise spürbar. Ein Indiz dafür, dass Zalando früher oder später auch vor der Bahnhofstrasse nicht haltmacht.