Zürcher Oberländer, 13.7.2016

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Zürcher Oberländer, 13.7.2016
ZO/AvU
Mittwoch, 13. Juli 2016
Regionalwirtschaft l 13
Nach London – nach dem Brexit
RUSSIKON Die Panolin
Gruppe mit Sitz in Madetswil
hat Anfang Juli eine
Tochterunternehmung nahe
London gestartet – eine
Woche nach dem BrexitEntscheid. Der Hersteller von
Hochleistungsschmierstoffen
sieht keinen Anlass zur Sorge.
Der Zeitpunkt sticht ins Auge:
Eine Woche nachdem die Briten
für einen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU votierten, hat die Panolin Gruppe
per 1. Juli an einem neuen Standort nahe London die Tochterunternehmung Panolin UK Ltd
eröffnet.
Für den international tätigen
Hersteller von Hochleistungsschmierstoffen mit Sitz in Madetswil kommt der Brexit jedoch
nicht zur Unzeit. Als die Geschäftsleitung im Herbst letzten
Jahres mit der Planung für den
neuen Vertriebsstandort begann, war das EU-Referendum
bereits ein Faktor, mit dem sie
rechnete. «Wie die Abstimmung
ausgehen würde, hat für uns aber
keine Rolle gespielt», sagt CEO
Silvan Lämmle. «Wir wussten,
dass wir den Standort so oder so
einrichten.»
Produktion in der Schweiz
Viele Unternehmen mit Produktionsstandorten im Vereinigten
Königreich sind durch den Brexit verunsichert – ein denkbar
ungünstiges Klima für Investitionen. Da die Panolin Gruppe
auch zukünftig in der Schweiz
produzieren will, ist ihre Ausgangslage
deutlich
besser.
«Unsere Investitionen sind nicht
so hoch, als dass wir uns Sorgen
machen müssten», sagt Lämmle.
Zwar sei gegenwärtig noch
nicht abzusehen, ob neue Zölle
und Abgaben beim Import anfallen werden; ebenso wenig, wie
sich der Umrechnungskurs und
die Marge entwickeln. Dennoch:
Aus Sicht des CEO überwiegen
die Vorteile des neuen Standorts bei Weitem die damit
­verbundenen Risiken. Schliesslich ermöglicht die neue Tochterunternehmung nun einen
­d irekten Kundenkontakt.
Das britische Marktgebiet ist
kein Neuland für Panolin. «Wir
haben von Anfang an nach England geliefert und waren dort immer stark», sagt Lämmle. Strategisch wichtig sei der dortige
Markt durch seine dynamische
und
innovationsfreundliche
Bauwirtschaft. Hinzu kommen
der grosse Schienenbereich und
Trotz Brexit zuversichtlich: Patrick Lämmle, CEO von Panolin International (links), und Silvan Lämmle, CEO der Panolin AG, am Sitz des Familienunternehmens in Madetswil.
die zahlreichen Erstausrüster
wie etwa Fahrzeug- und Baumaschinenhersteller. «Die Briten
haben einen grossen Bedarf an
Investitionen und sind auch bereit, in hochwertige Technologie
zu investieren», sagt Lämmle.
Abkehr vom Distributor
Bisher hatte das Familienunternehmen seine britischen Kunden
über einen Distributor beliefert.
«Dadurch hatten wir keinen differenzierten Überblick über den
gesamten Markt», sagt Lämmle.
Es fehlten die Daten über die jeweiligen
Kundenbedürfnisse.
«Durch den direkten Kontakt
wissen wir nun, wann die Kunden welche Produkte und in welchem Umfang benötigen.»
Silvan Lämmles Onkel Patrick
Lämmle leitet die Panolin International Inc. und ist damit auch
zuständig für das Vereinigte Königreich. Er weist darauf hin,
dass das Unternehmen gegenüber dem Distributor auf eine
Langzeitstrategie gesetzt habe –
eine nachhaltige und eher konservative Marktbearbeitung: «In
dieser Ausgangslage konnten wir
weniger flexibel auf Veränderungen im Markt reagieren.»
Als man sich dazu entschloss,
zusätzlich zu den bestehenden
Marktsegmenten auch in den
Marine-Bereich einzusteigen,
habe der Distributor nicht mehr
mitziehen können. Eine Tochtergesellschaft vor Ort drängte
sich als Option förmlich auf.
«Letztlich handelt es sich dabei
um die Weiterführung unserer
Firmenstrategie», ergänzt Silvan Lämmle. «Wir haben bereits
Tochtergesellschaften in Schweden, Frankreich und den USA.»
Nach der Gründung der Panolin Holding 2008 und der Einrichtung des Bereichs Panolin
International 2012 ist das Unternehmen so strukturiert, dass die
Implementierung von Tochtergesellschaften relativ einfach
möglich ist.
Übernahme von Mitarbeitern
Im Falle des Standorts London
ging es zunächst darum, eine
gütliche Einigung mit dem Distributor zu erzielen. Gegenstand
der Verhandlungen waren unter
anderem der Aufkauf des Warenlagers und die Übernahme
von Mitarbeitern, vor allem aus
dem Sales-Bereich. «Wir wollten
mit dem bestehenden Team weiterarbeiten, um die Kundenbindung beizubehalten», sagt Silvan
Lämmle.
Sein Cousin Tim Lämmle
kümmerte sich anschliessend
um den konkreten Aufbau der
Tochtergesellschaft: Er suchte
den neuen Standort, richtete die
Büros und das Backoffice ein,
implementierte das EDV-System, regelte die neuen Arbeitsverträge und sorgte mithilfe
eines Anwalts für die rechtliche
Einordnung der Gesellschaft in
die Holdingstruktur.
Am 4. Juli reiste Patrick
Lämmle zu einem Kick-offEvent an den neuen Standort.
«Ich wollte Präsenz zeigen und
den Kurs für diese Unternehmung vorstellen», sagt er. Derzeit hat Panolin UK fünf Mitarbeiter fix angestellt. Knapp
zwei Wochen nach dem offiziellen Start ist die Stimmung gut.
«Die Leute sind begeistert, weil
wir eine dynamische Vorwärtsstrategie verfolgen», sagt Patrick
Lämmle.
Auch von Kundenseite kommen positive Rückmeldungen,
wie Silvan Lämmle hervorhebt:
«Gerade in UK haben wir viele
Grosskunden, die einen direkten
Draht zum Werk bevorzugen,
anstatt mit einem Händler zusammenzuarbeiten.»
Ein grosser Vorteil für Panolin
sei das ausgeprägte Umweltbewusstsein der Briten. «Unsere
biologischen Schmierstoffe, die
man viel länger als herkömmliche Produkte einsetzen kann und
die die Umwelt nicht beeinträchtigen, sind in Grossbritannien
­besonders gefragt», sagt der CEO.
Schmierstoffe länger nutzen
Analog zu ihrem Umweltkonzept «Greenmachine», bei dem
die längere Nutzungsdauer von
biologischen Schmierstoffen für
die Maschinentechnik erhebliche CO2-Einsparungen ermöglicht, setzt Panolin im Vereinigten Königreich auch auf das Kon-
Neues Logistikzentrum für Möbel Ferrari
HINWIL Möbel Ferrari baut
ein eigenes Logistikzentrum
in unmittelbarer Nähe
zu seinem Verkaufsladen
in Hinwil. Damit macht sich
das Unternehmen von einer
bisherigen Mietliegenschaft
unabhängig und erhöht
seine Lieferbereitschaft.
Der Spatenstich für den fünf­
stöckigen Bau fand am 21. Juni
statt. In 200 Meter Entfernung
zu seinem Verkaufsladen errichtet Möbel Ferrari im Industriegebiet Wässeri in Hinwil ein
grosses Logistikzentrum. 12 Millionen Franken kostet das Projekt, 12 000 Quadratmeter wird
die Lagerfläche umfassen.
Für Oktober 2017 plant das
Unternehmen den Bezug des Gebäudes, um dann einen Monat
später mit der Auslieferung beginnen zu können. Bis es so weit
ist, nutzt Möbel Ferrari weiter-
hin sein Lager in Wetzikon. Dabei handelt es sich aber um ein
Mietobjekt in einem ehemaligen
Fabrikgebäude. «Wir waren uns
nie sicher, wie lange wir dort bleiben können», sagt CEO Daniele
Di Fronzo. Wie ein Damoklesschwert schwebte die Möglichkeit einer Umnutzung des Gebäudes über der Geschäftsleitung. «Innert kürzester Zeit eine
Lagerfläche von 6000 Quadratmetern im Oberland aufzutreiben, wäre problematisch geworden», sagt Di Fronzo.
Suche nach Standort
Vor rund zwei Jahren begann
Firmeninhaber René Ferrari mit
der Suche nach einem geeigneten Standort. «Von vornherein
kam nur ein Neubau infrage»,
so Di Fronzo. Dass man ein Areal
in unmittelbarer Nachbarschaft
zum Möbelhaus kaufen konnte,
bezeichnet der CEO als Win-
win-Situation: Zum einen muss
sich das Unternehmen keine
Sorgen mehr um die Lagerung
des Sortiments machen; zum
­a nderen bietet das Logistikzen­
trum den Kunden kürzere Abholwege und eine höhere Lieferbereitschaft.
Nicht ins Ausland auslagern
«Kundennähe ist heutzutage
entscheidend, um konkurrenzfähig zu bleiben», sagt Di Fronzo. Eine Auslagerung ins grenznahe Ausland, wo sich ein Logistikzentrum günstiger hätte realisieren lassen, sei aus diesem
Grund nicht infrage gekommen.
«Wenn der Kunde einen Entschluss gefasst hat, möchte er
die Ware am besten sofort mitnehmen.» Müsste man die bestellten Möbel erst aus Deutschland anliefern lassen, würde
der Kunde deutlich länger warten.
Mit dem geplanten Logistikbau verdoppelt Möbel Ferrari
seine Lagerkapazität um 50 Prozent; damit erhöht sich auch die
Lieferbereitschaft. «In der alten
Lagerhalle mussten wir einige
Abstriche machen», sagt Di
Fronzo. «Im Neubau können
wir die Lagerung viel effizienter
gestalten sowie grosszügiger
und abgestufter einkaufen.» Zukünftig sollen die einzelnen Modelle in grösseren Stückzahlen
und mehreren Farbvarianten
am Lager vorhanden sein.
Wachsendes Online-Geschäft
Gegenwärtig kann Möbel Ferrari
rund 60 Prozent seiner Möbel
innert fünf Tagen ausliefern. Mit
dem neuen Logistikzentrum soll
sich die Lieferzeit auf drei Tage
verkürzen.
Diese Beschleunigungstendenz ist auch eine Antwort auf
ein verändertes Kundenverhal-
ten durch das Internet. «Das Online-Geschäft hat zwar in unserer Branche noch nicht den gleichen Stellenwert wie in anderen,
aber wir spüren, wie dieses Geschäft von Jahr zu Jahr wichtiger wird», sagt Di Fronzo. Auch
Möbel Ferrari hat einen Internetshop eingerichtet. Der Verkauf darüber laufe gut, sagt der
CEO, allerdings bevorzugen die
Kunden nach wie vor das klassische Ladengeschäft.
Das Logistikzentrum zeige die
Bereitschaft von Möbel Ferrari,
sich dem Wettbewerb im Möbelmarkt zu stellen, sagt Di Fronzo:
«Wir sind zuversichtlich, dass
wir es richtig angehen.» Knapp
die Hälfte der Lagerfläche wird
das Unternehmen zudem an
Dritte vermieten. Erste Inter­
essenten haben sich bereits bei
der Geschäftsleitung gemeldet.
Die Verhandlungen laufen.
Jörg Marquardt
Fabio Meier
zept «Greenmarine». Dafür wurde extra ein Marinespezialist
eingestellt. «Vor vier Jahren hatten wir noch nichts mit Schifffahrt zu tun, und heute stellen
wir Schmierstoffe für 300 Meter
lange Kähne her», sagt Patrick
Lämmle. England sei prädestiniert für diesen Markt.
Produkte mit Langzeitwert
Für das Jahresende erhoffen
sich Patrick und Silvan Lämmle
den «break-even» – das Erreichen der Gewinnschwelle. «In
den ersten drei Monaten werden
wir aufgrund der Investitionen
ein Minus erzielen. Aber ab
nächstem Jahr wollen wir nur
noch schwarze Zahlen schreiben», sagt Silvan Lämmle. Die
Folgen des Brexit geben aber keinen Anlass zu Sorge, wie Patrick
Lämmle hinzufügt: «Wir sind im
Business-to-Business-Markt tätig und haben Produkte mit
Langzeitwert», sagt er. «Von daher rechne ich nicht damit, dass
uns der Brexit Schwierigkeiten
bereiten wird.»
Jörg Marquardt
H+S teilt
Fiberoptik auf
PFÄFFIKON Der Kabelhersteller Huber+Suhner reagiert auf
das rasante Wachstum des Geschäftsbereichs Fiberoptik in
den letzten Jahren. Die Fiberoptik wird in zwei Bereiche aufgeteilt. Wie es in einer Mitteilung
heisst, wird sich der Bereich FO
Mobile Com & Industry in Zukunft auf Lösungen für die Kundensegmente Mobilfunk, Netzwerkausrüster und Industrie fokussieren. Der Bereich FO Wireline & Data Center wird sich auf
Anwendungen in den Märkten
Core Netz, FTTH und Rechenzentren konzentrieren. Die Leitung der beiden Bereiche konnte
das Unternehmen mit Sitz in
Pfäffikon und Herisau mit Per­
sonen aus den eigenen Reihen
­besetzen: Fritz Landolt wird den
Bereich FO Mobile Com & Industry leiten. Martin Strasser übernimmt die Führung des Bereichs
FO Mobile Com & Industry. mig