Gründe gegen ECE

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Gründe gegen ECE
Die “Stadtgalerie Graz” am Hauptbahnhof
besser werden kann, egal was dort hingebaut wird.
Worum geht es?
Zum anderen sind es der Bürgermeister Nagl sowie fast alle
MandatarInnen des Gemeinderats (außer die Grünen), die sich
verschiedene Vorteile für Graz von diesem Projekt erhoffen (auf
die erhofften Vorteile gehen wir weiter unten noch ein).
Das Hamburger Unternehmen ECE Projektmanagement GmbH &
Co. KG plant, ein riesiges Einkaufszentrum am Grazer Hauptbahnhof an die Stelle von Leiner und C&A hinzustellen. Die derzeitige Verkaufsfläche beträgt rund 25.000 qm, geplant sind
55.000 qm. 130 Geschäfte sollen in der “Stadtgalerie Graz” Platz
finden.
Wie aber soll ein so riesiges Einkaufszentrum in solch eine
relativ kleine Fläche hineingequetscht werden? Nun, von
“hineinquetschen” kann gar nicht die Rede sein, denn es soll für
dieses Bauvorhaben Platz gemacht werden. Die kleine Gasse
zwischen Leiner und dem C&A (Traungauergasse) wird komplett
verschwinden, Teile der Niesenbergergasse (dort, wo das AMS
am Bahnhofsgürtel ist) werden ebenfalls einverleibt. Ein großes
Areal hinter dem Leiner, das größer ist, als heute noch C&A und
Leiner zusammen, wird ebenfalls von diesem neuen “Koloss von
Graz” aufgesogen.
Nicht die ganze Fläche soll allerdings in Verkaufsfläche
umgewandelt werden, sondern die Kundschaft soll ja mit dem
Auto kommen und dort problemlos einen Parkplatz finden
können. Das Einkaufszentrum ohne zugehörigem Parkhaus wäre
undenkbar.
Es wird angenommen, daß durch die “Stadtgalerie Graz” etwa
850 Arbeitsplätze geschaffen werden, ebenso geht Stadtrat
Gerhard Rüsch (in einem Interview vom 3.Dez.2006) davon aus,
daß der Verkehr am Bahnhofsgürtel um 10 – 20% zunehmen
wird.
Der Hauptinteressent ist aber ein Herr Alexander Otto aus
Hamburg, der dieses Projekt geplant hat. Er ist der
Geschäftsführer und Inhaber der ECE Projektmanagement
GmbH & Co. KG und hat bereits 97 solcher MegaEinkaufszentren in europäischen Städten errichtet. Das
Hamburger ECE ist der Marktführer im Bereich Einkaufszentren
und setzt mit diesen Zentren etwa 12 Mrd Euro um. Und nun soll
Graz drankommen.
Wem nützt das ECE bzw. die Stadtgalerie?
Als erstes sind natürlich Herr Alexander Otto (ja - er ist der Sohn
des Gründers des Otto-Versands) und sein ECE zu nennen. Er
führt sein Konzept schon seit Jahren sehr erfolgreich durch und
verdient daran nicht schlecht.
Fast alle MandatarInnen des Gemeinderats glauben, Graz durch
solch ein Einkaufszentrum “aufwerten” zu können. Die
erwarteten Umsätze täten der Stadt Graz sicherlich gut, meinen
diese Damen und Herren. Neben dem materiellen Gewinn
erhoffen sie sich einen Imagegewinn für die Stadt Graz und eine
Wiederbelebung der Annenstraße.
Es gibt mehrere Interessentengruppen:
Sollte das Konzept des Herrn Otto aufgehen und viele Grazer/innen sowie viele KäuferInnen aus dem Umland ihre Einkäufe
zukünftig eher hier als in den anderen schon vorhandenen
Einkaufszentren tätigen, dann würden die sich hier ansiedelnden
Geschäfte profitieren. Wer einkaufen möchte, muß nicht von
Geschäft zu Geschäft gehen bzw. fahren, sondern kann alles
bequem in diesem riesigen Einkaufstempel erledigen und
danach ebenso bequem nachhause fahren.
Zum einen sind es Grazer BürgerInnen, die meinen, daß die
Ecke am Bahnhofplatz eh schon so häßlich ist, daß es nur noch
Wenn das Konzept des Herrn Otto wirklich aufgehen sollte, dann
würden vermutlich an die 850 neue Arbeitsplätze geschaffen
Wer will das ECE bzw. die Stadtgalerie?
(auf diese Behauptung gehen wir auch noch weiter unten ein).
Somit würde die neue “Stadtgalerie Graz” auch den
DienstnehmerInnen zum Vorteil gereichen.
Die Grazer BürgerInnen... ja, haben sie wirklich einen Vorteil?
Alles an einem Platz zu haben klingt ja wirklich sehr gut, aber
erinnert das nicht ein bißchen an den Citypark, an Seiersberg,
den Murpark, an Center West und an das Center Nord? Was ist
denn hier das wirklich Neue? Neu ist nur, daß wir das, was wir
bisher in all den genannten Einkaufszentren erledigen konnten,
nun endlich auch zusätzlich am Bahnhofsgürtel erledigen
können. Darauf hat Graz nur gewartet!
Wem schadet die neue “Stadtgalerie Graz”?
Sicherlich schadet diese neue Stadtgalerie nicht allen Grazer
BürgerInnen, denn diejenigen, die weder in der Nähe des
Bahnhofgürtels arbeiten noch dort wohnen, werden von den
Nachteilen nicht unmittelbar betroffen sein. Zu dieser Gruppe
gehören sicherlich sehr viele MandatarInnen des Grazer
Gemeinderats, die eher in den grünen Randzonen der Stadt ihr
Haus haben.
Stadtrat Gerhard Rüsch (ein Befürworter der Stadtgalerie)
erwartet eine Steigerung des Verkehrsaufkommens um etwas 10
– 20% laut einem Interview vom 3.Dez.2006. Wie bitte - eine
Steigerung?! Haben wir die Feinstaubdiskussion in Graz
inzwischen völlig vergessen? Ist das Problem denn bereits
grundsätzlich gelöst? Graz gehört zu den am stärksten
belasteten Städten Österreichs, Fahrverbote bei Überschreitung
der Emissionsgrenzwerte sind geplant und sind in der Schublade
des Herrn Bürgermeister Nagl, der diese Schublade inzwischen
fest “vernaglt” hat, denn die Grenzwerte wurden schon oft
überschritten – aber Herr Nagl wartet lieber noch ab. Nein, er
wartet lieber nicht mehr, sondern setzt sich sogar indirekt für die
Steigerung des Verkehrsaufkommens ein, 10 – 20% werden es
sein dürfen. Wer bietet mehr? Asthma bei Kindern? Ach ja, da
war doch was...
Aber mal abgesehen von so nebensächlichen Problemen wie
dem Feinstaub (der ist doch fein, gell?): Der Bahnhofsgürtel und
die Triesterstraße sind bereits bis an ihre Kapazität ausgelastet.
Wenn Das Konzept des Herrn Otto tatsächlich aufgehen sollte,
dann würden sich an Samstagen ganze Verkehrstströme in die
Innenstadt von Graz ergießen. Nur ein begrenztes Problem der
AnrainerInnen? Der Gemeinderat hat über eine bauliche
Veränderung der Kreuzung Josef-Huber-Gasse und Bahnhofgürtel
nachgedacht. Nun werden sich die Autos nicht einfach aus dem
Nichts an dieser Kreuzung materialisieren, sondern werden vom
Griesplatz und durch die eh schon stark befahrene
Rösselmühlgasse die Josef-Huber-Gasse hinauffahren. Und wie
kommen sie zum Griesplatz? Zum Beispiel über die
Radezkybrücke. Die Keplerstraße wird sicherlich auch ein
brauchbarer Zubringer werden. Wenn datt man gut geht, Herr
Otto...
War das alles? Nur ein bißchen mehr feiner Staub und Verkehr?
Nein, da kommt noch einiges auf uns zu: Die Annenstraße soll ja
angeblich aufgewertet werden und an der Sogwirkung des
“Koloss von Graz” partizipieren. Aber mal ehrlich: Wer würde,
wenn er/sie alles in der Stadtgalerie kaufen kann, dieses
Einkaufszentrum verlassen, nur um “die Annenstraße
wiederzubeleben”? Wenn es regnet? Naa, liaber nääd. Wenn es
kalt ist? Naa, donn aah eher nääd. Wann denn und wozu
überhaupt?! Ok: Eingekauft wird also in der Stadtgalerie,
wiederbelebt wird hingegen in der Annenstraße
(Erstehilfekurse können Sie beim Bürgermeister Nagl
beantragen). Ausführlich werden wir auf diese Auswirkung unter
der Überschrift “Was spricht gegen das ECE?” eingehen, denn
dazu ist noch Einiges zu sagen!
So, und nun zu den 850 neuen Jobs: Es mag ja durchaus sein,
daß da einige neue Jobs entstehen, dies sei hier keineswegs in
Abrede gestellt. Aber von den 850 DienstnehmerInnen werden
viele einfach anstatt in der Annenpassage, in der Annenstraße
oder sonst irgendwo in Graz nun in der Stadtgalerie arbeiten.
Der Arbeitsplatz wird verlagert, aber von einer Schaffung von
850 wirklich neuen (zusätzlichen!) Stellen wird kaum die Rede
sein können.
In der Grazer Innenstadt werden viele EinzelhändlerInnen
Umsatzeinbußen hinnehmen müssen und Personal reduzieren
(oder kaufen Sie etwa aus Nächstenliebe eine zweite Jeans in der
Grazer Innenstadt, wenn Sie bereits eine in der Stadtgalerie
gekauft haben? Wohl eher nicht...). Manche Geschäfte werden
ersatzlos dicht machen, einige werden in die Stadtgalerie
umsiedeln. Wieviel wirklich zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen
werden, werden wir erst einige Zeit später ermitteln können.
Und wenn wir dann ernüchtert sind? Herrn Otto fragen?
Hmmm.... der wohnt zuweilen in Hamburg, mal in New York – für
unsere Fragen wird er da dann wohl keine Zeit haben – zu busy,
denn er plant ja gerade neue Einkaufstempel...
Ja, und was geht uns der Grazer Einzelhandel an? Was haben
denn wir von deren Umsätzen? Kann es uns nicht egal sein, wer
den Umsatz macht? Vordergründig betrachtet ist dieser Einwand
sicherlich berechtigt – aber nur vordergründig. In Hamburg –
dort, wo Herr Otto herkommt – gibt es eine große
Einkaufsstraße, die Mönkebergstraße. Sie liegt mitten im
Zentrum der Hamburger Innenstadt, führt an zwei großen alten
gothischen Kirchen vorbei und war vor inzwischen sehr sehr
langer Zeit eine normale bewohnte Straße. Auch heute noch ist
sie ab morgens 9 Uhr bis abends 20 Uhr belebt, weil die Leute
dorthin zum einkaufen kommen – aber nach Ladenschluß
werden dort die “Gehsteige hochgeklappt” und die Hamburger
Innenstadt (und nicht nur die Mönkebergstraße!) ist weitgehend
ausgestorben. Warum? Ganz einfach: Es gibt dort inzwischen nur
noch Kaufhäuser, Geschäfte und Bürogebäude. AnwohnerInnen
gibt es dort, wo einstmals das Zentrum der Hamburger Altstadt
war, nur noch vereinzelt.
Ein klein wenig kennen wir es ja auch von der Herrengasse in
Graz. Daß die Grazer Innenstadt abends noch nicht tot ist, liegt
vor allem daran, daß in all den umliegenden Gassen so viele
Restaurants, Wirtschaften und Cafés gibt, wo wir uns mit
Freunden, Freundinnen und Bekannten nach der Arbeit gerne
treffen. Aber in der Annenstraße? Tja, da gibt es das Kino
Annenhof, und gleich nebenan eine wunderbare Jazzkneipe, aber
so richtig viel Leben gibt es in der Annenstraße nur noch in der
Nähe des Südtiroler Platzes. Es ist abzusehen, daß trotz
gegenteiliger Beteuerungen die neue Stadtgalerie der
Annenstraße “den Rest” geben wird. Aber sicherlich wird nicht
nur die Annenstraße von dieser Stadtgalerie ausgesogen, viele
kleinere Geschäfte in der Innenstadt werden zumindest
ordentliche Umsatzeinbußen hinnehmen müßen.
Wenn abends die Stadtgalerie schließt, wird die Annenstraße
schließen. Graz gehört nicht den Damen und Herren im
Gemeinderat, sie gehört auch nicht dem Hamburger ECEKonzern, sondern Graz gehört uns, den GrazerInnen. Stellen wir
uns so ein Sanierungskonzept der Annenstraße vor? Oder ist es
uns eh “Blunz'n”, was mit unserer Stadt geschieht?
Und um nicht mißverstanden zu werden: Es geht letztenendes
nicht allein um die Annenstraße, sondern um das, was schon
deslängeren mit Graz gemacht wird. Stadtentwicklungskonzepte,
wie sie in den 70er Jahren vertreten wurden (Wirtschaft um
jeden Preis ankurbeln) und in Deutschland längst als überholt
erkannt wurden, werden hier noch immer als Segen für Stadt
und BürgerInnen gepriesen.
Was spricht gegen die Stadtgalerie?
An diesem Punkt müssen wir ein bißchen weiter ausholen, denn
unsere Ablehnung der Stadtgalerie – zumindest so, wie sie
geplant wird – betrifft, wie oben bereits gesagt, nicht allein die
Stadtgalerie. Um eine Antwort auf die Frage, was gegen die
Stadtgalerie spreche, geben zu können, müssen wir uns zuvor
mal fragen, was für ein Graz wir denn eigentlich wollen. Was
mögen wir an Graz, was gefällt uns an unserer Stadt und was
wollen wir erhalten, bewahrt und sogar gefördert wissen? Was
sollte an unserer Stadt geändert werden, um eben das, was wir
an Graz lieben, eher zu verstärken als zu zerstören? Und welche
Entwicklung soll unsere Stadt lieber nicht nehmen? Solche
Fragen stellt man sich nicht jeden Tag, denn die Stadt, in der
man lebt, ist ja kein Schrebergarten, den man nach Belieben (in
einem gewissen Rahmen zumindest) gestalten kann. Ja, und
leider gehört es ja auch nicht zu unserer Kultur, daß wir
aufgefordert werden, unseren Lebensraum – die Stadt –
mitzugestalten. Das machen “Andere”. Andere, die dafür
zuständig und verantwortlich sind. Vielleicht sollte sich zu
allererst hier etwas ändern – vielleicht auch unsere
Denkgewohnheiten?! Wer nie “nein!” sagt, den fragt man
irgendwann überhaupt nicht mehr...
Zurück zur Frage: Wie soll unsere Stadt in Zukunft aussehen?
Als erstes sei auf eine Selbstverständlichkeit hingewiesen, die so
selbstverständlich ist, daß man über sie nicht mehr nachdenkt
und aus dem Auge verloren hat: Wir Menschen leben heutzutage
nicht mehr vorrangig in Wäldern, Savannen, auf Bergen oder in
Wüsten. Unser Lebensraum ist vorrangig die Stadt. Unser Leben
spielt sich zum großen Teil in Städten oder an den Rändern von
Städten ab. Und unsere Lebensqualität hängt sehr direkt davon
ab, wie dieser unser Lebensraum gestaltet ist.
Wir Menschen haben verschiedene Bedürfnisse und diesen
Bedürfnissen entsprechend sind die Städte zu gestalten: Wir
brauchen Raum zum Wohnen, zum Spielen, wir wollen unsere
Einkäufe erledigen können, wir haben kulturelle Bedürfnisse,
wollen die Stadt auch als Freizeitbereich in verschiedenster
Weise nutzen können.
In früheren Zeiten war es ja so, daß dies alles auf engem Raum
innerhalb derselben Straßen und Gassen möglich war. Man
wohnte dort, wo man arbeitete, lebte in und auf der Straße und
in diesem Viertel. Man konnte dort in der Nähe einkaufen, sich
mit Bekannten treffen und die Freizeit miteinander verbringen.
Diese Zeiten sind durch die Industrialisierung unwiederbringlich
vergangen. Wer möchte heute ein Kernkraftwerk, einen
Flughafen oder einen Fahrzeughersteller in unmittelbarer
Nachbarschaft haben? Die Dimensionen sind gewachsen, was
vor Jahrhunderten als groß, hoch oder weit gegolten hat,
empfinden wir heute als klein, niedlich und idyllisch. Ja, und
auch die Entfernungen sind größer geworden. Ein Anfahrtsweg
von 30, 40 km ist heute keine besondere Sache mehr – zu Zeiten
Mozarts wäre dies eine ganze Tagesreise gewesen!
Ja, und so haben sich unsere Städte dahingehend entwickelt,
daß es separate Wohngebiete, Einkaufsstraßen, Freizeit- bzw.
Naherholungsgebiete, Industriegebiete (“Industrieparks”!) usw.
gibt. Städte zerfielen in funktionale Einheiten – Graz viel weniger
als z.B. Hamburg oder München. Teilweise ist dies eine reine Notwendigkeit, aber zum Teil spiegelt sich hier auch der Umstand
wider, daß Mobilität relativ billig war und daß die Auswirkung auf
die Umwelt selbst bei PolitikerInnen und Wissenschaftlern einfach kein Thema war. Aber aus Schaden wurde man klug...
Die Kosten der Mobilität
Heute werden uns die Kosten der Mobilität bewußt, und neben
Verkehrsproblemen, Umwelt- bzw. Gesundheitsproblemen
kommt nun in jüngster Zeit ein weiteres (schon längst
vorausgesagtes) Problem zu, auf das wir als vernunftbegabte
Wesen am sensibelsten reagieren: Unser “Göjddoscherl”. Es war
schon immer klar, daß wenn man etwas verbraucht, es immer
weniger wird. Daß jedoch der Mensch schier unendliche
Bodenschätze und Erdölvorkommen eines Tages aufbrauchen
können wird, war noch in den 60er Jahren des letzten
Jahrhunderts den meisten Menschen kaum vorstellbar gewesen.
Aber wir sind dabei, es zu schaffen! Erdöl wird nicht mehr
billiger. Es werden - hoffentlich bald! - eines Tages alternative
Energieträger das Erdöl im Bereich der Mobilität ersetzen, aber
diese Alternativen werden sich eben nur deshalb rechnen, weil
das Erdöl so furchtbar teuer werden wird und nicht, weil wir
einen “Trick” finden, wie wir Energie wieder billig herstellen
können. Das Zeitalter des billigen Treibstoffes geht unweigerlich
zuende, wir erleben gerade Geschichte! Aber damit neigt sich
auch das Zeitalter der nahezu unbegrenzten Mobilität dem Ende
zu. Städte werden wieder ökonomischer konzipiert werden
müssen, und erfreulicherweise werden diesmal ökonomische und
ökologische Interessen zusammentreffen.
Wie lange braucht der Mensch als vernunftbegabtes Wesen, um
auf solche sich abzeichnenden Veränderungen zu reagieren?
Wenn wir unsere Kinder warnen, den Ofen nicht anzufassen, weil
er heiß sei, so sind die Kinder ganz heiß darauf, den Ofen
anzufassen. In Kurven, vor denen mit einem Verkehrsschild
gewarnt wird, finden die meisten Unfälle statt. Bis wir nicht an
Kehlkopfkrebs erkranken, sind und bleiben wir empört, daß man
uns das Rauchen in den Wirtschaften untersagt. Mit anderen
Worten: Es ist wohl kaum damit zu rechnen, daß unsere
gewählten VertreterInnen, in denen sich ja all unsere eigenen
Eigenschaften potenzieren, sehr viel vorausschauender agieren
werden – das war immer schon so, das bleibt so – wo kämen wir
sonst hin?
Die Stadtgalerie soll möglichst große Käuferschichten aus dem
Umland zum Bahnhofsgürtel locken. Ach ja – wir haben ja da den
Bahnhof! Bingo – Problem gelöst! Wenn es so teuer wird, daß
man es sich dreimal überlegt, ob man 15 oder 20 km mit dem
Auto nach Graz fährt, bietet sich ja der öffentliche Nahverkehr
an! Und die ÖBB betreibt ihre Züge mit Donau- oder Murwasser...
Nein – das Problem der steigenden Kosten der Mobilität läßt sich
so auch nicht umgehen; Verkehrsvermeidung durch Dezentralisierung wird in etwa zwei Generationen als die völlig logische
Antwort auf die Verteuerung der Energieträger angesehen
werden. Aber im Augenblick planen wir unsere Städte noch für
eine Welt von gestern.
Und würden die KäuferInnen gerne am Samstag mit der Bahn
zum Einkaufen kommen? Nein, so wird es wohl nicht kommen.
BürgerInnen aus dem südlichen Umland werden sicherlich aus
Neugierde bei der Eröffnung der Stadtgalerie in die Stadt hineinkommen, aber sie werden auch weiterhin in Seiersberg ihre Einkäufe erledigen. Denjenigen, die sich weiter in die Stadt hineinbegeben wollen, bietet sich gleich das Center West am Weblinger Gürtel an, und wer noch immer nicht genug hat, kann bis
zum Citypark (in der Triesterstraße/Lazarettgürtel) fahren.
Warum dann den quälenden Rest zum Bahnhof noch auf sich
nehmen? Insbesondere, wenn der Verkehr tatsächlich um 20%
zunehmen sollte? Es sieht fast so aus, als ob die PlanerInnen
manche Faktoren nicht berücksichtigt haben oder aufgrund eines
“erkenntnisleitenden Interesses” diese Faktoren nicht sehen
wollen.
“Weiche” Standortfaktoren
Aber nicht nur ökonomische Gründe werden uns zwingen, umzudenken. Die “Funktionale Einheiten” unserer Städte – zum
Beispiel die Wohngebiete – wurden vorrangig nach ökonomischen Kriterien geplant. In Wohngebieten wird nur noch gewohnt, das Leben findet vorrangig in den Wohnungen statt. Platz
für Kommunikation, zum Spielen und Freizeit ist nicht mehr als
integraler Bestandteil unseres Lebensraums vorgesehen. Früher
waren Gasse und Plätze Lebensraum und der Ort der Kommunikation. Heute findet Kommunikation eher im Handynetz
statt. Anstatt ein “Biotop” (Lebensraum) zu sein, werden ehemals wichtige Teile von Städten nur noch zu “funktionalen
Modulen” degradiert.
Die Stadt als unserer Lebensraum kann durchaus mit natürlichen
Biotopen verglichen werden: Sobald ein Biotop seine Diversität
verliert und zur Monokultur wird, verliert es an Widerstandskraft
und erkrankt. Man kennt ja die ökologisch bedenkliche Wirkung
solcher Monokulturen: Wälder sind kaum noch widerstandsfähig
gegen Stürme, Böden werden einseitig ausgelaugt, der
Wasserspiegel sinkt mit der Zeit ab. Inzwischen werden wieder
vermehrt Mischwälder angepflanzt, weil eingesehen wurde, daß
eine primär auf wirtschaftliche Belange zurechtgestutzte Natur
gerade auch den ökonomischen Interessen zuwiderläuft, da sie
der Natur Schaden zufügt.
Ähnlich läuft es in unseren Städten ab: Dem Faktor
“Wirtschaftsstandort” wird eine derart dominante Rolle
zugewiesen, daß Teile von Städten regelrecht zu “Wohn- und
Geldmaschinen” umfunktioniert werden. Innenstädte werden zu
Einkaufsmeilen, die abends fast ausgestorben sind und in denen
niemand mehr wohnen will. Wohngegenden gerade in größeren
Städten, die vorrangig nach ökonomischen Kriterien errichtet
wurden (Plattenbausiedlungen) sind nicht nur langweilig,
sondern erzeugen Aggressionen und werden so zu “sozialen
Brennpunkten”. Natürlich läßt sich eine friedliche Gesellschaft
nicht “herbeibauen”, aber eine unfriedliche sehr wohl! Wenn
auch die Faktoren vielfältig sind, die Stadtteile zu sozialen
Brennpunkten machen, so fällt es dennoch auf, daß es nahezu
immer jene Stadtteile sind, die zu reinen “Wohnmaschinen”
verkommen sind oder als solche bereits geplant waren.
Dabei ist den Verantwortlichen intuitiv bewußt, was eine Stadt
l(i)ebenswert macht; ich zitiere hier Herrn Bürgermeister Nagl's
Grußwort in einem Grazer Stadtführer (Erscheinungsjahr
unbekannt):
“Entdecken Sie Graz! Lassen Sie sich vom Zauber
jahrhundertealter Stadtgeschichte beeindrucken, erleben Sie das
reizvolle Zusammenspiel zwischen historischer und moderner
Baukunst, genießen Sie südländisches Flair und steirische
Lebensart... Graz ist eine Gartenstadt. Überall lugen kleinere und
größere “grüne Lungen” aus dem Häusermeer... doch wer das
Herz der steirischen Landeshauptstadt wirklich schlagen hören
möchte, sollte sich auf die Beine machen: Wie sonst könnte man
das südliche Flair und herrliche Altstadt mit den bezaubernden
Gässchen und Plätzen besser auf sich wirken lassen?...”.
Ja, wenn wir unseren Urlaub verbringen, suchen wir
normalerweise auch nicht die Plattenbausiedlungen anderer
Großstädte auf. Auch wir wissen, wie Städte aussehen, die wir
als angenehm empfinden. Herrn Nagl, aber auch Herrn Otto und
vielen anderen MandatarInnen des Gemeinderats ist bewußt, mit
welchen “Pfunden” Graz wuchern kann. Leider hat man sich
gerade da an eine “Abspeck-Kur” gemacht. Neue Gebäude
müßen sich keineswegs mehr ins umgebende Stadtbild
harmonisch einfügen (auch neue Architektur kann sich friedlich
mit dem vorhandenen Ensemble vertragen – aber das stellt
besondere Anforderungen an die Kreativität der Architekten und
den Gestaltungswillen von Bauherren), wie wir es in der
Grazbachgasse oder in der Münzgrabenstraße (neues Parkhaus)
erneut vorgeführt bekommen. Graz wird allmählich, aber mehr
und mehr zu einer “Allerweltsstadt”, beliebig austauschbar mit
anderen europäischen Großstädten.
Es ist durchaus fraglich, ob die einseitige Orientierung an der
ökonomischen Nutzbarkeit von Lebensraum einem langfristigökonomischen Interesse zuträglich ist und ob die Schaffung von
“funktionalen Monokulturen” überhaupt notwendig ist, um die
Stadt als Wirtschaftsraum zu fördern. Inwiefern dienen tote
Innenstädte dem wirtschaftlichen Wohlstand einer Stadt? Oft
werden aufwändig Fehlentwicklungen mit Mitteln korrigiert, die
dann oftmals die Geschädigten (die SteuerzahlerInnen)
aufzubringen haben. Die Gewinne verbleiben normalerweise
beim “Schädiger”, da dieser ja im Rahmen jener rechtlichen
Möglichkeiten, die von politischen AmtsträgerInnen zugestanden
wurden, gehandelt hat. In der Wirtschaft nennt man dies:
“Externalisierung”.
Wer baut, gestaltet den Lebensraum der Anderen mit.
Unabhängig von der bloß juristischen Frage, ob alles gemäß der
Baurechtsordnung korrekt durchgeführt wird, trägt ein Bauherr
eines so großen Projekts wie im Falle der geplanten Stadtgalerie
eine Verantwortung, die er nicht einfach mit dem Hinweis der
Bestätigung durch den Gemeinderat von sich abwälzen kann. Für
alles, was wir freiwillig tun, tragen wir auch persönlich die
Verantwortung – insbesondere für die Folgen unserer
Entscheidungen. Graz wird zwar vom Gemeinderat verwaltet,
aber Graz gehört nicht dem Gemeinderat. Graz gehört als
Lebensraum allen GrazerInnen. Und es ist die Frage zu stellen,
was für ein Graz wir GrazerInnen uns wünschen.
Was wollen wir – und was nicht?
Wir vertreten auf keinen Fall die Position, daß alles so bleiben
muß, wie es ist. Veränderungen sind nicht schlecht per se. Eine
Umgestaltung des Bahnhofplatzes ist durchaus wünschenswert,
denn der Bahnhofplatz gehört sicherlich nicht zu den
städtebaulichen Highlights von Graz.
Somit treten wir eben nicht für die bloße Erhaltung des
Status Quo ein, sondern gerade für ein grundsätzliches
Umdenken im städtebauplanerischen Handeln und
Entscheiden jener, die von Amts wegen befugt sind,
Entscheidungen über die Gestaltung unserer Stadt zu treffen.
Wir setzen uns daher auch keineswegs für die Erhaltung von
Leiner und C&A ein, eine Neugestaltung kann für Graz (und nicht
nur für Herrn Otto) ja durchaus von Gewinn sein.
Unsere Vision ist, die Stadt Graz gerade als Lebensraum
bewußter zu planen und zu gestalten. Die Annenstraße braucht
ja in der Tat eine Revitalisierung – und nicht einen Todesstoß!
Vorschläge zur Revitalisierung werden weiter unten folgen.
Die Annenstraße ist eine wichtige Achse vom Hauptbahnhof zum
Südtiroler Platz und von dort in die Grazer Altstadt. Noch ist in
der Annenstraße viel alte und erhaltenswerte Bausubstanz
vorhanden. Wir müßen jetzt endlich entscheiden, in welche
Richtung die Entwicklung gehen soll: Soll erhalten bleiben, was
erhaltens- und liebenswert an Graz ist, oder soll Graz nach
Vorbild anderer Großstädte sein “südliches Flair” (Sigfried Nagl)
verlieren und eine beliebig austauschbare Großstadtatmosphäre
bekommen? Die geplante Stadtgalerie wäre ein weiterer
Meilenstein in die falsche Richtung. Jedes neue Gebäude ist
vergleichbar mit einem Mosaikstein. Das Gesamtbild besteht ja
aus vielen einzelnen Steinen. Was für ein Gesamtbild streben wir
aber an? Und was wollen wir unbedingt erhalten?
Wir vermuten, daß sich nicht Bösartigkeit, sondern nur pure
Gedankenlosigkeit diesen Fragen noch nicht ernsthaft gestellt
hat und die Folgen der eigenen Entscheidungen nicht bedenkt.
Aber was einmal zerstört ist, ist unwiederbringlich verloren! Wir
haben Graz von unseren Vorfahren übernommen und geben sie
an unsere Nachfahren weiter. Haben wir das Recht, diesen
Nachfahren wegzunehmen, was wir heute noch selber in
Hochglanzbroschüren als das “Flair von Graz” anpreisen und
genießen?
Eine sensible Umgestaltung der Ecke
Eggenbergergürtel/Annenstraße in bewußter Harmonie
mit dem, was in der Annenstraße an Altem noch
vorhanden ist und dieses Flair wieder betont (ja, auch neue
Archtitektur kann das!) könnte dieses neue Bauwerk zum “Tor
zur Grazer Altstadt” machen. Dazu reicht allerdings nicht, die
Fassade umzugestalten. Dimension und Zweck der Stadtgalerie
müßten völlig umkonzipiert werden, um eine wirkliche Harmonie
mit der bestehenden Infrastruktur der Annenstraße herzustellen.
Einfach nur ein Mehr von dem, was in Graz eh schon im Überfluß
vorhanden ist (Kleidungsgeschäfte, Gastronomie, Supermärkte
usw.) ist keine wirkliche Bereicherung der Annenstraße. Hier
müßte ernsthaft gefragt werden, was entweder fehlt oder
ergänzungsbedürftig ist. Das kann sicherlich nicht in ein paar
Stunden ermittelt werden. Hier ist echte Kreativität gefragt!
Vorschläge für die Annenstraße
Konkrete Vorschläge auszuarbeiten bedarf eines großen Teams,
das alle Betroffenen und Interessierte einschließt. Auch Sachund Fachkenntnis sind hierzu erforderlich. Daher sind folgende
Vorschläge wirklich als nichts anderes als eine
Diskussionsgrundlage zu verstehen, als ein “Steinbruch an
Ideen”, aus dem man sich passender “Brocken” bedienen kann.
Zusätzliche Vorschläge sind herzlich willkommen!
Da Graz mit Kleidungsfachgeschäften und Supermärkten
geradezu schon überversorgt ist, würde man “Eulen nach Athen
tragen”, wenn man versuchen wollte, die Annenstraße mit
weiteren Geschäftsansiedlungen dieser Art aufzuwerten. Wer
würde auch zu Fuß (oder der “Bim”) von der Innenstadt in die
Annenstraße gehen, um dort nach einer Jacke oder einer Bluse
zu schauen, wenn man eh von Läden dieser Art im überreichen
Ausmaß umgeben ist?
Das Kino Annenhof zieht ja durchaus Leute auch abends noch in
die Annenstraße, das Orpheum liegt in unmittelbarer Nähe und
möglicherweise würde sie ein weiteres Kino oder eine
Kleinkunstbühne (Kabarett) verkraften. Und wohin geht man
danach? “Zu Dir oder zu mir?”. Weder noch - in die Annenstraße!
Die Mischung aus Freizeitangebot (ohne Sportwettcafés!)
und Kneipen könnten durchaus einer Wiederbelebung der
Annenstraße förderlich sein.
Aber wer würde bereit sein, die “Pionierarbeit” zu leisten und
sich in der Annenstraße anzusiedeln? Hier könnte die Stadt für
Anreize sorgen: Wie wäre es mit einer sehr deutlichen
Reduzierung von Steuern und Abgaben für Betriebe definierter
Art für einen festgelegten Zeitraum? Ja, aber da ist noch ein
“Pferdefuß”: In der Annestraße kann man schlecht parken...
Stimmt - aber wie wäre es mit einem Abendfreizeitticket für
Busse und Straßenbahnen innerhalb von Graz von (z.B.)
18:30 – 1:30 Uhr für nur 1 Euro? Wer wäre noch so blöd, sich mit
dem Auto ins Großstadtgetümmel zu stürzen, wenn man
innerhalb dieses Zeitraums für nur einen Euro unterwegs sein
könnte?! Und was sagt die GVB dazu? Hierzu müßte natürlich
ermittelt werden, wie stark die Straßenbahnen und Busse
abends noch ausgelastet sind. Sicherlich wäre es günstiger, viele
Fahrgäste für wenig Geld zu befördern als fast keine Fahrgäste
für einen “kostendeckenden” Preis.
Das Ganze wäre nur als “Anschubfinanzierung” zu verstehen,
denn sobald die Annenstraße wieder auch zum abendlichen
Lebensraum geworden ist, sollte sie ein “Selbstläufer” sein.
Ist ein Kompromiß möglich?
Diese Frage kann nur von Herrn Otto und der ECE
Projektmanagement GmbH & Co. KG beantwortet werden. Wir
befürchten, daß ein Kompromiß eher abgelehnt wird, da zum
Grundkonzept der ECE die schiere Größe der Einkaufstempel
sowie ihre zentrale Stadtlage gehört. Die ECE-Einkaufszentren
sollen ja nicht ein bloßer “Warenumschlagplatz” sein, sondern
den KundInnen ein Einkaufserlebnis vermitteln. Es soll ja so
etwas, was früher die Funktion eines Marktplatzes war, in
zeitgemäßer Form hergestellt werden. In der Stadtgalerie trifft
man sich auf einen Kaffee, schaut sich flanierend nach Waren
um, vergleicht Preise und fährt dann wieder heim. Allein diese
Grundidee macht aber schon klar, daß einer Wiederbelebung der
Annenstraße kaum noch Chancen einzuräumen sind.
Unsere Vorstellung von Graz als l(i)ebenswerte Stadt und der
Stadt als Lebensraum des Menschen einerseits und der
einseitigen Förderung der Stadt als “Geldmaschine” sind
zueinander nicht kompatibel.
Herr Otto müßte dann aber sein Grundkonzept komplett
überdenken und sich in die Lage und Bedürfnisse der
BewohnerInnen der Stadt hineinversetzen (er wohnt sicherlich in
einem Anwesen an der Außenalster, an der Elbe oder in
Hamburg-Aumühle, wo sich die “Oberen Zehntausend” zurückgezogen haben. Da sieht man die Dinge halt anders!). Ob er
dazu bereit wäre? Auf Kosten der geplanten Umsätze?
Es ist zu befürchten, daß unsere Anliegen keine Resonanz bei
Herrn Otto finden werden. Gesprächsbereitschaft wollen wir auf
jeden Fall signalisieren, denn wir wollen den Status Quo ja
keineswegs verteidigen.
Eine grundsätzliche Änderung des Konzepts der Stadtgalerie
würde wahrscheinlich sogar in wirtschaftlicher Hinsicht Sinn
machen, denn viele KäuferInnen, die von außerhalb kommen
und bisher in den Shopping Centers am Rande der Stadt
eingekauft haben, werden sich wohl kaum den Streß antun und
zum Grazer Bahnhof fahren, während sie die bereits
vorhandenen Shopping Center verkehrsmäßig viel leichter
erreichen können. Sie müßen ja ohnehin an den bestehenden
Shopping Centers vorbeifahren, um zur Stadtgalerie zu
gelangen.
Und wer große Einkäufe im Shopping Center erledigt, wird wohl
kaum mit der Straßenbahn kommen. Den Vorteil der
Straßenbahn wird die Stadtgalerie nicht ausspielen können.
Die Stadtgalerie in Klagenfurt erfüllt derzeit auch nicht die
Erwartungen der ursprünglichen Planung. In Graz jedoch wird die
Stadtgalerie – nach bisherigem “Standardkonzept” der ECE
geplant – es noch viel schwerer haben. Sie wird mit bereits 5
vorhandenen Shopping Centers konkurrieren müßen, die große
Parkflächen anbieten und für die vielen KäuferInnen aus dem
Umland viel leichter zu erreichen sind. Das Angebot ist mit der
geplanten Stadtgalerie nahezu identisch.
Eine Änderung des Grundkonzepts mit einer verringerten Fläche
würde sicherlich angesichts der besonderen Grazer Situation
(höchste Dichte an Verkaufsfläche pro Einwohner in ganz
Österreich) sowohl wirtschaftlich Sinn machen als auch dem
echten Bedarf der GrazerInnen entgegenkommen.
Nachtrag: Das ECE in Klagenfurt – Versprechungen und
Realität
Herr Alexander Otto und die “Stadtväter” Klagenfurts hatten es
mit der Stadt ja nur bestens gemeint: Ein Einkaufszentrum
dieser Größe werde Klagenfurt im “Kampf der Städte” einen
Standortvorteil bringen, Ströme von KäuferInnen aus Italien und
Slovenien – zumindest aber doch aus dem Umland – wurden
versprochen. Tja, wo sind sie nur alle geblieben? Oder hatte man
einfach nur vergessen, ihnen zu sagen, daß man sie eingeplant
habe und sie deshalb doch bitteschön zu kommen haben? Wie
dem immer auch sei: Irgendwie ist es dem Herrn Otto aus
Hamburg nicht gelungen, seine Versprechen auch einzuhalten.
Sehen die Hanseaten das alles ein bißchen lockerer? Und die
Verantwortlichen in der Stadt haben auch noch nicht die
Einhaltung der Versprechen eingefordert.
Ursprünglich hieß es nämlich, daß die Innenstadt – insbesondere
der Einzelhandel - von Klagenfurt von solch einem Publikumsmagnet wie die “City Arkaden” profitieren würde.
Die zu Beglückenden wollten dem Braten nicht ganz trauen, aber
geschlossen hatten sie sich dann doch nicht gegen das ECE
gestellt. Und nun? Wie sieht es nach zweieinhalb Jahren seit der
Eröffnung des ECE (19.Mäz 2006) in der klagenfurter Altstadt
aus?
Der “Alte Platz” war das Herz der klagenfurter Innenstadt. “Der
ist nun kaputt” - wie es eine klagenfurter Verkäuferin in der
Bahnhofstraße formulierte. Ehemals belebte Einkaufstraßen wie
die Bahnhofstraße oder die Paradeisergasse sind fast leer. Klar,
es gibt dort noch Passanten, die man dort antreffen kann – aber
es kam, wie es die Kritiker des ECE vorhergesagt hatten: Die City
Arkaden haben sich zu einem gigantischen Staubsauger
entwickelt, der die Innenstadt leersaugt.
Wie wird sich die klagenfurter Innenstadt weiterentwickeln? Nun,
da muß man ganz ehrlich sagen, daß dies niemand vorhersagen
kann. Was man aber mit Gewißheit sagen kann ist, daß es der
Altstadt nicht leicht gemacht wird. Wie attraktiv wird eine
Altstadt aussehen, wenn sich die Leerstände noch ausweiten?
Verkommt die Altstadt zu einem “Foyer” einer gigantischen Einkaufsmaschine? Der Trend geht derzeit ganz augescheinlich in
diese Richtung. Die Verantwortlichen in der Stadt haben diesen
Trend offensichtlich nicht in den Griff bekommen. Das klang mal
ganz anders, vor ein paar Jahren, als es noch darum ging, die
Vorzüge des ECE anzupreisen. Vielleicht werden die “Verantwortlichen” ja eines Tages zur Verantwortung gezogen...
Ähnliches blüht uns in Graz. Wer diesen Ausführungen zwar nicht
glauben mag, dem aber das Wohlergehen seiner Stadt wirklich
am Herzen liegt, möge bitte die 130 km von Graz nach
Klagenfurt fahren und dort mit den VerkäuferInnen in den
Geschäften der Altstadt sprechen. Das Gute an diesen Ausführungen ist, daß sie vor Ort überprüfbar sind.
Leerstände und Fluktuation gab es in Klagenfurt schon immer,
aber inzwischen haben die Leerstände laut Helmut Ellensohn,
Leiter vom Klagenfurt-Marketing, das Ausmaß von 50 – 60
Ladenlokalen angenommen. Aber auch der geschätzte Kaufkraftverlust in der Innenstadt dürfte sich auf gute 50% belaufen
– nach seiner Vermutung keine vorübergehende Erscheinung
mehr. Leere Geschäfte, eines nach dem anderen – nicht in irgend
welchen Seitengassen der Altstadt, sondern in der
Bahnhofstraße – ehemals “erste Adresse” in Klagenfurt!
In der Klagenfurter Innenstadt bietet sich an einem Samstag ein
merkwürdiges Bild: Während ehemals belebte Plätze und Gassen
der Altstadt wie ausgestorben wirken (hier und da kommen
natürlich Passanten vorbei), ergießt sich eine Prozession von
Pilgern in die Wiener Gasse. Ja, die Wiener Gasse hat scheinbar
vom ECE profitiert. Aber es lohnt sich, wenigstens einen zweiten
Blick zu riskieren: Zwar bleiben einige Passanten bei den
Auslagen macher Geschäfte kurz stehen, aber die meisten Pilger
lassen sich von ihrem Ziel nicht abbringen: Der nahegelegene
Konsumtempel des ECE-Konzerns. Er ist wie eine Stadt in der
Stadt, eine in sich festgefügte Konsumfestung, die zwar Geld
hineinlässt, aber nach aussen nichts mehr abgibt.
Kontakt:
Peter Kaiser
Oeverseegasse 27
8020 Graz
Email: [email protected]