Frankfurter Allgemeine Magazin

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Frankfurter Allgemeine Magazin
JUNI 2016
OUTDOOR
UNSERE
SPIELER
IN MODE
DER CHANEL MOMENT
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EDITORIAL
FOTO DIETER RÜCHEL
GEHT’S
RAUS
UND
SPIELT’S
etzt ist es schon so weit. Die Europameisterschaft fängt an,
und wir sind noch gar nicht fit. Aber wir haben ja die alten
Weisheiten im Kopf. „Geht’s raus und spielt’s“, von einem
bayerischen Philosophen geäußert, ist immer ein guter
Leitspruch gewesen. Der Weise aus Giesing, ein Lehrer der
Ästhetik eher als der Ethik, übersetzte das „Hic Rhodus, hic salta“
der alten Griechen in unsere Zeit. Wer’s nicht versteht: Just do it!
Und weil es in dieser Ausgabe nicht nur um Fußball gehen soll,
muss die Sentenz auch für den Rest des sommerlichen Lebens
herhalten. Draußen ist ja so viel los! Es beginnt auf der Terrasse
und endet nicht bei Christos neuem Projekt in Italien. Ohne
seinen Garten wäre der Augustinermönch Gregor Mendel vor
150 Jahren womöglich gar nicht auf die Idee mit der Vererbungslehre gekommen. Man kann sich draußen von hinten fotografieren
lassen wie heute die Leute auf Instagram, man kann sich in einem
wunderbaren Wald in Portugal selbst fotografieren in neuer Mode,
man kann sogar seinen Hund mit aufs Brett nehmen, wenn man
vor Biarritz surft. Wie ich auf solche Ideen komme? Na, ich habe
sie redigiert. In diesem Heft ist alles nachzulesen. Und weil der
philosophische Witz natürlich die Contradictio braucht, kann
ich für alles, was ich hier sage, trockenen Auges das Gegenteil
behaupten. Wenn also das Wetter nicht will, dann gibt es immer
noch die Europameisterschaft, zu Hause, vor dem grün leuchtenden
Fernseher, oder man spielt Tischkicker, liest dieses Magazin und
befolgt die gute alte Weisheit: Bleibt’s drinnen und spielt’s! Das
hat zwar nicht der Weise von Giesing erfunden. Aber nur weil
Franz Beckenbauer es nicht gesagt hat, muss es ja nicht gleich
falsch sein. Alfons Kaiser
Verantwortlicher Redakteur:
Dr. Alfons Kaiser
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Druck:
Prinovis Ltd. & Co. KG – Betrieb Nürnberg
Breslauer Straße 300, 90471 Nürnberg
5
MITARBEITER
Thomas Müller, Manuel Neuer
und den anderen Stars des deutschen Nationalteams eines voraus:
Er ist schon jetzt für das Finale
der Europameisterschaft am
10. Juli in Paris gesetzt. Von
Eröffnungs- bis Endspiel wird der
Fußballreporter dieser Zeitung
18 Partien besuchen und beschreiben. Auch bei der WM
2014 war er im Finale, wie unser
Bild aus dem Maracanã-Stadion
zeigt. Den deutschen Sieg gegen
Brasilien im Halbfinale zeichnete
Eichler in dem Buch „7:1 – Das
Jahrhundertspiel“ nach, das zum
Bestseller wurde. Für dieses Heft
beobachtete er die Weltmeister in
ihrer Rolle als Models beim
Mode-Shooting (Seite 28). Klar,
dass er auch darüber schrieb.
FOTOS FRANK RÖTH, CHRISTIAN KAMP, FLORIAN SCHUH, PRIVAT
KERSTIN PAPON liebt die
tNatur und alles, was sich fortd
bewegt: Flugzeuge, Autos und
auch Motorräder, obwohl sie
hein
dafür (noch) keinen Führerschein
ht
hat. Deswegen konnte sie nicht
Nein sagen, als eine Gruppe
rkAmerikaner sie auf einem Parkains
platz in den San Juan Mountains
nes
einlud, sich zumindest auf eines
ihrer Motorräder zu setzen. Das
Angebot mitzufahren schlug die
Redakteurin im Wirtschaftsngs
ressort dieser Zeitung allerdings
aus – sie setzte sich wieder in
p
ihren Jeep, um ihren Roadtrip
durch Colorado fortzusetzen und
Fotos zu machen (Seite 54).
MITARBEITER
CHRISTIAN EICHLER hat
ANJA MARTIN lebte vier Jahre
an der französischen Atlantikküste, unter anderem in Biarritz.
Vom Surfen an der Côte des
Basques kannte sie Bastien
Desvergnes, der auf seiner
Wohnungseinweihungsparty
erzählte, er wolle sich mal mit
seinem kleinen Hund in die
Wellen wagen. Klang abwegig,
sie schrieb es dem Alkohol zu. Als
sie zurück in Deutschland war,
schickte eine Freundin einen
Link: „Schau mal, er hat es
wirklich gemacht!“ Grund genug
für die freie Journalistin, von
Berlin nach Biarritz zu fahren
und mit einer Reportage über
das ungewöhnliche Surf-Duo
(Seite 52) zurückzukehren.
REINHARD MÜLLER durfte
nicht im Verein Fußball spielen
– aus Sorge vor Verletzungen.
Also schlug er sich als Schüler das
Knie beim Kicken auf einer
Klassenfahrt auf. Der Redakteur
dieser Zeitung, der die Seiten
„Zeitgeschehen“ sowie „Staat und
Recht“ verantwortet, bleibt auch
als Erwachsener am Ball. Er
gehörte der ressortübergreifenden
F.A.Z.-Mannschaft an („die
goldene Generation“), die sich
packende Duelle mit der Europäischen Zentralbank, der UniKlinik und der Frankfurter
Müllabfuhr lieferte. Und er freut
sich über die deutsche Nationalmannschaft, die im BekenntnisPatriotismus am besten zu ihrem
Spiel findet (Seite 36). Ansonsten sieht Müller Fußball
mitfühlend im Fernsehen –
und verletzt damit allenfalls
den Familienfrieden.
7
INHALT
Frei-Stil: Der Sommer
kann jetzt langsam
kommen. Denn diese
Outdoor-Entwürfe
(Seite 22) für Balkon,
Terrasse, Garten sitzen.
W W W.C E L I N E .C O M
Selfie-Mode: Emmy Urban
hat sich für uns in neuen
Entwürfen abgelichtet
(Seite 48). Auf diesem Foto
trägt sie eine Streifenhose
von S.Oliver, ein Blouson
von Hien Le und einen
Hut von Rhythm.
13 KARL LAGERFELD
18 FLORENCE WELCH
24 WOLFGANG VOLZ
28 THOMAS MÜLLER
58 THOMAS HITZLSPERGER
ZUM TITEL
Der Fußball-Nationalspieler
Leroy Sané wurde von Nacho Alegre
in München fotografiert.
GUTE SICHT Auch bei der
GUTE SEITEN Diese sechs
EM ist im Wohnzimmer alles
im grünen Bereich. Seite 37
Outdoor-Bücher wecken Lust
auf Abenteuer. Seite 44
GUTER GEIST In diesem Garten
GUTE NACHT Wurfzelte
kam Gregor Mendel den Regeln
der Genetik auf die Spur. Seite 38
machen Campingfreunden
das Leben leichter. Seite 55
GUTER BLICK Auf
Instagram eröffnen sich neue
alte Perspektiven. Seite 40
GUTE IDEE Sonnencreme
für Männer: Braucht Mann
das wirklich? Seite 56
FOTOS EMMY URBAN, FLORIAN SCHUH, HERSTELLER, ARCHIV (5)
Die nächste Ausgabe des Magazins liegt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 9. Juli bei.
See-Hund: Der Terrier
Al hat beim Surfen
seinen Spaß (Seite 52).
Denn sein Besitzer
Bastien Desvergnes
macht mit ihm die Welle.
ebe:
Computer-Liebe:
Google setzt künstliche
uf die
Intelligenz auf
Liebes-Poetikk an.
Das Ergebnis (Seite 46):
h.
sehr prosaisch.
9
BILDER AUS DER ZEITUNG
Aus der F.A.Z. vom 3. Juli 1996: Demonstrantin mit Stalin-Porträt in Moskau
Vor
zwanzig
Jahren
uni 1996, Wahlkampf in Russland. Boris Jelzin
gegen Gennadij Sjuganow, den Vorsitzenden der
Kommunistischen Partei – was Sjuganow heute, mit
Anfang 70, immer noch ist. Und noch immer sieht
man in Russland mitunter Leute mit Porträts des
Sowjetdiktators Stalin; vor kurzem war es wieder
soweit, zum „Tag des Sieges“ am 9. Mai. Aber doch war
damals, vor 20 Jahren, vieles ganz anders.
F.A.Z.-Fotograf Frank Röth nahm diese Szene – gleichsam im Vorbeigehen, wie er sich erinnert – auf dem Theaterplatz im Zentrum Moskaus auf, während einer kommunistischen Demonstration. In ihren Händen trägt die Frau
zum Stalin-Porträt einen Lindenzweig, als wollte sie ihren
Helden, der es vom georgischen Priesterschüler zum obersten Atheisten der Sowjetunion gebracht hatte, weihen, denn
um den Lindenbaum ranken sich heidnische wie christliche
Legenden. Ein Foto der Frau aus dieser Serie erschien am
3. Juli 1996 in dieser Zeitung, am Tag der Stichwahl zwischen
Jelzin und Sjuganow. „Vorwärts zu einem ‚neuen Russland‘
oder zurück in die kommunistische Zukunft – das, so will
die Wahlkampagne Jelzins glauben machen, ist die Wahl,
vor der Russland steht“, schrieb dazu die damalige Korrespondentin Christiane Hoffmann. Jelzin gegen Sjuganow,
das ist bis heute die einzige Stichwahl um das russische
Präsidentenamt geblieben. Jelzin, obschon siech und nur
noch begrenzt belastbar, gewann die Wahl deutlich, was
seinerzeit im Westen große Erleichterung hervorrief. Ein
Grund für den Erfolg: Jelzin und seine Berater hatten Angst
vor „roten Wirren“ geschürt, mit Bildern von Erschießungen, hungernden Kindern, Kirchenzerstörungen. Sjuganow, schrieb Christiane Hoffmann, konnte demgegenüber
„auf eine Stammwählerschaft von Verlierern der neuen Zeit
und Ewiggestrigen“ setzen, habe „Bewunderung für Stalin
mit dem Werben um die orthodoxe Kirche“ vereint. Auch
fand der Kommunist nationalistische Töne, wie in seinem
Appell, ein „starkes und mächtiges Russland“ statt einer
„kolonialen Verwaltung“ unter Jelzin zu wählen.
Heute, unter Präsident Wladimir Putin – den Jelzin
dreieinhalb Jahre nach seinem Wahlsieg als Nachfolger vorstellte –, verschmelzen derlei Gegensätze in einem umfas-
Foto Frank Röth
senden Kult eines starken Staates unter starkem Führer. Die
neunziger Jahre gelten als Zeit des Chaos, Jelzin als Trinker
und Schwächling. Putin wird dagegen als Garant von Stabilität inszeniert; Präsident und Staatsfernsehen bieten eine
Synthese aus Erneuerung auf der Grundlage von orthodoxer
Tradition, Sowjet-Nostalgie und Beschwörung von Feinden im In- und Ausland. Selbst Sjuganows Schmähung der
Jelzin-Regierung als „kolonialer Verwaltung“ ist längst von
Kräften in der Machtpartei „Einiges Russland“ gekapert
worden: Die „Nationale Befreiungsbewegung“ des Abgeordneten Jewgenij Fjodorow strebt ein Referendum an, um
die angeblich auf amerikanische Bestellung verabschiedete
russische Verfassung von 1993 zu ändern, und ruft Putin
auf, seine Regierung von liberalen Verrätern zu „säubern“.
Der Historiker Arsenij Roginskij von der Menschenrechtsorganisation Memorial sagt über die allgegenwärtigen
Freund-Feind-Mechanismen, Putins Logik sei „wie Stalinismus ohne Stalin“. Der Präsident selbst kritisiert zwar
einerseits Stalins Terror, die „Repressionen“, denen Millionen Menschen zum Opfer fielen. Andererseits hat Putin
aber Stalin als „effektiven Manager“ bezeichnet und selbst
den Hitler-Stalin-Pakt von 1939 zur Aufteilung Osteuropas
zur friedenssichernden Maßnahme verklärt. Der Sieg im
Zweiten Weltkrieg und die Industrialisierung sollen Stalins
Verbrechen an Russen und vielen anderen Völkern der
Sowjetunion relativieren, der Zweck die Mittel heiligen wie
der Lindenzweig auf dem Foto das Stalinporträt.
Der Kult um Staat und Führer hat einen Nebeneffekt:
Stalin wird für viele Russen wieder hoffähig. Laut LewadaMeinungsforschungsinstitut denken schon seit März 2014
mehr Russen positiv über Stalin als negativ; im vergangenen März sagten 54 Prozent der Befragten, Stalin habe eine
positive Rolle in der Geschichte des Landes gespielt. Mancherorts werden dem Diktator wieder Denkmäler errichtet.
Dieser Tage haben Sjuganows Kommunisten, die längst in
Putins System eingebunden sind, angekündigt, vor den
Duma-Wahlen im September gezielt mit dem Porträt Stalins
zu werben. Man erhoffe sich davon, so hieß es aus dem
Zentralkomitee der Partei, „zusätzliche Stimmen außerhalb
unserer Kernwählerschaft“. Friedrich Schmidt
11
KARLIKATUR
The Other Conversation
KARL LAGERFELDS BÖSE ZEICHNUNG
Karl Lagerfeld hat einen hellseherischen Blick für politische Zusammenhänge. Die Österreicher wählen fast den FPÖ-Politiker Norbert Hofer zu
ihrem Präsidenten? Das kann den Modeschöpfer im fernen Paris nicht kalt
lassen. Und so zieht unser Zeichner die Verbindung zwischen der rechtspopulistischen Partei und der nationalsozialistischen Vergangenheit. „Eine
böse Zeichnung“, das sagt er selbst. Aber er konnte nicht anders. Denn der
Modeschöpfer liebt Österreich seit seiner Kindheit und hat dem Land erst
vor anderthalb Jahren eine Chanel-Kollektion gewidmet. Da ist die Enttäu-
8 sofa designed by Piero Lissoni at Shore House by Mount Fuji Architects, Japan — cassina.com
München Nymphenburger Strasse 5
schung groß, dass eine einst geächtete Partei nun 49,7 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigt. Karl Lagerfeld musste als Kind die Nazis noch
erleben und erkennt radikales politisches Denken schon dann, wenn es nur
zu ahnen ist. Aber nicht einmal in dieser scharfen satirischen Zuspitzung
verliert der Zeichner seinen Humor: Hofer hat „den Anschluss verpasst“;
der Bundesadler auf seiner Krawatte wird von den österreichischen Farben
geradezu erwürgt; und in der zum Gruß erhobenen Hand findet der Greifvogel ein seltsames Spiegelbild. (kai.)
13
PRÊT-À-PARLER
PRÊT-À-PARLER
RIMOWA ELECTRONIC TAG
DIE ERSTE DIGITALE CHECK-IN-LÖSUNG
FÜR IHR GEPÄCK.
2
1
3
6
5
4
AUF DICKEN SOHLEN GEHT’S BERGAUF
Google-Trends ist ein spannendes Tool, um das Interesse
an bestimmten Themen zu ermessen. Es ist zuverlässiger
als jedes Trendbüro und jedes Magazin, oder sagen wir:
fast jedes. Das Tool zeigt mit Kurvendiagrammen die
Konjunkturen der vergangenen Jahre. Dass BirkenstockSandalen die Menschheit jetzt besonders bewegen, stützt
sich also nicht nur auf Beobachtungen in einzelnen Vierteln – Google-Trends behält den Überblick auf der ganzen
Welt. Die Kurve für Birkenstock gleicht seit 2004 einem
Gebirge, wie es der liebe Gott in den Alpen nicht schöner
hätte zeichnen können. Jedes Jahr im Frühjahr geht es
bergauf, der Gipfel ist im Juni erreicht. Seit zwei Jahren
aber geht es sommers besonders steil nach oben. So gefragt
wie im vergangenen Jahr waren Birkenstock-Sandalen
noch nie. Ein weiterer Beleg für den Trend sind all die
dalen in diesem Sommer, die
di sich mit ihrem
anderen Sandalen
m Birkenstock-Niveau
Birkenstock-Niv
dicken Profil am
zu orientieren scheinen. Sie sind soo praktisch
praktisch, dass man sich mit ihnen an
og ins Gebirge abmelden könnte, und
warmen Tagen sogar
nicht nur in das virtuelle.
Bestes Beispiel ist das Sophia-Webster-Modell (4), erhältlich im Online-Shop Net-a-porter. Es gleicht der Birkenstock-Arizona bis ins zweite Riemen-Detail, nur ist es
zusätzlich mit Modeschmuck besetzt. Mehr Halt, wenn
es mal holprig wird, dürften dagegen die robusten JesusSandalen von Stella McCartney (6) mit Nieten und Fesselriemen und gezackter orangefarbener Gummisohle bieten
(ebenfalls erhältlich bei Net-a-porter) sowie das Modell
von Michael Kors (1) mit praktischer großer Schließe.
Selbst in den Sandalen von Giorgio Armani (3) in Rot-
Weiß kann man es sich draußen gut gehen lassen – wenn
auch nicht beim Gewaltmarsch, sondern an der nächsten
Bude, bei Pommes rot-weiß.
Santoni (2) interpretiert den Abenteuerschuh auf seine
Weise: Zählt ein Lunch auf der Terrasse eines Sternerestaurants als Outdoor-Experience? Die Marke hätte da
jedenfalls schon mal die passenden Sandalen. In diesem
Sinne: Darf die Outdoor-Sandale auch mit Pelz gefüttert
sein, den eigentlich der Fuchs im Gehölz trägt, siehe Brunello Cucinelli (5)? Darauf würde vermutlich nicht einmal
Birkenstock mit Nein antworten. Schließlich lieferte die
erste Hommage an Birkenstock vor knapp drei Jahren
Phoebe Philo für Céline, inklusive pelzgefütterter Sohle.
Anschließend ging es für die deutsche Sandalen-Marke
steil bergauf – nicht nur auf Google-Trends. (jwi.)
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FOTOS HELMUT FRICKE
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PRÊT-À-PARLER
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FOTOS LAIF (3), FRANK RÖTH, F.A.Z., HERSTELLER, AFP, DPA
© Anna Galante, © Till Leeser, © Fabrice Rambert, © Stéphane Candet
Ullrich hat beschlossen, dass es so nicht weitergeht, hatte
unsere Freundin, die Buchhändlerin gesagt, als wir uns für
ein Picknick am Mainufer getroffen hatten, um einen Termin für den nächsten Spieleabend zu finden.
Was soll nicht so weitergehen, hatte ich gefragt, das mit
euch?
Quatsch, hatte die Buchhändlerin gesagt, über uns
macht er sich doch keine Gedanken. Es geht um die Firma.
Er findet, dass alle in seinem Alter befördert werden, nur er
nicht. Er glaubt, dass er das Opfer einer Intrige wurde.
Glaubst du das auch, hatte ich die Buchhändlerin gefragt, aber sie hatte nur geseufzt und gesagt, dass Ullrich
schon ein Spiel für den Abend bei uns ausgesucht hatte.
„El Grande Big Box“ stand auf dem Karton, den Ullrich
auf dem Arm trug, weil er zu groß für alle Tüten und Taschen war. Mein nordhessischer Cousin, der wieder bei uns
wohnte, weil das Haus der WG, in der er untergekommen
war, plötzlich grundsaniert werden musste, sagte, dass er
das Spiel noch von früher kenne.
Kann sein, sagte Ullrich, ist ein Klassiker. Aber so groß
wie hier hast du das noch nie gesehen, da sind alle Erweiterungen dabei, auch der Großinquisitor und die Kolonien!
Beim Essen fragte unser Sohn, was ein Großinquisitor
sei, und Ullrich sagte, dass man dem besser aus dem Weg
gehe, wenn man nicht im Kerker verschimmeln wolle.
Hättet ihr was dagegen, wenn wir erst mal die Originalversion spielen, sagte meine Frau, wenn ich mich richtig
erinnere, ist die kompliziert genug.
Also legten wir das Spielbrett mit der Spanienkarte aus,
jeder zog eine Karte, um seine Heimatprovinz zu bestimmen, und spielte seine Machtkarte aus. Wer dran war,
nahm sich eine der Aktionskarten und konnte dann eigene
Figuren in die Provinzen schicken oder fremde Caballeros
versetzen. Mein nordhessischer Cousin steckte immer wieder ein paar Figuren in den großen Pappturm am Rande
des Spielfelds. Ullrichs Heimatprovinz war Aragon, und die
meisten seiner Caballeros landeten auch dort.
Was sagt ihr jetzt, sagte er, man muss sich immer eine
Basis schaffen, von der aus man das Feld aufrollt.
Was nützt dir das, Ullrich, fragte die Buchhändlerin, so
weit ich sehe, will dich niemand vertreiben.
Das sagen sie alle, sagte Ullrich, und nahm eine Karte in
die Hand, auf der „Intrigant“ stand. Er durfte zwei zusätzliche Caballeros in eine Provinz seiner Wahl setzen, schaute
grimmig in die Runde und setzte sie nach Aragon.
Bei der ersten Zwischenwertung bekam er die wenigsten
Punkte. Das macht ihr extra, sagte er, aber deshalb heißt
das Spiel „El Grande“: weil ihr euch alle zusammen tun
müsst, um mich zu stoppen.
Ullrich, sagte mein nordhessischer Cousin, vielleicht
würdest du mehr Punkte kriegen, wenn du in den anderen
Provinzen Zweiter oder Dritter wärst, das ist nämlich auch
etwas wert.
Klar, sagte Ullrich, und wenn meine Caballeros dann
erst mal über das Brett verteilt sind, kommt ihr und erobert
Aragon.
Bei der nächsten Zwischenwertung zog unser Sohn allen davon. Bei der übernächsten kamen die Caballeros
meines Cousins in einem Schwung aus dem Turm und nahmen die Provinz Sevilla ein. In der darauf folgenden Wertung bekam unser Sohn so viele Punkte, dass er das Spiel
gewann. Mein Cousin wurde Zweiter.
Ihr seid echt hinterlistig, sagte Ullrich, aber das bin ich
ja gewohnt.
Sollen wir jetzt die Erweiterung mit dem Großinquisitor holen, Ullrich, fragte die Buchhändlerin.
Und ich brachte unseren Sohn ins Bett.
Tilman Spreckelsen
Modell „Black Swan“? Bestimmt sind Chris Pine, Colin Firth, Mads Mikkelsen, Justin Timberlake und Baptiste Giabiconi (von links nach
rechts) im Mai nicht ohne Schleife nach Cannes gereist. Falls doch, haben sie sicher den Last-Minute-Service genutzt.
DIE UBER-FLIEGE FÜR DEN ROTEN TEPPICH
Es ist ein ungeschriebenes Gesetz in Cannes: Als Mann
muss man Schleife tragen, als Frau High Heels, sonst
darf man nicht auf den roten Teppich. Das mit den High
Heels wurde vergangenes Jahr zum großen Thema, als die
Fashion-Wächter am Eingang zum Gala-Teppich einer
Prothesen-Trägerin den Zugang in flachen Schuhen verwehrten. Stichwort: #flatgate.
Männer haben es da etwas leichter, sogar wenn sie ihre
Fliege vergessen haben. Entlang der Croisette blüht nämlich während der zwei Wochen des Filmfestivals das Geschäft mit den Last-Minute-Fliegen. Da jeden Abend gleich
mehrere Filmpremieren stattfinden, haben Läden für
Herren-Accessoires sogar 14 Tage lang spezielle Hemdenund Fliegenkollektionen im Angebot – so mancher deutsche Filmkritiker nahm sie nach früheren Ausgaben des
Festivals schon mit nach Hause.
In diesem Jahr sprang nun das Taxi-Unternehmen
Uber den Herren in Schleifen-Not zur Seite. Das Versprechen: Innerhalb von fünf Minuten liefert ein Fahrradkurier eine Schleife zum roten Teppich. Bestellt wurde
per Uber-App, wo der Service unter dem Namen „UberPapillon“ zu finden war. In Frankreich bindet man sich
schließlich nicht einfach eine profane Fliege um den Hals,
sondern einen hübschen Schmetterling (Papillon).
Auswählen konnte der Last-Minute-Premierengast
zwischen drei Modellen: dem „Black Swan“ aus schwarzem
Seidensatin, dem „Blade Runner“, einem gewagten Modell
in Schwarz und Rot, und einer wirklich mutigen Variante mit
pinkfarbenem Flamingo-Print. Der Spaß kostete 85 Euro.
Das Design stammt übrigens von dem Label Cinabre, das
sich auf Herren-Accessoires spezialisiert hat und seine
Schleifen in französischen Ateliers von Hand fertigen lässt.
Und bevor jemand fragt: Die Flamingo-Schleife war eine
limitierte Sonderedition für das Festival, gewissermaßen also
Cannes-Merchandising.
„Wir wollten mit der Aktion die Glamour-Seite des
Festivals betonen“, sagt Manon Guignard, die Sprecherin
von Uber France. Seit dem vergangenen Jahr schon habe
man einen Hubschrauber via Uber für kurze Flüge während
des Festivals mieten können. Was man eben kurzfristig
so braucht in Cannes. Die Schleifen-Lieferungen, die im
Vergleich geradezu bescheiden anmuteten, seien aber „ein
großer Erfolg“ gewesen.
Ein Blick auf die App an einem Abend des Festivals
bestätigte das sogar. Dort stand: „Es sind gerade alle Fahrradkuriere im Einsatz.“ Den Fashion-Wächtern dürfte fürs
Festival im nächsten Jahr also nur noch der Service „UberStiletto“ fehlen. Maria Wiesner
PRÊT-À-PARLER
KATZENTYPEN
Modeleute muss man nicht fragen, ob sie Hunde- oder Katzentypen sind. Karl Lagerfelds Choupette mit ihren mehr
als 82.000 Followern auf Instagram ist eigentlich schon
Beweis genug, dass Freunde der Mode auch Freunde der
Katzen sind. Dann wären da noch die Cat-Eye-Sunglasses,
die im Zweifel jedes Gesicht schöner machen. Oder die
Katzengesicht-Brustbeutel, die zur Schau von Loewe in
Paris im März an den Hälsen der Models wie dicke Colliers
hingen. Oder Robert Dallets Zeichnungen von Wildkatzen,
die von Sonntag an in München zu sehen sein werden.
Organisiert wird die Ausstellung von der WildkatzenSchutzorganisation Panthera und, klar, einem Modehaus,
in diesem Fall Hermès. (jwi.)
„Stark und verletzlich – Wildkatzen gezeichnet“, Schloss Nymphenburg,
12. bis 22. Juni, Öffnungszeiten: Montag bis Mittwoch, Freitag, Samstag
und Sonntag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr.
TAUSEND FLASCHEN
Ziemlich laut für leise
Pfoten: der Leopard in
Roger Dallets Zeichnung
und auf dem Teller
von Hermès.
Es ist vermutlich einer der schönsten Journalistenpreise der
Welt – jedenfalls der am schönsten dotierte. Die Ausgabe
unseres Magazins vom April 2015 (siehe Foto), die sich um
die Weltausstellung und die Möbelmesse in Mailand sowie
um zahlreiche weitere italienische Themen drehte, ist im
Mai mit dem Preis „L’Arte di Vivere Italiana – Articolo
dell’Anno“ des für seinen Spumante berühmten Trienter
Weinguts Ferrari ausgezeichnet worden. Der Preis, der einmal im Jahr für die beste Darstellung italienischer Lebenskunst in der ausländischen Presse vergeben wird und
von Ferrari-Präsident Matteo Lunelli überreicht wurde, ist
mit 1000 Flaschen Schaumwein dotiert. Zur Verleihung in
der Triennale in Mailand kamen zahlreiche Gäste aus
Wirtschaft, Design und Politik wie Luca di Montezemolo,
Rosita Missoni, Giovanni Malagò, Michele Valensise und
Matteo Marzotto. Unter www.faz.net/magazin ist die ausgezeichnete Ausgabe nachzulesen. (F.A.Z.)
17
PRÊT-À-PARLER
„WER MINIMALISMUS MAG, WIRD MICH NICHT MÖGEN“
London, Somerset House. Florence Welch sitzt auf einem
dunkelroten Sofa, ihre roten Haare leuchten in einem helleren Ton, und das Rosa ihres Gucci-Anzugs aus Samt
gesellt sich zum lustigen Farbenspiel. Selbst unter diesen
übertriebenen Voraussetzungen schafft sie es, cool auszusehen, nicht wie ein verkleidetes Kitsch-Opfer. Als Gesicht
für die Uhren- und Schmuckkollektion von Gucci hätte
sich Kreativ-Direktor Alessandro Michele niemand Besseren als die Sängerin wünschen können. Den Siebziger-Vibe
des Labels verkörpert die Britin ohnehin. Die Frontfrau
von Florence + The Machine präsentiert sich heute also
als Gucci-Gesicht und als glaubwürdige Fusion von Style
und Musik. Für ihre Welttournee „How Beautiful“ wird
die Neunundzwanzigjährige von Gucci ausgestattet.
Sie reisen viel, wo auf der Welt shoppen Sie denn am liebsten?
Ich liebe Vintage-Mode, deswegen brauche ich gar nicht
weit zu reisen. In London gibt es die besten VintageGeschäfte, zum Beispiel Merchant Archive in Notting
Hill. Ich kaufe auch gern in New York ein, bei What
Goes Around Comes Around oder Melet Mercantile.
AGAVENSCHNAPS FÜR
DISTINKTIONSTRINKER
Mezcal ist in aller Munde. Bis vor kurzem war der mexikanische Agavenschnaps in Deutschland kaum bekannt. Als
Neuentdeckung des trendbewussten Trinkers erheitert
der Tropfen nun auch hier die Genießer. In Berlin steht
Mezcal auf der Getränkekarte vieler Barkeeper. Vorbei die
Zeiten, in denen Mezcal als billige Alternative zum Tequila
galt. Geschmacklich hat er erstaunlich viel zu bieten.
Joven, also jung, kann er locker mit einem fruchtigwürzigen, feurigen Klaren mithalten. Reposado, ein halbes
Jahr in Holzfässern gereift, verspricht die bernsteinfarbene
Flüssigkeit ein milderes, rauchiges, holziges Aroma. So wie
die länger gealterten añejos beeindrucken diese Mezcals
vor allem Freunde guten Whiskys.
Den Distinktionstrinker wird es aber stören, dass die
authentische Mezcal-Erfahrung hier gar nicht zu bekommen ist. Der beste Agavenschnaps findet sich in seiner
Heimat, dem mexikanischen Bundesstaat Oaxaca. 2000
bis 3000 Palenques gibt es hier: familienbetriebene Destillen wie die von „Maestro Mezcalero“ Agustín Güendulaín
(unser Bild), einem Mezcalero in fünfter Generation. Sie
gewinnen ihren Mezcal aus verschiedenen Agavenpflanzen
und geben die geheimen Rezepturen von Generation zu
Generation weiter. Deshalb ist hier die Geschmacksvielfalt
so reich und die Qualität so hoch.
Nur wenige der vielen Mezcal-Kleinsthersteller sind
offiziell zum Verkauf und Export zertifiziert. Man muss
also schon nach Oaxaca reisen, um in den wahren Genuss
zu kommen. Auf der Suche nach der authentischen Erfahrung schließt sich der Alkoholtourist dort einer der vielen
Entdecker-Touren an oder mietet sich ein Auto und fährt
selbst. Kurz vor der Stadt und in den Bergdörfern der
Umgebung reihen sich die Palenques dicht an dicht.
Die ruralen Produktionsstätten mit angeschlossener
Bar kann man nicht verfehlen. Man hält einfach, wo es
einem gefällt.
Die Palenques sind auch olfaktorisch ein Genuss. Wie
es dort duftet! Schwer und süßlich, fruchtig und rauchig
steigt es von den natürlichen Öfen empor. In ausgebuddelten Erdgruben liegen die Herzen der Agaven wie vor 200
Jahren auf glühenden Steinen und werden erst mal geräuchert. Ein wenig müffelt es immer auch nach Bauernhof,
denn in den Palenques zerkleinern von Eseln angetriebene
Mühlsteine die warmen Piñas vor dem Fermentieren und
der Destillation. Früchte, Gewürze oder sogar Hühnerbrust können hinzugegeben werden – Letzteres, Pechuga
genannt, ist eine echte Spezialität.
Der Kenner-Trinker hält sich fern von Sorten, auf deren Grund ein toter Wurm treibt (Das ist ein MarketingGag!). Er genehmigt sich lieber regionale Produkte aus
Oaxaca, die teils bio sind. Spitzensorten wie Los Danzantes, Los Amantes oder Alipús San Andrés gibt es mittlerweile auch bei uns. Allerdings zu Preisen, die man am
besten genussvoll mit einem Gläschen herunterspült.
Natürlich pur. Obwohl: Eine Prise Salz und ein Stückchen
Orange passen durchaus ins Konzept. Celina Plag
Sie sammeln Ringe und Schmuck. Was ist Ihr teuerstes
Schmuckstück?
Der Verlobungsring meiner Mutter. Meine Eltern
sind geschieden, deswegen hat meine Mutter
mir den Ring geliehen. Danke noch mal, Mama!
Sie werden auf Ihrer Tournee nur Gucci tragen. Was
passiert, wenn Sie etwas bei der Performance zerreißen?
Bei geliehenen Sachen habe ich immer ein ungutes
Gefühl. Aber man weiß ja, worauf man sich einlässt. Ich
habe von allen Looks mehrere Versionen bekommen und
kann mich auf der Bühne ganz entspannt bewegen.
Sie wurden vor einigen Jahren auch von der ehemaligen
Gucci-Kreativ-Direktorin Frida Giannini ausgestattet.
Warum haben Sie so einen engen Bezug zu dem Haus?
Der Austausch mit Frida Giannini war für beide Seiten
sehr ergiebig. Ich hatte zum Beispiel ein paar Shorts und
eine fließende Jacke, die sie zu einer Kollektion inspiriert
haben. Gucci bedeutet für mich Glamour, Exzentrik
und Vintage-Spirit, und das alles liebe ich. Die Sachen
sind sehr gut gemacht, mit viel Liebe zum Detail.
Wie schaffen Sie es, auf dem roten Teppich Ihren Stil so gut
zu transportieren? Viele Prominente sind Kleiderständer, die
einfach anziehen, was ein Stylist ihnen sagt.
Ich arbeite seit 2009 mit der Stylistin Aldene Johnson
zusammen. Sie kennt mich so gut, dass sie nur das aus
den Showrooms mitbringt, was mir auch wirklich gefällt.
Ich muss dann meistens noch zu zwei, drei Fittings, um
ein paar Rüschen abzuschärfen oder ein Kleid kleiner
zu machen. Aber dank Aldene muss ich nicht lange nach
dem perfekten Kleid suchen.
INSPIRIERT DURCH HIMMEL UND ERDE
Lesen Sie nach Events auf Blogs oder in Modeheften, wie man
Ihren Look beurteilt?
Das mache ich nie, denn das ist reine Geschmackssache. Je
älter ich werde, desto genauer weiß ich, was ich auf Events
wie den Oscars oder den Grammys anziehen möchte, was
ich bin und worin ich mich wohl fühle. Wenn jemand
minimalistische Kleider liebt, wird er mich ansehen und
sagen: Das ist ja schrecklich!
Die Sängerin Florence Welch stammt
aus London. Ihr Vater Nick ist
Werbemanager, ihre Mutter Evelyn
Professorin für Kunstgeschichte am
King’s College. Bis Juli ist Florence
Welch mit ihrer Band „Florence +
the Machine“ auf Welttournee. Am
28. August wird sie 30 Jahre alt.
PRÊT-À-PARLER
Was tragen Sie heimlich zu Hause, wenn keiner Sie sieht?
Einen riesigen blauen Pullover, den ich an einer Tankstelle
in den Vereinigten Staaten für zehn Dollar gekauft habe.
Mein Kleiderschrank ist riesig, und trotzdem greife ich
immer wieder zu diesem alten Ding.
Die Videos Ihres aktuellen Albums „How Big How Blue How
Beautiful“ wurden in Los Angeles gedreht. Warum?
London kann so zynisch sein, L.A. fühlt sich freier an,
begeisterungsfähiger, mehr hippie. Es ist schön, wenn
nicht immer alle so skeptisch sind.
Auf welches Konzert freuen Sie sich besonders?
Unser Abschlusskonzert im Hyde Park. Da werden wir
uns für die Show etwas ganz Besonderes ausdenken. Und
die Outfits werden auch eine Überraschung sein.
Die Fragen stellte Violet Kiani.
FOTOS GETTY, PHILIPP LICHTERBECK
18
TERREDHERMES.COM
20
MOOD/MUT
MOOD
Am linken Bildrand ist die Alte
Schönhauser Straße in Berlin zu
sehen. Im echten Leben eröffnet
Sunspel, die Instanz für Basics,
vor diesem Hintergrund nun
ihren ersten deutschen Store.
Ein Nagellackflaschen-Ring dürfte
in die Kategorie der Dinge fallen, die man im
Leben nicht braucht. Und die spätestens dann
Sinn haben, wenn man unterwegs ist.
MEHR SIRTAKI
Fast so einen schlechten Ruf wie
Sprüche-T-Shirts haben Sprüche-Postkarten aus der letzten Ecke des Cafés.
Die „Literarischen Ansichts-Karten“
mit Weisheiten von Paul Maar über
Juli Zeh bis Ernst Jandl rehabilitieren
das Genre mit Witz.
Das geht auf Schloss Dundas, eine halbe Autostunde von
Edinburgh entfernt. Dort kann man nicht nur standesgemäß
heiraten, sondern auch in das Leben der gnädigen Lordschaft
eintauchen. Die Tätigkeit als Hausdame oder Butler soll
besonders beliebt sein – obwohl der Spaß pro Gruppe umgerechnet mehr als 3000 Euro kosten kann.
Auch schon wieder viel zu
lange nicht an Farbedelsteine
gedacht? Constantin Wild
gibt ihnen in Idar-Oberstein
den letzten, entscheidenden
Schliff.
036
EINMAL DIENER SEIN WIE
IN „DOWNTON ABBEY“
Ferien in Griechenland sind gerade
nicht sonderlich beliebt. Auf vielen
Inseln gehen die Buchungen im
Vergleich zum Vorjahr stark zurück.
Wissenschaftler der Universität
Thessaloniki haben nun aber ein
gutes Argument für mehr Griechenland im Leben gefunden: Sirtaki
tanzen macht fit. Probanden der
Studie waren im
Durchschnitt 73
Jahre alt. Nach
drei Monaten
war die Gruppe,
die Sirtaki
tanzte, sechs
Prozent schneller
und konnte zehn Prozent
höher springen. Also: Auf nach
Griechenland!
Bedeutende Dinge,
Menschen, Ideen,
Orte und weitere
Kuriositäten,
zusammengestellt von
Jennifer Wiebking
www.porsche.de
Ideen alleine verändern nichts.
Sondern der Mut, sie umzusetzen.
Der neue Panamera kommt.
Im Vergleich zu
Kokosöl soll ja
sogar Olivenöl
ungesund sein.
Foodspring macht
aus Superfood
Fitnessfood.
Auf dem Einstecktuch von Turnbull
& Asser ist ein Hund zu sehen. Muss ja
nicht gleich jeder Tierfreund wissen.
Alle Welt trägt jetzt Fedora-Hut. Kate Moss ist,
selbstredend, schon weiter: mit ihrem Modell
Quaker, das nicht eingekniffen und größer ist.
Diesen Sommer dort unter
unterwegs, wo es
keinen Strom, aber viel Sonne
Son gibt? Olafur
Eliassons Little Sun Charg
Charger lädt in solchen
Momenten das Handy und bringt Licht ins
Dunkle. Ist also ein echtes Geschenk des
Himmels.
Gegen diese Sonnenbrille (Preen by
Thornton Bregazzi)
sehen alle verspiegelten
Gläser der vergangenen
Sommersaisons
zusammen alt aus.
MUT
FOTOS GETTY, HERSTELLER (14)
Die Jeans von Off-White können sogar dem
legendären Vetements-Modell Konkurrenz
machen. Gibt es von Juli an im Online-Shop
Stylebop zu kaufen.
Erfahren Sie mehr unter www.porsche.de/Panamera
DESIGN
DESIGN
JUJU Klein und verspielt sollen die bunten Hocker
und Beistelltische des Kanadiers Garth Roberts sein,
deren Name nach einem Kinderspielzeug klingt,
auch wenn sie eigentlich nach einem Schmuckstück
benannt sind. Die genau einen halben Meter hohen
Polyethylen-Pilze hat der Designer, der seit einigen
Jahren zwischen seinen Studios in Mailand und Berlin
hin und her pendelt, für den italienischen Hersteller
Serralunga entworfen. Farblich sind den Hohlkörpern
kaum Grenzen gesetzt. Dank LEDs im Inneren
können sie auch Leuchtskulpturen im Garten werden.
INTRIGO Ein Stuhl mal nicht aus Kunststoff,
tstoff,
ng
sondern aus Aluminium. Seine Herstellung
mittels Druckgussverfahren ist technisch
exen
aufwendig, doch so sind auch die komplexen
öglich,
Formen von Arm- und Rückenlehnen möglich,
die an die Bugholztechnik denken lassen. Das
Sitzmöbel (für Pedrali), das vom Studio Archirivolto Design von Claudio Dondoli und Marco
Pocci in Colle in der Toskana stammt, ist dadurch
besonders standfest und zudem stapelbar.
CONTOUR Die Rückenlehne
TRIO Dieser Dreibein lässt sich ganz
einfach verstauen, die Tischplatte ist mit
einem Klappmechanismus ausgestattet.
Drei mögliche Tischhöhen (45, 73 und
110 Zentimeter) bietet das in Oberbayern
beheimatete Unternehmen Weishäupl an
– als Beistell-, Bistro- und Stehtisch. Auch
die Platten sind in ihrer Größe und Form
(rund oder eckig) variabel. Die Platte ist
aus massivem Teakholz oder HPL (High
Pressure Laminat), einem Verbundwerkstoff aus Papier und Harz. Hinter dem
Entwurf steckt Thomas Albrecht, der als
Designer in Kassel lebt und arbeitet.
scheint zu schweben, weil sie nur
an zwei Stellen am Rahmen
befestigt ist. Dadurch gibt sie
leicht nach. Der Rücken selbst
greift altes Handwerk auf, ist aber
aus dem High-Tech-Faden Tricord
geflochten – einer wetterfesten und
doch natürlich wirkenden Kunstfaser aus Polyolefin und Polyester.
Der Rahmen besteht aus pulverbeschichteten Inox-Rohrprofilen,
die in ununterbrochener Linie
gebogen sind und Beine, Sitz und
Lehne ergeben. So erklärt sich auch
der Name des Entwurfs, den
Piergiorgio Cazzaniga, der als Sohn
eines Schreiners in der Lombardei
geboren wurde und dort noch
immer lebt, für Tribù gestaltet hat.
TWEED Der Name weist auf ein Gewebe
mit zwei Fäden hin. Marco Paolelli und
Sandro Meneghello verknüpfen für ihr Sofa
(Unopiù) ebenfalls zwei Materialien, aber
auf noch viel gröbere Art als bei jedem
Zwillich. Sie flechten einen Korb aus
Teakholz und Edelstahl. Dabei ist das
Endlich Sommer. Aber woher kommen die passenden Tische und
Stühle für Balkon, Terrasse und Garten? Wir zeigen 14 der schönsten
neuen Outdoor-Entwürfe. Von Peter-Philipp Schmitt
XENÍA Der Mensch ist heute
ständig auf Reisen, immer
unterwegs von einem Ort zum
nächsten. Dabei will der Globetrotter nicht auf den gewohnten
Komfort verzichten. Mit diesen
Hintergedanken hat sich das
Designer-Ehepaar Ludovica und
Roberto Palomba an die neue
Kollektion für den Mailänder
Hersteller Eumenes gemacht.
Herausgekommen ist ein Klappstuhl mit X-Beinen (so erklärt sich
auch der Name des Produkts), der
dem modernen Nomaden viele
Freiheiten lässt. 600 verschiedene
Stoffe und Farben sind für die
Auflagen der Rücken- und
Armlehnen möglich. In den
Lehnen verbergen sich zudem
großzügige Taschen.
FENICE Er steht nur auf einem Bein – vor
80 Jahren war das etwas nie Dagewesenes.
Drei Versionen des Tisches hat Piero Bottoni
(1903 bis 1973) entworfen, jeweils mit
anderen Proportionen und aus anderen
Materialien. Besonders beeindruckend war
die Ausführung von 1951, die auf der
Metall der Kettfaden, auf den mit zwei
verschiedenen Schichten das Holz als
Schussfaden geflochten wird. Damit wollen
die beiden Italiener zugleich Tradition und
Moderne miteinander verbinden, symbolisiert durch das warme natürliche Material
Holz und den kalten Industriestahl.
OPEN AIR
BRETAGNE Schon die alten Chinesen
sollen rückenschonend gegärtnert haben,
indem sie Gemüse und Kräuter in
„Hügelbeete“ pflanzten. Nach demselben
Prinzip funktioniert das Hochbeet von
Garpa. Hinter der Teakholz-Verkleidung
verbirgt sich ein Pflanzenkasten aus
schwarzem pulverbeschichtetem Aluminium. Überschüssiges Wasser tropft nicht
einfach nach unten, sondern wird über
einen Auslauf und durch das Gestell zum
Boden geleitet. Eine zusätzliche Rückwand eignet sich für Pflanzen, die nach
oben streben, aber nicht zu tief wurzeln.
IX. Triennale in Mailand gezeigt wurde.
Der Tisch war vier Meter lang und bestand
komplett aus Beton. Das Schwergewicht ist
verschollen, doch eine leichte Variante hat
Zanotta nun neu aufgelegt. Das Innere aus
einem Kunststoff ist mit Zement-Kunstharz
überzogen – für die Beton-Optik.
WALL STREET Der Katalane
Eugeni Quitllet, 1972 auf Ibiza
geboren, ist ein Kunststoff-Spezialist. Für Unternehmen wie Kartell
und Alias entwarf er bereits etliche
Plastikmöbel, die drinnen und
draußen stehen können. Auch für
den spanischen Hersteller Vondom
hat der Designer schon mehrfach
gearbeitet. Dabei liebt er es
durchaus ein wenig verrückt, wie
seine Kollektion „Bum Bum“
beweist: röhrenförmige Sessel und
Sofas, die von innen auch noch
beleuchtet werden können.
Geradezu schlicht dagegen ist
dieser Barhocker, der aus Polypropylen und Glasfaser besteht
und mit einem Gasinjektionsverfahren in Form gebracht wird.
COCCI Marella Ferrera ist Sizilianerin
und Modedesignerin. Schon in den
neunziger Jahren hat sie aber nicht nur
mit Textilien, sondern auch mit anderen
Materialien wie Lavastein, Terrakotta
und Keramik experimentiert. Daraus
wurden Kleider-Skulpturen, die in ihrem
„Museum & Fashion“ in der sizilianischen Küstenstadt Catania ausgestellt
werden. Für das Unternehmen Paola
Lenti in Meda in der Lombardei hat die
Künstlerin nun eine Serie von Tischen
gestaltet, die aus Stahl bestehen. Die
Platten sind aus Fayencen zusammengesetzt, die mit Wasserfarben bemalt
sind. Oder sie bestehen, wie beim Tisch
„Sciara“, aus Lavastein-Fliesen.
MBRACE Die Kunststofffaser
von Dedon ist weich und wetterfest – beste Voraussetzungen für
Outdoor-Möbel. Der deutsche
Designer Sebastian Herkner hat
aus der Faser eine Sitzmöbelkollektion flechten lassen, in deren
extrabreiten Lehnen man sich so
geborgen fühlen soll wie bei einer
Umarmung (engl. „embrace“). Die
Sitzschale ruht auf Teakholzbeinen,
die Kufen haben können. Das
dreiachsig-sternförmige Geflecht
besteht aus jeweils drei unterschiedlichen Fasern, die es vom
Hersteller aus Lüneburg in drei
Farbvarianten gibt: Spice, Pepper,
Atlantic. Sie spielen auf Reise,
Handel und Abenteuer an.
DREAM LINE Die Kissen dieses
TERRAMARE Die geschwungenen
Arm- und Rückenlehnen des Sofas aus
Kunstleder sind nicht das einzige
interessante Detail. Auch die Verbindung
der Aluminiumrohre ist ungewöhnlich
und erinnert an eine Zeit, als man für
seine Möbel einfach ein paar Stöcke
zusammenband. Der Entwurf (für Emu)
stammt vom venezianischen Studio
Chiaramonte-Marin. Alfredo Chiaramonte und Marco Marin haben die
Kissen mit Polyurethanschaum und
Polyesterflocken (fürs Volumen) füllen
lassen. Der Schaum hat selbstmodellierende Eigenschaften und passt sich dem
Körpergewicht des Benutzers an.
FOTOS HERSTELLER
22
Sessels sind garantiert wasserdicht und
atmungsaktiv, dafür sorgt das Material
Batyline, das zum Beispiel bei Sonnenverdecken oder Relingsverkleidungen
zum Einsatz kommt. Der niedrige
Lounger, den der Italiener Marco
Acerbis für den Mailänder Hersteller
Slide entworfen hat, besteht
aus Polyurethan, das Gestell ist auf
Wunsch lackiert, die Kissen sind sehr
elastisch. Der Sessel, zu dem die
Ottomane „Feet-Up“ von Acerbis passt,
ist das ganze Jahr über wetterfest, aber
auch fürs Wohnzimmer geeignet.
PARROT Die Füße erinnern zumindest
India Mahdavi an die Zehen von
Papageien. Doch ob es nun vier wie bei
den Vögeln oder sechs wie bei ihrem
Entwurf sind, ist der Pariser Designerin,
deren Mutter aus Ägypten und deren
Vater aus Iran stammt, bei ihren Tischen
(für Petite Friture) nicht so wichtig. Für
sie zählt der farbige Kontrast zwischen
den emaillierten Tischplatten in hellem
Gelb, Pink, Grün oder auch Türkis und
den jeweils knalligen Beinen in RotOrange – das sei so wie bei den tropischen
Vögeln auf ihren exotischen Inseln.
23
KUNST
KUNST
„Surrounded Islands“: Am 7. Mai 1983 hatten die Christos elf Inseln der Biscayne Bay vor Miami mit pinkfarbenem Polypropylengewebe umfasst. Das Kunstwerk war zwei Wochen lang zu sehen.
In
Christos
Mission
„The Floating Piers“: Vom 18. Juni bis 3. Juli führt
Christos neues Projekt über den Lago d’Iseo in Oberitalien.
Schwimmende Stege verbinden den Uferort Sulzano mit
der Insel Monte Isola und einer kleineren Insel, der Isola
di San Paolo. Insgesamt ziehen sich die 16 Meter breiten
Stege, die mit schweren Ankern befestigt sind, über eine
Länge von drei Kilometern. Die Bewegungen des Wassers,
das leise Schaukeln bei leichtem Wellengang, sollen beim
Spazieren über den See spürbar sein. Christo verspricht
den Flaneuren ein Gefühl „wie auf dem Wasserbett“.
Wer lieber auf dem Trockenen bleibt, kann sich aus der
Vogelperspektive anschauen, wie die Menschen übers
Wasser wackeln – indem er auf die Berge rings um den
See steigt. Der Lago d’Iseo, bis zu 250 Meter tief, liegt
etwa 100 Kilometer östlich von Mailand. Touristisch
stand er bisher im Schatten seiner berühmteren Nachbarn,
des Gardasees im Osten und des Comer Sees im Westen.
Vom kommenden Samstag an dürfte sich das fürs Erste
ändern. Nach den 16 Tagen, in denen die „Floating Piers“
zugänglich sind, werden Christos Stege wieder abgebaut
und vollständig recycelt. (F.A.Z.)
FOTOS WOLFGANG VOLZ/LAIF (3), WOLFGANG VOLZ/GASOMETER OBERHAUSEN (2), CHRISTO UND JEANNE-CLAUDE, ANTONIO FERRERA
24
Seine Bilder geben den Werken
des Verpackungskünstlers Dauer:
Der Fotograf Wolfgang Volz
ist das Auge Christos.
Von Freddy Langer
Denken groß: Wolfgang Volz (links) und Christo
U
rsprünglich dachte Wolfgang Volz, eines
Tages Architekt zu werden. Oder Rockmusiker. In beiden Disziplinen hatte er
schon einiges vorzuweisen, als er einen
befreundeten Fotografen bat, Bilder von
einem seiner Hausmodelle aufzunehmen. Damit wollte er
sich probehalber an einer Hochschule bewerben. Doch
als er den Freund in dessen Dunkelkammer begleitete,
änderte sich sein Lebensentwurf in einem Augenblick.
Zart schälten sich im roten Licht des Labors die ersten
Schemen aus dem weißen Bogen des Fotopapiers, und
Wolfgang Volz wusste: Das will ich fortan immer wieder
erleben. Wer je in einer Dunkelkammer zugeschaut hat,
wie in der Wanne des Entwicklerbads auf fast magische
Weise ein Bild erscheint, wie es sich entwickelt, buchstäblich, allmählich kontrastreicher wird und Gestalt annimmt, vom ersten gespenstischen Hauch zur fertigen
Fotografie, kann ihn gut verstehen.
Wolfgang Volz schnappte sich einen Fotoapparat,
kaufte zwei Schwarzweißfilme und zog los. Die Aufnahmen machte er mit Bedacht. Hier ein Bild, da ein Bild,
die Motive waren ihm so wertvoll wie das Material. Dann
brachte er die Aufnahmen zur Post. Ein Bündel schickte
er an die staatliche Lehranstalt für Film und Fotografie in
München, ein zweites an die Folkwangschule in Essen.
Beide nahmen ihn an. Er entschied sich für Essen, belegte
Kurse bei Otto Steinert und machte, nach einer „Uneinigkeit“ mit dem Meister, sein Examen bei Erich vom Endt.
Das ist jetzt mehr als 45 Jahre her.
Heute ist Wolfgang Volz ein berühmter Fotograf. Die
Dunkelkammer betritt er kaum noch, dafür hat er sich
einen Drucker ins Haus gestellt, mit dem er wandfüllende
Abzüge herstellen kann. Bilder, in denen man als Betrachter spazieren geht, in denen man sich verliert und vor
denen man alles um sich herum vergisst. Auf den meisten
dieser Abzüge sind Arbeiten von Christo und JeanneClaude zu sehen: Tausende Schirme vor der Küste Kaliforniens, ein schier endlos langer Zaun aus Stoff, mitten
durch eine Wüste gespannt, eine Schlucht, zugehängt mit
einem Vorhang, Inselchen, um die herum rosa Gewebe im
Wasser treibt, Tore in einem Park, ein goldener Gehweg
in Kansas City und vorsichtig ummantelte Bäume. Wo
immer, was immer, wann immer Christo und JeanneClaude einen ihrer Einfälle verwirklicht haben – Wolfgang Volz hat ihn in seinen Fotografien festgehalten
und damit über dessen kurze Lebensdauer von zwei, drei
Wochen gerettet. Länger hatte kaum eine der Verpackungen und Verfremdungen Bestand. An Christo zu denken
heißt deshalb, Bilder von Wolfgang Volz wachzurufen.
Dabei hat er sich nie als Hoffotograf von Christo und
Jeanne-Claude verstanden. Er habe nie für sie, sondern
stets mit ihnen gearbeitet, sagt Volz. Er ist Künstler in
fremder Mission, so könnte man sagen, mit einer eigenen
Vision. „Die Arbeit ist vielschichtig“, sagt er, und es wird
nicht ganz deutlich, ob er die vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten des Werks von Christo und Jeanne-Claude
meint oder die vielen handwerklichen Ansprüche, die an
ihn und seine Arbeit gestellt werden.
Schon ein halbes Menschenleben lang sucht er mit
Christo – und bis zu deren Tod auch dessen Frau – nach
geeigneten Orten für deren Werke. Er hilft, die immensen
Arbeiten der Vorbereitung und des Aufbaus zu koordinieren, besorgt Material, vergleicht Angebote von Bauunternehmen, wählt Mitarbeiter aus und regiert am Ende über
das Geschehen. Mal erhält er dafür den Titel des Projektmanagers, mal des Projektdirektors. Vor allem jedoch fotografiert er – permanent, so muss man meinen. Er macht
die Aufnahmen der in Frage kommenden Orte, die den
Künstlern als Grundlage für ihre Skizzen und Entwürfe
dienen. Er dokumentiert die Entstehung der Plastiken,
von den ersten Verhandlungen mit Bürgern, Politikern
und Grundstückseigentümern bis zum Festzurren des letzten Seils. Und er interpretiert die Kunstwerke. Aus allen
Perspektiven. Zu allen Tages- und Nachtzeiten. In Farbe
und in Schwarzweiß. Im klassischen Format und in den
Proportionen des schier endlos weiten Panoramablicks.
Zwei Schwarzweißfilme waren ihm genug, um das
Material für seine Bewerbungsmappe zusammenzubekommen. Seine Bilder zu Christos Werk hingegen gehen
mittlerweile in die Hunderttausende. Womöglich sind es
mehr als eine Million. So genau weiß er es selbst nicht.
Oder er will sich nicht festlegen. Sogar mit dem Handy
macht er heute Aufnahmen, um bloß keinen Moment zu
verpassen – wenn der Zufall irgendwas besonders schön
25
26
KUNST
„5600 Cubicmeter Package“: 85 Meter hoher Ballon auf der Documenta 1968
arrangiert hat oder überraschend ein Besucher auf der
Baustelle auftaucht, mit dem niemand gerechnet hat. „Wer
zum Beispiel?“ Wolfgang Volz lächelt bloß und sagt kein
Wort mehr.
Wer ihn früher bei den Aufbauarbeiten der Installationen getroffen hat, konnte ihn leicht für wahnsinnig halten.
Auf dem Kopf ein Schutzhelm, im Ohr ein Empfänger, an
der Wange ein Mikrofon, um den Hals die Kamera – und
unter dem Arm eine Leiter. Ein paar Stufen hinauf, schon
fand er eine überraschende Perspektive etwa für den
Reichstag oder den Pont Neuf, jeweils eingehüllt in glänzendes Material. Wurden die Arbeiten großflächiger, bestellte er eben einen Hubwagen. Und wenn auch der nicht
genügte, einen Hubschrauber: „Think big!“ Und doch hat
er nie die Bodenhaftung verloren.
Vielleicht waren es seine anderen Arbeiten, die ihn gleichermaßen ernst und frei machten. Hier Auftragsarbeiten
für die Industrie, dort Schnappschüsse beim Spazierengehen. Virtuos bewegt er sich zwischen den Genres der
Fotografie, mit Bravour wechselt er die technischen Mittel
und spielt ihre Möglichkeiten aus bis ins Extrem. Für jedes
neue Thema, will es scheinen, findet er auch eine neue
Bildsprache. Wer seine Zeitschriftenarbeiten sieht, in seinen
Büchern blättert und seine Ausstellungen in Galerien und
Museen besucht, fragt sich unweigerlich: Ein unverkennbares Volz-Bild, gibt es das überhaupt? Ohne Not taugt die
Masse seiner Bilder längst als Lebenswerk gleich mehrerer
Fotografen.
Da sind zunächst Schwarzweißaufnahmen: gespenstische Einzelbilder manche, andere Teil kaum enden wollender Bildserien. Fast immer aber sind es Momente, in denen
das Leben sich der Klarheit und Durchschaubarkeit
entzieht, Augenblicke, in denen sich die Umrisse einer
Geschichte erst vage herauszuformen beginnen. Es sind
befremdende Motive, die dem Bildkatalog der Surrealisten
näher sind als der Wirklichkeit. Szenen, in denen nachts
auf einer leeren Straße zwei Limousinen aufeinanderlie-
„The Gates“: Vom 18. bis 28. Februar 2005 hingen von 7503 Toren
im New Yorker Central Park safrangelbe Stoffbahnen herab.
„Big Air Package“: Von 16. März bis 30. Dezember 2013 war die 90 Meter hohe Skulptur im Gasometer Oberhausen zu sehen.
In Christos Mission
gen, als liebkosten sie sich, in denen ein riesiger Schaufelbagger wie ein gefräßiges Tier die Erde bis zum Horizont
umwälzt, frisst und wieder auswirft, in denen Menschen
erstarren vor einer Handvoll Reiskörner, die ihnen entgegenfliegt, nein: sie angreift, als handele es sich um einen
Schwarm Moskitos. Diese Bilder sollen gefunden sein im
wirklichen Leben? Eher glaubt man, sie seien Träumen
entsprungen.
Dann gibt es Technikaufnahmen, in denen Volz mit
der Eleganz des Werbefotografen und der Akribie eines
Wissenschaftlers Forschungsberichte über das Weltall,
Untersuchungen der Photosynthese oder neue Erkenntnisse
über monoklonale Antikörper nicht einfach nur illustriert,
sondern erklärend unterstützt. Nie wurde die Bedeutung
des Wortes Kollektor augenfälliger als in seiner Fotografie
jener Hunderter Spiegel, die auf Sizilien das Tageslicht für
ein Sonnenkraftwerk bündeln. Wann wurde uns je deutlicher, dass Glas zunächst einmal flüssig ist, als vor seinem
Bild der Gussform einer viereinhalb Meter großen Linse?
Uns schaudert vor den gigantischen Dimensionen der vier
Beine einer Ölbohrinsel, und doch verlangt uns das Motiv
zugleich höchsten Respekt vor der technischen Leistung
der Ingenieure ab.
Dazu kommt sein Hauptwerk: die Zusammenarbeit
mit Christo und Jeanne-Claude. Hier also die Straßen
der Großstädte mit ihren düsteren Nischen und seltsamen
Geheimnissen, dort die Experimentierfelder in den Laboratorien der exakten Wissenschaft und dann die Welt der
Kunst, nur den Gesetzen der Ästhetik folgend: Das sind
die Orte, an denen Wolfgang Volz sich bewegt.
Verrätseln, Erklären, Darstellen: Um diese Absichten
kreist sein Werk. Er macht es einem deshalb leicht, Kategorien zu finden, Schubladen zu öffnen. Aber je länger
man die Aufnahmen betrachtet, desto mehr verwischen
die Grenzen. Verrätseln und Enträtseln, Verhüllen und
Enthüllen: Sind das tatsächlich Gegensatzpaare, oder ist
das nicht letztlich dasselbe? Öffnet sich unser Verständnis
nicht gerade in dem Moment, da die Welt sich verschließt,
sehen wir die Dinge nicht wirklich erst dann, wenn sie
völlig verhüllt sind? Erkenntnisgewinn – selten lässt sich
dieser Begriff mit mehr Recht auf das Werk eines Fotografen anwenden. Schauen, suchen, reagieren. Das ist das
Prinzip, dem Wolfgang Volz folgt. Das ist nicht originell;
es sollte das Prinzip jedes Fotografen sein. Aber bei ihm
kommt etwas hinzu, das seine Arbeit seit Anbeginn prägt
und das er bis heute nicht verlernt hat: sein Staunen – die
größte aller Fotografen-Tugenden.
Und so steht er jetzt in Norditalien, am Ufer des Lago
d’Iseo, und man hat den Eindruck, dass er es selbst nach
der elften oder zwölften Zusammenarbeit mit Christo
noch immer nicht fassen kann, wie dieser Mann mit seinen Ideen die Welt verzaubert. Seit fast einem Jahr haben
sich die beiden dort eingemietet, ihr Basislager bezogen
und Platz für all das Material geschaffen, das tonnenweise
angeliefert wird. Aus 220.000 Schwimmkörpern entstehen schwimmende Stege. Man kann über das Wasser
gehen. Von Sulzano auf dem Festland aus zur Monte Isola
und weiter zur winzigen Isola di San Paolo, dann über ein
Gewirr von Wegen zurück.
Den Plan für solch ein Werk hatten Christo und JeanneClaude schon Ende der sechziger Jahre, also zu der Zeit,
als Volz sie gerade kennenlernte. Damals wollten sie die
schwimmenden Stege im Delta des Rio de la Plata auslegen.
Aber sie erhielten keine Genehmigung. Den Anfragen bei
der Hafenbehörde von Tokio war ebenso wenig Fortune
beschieden. So verschwand der Einfall für Jahrzehnte in
einem Aktenordner. Bis sich die beiden auf einer Zugfahrt
von Basel nach Stuttgart daran erinnerten. Vor zwei, drei
Jahren. Ganz plötzlich. „Hier irgendwo sollten wir es
machen“, sagten sie. Erzählt Wolfgang Volz. Und dann
steckten sie die Köpfe über Landkarten zusammen, entschieden sich für Norditalien, unternahmen eine „ScoutingReise“, wie Volz es nennt – und entschieden sich augenblicklich für den Lago d’Iseo.
Acht Monate dauerte es, bis alle Genehmigungen beieinander waren. Viel Stempelarbeit bei den Behörden sei
dafür notwendig gewesen, und viel Franciacorta sei geflossen, italienischer Champagner, mit dem Bürgermeister
und der Bürgermeisterin der beteiligten Gemeinden. Jetzt
treiben Schwimmkörper aus Polyethylen auf dem Wasser,
wie große Puzzleteile stecken sie ineinander. Ihren Zauber
entfalten sie erst mit dem goldgelben Gewebe, mit dem
die schwimmenden Stege am Ende überzogen werden.
Und dann erzählt Wolfgang Volz von der Metamorphose,
wie aus schnöden Bauteilen auf fast magische Weise ein
wunderbares Werk entsteht, wie sich auf dem Wasser mit
einem Mal alles ändert und dort ein ganz neuer Eindruck
entsteht, der zunächst allmählich Gestalt annimmt – aber
dann plötzlich da ist, als ein neues Bild. Wie von Zauberhand. Und es ist vermutlich gar nicht so abwegig zu denken, dass er sich dabei an den Moment in der Dunkelkammer seines Freundes vor mehr als 45 Jahren erinnert. Sein
Erweckungserlebnis, wie er es nennt. Denn auch hier wird
er sich sagen: Das will ich fortan immer wieder erleben.
ERLEBEN SIE MEHR,
VERMISSEN SIE WENIGER.
Frühstück mit dem Vorstand in Brüssel. Lunch am Vierwaldstättersee in Luzern.
Abendessen zu Hause mit der Familie. Unsere Flotte ist so groß wie die viertgrößte
Airline-Flotte der Welt. 700 Flugzeuge für Sie.
Only NetJets.
NETJETSEUROPE.COM
„Big Air Package“: Die Skulptur bestand aus 20.350 Quadratmeter
lichtdurchlässigem Gewebe und 4500 Meter Polypropylenseil.
+49 (0) 89 2323 7547
Alle von NetJets® Europe angebotenen Flugzeuge werden von NetJets Transportes Aéreos
S.A., einer EU-Luftfahrtgesellschaft, betrieben.
Ein verstohlener Seitenblick in den
Spiegel, ein Mustern des Schnitts,
der eigenen Wirkung, dann traut er
sich vor die Linse. Mario Götze mag
das schrill gemusterte Jackett, sogar
mit Weste im identischen Dekor.
Der Mann, dessen Siegtreffer im
WM-Finale 2014 gegen Argentinien
eines der bekanntesten Bilder der
Welt wurde, mag das Spiel mit der
Kamera. Mal Strahlemann, mal
Pokerface, mal Hände in den Taschen
oder Arme verschränkt, egal ob
posieren und wichtig gucken oder
ganz locker und jung nur rumstehen: „Was geht?“ Alles geht –
wenigstens hier. Am Ball lief seit
dem Traumtor in Rio weniger. Bei
den Bayern verlor er den Platz im
Rampenlicht. Bei der EM will er
ihn sich zurückholen.
ONYVA!
MARIO GÖTZE
Die Europameisterschaft
beginnt. Der Weltmeister,
jenseits des Rasens von Boss
ausgestattet, gehört zu den
Favoriten. N’est-ce pas?
Fotos Nacho Alegre
Styling Markus Ebner
Texte Christian Eichler
MANUEL NEUER
Der beste Torwart der Welt hat jede
rechtwinklige Fläche sofort im Griff.
Er muss ihr dazu nur den Rücken
zukehren. Sei es das Tor, sei es die
aufgebaute blaue Leinwand beim
Mode-Shooting in München, sei
es die weiße Mauer des abgeteilten
Hotel-Tagungsraums, in dem es
stattfindet. Manuel Neuer, Pullover,
Schal, noch ein Schal, stellt sich
barfuß erst vor die blaue, dann vor
die weiße Wand. Und steht dann
da wie die menschliche Wand, die
er ist, wenn ein Stürmer auf ihn
zukommt. Selbst auf dem Boden,
im Schneidersitz auf dem Teppich,
dessen amöbenhaftes Muster
aussieht, als sei es beim alten
Schulhofspiel „Lange Nase“ entstanden, wirkt er wie immer: lässig,
raumfüllend, unüberwindlich.
BASTIAN SCHWEINSTEIGER
Er kommt von einem anderen
Shooting und muss gleich zum
nächsten. Dunkler Anzug, schwarze
Krawatte, ganz Businessman,
knapper Zeitplan. Deshalb: StyleWechsel im Tempo eines Formel1-Boxenstopps. Pullover, Blouson;
nur das hübsche Halstuch verweigert er. Auch durch den Hinweis
„Sieht gut aus“ lässt sich Bastian
Schweinsteiger nicht erweichen.
Für einen Hosentausch reicht die
Zeit nicht, der Kapitän ist gefragt.
So darf nur die obere Hälfte ins
Bild. Bitte die Hand zum Gesicht,
fordert der Fotograf. Schweinsteiger
gehorcht, nimmt das Kinn in
die Faust, und heraus kommt die
Fußballversion von Rodins
„Denker“ – der ja in Wirklichkeit
auch Sportler war. Modell für die
berühmte Bronze stand übrigens der
Preisboxer und Ringer Jean Baud.
ONYVA!
JULIAN DRAXLER
Das Kapital eines Sportlers ist sein
Körper – ein Spruch fürs Phrasenschwein. Das Schwein wird fetter,
die Fußballer werden schlanker.
Allenthalben verzehren sie keinen
Weizen oder keine Kuhmilch mehr.
Oder sie essen gar, der angeblich
besseren Fettverbrennung wegen,
den Nachtisch zuerst – wie es
Robert Lewandowski tut und wir
als Kinder es ja auch schon wollten.
Julian Draxler beschäftigt mit 22
Jahren einen privaten Ernährungsexperten und Koch, der ihm täglich
zwei Mahlzeiten zubereitet. Sein
Körper ist entsprechend polsterfrei.
Das erhöht Beschleunigung,
Belastbarkeit und Bekleidungsoptionen. Foto mit Jacke, ohne Jacke,
mit Pullover um die Hüften, ohne
Pullover um die Hüften, mit Schal,
ohne Schal. Guter Fußballspieler,
gutes Modell: Ihm passt alles.
LEROY SANÉ
Als er strahlend, federnd, funkelnd
um die Ecke biegt, vor dem Kleiderständer auftaucht, ist gleich klar:
Der Kerl kriegt das Schrillste, das
auf der Stange hängt. Leroy Sané
liebt es, und man sieht ihm das an,
wenn er es trägt. Markus Ebner, der
das Shooting organisiert, hat schon
oft mit Spielern als Models zu tun
gehabt. „Es ist sehr schwer“, meint
er, „eigentlich fast unmöglich,
weil sie nichts so richtig versuchen
wollen.“ Hier ist es anders. Ebner
sagt zu Joachim Löw, der die Szene
auf einem Stuhl verfolgt wie sonst
das Spiel auf der Bank: „Dem steht
alles gut. Euer Nummer-1-Dressman.“ Der Bundestrainer nickt.
Es scheint ihn nicht zu wundern.
Immer noch ist er dabei, etwas zu
finden, was sein neuer Jungstar
nicht kann.
THOMAS MÜLLER
Beim Umziehen entblößt sich ein
magerer weißer Oberkörper mit
braunen Armen. Thomas Müller
könnte auch als Tour-de-FranceProfi durchgehen, doch hat er einen
anderen Grund, im Sommer nach
Frankreich zu fahren. Er ist der
Glücksbringer des Nationalteams.
Wann immer er ein Tor schoss bei
einer WM oder in einem Qualifikationsspiel, gewann Deutschland.
Nur bei einer EM traf er noch nie.
Das soll sich nun ändern. Der Mann
mit dem häufigsten deutschen
Namen hat sich auch als Weltstar
etwas herrlich Halbstarkes bewahrt.
Heller Anzug, Arme verschränkt,
herausfordernder Blick – auf
ironische Weise halbseiden. Ein
bisschen Monaco Franze. Dann,
ohne Sakko und Socke, Hosenbein
hochgeschoben, schiefes Grinsen:
ein junger Belmondo in der Drehpause. Müller hat sie alle drauf.
ONYVA!
MATS HUMMELS
Fußballspieler lernen zu tun,
was der Trainer sagt. Und der
Ausstatter. Vor dem Spiel liegen
in der Kabine Trikot, Hose und
Strümpfe vom Verein bereit
und die Schuhe vom Ausrüster
– der sich gern mal etwas
farblich Auffälliges ausdenkt.
Aber mancher hat seinen
eigenen Kopf, reißt sich das
Hemd dann mitten im Spiel
vom Leib (was zur Gelben
Karte führt). Oder zieht sich
manches erst gar nicht an. Mats
Hummels, Pullover, Blouson,
die strubbeligen Haare für die
Kamera ordnend, sieht das
Accessoire, das der Stylist ihm
bringt, und wehrt entschieden
ab: „Nee, so ein Ding trage ich
nicht.“ Später liegt er auf dem
Rücken, lässt sich fotografieren
und denkt vielleicht nach,
welche Farbe ihm von Juli an
am besten steht. Gelb-Schwarz
ist es nicht mehr.
Es ist ein weiter Weg vom sozialen
Brennpunkt in Bremen-Huchting
vor die Brennweite eines StarFotografen aus Barcelona in einem
Luxushotel in München-Bogenhausen. Aber der Fußball bietet
Abkürzungen, vielleicht die schnellsten. Karim Bellarabi brauchte im
August 2015 in Dortmund nach
dem Anpfiff nur neun Sekunden,
um Bayer Leverkusen in Führung zu
bringen. Das schnellste Tor der
Bundesliga-Geschichte – und der
Anfang einer Turbo-Karriere. So
posiert Bellarabi, der eine deutsche
Mutter, einen marokkanischen Vater
und einen ghanaischen Stiefvater
hat, nun mit Anzug und Krawatte
für eine urdeutsche Institution,
die Nationalmannschaft. Und hofft,
dass er das in Frankreich auch mit
Adler auf der Brust tun darf.
Foto Michel Gibert. Foto unverbindlich. Dank an: TASCHEN / Skulptur: www.jacintomoros.com.
KARIM BELLARABI
ONYVA!
SAMI KHEDIRA
Sami Khedira und die Kunst, einen
Anzug mit italienischer Lässigkeit
zu tragen. Ist es die Übung in Turin?
Das halbe Jahrzehnt bei den
„Königlichen“ von Real Madrid?
Oder die lange Liaison mit
„Germany’s Next Topmodel“, der
Siegerin der ersten Ausgabe der
Casting-Show 2006? Während
des ersten großen Export-Booms
deutscher Weltmeister ans Mittelmeer, nach dem WM-Sieg 1990,
bewegten Fußballer, die noch einen
richtigen Beruf erlernt hatten, wie
Raumausstatter Matthäus, Bäcker
Klinsmann, Automechaniker
Brehme oder Metzger Riedle, sich
abseits des Spielfelds noch etwas
unsicher. Die Weltmeister von
2014 sind gelernte Fußballstars –
und machen auch in Italien und
Spanien bella figura.
Styling-Assistenz:
Ramona Habermann
Agnes Handfest
Leonie Volk
Die Kleidungsstücke wurden von
Hugo Boss zur Verfügung gestellt,
dem offiziellen Modeausstatter
der deutschen Nationalmannschaft.
DREIEINIG
Bundestrainer Joachim Löw,
Nationalmannschafts-Manager
Oliver Bierhoff und Löws Assistenztrainer Thomas Schneider führen
das deutsche Team bei der Europameisterschaft.
Discours. Großes 5-Sitzer Sofa, Design Studio Roche Bobois.
BERLIN - DÜSSELDORF - FRANKFURT - HAMBURG - MÜNCHEN - NÜRNBERG / ERLANGEN - STUTTGART
www.roche-bobois.com
36
FUSSBALL
FUSSBALL
Von Reinhard Müller
D
ie Steinzeit liegt nicht weit zurück. Wer
sich auf Youtube Wim Thoelke anschaut,
wie er 1970 im „Aktuellen Sportstudio“
des Zweiten Deutschen Fernsehens über
den Frauenfußball herzieht, der traut seinen Augen und Ohren nicht. Da geht es nicht darum, dass
Frauen anders Fußball spielen. Nein, der Fernsehunterhalter
verhöhnt die Fußballspielerinnen als „Mutter“ und „Erna“.
Und das im öffentlich-rechtlichen Fernsehen: „Decken!
Decken! Nicht Tisch decken!“
Doch womöglich traf der beliebte ZDF-Moderator den
Zeitgeist. Auch wenn die damalige inoffizielle Nationalstürmerin Gerda Müller hieß – der Deutsche Fußball-Bund
hatte im Jahr 1955 Frauenfußball ausdrücklich untersagt.
Diese „Kampfsportart“ sei „der Natur des Weibes im
Wesentlichen fremd“. Das Verbot galt bis 1970.
Wie hätten Wim Thoelke und die Fußballnation wohl
reagiert, wenn ihnen ein Fußball-Weiser offenbart hätte,
dass zum vorläufigen Kader der Nationalmannschaft des
Jahres 2016 Jérôme Boateng, Shkodran Mustafi, Emre
Can, Sami Khedira, Mesut Özil, Karim Bellarabi und
Leroy Sané gehören? Wie hätte man darüber gesprochen?
Die Nationalelf war nie ein Spiegelbild der Gesellschaft.
Aber sie spiegelt natürlich als Kind der Zeit die Verhältnisse.
So waren die Helden von Bern, die 1954 als krasser Außenseiter die seit Jahren ungeschlagenen Ungarn nach einem
0:2-Rückstand noch bezwangen, Kriegsveteranen eines
noch immer am Boden liegenden Landes. Torwart Toni
Turek war an der Ostfront durch einen Granatsplitter verletzt worden, der seinen Stahlhelm durchschlagen hatte.
Ottmar Walter überlebte ein Seegefecht vor Brest nur
knapp (und mit drei Granatsplittern im Knie). Der Bundestrainer und vormalige Reichstrainer Sepp Herberger
hatte noch im Ersten Weltkrieg und dann einige Tage lang
im Zweiten gedient. Die Stars, die noch nicht so hießen,
spielten für ein Taschengeld und lauschten nach dem Sieg
im Regen ergriffen dem Deutschland-Lied.
Migrationshintergrund? Der Verteidiger Josef Posipal
war der Sohn eines donauschwäbischen Bäckers und wuchs
im rumänischen Banat auf. Er besuchte dort bis zum Jahr
1942 das deutsche Gymnasium. Am ersten Spiel der Nationalmannschaft nach dem Zweiten Weltkrieg, 1950 in
Stuttgart gegen die Schweiz, konnte er wegen fehlender
Personalpapiere und ungeklärter Staatsangehörigkeit noch
nicht teilnehmen.
Als die deutsche Nationalmannschaft 1974 den Titel
gewann, standen die Zeichen im Ost-West-Konflikt auf
Entspannung. Es war die Zeit der Aussöhnung und Normalisierung, auch mit der DDR. In der Bundesrepublik gehörten die „Gastarbeiter“ zur Normalität. Aber sie waren
noch nicht lange im Land und gehörten rechtlich und oft
wohl auch nach ihrem Empfinden (wie dem der Deutschen) nicht richtig dazu. Im WM-Siegerteam von damals
sucht man sie vergebens.
Das war sogar noch 1990 so. Der Gewinn der Weltmeisterschaft der Westdeutschen fiel in das Jahr der Wiedervereinigung – und verleitete Franz Beckenbauer zu der
berühmt-berüchtigten Aussage, nun werde die Nationalmannschaft auf Jahre hinaus unschlagbar sein.
Hier irrte der „Kaiser“. Doch das Sommermärchen
2006 führte zu einem anderen Sieg. Der WM-Dritte wurde
Weltmeister der Herzen. Schwarz-rot-goldener Jubel als
Party – von Nationalismus keine Spur. So empfand es auch
das kritische Ausland. Zugleich war das die Zeit, in der die
deutsche Nationalmannschaft ihr Gesicht veränderte. So
war schon 2001 Gerald Asamoah als erster gebürtiger Afrikaner in eine DFB-Auswahl berufen worden. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea spielte
er im Finale. 2006 stand er ebenfalls im Aufgebot und
spielte im Vorrundenspiel gegen Ecuador. David Odonkor,
Sohn eines Ghanaers und einer Deutschen, gab die Vorlage
zum wichtigen 1:0 gegen Polen in der Vorrunde. Man sollte
SCHWARZ ROT BUNT
Die Nationalmannschaft
spiegelt das neue
Deutschland: Nicht auf die
Herkunft kommt es an,
sondern auf das Bekenntnis.
sich aber nicht täuschen lassen. Werden Erfolge der eigenen
Vereins- und Nationalmannschaft bejubelt, schließt das
Rassismus gegen einzelne Spieler nicht aus.
So standen hohe NPD-Funktionäre wegen eines rassistischen „WM-Planers“ für 2006 vor Gericht. Auf der Vorderseite des Terminplans wurde das Trikot eines Fußballers
mit der Rückennummer des damals für Werder Bremen
spielenden dunkelhäutigen Nationalspielers Patrick Owomoyela abgebildet. Der Text dazu lautete: „Weiß – nicht
nur eine Trikot-Farbe! Für eine echte NATIONAL-Mannschaft!“ Die NPD-Leute mussten sich wegen gemeinschaftlicher Beleidigung und Volksverhetzung verantworten.
Die neue Buntheit der Nationalelf spiegelt also ein
neues Deutschland – das mittlerweile auch sein Staatsangehörigkeitsrecht geändert hat. Man hat die Wahl, auch für
wen man spielen will. Und da geht es eben nicht nur um
Vaterlandsliebe, sondern um Karriere-Chancen. So kritisierte der damalige Bayern-Spieler Hamit Altintop im Jahr
2010 seinen Kollegen Mesut Özil, der ebenfalls in Gelsenkirchen geboren wurde und aufwuchs, er habe sich gegen
seine Herkunft und für seine Karriere entschieden, als er
das Trikot mit dem Adler auf der Brust überstreifte. Özil
dagegen pries die Nationalelf als „bestes Beispiel für erfolgreiche Integration in Deutschland“. Für ihn sei kein anderes
Land in Frage gekommen.
Ein klares Bekenntnis. Und genau darauf kommt es an,
nicht auf die Herkunft. Das begreifen weder Neonazis
noch Antifa: Die Nazis nannten sich zwar national, aber sie
waren es nicht. Sie waren Rassisten. Die Nation fragt nicht
nach dem ethnischen Hintergrund. Auch nach dem alten
Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913, das lange
galt, wurde man nicht nur durch Geburt (Herkunft), sondern auch durch Einbürgerung Deutscher.
Heute ist die doppelte Staatsangehörigkeit anerkannt.
Es gibt, wie auch für manche Fußballspieler, ein Optionsrecht. Dass kleine, reiche Länder Spieler einkaufen, ihnen
also zügig die Staatsangehörigkeit verleihen, um die eigene
Nationalelf zu stärken, ist jederzeit möglich, durch internationale Regeln allenfalls zu verzögern. Auch in Deutschland
ist die Einbürgerung für Spitzensportler leichter als für den
Durchschnittsmigranten.
Aber von jedem muss etwas verlangt werden. Nur: was?
Vor vier Jahren forderte der frühere DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder eine „Singpflicht“. Die Italiener hätten
im EM-Halbfinale „mit Inbrunst mitgesungen – und auch
mit der gleichen Leidenschaft für ihr Land gespielt. Und
wir? Das sah fast schon beschämend aus.“ Damals hatten
Sami Khedira und Mesut Özil ausrichten lassen, dass sie
aus Respekt vor dem Heimatland ihrer Eltern nicht singen.
Mayer-Vorfelder sagte damals der „Bild“-Zeitung: „Ich
kann nicht für die DFB-Auswahl auflaufen und alle Vorteile
einstreichen wollen, dann aber so tun, als wäre ich nur ein
halber Deutscher.“ Und er empfahl: Wenn ein Spieler sich
beharrlich weigere zu singen, „dann wird er eben nicht
mehr eingeladen“. So weit ist es dann nicht gekommen.
Man darf daran zweifeln, ob das Singen der Hymne einen
Deutschen ausmacht.
Aber ein Symbol ist die Hymne schon. Die Nationalelf
ist überhaupt eine der wenigen Institutionen, die von Millionen fahnenschwenkenden Bürgern getragen werden.
Insofern hat sie tatsächlich eine integrative Kraft. Der Einzelne muss zurücktreten, um der Mannschaft zum Erfolg
zu verhelfen. Das brachte der eigentlich nicht zum Pathos
neigende Bundestrainer Joachim Löw bei der Nominierung
des vorläufigen EM-Kaders zum Ausdruck: Das Kollektiv
sei wichtiger als der einzelne Spieler. „Es geht darum, eine
Einheit zu bilden, ein bedingungsloses Miteinander zu finden. Dies hat uns immer stark gemacht.“ Die Spieler, meint
er, sollten sich nicht nur auf dem Platz richtig verhalten.
Nicht die Herkunft zählt, nicht mal die Leistung – sondern
die Haltung. Das klingt fast schon nach Sepp Herberger.
Los geht’s!
Weltmeister im Fußballgucken: Wenn große Spiele anstehen wie in den nächsten Wochen, färben sich viele Fenster grün.
DASSELBE IN GRÜN
W
enn wichtige Fußballspiele laufen, herrscht in den
Straßen eine besondere Atmosphäre. Die Städte
sind oft wie ausgestorben, Autos oder Fußgänger
sind kaum zu sehen. Nur in der Pause passiert was: Man
führt den Hund aus, holt Zigaretten, raucht auf dem Balkon. Ich mochte solche Abende schon immer: die einsame
Stimmung in den Straßen oder auf der Autobahn, die eigenartige Komplizenschaft mit anderen Weggefährten.
Bei einem Freundschaftsspiel vor der Fußball-Europameisterschaft 2012 ging ich abends durch die Straßen. In
den Fenstern sah ich Grün. Die LED-Bildschirme lassen
erkennen, ob die Menschen in ihren Häusern Fußball
schauen, denn der Rasen leuchtet ihre Wohnzimmer aus.
Bei anderen Fernsehsendungen sieht das ganz anders aus,
sie schimmern blau oder blitzen rot. In der Nachkriegszeit
herrschte lange grau vor. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland wurde zum ersten Mal das gesamte Turnier im Farbfernsehen übertragen.
Beim Fußball sehe ich nur
eine Farbe. Fotografiert man
dramatische Spiele mit Abstand,
wirken sie fast meditativ.
Von Eva-Maria Lopez
Während der Europameisterschaft des Jahres 2012
und der Weltmeisterschaft 2014 zog ich mit Kamera und
Stativ durch die Straßen, meist zur zweiten Halbzeit,
damit es dunkel genug war, und hielt nach grünen Fenstern Ausschau. Man muss schon ein bisschen suchen,
denn helles Licht im Raum oder an der Fassade schluckt
das Grün. In der Halbzeitpause oder wenn Zuschauerränge eingeblendet werden, erscheint nur das übliche
bläuliche Fernsehlicht.
In meiner künstlerischen Arbeit untersuche ich den
urbanen Raum. Dabei will ich anhand von Gebäuden und
Wohnräumen Spuren des Zeitgeschehens sichtbar machen. Meine Fußball-Serie habe ich „Wohnzimmergrün“
genannt, wegen der Doppeldeutigkeit der Zimmerpflanzen im Wohnzimmerfenster. Die Fotos entstanden überwiegend in Karlsruhe, außerdem in Landau, Freiburg und
Berlin, in unterschiedlichen Stadtteilen. Es ist ein Querschnitt verschiedener Häuser und Gesellschaftsschichten.
Beim Fußballschauen sind sie durch das Grün verbunden.
Ich wollte das Thema Fußball anders beleuchten.
Keine Spielszenen, keine begeisterten Fans, kein Public
Viewing, nur der distanzierte Blick auf ein dramatisches
Geschehen. Mich hat der Kontrast fasziniert zwischen der
Farbe der Hoffnung auf den stillen Fassaden und möglichen
Abgründen, die sich hinter den Wänden auftun. Von den
Rissen in der Fassade des internationalen Fußballs einmal
abgesehen.
37
GESCHICHTE
GESCHICHTE
Bis zur
letzten
Hülse
Vor 150 Jahren veröffentlichte Gregor
Mendel seine Vererbungsregeln. Ein Besuch
im Klostergarten, in dem bis heute Erbsen
blühen. Von Peter-Philipp Schmitt
Unverkennbar Mendels Garten: Blick auf die Abtei St. Thomas in Alt Brünn, gegründet 1323 als Zisterzienserinnenkloster „Aula Sanctae Mariae“ von Königin Elisabeth, der Witwe Rudolfs von Habsburg
Ein Porträt des Mönchs als junger Mann: Denkmal Gregor Mendels im Garten seiner Abtei
D
ie Invasoren in Gregor Mendels Garten sind längst
keine Exoten mehr. Weder
die amerikanischen Touristen, die vor dem „Café Mendel“ sitzen und Kaffee und Kuchen genießen, noch die Pflanzen, die im späten 19.
Jahrhundert aus tropischen Gefilden nach
Europa eingewandert sind. Sie wurden seither so oft gekreuzt und dadurch genetisch
verändert, dass es inzwischen ungezählte
Hybriden gibt.
Was aber würde wohl Gregor Mendel
dazu sagen, dass vor seiner Abtei nun einen
Sommer lang die ihm damals noch unbekannten rot- und weißblühenden Eisbegonien in Reih und Glied stehen? Wenigstens
säen die Gärtnerinnen an diesem warmen
Tag im Mai ein paar Meter weiter auch
einige Erbsen. Das scheint unvermeidbar,
schließlich kommen die Besucher von weit
her, um mehr über den Mann zu erfahren,
der mit seinen Erkenntnissen, die er den
Hülsenfrüchten und ihren Blüten verdankt,
Generationen von Schülern quälte.
Mit den knapp sechs Quadratmetern
Beet, die man den Erbsen in diesem Jahr
vor der Tür des Klosters einräumt, hätte
Mendel wenig anfangen können. „Damals
muss er fast den ganzen Garten genutzt
haben“, ist sich Ondřej Dostál sicher. Der
Direktor des Mendel-Museums hat versucht herauszufinden, wie viele der Nutzpflanzen der Naturforscher damals insgesamt bei seinen Feldversuchen verbrauchte.
„Es müssen mindestens 13.000 im Laufe
der acht Jahre gewesen sein.“ Wahrscheinlich waren es sogar 27.000 und mehr Zöglinge, um die sich der Augustinermönch
täglich mehrere Stunden kümmerte.
Ondřej Dostál ist eigentlich Geologe
und Paläontologe sowie Vorsitzender des
Vereins der Museen und Galerien in der
Tschechischen Republik. Erst seit er auch
noch zuständig für das Erbe Gregor Mendels in Brünn (Brno) ist, kann er seinen
Besuchern die „Mendelschen Regeln“ bis
ins Detail erklären. Vor 150 Jahren hatte
Mendel die Ergebnisse seiner Erbsenstudien in der Schrift „Versuche über PflanzenHybriden“ zusammengefasst. Das wertvolle
Dokument kann Direktor Dostál nur ausnahmsweise aus seinem Büro holen und im
Original zeigen, weil sein Museum in der
alten Abtei bis Ende Juli noch umgebaut
wird und viele Exponate, darunter auch
das kostbare Mikroskop Mendels, zur Zeit
nicht in Vitrinen stehen.
Noch als Abiturient hat Dostál sich um
die komplizierte Materie herumgedrückt,
im Fach Biologie eine Frage zu Mendel und
seiner Genetik lieber ausgelassen und sich
stattdessen der Systematik von Reptilien
gewidmet. Ähnlich geht es bis heute seinen
Gästen, die meist nach wenigen Sätzen
genug vom dominant-rezessiven Erbgang
haben, mit dem zum Beispiel erklärt werden kann, warum rot- und weißblühende
Erbsen, wenn man sie kreuzt, in erster Generation nur rotblühende Töchter haben,
„Versuche über Pflanzen-Hybriden“: Original der Mendelschen Regeln, veröffentlicht 1866
in der nächsten sich die rezessiven weißblühenden Enkel dann aber doch langsam
durchsetzen. Spätestens wenn Magister
Dostál bei seinem Rundgang dann über
Homozygotie und Haplodie spricht, steigen
die Freizeitgenetiker aus.
Viel interessanter erscheinen den Touristen die politischen Verwicklungen, für
die Mendel und seine Lehren im 20. Jahrhundert sorgten. In seiner Heimat, meint
Dostál, sei Mendels Werk lange verleugnet
worden und darum auch weniger bekannt.
85 Prozent der etwa 15.000 Museumsbesucher im Jahr kämen deshalb aus dem Ausland. Schuld daran ist vor allem Josef Stalin,
der nach dem Zweiten Weltkrieg das Werk
des lange schon verstorbenen Augustiners
verbannte. „Mendel war Deutscher, Mönch
und Genetiker“, sagt Dostál. „Das war für
die Sowjets gleich ein dreifacher Grund,
gegen ihn vorzugehen.“
Der führende Biologe der UdSSR,
Trofim Denissowitsch Lyssenko, lehnte
die Existenz von Genen ab und damit die
Erkenntnisse von Genetikern wie Mendel,
Charles Darwin, August Weismann und
Thomas Hunt Morgan. Lyssenko glaubte,
dass erworbene Eigenschaften vererbt
würden. Die Mendelschen Regeln wurden
verboten, selbst in Brünn sollte die Erinnerung an den berühmten Mann getilgt werden. Die Stalinisten verjagten daher 1950
nicht nur die Augustiner aus ihrem Kloster.
(Erst 1989, nach dem Fall des Eisernen
Vorhangs, bekamen sie die heruntergekommenen Gebäude zurück.) Auch ein Mendel
zu Ehren gestiftetes Denkmal, das seit 1910
auf dem Platz vor dem Kloster gestanden
hatte, wurde abgebaut und hinter den
Mauern seiner Abtei verborgen.
Dort, im Garten, steht es noch heute.
Den Auftrag für das mehr als lebensgroße
FOTOS PETER-PHILIPP SCHMITT (2), DIETER RÜCHEL, LAIF/BERTHOLD STEINHILBER, DPA
38
Werk hatte der Wiener Bildhauer Theodor
Charlemont bekommen. Es zeigt den jungen Priester im einfachen Ordenshabit vor
rankenden Erbsen. Am Sockel reichen sich
zwei nackte Kniende, ein Junge und ein
Mädchen, ihre rechten Hände. Der Reliefschmuck deute „in zarter Allegorie die
große allgemeine, auch auf das menschliche
Leben sich erstreckende Bedeutung der
Mendelschen Vererbungsgesetze aus“, heißt
es in einer 1924 in Prag veröffentlichten
Biographie. Auf dem Sockel stand damals
noch zu lesen: „Dem Naturforscher P.
Gregor Mendel 1822 –1884. Errichtet
1910 von Freunden der Wissenschaft.“ Die
Inschrift wurde später verkürzt, der Naturforscher, der Pater und die Freunde der
Wissenschaft wurden gestrichen. Irgendwann verschwand selbst der schlichte
Schriftzug „Gregor Mendel 1822 –1884“.
Auch Mendels Garten erlebte einen
Bildersturm – und das schon kurz nach
seinem Tod. Anselm Rambousek, der ihm
1868 bei der Wahl zum Abt unterlegen war
und ihm nun, 1884, als Souverän über die
Abtei folgte, ließ das Gewächshaus abreißen. Nur eine Kiesfläche, auf der heute
Kinder spielen, erinnert noch an den gläsernen Bau, in dem Mendel mit Messer
und Pinsel die Blüten zu öffnen pflegte, um
sie zu bestäuben. Mit Besuchern scherzte
er: „Meine Aufgabe ist eben zu kopulieren.“
Rambousek vernichtete auch Briefe sowie
persönliche und wissenschaftliche Aufzeichnungen seines einstigen Rivalen.
Für die Mendel-Forschung ist das eine
Katastrophe, und es ist auch eine Erklärung
dafür, dass erst im frühen 20. Jahrhundert
die „Mendelschen Gesetze“ und mit ihnen
der „Vater der Genetik“ wieder entdeckt
wurden. Unverstanden allerdings fühlte
sich Mendel schon zu Lebzeiten. Seine
„Versuche über Pflanzen-Hybriden“ stießen kaum auf Interesse. Von ihm ist der
Satz überliefert: „Meine Zeit wird noch
kommen!“ Nur 13 von ihm veröffentlichte
Artikel sind erhalten, alleine neun beschäftigen sich mit Meteorologie. Mendel war,
nachdem er seine Erbsenversuche zwischen
1856 und 1863 abgeschlossen hatte, ein
begeisterter Atmosphärenforscher. Unter anderem gelang es ihm am 13. Oktober 1870,
einen Tornado in Brünn zu beobachten.
Drei Wochen später hielt er einen Vortrag
über den Wirbelwind, lange bevor Alfred
Wegener eine Luftwirbel-Definition zu
Papier brachte, und veröffentlichte seine
Erkenntnisse in den „Verhandlungen des
naturforschenden Vereines in Brünn“.
Heute findet sich im hinteren Teil des
Klostergartens wieder eine kleine Wetterstation. Sie steht dort, wo einst die Orangerie, Mendels „Gartensalon“, an die Mauern
der Klosterbrauerei stieß. In der Orangerie
Das Mikroskop des Gregor Mendel:
Ondřej Dostál, Direktor des Mendel-Museums
in Brünn, mit der kostbaren Sehhilfe
hielt sich der Abt besonders gerne auf und
empfing Gäste. 1972 brannte sie nieder
und wurde trotz vieler Bestrebungen wohlmeinender Brünner Bürger nicht wieder
aufgebaut. Für 30 Kronen (1,20 Euro) lässt
sich das Bienenhaus besichtigen, das Gregor Mendel weit abseits der eigentlichen
Abtei 1871 errichten ließ. 15 Bienenstöcke
fanden in ihm Platz. Es sei nicht auszuschließen, dass er an seinen Bienen auch die
Ergebnisse seiner Pflanzenstudien erproben
wollte, heißt es im Kloster. Tatsächlich widmete er sich auch hier „dem Kopulieren“,
aber mit wenig Erfolg für den Honig-Ertrag.
Ihm soll es auch gelungen sein, ein stachelloses Volk heranzuzüchten, das umgehend
von einem Volk mit Stachel ausgerottet
wurde. „Wichtig ist, dass jeder Bienenzüchter etwas ausprobiert, was mit der Bienenzucht in Verbindung steht, da man nur auf
diesem Wege zu nützlichen Erkenntnissen
gelangen kann“, schrieb Mendel 1875 in der
Zeitschrift „Die Honigbiene von Brünn“,
einem „Organ der Bienenfreunde in Mähren
und Oester. Schlesien“.
Mendel war nicht ohne Hintergedanken
in die Augustinerabtei nach Brünn geholt
worden. Er sollte dort genau solche Untersuchungen betreiben. Der mährische Ort
war im 18. Jahrhundert zu Reichtum gelangt, da Kaiserin Maria Theresia in Brünn
den Stoff für die Uniformen ihrer Soldaten
herstellen ließ. Die Industriellen in „Österreichs Manchester“, wie Brünn wegen seiner
Textilproduktion genannt wurde, investierten schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts
viel in die Forschung, mit der sie den landwirtschaftlichen Ertrag auf ihren Gütern
erhöhen wollten.
Mit gewinnbringenden Ergebnissen,
die die „Mährisch-Schlesische Gesellschaft
zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur-
und Landeskunde“ regelmäßig veröffentlichte. Experimentiert wurde zum Beispiel
mit den Samen verschiedener Kleearten,
mit Frühkartoffeln, aber auch mit Bienen.
Langjähriges Mitglied der Gesellschaft und
ihr späterer Direktor war Franz Napp
(1792 bis 1867), der als Augustiner den
Ordensnamen Cyrill trug. Napp, seit 1824
Abt des Alt-Brünner Stiftes, war es auch,
der den hochbegabten Johann Mendel
1843 als Novizen ins Kloster holte. Dort
sollte der 1822 in Heinzendorf (Hynčice)
geborene Bauernsohn landwirtschaftliche
Untersuchungen anstellen.
Es ist bis heute umstritten, warum Johann Mendel, der sich den Ordensnamen
Gregor zulegte, Mönch und Priester geworden ist. Seine Eltern waren arm. Nur unter
widrigsten Umständen und mit Unterstützung seiner Schwestern konnte der einzige
Sohn den ihm vorgezeichneten Weg verlassen und studieren. Er selbst schrieb in seiner
in der dritten Person verfassten Biographie:
„Mit dem Aufwande aller seiner Kräfte
gelang es demselben, die beiden Jahrgänge
der Philosophie zu absolviren.“ Danach
habe er sich gezwungen gesehen, „in einen
Stand zu treten, der ihn von den bitteren
Nahrungssorgen befreite. Seine Verhältnisse
entschieden seine Standeswahl.“
Direktor Dostál bezweifelt, dass Mendel dem Kloster nur beitrat, um sich seiner
materiellen Sorgen zu entledigen. „Mendel
muss mit ganzem Herzen Ordensmann gewesen sein.“ Zudem ließ er sich 1868 sogar
zum Abt wählen, was bedeutete, dass er viel
weniger Zeit für seine Studien hatte. Dostál
ist davon überzeugt, dass die große Verantwortung und nicht zuletzt der Streit mit
den Behörden um eine Klostersteuer, die
das reiche Stift arg beutelte, zum frühen
Tod Mendels mit 61 Jahren beitrugen.
39
INSTAGRAM
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InternetVideo verblüfft
Vielreisende
„Wer im Video sieht, was alles in den SkyHanger® passt,
ist überzeugt“, freut sich sein Erfinder Frank Degeler
Quelle: www.degeler.de/faz
#sarah.niemann: Surfer am Strand der baskischen Stadt Zarautz
Foto Sarah Niemann
Ein Standbild aus dem Internet-Video
Leichter Reisen ohne Knittern
Diese minimalistische, leichte Anzugtasche (nur ca. 500 g)
verblüfft mit zahlreichen Details. Wir erklären, was der
SkyHanger® von DEGELER bietet
#thismintymoment: Blick vom Glockenturm des Markusdoms auf Venedig
Zurück
zum
Rücken
Auf Instagram haben
Landschaften plötzlich ganz
neue Dimensionen. Und
der Blick geht in romantische
Weiten. Von Julia Stelzner
Foto Minh T
#daniellfaro: Frau mit Blick aufs offene Meer
uf Instagram kommt man nicht mehr vorbei
an den Männern und Frauen ohne Gesicht.
Irgendwann begegnen sie jedem, die Rückenansichten vor türkisgrünen Bergseen, graubraunen Gebirgszügen und endlos langen
Highways. Die Hauptfigur schaut geradeaus in die Ferne.
Vom Betrachter hat sie sich abgewandt.
Posen nicht nötig. Das Duckface ist ohnehin zu
dämlich. Also verharren die Protagonisten statisch im
Moment der Stille. Das ist in Anbetracht narzisstischer
Selfies und aufgescheuchter Sprungfotos, die auf anderen
Kanälen pausenlos zu imponieren versuchen, fast schon
wieder angenehm. Der #naturelover spielt sich nicht in
den Vordergrund, obwohl er rein kompositorisch vorne
steht. Seine Intention ist #exploreeverything, ob Pfalz,
Pyrenäen oder Portland. Sein Stilmittel ist die #vscocam,
eine App, die für den entsättigten und nebulösen Look
sorgt, den keine Postkarte hergibt – gewissermaßen das
krasse Gegenteil eines Windows-XP-Bildschirmschoners.
Der Trend zum Eskapismus hat seinen Ausdruck gefunden. Die Devise: back to the roots, hin zum Ursprünglichen, zum Echten, zum Handgemachten, raus in die
Wildnis. Kein Schnickschnack wie eine Smartphone-Uhr
oder ein Obstsalat zum Trinken. Hier geht es um Emailletassen und das leatherman tool. Die gibt es, gleich neben
den Coffeetable Books über die schönsten Holzhütten,
neuerdings auch im Concept Store zu kaufen, nicht mehr
nur im Camping-Bedarf. In Holzfällerhemd und Timberlands kann man Holz in Kanada fällen und Kaffee in
Kreuzberg aufbrühen, und sei es kalter. Die Landflucht
hat sich zur Stadtflucht umgekehrt. Schlechte Metaphern
dafür hat man ja genug: Man lädt den Akku auf oder lässt
womöglich sogar die Seele baumeln. Auf Instagram sieht
man’s: Jedes dieser hippen Von-hinten-vor-dem-HimmelMotive strahlt mehr Ruhe aus als ein Schweigekloster.
Neu ist das Melancholie-Motiv nicht. Parallelen zu
Caspar David Friedrich liegen in der Luft. Der Maler der
deutschen Romantik porträtierte sich entweder selbst als
Foto Daniel Faro
#moners_: Straße im Wald in British Columbia.
„Wanderer über dem Nebelmeer“ oder zeigte eine „Frau
vor der untergehenden Sonne“. Auch Carl Spitzweg und
Eduard Schleich lassen zuweilen Menschen in der Natur
versinken. Der Betrachter wird in die gefühligen Weltfluchtphantasien geradezu hineingezogen, weil die Figur
auf dem Bild geschickt den Blick in die Ferne lenkt. Da
gilt das Mantra aus dem Leistungskurs Kunst: „Vordergrund macht Bild gesund.“
Vor allem in der Landschafts- oder Architekturfotografie. So reicht Minh T kein simples Foto vom Markusturm in Venedig herab, nein, eine Freundin schaut hinab,
von hinten sieht man ihr wehendes Haar. „Die Situation
ergab sich einfach, als ich sie beim Ausblick beobachtete“,
sagt der kalifornische Designer und Fotograf. „Ich stelle
oft Menschen in Architekturaufnahmen, wegen des Größenverhältnisses, als emotionales Element, um Geschichten
zu erzählen.“ Dabei beruft sich Minh T auf die ehemalige
Chefin der amerikanischen „Vogue“, Diana Vreeland, die
einst postulierte: „Das Auge muss wandern.“ Für Minh T
sind das Bilder, die emotional sind, in den Kontext eingebunden und graphisch spannend.
Vor-Bild: Caspar David Friedrichs „Zwei Männer in Betrachtung
des Mondes“ von 1819/20 (Staatliche Kunstsammlungen Dresden)
FOTO STAATLICHE KUNSTSAMMLUNGEN DRESDEN, GALERIE NEUE MEISTER
40
Wie eine larmoyante Romantikerin navigiert die Hamburger Illustratorin und Fotografin Sarah Niemann den
Betrachter mittels der Person in ihrem Bild: Ihr Surfer mit
Board lenkt den Blick. „Damit ist das Foto nicht nur eine
Abbildung eines interessanten Motivs, sondern eine Momentaufnahme von dem, was eine Person gerade sieht und erlebt. Für mich visualisiert das ein Gefühl von Fernweh.“
Auf Instagram, dem gerade einmal sechs Jahre alten
Online-Fotodienst, sind solche Motive beliebt. So gibt es
schon Tutorials, wie man die Hauptfigur am besten in die
Landschaft setzt. Die iphonephotographyschool.com rät:
„Ob man in einer faszinierenden offenen Landschaft fotografiert, auf einem kleinen Feld, in einem Wald oder im
Park – eine Person auf dem Bild zu haben ist die beste
Methode, das Foto aus der Masse herausstechen zu lassen.“
Ohne Menschen seien Fotos fad. Was Pressefotografen im
Schlaf wissen – hier wird es im Online-Lehrbuch mit den
passenden Bildbeispielen illustriert.
Ein Mensch ist eben nicht nur ein Mensch, sondern
auch ein Bildoptimierer. Größenverhältnisse lassen sich
leichter ermessen, Symmetrie wird ganz easy hergestellt.
Und das schöne Ebenmaß gehört zur Ästhetik des Hipsters
wie das Bartpflegeöl. So greift Patrick Monatsberger aus
Nürnberg regelmäßig auf die Person als Maßstabgeber
zurück. Das Instagram-Feed des Industriekaufmanns verheißt Wanderlust. Gerade in Schottland, kurz davor noch
in den Alpen. Auf einem seiner Bilder stellt sich der Fotograf selbst mittig auf eine Straße in der kanadischen Provinz British Columbia. Drumherum nichts als dichter,
dunkler Wald. „Ich mag es, solche magischen Momente zu
schaffen“, sagt Monatsberger. „So kann man aufzeigen,
wie klein der Mensch doch eigentlich ist im Vergleich
zu unserer schönen Natur.“
Vom Menschen selbst sieht man recht wenig. Eigentlich nur eine schwarze Silhouette, einen Schattenmann.
Aber das ist schon wieder fortschrittlich. Der nächste
Trend auf Instagram will es nämlich, dass man das Gesicht
vollständig hinter Kapuze oder Kappe versteckt.
Glatt reinlegen, glatt rausnehmen.
Dank Titanbügel mit breiter Schulter und einzigartiger, zuverlässiger
Rock- und Hosenbefestigung
(nur ca. 200 g leicht)
Foto Patrick Monatsberger
Vordertaschen rechts und links zum
schnellen Drankommen an Clear
Bag und andere Accessoires. In der
verschließbaren Tasche noch eine
extra Innentasche mit Reißverschluss
zur extra sicheren Aufbewahrung von
Reisedokumenten oder Schmuck
Zwei Innentaschen für Unterwäsche, Strümpfe und Accessoires
Auf der Rückseite: XL-Tasche
z.B. für A4-Folder und/oder Laptop
bis 15 Zoll, von außen zu öffnen
Mit Clear Bag für die
Kosmetika (flexibler
Klarsichtbehälter
gemäß Kontrollvorschriften)
Innen: Sehr große Hemdenund Blusen-Tasche (50 mal
40 cm) oder für ein Paar
Halbschuhe
Anzug- und Reisetasche
in einem: SkyHanger ®
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erfunden. Extrem leichtes, strapazierfähiges und wasserabweisendes Nylongewebe, hochklassig verarbeitet. Erhältlich in schwarz, blau und orange. Lassen
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42
BADEMODE
AM SEIDENEN FADEN
Aus Europa mussten sie
fliehen. In Australien
fanden Peter und Yvonne
Halas ihr Glück am Strand.
Von Christoph Hein
o, wenn nicht am Strand? Wo
hätte Peter Halas, der geflohene
Jude, der mittellos Australien erreichte, seine Yvonne treffen können, wenn
nicht an diesem Strand? Bondi Beach am
Pazifik, breit wie ein Fußballfeld, hellgelber
Sand, türkisfarbene Wellen. Bondi Beach
ist der Südseetraum der Surfer, die zu Sand
gewordene Leichtigkeit des Seins. Hier
beginnt im Jahr 1960 die Geschichte von
Peter und Yvonne. Und von Seafolly, der
Bikini-Marke, die nun von Australien aus
die Welt erobert.
Gerade 20 Jahre alt war Peter Halas damals. Geflohen erst vor den Nazis, die seine
Mutter und die Großeltern umbrachten,
dann vor den Kommunisten aus Ungarn.
Der Vater hatte den Jungen auf ein Schiff
der Vereinten Nationen gesetzt, das Kurs
auf das andere Ende der Welt nahm. „Nach
Nazis und Kommunisten hatte ich genug
von Europa“, sagt Halas. „Ich wollte so
weit weg sein wie nur eben möglich.“ An
Bord verdiente er als Putzmann 90 Dollar
Startkapital. In Sydney verdingte sich der
junge Mann, der kein Wort Englisch
sprach, im Bauch der Großstadt: in den
Lagerschuppen. „Weil ich aus einem kommunistischen Land kam und davor unter
den Nazis lebte, hatte ich immer Angst vor
der Polizei, Angst davor, wer hinter der
nächsten Ecke lauern könnte. Die plötzliche
Freiheit war für mich unfassbar.“
Yvonne hatte ihren Vater unter den
Nazis verloren und war schon als Kind
nach Australien gekommen. Der Mann,
den sie am Strand sah, war die Liebe ihres
Lebens. Noch am selben Abend erzählte sie
ihrer Mutter, sie wolle ihn heiraten. Peter
war damals 21, Yvonne 18 Jahre alt. „Wir
fühlten uns einsam“, sagt Peter Halas.
Auch im Geschäftsleben fackelten die
Flüchtlinge nicht lang. „Als Einwanderer
hatte ich nie einen Mentor. Es gab niemanden, an den ich mich wenden konnte, und
es war wohl Glück, dass ich am Ende Erfolg
hatte“, erzählt Halas. „Zu Beginn waren
80 Prozent meiner Kunden Juden, die Mitleid mit mir als Neuankömmling hatten.“
Yvonne nahm einen Job als Moderedakteurin an und prüfte Strickmuster, er arbeitete
als Vertreter für Bademoden. „Von dort
habe ich mich hochgearbeitet. Manchmal
haben wir fast rund um die Uhr geackert,
nur drei Stunden geschlafen“, erzählt er.
„Wenigstens kannte ich die Einkäufer der
großen Häuser.“ So lag es nahe, eigene
Marken zu fertigen und zu vertreiben.
1975 gründeten die beiden Seafolly.
Das hört sich heute einfacher an, als es
war. „Das Wichtigste war, dass wir zu essen
und ein Dach über dem Kopf hatten.“
Schon der Name der Marke spricht Bände:
Es begann damit, dass Freunde den Plan
der eigenen Bikini-Marke für eine Verrücktheit hielten: „Peter’s Folly“. Das Paar
machte daraus das Beste: Seafolly. Es war
ein Auf und Ab. 1968 kauften sie sich ihr
erstes Haus in Bondi; Yvonne liebte es.
Leicht wie der Tag an Bondi Beach: Die Bikins der australischen Marke Seafolly reizen nun auch den Rest der Welt.
Peter aber verkaufte es ein paar Monate
später, um das Startkapital für das eigene
Geschäft aufzubringen. Der Plan schien
zunächst aufzugehen. Sie stellten Jeans her.
Das Bangen aber endete nicht. „Wir haben
erst eine Reihe verschiedener Linien produziert“, erinnert sich Halas. „Aber das lief
nicht. Alles, was wir mit Seafolly verdienten,
haben wir mit dem Rest wieder verloren.“
In den ersten Jahren sei es ihm nicht um
Visionen gegangen – sondern darum, für
einen gedeckten Tisch zu sorgen.
Über sich selbst sagt er, er sei ein
schlechter Angestellter: „Ständig weiß ich
alles besser.“ Vater und Stiefmutter ließen
sich davon nicht abschrecken. Auch sie
siedelten in den siebziger Jahren nach Australien über und halfen beim Aufbau der
Firma. Das wirkte ansteckend: Sohn Anthony, gelernter Steuerberater, hatte bei
der Beratungsfirma Price Waterhouse schon
einen Arbeitsvertrag unterschrieben. „Am
Abend, bevor er seinen Job antrat, vollzog
er die Kehrtwende“, erzählt der Vater und
schmunzelt noch heute. Anthony gab den
Beratern einen Korb und stieg bei Seafolly
ein. „Es ging mir um das Geschäft, das
Familiengeschäft, das uns alle zusammenhielt und uns ein Dach über dem Kopf
sicherte“, sagt Anthony. „Ich habe mich
immer dazugehörig gefühlt. Und so kam
ich dann eines Tages hier als der Chef herein, ohne überhaupt so recht zu wissen, was
ich eigentlich tue.“
Mit Blick aufs Opernhaus: Peter und Yvonne
Halas haben sich ein Penthouse über der Bucht
von Sydney zugelegt.
Foto Christoph Hein
Für einen Dollar übernahm er den Anteil eines früheren Investors. Doch es hielt
ihn nicht lange. Erst wollte er sich noch als
Schauspieler ausprobieren – der Höhepunkt war eine Rolle als Macbeth. Seit
seiner Rückkehr in die Bikini-Welt steuert
Anthony Halas das Unternehmen. 1998
zog die Familie die Reißleine: Sie kappte
die Ränder, aus 40 Millionen Dollar Umsatz wurden nur noch sieben Millionen
und schlaflose Nächte. „Wir haben mehr
aus dem Gefühl heraus gehandelt. Aber es
war richtig. Innerhalb von eineinhalb Jahren
steigerten wir den Umsatz dann allein mit
Seafolly auf 25 Millionen Dollar.“
Zugleich erhöhte Seafolly den Werbeetat von drei auf 15 Prozent des Umsatzes.
Aus einer Marke für Mamas wurde dank
einer Kampagne des Beach-Models Kristy
Hinze angesagte Mode. Längst ist Seafolly
für seine heißen Motive bekannt: „Im vergangenen Jahr aber haben wir uns vergriffen“, gesteht Peter Halas ein. „Wir gingen
mit dem Model Gigi Hadid nach Amerika.
Ein tolles Mädchen. Aber zu unserer Marke
passen Kalifornien oder Florida nicht. Wir
müssen in Australien fotografieren.“
Die Freiheit des Einzelnen und das Bewahren des Geschaffenen sind der Familie
wichtig. Sicherheit kommt heute aber auch
von anderer Seite: L Capital Asia, der Investorenarm des Luxuskonzerns LVMH
(der Marken wie Louis Vuitton, Christian
Dior, Bulgari oder Dom Perignon vereint),
hat nach langen Verhandlungen im vergangenen Herbst 70 Prozent an Seafolly für
70 Millionen Australische Dollar (47,4
Millionen Euro) übernommen. Das SonneSand-und-Surf-Image Australiens ist im
Ausland viel Geld wert. Die Marke spielt
zur Zeit rund 120 Millionen Australische
Dollar im Jahr ein. Dank des erwarteten
Wachstums in Europa und Amerika soll
sich der Umsatz noch vor 2020 auf rund
250 Millionen Dollar mehr als verdoppeln.
Dafür wollen die Manager den Anteil der
Verkäufe jenseits Australiens von rund 30
Prozent im vergangenen Jahr auf gut 70 Pro-
Foto Frank Röth
zent steigern. Zur Zeit sind die Bikinis an
1200 Handelsplätzen in 46 Ländern zu
kaufen. „Mehr Shop-in-Shop-Geschäfte,
wie wir sie schon bei Breuninger in Stuttgart oder Karstadt haben, reizen uns“, sagt
Peter Halas, als würde er ständig durch
Deutschland reisen. „Aber wir werden niemals ein Modekonzern wie Zara werden“,
fügt der Fünfundsechzigjährige an. „Mit
Resort-Wear wollen wir dem Geschäft rund
um den Strand treu bleiben.“
Sein Sohn beschreibt Seafolly so: „Die
Marke soll Spaß bringen, ist verspielt, sie
steht für Gesundheit und Entspannung.
Wir verkaufen den australischen Traum.“
Die Modelle werden bis heute in Sydney
von derselben Designerin entworfen, die
schon für die Eltern gearbeitet hatte. Ein
paar Näherinnen fertigen in der Firmenzentrale die Prototypen. Seit 2012 werden
alle Produkte in China hergestellt.
Peter und Yvonne Halas genießen heute
ihre Lebensleistung. Die Tochter Simonne,
die als Psychotherapeutin in Melbourne
arbeitet, hat den Manager von Hugo Boss
in Australien geheiratet. Die Enkelin ist in
London. „Wenn wir mit ihr telefonieren,
merken wir doch, dass uns Europa mit seinen vielen Städten fehlt“, sagt Peter Halas.
Klagen aber will er bestimmt nicht. Die
beiden Gründer sind gerade in ein rund
acht Millionen Dollar teures Penthouse
mit Blick auf die Bucht von Sydney samt
Brücke und Opernhaus gezogen, reisen
regelmäßig und engagieren sich für das
Jüdische Museum in Sydney.
Einmal in der Woche geht Peter Halas
noch ins Unternehmen und nimmt am
Treffen des Managements unter Führung
seines Sohnes teil. „In zehn Jahren werden
wir viel mehr Resort-Kleidung anbieten,
Tücher und Hosenanzüge vielleicht“, sagt
er. Seafolly soll für alle Altersklassen attraktiv
sein – und sie attraktiv erscheinen lassen.
„Yvonne trägt unsere Mode heute auch“,
sagt er mit stolzem Blick auf seine Frau.
Und schon verlässt sie das Haus. Die PilatesKlasse ruft.
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BÜCHER
Hütten sind alpine Sehnsuchtsorte –
nicht zuletzt, weil man sie nach einem
langen Tag in den Bergen inständig
herbeisehnt. Der Fotograf Bernd
Ritschel zeigt in seinem Band alpine
Schutzräume aller Art: vom futuristischen Hightech-Haus bis zur zweckmäßigen Biwakschachtel. Er versteht
es, ihre oft grandiose Lage effektvoll
ins Bild zu setzen, inszeniert sie als
winzige Zuflucht im winterlichen
Hochgebirge oder einsam aufragende
Herberge in der Abenddämmerung.
Wer diese Bilder sieht, will nur eins:
sofort aufbrechen. Ritschel hat das
wohl geahnt – und zu vielen Hütten
weitere Informationen mitgeliefert.
Eine unfassbare Abenteuergeschichte,
und eine unfreiwillige dazu: Am
18. November 2012 gerät der Fischer
Salvador Alvarenga mit seinem Helfer
Ezequiel Córdoba auf offenem Meer
in einen gewaltigen Sturm. Auf dem
Weg zurück an Land fällt ihr Motor
aus. Fortan sind sie den Sturmböen
hilflos ausgeliefert. So treiben sie
hinaus in die Weite des Pazifik,
Tausende Kilometer weit. Was
Alvarenga dort übersteht, und wie er
das schafft, klingt oft nach reiner
Phantasie – und war doch brutale
Realität. Nach 438 Tagen und mehr
als 10.000 Kilometern landet er auf
einem Atoll der Marschall-Inseln.
Alleine. Córdoba war unterwegs
im Boot gestorben.
Jonathan Franklin: 438 Tage.
age. Überlebenskampf auf
, Euro.
dem Pazifik. Malik. 336 Seiten,, 19,99
Bernd Ritschel, Tom Dauer: Hütten. Sehnsuchtsorte
in den Alpen. National Geographic. 220 Seiten,
39,99 Euro.
Natürlich setzt sich niemand hin und
un
fragt sich: Warum sollte ich wohl
klettern gehen? Man geht, oder man
lässt es, und so ist das Buch von Malte
Ma
Roeper auch eher unterhaltsamer
Lobge
Lobgesang als staatstragende Argumenta
mentationshilfe. Seine Überzeugungsarbei
arbeit speist sich aus 40 Jahren
Klet
Klettererfahrung, und sie beschränkt
sich nicht auf Banalitäten wie „weil es
gesu
gesund ist“. Zuweilen erreicht er bei
sein
seinem Plädoyer gar schwindelnde
Hö
Höhen – wenn er etwa erklärt, dass
Kl
Klettern schön macht, dass man dort
le
lernt, was Freiheit ist, oder dass „der
w
wahre Gipfel immer die Kneipe ist“.
SSpätestens da hat er die letzten
Z
Zweifler überzeugt.
Malte Roeper: 111 Gründe, klettern zu gehen.
Schwarzkopf & Schwarzkopf. 240 Seiten, 9,99 Euro.
Books to go
Über alle Gipfel: Neue Outdoor-Bücher
für den Sommer. Von Bernd Steinle
Der französische Fotograf JacquesHenri Lartigue ist mit seinen Schwarzweiß-Aufnahmen berühmt geworden
– wie dem Foto eines vorbeischießenden Rennwagens aus dem Jahr 1912,
das zum Symbolbild der Epoche von
Technik, Tempo und Beschleunigung
wurde. Jetzt präsentiert der Band „Das
Leben ist bunt“ seine Farbbilder – und
oft halten sie verträumte, verlorene
Augenblicke fest. Es sind Momentaufnahmen aus seinem schicken Leben
zwischen Paris, der Cote d’Azur,
Chamonix und Piozzo, dem Dorf im
Piemont, aus dem seine Frau und
Muse Florette stammte. „Ich bin
verliebt ins Licht“, sagte Lartigue.
Diese 100 Farbtafeln illustrieren es.
Martine d’Astier und Martine Ravache: Lartigue.
Das Leben ist bunt. Schirmer/Mosel. 168 Seiten,
34 Euro.
Ein Gipfelkreuz ragt in den Nachthimmel, darüber leuchtet die Milchstraße im Sternenmeer: Es ist ein
besonderer Blick, den Extremkletterer
und Naturfotograf Heinz Zak auf
die Berge richtet – diesmal jene im
„Stubai“. Gletscherströme, Felsplatten, Wasserfälle, Wildblumen: Zak
zeigt alle Gesichter der Bergregion,
mal schwärmerisch-opulent, mal
knackig-sportlich, mal einfach still.
Er beschreibt haarsträubende Klettersituationen und denkwürdige
Bergmomente. Zu den schönsten zählt
wohl die Biwak-Nacht auf dem Gipfel
des Habicht (3277 Meter), unter dem
Lichtermeer des Sternenhimmels.
Heinz Zak: Stubai. Die Berge und das Tal. Tyrolia.
208 Seiten, 34,95 Euro.
„Vielleicht sind wir eine Art Dinosaurier, eigentlich längst ausgestorben“,
schreibt Nives Meroi. Die italienische
Spitzenbergsteigerin stand 2009 kurz
davor, die erste Frau zu werden, die
alle 14 Achttausender bestiegen hat.
Bis ihr Mann Romano Benet, mit dem
sie bis dahin jeden ihrer Gipfel erreicht
hatte, am Kangchendzönga (8586
Meter) in 7600 Meter Höhe krank
wurde. Da stieg Nives Meroi aus dem
Rennen, das ihr ohnehin zuwider war,
endgültig aus. Sie kehrte mit Benet
um, half ihm über die zwei schweren
Jahre, in denen er gegen eine lebensgefährliche Blutkrankheit kämpfte
– und kehrte dann an den Kangchendzönga zurück. Zu zweit und
ohne Öffentlichkeit. Gut, dass es
noch Alpinisten wie sie gibt.
Nives Meroi: „Ich werde dich nicht warten lassen.“
Tyrolia. 176 Seiten, 19,95 Euro.
...the ultimate cabrio jacket.
FOTOS WOLFGANG EILMES
44
POESIE
No.
he said.
“no,” he said.
“no,” i said.
“ i know,” she said.
“thank you,” she said.
“come with me,” she said.
“talk to me,” she said.
“ don’t worry about it,” she said.
Nicht ganz
Dichtung
Google sammelt Liebesszenen
und dichtet weiter. Leider war da kein Poet
am Werk. Sondern ein Bot.
Von Julia Bähr
he was silent for a long moment.
he was silent for a moment.
it was quiet for a moment.
it was dark and cold.
there was a pause.
it was my turn.
R
it made me want to cry.
no one had seen him since.
it made me feel uneasy.
no one had seen him.
the thought made me smile.
the pain was unbearable.
the crowd was silent.
the man called out.
the old man said.
the man asked.
omantik bedeutet für jeden etwas anderes. Die einen rührt ein
Picknick im Sonnenuntergang zu Tränen, die anderen eine Portion liebevoll frittierter Pommes. Wie soll man diese Bandbreite
menschlichen Empfindens einem Computerprogramm beibringen? Google
versuchte es mit Quellenstudium und fütterte sein neues Programm mit
Tausenden Liebes- und Fantasy-Romanen. Daraufhin verfasste der Bot
selbst Liebesszenen.
Werden nun also Schriftsteller überflüssig? Das wäre ein Grund zum
Jubeln! Die meisten Berufsgruppen mögen den Gedanken, eine künstliche
Intelligenz könnte ihre Jobs übernehmen, nicht besonders anheimelnd
finden, aber Romanautoren sind eine Ausnahme. Ganz ersetzt werden
möchten sie vielleicht nicht, doch immerhin bei jeder Liebesszene, die
das Manuskript ihnen abverlangt. Denn eine Liebesszene schreibt man
nicht einfach so. Sollte man sie nicht der Phantasie des Lesers überlassen?
Nach dem ersten Kuss – wäre das zu früh? Oder zu feige?
Dabei weiß man die ganze Zeit, dass der seltsame Nachbar und die
eigene Mutter sich bei der Lektüre fragen werden, ob das nun eigentlich
autobiographisch ist. (Falls diese Frage auch bezüglich der hier beschriebenen Gefühlswelt aufkommt, gebe ich zu: hundertprozentig, aber sonst
nie, ehrlich!)
Nichts wäre in solchen Momenten besser, als ein Computerprogramm
zu starten, es mit den Namen der Figuren sowie ein paar Regieanweisungen zu füttern und entspannt dabei zuzusehen, wie die künstliche Intelligenz ihren Mangel an Schamgefühl konstruktiv einsetzt.
Aber das dürfte noch eine Weile dauern. Denn Googles Experiment
ist krachend gescheitert. Die Passagen bersten nicht gerade vor Leidenschaft, und auch etwas komplexere Formulierungen sucht man vergebens. Falls es jemanden gibt, der redundante Subjekt-Prädikat-ObjektSätze romantisch findet, so wird er hier vor Glück vergehen. Für alle anderen lesen sich diese Szenen eher wie die Kreditkartenabrechnung nach
einer allzu langen Dienstreise.
Außerdem kann der Algorithmus gefährlich werden: In einem Versuch brauchte die künstliche Intelligenz nur sieben Sätze, um von einem
vielversprechenden „There is no one else in the world“ zu „I wanted to kill
him“ zu gelangen. An Temperament mangelt es ihr nicht, immerhin.
Aber kein Autor möchte seine Figuren schutzlos einem Algorithmus anvertrauen, der spontan auf die Idee kommt, sie einander abmurksen zu
lassen. Oder? Für kaltschnäuzige Thriller mit so richtig vielen spontanen
Morden ist das Programm offenbar gut geeignet – auch da ist Schamgefühl ja nur hinderlich.
there is no one else in the world.
there is no one else in sight.
they were the only ones who mattered.
they were the only ones left.
he had to be with me.
she had to be with him.
i had to do this.
i wanted to kill him.
i started to cry.
i turned to him.
ZEICHNUNGEN ARCHIV
46
48
MODE
MODE
MEIN
BILD
VON
MIR
Seidenbluse: stylist’s own, Sweatshirt mit Glitzerprint: Kirr (keepitreallyreal.org)
Samt-Sweatshirt: Frisur, Leinenshorts: Reality Studio, Sandalen: Bimbo y Lola, Ring: Sabrina Dehoff
Bluse: stylist’s own, Blazer: Lala Berlin
Hose: Cos, Layer-Bluse: Reality Studio, Ring mit mehreren Steinen: Sabrina Dehoff
Warum immer diese künstlichen
Modestrecken? Wir machen
Fashion-Fotos aus einer Hand.
Von Emmy Urban
(Styling, Produktion, Model,
Haare & Make-up, Text)
E
Schulterfreie Bluse: Elogy, Blazer: Hugo Boss, bedruckte Hose: Lala Berlin
ine Selfie-Strecke als Mode-Strecke? Als mich das
F.A.Z.-Magazin danach fragte, war ich zunächst
fast peinlich berührt. Selfies? Diese inszenierten
Selbst-Schnappschüsse? Natürlich verfolge auch
ich die Street-Style- und die Outfit-of-the-dayPosts, und vieles finde ich spannend: Die Bilder sind
mehr in das natürliche Umfeld eingebettet als viele
Modestrecken in den Magazinen – die schon deswegen
wenig Stimmung aufgreifen können, weil sie meist drei
bis sechs Monate vor Erscheinen entstehen. Die #ootdsLooks hingegen werden genau da getragen, wo sie getragen werden sollen. Es sind, so viel Inszenierung auch
darin stecken mag, reale Momente.
Als ich begann, die Selfie-Fotos zu konzipieren, leitete mich die Frage, ob dabei Bilder entstehen könnten, die
meinem eigenen kritischen Blick auf die Mode standhalten. Es sollten richtig gute Fashion-Fotos werden. Für
die größere Perspektive habe ich daher den Selfie-Stick
verlängert. Umgekehrt fokussierte ich mit Close-ups auf
einzelne Accessoires wie Hut, Schmuck oder Schuhe. Es
war reizvoll, diese Strecke an mir so zu stylen, wie es mir
entspricht. Das Wichtigste an meinem Stil: eigenwillig,
unabhängig und mit einer gewissen verstrubbelten Eleganz, nie zu weiblich, nie zu klar. Ich bin eigentlich ein
klassischer Typ. Wenn ich mich entsprechend kleiden
würde, wäre es langweilig. Also kleide ich mich schnell
bis unordentlich. Zum Teil entstehen die Looks aber
auch im Kopf. Ich grüble ein bisschen, kombiniere und
hab’s dann plötzlich. Ratlos vor dem Kleiderschrank
49
50
MODE
MEIN BILD VON MIR
Pullover und Hose: stylist’s own, Sneakers: Nike (über Wood Wood Berlin), Ringe: Sabrina Dehoff,
Sonnenbrille: Funk Eyewear
stehe ich jedenfalls selten. Ob ich dann hübsch oder attraktiv
aussehe, ist mir meist nicht wichtig – meinen beiden Töchtern
ist das bisweilen peinlich! Ich trage auch manchmal drei Tage
lang das gleiche Outfit, wenn ich es besonders mag. Es gibt
auch immer wieder trendige Teile, die ich gern hätte, muss
dann aber einsehen, dass sie mir nicht stehen: hohe Schuhe,
Röcke, Kleider und alles mit Gürtel. Dafür gehen immer:
Blazer, T- Shirts, Knöchel zeigen.
Ich lasse mich aber auch schnell vom Look Anderer begeistern. Dann starre ich Menschen auf der Straße an (oder mache
auch mal heimlich ein Foto), weil mir die Art gefällt, wie sie
eine Hose mit Schuhen oder einen Mantel mit einer Tasche
kombinieren, oder mit welcher Lässigkeit sie ein Kleid tragen.
Ich gehe selten gezielt einkaufen. Oft kaufe ich spontan etwas
„auf Vorrat“, ohne es anzuprobieren. Diese Teile bleiben eine
Weile in der Tüte, aber sind dann im richtigen Moment da.
Letztlich gebe ich nicht viel für Kleidung aus. Meine Lieblingshose des letzten Winters habe ich in einem traditionellen,
einfachen portugiesischen Strickladen gekauft. Neulich fragte
mich jemand, ob die Sachen von „Cos Studio“ seien, und ich
wusste gar nicht, dass es da gerade Ähnliches gibt. Noch etwas:
Ich mag kein Vintage, außer den Outfits im eigenen Fundus.
Ich habe vieles im Schrank, das älter als zehn Jahre ist.
Mit einigen neuen Lieblings-Looks im Gepäck fuhr ich
also in die Serra de Sintra. Seit etwas mehr als einem Jahr lebe
ich mit meiner Familie hier in Portugal, seither erkunden wir
die Regionen des Landes. Als wir das erste Mal die Küstenstraße von Cascais, das westlich von Lissabon an kleinen felsigen Buchten liegt, hinauf Richtung Sintra fuhren, wusste ich:
Diese Region muss man lieben. Man fährt durch Wälder,
durch felsige Gegend, durch kleine Orte, immer wieder mit
weitem Blick auf den Atlantik, vorbei am westlichsten Punkt
des europäischen Festlands (Cabo da Roca). Das Gebiet ist
größtenteils ein Naturpark – glücklicherweise, denn diese
Hänge mit Blick über die gesamte Region bis nach Lissabon
und den Atlantik wären die besten Bauplätze. Die Serra de
Sintra erinnert fast an den Schwarzwald, wenn in der dichten
Vegetation nicht immer wieder Eukalyptusbäume stünden.
Inmitten der Serra steht der fast poppige „Palácio da Pena“, ein
eklektischer Bau, Mitte des 19. Jahrhunderts fertiggstellt und
dann nur wenige Jahrzehnte von der Königsfamilie bewohnt.
Die Lage dieses Palastes und die Aussicht von dort sind nicht
zu überbieten. Der Park ringsum ist angelegt und wild zugleich. Dort habe ich viele der Fotos aufgenommen. Nicht nur
die Looks sind natürlich, sondern auch das Drumherum.
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Marlene-Overall: Lala Berlin, Cardigan: Comme des Garçons Play, Clogs mit Korksohle:
Reality Studio
Emmy Urban ist Stylistin und betreibt mit Hutdesignerin Fiona Bennett das
Accessoire-Label Kiss. Seit 2015 pendelt sie zwischen Berlin und Lissabon,
wo sie bald mit einem neuen Format beginnt: „pastel.cc“ wird ein Porträt
der portugiesischen Hauptstadt mit Fokus auf Mode und Stil.
Sweatshirt: Kirr (keepitreallyreal.org), Hose: stylist’s own
Streifenkleid: Hien Le, Kappe: Kiss by Fiona Bennett
Hose, Pullover: Hien Le, Hemd: Comme des Garçons Play, Sneakers: New Balance (über Wood Wood)
52
SURFEN
SURFEN
Mit allen Wassern
gewaschen: Der Terrier
Al, mit roter Rettungsweste ausgerüstet,
weiß genau, wie er mit
Bastien Desvergnes
die Kurve kriegt.
BRETTGEFÄHRTEN
Auf gleicher Welle: Bastien Desvergnes geht am liebsten
in Biarritz surfen. Und am liebsten zu zweit: mit seinem Hund.
Von Anja Martin, Fotos Florian Schuh
A
l will los. Und zwar sofort. Nichts könnte jetzt
wichtiger sein, als aufs Brett zu springen und
die Welle entlangzufahren. Da geht es ihm wie
Hunderten in Biarritz. Es ist Sonntagmorgen in
dem französischen Strandbad, freundliche Wellen
sind angesagt und ablandiger Wind, die Sonne scheint. In
fast jedem Haus schnappt sich gerade mindestens ein Surfer sein Brett und eilt zum Spot, um keine Welle ungenutzt
zu lassen. Jeder will der Erste sein, solange man sich im
Line-up nicht drängen muss.
Aber Al hat nicht wie alle anderen den Wellenreport
gecheckt, die Webcams angeschaut und noch schnell eine
Wir-treffen-uns-im-Wasser-SMS geschickt. Er kann kein
Surfbrett tragen, nicht aufs Meer hinauspaddeln, auch
nicht selbst Kurven fahren. Al ist ganz auf seinen Besitzer
angewiesen – er ist ein Hund, ein Hund mit Spaß am
Wellenreiten.
Jetzt kommt er so schnell die Wendeltreppe herabgeflitzt, dass ihm fast die Beine wegknicken. Im typisch
baskischen Innenhof, zwischen Fassaden mit rostroten
Fensterläden und voller Hortensien, belädt sein Besitzer
Bastien Desvergnes die mattschwarze Vespa. Das Standup-Paddleboard steckt er seitlich in Halterungen. Der elf
Jahre alte Terrier bekommt eine Rennfahrerbrille vor die
Augen, die vor dem Fahrtwind schützt. In die rote Rettungsweste, die Al schon anhat, steckt Bastien noch eine
Gassitüte und einen Tennisball.
„Allez, monte!“, ruft er dem Hund zu, schwingt sich in
Shorts und Flipflops auf den Sitz, klappt den Ständer ein
und kurvt hinaus in die engen Gässchen. Die Meeresbrise
schlägt ihnen schon an der nächsten Ecke entgegen. Al
streckt immer mal wieder verwegen den Kopf zur Seite hinaus. Es geht vorbei an Bäckereien, Konditoreien, Brasserien,
Immobilien- und Surfshops. Sie begegnen Menschen mit
großen Croissant- und Chocolatinetüten, die noch verschlafen in die Sonne blinzeln. Seinen ersten Ride, wenn
auch auf Rädern, hat der Terrier schon hinter sich, als er
unterhalb der Klippen an der Côte des Basques ankommt,
dem weiten Surfstrand von Biarritz. In der einen Richtung
wird er von der prägnanten Villa Belza begrenzt, einem
kleinen Haus mit spitzen Türmchen auf einer Felsnase, in
der anderen von gar nichts. Man kann so weit an der baskischen Küste entlangschauen, bis sie schon nicht mehr
französisch, sondern spanisch ist.
Bastien Desvergnes kommt aus Bordeaux. Wie viele
andere Wellenversessene zog er vor fast 20 Jahren nach
Biarritz. Das ehemals mondäne Strandbad, das der Adel
liebte, gilt als Wiege des europäischen Surfens. Seit den
späten fünfziger Jahren reitet man hier Wellen. Der Sport
ist tief in der Lebenswelt am Atlantik verankert, für viele
hier gehört er zum Alltag, ist er die große Leidenschaft.
Vor seinem vierzigsten Geburtstag hatte Bastien die Idee,
sein Terrier könnte ihn bei den Surfsessions begleiten. Lust
auf Wasser hatte auch er. Er war klein, agil, sportlich. Und
Bastiens Board war groß. Wegen einer kaputten Bandscheibe musste er sich vom gewöhnlichen Surfen verabschieden, seither fährt er die Wellen mit einem Stand-upPaddleboard. Darauf war Platz genug für Al.
Ein Surfgang mit Hund? Kaum jemand wollte ihm das
glauben. Es klang wie eine der verrückten Ideen, die aufkommen, wenn auf Partys weinselig diskutiert wird, die
dann aber bald wieder vergessen sind. Bei Bastien war das
anders. Er zog die Sache durch. Und Al machte sich prima
als Surfbuddy. Oder sagen wir: den Umständen entsprechend. Denn das Board war anfangs zu glatt. Eine Schicht
Surfwachs mag Menschenfüßen Halt geben, aber nicht
harten Hundepfoten. Der Parson Russell glitt immer
wieder vom Brett. Die Sache war zu gewagt. So konnten
die beiden jahrelang nur ab und zu gemeinsam surfen. Bis
Bastien auf den Gedanken kam, auf die gesamte Oberfläche
Antirutschpads zu kleben. Seither sieht man sie regelmäßig
bei gemeinsamen Sessions. Bastien ist Mitgründer eines
kleinen Unternehmens. Es entwickelt Soundsysteme, die
in Wänden und Bildern verschwinden. „Wenn die Bedingungen gut sind, gehen wir jeden Tag“, sagt Bastien über
das Surfen zu zweit. Auf diese Weise hat Al an der Leidenschaft seines Besitzers teil und freut sich über das Miteinander jenseits des Gassigehens.
Al trottet hinter Bastien die Steinstufen zum Strand
hinunter. Bastien trägt das sperrige Brett über die ersten
Felsen und schiebt es dann durchs Wasser, dorthin, wo er
die besten Chancen sieht, mit Hund über die brechenden
Wellen hinwegzukommen. Al springt von Fels zu Fels am
Meeressaum entlang, bis Bastien ihn mit einem Pfiff zu
sich ruft. Al springt in die Fluten und schwimmt zum
Brett, Bastien packt ihn am Griff der Rettungsweste und
setzt ihn aufs Surfboard. Sein Platz ist ganz vorn, wo er
nicht stört und Bastien ihn im Blick hat. Dass ihm die
Gischt ins Gesicht spritzt, scheint ihm nichts auszumachen.
Er beweist ein gutes Gespür, wie er sich in die Kurven legen
muss und kann sogar Hang Ten – das machen Longboardfahrer, wenn sie auf der Welle zur Boardspitze spazieren
und dort die Fußzehen über die Kante hängen lassen. Bei
Al wäre es demnach Hang Eight.
Zwischen zwei Rides darf Al an Land dem Tennisball
nachjagen. „Es ist die Mischung aus Ballspielen und Surfen,
die ihm besonders gefällt“, sagt der 47 Jahre alte Bastien.
Ein wenig nagt dennoch der Zweifel: Will der Hund das
wirklich? „Er ist ja nicht angebunden. Wenn er nicht
möchte, springt er sowieso runter.“ Tatsächlich hat in
diesem Fall der Mensch die Leash, die Leine, am Bein,
damit das Board nicht verloren geht.
In Frankreich waren Bastien und Al Pioniere mit ihren
Surfsessions. Vor zwei Jahren stand der Terrier als erster
Hund den Mascaret von Saint Pardon, eine Gezeitenwelle
auf der Dordogne. Bis heute gehen wenige Surfer mit ihren
Lieblingen regelmäßig in die Wellen. An der baskischen
Küste sind Bastien und Al die Einzigen. In der Geschichte
des Wellenreitens gab es immer wieder Hunde, die surften. Oft gehörten sie Wellenreitern oder Surflehrern und
wollten nicht nur am Strand warten. Inzwischen wird das
Interesse größer. Immer mehr Menschen möchten das
Surfen mit Hund ausprobieren. „Immer mehr gewinnen
Vertrauen“, hat Bastien beobachtet.
Deshalb gibt es nun auch schon Neoprenanzüge für
Hunde. Und wer am 13. September vergangenen Jahres
50 Kilometer nördlich von Biarritz trotz schlechten Wetters
am Strand war, zweifelt nicht an deren Sinn. In VieuxBoucau fanden zum zweiten Mal die europäischen Hundesurfmeisterschaften statt, für Mensch-Hund-Duos wie
auch für Solosurfer auf vier Pfoten, organisiert vom Verein
„Toutous Surfeurs“ (Wauwau-Surfer). Beim Vereinsnamen
hat man sich an die „Tontons Surfeurs“ angelehnt, die
Surf-Onkels – so nennt man die menschlichen Surfpioniere
an der baskischen Küste. Die ersten Surfmeisterschaften
für Hunde gab es natürlich in Kalifornien, schon vor zehn
Jahren. Die Zahl der Wettbewerbe und der Teilnehmer
wächst dort beständig. Auch Australien ist schon dabei.
Früh am Morgen fanden sich am Strand von VieuxBoucau mehr als 50 Hunde mit ihren Besitzern ein. Die
einen als Teilnehmer, andere aus Neugier. Manche wollten
einfach herausfinden, ob ihr Hund Talent hat, schließlich
waren eigens Hundetrainer gekommen. Es gab kleine
Zelte für die Anmeldung, Tierärzte, Tier-Osteopathen
und eine Hundesnackbar. Jeder Hund musste sich untersuchen lassen – sei es, um am Wettbewerb teilzunehmen,
sei es um das Schnuppersurfen mitzumachen. Und jeder
bekam eine Rettungsweste verpasst.
„Am wichtigsten ist, dass der Hund Spaß hat“, sagt
Damien Médan, einer der beiden Tierärzte, die den Wettbewerb ins Leben riefen. „Wir wollten nicht, dass Leute
nur zu ihrem eigenen Vergnügen mit dem Hund surfen“ –
ein Verdacht, der naheliegt.
Damien und sein Kollege waren auf die Idee mit dem
Wettbewerb gekommen, weil sie in Gesprächen immer
wieder von Hunden auf Surfbrettern gehört hatten. Das
verblüffte und interessierte sie. Und aus tierärztlicher Sicht
sprach nichts dagegen. „Es ist gut für die Beziehung zu
den Hunden“, sagt der 34 Jahre alte Tierarzt. „Man macht
etwas mit ihnen. Man könnte natürlich auch Ball spielen,
aber hier ist das Surfen tief in der Mentalität verwurzelt.
Wenn man einen Hund hat, schafft das gemeinsame Surfen
eine besondere Verbindung.“ 25 Hunde konnten am Ende
53
das Surfen ausprobieren, die Warteliste war lang. Doch
jeder Einzelne sollte gut betreut werden, und alle Ärzte,
Trainer und Helfer arbeiteten ehrenamtlich.
Wie etwa Manon François. Sie untersuchte die Hunde
nach ihrem Ritt über die Wellen – horchte auf die
Atmung, schaute sich die Schleimhäute an, nahm eine
kurze osteopathische Untersuchung des Rückens vor. Sie
massierte die Hunde, befreite Augen und Ohren von Sand.
Die Fünfunddreißigjährige ist Tierärztin, Osteopathin
und Physiotherapeutin. Sie ist davon überzeugt, dass Surfen
für Hunde gesund ist: „Es trainiert die Haltungsmuskulatur
und das Zusammenspiel all der kleinen Bewegungen.“ Im
Grunde sei es ein Sport für alle Hunde, sogar für ältere.
Nicht in großen Wellen natürlich – und nur, wenn das
Tier seinen Spaß hat.
Auch Bastien und Al sind in Vieux-Boucau am Start.
Küsschen hier, Küsschen da, alle kennen ihn oder haben
zumindest von ihm und seinem surfenden Hund gehört.
Den Sieg teilt sich der Titelverteidiger an diesem Tag mit
Balou, dem Mischlingshund eines Surflehrers und einer
Hundetrainerin. Dass den vierbeinigen Champions ihr
Erfolg zu Kopf steigen könnte, ist nicht anzunehmen. Die
Sponsoren stehen noch nicht Schlange, niemand bittet um
Autogramme. Und die Gewinne werden in Naturalien
ausgezahlt: Es gibt Hundefutter.
DER WELTWEITE
%
0
3
HILTON SALE
HHONORSMITGLIEDER
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Wochenendaufenthalt im Zeitraum zwischen dem 20. Mai 2016 und dem 9. Oktober 2016, sofern nicht anders angegeben. Zum Zeitpunkt der Buchung ist die Vorauszahlung des Gesamtbetrags erforderlich. Zahlungen sind nicht erstattbar; gilt für den Vertrag zwischen Ihnen und Hilton
deutsches Recht, so erfolgt bei Stornierung jedoch eine Erstattung in Höhe von 10% der geleisteten Zahlungen. Ihnen steht in diesem Fall der Nachweis frei, dass Hilton kein oder ein wesentlich niedrigerer Schaden entstanden ist. Die Preisnachlässe, die bis zu 25% auf den besten
verfügbaren Preis und den besten verfügbaren Preis für Übernachtung und Frühstück betragen, variieren je nach Hotel. HHonors Mitglieder erhalten beim Sommerangebot „The Sale“ weitere 5% Preisnachlass auf den besten verfügbaren Preis und den besten verfügbaren Preis für Übernachtung und
Frühstück (wie oben angegeben), d.h. bis zu 30% Preisnachlass bei den oben beschriebenen, teilnehmenden Hotels. Andere Sperrdaten können zutreffen. Es gelten weitere Einschränkungen. Alle angegebenen Währungsumrechnungen dienen nur als Leitfaden. Besuchen Sie bitte vor der Buchung und für
Informationen über zusätzliche Preisnachlässe für Hilton HHonors Mitglieder unsere Website hilton.de, um die vollständigen, allgemeinen Geschäftsbedingungen anzusehen.
SURFING BIARRITZ
Wo einst der Adel an der Atlantikküste promenierte, jagen heute Wellenreiter übers Wasser
V
or 60 Jahren verbreiteten sich Trends noch nicht im
Internet – Menschen brachten sie mit. Manchmal
auch als Sperrgepäck, wie bei dem Surfbrett, das sich
ein kalifornischer Schauspieler nachschicken ließ, als er
1956 für einen Dreh in Biarritz war. Die phantastischen
Wellen im Süden der französischen Atlantikküste konnte
er nicht ungesurft lassen. Die Basken waren begeistert,
und das bourgeoise Strandbad wurde zum Hotspot der
europäischen Surfer. Ende der Fünfziger entstand an der
Côte des Basques der erste Surfclub, und Wettbewerbe
wurden ausgetragen. Es folgten: Shaper, Schulen, Shops.
Die Surf-Welle verebbte nicht. Der Sport hat sich in
die Kultur eingeschrieben: kein Haus ohne Surfbrett in
der Garage. Ein Surfgang passt in die Mittagspause, vor
die Arbeit oder danach. Familienväter surfen, während
ihre Kinder auf dem Strandspielplatz schaukeln. Junge
Leute aus aller Welt ziehen wegen der Wellen nach Biarritz
und schlagen sich mit Saisonjobs durch, denn Arbeit ist
rar. Surfer-Marken wie Quicksilver, Billabong oder Ripcurl haben hier ihre Europazentrale.
Der Reiz liegt auch in der Vielfalt der Spots. Wer sich
an der baskischen Küste 20 Minuten ins Auto setzt, kann
fast an jedem Tag des Jahres irgendwo surfen, sofern ihm
die Tageszeit egal ist. Von Anglet, das mit Biarritz zusammengewachsen ist, bis hinunter nach Hendaye an der spanischen Grenze reiht sich ein Spot an den anderen. Anfänger finden freundliche Wellen in Hendaye, die höchsten
bieten Parlementia, ein Reefbreak vor dem Fischerort
Guéthary. Und selbst an der Côte des Basques finden
Könner und Neulinge ihren Spaß. Shortboarder trifft man
in Biarritz oft an der Grande Plage, im mondänen Setting
samt Casino und Art-déco-Bauten, in der Nähe der teuren
Boutiquen und exquisiten Chocolatiers.
In den vergangenen Jahren ist der Surf-Boom noch
größer geworden. Einheimische und Zugezogene erleben,
wie Surfschüler Spots überschwemmen, wie Parkplätze
überquellen, wie sie sich in ihrer Stadt nicht mehr bewegen
können. Die Küstenstraße ist im Sommer so regelmäßig
von Feriengästen verstopft, dass nur noch Motorroller
Mobilität garantieren. Vor allem Urlauber, die das Reiten
auf der Welle mal ausprobieren wollen, sind ein gutes
Geschäft für die lokale Wirtschaft. Echte Surfer brauchen
nur ein Board, einen Neoprenanzug und Surfwachs. Der
Ferienspaßsurfer lässt Geld für Surfkurs, Leih-Board,
Unterkunft und Surfstyle aus dem Shop da. Anja Martin
Übernachten: Immer so nah wie möglich am Wasser. Direkt an der Côte des
Basques: Carlina Hotel, www.carlina.com, 9 Boulevard du Prince de Galles,
64200 Biarritz. Campingplatz mit Wellenzugang: Le Pavillon Royal,
www.pavillon-royal.com, Avenue du Prince de Galles, 64210 Bidart.
Es gibt private Apartments zu mieten, viele stehen im Campingbus am Spot.
Surfschulen: Direkt an der Côte des Basques, allerdings sind die Gruppen
groß. Oder: Board leihen und sich selbst im Weißwasser versuchen.
Essen und Trinken: Restaurant Heteroclito, mit Blick auf Parlementia,
48 Chemin du Port, Guéthary. Etxoa Bibi, Café und Bar im Kiosk am Parkplatz
über der Côte des Basques.
Einkaufen: Surfshops gibt es überall. Ein Outlet ist in Soorts-Hossegor,
www.pedebert-hossegor.com
Shaper: Surfboards kann man sich nach Wunsch bei einem der vielen Shaper
fertigen lassen, wie bei GatoBask, www.gatobask.fr, Rue de la Chapelle, Bidart.
REISE
WERKSTATT
Amerikaner lieben die
Natur – und ihre Boote,
wie auf dem drittgrößten
See des Bundesstaats, dem
m
Lake Granby vor den Toren
en
des Rocky Mountain
National Parks. Vielerortss
stehen auch Angler in
unförmigen wasserfesten
Hosen, immer auf der
Suche nach dem ganz
großen Fang.
Grüße
aus
SIEH MAL AN
Fr
Freiheit
auf zwei Rädern,
oh Helm und mit
ohne
we
wehenden
Haaren:
Ni
Nirgends
sonst auf der Welt
sch
scheint
dieses Gefühl so
int
intensiv
zu sein wie auf
am
amerikanischen
Highways.
Au deutsche Touristen
Auch
cru
cruisen
gern durch die
wi Landschaft – wie auf
wilde
d kurvigen Straße hoch
de
der
zu Independence Pass.
zum
LEICHTE SCHNITTE
Die Unterschiede könnten kaum
größer sein. Das Flugzeug landet
in der Großstadt Denver, und nurr
wenige Autostunden entfernt
beschwören schön restaurierte
Minenstädte wie Silverton die
angeblich so gute alte Zeit,
mit Gold, Silber, Edelsteinen.
Sogar eine alte Dampflok fährt
hier noch regelmäßig.
Wie im Flug: Wurfzelte machen dem Campingfreund das Leben leicht – zumindest beim Aufbau.
Fotos Helmut Fricke
AUFGESCHMISSEN
Wer gern mit leichtem Gepäck reist,
muss mit jedem Gramm geizen.
Was Messer angeht, sind nur leider
die klappbaren sehr empfindlich
und die festen recht schwer.
Sparfüchsen empfehlen wir deshalb,
sich ein Neck Knife wie das Mil
Tec von Kotte&Zeller anzusehen.
Daran ist nichts Überflüssiges,
sogar der Griff aus blankem Stahl
ist durchlöchert. So kommt ein
Gewicht von gerade mal 46 Gramm
zustande; mit Kunststoffhülle, in
die das Messerchen einrastet, sind es
62 Gramm. Die Klingenlänge von
5,5 Zentimeter reicht für fast alles,
was zu schneiden ist, die Gesamtlänge beträgt nur 15 Zentimeter.
Trotzdem liegt das Neck Knife gut
in der Hand. Der Ring im Griff
verhindert, dass sich der Benutzer
in den Zeigefinger schneidet.
Mit 2,5 Millimeter Stärke ist das
Mil Tec erstaunlich robust. Falls
es dennoch beschädigt wird oder
verlorengeht, ist der Verlust
erträglich: Es kostet 13 Euro. (Web.)
Nichts kann Camping-Romantik so sehr stören wie Zoff beim Zeltaufbau.
Die schnelle Lösung lautet: Wurfzelt. Von Lukas Weber
A
uch wenn man es draußen noch so
sportlich nimmt: Der Mensch
braucht zur Nachtruhe in den
meisten Fällen ein Dach über dem Kopf
und eine Hülle um sich, die gegen Wetter
und Mücken schützt. Eine Hütte kommt
nicht in Frage, da wäre man ja nicht out-,
sondern indoor. Also muss ein Zelt her.
Der Aufbau freilich ist oft lästig. Vor
allem das Zusammenfrickeln des Gestänges
und das Einführen in den Zeltstoff nervt –
auch wenn man auf Campingplätzen so
immerhin schnell mit Neuankömmlingen
ins Gespräch kommt, denen man gute Ratschläge geben kann. Wer sich gegen die
Mühsal und für die schnelle Lösung entscheidet, greift zu einem Wurfzelt. Eins, zwei,
drei soll die Behausung stehen. Einfach
aufschmeißen und fertig, versprechen die
Anbieter. Vor dem großen Wurf stehen nur
das vorsichtige Entnehmen aus der Tragetasche und das Lösen einiger Schnellverschlüsse. Das Zelt ist selbsttragend, Heringe
So ein Frühstück ist eigentlich nichts
fü Büromenschen. Doch man
für
br
braucht
es wirklich, will man die
Be
Bergwelt
einen Tag lang zu Fuß oder
m dem Fahrrad erkunden. Von der
mit
St Durango im Südwesten
Stadt
C
Colorados
aus ist vor allem Mesa
Ve ein spannendes Ziel, die alte
Verde
Si
Siedlung
der Anasazi-Indianer.
Der Bundesstaat in Amerikas
Mitte ist dem Himmel so
nah wie kein anderer.
Von Kerstin Papon
Wilde Tiere zum Anfassen? Im Black
Canyon des Gunnison-Nationalparks
hängen Felle von Koyoten, Berglöwen
oder Schwarzbären über den Zäunen
der Aussichtsplattform. Vor allem
Kinder sind erst erschrocken – und
dann fasziniert. Sie streichen über
Haare und Pfoten, und die Rangerin
erklärt alles unermüdlich.
sind nur nötig, wenn der Wind stark bläst
und niemand im Zelt sitzt, um es zu beschweren.
Der Auf bau gelingt also im Handumdrehen. Den Campingnachbarn entgeht
trotzdem nichts, denn das Zusammenfalten
ist ein Schauspiel. Wer nicht viel Erfahrung
damit hat, kämpft erst mal mit dem widerborstigen Fiberglasgestänge, während der
Campingpartner die Anleitung vorliest und
ein Bier bereithält. Man kann das Ganze
natürlich auch einfacher haben. Simple
Ausführungen des Wurfzelts sind zart wie
hingehaucht und ruckzuck wieder verstaut,
es gibt sie für ein Taschengeld beim Discounter oder in Sportgeschäften. Doch sie
mögen für Kindergeburtstage taugen, eine
ernsthafte Unterkunft bieten sie nicht, wie
fast alle einwandigen Zelte: Entweder sind
sie nicht dicht, dann regnet es herein, oder
sie halten Wasser ab, dann aber nach beiden Seiten. So wird es innen vom Kondenswasser nass.
Genau.
Sieht aus wie im Film? Genau.
Die „Last Dollar Ranch“ war schon
der Schauplatz von Marlboro- und
Bier-Werbung. Sie liegt zwischen
Ouray und Telluride, wo Butch
Cassidy seinen ersten Bankraub
beging. Im Hintergrund thront die
Gebirgskette des Mount Sneffels –
bis zu 4313 Meter hoch.
Die Rocky Mountains sind ein gutes
Terrain für Wintersportler. Leichter und tiefer
Pulverschnee lockt abseits der vielen Pisten,
nicht nur in den bekanntesten Skiorten Aspen
und Vail. Aber eigentlich fühlen sich die
Skifahrer überall zu Hause – wie der Zaun in
der alten Goldgräberstadt Leadville zeigt.
FOTOS HERSTELLER, DPA
54
Viel Raum in wenig Zeit: Binnen Sekunden steht das Zelt in voller Größe.
Einige Anbieter haben trickreiche doppelwandige Konstruktionen entwickelt:
außen dicht und innen luftig. Weil beide
Häute mit einer Handbreit Abstand am
Gestänge hängen und zusammen auf- und
abgebaut werden, ist die Handhabung
etwas komplizierter als die des simplen
Spielzeugs. Beim Wurfzelt Quechua 2 Seconds XL air 2 (knapp 90 Euro) besteht das
Außenzelt aus Polyester mit PU-Beschichtung, der Boden aus Polyethylen. Alle
Nähte sind zusätzlich geklebt. Laut Hersteller wird das Zelt vier Stunden lang mit
200 Litern je Stunde und Quadratmeter
getestet. Wir haben die Erfahrung gemacht,
dass das Quechua auch nach knapp einer
Woche im Dauerregen nicht leckte. Auch
sonst gibt es kaum etwas zu mäkeln: reichlich Platz für zwei Personen (145 × 225
Zentimeter, Höhe 95 Zentimeter und
wettergeschützter Stauraum), hervorragende Belüftung von allen Seiten, engmaschige
Moskitonetze, großer Eingang und zwei
Taschen innen. In die Tragetasche ist eine
Anleitung eingenäht, wie beim Zusammenlegen vorzugehen ist, und auch ein
Beutel mit Reparatursatz für das Gestänge.
Die Idee, es als vollwertiges Zelt für
Wanderungen zu nutzen, kann man aber
getrost vergessen. Mit 4,3 Kilogramm
einschließlich Tasche ist das Zelt für ein
Exemplar dieser Größe nicht leicht, und
gefaltet ist es zwar flach – es hat aber mit
einem Durchmesser von 68 Zentimetern
den Umfang eines Lastwagenrads. Das Zelt
auf dem Motorrad mitzunehmen ist auch
nicht ideal, es würde wie ein Segel im Wind
hängen. Im Auto dagegen fährt das Quechua problemlos mit, aufgestellt hinter den
Rücksitzen nimmt es so gut wie keinen
Platz weg. Und einsatzbereit ist es binnen
Sekunden. Zwei haben wir nicht ganz geschafft, aber in fünf Sekunden steht es. Das
ist ja auch nicht schlecht.
REINE LUFT
Frische Luft ist schön und gut, aber
dem Allergiker macht sie bisweilen
zu schaffen. Ob es wirklich hilft,
sich ins Auto einzusperren, wissen
wir nicht. Jedenfalls ist Übernachten darin auch keine Dauerlösung.
Aber vielleicht Fahren mit Filter.
Den baut Audi fortan ein, und zwar
einen speziellen gegen Heuschnupfen. Der Filter besteht aus drei
Schichten mit Mikrofasern, es gibt
zwei Varianten davon: Die eine setzt
auf pflanzliche, bioaktive Substanzen, sogenannte Polyphenole, die
andere auf veränderte Proteinstruktur. Das wirkt? Das Prüfinstitut
SGS Fresenius sagt: ja. (hap.)
FREIER FUSS
Nach Monaten des Eingesperrtseins
kommen die Füße jetzt wieder ans
Tageslicht. Der Sommer macht den
Weg frei für die Sandale. In ihrer
Trekking-Variante kann sie klettern,
Bäche durchqueren und sogar
Fußgängerzonen bezwingen.
Wie zum Beispiel das Modell
Gobi (100 Euro) von Source mit
Gummisohle, Fußbett, dämpfendem EVA-Schaum und integrierten
antibakteriellen Stoffen. Die
Riemen sind gepolstert und
schnelltrocknend. Und bitte: keine
Socken dazu, meine Herren. (lle.)
55
SCHÖNHEIT
HERE COMES THE MANN
I
m ersten Moment klingt es wie ein weiteres unsinniges
Label: Sonnencreme speziell für Männer. Als würde
der Markt jede noch so absurde Möglichkeit nutzen,
um eine Daseinsberechtigung für Produktneuheiten zu
erfinden. Sonnencreme für Männer steckt in gediegenen
Tuben, grau statt knallorangefarben. So weit, so der geschlechtsspezifische Gestaltungs-Code im Sommer 2016.
Sonnencreme-Produkte für Männer müssen Männer am
Strand also nicht unter dem Handtuch verstecken, denn sie
muten jetzt nicht mehr typisch weiblich an. Männer könnten sie somit sogar hin und wieder verwenden, statt, wie
nach dem Klischee, jede brandrote Stelle mit den Worten
abzutun, das sei morgen braun. So viel zu den GeschlechtsStereotypen im Sommer 2016.
Nur trifft es dann eben doch oft zu. „Meiner Erfahrung
nach ist es immer noch so, dass 80 Prozent der Männer gar
nicht gerne cremen“, sagt Timm Golüke. Er ist Dermatologe
in München mit zur Hälfte weiblichen, zur Hälfte männlichen Patienten. „In der Industrie mag man es nicht gerne
hören, aber vom Schutz her brauchen Männer keine anderen Cremes als Frauen“, sagt Golüke. Die chemischen und
physikalischen Faktoren, die in den Produkten für den
Schutz verantwortlich sind, haben auf der Haut von Männern wie Frauen die gleiche Wirkung. Wenn Dermatologen
raten, Kinder mit besonderen Präparaten einzucremen,
dann gilt das Gleiche also nicht auch für Männer.
„Bei Kindern geht man davon aus, dass die Haut empfindlicher ist und leichter irritiert“, sagt Prof. Christiane
Bayerl, Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie an den Wiesbadener Helios-Kliniken. „Deshalb
sind Präparate zu empfehlen, die einen mineralischen
Schutz enthalten.“ Natürliche Mineralien wie zum Beispiel
Bei Kindern ist es klar. Aber
brauchen auch Männer eigene
Sonnenschutz-Präparate?
Von Jennifer Wiebking
Zinkoxid reflektieren die UV-Strahlung weg, man kann
somit auf chemische Schutzmittel verzichten. „Nur sind
diese Präparate bei Erwachsenen nicht so beliebt, weil sie
die Haut weißeln. Das sieht nicht schön aus.“
Das ist besonders dann ein Argument, wenn der
Anspruch ans Wohlbefinden hoch ist, wie in den Ferien,
am Strand, in den Bergen. So lästig wie Frauen dann ein
Sonnenschutz-Produkt mit mineralischem Filter ist, dürfte
es Männern überhaupt sein. „Die männliche Haut hat
mehr Talgdrüsen und produziert mehr Eigenfett“, sagt
Golüke. Nur richtet sich die Industrie mit ihren herkömmlichen Produkten eben vornehmlich an die Bedürfnisse
von weiblicher Haut, die um etwa 25 Prozent dünner ist.
Keine große Überraschung also, dass besonders Männer
den Sonnenschutz gerne schleifen lassen. Die lipidhaltigen
Präparate sind vielen auf der Haut einfach unangenehm.
„Gel-Texturen, die kühlen, empfindet der Mann hingegen
als erträglicher“, sagt Golüke. Ein Mann, der sich mit seiner
Creme wohlfühlt, wird sie auch regelmäßiger verwenden.
Und im Zweifel ist das noch nicht mal eine Creme,
sondern viel häufiger ein Spray. „Stellen Sie sich vor, Sie
müssten eine lipidhaltige Creme auf die behaarte Brust auftragen“, sagt Bayerl. „Ein Spray zieht viel schneller ein, Gel
lässt sich besser verteilen. Diese Grundlage hat für Männer
mehr Sinn.“ Mit einem leichteren Produkt haben Männer
also überhaupt erst die Möglichkeit, ein Bewusstsein für
Sonnenschutz zu entwickeln. „Der Mann, das vergessene
Geschlecht“, sagt Bayerl. Bei Sonnenschutz stimmt es zu
einem gewissen Grad wirklich.
Die neuen Produkte für ihn stehen somit in der Kosmetikbranche auch symptomatisch für die Entdeckung des
Mannes. Laut den Zahlen von Euromonitor stieg das
Marktvolumen für Herren-Produkte in Deutschland im
Jahr 2015 um zwei Prozent. „Das Angebot ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden“, sagt Martina
Kerscher, Dermatologin an der Universität Hamburg und
Leiterin des Studiengangs Kosmetik. Dass Präparate für
ihn so viel Platz einnehmen wie Präparate für sie, ist schon
heute in immer mehr Haushalten zu sehen. Dazu dürfte
dann neben Reinigungs-Gel, Toner und Tagespflege,
Shampoo, Conditioner und Haarkur auch zunehmend
Sonnenschutz gehören. „Es ist sinnvoll, diese speziellen
Produkte auch anzuwenden“, sagt Kerscher, „weil Präparate
für Damen oft zu reichhaltig sind. Hinzu kommt bei
Männern der Stressfaktor Rasur.“
Trotzdem steht die echte Mission noch bevor: Männer
von Lippenpflege mit Sonnenschutz zu überzeugen, ist
wohl noch komplizierter als von Creme für Stirn und Nase.
„Wir müssen bei Männern an den Lippen oft lichtbedingte
Hauttumoren operieren“, sagt Bayerl. „Frauen verwenden
ja meistens Lippenstift oder Lippenpflege mit Schutz.“
Selbst die Pigmente im roten Lippenstift böten einen
gewissen Schutz. „Der Mann trägt dort gar nichts. Das ist
ganz ungewohnt.“ Vielleicht hilft bei der Überzeugungsarbeit ja spezielle Lippenpflege, nur für ihn.
ZEICHNUNG VALENTINE EDELMANN
56
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www.johnfrieda.de
FRAGEBOGEN
„DIE ENGLÄNDER
SIND
IM SMALLTALK“
WELTMEISTER
Was essen Sie zum Frühstück?
Müsli, Eier, Obst. Je nach Appetit und Vorrat.
Ihre Lieblingsvornamen?
Milka. So hieß mein schokoladenbrauner Labrador.
Wo kaufen Sie Ihre Kleidung ein?
Klassisch, im Laden. Und da, wo ich mich öfters aufhalte,
daheim in München, unterwegs in London oder Los Angeles.
Ihr Lieblingsfilm?
Es gibt keinen bestimmten, aber wenn, dann ist er ganz
sicher nicht aus Hollywood.
Hebt es Ihre Stimmung, wenn Sie einkaufen?
Meine Stimmung ist auch ohne einzukaufen immer gut.
Fühlen Sie sich mit oder ohne Auto freier?
Das kommt auf das Auto an. Als Fußballer habe ich
einiges ausprobiert. Manche Modelle führen direkt in
die Sklaverei.
Was ist das älteste Kleidungsstück in Ihrem Schrank?
Ein T-Shirt von 1860.
Was war Ihre größte Modesünde?
Ein Fußballer-Irokesenschnitt. Ich habe früher den
Friseuren vermutlich zu sehr vertraut.
Tragen Sie zu Hause Jogginghosen?
Nein, schon Karl Lagerfeld zuliebe.
Thomas Hitzlsperger, Bauernsohn,
ist als Fußballstar bodenständig
geblieben. Zum Gespräch am
Viktualienmarkt kommt er mit
dem Fahrrad. Mit Gästen, die ihn
erkennen, plaudert er. In England,
wohin er mit 18 Jahren ging, tauften
ihn die Fans „Hitz the Hammer“,
der Schusskraft wegen. Mit Stuttgart wurde er Meister, mit Deutschland fast Europameister. Heute ist
der 34 Jahre alte Münchner als
Fachmann im Fernsehen gefragt,
beim Bayerischen Rundfunk in
München, bei BTSport in London
und FoxSports in Los Angeles.
Haben Sie Stil-Vorbilder?
Kein konkretes Vorbild. Aber David Beckham hat
gezeigt, dass Fußballprofis und guter Stil keine Gegensätze sein müssen. Ich habe mich nicht so angezogen
wie er, aber plötzlich hatte Stil Bedeutung im Fußball,
auch für mich.
Haben Sie jemals ein Kleidungs- oder ein Möbelstück
selbst gemacht?
Seit der Schulzeit nicht mehr.
Besitzen Sie ein komplettes Service?
Nein.
Mit welchem selbst zubereiteten Essen konnten Sie schon
Freunde beeindrucken?
Kochen liegt mir nicht so, dafür Backen. Ich habe schon
vielen mit einem Stück Marmorkuchen oder Sahnetorte
eine Freude gemacht. Gern auch mit alten Rezepten von
Mama, wie dem Eierlikörkuchen mit Kirsch und Schokolade.
Welche Zeitungen und Magazine lesen Sie?
Vor allem die Sportseiten der großen Zeitungen und
Magazine.
Welche Websites und Blogs lesen Sie?
Über Twitter die News-Websites der wichtigsten deutschen, englischen und amerikanischen Zeitungen.
Wann haben Sie zuletzt handschriftlich einen Brief verfasst?
Meine Weihnachtskarten habe ich mit der Hand geschrieben.
Welches Buch hat Sie am meisten beeindruckt?
Immer das, was ich zuletzt gelesen habe, also gerade „Das
eingeschossige Amerika“ von Ilja Ilf und Jewgeni Petrow.
Denis Scheck schenkte mir das, als ich in seiner Sendung
„Lesenswert“ zu Gast war und „mein Leben in drei
Büchern“ vorstellte. Ich wählte dafür „Kaltblütig“ von
Truman Capote, „Das Leben meiner Mutter“ von Oskar
Maria Graf und „Der Traumhüter“ von Ronald Reng.
Tragen Sie eine Uhr?
Ja.
Tragen Sie Schmuck?
Nein.
Haben Sie einen Lieblings-Duft?
Frisch gemähtes Gras. Ich bin auf einem Bauernhof
aufgewachsen. Und auf Fußballplätzen.
Was ist Ihr größtes Talent?
Fängt mit „F“ an. Richtig geraten: Fußball. Ich tu’s
immer noch, fast jede Woche.
Was ist Ihre größte Schwäche?
Eine Schwäche fürs Singen und eine Schwäche im
Singen. Ich singe gern im Auto und zu Hause.
Womit kann man Ihnen eine Freude machen?
Mit allem, was mit Fußball zu tun hat: Spielen, Reden,
Zuschauen.
Was ist Ihr bestes Smalltalk-Thema?
Meine sieben Jahre in England haben mich geprägt. Die
Engländer sind Weltmeister im Smalltalk. Denen fällt
sogar zum Wetter etwas Gescheites ein.
Sind Sie abergläubisch?
Ein bisschen, wie jeder Leistungssportler.
Wo haben Sie Ihren schönsten Urlaub verbracht?
Am Meer. Ich liebe das Wasser, die Weite. Vielleicht weil
ich so weit weg vom Meer aufgewachsen bin. Das erste
Mal habe ich das Meer gesehen, als ich mit sieben Jahren
an einer Werbesendung mit dem Titel „Weltmeister von
morgen“ teilnahm. Unter den sechs Finalisten wählten
mich die Fernsehzuschauer zum Sieger. Der Preis war
eine Reise mit der Nationalmannschaft nach Lissabon
zum Länderspiel.
Wo verbringen Sie Ihren nächsten Urlaub?
Am Meer.
Was trinken Sie zum Abendessen?
Nie zwei Mal das gleiche. Mal Bier, mal Wein, mal
Wasser.
Aufgezeichnet von Christian Eichler.
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