Was sollen Kinder lesen

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Was sollen Kinder lesen
Einleitung
Welche Mutter, welcher Vater lektürefähiger Kinder hat diese Situation nicht schon
erlebt: Man sucht nach einem Buchgeschenk für das eigene oder für ein anderes
Kind und steht dann in einer Buchhandlung ratlos vor den zahlreichen Titeln, die
einige Regale füllen. Nach welchen Kriterien sucht man das Buch aus? Wie bewertet man Illustrationen, was ist für das jeweilige Kind sowohl interessant als auch
belehrend oder bildend? Wie bewertet man entsprechende Empfehlungen der Verkäuferin, welchen Typ von Literatur möchte man eher meiden? Nach Angaben des
Börsenvereins des Deutschen Buchhandels erschienen in Deutschland im Jahr 1995
3114 neue Titel der Kinder- und Jugendliteratur, im Jahr 2000 betrug die Anzahl
3704, im Jahr 2003 wurden 4972 Titel veröffentlicht, 2005 kamen 5635 Exemplare auf den Markt. In diesen Zahlen sind die beliebten Comic-Hefte wie auch die
verschiedenen Jugendzeitschriften („Bravo“ etc.) nicht enthalten.1 Wie findet man
aus dieser Flut das richtige Buch oder Hörbuch heraus? Was ist „richtig“ für ein
bestimmtes Kind? Wie vertrauenswürdig sind Buchauszeichnungen von der Art des
„Deutschen Jugendliteraturpreises“, Leseempfehlungen der „Stiftung Lesen“, des Arbeitskreises Jugendliteratur, der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur, des Deutschlandfunks oder analoge Auszeichnungen und Empfehlungen anderer Institutionen wie z. B. der Kirchen?2 Bieten Publikationen mit Titeln wie „Was
soll ich lesen? 50 beste Kinderbücher“, „Geprüfte Leseempfehlungen“, „Die besten
Bücher für Kinder“ oder „Litparade: Die 100 besten Jugendbücher“ hinreichend zuverlässige Informationen? Kann man auf die Qualität der „Edition Kinderliteratur“
vertrauen, die von der Wochenzeitung DIE ZEIT aufgelegt wurde? Wie entscheidet
man diese Fragen?3
Die Suche nach Qualitätskriterien für Kinder- und Jugendbücher resultiert natürlich nicht nur aus solchen elterlichen Auswahlproblemen, sie betrifft auch den Kauf
von Büchern durch Kinder und Jugendliche selber. Wie sind deren eigene Auswahl1 Zu den beliebtesten Kinderzeitschriften gehören Micky-Maus-Hefte und -Taschenbücher, für
die älteren Kinder (6–12 Jahre) Bravo, Barbie, Junior; unter den Büchern stehen zur Zeit Harry
Potter, TKKG, Die 3 Fragezeichen, Märchenbücher sowie Erzählungen Astrid Lindgrens und
Cornelia Funkes auf den Bestseller-Listen. Vgl. Internationales Zentralinstitut für das Jugendund Bildungsfernsehen: Grunddaten Kinder und Medien 2003/2004. Ferner auch G. FreyVor/G. Schumacher (Hrsg.): Kinder und Medien 2003/2004. Baden-Baden 2006; Focus 7/2007
S. 70.
2 Vgl. die Übersicht über verschiedene Kinder- und Jugendbuchpreise in D. Breitmoser/
K. Linge (Hrsg.): Blaubuch 2005. Adressen und Register für die deutschsprachige Kinder- und
Jugendliteratur, München 2005.
3 S. Gaschke: Hexen, Hobbits und Piraten. Die besten Bücher für Kinder. Stuttgart/München
2
2003; M. Osberghaus: Was soll ich lesen? 50 beste Kinderbücher. München 22003; L. Schröder: Litparade. Die 100 besten Jugendbücher. Düsseldorf 2004; J. Th. Gillespie: Best Books for
Children. Westport 2002.
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Einleitung
kriterien zu bewerten? Welche pädagogischen Überlegungen kann man mindestens
als beobachtender Begleiter solcher Lektürevorlieben anstellen? Das Bücherlesen ist,
wie die „Stiftung Lesen“ (2005) aus Befragungen berichtet, bei ungefähr 50 % der
6- bis 13-Jährigen beliebt, insbesondere bei den Mädchen (67 % gegenüber 45 % in
der Jungen-Gruppe). Immerhin 36 % der Befragten geben allerdings auch an, gar
nicht oder nicht so gerne Bücher zu lesen – ein Umstand, der im Zusammenhang
mit der PISA-Studie und der von ihr diagnostizierten mangelnden „Lesekompetenz“ deutscher Schüler vielfach Bedenken hervorgerufen hat.4
Die zunehmende Konkurrenz anderer Medien schränkt allerdings das Lesebudget von Kindern – sofern diese überhaupt eine Lesesozialisation durchlaufen haben – zusätzlich ein. So gaben z. B. in der KIM-Studie 2006 68 % der 6–13-Jährigen
an, in ihrer Freizeit mehr oder minder häufig einen Computer zu nutzen; 100 %
der befragten Haushalte verfügten über einen Fernseher. 78 % der befragten Kinder
gaben an, jeden oder fast jeden Tag fernzusehen, womit das Fernsehen unter den
annähernd täglichen Freizeitaktivitäten weit vor dem Spielen oder dem Treffen mit
Freunden rangiert. Das annähernd tägliche Bücherlesen wurde in dieser Studie von
14 %, die ein- oder mehrmals je Woche stattfindende Buchlektüre wurde von weiteren 36 % der Kinder angegeben. Fragt man allerdings nach den zentralen Interessen
der Kinder, so liegen Freundschaft, Musik, Sport und Schule mit jeweils mindestens
76 % an der Spitze, das Fernsehen und das Bücherlesen folgen mit 53 % bzw. mit
49 %. Die Frage nach der erlebten subjektiven Unverzichtbarkeit bestimmter Medien ergab, dass 70 % den Fernseher, 9 % der Mädchen und 21 % der Jungen den
Computer und 8 % der Mädchen sowie lediglich 3 % der Jungen Bücher für unverzichtbar hielten. Etwas anders stellte sich – wie schon erwähnt – die Sache dar, wenn
die Frage gestellt wurde, wie gerne die Befragten Bücher lesen: 62 % der Mädchen
und 36 % der Jungen gaben an, Bücher gerne oder sehr gerne zu lesen.5 Obgleich
sich also je nach Frage im Hinblick auf Büchervorlieben ein unterschiedliches Bild
ergibt, ist die Dominanz des Fernsehens und anderer Bildschirm-Medien unverkennbar. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das Ergebnis einer anderen
Studie: In einem Imagevergleich von Buch und Fernsehen wurden die Glaubwür4 Die Angaben sind einer Internet-Zusammenstellung der „Stiftung Lesen“ entnommen: Lesen –
Daten und Fakten. Eine Auswahl von Forschungsergebnissen. Grundlage ist eine Befragung
aus dem Jahr 2003. Internetaufruf 2006: www.stiftunglesen.de/forschung sowie www.media.
spiegel.de. Siehe auch die Adressenhinweise im Anhang. Siehe ferner zu diesem Problem auch
C. Rosebrock (Hrsg.): Lesen im Medienzeitalter. Weinheim 1995.
5 Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest: KIM-Studie 2006. Kinder + Medien,
Computer + Internet. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger. Stuttgart
2007. Siehe ferner auch: P. Conrady: Lesen und CD-ROM. Untersuchungen zur Mediennutzung von Jugendlichen. Oberhausen 2001; K. Richter/S. Riemann: Kinder, Literatur, „neue
Medien“. Hohengehren 2000; H. Heidtmann (Hrsg.): Kinder- und Jugendliteratur multimedial und interaktiv. In: Beiträge Jugendliteratur und Medien, 7. Beiheft 1996. Zum historischen Vergleich ist auch interessant: H. Hengst: Auf Kassetten gezogen und in Scheiben gepresst. Tonkonserven und ihre Funktion im Medienalltag von Kindern. Frankfurt/M. 1979,
K. Jensen/J.-U. Rogge: Der Medienmarkt für Kinder in der Bundesrepublik. Tübingen 1980.
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digkeit und der Informationswert des Fernsehens von Jugendlichen (14–19 Jahre)
wesentlich höher eingestuft als die des Buches.6
Die in den letzten Jahren erhobenen Daten zur Anzahl lesefreudiger Kinder müssen noch etwas differenzierter betrachtet werden. Da die empirischen Studien in
eine Zeit des Harry-Potter-Fiebers fallen, dürfte der längerfristige Trend des Leseverhaltens zur Zeit eher überschätzt werden (das zeigt auch der Vergleich mit den
im Jahr 2000 erhobenen PISA-Daten). Harry Potter ist ein in der Kinderbuch-Geschichte exzeptionelles Phänomen. Der 7-Bände-Zyklus ist nach der Bibel und dem
Koran das am häufigsten gelesene Druckwerk in der Geschichte des Buches: Bis zum
Mai 2005 waren 21 Millionen deutschsprachige Harry-Potter-Romane abgesetzt
worden, der 5. Band wurde beispielsweise in Deutschland allein am 1. Verkaufstag
in 750 000 Exemplaren verkauft, weltweit wurden bisher rund 300 Millionen Bände
in über 60 Sprachen abgesetzt. Die „Leselust“ im Hinblick auf diese Bände widerspricht daher auch allen bisherigen empirischen Untersuchungen zum Leseverhalten von Kindern.7
Ein zweiter Aspekt differenzierter Betrachtung betrifft die Altersabhängigkeit der
Lesefreude: Sie ist, wie unter anderem die IGLU-Studie gezeigt hat, im Grundschulalter stärker ausgeprägt als in späteren Schuljahren.8 An diesem Phänomen setzen
nun einige empirische Studien an, die der Frage nachgehen, welche Auswirkungen
die Bildschirmmedien (insbesondere das „Vielsehen“ von TV-Sendungen) auf die
Lesebereitschaft und Lesekompetenz haben. Zahlreiche Untersuchungen dieser Art
zeigen, dass schriftsprachliche Kompetenzen, Lesebereitschaft und Lesekompetenz
mit zunehmendem Fernsehkonsum abnehmen.9 So haben z. B. Marco Ennemoser
und Wolfgang Schneider zeigen können, dass die negativen Effekte des häufigen
Fernsehens (insbesondere von Unterhaltungssendungen) im Verlauf der Grundschulzeit zunehmen. Das betraf insbesondere Kinder mit niedriger Test-Intelligenz.10
Holländische Forscher konnten in einer Langzeit-Untersuchung an über tausend
Grundschulkindern nachweisen, dass häufiges Fernsehen zu einer Minderung der
Lesekompetenz vieler Kinder führte, wobei in diesem Fall sozioökonomischer Status
und Test-Intelligenz keine Rolle spielten, wohl aber die Art der gesehenen Programme (z. B. Informations- oder Unterhaltungssendungen). Als Ursache für diese Effek6 Stiftung Lesen (Hrsg.): Lesen im internationalen Vergleich. Mainz 1990, S. 45.
7 Chr. Garbe/M. Philipp (Hrsg.): Harry Potter – Ein Literatur- und Medienereignis im Blickpunkt interdisziplinärer Forschung. Hamburg 2006, S. 7 ff.
8 Die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) vergleicht das Leseverständnis
von Schülerinnen und Schülern 4. Jahrgangsstufen. Vgl. Z. B. W. Bos u. a.: IGLU. Einige Länder
der Bundesrepublik im nationalen und internationalen Vergleich. Münster 2004.
9 Dabei geht es natürlich um statistische Tendenzen, nicht um jeden Einzelfall. Der diesbezügliche Forschungsstand bis 2005 ist dargestellt in Chr. Rittelmeyer: Kindheit in Bedrängnis.
Zwischen Kulturindustrie und technokratischer Bildungsreform. Stuttgart 2007.
10 M. Ennemoser/W. Schneider: Effekte exzessiven Fernsehkonsums auf die Schriftsprachentwicklung in der Schule als Beispiel für die Auswirkung nichtstoffgebundenen Suchtverhaltens.
In: N. Beck u. a. (Hrsg.): Süchtiges Verhalten bei Kindern und Jugendlichen, Lengerich u. a.
2006, S. 71–91.
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te wird unter anderem die Verschiebung der Zeitbudgets vom Lesen zum Fernsehen
und damit die Eliminierung von Chancen genannt, sich im Lesen kontinuierlich zu
üben. Bei Vielsehern entwickelt sich zudem häufig eine Attitüde der Geringschätzung im Hinblick auf das Lesen als solches.11 Auch die gesteigerte Beschäftigung
mit Video-Spielen führt insbesondere bei Jungen im Jugendalter zu einer deutlichen Minderung der Lektüre-Interessen.12 Die gelegentlich vorgetragene Meinung,
dass insbesondere Vorschulkinder ihre Sprachkompetenz durch das Ansehen von
Sendungen mit vielen Dialogen (wie in den Teletubbies) verbessern können, wurde
indessen nicht bestätigt: Offenbar ist das Erlernen von Sprachfähigkeiten in diesem
Alter an reale Interaktionen mit anderen Menschen gebunden, wie dies z. B. bei Eltern der Fall ist, die ihren Kindern im Zusammenhang eines engen Sozialkontakts
Geschichten vorlesen.13
Überblickt man die Untersuchungen zu diesem Thema, dann zeigt sich nicht nur
eine Verdrängung der Lese- durch die Bildschirmkonsum-Budgets, sondern auch
eine eindeutige Verminderung literarischer Fähigkeiten durch häufiges Fernsehen
und durch exzessive Bildschirm-Spiele. Insbesondere das zunehmende Vordringen
des Fernsehens in den Vorschulbereich (und, mit Sendern wie Baby-TV) sogar in den
Kleinkindbereich verdient daher kritische Aufmerksamkeit, da in diesem Alter die
Grundlagen für das literarische Können veranlagt werden.14 Da in dieser Hinsicht
den USA bisher immer eine „Vorreiter-Rolle“ zukam, mag ein ergänzender Blick in
die US-amerikanische Mediennutzung von Interesse sein.15
Besonders aufschlussreich ist eine umfangreiche Studie der Kaiser Foundation,
da sie auch Kleinkinder im Alter zwischen 6 Monaten und 2 Jahren einbezogen hat.16
Grundlage war eine repräsentative Befragung von über 1000 Eltern im Frühjahr
2003. Hintergrund der Befragung gerade der Eltern junger Kinder war das boomende TV-, PC- und DVD-Angebot bereits für unter zweijährige Kinder. 83 % der
Eltern von Kindern im Alter von 6 Monaten bis 6 Jahren gaben an, dass ihre Kinder
mindestens ein Bildschirm-Medium (TV, PC, DVD, Video) mehr oder minder re11 C. M. Koolstra/T. H. A. van der Voort/L. J. Th. van der Kamp: Television’s Impact on Children’s
Reading Comprehension and Decoding Skills: A 3-Year Panel Study. In: Reading Research
Quarterly 32 (1997), S. 128–152.
12 H. M. Cummings/E. A. Vandewater: Relation of Adolescent Video Game Play to Time Spent in
Other Activities. In: Archives of Pediatrics and Adolescent Medicine 161 (2007), S. 684–689.
13 M. Krcmar/B. Grela/K. Lin: Can Toddlers learn Vocabulary from Television? An Experimental
Approach. In: Media Psychology 10 (2007), S. 41–63.
14 Vgl. dazu auch den Abschlussbericht zu einem der umfangreichsten Langzeit-Forschungsprojekte zu diesem Thema: J. G. Johnson/P. Cohen/S. Kasen/J. S. Brook: Extensive Television
Viewing and the Development of Attention and Learning Difficulties During Adolescence. In:
Archives of Pediatrics and Adolescent Medicine 161 (2007), S. 480–486.
15 J. C. Wright u. a.: American Children’s Use of Electronic Media in 1997: A National Survey.
In: Journal of Applied Developmental Psychology 22 (2001), S. 31–47; D. Bickham u. a.: Predictors of Children’s Electronic Media Use: An Examination. In: Media Psychology 5 (2003),
S. 107–138.
16 Henry J. Kaiser Family Foundation: From Zero to Six. Electronic Media in the Lives of Infants,
Toddlers and Preeschoolers. Internetausgabe 2003.
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gelmäßig nutzen, 79 % der Kinder wurde aus Büchern oder anderen Printmedien
vorgelesen bzw. sie haben selber gelesen. Fragt man allerdings nach der durchschnittlichen Zeit, die Kinder in diesem Alter täglich für bestimmte Mediennutzungen aufbringen, so rangieren Bildschirmmedien mit 2 Stunden beträchtlich vor dem
Lesen/Vorlesen mit 39 Minuten. 27 % der Vier- bis Sechsjährigen benutzen einen PC,
40 % sind in der Lage, eine CD-ROM selbstständig abzuspielen, rund 10 % spielen
mehr oder minder regelmäßig Video-Spiele. In 36 % aller Haushalte läuft der Fernseher tagsüber relativ kontinuierlich – egal, ob jemand fernsieht oder nicht; in solchen Haushalten finden sich auch gehäuft „Vielseher“ unter den Kindern. 68 % der
Kinder im Alter bis zu 2 Jahren sehen mehr oder minder regelmäßig fern, schauen
Video- oder CD-Präsentationen an. 43 % dieser Altersgruppe sehen nach Auskunft
der Eltern täglich fern, 26 % haben einen Fernseher in ihrem Kinderzimmer. Im
Schnitt verbringen Kinder bis zum Alter von 2 Jahren täglich mehr als 2 Stunden
vor einem Bildschirm-Medium. In Deutschland betrug im Jahr 2005 bei 3 bis 5 Jahre alten Kindern die durchschnittliche Verweildauer vor dem Fernseher ebenfalls
2 Stunden – die Altersgruppe unter zweijähriger Kinder wurde in dieser Studie noch
nicht erfasst.17 Eine gemeinsam von ARD und ZDF initiierte neuere Untersuchung
hat jedoch auch Kinder im Alter von 2 bis 5 Jahren einbezogen. Danach sehen 58 %
der Zwei- bis Dreijährigen täglich oder fast täglich fern.18 Allein vom Zeitbudget her
sind demnach die Bildschirm-Medien eine zunehmende Konkurrenz für das Lesen,
die zu begründeten Sorgen führen muss und die von der Erziehungswissenschaft
oder gar von der Kultusbürokratie bisher systematisch übersehen wurde. Dass indessen das TV-Vielsehen nicht nur vom Budget her die Lesesozialisation behindert,
sondern durch ihre Machart bedingte nachweisbare negative Effekte auf die Rezeptionsgewohnheiten, auf Sprachentwicklung und Lesefähigkeit von Kindern zu haben scheint, wird im übernächsten Kapitel genauer darzustellen sein.19 Hier mag
zunächst der Hinweis genügen, dass die Bildschirm-Medien zunehmend zur Konkurrenz für das Lesen werden. Auch in diesem Zusammenhang entsteht die pädagogisch wichtige Frage, welche besonderen Erfahrungs- und Bildungsmöglichkeiten
Bücher für Heranwachsende bieten können.
Wendet man sich nun der weiteren Frage zu, welche Vorlieben lesende bzw. Geschichten hörende Kinder haben, so ergibt sich für Deutschland das folgende Bild:
Zur Lieblingslektüre der 6–13-jährigen Mädchen gehören Tier- und Phantasiegeschichten, Zaubergeschichten und Märchen, während bei den Jungen Abenteuerbücher und Comics dominieren. Wie die „Stiftung Lesen“ berichtet, geht aber die
Anzahl von Jugendlichen seit 1992 stetig zurück, deren Familien sich für Bücher
interessieren und mit denen infolgedessen im Elterhaus über Bücher gesprochen
17 S. Feierabend/W. Klingler: Was Kinder sehen. In: Media-Perspektiven Heft 3/2006, S. 139.
18 G. Frey-Vor/G. Schumacher (Hrsg.): Kinder und Medien 2003/2004. Eine Studie der ARD/
ZDF-Medienkommission. Baden-Baden 2006.
19 Vgl. dazu ausführlich Chr. Rittelmeyer: Kindheit in Bedrängnis. Zwischen Kulturindustrie und
technokratischer Bildungsreform. Stuttgart 2007. Ferner auch E. Sullivan: Kinderliterarische
Komparatistik. Heidelberg 2000, S. 226 ff.
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Abb. 1: Lesesozialisation von Kindern (Quelle: Stiftung Lesen 2003)
wurde und wird (vgl. dazu Abbildung 1).20 Insbesondere bei den bekanntermaßen
weniger lesefreudigen Jungen im Schulalter scheinen Leseinteressen häufig durch
Gleichaltrige beeinflusst zu werden – wobei dann eher Horrorgeschichten oder autobiographische Auslassungen bestimmter Fernsehstars die Szene bestimmen; das
Bücherlesen gilt vielen Jungen zudem als „weibisch“ oder „uncool“.21 Auch die Schule scheint, wie eine Untersuchung der Stiftung Lesen zum Deutschunterricht (2003)
nahe legt, in dieser Hinsicht keine allzu rühmliche Rolle zu spielen. Die hier von
Lehrern empfohlenen Bücher werden nur von einem geringeren Teil der Schüler
gelesen.22 Ein gutes „Leseklima“ in Familie und Schule scheint aber die wichtigste Bedingung dafür zu sein, dass eine „Lesekultur“ und damit „Lesekompetenz“ bei Kindern
und Jugendlichen entstehen kann. Zu diesem förderlichen Umfeld gehören Gespräche über Bücher in der Familie (z. B. über bestimmte Geschichten oder über das,
was die Eltern gerade lesen), es gehört der Bücherschrank dazu, der die Neugier von
Kindern weckt, es gehört das Bild lesender Eltern und Klassenkameraden dazu –
um hier nur einige Beispiele zu nennen.23
20 Die Angaben sind der zuvor erwähnten Internet-Zusammenstellung von DER SPIEGEL und
„Stiftung Lesen“ entnommen: Lesen – Daten und Fakten. Eine Auswahl von Forschungsergebnissen. Grundlage ist eine Befragung aus dem Jahr 2001. www.stiftunglesen.de/forschung.
21 K. Müller-Walde: Warum Jungen nicht mehr lesen und wie wir das ändern können. Frankfurt/M. 2005.
22 Vgl. die vorhergehende Literaturangabe.
23 Wie sehr z. B. Bücherkisten auf dem Boden oder Bücherschränke im Wohnzimmer die LeseNeugier von Kindern wecken können, hat eindringlich Martin Walser in einem biographischen Bericht beschrieben: Aus dem Wortschatz unserer Kämpfe. Frankfurt/M. 2002.
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Aber ist aus einer solchen pädagogischen Perspektive Buch gleich Buch, Erzählung
gleich Erzählung, Buchillustration gleich Buchillustration? Wann ist ein Buch oder
ein Bild altersgemäß, wann fördert es tatsächlich literarische Kompetenz und unter
welchen Bedingungen ist es in dieser Hinsicht eher kontraproduktiv? Unter welchen
Bedingungen sind Illustrationen in Kinderbüchern kindgemäß, wann unterstützen
sie den Bildungsprozess Heranwachsender, wann behindern sie ihn? Welche literarischen und ikonographischen Gestaltungsmittel fördern die Phantasie der Kinder,
welche verhindern sie? Anders gefragt: Gibt es Qualitätskriterien, mit deren Hilfe
sich mit Blick auf die Bildung Heranwachsender gute von weniger guten Kinderbüchern abgrenzen lassen? Und um auf das Eingangsbeispiel zurückzukommen:
Welche Kriterien sind für Eltern hilfreich, aus dem großen Angebot ein bestimmtes
Buch als „pädagogisch geeignet“ auswählen zu können, ein anderes zurückzuweisen? Welche Überlegungen führen dazu, Buch-Empfehlungen der Verkäuferin anzunehmen oder abzulehnen?
Das sind für die Erziehungswissenschaft keine neuen Fragen – im Verlauf der
letzten vierzig Jahre ist eine kaum noch überschaubare Menge von Schriften erschienen, die mit dem Thema Kinder- und Jugendliteratur befasst sind. Das Literaturverzeichnis dieses Buches gibt eine kleine Auswahl wieder, und auch in den folgenden
Kapiteln soll auf einzelne Arbeiten hingewiesen werden. Es befinden sich wichtige
Handbücher zur Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur darunter wie auch spezielle Abhandlungen zum Beispiel zur Funktion der Märchen für die Entwicklung
von Kindern, zur Comic-Lektüre, zu geschlechtsspezifischen Rollenklischees in Bilderbüchern, zur bevorzugten Lektüre von Mädchen und Jungen, zu literarischen
Typen der Kinderliteratur, zu Merkmalen der Bestseller-Literatur (wie z. B. Harry
Potter oder Die Kinder von Bullerbü), zur Märchenrezeption von Kindern und zu
Erziehungszielen in Bilderbüchern. Ich kenne jedoch keine kompakte Übersicht
über pädagogische Bewertungskriterien für diese Literaturgattung.
Natürlich muss nicht jedes Kinder- oder Jugendbuch pädagogisch qualifiziert
werden – aber es gibt doch zahlreiche Situationen (wie die einleitend geschilderte),
in denen man solche Qualitätsurteile sucht oder danach handelt, wenngleich die
jeweils entscheidungsrelevanten Kriterien wohl den meisten Eltern nicht wirklich
bewusst sind. Die folgenden Kapitel sind der Versuch, einige Kriterien „guter Kinderliteratur“ zu entwickeln. Dabei ist nicht so sehr der Gedanke unstrittiger und
endgültiger Kriterienkataloge leitend, sondern die Absicht, das eigene Nachdenken
und Bewusstsein über diese Frage anzuregen – die in diesem Prozess entstehenden
persönlichen Gesichtspunkte der Leserinnen und Leser können sich durchaus in
ganz andere Richtungen bewegen.
Mir kommt es also darauf an, sowohl in methodischer als auch in inhaltlicher
Hinsicht verschiedene Möglichkeiten zu verdeutlichen, sich mit dem Buchangebot
für Kinder und Jugendliche kritisch und begründet auseinander zu setzen. Dabei
sollen sowohl die literarische Qualität als auch die Qualität der Illustrationen im
Blickpunkt stehen. Eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Thema scheint
mir noch aus einem weiteren Grund wichtig zu sein. Der Buchmarkt für Heranwachsende gerät nämlich in zunehmendem Ausmaß unter ökonomische Impera15
Einleitung
tive der Vermarktung von eigentlich buchfremden Produkten (z. B. in Form der
Verquickung von Toys-Geschichten mit einem entsprechenden Warenangebot von
Filmen, Postern und Spielfiguren, von Harry-Potter-Romanen mit einer bereiten
Palette entsprechender Kleidungs-Accessoires, der Barbie-Industrie mit Schneewittchen-Zeichentrickfilmen). So pries die Panini-Group 2007 ihre Sammelbilder
und Soundtrack-CDs zur Filmserie Die wilden Kerle mit dem Hinweis an: „Die Reihe läuft und läuft. Mittlerweile rund 7 Millionen verkaufte Bücher, Hörbücher und
Merchandising-Artikel.“24 Einer 1995 durchgeführten Umfrage der BertelsmannStiftung zufolge besteht ein nicht unerheblicher Teil der Lektüre von sechs- bis
achtjährigen Kindern in Begleitbüchern zu Kinderfilmen (insbesondere DisneyProduktionen) – umgekehrt werden viel gelesene Jugendbücher wie Harry Potter
oder Pettersson & Findus verfilmt und anderweitig multimedial vermarktet.25 Die
Frage nach dem Bildungswert der Bücher ist für zahlreiche Vermarkter in diesem
Zusammenhang nebensächlich, im Blickpunkt steht allein der Vermarktungswert,
er wird zentrales Anliegen der Heft- und Buchproduzenten. Auch solche Tendenzen
der Konsum-Konditionierung Heranwachsender verlangen daher nach einer kritischen Auseinandersetzung mit der in dieser Art kommerzialisierten Kinderliteratur,
die häufig in suggestiven Werbekampagnen angepriesen wird.
Zahlreiche Themen, die in der bisherigen Kinder- und Jugendliteraturforschung
bzw. -theorie behandelt wurden und die durchaus Bedeutung auch für die Qualitätsdiskussion haben können, werden hier (aus gleich zu nennenden Gründen) nicht
systematisch, sondern allenfalls in Randbemerkungen behandelt. Dazu gehören die
folgenden Fragestellungen:
• Die Auseinandersetzung mit dem Gegenstand „Kinderliteratur“ verlangt nach einer Definition dieses Gegenstandes. Darüber ist in der Fachliteratur viel geschrieben worden – nicht immer mit gleichartigen Ergebnissen.26 Die Altersgruppe, die
ich in diesem Buch im Blick habe, bilden ca. vier- bis vierzehnjährige Kinder.
24 Diese strategische, integrierte Vermarktung von bestimmten Büchern, Spielsachen, CDs, Comics, Zeitungsberichten, Fernseh- und Kinofilmen, Puppenspielstücken usw. hat H.-H. Ewers
als „kinder- und jugendliterarisches Polysystem“ bezeichnet, in dem z. B. Spielfiguren, Kassetten, Abziehbilder, Comics, Lebensmittelverpackungen usw. unter dem Signum der Biene
Maja aufeinander verweisen; vgl. seine Schrift „Literatur für Kinder und Jugendliche. Eine
Einführung“, München 2000. Die zunehmende internationale Konzentration oder Kooperation der Kinderbuch-Verlage und diese integrierten Vermarktungssysteme wären eine gesonderte Untersuchung wert, da sie den Kinder- und Jugendbuchmarkt tiefgreifend – auch
im Hinblick auf seine Themen und Illustrationstrends – verändern. Vgl. dazu auch J. Thiele/
J. Steitz-Kallenbach: Handbuch Kinderliteratur. Freiburg 2004, S. 206 ff.
25 Vgl. dazu A. Ostheimer: Virtual Reality Novels. In: H.-H. Ewers (Hrsg.): Lesen zwischen Neuen Medien und Pop-Kultur. Kinder- und Jugendliteratur im Zeitalter multimedialen Entertainments. Weinheim 2002, S. 163–186, ferner auch S. 247 ff.
26 Vgl. z. B. H.-H. Ewers: Literatur für Kinder und Jugendliche. Eine Einführung. München 2000;
J. Eckardt: Kinder- und Jugendliteratur. Darmstadt 1987; G. Lange: Taschenbuch der Kinderund Jugendliteratur. Hohengehren 22000 Band 1; B. Kümmerling-Meibauer: Kinderliteratur,
Kanonbildung und literarische Wertung. Stuttgart 2003.
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Einleitung
Eine Definition meines Gegenstandes möchte ich aber vermeiden – was unter
einer anspruchsvollen Kinderliteratur verstanden werden soll, wird vielmehr am
Beispiel bestimmter Interpretationen und Kriterien in den folgenden Kapiteln
herauszuarbeiten sein. Dabei soll unbestritten bleiben, dass Kinder mit Gewinn
auch Bücher lesen, die eigentlich nicht für sie geschrieben sind, dass Kinder unterschiedlicher ethnischer oder sozioökonomischer Herkunft möglicherweise
verschiedenartige Lektürepräferenzen haben, dass ein Buch unter Umständen
von verschiedenen Kindern sehr unterschiedlich aufgefasst werden kann, dass
es von Erwachsenen positiv gewertete Erzählungen geben kann, die gleichwohl
von Kindern abgelehnt werden – kurzum, dass die Definition dessen, was „Kinderliteratur“ eigentlich ist, sehr schwierig ist. Ähnliche Probleme bestehen auch
im Hinblick auf die Frage nach einem „Kanon“ der Kinderliteratur (dazu werden
z. B. die sogenannten „Klassiker der Weltliteratur“ wie Robinson Crusoe, Gullivers Reisen, Grimms Märchen, Die Schatzinsel, Lederstrumpf, Das Dschungelbuch, Peter Pan oder Pinocchio gerechnet). Ist es sinnvoll, einen solchen Kanon
zu formulieren? Ist die Verbreitung eines Kinderbuchs oder dessen „Zeitresistenz“ Maßstab seiner Qualität? Gibt es überhaupt so etwas wie „Weltliteratur“
bei Kinderbüchern? Warum werden weltweit erfolgreiche Kinderbücher von der
Literaturwissenschaft in der Regel nicht der „Weltliteratur“ oder der anspruchsvollen Belletristik zugerechnet?27
• Auch auf eine systematische Darstellung verschiedener Formen, Gattungen oder
Typen der Kinder- und Jugendliteratur sowie impliziter wie expliziter Zielsetzungen soll hier verzichtet werden (phantastische und realistische Literatur, bürgerliche oder proletarische Literatur, Bücher für Mädchen und Jungen, Abenteuergeschichten, Fabeln und Kinderlyrik, Adoleszenzromane und Comics, religiöse
und interkulturelle Literatur, Belletristik und Sachliteratur – um hier nur einige
Beispiele zu nennen).28 Zwar sind Bewertungsfragen nicht unabhängig von sol27 Vgl. derartige Fragen z. B. in E. O’Sullivan: Comparative Children’s Literature. London 2005.
Der Autor macht unter anderem auf das wichtige Problem der Übersetzungen sogenannter
Weltliteratur (Alice im Wunderland, Pinocchio usw.) aufmerksam – die Texte werden dabei
meist in erheblichem Umfang der jeweiligen Kultur angepasst. Zum Kanonproblem ferner:
B. Kümmerling-Meibauer: Kinderliteratur, Kanonbildung und literarische Wertung. Stuttgart
2003; G. Velthaus: Die Pädagogik der Kinderliteratur. Szenen einer narrativen Erziehungsgeschichte oder Partituren des Umgangs mit Kindern. Hohengehren 2003; H. Lexe: Pippi, Pan
und Potter. Zur Motivkonstellation in den Klassikern der Kinderliteratur. Innsbruck 2003,
S. 14 ff. Auf S. 28 f. nennt die Autorin „Klassiker“ von 1605 (Don Quijote) bis 1976 (O wie
schön ist Panama).
28 Schön gestaltet: I. Schikorski: Schnellkurs Kinder- und Jugendliteratur. Köln 2003; J. Eckardt:
Kinder- und Jugendliteratur. Darmstadt 1987; G. Lange: Taschenbuch der Kinder- und Jugendliteratur. Hohengehren 22000 Band 1; G. Haas (Hrsg.): Kinder- und Jugendliteratur. Ein
Handbuch. Stuttgart 31984; G. Haas: Aspekte der Kinder- und Jugendliteratur. Frankfurt/M.
2003; K. Franz u. a. (Hrsg.): Kinder- und Jugendliteratur. Ein Lexikon (Loseblattlieferung).
Meitingen 1995 (22. Ergänzungslieferung 2004); S. Asmus: Die Forderungen zur Kinder- und
Jugendbuchkritik bei Malte Dahrendorf. Humboldt-Universität Berlin 1999, S. 9 f.; B. Kümmerling-Meibauer: Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur. Ein internationales Lexikon.
17
Einleitung
chen Literaturformen zu behandeln: Die Frage nach der Qualität z. B. einer bestimmten Fabel für den Unterricht in der Grundschule, nach der Funktion des
Grimmschen Märchens für Kinder im Vorschulalter oder nach den Bildungsgehalten in der sogenannten Kinderlyrik ist gewiss unterschiedlich zu beantworten.
Ich gehe jedoch davon aus, dass die im übernächsten Kapitel behandelten Kriterien guter Kinderliteratur Beurteilungsperspektiven thematisieren, die in jedem
Fall auch für diese verschiedenartigen Literaturgattungen aufschlussreich sind.
• Verschiedene Autoren haben sicher zu Recht darauf hingewiesen, dass man eine
pädagogische Bewertung der Kinder- und Jugendliteratur nicht ohne Kenntnisse
darüber vornehmen kann, wie diese sich historisch entwickelt hat und in welchen
historischen Konstellationen sie gelesen und erzählt wird.29 Welche Themen und
welche literarischen Strukturmerkmale dominieren jeweils, welche ZeitgeistSymptome spiegeln sich in den jeweiligen Kindheitsbildern und damit auch in
den Bewertungsmaßstäben für Kinderbücher? – Es würde den Rahmen meiner
Untersuchung überschreiten, auf diese Diskussion hinreichend solide einzugehen – ich möchte jedoch exemplarisch am Beispiel des Märchens einige historische
Interpretationstrends der deutschen Nachkriegsgeschichte verdeutlichen. Sie dürften gerade durch ihre Kontraste den analytischen Blick schärfen und erweitern.
Gewiss werden wir vielfach auch mit abschreckenden Beispielen der pädagogischen Kinder- und Jugendbuchbewertung konfrontiert: Die religiöse oder rassistische Indoktrination ist hier ebenso beispielhaft zu nennen wie eine betuliche
Stuttgart 2004; S. Barth: Mädchenlektüre. Frankfurt/M. 2002; M. Marquard: Einführung in die
Kinder- und Jugendliteratur. München 1977.
29 Vgl. zu solchen historischen Überlegungen und Analysen z. B. die biographische Schilderung
Klaus Doderers, der von 1963 bis 1990 Direktor des Frankfurter Instituts für Jugendbuchforschung war und hier die jeweiligen Nachkriegs-Trends der Kinderliteratur und ihrer Bewertung intensiv miterleben konnte. K. Doderer: Die Entdeckung der Kinder- und Jugendliteraturforschung. Autobiographische Reflexionen. Weinheim 2005; ferner H.-H. Ewers: Literatur
für Kinder und Jugendliche. Eine Einführung. München 2000; R. Wild (Hrsg.): Geschichte der
deutschen Kinder- und Jugendliteratur. Stuttgart 22002. Anschaulich (mit vielen Abbildungen)
und knapp ist die Übersicht von I. Schikorski gestaltet: Schnellkurs Kinder- und Jugendliteratur. Köln 2003. – In diesem Zusammenhang sind auch historisch orientierte Sammlungen von
Kinderliteratur oder entsprechende beschreibende Übersichten interessant – z. B. B. Kümmerling-Meibauer: Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur. Ein internationales Lexikon. 2 Bände: Stuttgart 2004; ABC und Abenteuer. Texte und Dokumente aus der Geschichte des deutschen Kinder- und Jugendbuches, hrsg. v. A. C. Baumgärtner u. a., München 1985 (2 Bände).
Historische Übersichten und Analysen sind ferner zu finden in Th. Brüggemann/O. Brunken
(Hrsg.): Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur. Vom Beginn des Buchdrucks bis 1570.
Stuttgart 1986; neben den weiteren Bänden dieser Reihe bis 1800 ferner: O. Brunken u. a.
(Hrsg.): Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur. Von 1800 bis 1850. Stuttgart 1998; C. Bravo-Villasante: Weltgeschichte der Kinder- und Jugendliteratur: Versuch einer Gesamtdarstellung. Hannover 1977; B. Dolle-Weinkauff/H.-H. Ewers (Hrsg.): Theorien der Jugendlektüre.
Weinheim 1996; H. Daubert: Veränderte Kindheit – Veränderte Literatur. Zur Entwicklung
des modernen Kinder- und Jugendromans und seiner didaktischen Relevanz. Vechta 2003;
B. Franzmann u. a. (Hrsg.): Handbuch Lesen. München 1999.
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Einleitung
Belehrungsliteratur oder die heute oft etwas verklemmt wirkende Verdammung
der „Schmutz- und Schundliteratur“ in der deutschen Nachkriegszeit.30 Gerade
mit Blick auf die historische Situierung der Kinderliteratur und auch ihrer Interpreten weisen einige Autoren darauf hin, dass es „überzeitliche“ Bewertungsnormen im Hinblick auf Kinderbücher nicht geben kann.31 Derartige Ansprüche
werden indessen in diesem Buch auch nicht präsentiert – es soll keine universellen Kriterien einführen, sondern die Urteilsfähigkeit schulen.
• Es gibt eine Fülle weiterer interessanter Aspekte der Kinderliteratur, die vorzüglich in diversen Zeitschriften, Lexika und Handbüchern dargestellt wurden und
auf die hier nicht eingegangen werden kann: Die Verlagssituation auf dem Kinderbuchmarkt, die sich rapide verändernde Technik der elektronischen Medien
(Hörbuch, CD, Speicherchips in Kleinstgeräten, PC-Nutzung und Internetangebote für Kinder), die Verschiebungen der Lektüreinteressen z. B. von der Belletristik zur Sachliteratur, internationale Trends der Kinder- und Jugendliteraturentwicklung etc.32 Auch Veränderungen des Leseverhaltens durch den Einfluss
bestimmter Nutzungsformen von Personalcomputern könnten in Zukunft von
Bedeutung werden. So berichteten z. B. im Oktober 2002 Taschenbuch-Verleger
von der Beobachtung, dass immer mehr Jugendliche durch die Windows-Sprache
sozialisiert werden: Hier wird man durch bestimmte „Icons“ gleichsam visuell an
die Hand genommen und durch Texte und Bildwelten geführt. Dies, so die Vermutung, sei auch eine Forderung an Bücher, die entsprechend gestaltet werden
sollten. Anspruchsvolle Texte (etwa in Schulbüchern) seien dann möglicherweise
nicht mehr gefragt. Ob derartige Entwicklungen tatsächlich eintreten, bleibt vorerst fraglich – aber es dürfte nicht unerheblich sein, darauf zu achten.
• Ein wichtiger Bereich der Kinder- und Jugendbuchanalyse ist auch die Erforschung des Leseverhaltens, der Bildlektüre und der Lesekompetenz von Kindern und
Jugendlichen. Wie in dieser Einleitung, so wird in den Folgekapiteln auf einige
Forschungsergebnisse einzugehen sein, sofern sie für das Thema dieses Buchs
bedeutsam sind. Eine systematische Darstellung dieses umfangreichen Sektors ist
30 Vgl. z. B. H. Reinhardt: Schmutz- und Schundliteratur im Vorschulalter. Ratingen 1957;
H. H. Schmidt: Die Lektüre der Flegeljahre. Duisburg 1964; E. Fischer: Die Großmacht der
Jugend- und Volksliteratur. Wien 1877, Reprint München 1979. 5 Bände.
31 R. J. Lukens: A Critical Handbook of Children’s Literature. Boston 72004; P. Hunt: Literature
for Children: Contemporary Criticism. London 1992; H.-H. Ewers: Literatur für Kinder und
Jugendliche. Eine Einführung. München 2000, S. 177; K. Doderer: Klassische Kinder- und
Jugendbücher. Kritische Betrachtungen. Weinheim 1970; B. Scheunemann: Erziehungsmittel
Kinderbuch. Zur Geschichte der Ideologievermittlung in der Kinder- und Jugendliteratur.
Berlin 1978.
32 Z. B. K. Doderer: Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur. 4 Bände. Weinheim 1995. Zeitschrift „Beiträge Jugendliteratur und Medien“ (Juventa-Verlag Weinheim); B. Franzmann
(Hrsg.): Handbuch Lesen. München 1999; P. Josting/G. Stenzel (Hrsg.): „Wieso, weshalb, warum …“. Sachliteratur für Kinder und Jugendliche. Weinheim 2004; B. Dolle-Weinkauff u. a.
(Hrsg.): Kinder- und Jugendliteraturforschung 2003/2004. Frankfurt/M. u. a. 2004.
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Einleitung
aber nicht beabsichtigt.33 Insbesondere die Auswertung lesebiografischer Erinnerungen macht deutlich, wie tiefgreifend Kinderliteratur wirken kann, wie stark
sich ihre literarischen Bilder einprägen können.34
• Gerade mit Blick auf Kriterien „guter“ Kinderliteratur ist ein Umstand beachtenswert, der insbesondere in der angelsächsischen Diskussion zutage tritt: Die
Formulierung spezifischer theoretischer Perspektiven auf die Kinder- und Jugendliteratur, die häufig unversöhnlich nebeneinander stehen. Stichworte sind hier
feministische Jugendbuchkritik, postkoloniale Kinderbuchtheorie, interkulturelle
Kinderbuchforschung oder Alternative Diskurse der Jugendbuchtheorie.35 Die Formulierung von Qualitätskriterien weicht hier eher einer Relativierung möglicher
Interpretationsrichtungen. So kritisieren z. B. einige Autoren das angebliche Vorherrschen der „westlichen Kultur“ in der Kinderliteratur und die implizite „Herrschaft des weißen Mannes“ in den bekannten Kinder- und Jugendgeschichten
beispielsweise Mark Twains, Robert Louis Stevensons, Daniel Defoes oder – in
Deutschland – Karl Mays. Dem wird dann – nicht selten im Duktus der „political correctness“ – eine „postkoloniale“ Kinderlektüre gegenübergestellt, die Lesebedürfnisse und Lesegewohnheiten beispielsweise afrikanischer Völker stärker
berücksichtigt. Hier ist nicht der Raum, diese zum Teil interessanten und bedenkenswerten, zum Teil erkennbar zeitgeistgeprägten Theorien zu diskutieren. Für
die Formulierung der später zu besprechenden Kriterien haben sie meines Erachtens keine Bedeutung, da diese ohnehin auf einen breiteren Fundus der Kinderliteratur bezogen sind (beispielsweise auch auf antike Sagen und Mythen). Ferner
wird im folgenden Kapitel darauf aufmerksam gemacht, dass man im Hinblick
z. B. auf die Grimmschen Märchen nicht einfach bei einer oberflächlichen Analyse der Figuren und Situationen verharren kann, sondern in den „Tiefenschichten“
dieser Literatur möglicherweise „archetypische“ Bilder finden kann, die auch in
Erzählungen bestimmter Südseevölker und Indianerstämme zu entdecken sind,
die insofern also keiner ethnozentrischen Kinderliteratur zuzurechnen sind.
33 Als Forschungsbeispiele und Übersichten seien hier genannt: J. Baumert u. a.: PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalern Vergleich. Opladen 2001;
Stiftung Lesen (Hrsg.): Lesen im internationalen Vergleich. Mainz 1990; B. Dolle-Weinkauff
u. a. (Hrsg.): Kinder- und Jugendliteraturforschung 2003/2004. Frankfurt/M. 2004; K. Schiffer:
Fernsehen und die Entwicklung von Sprach- und Lesekompetenzen. Hamburg 2003; G. Klingberg: Kinder- und Jugendliteraturforschung. Wien 1973; M. Knoche/M. Lindgens: Erscheinungsbild und Inhaltsstruktur von Jugendzeitschriften. Ergebnisse einer systematischen Inhaltsanalyse. Frankfurt/M. 1983; J. Becker (Hrsg.): Die Diskussion um das Jugendbuch. Ein
forschungsgeschichtlicher Überblick von 1890 bis heute. Darmstadt 1980; J. Eckhardt: Kinderund Jugendliteratur. Darmstadt 1987; B. Franzmann u. a. (Hrsg.): Handbuch Lesen. München
1999, S. 86 ff., S. 145 ff.
34 Vgl. z. B. J. Steitz-Kallenbach (Hrsg.): Kinder- und Jugendliteraturforschung interdisziplinär.
Oldenburg 2001; R. Langer (Hrsg.): Psychologie der Literatur. Weinheim 1986; J. Thiele/
J. Steitz-Kallenbach: Handbuch Kinderliteratur. Freiburg 2004, S. 21 ff.
35 Vgl. Z. B. P. Hunt: Literature for Children: Contemporary Criticism. London 1992; Chr. WilkiStibbs: The feminine subject in children’s literature. New York 2002.
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Einleitung
Andererseits ist es vollkommen legitim, kulturspezifische Kriterien „guter Kinder- und Jugendliteratur“ zu formulieren, die sich aus bestimmten objektiven
Anforderungen der eigenen Gesellschaft ergeben – darüber soll im übernächsten
Kapitel ausführlicher informiert werden. Wie vorsichtig man im Übrigen gerade im Hinblick auf Kinderbuchtheorien verfahren muss, die erkennbare Reflexe
auf bestimmte gesellschaftliche Diskussionsmoden oder Meinungstrends sind,
zeigen die kritischen Rückblicke mancher Interpreten etwa auf die politisierten
Kinderbuchtheorien der 1970er Jahre, aber auch die Rehabilitationen mancher
damals verketzerten Interpreten und Kinderbuchautoren aus den 1950er und
1960er Jahren.36
• Schließlich soll hier auch nicht der didaktischen Verwendung von bestimmten
Erzählungen und Literaturgattungen (z. B. Märchen) in Schulen nachgegangen
werden.37 Die Auswahlkriterien für geeignete Bücher bzw. Geschichten sind dort
zwar in der Regel wohl identisch mit den hier entwickelten Vorstellungen (wenngleich weniger gute Beispiele gerade zu Demonstrationszwecken im Unterricht
ihren Sinn haben können). Es ist aber umstritten, ob man z. B. Märchen im Unterricht verwenden und vielleicht sogar interpretieren sollte.38
Mit diesen Hinweisen soll verdeutlicht werden, was von diesem Buch erwartet werden kann und was nicht. Der erste Teil wird sich mit verschiedenen Möglichkeiten
der Textinterpretation und Textbewertung beschäftigen. Der zweite, methodisch etwas anders gestaltete Teil betrifft Möglichkeiten der Bildinterpretation und Bildbewertung. Auch das Bilderbuch, Comic-Hefte oder bebilderte Texte sind inzwischen
in zahlreichen Werken behandelt worden.39 In den letzten Jahren sind jedoch in
36 Vgl. z. B. H.-H. Ewers: Kinderliteratur der Nachkriegszeit. Progressive Aspekte der Theorie
des „guten Jugendbuchs“ der 50er und 60er Jahre. In: B. Dolle-Weinkauff/B. Ewers (Hrsg.):
Theorien der Jugendlektüre. Weinheim 1996, S. 165–178 sowie K. Doderer: Die Entdeckung
der Kinder- und Jugendliteraturforschung. Autobiographische Reflexionen. Weinheim 2005.
Siehe ausführlich dazu Interpretation 4 des folgenden Kapitels.
37 Z. B. C. Gansel: Moderne Kinder- und Jugendliteratur. Ein Praxishandbuch für den Unterricht.
Frankfurt/M. 2002; G. Lange (Hrsg.): Märchen, Märchenforschung und Märchendidaktik.
Hohengehren 2004; J. Meyenbörg: Entwurf einer Didaktik der Kinder- und Jugendliteratur
für die Sekundarstufe I. Frankfurt/M. 2000; M. Sahr: Leseförderung durch Kinderliteratur.
Märchen, Bilder- und Kinderbücher im Unterricht der Grundschule. Baltmannsweiler 2003;
K. Landherr: Das Kinder- und Jugendbuch in der Schule. Unterrichtsmodelle für Grundschule
und Hauptschule. Donauwörth 1984; Th. Karst (Hrsg.): Kinder- und Jugendlektüre im Unterricht. 2 Bände. Bad Heilbrunn 1979; W. Psaar/M. Klein: Wer hat Angst vor der bösen Geiß?
Zur Märchendidaktik und Märchenrezeption. Braunschweig 1976; K. Wardetzky: Märchen in
Erziehung und Unterricht heute. Baltmannsweiler 1997; K. Richter/M. Plath: Lesemotivation
in der Grundschule. Weinheim 2005; G. Cromme/G. Lange (Hrsg.): Kinder- und Jugendliteratur. Lesen – Verstehen – Vermitteln. Baltmannsweiler 2001.
38 Z. B. G. Velthaus: Die Pädagogik der Kinderliteratur. Szenen einer narrativen Erziehungsgeschichte oder Partituren des Umgangs mit Kindern. Hohengehren 2003.
39 Vgl. z. B. A. C. Baumgärtner: Die Welt der Abenteuer-Comics und andere Beiträge zu einem
Massenmedium. Bochum 1979; C. Doderer/H. Müller (Hrsg.): Das Bilderbuch: Geschichte und Entwicklung des Bilderbuchs in Deutschland von den Anfängen bis zur Gegenwart.
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Einleitung
der Erziehungswissenschaft verfeinerte, an der kunstgeschichtlichen Ikonographie
orientierte Methoden der Bildbetrachtung entwickelt worden, die bisher für die
Kinderbuch-Analyse noch kaum fruchtbar gemacht wurden.40 Einige dieser Methoden werden im Bildteil aufgegriffen, jedoch auch erweitert und ergänzt durch neue
methodische Facetten.
Einige Bemerkungen zur methodischen Anlage der einzelnen Kapitel mögen für
das Verständnis der folgenden Ausführungen hilfreich sein. Die pädagogische
Analyse von Märchen, die Entwicklung und Veranschaulichung verschiedener Bewertungsmaßstäbe im Hinblick auf Kinderbücher und schließlich die drei Essays
zur Bildinterpretation stellen drei sehr verschiedenartige Möglichkeiten der Kinderbuchbewertung dar. Der Eindruck einer heterogenen Kapitelgestaltung, der ein
innerer Zusammenhang fehlt, kann daher nahe liegen. Gerade diese Heterogenität
von Interpretationsmöglichkeiten scheint mir jedoch im Hinblick auf Kinderbücher
wesentlich zu sein: Es gibt, so scheint mir, keinen methodischen Kanon bestimmter
Bewertungsmaßstäbe, den man auf verschiedene Genres des Kinderbuchs gleichermaßen und in allen Situationen anwenden kann. So mag es z. B. im Hinblick auf die
pädagogische Bewertung von Märchen sinnvoll sein, vorfindbare Theorien pädagogischer, literaturwissenschaftlicher, entwicklungspsychologischer oder philosophischer Herkunft „ins Spiel“, d. h. in eine Art wechselseitig aufklärenden Dialog zu
bringen. Man bemerkt dann sehr rasch die „blinden Flecke“ bzw. die je besondere
und den Blick begrenzende Perspektive der einzelnen Theorie. Das Spektrum dieser
verschiedenen Theorien schult daher die eigene Urteilskraft, es ermöglicht eine umfassendere kritische Bewertung des Märchens. Einer solchen Spur folgt das 1. Kapitel des Textteils.
Man könnte konkrete Märchen allerdings auch nach Maßgabe der 9 Kriterien
analysieren, die im 2. Kapitel des Textteils dargestellt werden. Entsprechende Hinweise werden dort immer wieder zu finden sein, aber das „Durchexerzieren“ dieser
Methoden im Hinblick auf Märchen muss nicht immer die richtige, situationsangemessene Methode der Wahl sein. Beide Analysemethoden stellen also unterschiedliche methodische Möglichkeiten der Kinderbuch-Analyse dar. Wieder ganz anders
ist dann die Analyse-Technik des Bildteils beschaffen: Hier wird der Blick durch
bestimmte Hintergrundtheorien gelenkt, oder eine Sensibilisierung der Bildwahrnehmung wird im Hinblick auf Körpergesten und ikonographische Traditionen
durch vergleichende Bildbetrachtungen sehr unterschiedlicher Bildgenres geleistet.
Dass man auch auf diesem Gebiet der Illustrations-Analyse die zuvor behandelten
9 Kriterien anwenden könnte, soll an entsprechender Stelle und vor dem HinterBasel 1975; W. J. Fuchs/R. Reitberger: Comics-Handbuch. Reinbek 1978; H. J. Kagelmann:
Comics: Aspekte zu Inhalt und Wirkung. Bad Heilbrunn 1976; R. Neumann: Bibliographie
zur Comic-Sekundärliteratur. Frankfurt/M. u. a. 1987; M. Niermann: Das Bilderbuch in der
pädagogischen Diskussion. Düsseldorf 1979; M. Niermann: Erziehungsziele in Bilderbüchern
für Kinder von 2 bis 6 Jahren. Frankfurt/M. 1977; Ch. Pressler: Schöne alte Kinderbücher. Eine
illustrierte Geschichte des deutschen Kinderbuches aus 5 Jahrhunderten. München 1980.
40 Vgl. dazu ausführlich: Chr. Rittelmeyer/M. Parmentier: Einführung in die pädagogische Hermeneutik. Darmstadt 32007, Kap. 2.2.
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Einleitung
grund der dann vollzogenen Lektüre betont werden. Hier bleibt festzuhalten, dass
die methodische Heterogenität der einzelnen Kapitel dazu anregen soll, in konkreten Bewertungs-Situationen (z. B. der pädagogischen Bewertung von Harry-PotterRomanen und -verfilmungen) verschiedene Analyse-Perspektiven einnehmen zu
können. Auch auf diesem Gebiet ist vermutlich die von Hans-Georg Gadamer betonte Devise hermeneutischen Verstehens, also der Sinnauslegung von Texten und
Bildern ernst zu nehmen, dass hierfür nicht so sehr ein feststehendes Methodenarsenal maßgebend ist, das gleichermaßen auf verschiedene Literatur- und Bildsujets angewendet werden kann, sondern ein von Situation zu Situation wechselndes
„Können, das besondere Feinheit des Geistes verlangt“.41
41 H. G. Gadamer: Wahrheit und Methode. Tübingen 1975, S. 290.
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